Arnulfs Lothringische Politik Auf Den Wormser Reichstagen Der Jahre 894 Und 89 5
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ARNULFS LOTHRINGISCHE POLITIK AUF DEN WORMSER REICHSTAGEN DER JAHRE 894 UND 89 5 Die Spaltung im westfränkischen Reiche, derzufolge im Januar 893 neben Odo durch einige Grosse, an ihrer Spitze der Erz- bischof Fulko von Reims, der Karolinger Karl der Einfältige zum König erhoben wurde, war für den ostfränkischen König Arnulf von ganz besonderer Bedeutung, weil der westfränkische Karolinger unter Umständen auf Grund seiner legitimen Gebur t besondere Herrschaftsansprüche, etwa im gesamtfränkische n Sinne erheben konnte, denen der aussereheliche ostfränkisch e Spross nicht gewachsen gewesen wäre . Die eigentliche Gefahr lag dabei offensichtlich in Lothringen, das als altes karolingische s Kernland eine besondere Rolle in den legitimistischen Frage n spielte . Das drückt sich auch in dem regen Interesse aus, da s Arnulf sofort nach Karls Erhebung an diesem Lande zeigte . Er durchreiste es im Frühjahr 893 und knüpfte vor allem die Beziehungen zu den lothringischen Bischöfen fester 1. Aus die- sem Vorgehen hat Odo anscheinend die Zuversicht gezogen , ein Angriff seinerseits auf Karl werde ihm den Sieg bringen , da Arnulf voraussichtlich ihm dabei Hilfe gegen den Rivale n leisten würde. In diesem Augenblick trat aber eine überraschende Wendun g ein. Die Partei Karls erkannte, dass sie Odo gegenüber nicht stark genug war, und wandte sich deshalb an Arnulf um Unter- stützung 2. Karl selbst verliess heimlich Reims und erschien zu einem Reichstage, den Arnulf gerade in Worms hielt. Welche Angebote er zu einem Vergleich mit dem ostfränkischen Köni g mitbrachte, lässt sich nicht erschliessen . Regino von Prüm 1. Vgl. Ann. Fuld. Conlin . Ratisbon . 893 ; Regina 893. 2. Ann. Vedast, 894 ; vgl, auch Regina 893 . 168 schreibt zwar, Karl habe mit grossen Geschenken Arnulf für sich gewonnen, es ist aber gewiss, dass das allein nicht de n politischen Wechsel herbeiführen konnte . Über den Ausgang des Zusammentreffens drücken sich die Quellen ebenfalls nicht klar aus. Regino erklärt, Karl habe das Reich, das er usurpiert hatte, aus Arnulfs Händen empfangen 1, die Annalen von St . Vaast schreiben, Arnulf habe Karl das väterliche Reich einge- räumt 2, während die Annalen von Fulda sehr zurückhalten d erklären, Arnulf habe Karl mit Wohlwollen aufgenommen und entlassen B. Dieses Schweigen der ostfränkischen Quell e über Einzelheiten ist allerdings wohl daraus zu erklären, dass die anschliessende Aktion Arnulfs zugunsten Karls missglückte. Bemerkenswert aber ist in diesem Zusammenhang sicherlich, dass die Annalen von St, Vaast und die von Fulda die Verwand- schaft zwischen beiden Königen erwähnen . Man darf also vermu- ten, dass die Einigung auf dieser verwandschaftlichen Basis geschehen ist. Den Schlüssel hierzu geben die Worte Regieios, der ausdrück- lich sagt, Karl habe das von ihm usurpierte Reich aus der Han d Arnulfs empfangen. Demnach hat Karl in Worms zugegeben, dass er die Herrschaft nicht zu Recht besitze, und hat sie darauf von Arnulf angenommen . Der ostfränkische König schuf durch diese Einsetzung eine Rechtslage, die Karl von vorneherein au f das ihm überlassene Gebiet beschränkte . Darauf deutet auch di e Ausdrucksweise der Annalen von St. Vaast hin, das väterlich e Reich sei Karl von Arnulf eingeräumt worden, also doch in eine r Weise, dass diesem ursprünglich der Besitz des ganzen Gebiete s zugestanden habe. Hierin wird Arnulf die gesamte Rechtsgrund- lage für sein Auftreten gefunden haben . Indem nämlich ein Teil der westfränkischen Grossen sich von Odo abwandte und, nach der Ausdrucksweise in Fulkos Brief an Arnulf 4, den legitimen Erben erhob, gestaltete sich für die ostfränkische Auffassung di e Lage im westfränkischen Reich von Grund auf anders . Denn bei einem Zurückgreifen auf die Legitimität konnte Arnulf seine s. a .. .regnumque, quod usurpaverat, ex eius manu percepit » . Regino 893. 2. a .. .eique regnum paternum concessit .. » Ann. Vedast. 894 . 3. a . .quem rex cum dilectione suscepit et absolvit N . Ann . Fuld . Contin . Ratisbon . 894 . 4. FLOD . Hist . Rem. Eccles, IV, 5, 169 zeitlich frühere Erhebung als Karolinger geltend machen un d somit beanspruchen, dass das westfränkische Reich also damals , als Odo gewählt worden war, in Wirklichkeit ihm zugestanden habe, dass also Karl mit seinen Ansprüchen nach ihm komme . Sobald demnach Karl das Seniorat Arnulfs und dessen urspriin- gliche Berechtigung auf den Besitz des Gesamtreiches aner- kannte, und das hat er zweifellos in Worms getan, hatte de r ostfränkische König ausserordentlich viel erreicht . Ein weiteres Festhalten am Bündnis mit Odo besass wenig Sinn. Denn dieses Bündnis hätte Karl nicht gehindert, nach Festigung seine r Herrschaft Ansprüche an Arnulf zu erheben ; dagegen war e s wesentlich besser, durch Karls Unterwerfung eine Rechtslage zu schaffen, die ihn unter Umständen auch gegenüber seine n Anhängern binden konnte 1. Eine Einigung mit ihm war auc h noch aus dem Grunde angebracht, dass Arnulfs Pläne zu einer Erhebung seines ausserehelichen Sohnes Zwentibold zum König von Lothringen auf diesem Reichstage zu grossen Widerstand fanden 2, so dass er sie aufschieben musste. Welche Bedeutung aber diese Pläne auch im Rahmen seiner westfränkischen Poli- tik besassen, wird aus den Geschehnissen des Wormser Reichs- tages im folgenden Jahre noch deutlicher hervorgehen. Der Sinn der Ereignisse in diesem Jahre 894 wird also der gewese n sein, dass Arnulf eine Art Führung in der karolingischen Sache übernommen hat . Bei der Ausführung der hierbei entworfenen Pläne ergab sic h aber eine unerwartete Schwierigkeit . Arnulf konnte nämlich jetzt seine Vorrangstellung nur dann behaupten, wenn durch seine Hilfe Karl zur Herrschaft im westfränkischen Reiche gelangte . Das jedoch misslang . Die von Arnulf gegen Odo entsandten 1. Df7MMLER (Geschichte des ostfränhischen Reiches, Band II, Berlin 1865, S. 386) hat zwar gemeint, Arnulfs Vorgehen sei wohl kaum durch Fulkos Hinweis auf das gemeinschaftliche Interesse des karolingischen Hauses zu erklären , weil er doch gegenüber der Legitimität Karls für die Nachfolge seines eigene n Sohnes Ludwig habe fürchten müssen . Diese Annahme ist jedoch keineswegs zwingend, vielmehr hat gerade im Zusammenhang mit Arnulf Tellenbach darauf hingewiesen, dass die illegitime Geburt nicht unbedingt mit einem gerin- geren Ansehen verbunden war, wie auch in dieser Frage die rechtliche Situatio n nicht in einem durchaus absoluten Sinne gesehen werden darf (Zur Geschichte Kaiser Arnulfs, Historische Zeitschrift Bd. 165 (1942), S. 231 ff.) . 2. Vgl. Regino 894. 170 Streitkräfte wagten keine Schlacht, weil der Gegner zu stark war 1. Der ostfränkische König scheint darüber sehr beunruhigt gewesen zu sein, besonders im Hinblick auf Lothringen . Denn auf der Synode zu Tribur im Mai 895 suchte er das Band zu de n lothringischen und ostfränkischen Bischöfen weiter zu festigen . In den Akten dieser Synode erscheint er als der von Gott er- wählte und allen vorgesetzte König 2. Er legte dabei Wert darauf, als Beschützer der Kirche gesehen zu werden, die Wech- selreden zwischen ihm und dem Klerus erinnern an das Verhält- nis westfränkischer Könige zur Kirche . Dabei entsteht der Eindruck, als habe man sich bemüht, den christlichen Königsge- danken, der im westfränkischen Reich z . B . zu Zeiten Karls d. Kahlen so starke Geltung erlangt hatte, jetzt auf das Königtum des ostfränkischen Reiches zu konzentrieren. Vielleicht wollte man auf diesem Wege einer vom Westreich her möglichen karo- lingischen Restauration, vor allem in Lothringen wirksam entgegentreten und darüber hinaus Ansprüche A.rnulfs auf das gesamtfränkische Königtum und das Kaisertum festigen . Anschliessend kam es zu einer merkwürdigen Änderung de r ostfränkischen Politik. Die Quellen berichten darüber nicht ein- heitlich. Die Annalen von St. Vaast schreiben, Arnulf habe auf Grund von Klagen über die unleidlichen Verhältnisse zwische n Odo und Karl beide zu sich geladen, um über ihre Sache z u entscheiden 3. Hiervon wissen die andern Quellen nichts . Die Annalen von Fulda berichten, Odo sei zu einem Reichstage r . Ann . Vedast . 894 ; Regina 893 . 2. N Quapropter rex regnum, cuius cc regnum cc, ut psalmista canit, « regnum est omnium saeculorum cc, omnibus ecclesiasticae sublimitatis ordinibus nec non et secularis potentiae dignitatibus novum principem Arnolfum regem pacifico ordine perpetuae tranquillitatis praeferre dignatus est, cuius cor sancti Spiritus ardore infiammare et zelo divini amoris voluit accendere, ut totus cognoscat mundus non ab homine neque per hominem, sed per ipsum Dominu m eum esse electum cc. MG Capitularia II, Nr. 252. Der Anklang an Vorstellungen, wie sie im Ordo von 817 festgelegt wurden, ist dabei deutlich . Ober das Verhältnis Arnuifs zur Kirche ist jetzt gegenüber älteren Meinungen Tellenbach, a. a . O. HZ 165, 239 if. heranzuziehen . 3, cc Constricti vero hi qui sequebantur Karolum — nam Odo rex eis quic- quid in Francia habuerant tulerat — Burgundiam acriter depopulati sunt . Venitque clamor eorum ad aures Arnulfi regis. Qui missos in Franciam mitten s iussit, ut Odo et Karolus ad eum venirent, quatinus tantae calamitatis malu m inter eos finiret . Ann. Vedast . 895. 171 nach Worms gekommen, sei von Arnulf ehrenvoll empfangen und nach einigen Tagen ebenso entlassen worden 1. Regino schildert den Wormser Reichstag in besonderer Art, indem e r zunächst die Erhebung Zwentibolds zum König von Lothringen als den Hauptzweck dieses Tages hinstellt. Zu dieser Versamm- lung sei auch noch Odo gekommen, sei von Arnulf ehrenvoll aufgenommen worden und habe alles erlangt, weswegen