Auszug aus der Festschrift "150 Jahre Politische Gemeinde / Einweihung Dorfzentrum Eichi 2. Bauetappe" Verfasser: Hans-Jürg Hintermann, damaliger Gemeindeschreiber Herausgegeben vom Gemeinderat Niederglatt, September 1990

Aus der Geschichte von Niederglatt (nach Gertrud Dietliker-Wolf)

Vorgeschichte Verschiedene Bodenfunde bezeugen, dass eine Lanzenspitze aus der Eisenzeit weisen sich schon lange vor Christi Geburt in den auf die Besiedelung auch in jenen Zeiten bin. Gemarkungen von Niederglatt Menschen Dass Kelten hier wohnten, kann wegen den niedergelassen hatten. So wurde im Jahre im Höhragen gefundenen Gräbern ange- 1928 in der Nähe der Sonnenbergstrasse ein nommen werden; dort scheint auch ein Weg Steinbeil ausgegraben; ein Einzelfund aus der Römer vorbeigeführt zu haben. der Bronzezeit sowie ein Eisenschwert und

Fund aus der Jungsteinzeit: das 1928 in einem Acker gefundene Steinbeil, ca 3000-1800 v. Chr. (Fund- mappe Niederglatt im Landesmuseum)

Planmässig besiedelt wurde diese Gegend Ackerland wurde in drei grosse Abteilungen aber erst durch die Alemannen. Im 5. Jahr- zerlegt, die eingezäunt wurden. So entstan- hundert nach Christi brachen sie von Norden den drei sogenannte Zelgen. Gemeinsam her ein und besiedelten denjenigen Teil unse- teilte man jede in so viele Flächen ein, als res Landes, wo heute Deutsch gesprochen Hofstätten vorhanden waren, und jeder wird. Sie waren in Hundertschaften geteilt, Hausvater erhielt durch das Los auf jeder von denen jede etwa hundert waffenfähige Zelg ein Stück. Auf dem einen pflanzte er Männer mit ihren Angehörigen umfasste. Korn, dem zweiten Hafer und das dritte blieb Mehrere Hundertschaften bildeten einen brach. Diese Dreifelderwirtschaft wechselte Gau. Unsere Gegend gehörte zuerst zum innert drei Jahren. Neben dem Haus erhielt Thurgau, später zum Zürichgau. Das jeder Bauer etwas Wiesland und Boden zum eroberte Land wurde an die einzelnen Hun- Anbau von Hanf und Flachs. Dieses war aber dertschaften verteilt, die dieses dann wie- nicht sein Eigentum, sondern dasjenige der derum den einzelnen Sippen zuteilten. Ein Dorfgemeinschaft. Wie wir an anderer Stelle solcher Sippenchef, Nosso, dürfte sich wohl in der Entwicklung der Gemeinden sehen in Nöschikon niedergelassen und dort den werden, ist in den alemannischen Siedlungen Hof Nossinchova gegründet haben, aus dem der Ursprung der Gemeinden zu suchen. Ein dann der spätere Namen dieses Ortsteils grosses Stück unbebautes Land wurde nicht hervorging. verteilt, sondern gemeinsam genutzt und deshalb Allmend genannt. Die einzelnen Bauern der Sippe wohnten in äusserst einfachen Blockhäusern. Das

März 2010 / EV S. 1/13 Auf diese Zeit und Bewirtschaftungsart ist im Bethaus hinweist. Um das Jahr 600 zogen übrigen auch die Bezeichnung «Schup- irische Mönche in das Gebiet der heutigen pisgraben» zurückzuführen, ein in der ersten Schweiz und verbreiteten den christlichen Hälfte dieses Jahrhunderts eingedeckter Glauben. Die Franken, die etwa Anno 800 die Graben beim Bahnhof. Dieser Graben muss Herrschaft über die Alemannen erworben damals die Grenze zwischen zwei «Schup- hatten, trugen viel zur Christianisierung bei. possen», Felder zu je 10 Jucharten, gebildet Als eine Filiale der Bartholomäuskirche in haben. An diese Bezeichnung erinnert zudem Bülach muss schon früh eine Kapelle in auch der hiesige Familienname «Schup- Nöschikon gestanden haben. Sie ist erstmals pisser». 1159 urkundlich erwähnt, hat aber wahr- scheinlich schon viel früher bestanden und Die Alemannen waren als Heiden hierherge- war eines der ältesten Gotteshäuser im kommen. Oft dienten sie ihren Göttern in Unterland. Die Liegenschaft steht heute einfachen Holzhütten. Ein solches Gebäude noch: das Wohnhaus der Familie Jakob hiess «Bättbur». In wird heute Müller-Spillmann am Madweg. noch eine Flurbezeichnung «Päpperi» ver- wendet, was offensichtlich auf ein derartiges

Ansicht 1977 Die Kellerfenster im Gebäudeinnern deuten auf die frühere Kapelle hin.

Mittelalter Schon bei den Alemannen gab es Standes- zu Hause während dieser Zeit vernachlässigt unterschiede, die sich aber im Mittelalter werden musste, empfanden viele die Wehr- durch das Aufkommen des Rittertums, der pflicht als eine drückende Last. So traten Klöster und Städte vergrösserten. Über die manche Bauern freiwillig ihr Gut an einen gewöhnlichen Freien erhoben sich die Adeli- Grafen oder an einen anderen Herren ab, der gen. In Niederglatt wohnten keine Edelleute, ihnen Schutz versprach und sie der Wehr- aber auswärtige waren hier sehr begütert, so pflicht enthob. Dadurch waren sie aber zu die Freiherren von Regensberg, von Tengen Hörigen geworden, die ihr Land nur gegen und die Herren von Rümlang. Tief unter allen einen gewissen Grundzins weiter bebauen standen die Unfreien, über die ein Herr das durften. Viele Grundstücke schenkte man Verfügungsrecht hatte. Der fränkische König auch den Klöstern, um damit nach dem Tode setzte über jeden Gau einen Grafen, der bestimmt das Heil der Seele zu erlangen. Die Gericht hielt, militärische Aufgebote erliess Hörigen eines Klosters nannte man Gottes- und die Polizeigewalt innehatte. Der wehr- hausleute. Aus den zwei folgenden Urkunden pflichtige Mann wurde sehr oft unter die ersieht man, wie auch in dieser Gegend Land Waffen gerufen. Er hatte sich selbst auszu- vergabt wurde: rüsten und zu verköstigen. Da der eigene Hof

März 2010 / EV S. 2/13 Im März 7749 schenkten Probst Heinrich von Zürich und seine Brüder Rudolf, Werner und Burkhard ihre erblichen Güter zu Niederglatt und Höri dem Martinskloster auf dem Zürichberg.

In dieser Urkunde taucht erstmals der Ortsname Niederunglatto auf. (Foto StAZ, Abt. A97.4)

Im Mai 1159 vergabte «Heinricus, sacerdos (Heinrich, ein Geistlicher) de Nossinchon» sein Grundstück in Höri dem Kloster auf dem Zürichberg.

Erstmalige Nennung des Ortsnamens «Nossinchon» (StAZ C 11, Nr. 7) aus «Zürcher Ortsnamen», Herausgegeben von der ZKB.

(NB: Hier liegt denn auch der Schlüssel zur Geschichtskorrektur; beim bisher als erstmalige Erwähnung im Jahre 903 angenommenen «Nossinchon» handelte es sich um dasjenige bei Uster).

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Ferner waren hier die Klöster Einsiedeln, Jeder Grundherr übte damals auf seinem Hof Wettingen, St. Gallen, Rheinau, St. Blasien die niedere Gerichtsbarkeit (über Vergehen, im Schwarzwald, die Fraumünster-Abtei und Streitereien etc.) aus, und gewöhnlich wur- die Grossmünster-Probstei begütert. den unter seiner Leitung jährlich zwei

Im Jahre 1264 ging die Grafschaft Kyburg, zu Gerichte abgehalten, das Maien- und das der auch Niederglatt gehörte, in habsburgi- Herbstgericht. Da hier verschiedene Grund- schen Besitz über. Der österreichische Land- herren begütert waren, amteten auch ver- graf zu Kyburg stand direkt unter dem König. schiedene Richter. Die wichtigsten waren die In seinen Händen lag die hohe Gerichtsbar- Chorherren vom Grossmünster. Sie erschie- keit, das heisst, es mussten alle schweren nen aber nicht selbst zum Gericht, sondern Verbrechen von seinem Gericht beurteilt bevollmächtigten einen Haus- oder Liegen- werden. Ihm allein gehörte auch der Blut- bann, er richtete über todeswürdige Misse- schaftenverwalter, den sogenannten Meier. taten. Kam er ins Unterland, so fanden die Es war dies ein hiesiger Bauer, dem der Landtage meist im alten Zwinghof in Grundherr die Aufsicht über die Bewirtschaf- statt. Die Habsburger oder Österreicher tung der Güter übergab, und der auch den setzten auch in der Grafschaft Kyburg ihre Zehnten einzog, welchen die Leute dem Vögte ein, die das Gebiet zu verwalten hat- Kloster zu leisten hatten. Im Jahre 1364 hat- ten. Als Entschädigung für diese Verwaltung ten ferner die Zürcherbürger Bruno und musste das Volk Steuern, den Zehnten oder das sogenannte Vogtrecht entrichten. Im Herdegen Brun einen Meierhof in Nöschikon Jahre 1303 stellten die Habsburger ein Urbar, an das Grossmünster verkauft. ein Verzeichnis der zu leistenden Abgaben, auf. Von Niederglatt heisst es darin: Anno 1390 entstand die erste Offnung von Ze Nidern-Glatta lit ein schuopos, die uffen Nöschikon. Es ist dies eines der ältesten Zurichberg horet; die giltet zu vogtrechte 2 Dorfgesetze des Kantons Zürich. Die Rechte viertel kernen, 2 viertel habern, ein und Pflichten der Dorfbewohner und der Grossmünsterprobstei sind darin festgelegt. herbsthuon und ein uasnachthuon. Es richtet Das noch guterhaltene Pergamentdokument da und ze Neschikon jedermann uber die befindet sich im Staatsarchiv (Abt. C II Nr. sinen. (Habsburgerurbar I, Seite 248; 1 Vier- 10). tel = ca. 15 kg, kernen = Weizen)

Auszug aus der Offnung von Nöschikon (Foto StAZ)

März 2010 / EV S. 4/13 Eine neuere Fassung dieses Gesetzes aus So kam sie denn im Jahre 1424 auch in den dem Jahre 1534 ist noch im Gemeindearchiv Besitz der Grafschaft Kyburg. Als sie sich erhalten, leider aber nur zum Teil leserlich. jedoch während des Alten Zürichkrieges mit den Österreichern verbündete, musste die- Aus dem 14.Jahrhundert kennt man auch sen als Entschädigung für ihre Hilfe der schon einige Geschlechter von Niederglatt. grösste Teil der Grafschaft Kyburg, alle Anno 1313 wird unter anderem ein Lang Gebiete rechts der Glatt, abgetreten werden. genannt, und 1357 ist ein Ringger von Nie- Was sich links der Glatt befand, machte die derglatt Bürger von Zürich. Stadt Obervogtei Neuamt. Nun gehörte also der auf der rechten Seite liegende Teil des Im 14. Jahrhundert begann die Stadt Zürich Dorfes wieder zur österreichischen Graf- Rechte und Herrschaften ausserhalb der schaft Kyburg und wird seither als «Graf- Stadtmauern zu erwerben. schaft» bezeichnet.

Dieser Ausschnitt aus einer im 18. Jahrhundert von einem unbekann- ten Kartographen überarbeiteten Giger-Karte von 1667 zeigt die noch nicht korrigierte Glatt als Grenze zwischen den Grafschaften. Interes- sant auch, wie damals der Fluss übers Eichigebiet geflossen sein muss, mit einem Nebenarm in den Bereich der heutigen Kaiser- stuhlstrasse hin (heute als «Waagacher» bezeichnetes Gebiet).

Das Neuamt wurde durch einen Obervogt, gebot denn der Obervogt bei seinem Aufzug der in Zürich wohnte, verwaltet. In der wiederholt, «dass alle diejenige in das Neu- Gegend selbst regierte an seiner Statt ein amt gehörige Mannschaft, so zum h. Nach- Untervogt, der viel Macht besass. Er präsi- mahl examinirt ist (d.h. 16 Jahre alt ist) zu dierte zuweilen selbst das Herbstgericht in Niederglatt auf dem gewohnten Platz zur Niederglatt. 1452, als die Österreicher wieder Huldigung sich einfinden soll». einmal in Geldnot waren, konnte Zürich die Grafschaft Kyburg von ihnen zurückerwer- Dass die Verwaltung durch Zürich nicht all- ben. Das Neuamt blieb aber von ihr getrennt. zuschlecht war, ersieht man z.B. aus der Wenn ein neuer Obervogt gewählt wurde, Stellung der Neuamtsbewohner zur Refor- liess er die Bürger des Amtes zusammen- mation. Sie schrieben anlässlich einer kommen, um auch ihnen den Eid des Gehor- Volksbefragung an die zürcherische Obrigkeit sams abzunehmen. Am Sonntag vorher «sy wöll, ten die syn, so ir Lyb und Guet zu wurde in den Kirchen Zeit und Ort der Huldi- dem Gottswort setzen». Mit der Reformation gung angezeigt und in der Predigt auf die gingen die Vogteirechte, welche die Probstei Bedeutung der Handlung hingewiesen. So Zürich an sich gebracht hatte, an die Stadt

März 2010 / EV S. 5/13 Zürich über, und diese verfügte nun über die Laurentius zu Bülach die Kapelle von hohe und niedere Gerichtsbarkeit. Nöschikon erwähnt. Es war dort auch ein Friedhof, und noch im Jahre 1873 wurden Kirchlich gehörten Niederglatt und Nöschikon Gebeine ausgegraben. schon früh zu Niederhasli. Dort stand ursprünglich eine dem hl. Bartolomäus 1599 beginnen die Kirchenbücher des Nie- geweihte Kapelle, welche am Ende des derhasler Pfarrers, das heisst die damaligen 12.Jahrhunderts eine selbständige Kirche Zivilstandsregister, die jetzt im Staatsmchiv wurde. Daneben wird aber noch im Jahre sind (Abteilung E III 79.1). Man findet darin 1370 unter den Filialen der Pfarrkirche St. u.a. folgende interessante Einträge:

1. Kirchenbuch der Pfarrei Niederhasli (Foto StAZ Abt. E III 75.1)

Anno 1599, Februar 24: Name des Täuflings Anna 1702 Eltern Jaco Witz und Conrad Moor, der jung Schumacher von Anna Köuffelerin Niederglatt hat weib und Kind verlassen, Paten Hans Volgkhart starb zu Holland im Kriegsdienst als ein und Schölm am Galgen. Anna Schmidin 1705 1600, 16. März starb Hartmann Volkart von Niederglatt zu Notiz der ersten Hochzeit: Alexandria in fremden Diensten. Lux Albrecht von Nöschikon und Elsbeth ______Meyer von Schlyniken.

1674, 3. Juli starb Klyanna Baderi von Niederglatt, Felix Aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammen Hubers nachgelassene witfrau. die meisten, im hiesigen Gemeindearchiv noch vorhandenen Urkunden, deren Inhalt hier kurz angedeutet wird: 1702, 23. Jenner Anna Rütlinger, Jagli Hubers von Nöschikon ehelich geliebte Hausfrau, starb an einer 1462, Mai 29. Geburt, da sie der Scherer von Bülach lang Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich genug gepflegt. (Die Kindersterblichkeit war bestätigen in einem Streit zwischen den damals im allgemeinen sehr gross. Es star- Gemeinden Neerach und Ried einerseits und ben pro Jahr etwa 78 Kinder). Oberhöri, Niederhöri und Ennethöri , ande-

März 2010 / EV S. 6/13 rerseits, dass das Ried von beiden Teilen entrichten. Wer sein Haus einem Fremden gemeinsam als Viehweide benutzt werden verkauft, geht der Dorfgerechtigkeiten verlus- darf. - Wegen eines entstandenen Streites tig, nicht aber jener, der sein Gut einem betr. das Holz in den Erlen werden die Gren- Gemeindegenossen verkauft. Vom Einzugs- zen sowie dessen Nutzung durch die geld sind jene Personen befreit, die auf ihre Gemeinden von Neerach, Ried, Höri, Nöschi- eigenen Hofstätten und Güter ziehen oder die kon und Niederglatt festgelegt. Güter als Lehen übernehmen.

1495, Juni 3. 1539, September 27. Da schon wieder Streit wegen des Holzes in Es handelt sich hier um einen Streit betr. das den Erlen entstanden war, wurde die Grenze Weiden der Schweine in den Hölzern der nochmals ganz genau festgelegt. Gemeinden Niederhasli, Niederglatt und Nöschikon.

1537, November 28. Ittelhans Thumysen, des Rats und Vogt im 1551, Januar 8. Neuamt, entscheidet vor dem Herbstgericht Vogt, Geschworene, Dorfmeyer, Gericht und zu Niederglatt einen Streit zwischen der ganze Gemeinde der Dörfer Niederglatt und Probstei Zürich und dem Spital zu Zürich Nöschikon verkaufen mit Einwilligung von einerseits und der Bauernsame der Dörfer Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich und Niederglatt und Nöschikon andererseits betr. mit Wissen des Obervogts im Neuamt an die neun Jucherten Feldes unter dem Türniholz. Stadt Rottweil um 300 Gulden Konstanzer Währung ab Gütern und Allmenden beider Dörfer ein jährlich auf Dreikönigstag zu 1538, Juni 12. begleichendes Zinsrecht von 15 Gulden. Aus diesem Jahre stammt der erste Einzugs- brief, der 1573 erneuert wurde. Er legt fest, was ein Fremder beim Einzug, das heisst 1564, Mai 27. beim Bürgereinkauf zahlen musste. Der Es wird beschlossen, dass das auf den Inhalt des Einzugsbriefes von 1573 ist Wiesen bei den Erlen wachsende Heu unter folgender: alle Gemeindegenossen zu Niederglatt und Nöschikon gleichmässig verteilt werden soll. Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erhöhen auf Bitte der Dörfer Nöschikon und Niederglatt das Einzugsgeld dieser 1595, Dezember 16. Gemeinde auf 10 Gulden für Zuzüger aus Wieder ein Streit geschlichtet, diesmal wegen dem Zürichbiet und 18 Gulden für solche aus des Grenzgrabens in den Gemeindwiesen. der übrigen Eidgenossenschaft. Für Auslän- der soll das Einzugsgeld von der Gemeinde von Fall zu Fall festgesetzt werden, doch 1685, Mai 27. haben diese zuvor nachzuweisen, dass sie Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich frei seien und keinen nachjagenden Herrn regeln die Ansprüche des Zürcher Scharf- haben. Gemeindegenossen, die an einen richters und Wasenmeisters Jakob Vollmar in andern Ort ziehen, dort einen eigenen Rauch bezug auf die Häute von abgestandenem haben und später wieder zurückkehren Vieh. wollen, haben gleichfalls das Einzugsgeld zu

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Teil dieses Dokumentes (von Mäusefrass etwas beschädigt; im GA)

In diesen Urkunden sind Niederglatt und Obrigkeit, die Vögte. Da der Niederglatter Nöschikon stets einzeln aufgeführt. Es hat Ortsteil Grafschaft nicht zum Neuamt sich aber gleichwohl immer nur um eine gehörte, waren zwei Vogteien vom Begehren Gemeinde gehandelt. Im Dokument von 1551 der beiden Dörfer betroffen. Ursache dafür ist «die ganze Gemeinde der Dörfer Nieder- war die Tatsache, dass die Gemeinde- glatt und Nöschikon» erwähnt. Auch in einem versammlungen immer in Nöschikon Gerichtsprotokoll von 1547 über einen Streit abgehalten wurden; Niederglatt wollte auch mit Niederhasli wegen dem Haag im Ried, ist einmal zum Zug kommen, was wiederum die von der «grneind Niederglatt und Nöschikon» anderen nicht wollten. Deshalb einigte man die Rede. Die Differenz bestehe zwischen sich zur Trennung. Die Vögte stimmten dem den «beiden Gemeinden», mit Niederhasli Ansinnen grundsätzlich zu, machten die einerseits sowie Niederglatt und Nöschikon Trennung aber davon abhängig, dass sich andererseits. Wenn auch in einer Gerichts- die Parteien zuerst über die Auflösung der urkunde von 1598 wegen einem Streit ums Güter einigen müssen. Ried mit Niederhasli vorerst von «den beiden Gemeinden Niederglatt und Nöschikon» die Am 16. Herbstmonat 1698 erschienen die Rede ist, so findet sich aber der Hinweis auf Ausschüsse der beiden Dörfer wiederum vor nur eine Gemeinde «Niederglatt und Nöschi- den Obervögten und teilten mit, dass keine kon» im Urteil. Der eine Teil der Allmend wird Einigung in bezug auf die Aufteilung des Niederhasli zugesprochen, der andere der Gemeindegutes und der Allmenden erzielt Gemeinde «Niederglatt und Nöschikon». werden konnte, nach wie vor aber der Wunsch auf Trennung bestehe. Es sei des- Auch in den Einzugsbriefen von 1573 und halb obrigkeitlich zu entscheiden. Die Ober- 1609 ist von einer «Gmeind» und zwei vögte Salomon Hirzel und Statthalter Werd- Dörfern die Rede. müller entschieden aber, unter diesen Umständen «desswegen die theillung des Im Jahre 1698 jedoch wollten die beiden gmeindguths und gmeindwiesen beyseits Dörfer auseinander und jede für sich eine gesetzt». Beide Parteien könnten sich aber Gemeinde sein. Sie gingen deshalb vor die inskünftig noch einigen.

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Entscheid der beiden Obervögte aus dem Jahre 1698 (Foto StAZ, Abt. A135.4)

Offenbar war mit der Aufschiebung der Tren- Russen durchgezogen und später wieder die nung diese Frage dann auch bereits endgül- Franzosen. tig erledigt. Bereits im Jahre 1711 ist im Zusammenhang mit einem Allmendstreit wie- Während der Helvetik gehörte Niederglatt der von der «Gmeind Niederglatt und zum Distrikt . Die Regierung ver- Nöschikon» als eine Partei die Rede. sprach damals die Abschaffung der Zehnten und Grundzinsen, konnte aber das Verspre- chen nicht einlösen. Schon 1803 erhielt die Französische Revolution, Helvetik etc. Schweiz ein neues Grundgesetz, die soge- Während der französischen Revolution hatte nannte Mediationsverfassung. Niederglatt auch unsere Gegend unter den Durchzügen, gehörte zum Bezirk Bülach. In der Zeit der Einquartierungen und Plünderungen der Mediation wurde in unserem Land stark an fremden Truppen zu leiden, allerdings nicht der Schulreform gearbeitet, und es ist sicher so sehr wie an anderen Orten im Unterland. kein Zufall, dass in jenem Jahr, nämlich anno Aus dem Jahre 1799 wird berichtet, die Fran- 1811 zwei Schulhäuser gebaut wurden: das- zosen hätten am Nöschikerberg, die Öster- jenige in Nöschikon, in der im vergangenen reicher aber zwischen Mettmenhasli und Jahr abgebrochenen Liegenschaft Wolf, und Oberhasli ein Lager bezogen. Dann seien die die Liegenschaft Gut an der Graf- schaftstrasse.

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In diesem kleinen Häuschen an der Grafschaftstrasse wurde von 1811 bis 1853 Schule gehalten.

1815 wurde der Kanton Zürich in 11 Ober- Aus einem alten Kirchenbuch ist zu ersehen, ämter geteilt und Niederglatt kam zum Ober- wie im Jahre 1780 die hiesigen Geschlechter amt Regensberg. Im Jahre 1826 gelang es zahlenmässig verbreitet waren. Von den 67 der Gemeinde, sich durch eine einmalige ältesten Familien hiessen 25 Volkart, 23 Zahlung an die «Staats-Cassa-Verwaltung» Moor, 6 Maag, 5 Müller, 4 Albrecht und Ring- vom Zehnten loszukaufen. ger. Damit die gleichen Geschlechter ausein- ander gehalten werden konnten, gab man sich Zunamen. So zum Beispiel war (und ist Dies und das aus frühen Zeiten zum Teil auch heute noch) die Rede von Im Jahre 1618 wurde hier eine Zielstatt Chuefer Schang, Volkert Reinis (Vater hiess eingerichtet, wo die Mannschaft des halben Reinhard), Hartme Volkarts (Vater hiess Unterlandes jeweils Schiessübungen abhielt Hartmann), Wagnerruedis (Vater hiess Ruedi und Betrieb ins Dorf brachte. Wahrscheinlich und war Wagner), vos Chupferschmiede und befand sie sich zwischen dem Löwenplatz «vos Scheffe Töfis» (Davids Vater war Chef und dem Bahnhof, wo in östlicher Richtung der Feuerwehr). Alte Leute nannten weitere geschossen wurde. solche Zunamen aus noch früherer Zeit: ______s'Salzauswägers, s'Gablemachers, s'Bumbe- lihuebers. Wo der erste Schulunterricht abgehalten ______wurde, steht nicht fest. Aus dem Jahre 1719 wird ein Schulmeister Simon Volkart erwähnt, Aus dem 19.Jahrhundert vernimmt man auch der zu Niederglatt vierzig bis fünfzig Schüler allerlei vom Gasthof zum Löwen, wo laut unterrichtete. Anno 1796 wurde das Vermö- (nicht nachgewiesenen) Überlieferungen gen der Kapelle von Nöschikon in das Gottfried Keller des öftern Gast gewesen sein Capellengut umgewandelt, woraus fortan die soll. Der stattliche Gasthof mit ehernem Unkosten des Schulbetriebes gedeckt Tavernenrecht (altes Wirterecht) wurde wurden. Im Jahre 1799 unterrichtete der schon 1592 erstmals erwähnt. Im Jahre 1806 Taglöhner Konrad Albrecht im Sommer 36 kaufte der Wirt, Landrichter und Chirurg und im Winter 53 Schüler in Lesen, Schrei- Rudolf Volkart das Tavernenwirtshaus zum ben, Singen und im Katechismus. Die Schü- «roten Löwen» mit eigener Trotte, einem ler waren noch nicht in Klassen eingeteilt und Fischbehälter, drei Mannwerk Umschwung, der Schulbesuch war dannzumal überhaupt einem gewölbten Keller, einem Vierlig Reben, freiwillig. Es musste sehr viel auswendig einer Sandgrube und zwei Mannwerk Wiesen gelernt werden, ohne dass die Kinder den um 7304 Gulden von den Erben des vorher Text überhaupt verstanden. verstorbenen Besitzers Bezirksrichter und alt ______Untervogt Methler. Im Jahre 1816 wurde alt

März 2010 / EV S. 10/13 Zunftrichter Heinrich Müller von Wülflingen zum «roten Löwen» genannt. als Eigentümer des Tavernenwirtshauses

Gasthof Löwen, um 1920

Löwenwirt Haupt war von 1913-1930 Gemeindepräsident. 1895 liess er im Gasthaus das erste Telefon im Dorf installieren. Er besass auch das allei- nige Fischerpatent für die Glattstrecke Hofstetten-Höri. An den Sonntagen wurde schon bei Tagesanbruch gefischt. Die Barben, Forellen und selte- neren Aale wurden in den Brunnen unter die Linde gebracht. Im Verlauf des Vormittags kamen die Dorfbewohner und kauften sich ihre frischen Fische, die gleich an Ort und Stelle entschuppt wurden. Gegen Mittag fan- den sich auch Gäste zum Fischmahl ein. Die überzähligen Fische kamen in einen Fischkasten in der Glatt.

Der zum Löwen gehörende Stall mit Scheune brannte 1929 ab. Beim Wiederaufbau wurde der First parallel zur Zürcherstrasse errichtet.

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Im Jahre 1816 kam in Niederglatt ein bedeu- ser) verpachtet werden sollte. Dem Protokoll tender Mann zur Welt. Salomon Volkart, der entnehmen wir: Begründer der heutigen Winterthurer Firma . . . Wegen dem Platz bei den Gärtlihäusern Gebr. Volkart. wurde nach auf gestellter Frage, ob dieser ______dem «?Reich?» angehörender Strassenplatz verliehen werden solle oder ob man ihn wie Der Platz vor dem schönen Haus im Gärtli von Alters her, für der bes. Communikation war «Haltestelle » für die Fuhrwerke, eine Art der Fuhrleute wegen, offen und frei sein Verkehrsknotenpunkt. Dort retablierte man lassen wolle, wurde beschlossen: denselben die Gespanne und gleichzeitig tauschten die nicht zu verleihen, jedoch den Gärtlibe- Fuhrleute Neuigkeiten aus. An der Gemein- wohnern scharf angesagt den Platz von den deversammlung vom 29. April 1832 ging es Haufen Steinen, Misthaufen und Holz zu rei- darum, ob dieser Platz (wohl an die Anstös- nigen und künftig nichts mehr dahinzulegen.

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Haus Gärtli 1989

Das Haus im Gärtli steht schmuck und breit da, die Strassen führten ursprünglich nur ganz knapp an den Hausecken vorbei. Der Hausteil rechts geht auf das Jahr 1680 zurück. Wegen des hohen Grundwasserspiegels entlang der Glatt ist auch dieses ganze Haus nicht unterkellert.

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Im Jahre 1936 bezog, zur grossen Freude darüber berichtet worden. Seit 1948 ist aber der Dorfbewohner, ein Storchenpaar das dieses Idyll ausgeblieben. ausser Betrieb stehende Hochkamin der Fabrik beim Bahnhof. Diesen seltenen Gäs- Seit in Steinmaur eine Storchensiedlung ten gefiel es in Niederglatt scheinbar sehr besteht, sind aber heute diese schönen gut. In den folgenden Jahren war der Kamin Vögel wieder oft zu sehen. So z.B. im Neera- immer bewohnt. Es wurden gar junge Stör- cherried, zwischen dem Lindenbuck und dem che grossgezogen. Durch die Störche wurde Niederglatter Riedteil, wo manchmal bis zu Niederglatt weit hemm in der Schweiz 12 Störche bei der Nahrungssuche beo- bekannt und es ist in vielen Zeitungen bachtet werden können.

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Auch die «Sie und Er» berichtete im Jahre 1954 über die Niederglatter Störche. Aus dieser Storchengeschichte stammt übrigens auch einer der neueren Über- oder Zunamen: «Storchehueber» wird Refonda-Direktor Jakob Huber-Schlagenhauf genannt, weil er es seinerzeit war, der in seiner Freizeit die Störche betreute.

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Abschluss zum Schmunzeln Beschluss des Gemeinderates vom 7. Januar maschine, die er seit 6. April 1922 im 1941: Gebrauch hat, im Betrage von ca. Fr. 13. Dem Gemeinderatschreiber werden die 80.- vergütet. Kosten für die Revision seiner Schreib-

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