OLYMPIA IM ANTIKEN GEWAND Vor 50 Jahren Olympische Spiele in Rom von Dieter Germann

Für Baron Pierre de Coubertin wurde ein Traum wahr, den er sich zu Lebzeiten gewünscht hätte, die Spiele, wie er schrieb „in die prächtige, aus Kunst gewebte Toga von Rom“ zu hüllen. Nach dem Willen von Coubertin hätte Rom schon die Spiele von 1908 ausrichten sollen. Rom entsprach genau seinen Vorstellungen von einer würdigen Kulisse für Olympische Spiele. Die Stadt war aber nicht in der Lage diese Spiele zu organisieren und gab sie 1906 zurück. Ein halbes Jahrhundert später wurde seine Vision Wirklichkeit.

Am 16. Juni 1955, auf der 51. IOC Session in Paris, wurden die Olympischen Sommerspiele an Rom vergeben. In der „Ewigen Stadt“ vereinte sich Tradition, kirchliche Würde und moderner Sport.

Bereits vor 2000 Jahren waren die Römer an den Olympischen Festspielen von Olympia interessiert. Nachdem Griechenland zum römischen Kaiserreich kam haben die Römer am Wettstreit in Olympia teilgenommen und dadurch den Spielen einen internationalen Charakter verliehen. Sogar römische Kaiser brüsteten sich als Olympioniken. Die Versuche römischer Machthaber, vornehmlich durch den Konsul Sulla (um 80 v.Chr.) und die Kaiser Nero (um 65 n.Chr.) und Domitian (um 90 n.Chr.), Olympia durch Rom zu ersetzen, scheiterten. Nero hat die Neroeen, Domitian die Capilolia (Kapitolinischen Spiele), geschaffen. Beide Kaiser starben früh, die Olympischen Spiele in Olympia lebten noch Jahrhunderte weiter. Der griechische Sport wurde von der römischen Kultur als ein nostalgisches Schauspiel bewahrt.

Römischer Konsul Diskuswerfer Wölfin säugt Faustkämpfer Schaber von auf dem Weg zu den von Myron Romulus und nach dem Sieg Lysipp (Vatik. antiken Spielen (Vatik. Museeen) Remus (Vatik. Museen) Museen)

Welch schöner, hoher und heller Klang in diesen Worten „Olympia in Rom“. Allein die beiden Namen haben eine einmalige Anziehungskraft ausgestrahlt. Olympia war nie eine Stadt. Olympia war ein heiliger Bezirk, eine der erhabensten Kult – und Kulturstätten und Austragungsort der großartigsten Festspiele im antiken Griechenland.

30 Rom ist die Synthese von Antike, Mittelalter und Neuzeit, das Kernstück der abendländischen Geschichte und Kultur. Rom ist die „Ewige Stadt“, die Stadt der Städte mit großartigen und einmaligen Erlebnissen für den Körper, für den Geist und für die Seele des Menschen.

Kapitol und Kapitolsplatz Denkmal Emanuell II. Pantheon (25 v.Chr.) Piazza Venezia

In 2 Wettbewerben wurde der Entwurf des Malers Armado Testa als Plakat für die Olympischen Spiele in Rom angenommen. im oberen Teil zeigt es die Kapitolinische Wölfin, wie sie zähnefletschend Romulus und Remus säugt. Darunter befindet sich die moderne Darstellung des berühmten „Kapitell von Belvedere“. Die Farben Porphyr (Herrschaft) und Gold (Sieg) verkörpern die Macht Roms.

Die Italiener hatten die klassischen Stätten für die olympischen Wettkämpfe freigegeben. Schauplätze des olympischen Wettstreites wie die Basilica di Massenzio (Ringen) oder die Thermen des Caracalla (Turnen) waren einmalig.

Basilika des Maxensius Thermen des Caracalla (erbaut 306-312 v.Chr.) (erbaut 211-312 v.Chr.) Ringen Turnen

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Palazzo dello Sport Olympia-Stadion Velodrom (Radstadion)

Dazu kamen die herrlichen modernen Sportanlagen wie der Palazzo dello Sport (Boxen, Basketball), der kleinere Palazzo dello Sport (Basketball, Gewichtheben), das Schwimmstadion Stadio del Nuoto (Schwimmen, Kunstspringen und Wasserball) in seiner tollen Farbkomposition, das beeindruckende Olympia-Stadion im Foro Italico am Fuße des Monte Mario (Leichtathletik, Reiten), der Palazzo dei Congressi (Fechten), das Velodromo Olimpico (Radsport), das Stadio dei Marmi (Hockey), in Poligono Umberto I Kleiner Sportpalast (Schießen), in Passo Corese (Reiten).

Der Marathonlauf verband besonders die Antike und die Neuzeit: Start am Kapitol, erste Wegstrecke durch die modernen Wohnviertel von Rom, vorbei an den weißen leuchteten Großbauten des EUR – Geländes und Rückkehr über die Via appia antica zum Ziel am Konstantinsbogen neben dem Colosseum.

Werbefreistempel in roter Farbe

32 Die Wettbewerbe im Rudern und Kanu fanden in Castelgandolfo am Lago Albano, das Segeln im Golf von Neapel, im Reiten in Piazza di Siena, in Pratoni del Vivaro und Rom, die Spiele im Fußball in Florenz, Grosetto, L`Aquilla, Livorno, Neapel, Pescara und in Rom statt.

An den Olympischen Spielen in Rom nahmen 4741 Männer und 611 Frauen in 83 teilnehmenden Mannschaften teil. Es gab Medaillen in 17 Sportarten mit 150 Disziplinen. Zum letzen Mal waren die Südafrikaner dabei, deren Rassentrennungspolitik das IOC nicht länger akzeptierte.

Das Problem mit China wurde vertagt, aber nicht gelöst, da sich IOC – Präsident war die Volksrepublik China aus dem IOC zurückzog und Avery Brundage Nationalchina unter dem Namen Formosa teilnahm. (USA)

Sonderausgaben der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik für die Olympischen Spiele in Rom 1960

Zum zweiten Mal startete eine gemeinsame deutsche Mannschaft aus der Bundesrepublik und der DDR, die diesmal in anstrengenden Ost – West Ausscheidungswettbewerben ermittelt wurde. Nach harten Verhandlungen hatte man sich als Kompromisslösung auf die Schwarz-Rot-Goldene Fahne mit den Olympischen Ringen geeinigt.

Wie bei den vorherigen Olympischen Spielen seit 1936 wurde zu Beginn des olympischen Jahres das Olympische Feuer in Olympia entzündet. Die Zeremonie begann am 12. August um 9:30 Uhr und erster Fackelläufer war der griechische Zehnkämpfer Penaghoitis Epitropoulos. Die Flamme wurde über 330 km (330 Läufer) über Pyrgos, Patras, Korinth, Megara, Eleusis, Athen nach Piräus getragen.

Sonderstempel von Olympia zum Olympischen Fackellauf

33 Dort wurde das Feuer am 18. August von dem Großsegler über 900 km Seereise nach Syrakus gebracht und über die Strasse von Messina kam die Flamme durch die Reggio Calabria, Cosenza, Matera, Avellino, Salerno, Neapel und Caserta am 24. August nach Rom. Insgesamt wurden in Italien 1533 km (1199 Läufer) gelaufen. Am 25. August entzündete ein 18jähriger Schüler mit griechischen Vorfahren, der Leichtathlet Giancorlo Peris, das Feuer im Olympiastadion.

Die Eröffnungsfeier im neuen Stadio Olimpico bot ein buntes, stimmungsvolles Bild, und als der letzte Fackelträger Giancarlo Peris das Olympische Feuer entzündetet, begannen in Rom alle Kirchenglocken zu läuten. In der ersten Wettkampfwoche begrüßte Pabst Johannes XXIII. die Teilnehmer aus aller Welt auf dem Petersplatz.

Sonderstempel von Italien zum Olympischen Fackellauf

Die bemerkenswertesten Erfolge der deutschen Mannschaft waren die Sprintsiege von Armin Hary und der 4x100m-Staffel mit Bernd Cullmann, Armin Hary, Walter Mahlendorf, Martin Lauer), die drei Ruder-Goldmedaillen ( siehe separater Artikel), Ingrid Krämers Doppelsieg im Wasserspringen sowie das Gold des Reiter-Teams (Alwin Schockemöhle, Fritz Thiedemann u. H.G. Winkler), der Fechterin Heidi Schmid, des Schützen Peter Kohnke, des Ringers Wilfried Dietrich und der Kanuten (Paul Lange,Günter Perleberg, Friedhelm Wentzke, Dieter Krause).

Zweimal Silber holten sich der 400-m-Läufer Carl Kaufmann (einmal mit der 4x400m- Staffel mit Hans-Joachim Reske, Manfred Kinder, Johannes Kaiser, Carl Kaufmann) und die Sprinterinnen Jutta Heine, einmal mit der 4x100m-Staffel mit Martha Langbein, Anni Biechl, Bruni Hendrix, Jutta Heine) sowie der Langstreckler Hans Grodotzki. Silber erreichten die Leichtathleten Walter Krüger (Speerwerfen), Johanna Lüttke im Kugelstoßen, Wiltrud Urselmann im Schwimmen, Therese Zenz, Ingrid Hartmann im Kanu, Wilfried Dietrich und Lothar Metz im Ringen. Vier Silbermedaillen trugen die Radfahrer bei mit Dieter Gieseler, Peter Gröning, Manfred Klieme, Siegfried Köhler, Bernd Barleben, Täve Schur, Egon Adler, Erich Hagen, Günter Lörke, Jürgen Simson und Lothar Stäber.

Bronze - Medaillen bekamen Ulla Donath, Gisela Birkemeyer, Hildrun Klaus, (Leich- tathletik), Rolf Mulka, Ingo von Bredow, (Segeln), Barbara Göbel, Ingrid Schmidt, Ursula Küper, Bärbel Fuhrmann, Ursula Brunner, Christel Steffin, Heidi Pechstein, Gisela Weiss (Schwimmen), Jürgen Brecht, Tim Gerresheim, Eberhard Mehl, Jürgen Theuerkauff 34 (Fechten), Günter Siegmund (Boxen), Josef Neckermann (Reiten) und Klaus Zähringer (Schießen).

Vergessen sollen auch nicht die Vierten, denen eine Medaille knapp entging: Paul Schmidt über 800 m, Helmut Janz über 400 m Hürden, Manfred Steinbach im Weitsprung und der Hürdensprinter Martin Lauer, der aber Staffel-Gold bekam.

Herausragende Sportler waren Boris Schachlin, UdSSR (Turnen / 7 Medaillen), Larissa Latynina, UdSSR (Turnen / 6 Medaillen), Takashi Ona, Japan (Turnen / 6 Medaillen), Christa von Saltza, USA (Schimmen / 4 Medaillen) und Wilma Rudolph, USA (Leichtathletik / 3 Medaillen).

Jüngster Olympiateilnehmer war der deutsche Steuermann beim Rudern Klaus Zerta mit 13 Jahren.

Die Erfolge der gesamtdeutschen Mannschaft waren groß und eindrucksvoll. Insgesamt errangen die deutschen Sportler aus Ost und West 12 Gold-, 19 Silber - und 11 Bronze - Medaillen.

Die Spiele in Rom wurden zu einem Glanzpunkt , sie waren die Unbeschwertesten der olympischen Geschichte. Faszinierend war die antike Kulisse, bemerkenswert die Leistungen, wie sie nie zuvor erzielt worden waren. Herausragend waren die Rekorde in der Leichtathletik, im Schwimmen und im Gewichtheben, die Turnkunst der Japaner und die Erfolge der deutschen Ruderer.

Die IMOS– Reisegruppe glaubte noch 1998 auf der Ehrentribüne im Ruderstadion am Albaner See den Ruf der deutschen Schlachtenbummler von 1960 zu hören: „Ra-ra-ra – Germania“

35 Die olympischen Ruderwettbewerbe fanden auf dem Albaner See bei Castelgandolfo statt und hier feierten die Deutschen ihre größten Erfolge seit 1936. Insgesamt gewannen die deutschen Ruderer drei Gold – und eine Silber-Medaille. Glänzend war schon der Auftakt. Von den sieben Endläufen, waren fünf mit deutschen Booten besetzt.

Als erster ging der Vierer mit Steuermann an den Start und wurde Olympiasieger mit Gerd Cintl, Horst Effertz, Klaus Riekemann, Jürgen Litz und Steuermann Michael Obst. Im Einer errang Achim Hill aus Ostberlin die Silbermedaille, er war der erste Medaillengewinner im Rudern der DDR. Das Stimmungsbarometer war bei den Deutschen dadurch noch höher geklettert durch diese unerwartete Silbermedaille.

Als Bernhard Knubel und Rennveteran Heinz Renneberg, der mit 32 Jahren ältester Ruderer war sowie mit dem 13jährigen Steuermann Klaus Zerta ins Boot stiegen, rechnete man mit einer Medaille. Aber, dass es gleich die „Goldene“ wird, war eine große Überraschung.

Höhepunkt und ruhmvoller Abschluss für Deutschlands Ruderer war der mit großer Spannung erwartete Achterlauf. Zum ersten Mal seit Bestehen der olympischen Ruderwettbewerbe im Jahr 1900 passierte ein deutscher Achter als erster die Ziellinie. Im siegreichen Boot saßen: Manfred Rulfs, Walter Schröder, Frank Schepke, , Moritz K.-H. von Groddeck, Karl-Heinz Hopp, Klaus Bittner, und Steuermann Willi Padge.

Nun leuchtete der Stern des Ruderprofessor Karl Adam aus Ratzeburg besonders hell. Diesem klugen Pädagogen und Theoretiker war es mit neuen Trainingsmethoden

gelungen den Rudersport in Deutschland so erfolgreich zu gestalten.

Das Organisationskomitee für die Spiele hatte im Vorfeld eigens ein philatelistisches Büro mit eingeschlossen, um nicht nur für die Briefmarkenfreunde eine greifbare Erinnerung zu hinterlassen.

Bei den Sonderbriefmarken spiegelt sich die Verbindung der Antike zur Moderne besonders wider. Die Ausgaben zeigen die olympischen Austragungsstätten und die insgesamt erschienenen 14 Sonderpostwertzeichen. Neben verschiedenen Freistempeln in der Vorbereitungszeit gab es während der Spiele 29 Sonderstempel von fast allen Sportstätten, Eröffnung, Abschluss, Fackellauf und der IOC - Session sowie 33 Sonderpostkarten. Weitere 47 Länder gaben Olympische Briefmarken und Blocks heraus. Zum olympischen Rahmenprogramm zählte auch eine Briefmarken- Ausstellung mit 61 Teilnehmern aus 21 Ländern.

Maschinen-Sonderstempel von Milano mit Text: Selezione Olimpica (Pesi Gallo/ Pesi piuma / Pesi Leggeri / Massimi-Leggera / E Massimi / Pesi Medi / E Medio Massimi

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Eintrittskarte zu den Olympischen Spielen 1960 in Rom Olympiastadion

Stempel zur Einweihung der Olympischen Wettkampfstätten

Sonderstempel der XVII. Olympischen Spiele

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Eine großartige Show war die historische Ausstellung: „ Der Sport in der Kunst von Antike bis ins Mittelalter“. Allein diese Exposition hebt das Fest von Rom in die Höhe, Leben weckender Historie, wie sie nur in Rom mit der Liebe fürs Geschichtliche möglich war. Das antike und moderne Rom hatte einen würdigen Rahmen für die XVII. Olympischen Spiele vom 25. August bis 11. September 1960 geboten. Nie zuvor haben Olympische Spiele einen solchen Rahmen gefunden. Es war die Einzigartigkeit des Zusammenklangs von Altertum und modernem Sport

Die Wettkampfstätten zu den XVII. Olympischen Spielen in Rom 1960

Literaturnachweis: Amtlicher Bericht Rom 1960 / Volker Kluge: Olympische Sommerspiele. Die Chronik II

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