Imperial Science Im Zarenreich.Htm

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Imperial Science Im Zarenreich.Htm Herausgeber: Nordost-Institut, Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordost- europa e. V., an der Universität Hamburg, Conventstraße 1, 21335 Lüneburg, Lüneburg 2015. URL: http://www.ikgn.de/online-publikationen/mark_imperial science im zarenreich.htm Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Online-Publikation in der Deutschen Na- tionalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk unterliegt dem deutschen Urheberrecht und ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bear- beitungen 4.0 International Lizenz. Sie dürfen das Werk vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen zu den folgenden Bedingungen: - Namensnennung. Sie müssen den Namen des Autors/Rechteinhabers in der von ihm fest gelegten Weise nennen. - Keine kommerzielle Nutzung. Dieses Werk darf nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden. - Keine Bearbeitung. Wenn Sie das Material remixen, verändern oder darauf anderweitig direkt aufbauen, dürfen Sie die bearbeitete Fassung des Materials nicht verbreiten. Diese Lizenz lässt die Urheberpersönlichkeitsrechte des Autors unberührt. Empfohlene Zitierweise: Mark, Rudolf A.: Imperial Science im Zarenreich. Die Rolle deutscher und russländischer Gelehrter bei der Expansion Russlands nach Zentralasien seit Peter I. (Online-Publikationen des Nordost-Instituts/Forschungsbeiträge), Lüneburg 2015, URL: www.ikgn.de/online-publikationen/mark_imperial science im zarenreich.htm. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Be- schlusses des Deutschen Bundestages. ISBN: 978-3-936943-03-0 Inhalt I. Einleitung ...................................................................................................... 4 Stand der Forschung ....................................................................................... 5 Ziel des Projekts ............................................................................................. 6 II. Die Anfänge................................................................................................... 8 Zur Geschichte der Expansion ....................................................................... 8 Die Zentralasienpolitik Peters I. ................................................................... 11 Die Rolle von Wissenschaft und Wissenschaftlern für die Expansion ........ 16 Wissenschaft und Militär ............................................................................. 20 III. Deutsche und Nichtdeutsche im Erkundungs- und Expansionsprozess...................................................................................... 22 Das 18. Jahrhundert ...................................................................................... 22 Das 19. Jahrhundert bis zur einsetzenden Eroberung Zentralasiens ............ 36 Die wissenschaftlichen und institutionellen Voraussetzungen.............. 36 Die Expeditionen in die Steppe und die transoxanischen Khanate ...... 41 IV. Fazit ............................................................................................................. 48 V. Forschungen, Expeditionen, diplomatische und Erkundungsmissionen ............................................................................... 49 VI. Abkürzungen ............................................................................................ 172 VII. Quellen- und Literaturverzeichnis ......................................................... 174 Bibliographien, Nachschlagewerke, Datenbanken .................................... 174 Quellen ....................................................................................................... 175 Literatur ...................................................................................................... 184 4 I. EINLEITUNG Von dem Augenblicke an, wo man sich entschloss, in die Steppen des Aral-Gebiets vorzudringen, wurde es die unabweisliche Aufgabe Russlands, nicht eher zu ruhen, als es die völlige Unterwerfung der uncivilisierten Völkerstämme bis zu den von Natur sicheren Grenzen des Hindukusch und der chorassanischen Berge erreicht hat. (Emil Schmidt, 1863) In der internationalen Forschung zu Entstehung und Entwicklung von Imperien haben sich in den vergangenen Jahren neue Paradigmen herausgebildet, unter denen Untersuchungen über Rolle und Funktion von Wissenschaftlern und Wissenschaft bei der imperialen Expansion und der kolonialen Aneignung eroberter Gebiete vermehrte Aufmerksamkeit zukommt. Im Zent- rum stehen dabei die Wissenschaftler und Gelehrten, die durch Erkundung, Erschließung und Informationsbearbeitung die Wissensvoraussetzungen für Eroberung und Kolonialisierung neuer Territorien schufen. Ihre Leistung lässt sich nicht von der der Soldaten trennen, da die Verwissenschaftlichung von Militärangehörigen und die Militarisierung von Wissenschaften, allen voran der Geographie und Geodäsie als „Imperial Sciences“ das imperiale Ausgreifen und die koloniale Aneignung erst möglich gemacht haben. Ein Blick auf die Literatur und den Stand der Forschung macht gleichzeitig deutlich, dass diese Prozesse der Militarisierung von Wissenschaft bzw. die Verflechtung von Wissenschaft und Militär speziell im 18. Jh. „zu den randständigen Themen“ der deutschen Historiographie gehören1, was sich uneingeschränkt auch für die Geschichte des Russländischen Reiches be- haupten lässt. Dies ist auch deshalb erstaunlich, weil dort im Zuge der Aufklärung die Ver- wissenschaftlichung des Militärs und die Institutionalisierung entsprechender Ausbildungs- stätten schon zu Beginn des 18. Jh. einsetzte, d.h. um einiges früher als etwa in England. Gründe dafür sind in der Strategie Peters I. zu sehen, das Kaiserreich nach westeuropäischem Muster zu modernisieren, eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen und Russlands territo- riale Expansion in Asien durch den Einsatz von Gelehrten und mit Hilfe moderner wissen- schaftlicher Verfahren wie sie Astronomie, Mathematik und Geodäsie zu entwickeln begon- nen hatten2, systematisch voranzutreiben. Nautiker, Geographen, Topographen, Ethnologen 1 Winter (2009), S. 57. 2 Vgl. dazu Despoix (2004), S. 107-143. 5 und Gelehrte anderer Wissenschaftsdisziplinen fungierten in Russland schon sehr viel früher als Vertreter einer „Imperial Science“ als dies bisher in der Forschung gesehen wurde, wo man für den Bereich der Briten und Franzosen das erste Drittel des 19. Jh. und für das Zaren- reich die Mitte des 19. Jh. als Zeitpunkt der Entstehung ansetzt.3 Die Institutionen der russischen Zentralasienforschung waren mittel- und westeuropäi- scher Herkunft wie auch die meisten Wissenschaftler. Deutsche und Schweizer, aber auch Skandinavier, Engländer und Franzosen bestimmten maßgeblich Entwicklung und Profil der Wissenschaften in Russland, bevor deren Reihen rasch durch Russen und andere Untertanen der Zaren ergänzt wurden. Milan Hauner hat in diesem Zusammenhang etwas sehr pointiert von einem deutschen „Drang nach Osten“ gesprochen, der östlich des Urals – meist Hand in Hand mit Russlands Streben nach Asien gegangen sei;4 denn von den Leitern der für den Zeit- raum 1700–1860 erfassten rund 110 Expeditionen waren die Hälfte Deutsche, Deutschstäm- mige oder Deutschbalten. Ihr Beitrag zur Expansion des Zarenreiches nach Zentralasien war entscheidend. Die wissenschaftliche Erkundung ging der militärischen Eroberung voraus, gab der Expansion Konstanz und Nachhaltigkeit. Darüber hinaus hat sie zur Akkumulation von Wissen über Zentralasien und zur Herausbildung der modernen Wissenschaftsdisziplinen in Russland beigetragen. Stand der Forschung In der sehr umfangreichen Forschungsliteratur zur Expansion Russlands nach Zentralasien seit Peter I. wird der Beitrag der Wissenschaft entweder ignoriert oder nur als nachgeordneter Teilaspekt betrachtet. Im Zentrum stehen die politisch-militärischen Aktivitäten.5 Die wissen- schaftliche Erkundung der Region und die systematische Aufarbeitung durch Geographen, Orientalisten, Sprachwissenschaftler, Historiker usw. hat seit den Studien von Vasilij V. Bartol’d nur sporadische Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden.6 Mutatis mutandis gilt dies auch für die verdienstvollen Arbeiten Bassins, der die Entstehung der „Imperial Science“ 3 Vgl. Bell, Butlin u.a. (1995), S. 1-12; Winter (2009), passim; Hachtmann (2009), S. 27-55. 4 Hauner (1992), S. 42. 5 Von der großen Zahl seien hier nur die bekanntesten Arbeiten in Auswahl angeführt: Seton-Watson (1967), S. 295, 441; Chalfin (1972), S. 128-138; ders.: Rossija i chanstva (1974); Istorija uzbekskoj SSR II (1968), S. 15 f.; Chitojatov (1968), S. 42-47; Kinjapina (1974), S. 36-51; Kinjapina, Bliev, Degoev (1984), S. 271 ff.; Saray (1982), S. 7; Mackenzie (1994), S. 91 f.; ders. (1969), S. 286-311; ders. (1988), S. 208-234; Levteeva (1986), S. 11; Hauner (1992), S. 44 f.; Soucek (2007), S. 198 f.; Fragner (2007), S. 50; Chevrolina (2002), S. 5; Osterhammel (2009), S. 147. 6 Bartol’d (1925); Savickij (1931), S. 32-56; Ivanov (1853), S. 425-477; Jugaj (1966); Abilev, Achanov (1990); Bagrov (2005). 6 in der Geschichte Russlands als erster untersucht hat, sich dabei aber auf das 19. Jh. be- schränkt und die gängige Ansicht von der Wandlung der rein akademisch deskriptiven Erdbe- schreibung hin zur „Militärgeographie“, zur russisch-imperialistischen Wissenschaft in der Mitte des 19. Jh., vertritt.7 Gleichzeitig heben allerdings andere Autoren die entscheidende Rolle des geographischen Faktors in der
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