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Year: 2008
Israeliten und Phönizier: Ihre Beziehungen im Spiegel der Archäologie und der Literatur des Alten Testaments und seiner Umwelt
Edited by: Witte, Markus ; Diehl, Johannes F.
Abstract: Der vorliegende Band enthält die für den Druck durchgesehenen und erweiterten Vorträge, die auf den internationalen Symposien der Projektgruppe ”Altorientalisch-Hellenistische Religionsgeschichte” (AHRG) in den Jahren 2005 und 2006 an der Universität Frankfurt am Main gehalten wurden, sowie zwei eigens für dieses Buch erbetene Artikel. Die Beiträge stellen die zentrale Bedeutung der Phönizier als Vermittler zwischen Altem Orient und Okzident heraus. Sie widmen sich exemplarischen Feldern der phönizischen Sprache, Topographie, Ikonographie und Religionsgeschichte und beleuchten das Verhält- nis zwischen ”Israeliten” und ”Phöniziern” im 1. Jahrtausend v. Chr., wie es sich aus archäologischen, historischen und literarischen Zeugnissen rekonstruieren lässt. Dabei verdeutlichen sowohl die Studien zur phönizischen Philologie, Bildwelt und Geschichte als auch die Untersuchungen einschlägiger alttes- tamentlicher Texte zur phönizischen Metropole Tyros sowie der Beitrag zur Religion der ”Philister” die Problematik der Bestimmung von kulturellen und religiösen Identitäten, interkulturellen Verflechtungen und lokalen Besonderheiten in der Antike.
Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich ZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-143058 Edited Scientific Work Published Version
Originally published at: Israeliten und Phönizier: Ihre Beziehungen im Spiegel der Archäologie und der Literatur des Alten Testa- ments und seiner Umwelt. Edited by: Witte, Markus; Diehl, Johannes F. (2008). Fribourg, Switzerland / Göttingen, Germany: Academic Press / Vandenhoeck Ruprecht. Witte / Diehl (Hrsg.) Israeliten und Phönizier ORBIS BIBLICUS ET ORIENTALIS
Im Auftrag der Stiftung BIBEL+ORIENT in Zusammenarbeit mit dem Departement für Biblische Studien der Universität Freiburg Schweiz, dem Ägyptologischen Seminar der Universität Basel, dem Institut für Archäologie, Abteilung Vorderasiatische Archäologie, der Universität Bern, dem Religionswissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich und der Schweizerischen Gesellschaft für Orientalische Altertumswissenschaft herausgegeben von Susanne Bickel, Othmar Keel und Christoph Uehlinger Orbis Biblicus et Orientalis 235
Markus Witte / Johannes F. Diehl (Hrsg.) Israeliten und Phönizier Ihre Beziehungen im Spiegel der Archäologie und der Literatur des Alten Testaments und seiner Umwelt
Academic Press Fribourg Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Veröffentlicht mit Unterstützung der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften und «Erich-und-Maria-Russell-Stiftung».
Gesamtkatalog auf Internet: Academic Press Fribourg: www.paulusedition.ch Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen: www.v-r.de
Die Inhaltseiten wurden von den Herausgebern als PDF-Daten zur Verfügung gestellt.
© 2008 by Academic Press Fribourg Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen
Herstellung: Paulusdruckerei Freiburg Schweiz
ISBN: 978-3-7278-1621-5 (Academic Press Fribourg) ISBN: 978-3-525-53036-8 (Vandenhoeck & Ruprecht) ISSN: 1015-1850 (Orb. biblicus orient.) Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...... VII
REINHARD G. LEHMANN ...... 1 „Who needs Phoenician?“ – Vom Nutzen des Phönizischen für das Verständnis der Sprache des Antiken Israel – Überlegungen und Beispiele
GUNNAR LEHMANN ...... 39 Das Land Kabul – Archäologische und historisch-geographische Erwägungen
ASTRID NUNN ...... 95 Die Phönizier und ihre südlichen Nachbarn in der achämenidischen und frühhellenistischen Zeit – Ein Bildervergleich
JENS KAMLAH ...... 125 Die Bedeutung der phönizischen Tempel von Umm el-Amed für die Religionsgeschichte der Levante in vorhellenistischer Zeit
MARKUS SAUR ...... 165 Tyros im Spiegel des Ezechielbuches
KARIN SCHÖPFLIN ...... 191 Die Tyrosworte im Kontext des Ezechielbuches
BORIS DREYER ...... 215 Phönizien als Spielball zwischen den Großmächten – Der sogenannte Raubvertrag von 203/2 v. Chr. – Dimension und Konsequenzen
MICHAELA BAUKS ...... 233 Kinderopfer als Weihe- oder Gabeopfer – Anmerkungen zum mlk-Opfer
CARL S. EHRLICH ...... 253 Die Philister und ihr Kult
Literaturverzeichnis ...... 273 Register ...... 287 Ortslagenverzeichnis ...... 293 Autoren und Herausgeber ...... 295
Vorwort
Der vorliegende Band enthält die für den Druck durchgesehenen und erweiterten Vorträge, die auf den Symposien der Projektgruppe „Altorientalisch-Hellenistische Religionsgeschichte“ (AHRG) in den Jahren 2005 und 2006 an der Universität Frankfurt/M. gehalten wurden1 sowie zwei eigens für dieses Buch erbetene Arti- kel2. Zentrales Anliegen der Projektgruppe, die im Rahmen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie e.V. arbeitet, ist die Erforschung des Religions- und Kulturkontaktes zwischen dem griechisch-ägäischen und dem vorderorientalischen Raum in spätpersischer und frühhellenistischer Zeit.3 Bei den zurückliegenden Tagungen zeigte sich, daß die Phönizier eine zentrale Rolle bei der Vermittlung zwischen dem Alten Orient und Okzident spielen. Die hier versammelten Beiträge widmen sich daher exemplarischen Feldern der phöni- zischen Sprache, Topographie, Ikonographie und Religionsgeschichte und beleuch- ten das Verhältnis zwischen „Israeliten und Phöniziern“ im 1. Jahrtausend v. Chr., wie es sich aus archäologischen, historischen und literarischen Zeugnissen rekon- struieren läßt. Dabei verdeutlichen sowohl die Studien zur phönizischen Philologie, Bildwelt und Geschichte als auch die Untersuchungen einschlägiger alttestament- licher Texte zur phönizischen Metropole Tyros sowie der Beitrag zur Religion der „Philister“ die Problematik bei der Bestimmung von kulturellen und religiösen Identitäten, interkulturellen Verflechtungen und lokalen Besonderheiten in der Antike.
Für die großzügige Unterstützung der Frankfurter Tagungen und der Arbeit der Projektgruppe insgesamt danken wir dem Fachbereich Evangelische Theologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität und der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie e.V. In besonderer Weise wurden die Symposien 2005 und 2006 durch die Erich-und-Maria-Russell-Stiftung gefördert, die nicht nur die Einladung der Referenten aus Israel und Kanada ermöglichte, sondern auch durch einen nam- haften Druckkostenzuschuß die Publikation der Beiträge ermöglichte. Dafür sei der Stiftung herzlich gedankt.
Den Autorinnen und den Autoren danken wir, daß sie ihre Manuskripte für die Dokumentation der Veranstaltungen zur Verfügung gestellt haben. Herrn Günter Müller (geoGraphisches Institut Waldbronn) sind wir zu Dank verpflichtet für die
1 So die Beiträge von Gunnar Lehmann (2006), Reinhard G. Lehmann (2005), Astrid Nunn (2005), Jens Kamlah (2005), Markus Saur (2006), Karin Schöpflin (2006) und Carl S. Ehrlich (2006). 2 So die Aufsätze von Boris Dreyer (2006) und Michaela Bauks (2006). 3 Vgl. dazu die Dokumentationen in: M. Witte / S. Alkier (Hg.), Die Griechen und der Vordere Orient. Beiträge zum Kultur- und Religionskontakt zwischen Griechenland und dem Vorderen Orient im 1. Jahrtausend v. Chr., OBO 191, Fribourg/Göttingen 2003; dies., Die Griechen und das antike Israel. Interdisziplinäre Studien zur Religions und Kulturgeschichte des Heiligen Landes, OBO 201, Fri- bourg/Göttingen 2004; M. Witte / M.Th. Fögen, Kodifizierung und Legitimierung des Rechts in der Antike und im Alten Orient, BZAR 5, Wiesbaden 2005. VIII VORWORT
Erstellung der Karte zur Levante im Zeitalter der Phönizier, Herrn PD Dr. Jens Kamlah (Tübingen) für die Beratung in Fragen der Topographie, sowie den Her- ausgebern und Herausgeberinnen der Reihe OBO für die Aufnahme des Bandes.
Schließlich gilt unser Dank den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen am Frankfurter Lehrstuhl für Altes Testament, Frau Dr. Miriam von Nordheim, Frau Dr. Walburga Zumbroich, Frau Daniela Opel, Herrn Christian Becker und Frau Stephanie Frieg für die Unterstützung beim Lesen der Korrekturen.
Die in den einzelnen Beiträgen zitierte Literatur ist in den jeweiligen Anmerkun- gen vollständig aufgeführt, wobei die volle bibliographische Angabe nur bei der Ersterwähnung erfolgt, bei darauf folgenden Verweisen erscheint dann ein Kurzti- tel. Jeder Beitrag enthält zusätzlich eine eigene auf das jeweilige Thema bezogene Bibliographie. Am Ende des Buches ist eine kleine Auswahlbibliographie zum Thema „Israel und Phönizien“ beigegeben. Die verwendeten Abkürzungen richten sich nach dem von Siegfried Schwertner erstellten Abkürzungsverzeichnis der Theologischen Realenzyklopädie (2., überarbeitete Auflage, Berlin / New York 1994). Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen verwendet:
ABG Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte, Leipzig. CRAIBL Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Comptes rendus des séances de l’année …, Paris. DDD K. van der Toorn, B. Becking, P.W. van der Horst (Hgg.), Dictionary of Deitis and Demons in the Bible, Leiden / Boston / Köln 21999. DUL G. Del Olmo Lete, / J. Sanmartín: A Dictionary of the Ugaritic Language in the Alphabetic Tradition, HdO I/67, Leiden / Boston / Köln 22004. GGG O. Keel / Chr. Uehlinger, Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels auf- grund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, QD 134, Freiburg u.a. 52001. NEAEHL E. Stern (Hg.), The New Encyclopedia of Archaeological Excava- tions in the Holy Land, I-IV, Jersualem 1993.
Markus Witte Johannes F. Diehl Frankfurt am Main, im Oktober 2007
„Who needs Phoenician?“ Vom Nutzen des Phönizischen für das Verständnis der Sprache des Antiken Israel Überlegungen und Beispiele
Reinhard G. Lehmann1
Wer sich einmal das ästhetische Vergnügen gönnt, in den Quartbänden des in den Jahren 1829-1853 erschienenen Thesaurus Philologicus Criticus Linguae Hebraeae et Chaldaeae Veteris Testamenti von Wilhelm Gesenius (1786-1842) zu blättern, steht gleichermaßen erstaunt und beeindruckt vor der ungeheuren Gelehr- samkeit seines Verfassers und der hohen Blüte der Buchsetzerkunst des angehen- den 19. Jahrhunderts.2 Der moderne, sich bald zweihundert Jahre später in das altehrwürdige Werk vertiefende Leser wird überwältigt von einer überbordenden Fülle an philologi- schen Informationen, die, seien es einzelne Wörter, Sätze oder ganze zitierte Pas- sagen, neben dem ohnehin zu erwartenden Hebräischen und Griechischen in arabi- scher, syrischer, äthiopischer3 und koptischer4 Schrift und Sprache gesetzt sind, gelegentlich sogar in ägyptischen Hieroglyphen5 und Devanagari- und chinesischer Schrift.6 Und einmal finden sich sogar Kopien von phönizischen Inschriften:7
Abb. 1. Phönizische Inschriften in Gesenius Thesaurus, S. 490 a. Stele aus Malta b. Karthago, CIS I,240 (KAI 61A = CIS I,123a)
1 Ich danke Uri Hurwitz (New York) und Robert Kerr (Leiden), mit denen ich Teile des Manuskripts diskutieren konnte, für konstruktive Kritik und Anregungen. 2 Wilhelm Gesenius, Thesaurus philologicus criticus linguae hebraeae et chaldaeae veteris testamenti. / continens, 1840 פ -י Leipzig 1835 / Tomus secundus litteras .ט-א Tomus primus continens litteras – .continens, quem post Gesenii decessum perfecit Aemilius Roediger, 1853 ת - צ Tomus tertius litteras Die Paginierung ist von S. 1-1522 durch alle drei Bände durchgezählt. Der erste Band erschien in zwei Faszikeln ab 1829, der dritte Band wurde nach Gesenius’ Tod (1842) von Emil Rödiger (1801-1874) fertiggestellt. .Ô, u.öָפַל .s.v 704 ,סְוֵנֵה.Gesenius, Thesaurus (s. Anm. 2), 942 s.v 3 .u.ö ,סÍס .s.v 942 ,מֹף .Gesenius, Thesaurus (s. Anm. 2), 812 s.v 4 ı, 1128˚טִי פֶרַע .s.v 1094 ,נְכֹה .s.v 885 ,נַהַר .s.v 858 ,מֹף .Gesenius, Thesaurus (s. Anm. 2), 812 s.v 5 .u.ö ,‹ִי‹ַק .s.v 1399 ,˙ִרְהָקָר .ı, 1519 s.vַרַס .s.v .סִ ינִים .Gesenius, Thesaurus (s. Anm. 2), 949 s.v 6 .חַמָּן .Gesenius, Thesaurus (s. Anm. 2), 490 s.v 7 2 REINHARD G. LEHMANN
Es sind dies zum einen die 1820 entdeckte Stele KAI 61A aus Malta8, zum anderen eine Weihinschrift aus Karthago9, wie sie ähnlich unzählige Male belegt ist – nicht gerade spektakuläre Entdeckungen in einem alten Buch also. Wilhelm Gesenius, der selbst den maßgeblichen Anteil an der ersten methodischen wissenschaftlichen Erschließung des Phönizischen hatte,10 präsentierte mit diesen beiden phönizi- schen, genauer: punischen Inschriften nichts weiter als die einzigen damals be- kannten außerbiblischen Belege des auch heute noch nicht restlos geklärten hebräi- das hier im Namen des Baal-Hammon erscheint. Was Gesenius ,חַמָּן schen Wortes umständlich lateinisch als simulacrorum vel statuarum genus etc.11 umschreibt, das wird auch heute noch kaum anders als etwas wie Räucherständer oder eine andere, jedenfalls eher kleine Kultinstallation gedeutet. Wir wollen diese Inschriften indes nicht weiter traktieren. Insbesondere auch wol- len wir Gesenius nicht dafür tadeln, daß er sie noch nicht ganz korrekt gelesen hatte, sondern nur konstatieren, daß in dem seinerzeit bedeutendsten hebräischen Wörterbuchprojekt dem Phönizischen, dessen wissenschaftliche Erschließung erst am Anfang stand, immerhin so viel Gewicht beigemessen wurde, daß Gesenius es nicht für überflüssig hielt, sogar epigraphische Reproduktionen anzubringen. Ähnlich verhält es sich von Anfang an mit der Bedeutung des Phönizischen in Wilhelm Gesenius’ hebräischem Handwörterbuch. Bereits in der zweiten Auflage von 1823 hatte er in die Vorrede eine ‚gedrängte Abhandlung‘ mit dem Titel „über die Quellen der hebräischen Wortforschung nebst einigen Regeln und Beobachtun- gen über den Gebrauch derselben“12 eingefügt und dort jene Quellen benannt als
8 In KAI 2, 76 als verschollen bezeichnet, was aber wohl nur für die parallele Inschrift 61B gilt, die schon in CIS I,123b nur als Zeichnung reproduziert ist. 9 CIS I,240. 10 Wilhelm Gesenius, Scripturae linguaeque phoeniciae monumenta quotquot supersunt edita et inedita ad autographorum optimorumque exemplarum fidem edidit addidisque de scriptura et linguae phoeni- cum commentaariis, 1837 (Pars prima. Duos priores de libris et inscriptionibus phoeniciis libros con- tinens, I-XXVIII, 1-260; Pars secunda. Duos posteriores de numis et de lingua phoenicum libros con- tinens, 261-482; Pars tertia. Quadraginta sex tabulas lapidi inscriptas continens, Tab. 1-48 [sic]); im Vorwort (S. V) schreibt Gesenius: Pauca sunt litteratae antiquitatis monumenta, quae maiore suo iure virorum in eo studiorum genere versantium oculos in se convertant, quam exiguae istae, quae inscrip- tionibus numisque continentus, Phoeniciae Punicaeque linguae reliquiae. Vgl. auch Otto Eissfeldt, Von den Anfängen der phönizischen Epigraphik. Nach einem bisher unveröffentlichten Brief von Wilhelm Gesenius, Hallische Monographien 5, 1948. 11 Gesenius, Thesaurus (s. Anm 2), 489b: „simulacrorum vel statuarum genus, ab idolatris cultum, quod .Jes. XVII, 8. XXVII, 9. 2 Par , הַ Êְעָלִ ים .i. e. simulacris Astartes), ut alibi plur) אֲ ‹ִ ֵרים copulatur cum Ê Lev. XXVI, 30. Ez. VI, 4. 6. 2 Par. XIV, 4, et inָמ˚ת xxxiv, 4. 7, aliisque idololatriae instrumentis, ut altaribus Baalis stetisse dicitur 2 Paral. XXXIV, 4 […]. Veteres interpretes aut generatim simulacra s. idola reddunt […], aut delubra […] et speciatim quidem πυρεῖα, πυραϑεῖα […]. Sunt etiam nunnulla dubiae interpretationis […].“ 12 Wilhelm Gesenius, Hebräisches und chaldäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, Zweyte verbesserte, vermehrte und mit einem Register versehene Auflage, 1823 [Ges 2HWB], VII-XLV; eine erweiterte, freilich auch modifizierte und dabei etwas abgemilderte Fassung dieser Einleitung findet sich als ein eigenes, 41 Seiten umfassendes Eingangskapitel in der ‚Vierten verbesserten und vermehr- ten Auflage‘ ß 1834 [Ges 4HWB], III-XLVII. Vgl. auch schon Wilhelm Gesenius, Geschichte der heb- räischen Sprache und Schrift, 1815. „WHO NEEDS PHOENICIAN?“ 3
1. den Sprachgebrauch des Alten Testamentes selbst, „so weit er aus dem Zusam- menhange der einzelnen Stellen und der Vergleichung aller derer, in welchen ein Wort oder eine Phrase vorkommt, erkannt wird“,13 2. „die traditionelle Kenntniss der hebräischen Sprache, welche sich bey den Ju- den erhalten hat, und theils in den alten Übersetzungen, theils in den jüdischen Commentarien und Wörterbüchern niedergelegt ist“14, und schließlich als 3. „Vergleichung der verwandten Dialekte15, welche zwar alle in den uns vorlie- genden Denkmälern jünger sind, als das A. T., aber zum Theil reicher, als der hebräische Dialekt in der Bibel16, und entweder lebende Sprachen, oder durch einheimische Grammatiker lexicalisch bearbeitet, oder wenigstens in mehreren Schriftstellern erhalten sind, so dass über die Bedeutungen der Wörter verhält- nismässig seltener als im Hebräischen Zweifel obwalten können.“17
Nun kann freilich keineswegs, und schon gar nicht nach damaligem Kenntnis- stande, die Rede davon sein, daß das Phönizische eine in irgendeiner Hinsicht rei- cher fließende Quelle als das Hebräische sei. Dennoch wird es bei Gesenius im dritten Abschnitt als das ‚Canaanitische‘ zusammen mit dem Hebräischen, und somit ihm nächststehender und vom Aramäisch-Syrischen einerseits und vom Ara- bischen und Äthiopischen andrerseits zu unterscheidender Sprache genannt.18 Frei- lich, so räumt Gesenius ein, seien die wenigen vorhandenen phönizischen Denk- mäler „nicht gerade alt“, sondern gehörten „in die nächste Zeit vor Christo“,19 und das sich dadurch ergebende methodische Problem faßt er präzise in die Worte: Sehr begreiflich bedürfen diese Documente, die in paläographischer Hinsicht so grosse Schwierig- keiten darbieten, ohne allen Vergleich mehr der Hülfe des hebräischen Sprachgebrauchs der Bibel, als dass sie geeignet wären, den biblischen Sprachgebrauch aufzuklären, und fast möchte es schei- nen, als ob sie hier keinen Platz verdienten.20 Dennoch aber sei es immerhin denkbar, daß zuweilen ein in der Bibel dunkeles Wort auf einer Inschrift in einem Zusammenhange vorkomme, welcher auf jene Stelle ein Licht zurückwerfe, und so ist es wirklich wenigstens einige Mal.21 Auch etwa ein Jahrhundert später klingt der große Epigraphiker Mark Lidzbarski nicht viel optimistischer, wenn er im Jahre 1927 vor der Erklärung eines unbe-
13 Ges 2HWB, 1823, VII; vgl. Ges 4HWB, 1834, III. 14 Ges 2HWB, 1823, VII; vgl. Ges 4HWB, 1834, III. 15 In Ges 4HWB, 1834, III „stammverwandten Sprachen“. 16 In Ges 4HWB, 1834, III „das biblische Hebräisch“. 17 Ges 2HWB, 1823, VIIf.; mit leichten Änderungen (s. vorige Anm.) Ges 4HWB, 1834, III. – In der zweiten Auflage fährt Gesenius fort: „Diese einzelnen Quellen genau zu kennen, richtig zu würdigen, und in den einzelnen Fällen, wo sie zuweilen in Conflict gerathen, unter sich selbst und mit dem Zu- sammenhange in ein richtiges Verhältniss zu setzen, ist das Geschäft des philologischen Hermeneuten, und bey der Ausübung desselben kann sich hermeneutisches Talent offenbaren.“ 18 Ges 2HWB, 1823, XX; vgl. Ges 4HWB, 1834, XIV-XV. 19 Ges 2HWB, 1823, XXIX-XXX; vgl.Ges 4HWB, 1834, XXIII. 20 Ges 2HWB, 1823, XXX; vgl. Ges 4HWB, 1834, XXIII. 21 Ges 2HWB, 1823, XXX (Hervorhebung von mir); vgl. Ges 4HWB, 1834, XXIII. In diesem durch die damals noch חַמָּן Zusammenhang wies Gesenius auch schon auf die Beleuchtung des Wortes unveröffentlichte, erst von ihm selbst 1837 in Scripturae linguaeque phoeniciae monumenta publizierte Inschrift KAI 61A hin. 4 REINHARD G. LEHMANN kannten Ausdrucks in der kurz zuvor bekanntgewordenen Aḥirom-Inschrift aus Byblos resigniert bekennt: … wo die Kenntnis des Hebräischen aufhört, hört für uns auch die Kenntnis des Phönizischen auf.22