DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:06 Uhr Seite 94

Das Kongo-System – Cichlidengattungen und -arten Anton Lamboj

Das Kongo-Fluss-System ist das artenreichste in Afrika. Es ist zudem nach dem Amazonasbecken das zweitgrößte Flusssystem der Welt. Insgesamt bedeckt es ca. 4.000.000 km!, was etwa der Fläche des indischen Subkontinents entspricht. Es zeichnet sich durch eine hohe Vielfalt an Lebensräu- men aus, darunter auch Stromschnellen, Sümpfe und Seen.

Etwas Geografie den meisten anderen Teilen des Kongo-Systems Der obere Kongo wird auch als Lualaba bezeich- so gut wie keine oder nur sehr selten kommerziel- net, er entspringt in Sambia, von wo aus er nord- le Sammlungen zu uns. wärts nach Kisangani fließt. Dort ändert er die Vor allem der unteren Kongo besitzt eine große Richtung nach Westen und fließt dann weiter Anzahl von endemischen Fischgattungen und - nach Südwesten, Richtung westafrikanische arten. Darunter sind auch mehrere Cichlidengat- Küste, wo er in den Atlantik mündet. Bedeutende tungen, die nach derzeitigem Wissensstand eben- Zuflüsse sind sowohl im Norden (zum Beispiel in falls endemisch sind. Der interessanteste Teil des Kamerun der Dja River) und im Süden (zum Bei- Flusses erstreckt sich von den ersten Strom- spiel Kasai) zu finden. Die meisten Fischarten, die schnellen in der Nähe von Kinshasa bis zu jenen zu uns in die Aquarien kommen, werden im oder stromaufwärts von Matadi. Dies ist die weltweit um den so genannten Malebo Pool gesammelt, längste Stromschnellen-Region! Teile des Flusses der Region um die beiden Hauptstädte Kinshasa in der Nähe von Kinshasa, bevor die Strom- und Brazzaville. Seltener gelangen auch Arten aus schnellen beginnen, sind sehr flach (manchmal der Region Lac Mai Ndombe zu uns, die etwas nur etwa einen Meter tief), aber weiter stromab- nordöstlich vom Pool liegt. Leider kommen aus wärts kann der felsige Kanal der Stromschnellen

94 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 2] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:06 Uhr Seite 95

Gegenüber, oben und unten: Der Unterlauf durchaus eine maximale Tiefe von bis zu 200 des Kongo ist von Stromschnellen geprägt, Meter erreichen. Somit hält der unteren Kongo in denen viele rheophile Cichlidenarten eine Menge vielfältiger, spektakulärer und sehr anzutreffen sind. Die Stromschnellen stel- extremer Lebensräume bereit, was sicherlich len natürlich Barrieren da, die auf ähnliche einen großen Einfluss auf die dortigen Artbil- Weise zur Artenbildung beitragen können dungsprozesse hatte. wie Inseln bei terrestrischen Tierarten. Jede Gruppe von Buntbarschen, die aus ande- ren afrikanischen Regionen bekannt ist, kann

DCG-Informationen 43 (5): 94-112 95

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 3] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:06 Uhr Seite 96

man auch im Kongo-System finden: Haplochro- besonders der Unterlauf hervorzuheben, und hier mini, Tilapiini, , Chromidotilapiini, wiederum die Region der großen Stromschnel- Hemichromini, Pelmatochromini und Tylochromi- len. ni, auch wenn einige Gruppen oder Arten inner- halb einer Gruppe auf nur kleine Gebiete Heterochromis und Tylochromis beschränkt sind. Eine ganz besondere Art — beziehungsweise Insgesamt kann man das Kongo-System sicher Gruppe — sind die monospezifischen Hetero- als herausragendes Beispiel für die vielfältige chromidae: Heterochromis multidens ist der einzi- Gestalt von Fließgewässern betrachten. Dabei ist ge bekannte Vertreter der Gattung und mögli-

Oben und gegen- über: Es gibt im Stromsystem des Kongo jedoch auch viele andere Biotope. Links: Heterochromis multidens ist eine sehr ursprüngliche Cichlidenart.

96 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 4] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 97

Rechts: Tylochromis cf. lateralis ist ein mittelgroßer Bunt- barsch, der im weibli- chen Geschlecht ovophiler Maulbrü- ter ist.

cherweise der ursprünglichste noch heute leben- sind. Die Art ist in den meisten Regionen des de Buntbarsch — und er ist nur im Kongo-System Nordens (zum Beispiel im Dja-River-Einzug) zu finden. H. multidens ist ein groß werdender sowie nördlich des Malebo Pools im mittleren Substratlaicher (maximale Größe über 30 Zenti- Kongo zu finden. meter) mit einem zumindest für Offenbrüter Eine ebenfalls mehr basale phylogenetische relativ gut entwickeltem Geschlechtsdimorphis- Position innerhalb der afrikanischen Buntbarsche mus: Männchen bilden einen Buckel auf dem hat die Gattung Tylochromis. Diese Buntbarsche Kopf aus, während Weibchen ein wenig bunter sind mittelgroß bis groß (zwischen 20 und 30

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 5] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 98

Zentimeter) und in West- und Zentralafrika Oben: Tilapia tholloni werden regelmäßig generell weit verbreitet. Daneben gibt es noch eingeführt. eine Art, die im Tanganjikasee vorkommt. Die meisten Tylochromis aber kommen im Kongo len sie im Aquarium immer einen Blickfang dar und seinen Nebenflüssen vor. Als Jungtiere und — spätestens dann, wenn sie ausgewachsen sind. halb erwachsen haben sie meist eine sehr Die Grundfärbung der adulten Tiere ist sehr unscheinbare Färbung. Erwachsene Exemplare beeindruckend, mit ihren silbrigen oder golde- zeigen — soweit die Lebendfärbung bei den ein- nen punktierten Schuppen ähneln sie oft den zelnen Arten schon bekannt ist — einen relativ südamerikanischen Satanoperca- und gut entwickelten Geschlechtsdimorphismus und Geophagus-Arten. Bisher konnte keine Art der -dichromatismus. Die Männchen sind immer viel Gattung erfolgreich gezüchtet werden, wobei größer und zeigen ein Punktmuster und/oder erste eigenen Beobachtungen sowie Informatio- Linien in den unpaaren Flossen, während die nen über das Verhalten im Freiland zeigten, dass Weibchen nicht über diese Färbung verfügen, Tylochromis ovophile Maulbrüter im weiblichen dafür aber eine rötliche Farbe im Mundwinkel Geschlecht sind und keine Paarbindung zeigen. aufweisen. Jungtiere präsentieren ein typisches Natürlich müssen Tylochromis und Heterochro- Muster mit dunklen, vertikalen Streifen auf dem mis in großen Behältern gepflegt werden, wobei Körper, wobei jeder zweite Streifen relativ kurz ist sich aber Heterochromis relativ friedlich zeigt, und sich vom Rücken nur bis zur Mitte des Kör- auch gegen Artgenossen, während die intraspezi- pers erstreckt. Tylochromis-Arten sind im Hobby fische Aggressivität bei Tylochromis sehr hoch ist leider selten und werden meist nur durch Zufall — ein großes Männchen zusammen mit zwei importiert. Wenn sie jedoch verfügbar sind, stel- Weibchen ist das Maximum an Tieren einer Art

98 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 6] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 99

für ein Aquarium von zwei Meter Kantenlänge. Oben: Oreochromis niloticus gehört zu den Andere Arten werden nicht sehr stark attackiert. großen Cichliden aus dem Flusssystem des Kongo: mehr als 50 cm Länge... Tilapiine Cichliden Tilapiine Cichliden sind innerhalb der Region Mitglieder der Gattungen Sarotherodon und mit mehreren Gattungen vertreten. Regelmäßig Oreochromis sind ebenfalls vorwiegend größer im Handel zu bekommen, aber leider meist werdende Cichliden, und einige Arten kommen unterbewertet und viel zu wenig beachtet, sind auch im Kongo-System vor. Arten beider Gattun- Angehörige der Gattung Tilapia. Diese Substrat- gen sind deutlich weniger bunt als Tilapia und laicher sind in mehreren Arten zu finden. Ihre zeigen ein grundsätzlich anderes Brutverhalten: korrekte Artbestimmung ist jedoch oft schwierig, Die Mitglieder beider Gattungen sind Maulbrü- da einige der ursprünglichen Beschreibungen ter. In erster Linie sind hier agame Maulbrüter zu sehr alt und somit nur sehr knapp gehalten sind, finden, bei denen die Weibchen die Brutpflege ein Teil des Typusmaterials nicht in bestem erledigen, aber bei Sarotherodon sind es manch- Zustand ist und viele Arten nur anhand von kon- mal auch beide Geschlechter, bei S. melanotheron serviertem Material, aber nicht als lebende Tiere sogar nur das Männchen alleine. bekannt sind. Aufsammlungen der letzten Jahr- Einige Arten aus der Gattung Oreochromis zehnte waren vielfach nur spärlich, und aufgrund gehören der Untergattung Nyassalapia an, die der schwierigen politischen und wirtschaftlichen auch als Geissel-Tilapien bezeichnet werden. Situation in den meisten Ländern dieser Region Hier besitzen die Männchen an der Genitalpapil- ist auch heute nicht viel gutes Material verfügbar. le gut entwickelte Anhänge, die als Ei-Attrappe Einige Tilapia-Arten werden — zumindest dem dienen (zum Beispiel bei S. lepidura). Leider sind Namen nach — regelmäßig importiert (zum Bei- Geissel-Tilapien sehr selten in der Aquaristik ver- spiel T. tholloni oder T. congica), aber es ist anzu- treten, während die besser bekannten Arten der nehmen, dass ein Teil dieser eingeführten Tiere Gattung oft zu einer enormen Größe heranwach- tatsächlich Vertreter anderer, vielleicht noch sen. O. nilotiocus kann zum Beispiel mehr als 50 unbeschriebener Arten sind. Meiner Ansicht Zentimeter Gesamtlänge erreichen! nach sind Tilapia beeindruckende Cichliden. Die Aber nicht jede tilapiine Cichlidenart ist nur meisten Arten sind attraktiv gefärbt, besonders für die Liebhaber der „Riesenklasse“ geeignet! Es bei der Balz, und sie sind einfach zu halten. gibt auch andere sehr interessante, manchmal

DCG-Informationen 43 (5): 94-112 99

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 7] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 100

Oben: Steatocranus casuarius ist schon lange in Aquarien zu finden. Unten: Es gibt jedoch noch viele andere Arten: S. gibbiceps.

sogar hoch spezialisierte kleinere Arten in der Die Arten zeigen eine rheophile Lebensweise — Region zu finden. sie besitzen je nach Art eine mehr oder weniger reduzierte Schwimmblase — die vor allem in den Auch die Steatocranus gehören zu den Tilapiinae Stromschnellen der mittleren und unteren Berei- Steatocranus, eine Gattung kleiner bis mittelgro- che des Kongo-Systems vorkommen. Die wohl ßer Cichliden (Größen zwischen 6 und 15 Zenti- bekannteste Art ist S. casuarius, bei denen die meter), ist schon lange in der Aquaristik bekannt. Männchen einen sehr großen Buckel auf dem

100 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 8] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 101

Kopf entwickeln können. Dieses auffällige Merk- beeindruckende Physiognomie. Jeder, der sie ein- mal ist auch bei einigen anderen Arten der Gat- mal im Aquarium erlebt hat, wird sich immer tung zu finden. Nicht so bekannt ist, dass einige gern an sie erinnern. Einige der bisher wissen- Steatocranus-Arten auch in nördlicheren Teilen schaftlich beschriebenen Arten werden regelmä- des Systems zu finden sind: Der Münchner Ich- ßig importiert, aber noch immer werden auch thyologe U. Schliewen hat in Kamerun eine Art neue entdeckt (zum Beispiel Steatocranus. sp. entdeckt (Steatocranus. sp. „Nki“), und S. ubangu- „Ultraslender“). Die jüngsten Sammlungen legen iensis ist in der Zentralafrikanischen Republik zu nahe, dass wir wahrscheinlich noch immer nicht finden. Leider wurden beide Arten noch nie wissen, wie viele Arten der Gattung in der Region beziehungsweise nicht in einer für die Zucht aus- tatsächlich vorkommen. reichenden Zahl lebend importiert. Ein interessantes Forschungsergebnis der Alle Steatocranus sind sehr interessante paarbil- jüngsten Zeit ist hier übrigens, dass die Mitglie- dende Höhlenbrüter, auch wenn sie nicht mit besonders auffallender Farbgebung bestechen: Oben: S. sp. ‘Dwarf’ und... Grautöne herrschen vor, manchmal ins Bräunli- Unten: ... S. sp. ‘Ultraslender’ gehören zu che spielend. Alle zeigen jedoch ein mehr als inte- den noch nicht wissenschaftlich beschrie- ressantes Verhalten und vor allem eine sehr benen Arten.

DCG-Informationen 43 (5): 94-112 101

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 9] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 102

Oben: Ebenfalls häufig in unseren Aquarien zu finden: Steatocranus tinanti. Unten: Tilapia bilineata gehört zur Gruppe der südlichen tilapinen Cichliden.

102 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 10] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 103

der der tilapiinen Cichliden aus dem Kongo-Sys- ressanter Artikel erschienen, auf den auch an die- tem und südlich davon untereinander recht eng ser Stelle hingewiesen wurde und in welchem verwandt sind, während die Verwandtschaft mit dokumentiert wird, dass zumindest bei Steatocra- den Arten und Gattungen, die mehr im Norden nus die Artbildung höchstwahrscheinlich durch des Kontinentes vorkommen, nicht so eng ist wiederholte Hybridisierungen beeinflusst worden (SCHWARZER ET AL., 2009). Mit anderen Worten: sein dürfte (SCHWARZER ET AL., 2011). Diese tila- Es gibt einige enge Beziehungen zwischen den piinen Cichliden sind also eine „mehr als span- Gattungen Steatocranus, Chilochromis, Tilapia nende Gruppe“ ! guinasana, T. bilineata, T. ruweti sowie T. sparr- mannii. Dies wird möglicherweise in der nahen Die Lamprologini Zukunft zu einigen Revisionen in der Systematik Eine andere Gruppe, die an die gleichen ökologi- führen. Vor kurzem ist ein neuer und sehr inte- schen Bedingungen angepasst ist, ist die der lam-

Lamprologus congoensis (oben) und L. tigripictilis (unten) lassen schon durch ihre Körper- form die Anpassung an schnellfließende Gewässer erkennen.

DCG-Informationen 43 (5): 94-112 103

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 11] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 104

prologinen Buntbarsche: Sie werden im Kongo- Oben: lethops ist soweit bisher System durch die Gattung Lamprologus selbst, bekannt die einzige blinde (oder besser: einschließlich der Typusart der Gattung, L. con- augenlose) Cichlidenart. goensis, vertreten. Alle flussbewohnende Lampro- Unten: Hemichromis elongatus gehört zu logus sind Cichliden mit maximalen Größen zwi- den „Fünffleckbuntbarschen“ und kann schen 10 bis 15 Zentimeter, mehr oder weniger eine Länge von mehr als 30 cm erreichen. länglich, mit gräulicher Färbung, einige Arten mit Gegenüber: H. cerasogaster ist einer der silbrigen Punkten auf Körper und Flossen und sogenannten „Roten Cichliden“.

104 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 12] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 105

mit etwas reduzierter Schwimmblase, wie eben weil — wie in der Zwischenzeit bekannt ist — die typisch für rheophile Cichliden. Lamprologus Art wahrscheinlich nur in Teilen des Kongoflus- congoensis ist leider fast die einzige Art, die gut in ses vorkommt, die eine Wassertiefe von 45 bis der Aquaristik vertreten ist, auch wenn sie oft etwa 150 Meter aufweisen, und das bei sehr extre- unter anderen Namen in den Handel gelangt, was men Strömungsverhältnissen! Dies macht es wahrscheinlich deshalb so ist, weil die Exporteu- generell schwierig, lebende Fische zu sammeln, re bei der Nennung anderer Artnamen hoffen, aber auch die Dekompression wäre schwierig, höhere Preise zu erzielen. Die anderen Arten der wenn die Fische tatsächlich nur in so großer Tiefe Gattung kommen meist nur als Beifänge und gefangen werden können. weitgehend unerkannt zu uns. Das Verhalten und die Fortpflanzung sind ähn- Die Hemichromini lich wie bei lamprologinen Buntbarschen des Natürlich sind noch viele andere Substratlaicher Tanganjikasees, was bedeutet, dass sie meist eine in der Region zu finden, aber auch weitere Höh- feste Paarbindung zeigen, Höhlenbrüter sind, im len- und Maulbrüter: Weit verbreitet (in allen Aquarium oft ziemlich aggressiv sind sowie auch westafrikanischen Regionen) sind Mitglieder der meistens eine relativ gute Reproduktionsrate auf- Gattung Hemichromis: Die größer werdenden weisen. Eine äußerst interessante, geradezu spek- „Fünffleckbuntbarsche“ sind durch H. elongatus takuläre Art, die aber nie lebend gesehen wurde, vertreten, die fast 30 Zentimeter erreichen kön- gehört auch zu dieser Gattung: Von L. lethops, nen, aber es gibt auch kleinere Arten, die so einer blinden oder besser gesagt augenlosen Art, genannten „Roten Cichliden“, die etwa 12 Zenti- soweit bisher bekannt der weltweit einzigen blin- meter erreichen. Ein bekannter Name ist H. lifali- den Cichlidenart, wurden bisher nur konservier- li, zumindest taucht er in einem Großteil der ter Tiere dokumentiert! aquaristischen Literatur auf, wenn eine Art abge- Möglicherweise werden wir diese Art nie bildet wird, die einen leuchtend roten Cichliden lebend in einem Aquarium zu sehen bekommen, aus der Gattung mit zahlreichen leuchtend blau-

DCG-Informationen 43 (5): 94-112 105

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 13] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 106

Oben: Pelmatochromis nigrofasciatus sind leicht zu halten und zu züchten. Unten: Nanochromis parilus gehört zu den kleinen, attraktiven Cichliden aus dem Fluss- system des Kongo.

en Punkte am ganzen Körper und oft auch in den sind es Exemplare von H. guttatus, der allerdings Flossen zeigt. Tatsächlich aber sind auf fast allen nicht in der Kongo-Region zu finden ist. Wahr- dieser Bilder andere Arten zu sehen. Überwiegen scheinlich ist H. lifalili mehr rot und orange, mit

106 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 14] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 107

Oben: Nanochromis nudiceps ist wie die anderen Arten der Gattung kein ganz einfacher Pflegling.

keinen oder nur wenigen blauen Punkten auf Eine weitere monotypische Gattung, die oft in dem Körper. Die Art war bis vor kurzem sehr sel- die Nähe zu Pelmatochromis gestellt wird und ten, wenn überhaupt, im Aquarium anzutreffen. über viele Jahrzehnte nicht in Aquarien zu sehen Rote Cichliden sind interessante Buntbarsche! war, ist Pterochromis, mit der einzigen Art P. con- Sie sind leicht zu halten, aber manchmal ein gicus. Diese Art erreicht eine Länge bis zu ca. 30 wenig grob gegen andere Mitbewohner. Vor Zentimeter, ist hochrückig und hat ein großes allem bei den größer werdenden Fünffleckbunt- Maul. Es ist bis heute nichts über ihre Biologie barschen kann Aggressivität mitunter ein Pro- und Fortpflanzung bekannt, auch wenn letztes blem sein. Jahr die ersten Importe von wenigen lebenden Exemplaren nach Kanada gekommen sind. Hof- Die Pelmatochromini fen wir, dass wir bald mehr über diese Art in Andere Substratbrüter gehören zur Gattung Pel- Erfahrung bringen können. matochromis. Es sind mittelgroße Cichliden, die leicht zu halten und zu züchten sind. In den letz- Die Chromidotilapiini ten Jahren war P. nigrofasciatus gut in der Aqua- Vielleicht die interessanteste (zumindest für ristik etabliert, dürfte aber mittlerweile weitge- mich) Gruppe von Buntbarschen in West-und hend verschwunden sein (hoffentlich noch nicht Zentralafrika sind die chromidotilapiinen Cichli- ganz). Diese Art ähnelt in der Form wie im Ver- den. Im Kongo-System finden wir mehrere höh- halten stark den südamerikanischen Aequidens- lenbrütende Arten, wie Vertreter der Gattungen Arten und ist auch unter ähnlichen Bedingungen Nanochromis (zum Beispiel N. parilus und N. im Aquarium zu halten und zu züchten. nudiceps), (zum Beispiel C. dimidi-

DCG-Informationen 43 (5): 94-112 107

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 15] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:07 Uhr Seite 108

Oben: Congochromis dimitiatus gehörte früher zur Gattung Nanochromis. Unten: Nanochromis transvestitus erhielt seinen Namen, weil die Weibchen farbenprächti- ger sind als die Männchen. Das gilt allerdings für viele Arten aus dem Verwandschaftskreis.

108 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 16] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:08 Uhr Seite 109

Oben: Nanochromis sabinae war eine der aufregenden Entdeckungen der letzten Jahre. Unten: Männchen von Nanochromis transvestitus

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 17] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:08 Uhr Seite 110

Auch die Arten der Gattung Teleogramma sind rheophil. Die rote Bauchfärbung der Weib- chen und ihr Balzverhalten deutet auf eine Verwandschaft mit den Gattungen Pelvicachro- mis und Nanochromis hin. Oben T. brichardi (Männchen) unten T. depressa (Weibchen). atus und C. sabinae) und Teleogramma (zum Bei- breiter ist als bei den Männchen. Laichreife Weib- spiel T. brichardi) sowie Maulbrüter (Chromdoti- chen zeigen eine tiefrote Bauchregion, was lapia schoutedeni). zumindest für die Arten gilt, von denen lebende Nanochromis und Congochromis sind paarbil- Exemplare bekannt wurden. dende Zwergbuntbarsche mit oft schöner Fär- Bei den wenigen Cichliden, die bisher als Chro- bung, aber relativ schwer zu halten und oft auch midotilapia schoutedeni die in unseren Aquarien nicht leicht zu züchten. Die erste Gattung scheint gehalten wurden, war die Art- und Gattungszuge- auf die mittleren und unteren Teile des Kongo- hörigkeit niemals eindeutig geklärt, es kann sich Systems beschränkt zu sein, während Congo- auch um andere Tiere gehandelt haben. chromis im Wesentlichen in den oberen und nördlichen Teilen des Systems zu finden sind. Die Haplochromini Teleogramma-Arten sind extrem rheophil und Die haplochrominen Cichliden sind ebenfalls mit kommen deshalb nur in Zonen mit starken Strö- einigen Arten beziehungsweise Gattungen im mungen vor, in denen sie zwischen den Steinen Kongo-System vertreten. Alle Mitglieder dieser beziehungsweise in Höhlen leben. Ihr Körper ist Gruppe haben ein ähnliches Fortpflanzungsver- sehr langgestreckt, in der Regel bei beiden halten: Sie sind agame, ovophile Maulbrüter im Geschlechtern dunkelgrau bis schwarz gefärbt, weibliche Geschlecht, mit meistens deutlichen mit einem weißen Saum in Rücken- und Unterschieden zwischen den Geschlechtern — Schwanzflosse, der bei den Weibchen immer die Männchen sind bei der überwiegenden

110 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 18] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:08 Uhr Seite 111

Oben: Ctenochromis polli ist ein agamer ovophiler Maulbrüter. Unten Thorachromis brauschi zeigt deutlich die Verwandschaft mit den Haplochromini aus den Ostafrikanischen Grabenseen. Anzahl der Arten viel bunter als die Weibchen. Weniger bekannt sind die Gattungen Schwetzoch- Mehrere Gattungen sind aus der Region bekannt. romis und Cyclopharynx, beide beschränkt auf die Ctenochromis und Thoracochromis sind vielleicht Lac-Fwa-Region im mittleren Kongo. Sie sind die bekanntesten, denn es wurden bislang nur wohl derzeit nicht in unseren Aquarien zu finden. wenige Arten (hauptsächlich C. polli und T. brau- Manchmal ist zumindest eine Art der Gattung schi) importiert oder für das Hobby gesammelt. Orthochromis im Handel. O. stormsi findet man

DCG-Informationen 43 (5): 94-112 111

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 19] DCG_Info_Mai_2012.pdf DCG Info Mai 2012.qxp:DCG Info Februar 2012 (fertig).qxd 20.04.2012 8:08 Uhr Seite 112

Oben: Orthochromis stormsi kann gelegentlich als „Casuarius sp.“ in den Handel gelangen.

in der Region um Kinshasa. Sie wird oft als Bei- nie erforscht. Das Kongo-System bleibt also — fang mit anderen Cichliden importiert. Die sowohl für Ichthyologen wie auch Aquarianer — Besonderheit dieser Gattung ist, dass es sich auch eines der interessantesten Gebiete der Welt. hier um rheophile Buntbarsche handelt. Wie auch andere solche Cichliden sind auch Orthochromis Literatur: nicht besonders bunt, aber doch wieder Fische LAMBOJ A. (2004) The fishes of Western Africa. Birgit Schmettkamp Verlag, 255p. mit interessantem Verhalten. Die meisten der in SCHWARZER, J., MISOF, B. & SCHLIEWEN, U.K. (2011) der Kongo-Region vorkommenden Gattungen Speciation within genomic networks: a case study based haplochrominer Cichliden sind übrigens nicht on Steatocranus of the lower Congo rapids. Journal of Evolutionary Biology, 138 - 148 auf dieses Gebiet beschränkt, sondern auch in SCHWARZER J, MISOF B, TAUTZ D, SCHLIEWEN UK (2009) The südlicheren Teilen des Kontinents (etwa Thora- root of the East African cichlid radiations. BMC Evol Biol cochromis), einige auch in Ostafrika (etwa Ortho- 9. SCHWARZER, J., MISOF, B., IFUTA, S.N. & SCHLIEWEN, U.K. chromis) zu finden. (2011) Time and origin of cichlid colonization of the lower Congo rapids. PLoS One 6: e22380. Ausblick In der Kongo-Region findet man eine große Fotos: Anton Lamboj Anzahl von Buntbarscharten mit einem sehr brei- ten Spektrum von Körperformen und Verhalten, sodass jeder Liebhaber etwas für seinen Anton Lamboj ist vom Geschmack finden könnte. Leider ist die Region Aquarianer zum Ichthyolo- seit vielen Jahren politisch und sozial extrem gen geworden, ohne die instabil, was insbesondere für die Demokratische Aquaristik aus den Augen zu Republik Kongo gilt, sodass die Möglichkeiten verlieren. Neben seiner Tätig- zur Sammlung und Erforschung doch stark ein- keit als Wissenschaftler schränkt sind. Ich bin aber sicher, dass man noch schreibt er auch immer wie- viel mehr neue Arten finden wird, und zwar nicht der für verschiedene aquaristische Zeitschrif- nur Cichliden, wenn es eines Tages möglich sein ten und betreut in den DGG-Informationen als wird, dort freier und mit weniger Behinderungen Redakteur das Fachgebiet West- und Zentral- zu reisen. Viele Teile des Flusssystems wurden das afrika. Auf diesem Gebiet ist er einer der inter- letzte Mal mehr als vor 50 Jahren oder sogar noch national anerkannten Spezialisten.

112 DCG-Informationen 43 (5): 94-112

[Limberg Box Patch : TrimBox [0] BleedBox [3] MediaBox [10] Patch : Page 20] DCG_Info_Mai_2012.pdf