Axpo Super League Dr. Christian Marcolli, u.a. FC Reine Kopfsache

Sportpsychologe Dr. Christian Marcolli betreut unter anderem die Basel-Stars , und . Der Mentaltrainer ist begehrt. Dies wurde aber nur möglich, weil er als Fussballprofi selber an seine mentalen Grenzen stiess…

Text: Tobias Erlemann mer auf ihn zugekommen, um ­gemeinsam zu arbei- Fotos: freshfocus ten. Dies sei auch seine Philosophie. «Ich renne nicht durch die Gegend und gehe auf ‹Kunden- «Eigentlich geht es bei meiner Arbeit vor allem dar- fang›», erklärt Marcolli. «Für mich ist wichtig, dass um, den Spielern klar zu machen, welch tollen Beruf die Zusammenarbeit von den Spielern ausgeht. Nur sie ausüben. Dafür müssen sie dankbar sein.» Das wer von der sportpsychologischen Zusammenarbeit Stellenprofil von Dr. Christian Marcolli klingt ein- überzeugt ist, kann einen grossen Nutzen daraus fach und plausibel. Doch dem ist nicht so, die Arbeit ziehen.» des Sportpsychologen ist weitaus komplexer. Der 38-Jährige ist unter anderem der Mentaltrainer von «Dem Gegner zeigen, dass sie bereit sind» U21-Vizeeuropameister Yann Sommer, von Natio- Dass diese Arbeit bei Sommer vorzüglich funktio- nalspieler Valentin Stocker und Ex-Nationalstürmer niert, das konnte jeder zuletzt bei der U21-EM in Marco Streller. Drei Basel-Stars, die Marcolli mental Dänemark bewundern. Trotz seiner erst 22 Jahre fit macht. «Am Ende wird im Fussball alles im Kopf strahlt der Basel-Goalie eine ungeheure Ruhe und entschieden», weiss der renommierte Sportpsycho- Sicherheit aus. Diese Aura überträgt sich dann auch loge. Meisterschaften, Titel und Triumphe. In den auf die Abwehrspieler, denn diese wissen, dass hin- Beinen haben es viele Spieler. Aber nur wenn es im ter ihnen ein ruhender Pol alles unter ­Kontrolle hat. Kopf stimmt, kommt der Erfolg. Nur so konnte der Für Marcolli eine ganz wichtige Komponente bei FC Basel die letzten beiden Jahre die Meisterschaft Profis: «Sie müssen Selbst­vertrauen ausstrahlen. gewinnen. Denn bekanntlich ist Meister werden Sie müssen dem Gegner zeigen, dass sie bereit sind. nicht so schwer. Aber den Titel zu verteidigen, das Dieses Selbstvertrauen muss man sich kontinuier- ist umso härter. «Ich rede viel mit den Spielern über lich und systematisch aufbauen und es nicht dem E­rfolge. Sie dürfen sich von diesen nicht blenden Zufall überlassen. Hat ein Spieler Hemmungen oder lassen. Auch nicht von Geld oder sonstigen Versu- Angst, dann merkt das der Gegner sofort – und chungen. Es geht darum,­ dass sie die Liebe zu ihrem nutzt es eiskalt aus» Sport immer behalten und ausleben. Das muss der Hierbei spricht Marcolli aus eigener Erfahrung. Antrieb sein», erklärt Marcolli. Denn er selbst war anfangs der 90-Jahre ein vielver- Mit U21-Nationalkeeper Yann Sommer arbeitet der sprechendes Nachwuchstalent, mit je einem Ange- ehemalige Fussballprofi seit dessen 18. Lebensjahr bot von Meister GC und dem FCB auf dem Tisch. zusammen. Doch nicht etwa der Sportpsychologe Gross geworden beim FC Aesch, wie zum Beispiel machte sich an den Keeper «ran». Nein, so sei Som- auch Alex Frei und Marco Streller, spielte er regel-

16 Axpo Super League Dr. Christian Marcolli, u.a. FC Basel mässig in den Schweizer U-Nationalmannschaften. in jenem Klima nicht wirklich zeigen. Zumal ich gen. In einem Metier, in dem viel Scharlatanismus herbe Enttäuschung, kannte er das Arbeiten des colli seinen Klienten ein. «Man muss dann aber ei- bei Valentin. Wenn es um alles geht, dann ist er be- Mit 18 Jahren folgte dann sein Wechsel direkt in die technische Schwächen hatte, die dann noch mehr betrieben wird, hebt sich der 38-Jährige wohlwol- 38-Jährigen doch schon aus seinen Thuner-Zeiten. nen absoluten Erfolgswillen aufbauen, diesen Geg- reit.» Aktuell muss Marcolli mit Stocker aber weni- 1. Mannschaft des «grossen» FC Basel, der damals zum Vorschein kamen.» Doch damals war die Ar- lend durch Zurückhaltung ab. Er ist kein Dampf- Im Abstiegskampf 2006/2007 holte sich Saibene in ner im direkten Vergleich zu schlagen. Dafür braucht ger über eine mögliche Finalissima sprechen, son- aber bei Weitem noch nicht so pro­fessionell struk- beit eines Sportpsychologen noch völlig unbekannt. plauderer, der sich mit seinen Erfolgen brüstet. der Endphase professionelle Unterstützung von es vor allem emotionale Robustheit. Ein Marco dern den Nationalspieler nach seiner schweren turiert war wie heute. Marcolli ­beschreibt dies so: Marcolli kam nicht von der Stelle – und verletzte «Zwischen den Spielern und mir herrscht ein totales Marcolli. Mit grossem Erfolg­ – man entging dem Streller lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Ver­letzung mental betreuen. Durch seinen Kreuz­ «Ich ging vom warmen, fami­liären Aesch zum FC sich zudem noch schwer. Nach zwei Kreuzbandris- Vertrauensverhältnis. Sie wissen, dass ich keine In- Abstieg. Wenn es heiss wird in bandriss fällt der 22-Jährige sechs Monate aus. Basel, wo ich innerhalb des Teams zum ersten Mal sen wurde ihm nahegelegt, sich doch eine andere terna weitergebe. Deshalb will ich auch kein Ange- Neben dem Fussball der Meisterschaft, Sechs Monate keine Spiele, sechs Monate harte Re- Konkurrenz, Neid und Missgunst erlebte. Das hatte Beschäftigung zu suchen. Und der 38-Jährige wur- stellter eines Vereins sein, da ­würde ein Interessen- und Eishockey betreut «Man muss sich auch mit dem bringt er immer Topleis- habilitation. Des zehrt an den Nerven, das weiss ich mental nicht wirklich verarbeitet. Ich stiess an de fündig. «Auf Grund meiner Erlebnisse als Profi skonflikt entstehen.» Diese Erfahrung machte Marcolli aber auch Negativen auseinandersetzen, um tungen. Und das macht auch der Sportpsychologe. «Ich arbeite so mit ihm, meine Grenzen. Ich war ein Stürmer, der von sei- interessierte ich mich für Psychologie, also begann Marcolli während eines Engagements beim EV Zug ­andere Sportler. So hat positive Resultate zu erzielen» ­dann eben einen Leader­ dass Valentin die Pause effektiv nutzt. Er kann sich nem Instinkt lebte. Aber ­diesen konnte ich in Basel ich ein Studium an der Universität Basel», beschreibt in der Saison 2001/2002. Hier die Interessen der er auch vor einigen Jah- aus. Marco ist für den nun auch mal erholen von den letzten Jahren und Dr. Christian Marcolli, Sportpsychologe Marcolli seine Anfänge. Sein Glück im Unglück: Ein Spieler, dort die Wünsche des Klubs – das führte ren mit Roger Federer­ FC Basel Gold wert.» neue Energien aufbauen. Er muss die Verletzungs- Professor an der Uni empfahl ihm, doch etwas in schliesslich zu Verstrickungen. gearbeitet, als dieser in Dies ist auch bei pause als Chance sehen, nicht als ­Niederlage.» Das Kader des FC Basel Kombination mit Sport zu machen. Sein Feuereifer So hatte Marcolli zuletzt auch eine kurzfristige An- der frühen Phase seiner Profikarriere in engen Mat- ­Valentin Stocker der Fall. «Valentin hat es geschafft, war geweckt. Doch in der Schweiz gab es damals frage des FC St. Gallen abgelehnt, die Profis im Ab- ches noch vermehrt den Kürzeren zog und mit sei- auf dem Platz ein grosses Selbstvertrauen an den Keim Einbruch bei Streller Tor diese Form der Psychologie nicht, erklärt Marcolli, stiegskampf zu betreuen. «Da ich viele Spieler des nem Frust zu kämpfen hatte. Ohne Furcht vor der Tag zu legen und in wichtigen Spielen über sich hi- Und schon jetzt ist sicher: Auch dank der Arbeit von 1 Yann Sommer 17.12.1988 «also studierte ich in Kanada weiter». FC Basel im Titelkampf betreute, wäre das sehr Niederlage reifte er zum Winner. «Das geht aber nauszuwachsen», weiss Marcolli. Der Beweis: Die Christian Marcolli wird Stocker stark zurückkom- 18 Marcel Herzog 28.06.1980 merkwürdig gewesen, gleichzeitig bei St. Gallen tä- nur, wenn die Spieler mit der Tatsache im Frieden Finalissimas 2008 und 2010 gewann der Youngster men. Vielleicht noch stärker als vor der Ver­letzung. 23 Massimo Colomba 24.08.1977 Totales Vertrauensverhältnis tig zu sein. Ich konzentriere mich lieber voll auf eine sind, dass es im Sport Siege und Niederlagen gibt. fast im Alleingang. Und das als einer der jüngsten Dies schaffte der Sportpsychologe auch bei Streller, Heute gehört Marcolli im Fussball-Business zu den Sache, als etwas nur halb zu machen», erklärt Mar- Man muss sich auch mit dem Negativen auseinan- Spieler auf dem Platz. «Wenn es drauf ankommt, der nach dem ganzen Nationalmannnschafts-Hick- Verteidigung: renommiertesten und begehrtesten Sportpsycholo- colli. Für St. Gallen-Coach Jeff Saibene war es eine dersetzen, um positive Resultate­ zu erzielen.» Dies dann muss der Spieler mental fit sein. Viele ver- hack keinen Leistungseinbruch erlitt. Oder bei Kee- 3 Joo Ho Park (KOR) 16.01.1987 habe er seinen Basel-Spielern auch klargemacht, krampfen in Stresssituationen. Es gibt nur wenige, per Yann Sommer, den selbst ein EM-Final nicht 5 25.09.1993 als der FC Zürich in der Rückrunde der letztjährigen die auch in Finals befreit aufspielen. So ist es doch mehr aus der Ruhe bringen kann. Drei Beispiele für 6 Aleksandar Dragovic (AUT) 06.03.1991 Meisterschaft stark aufspielte und mentale Stärke. Drei Beispiele für die gute Arbeit 15 Kay Voser 04.01.1987 den FCB herausforderte. Respekt vor von Dr. Christian Marcolli. Und eben auch drei 16 28.03.1991 dem Gegner und dessen Leistung Beispiele, dass Fussball reine Kopfsache ist… • 19 David Abraham (ARG) 15.07.1986 müsse man ­aufbringen, impft Mar- 21 Genséric Kusunga 12.03.1988 27 Markus Steinhöfer (GER) 07.03.1986 29 Radoslav Kovac (CZE) 27.11.1979 Markus Steinhöfer: «Es wird Zeit, Mittelfeld/Angriff: dass wir eschichte schreiben 7 Pascal Schürpf 15.07.1989 G » 8 Benjamin Huggel 07.07.1977 9 Marco Streller 18.06.1981 Wer wird Meister? 10 Gilles Yapi (CIV) 30.01.1982 «Natürlich der FC Basel! Aktuell wird überall 11 Scott Chipperfield (AUS) 30.12.1975 darüber gesprochen, dass der FCB noch nie 13 Alex Frei 15.07.1979 den Titel-Hattrick geschafft hat. Es wird also 14 Valentin Stocker 12.04.1989 Zeit, dass wir Geschichte schreiben. Wir sind 17 10.10.1991 gut drauf, wir packen das.» 20 08.01.1989 24 Cabral 22.10.1988 Wer steigt ab? 30 Fwayo Tembo (SAM) 02.05.1989 «Da kann ich keinen Verein nennen, die Liga 31 Jacques Zoua Daogari (KAM) 06.09.1991 ist zu ausgeglichen.» 33 Sandro Wieser 03.02.1993 34 27.09.1992 Wer wird der Star in der neuen Saison 35 Kwang Ryong Pak (NKor) 27.09.1992 «Eines unserer Talente. Shaqiri zeigte bereits sein Potenzial. Auch Granit Xhaka wird Trainer durchstarten.» (GER) Was wollen Sie Zuzüge persönlich und mit Ajeti (U21), F. Frei (St. Gallen), Herzog (Duis- Basel erreichen? burg), Kovac (West Ham), Kwang Ryong Pak «Ich will auf dem (Kigwancha), Joo-Ho Park (Jubilo Iwata), Feld präsenter wer- Schürpf (Lugano), Voser (GC). den. Die Klub-Ziele: Meistertitel, Cup- Abgänge sieg, in der Cham- Baron (Vaduz), Ferati (Freiburg), Costanzo pions League Ak- (Olympiakos), Safari (Anderlecht), Unal (?). zente setzen.»

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