NICK CAVE – Ein Popkosmos in Songs Und Literatur Zehn Beiträge Anlässlich Seines 60
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NICK CAVE – Ein Popkosmos in Songs und Literatur Zehn Beiträge anlässlich seines 60. Geburtstages am 22. September 2017 NICK CAVE – Ein Popkosmos in Songs und Literatur Herausgeber: Haus kirchlicher Dienste der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers Verantwortlich: Arbeitsfeld Kunst und Kultur, Dr. Matthias Surall (V.i.S.d.P.) Hausanschrift: Archivstraße 3, 30169 Hannover Postanschrift: Postfach 2 65, 30002 Hannover Fon: 0511 1241-431/432 Fax: 0511 1241-499 E-Mail: [email protected] Internet: www.kunstinfo.net Fotos: Christie Goodwin (Titel, S. 65); © Gettyimages (S. 13,25,31,U3); Bleddyn Butcher (S. 43,72); Dr. Matthias Surall (S. 12) Bildnachweise der Porträtbilder: Lukas Mücke (Christine Schröder), Fo- toraum Reinhold (Imke Schwarz), ICM Productions (Til von Dombois), Jens Schulze (Wolfgang Blaffert, Matthias Surall), Universität Paderborn/Lena Schäfer (Christoph Jacke), Andreas Schoelzel (Johann-Hinrich Claussen), Bundes-ESG (Uwe-Karsten Plisch) Satz und Layout: HkD (11481) Druck: MHD Druck und Service GmbH, Hermannsburg, gedruckt auf Recyclingpapier aus 100% Altpapier Auflage: 1000 Ausgabe: September 2017 Inhaltsverzeichnis Einführung | Dr. Matthias Surall ..................................................................................3 „The Mercy Seat“ | 1988 oder Schuld und Sühne, Tod und Nähe | Dr. Johann-Hinrich Claussen ................7 „And The Ass Saw The Angel“ | 1989 oder Esel und Außenseiter, Engel und Gott | Christine Schröder .....................18 „The Weeping Song” | 1990 oder Väter und Söhne, Weinen und Schlafen, Leiden und Leben | Dr. Matthias Surall ...................................................................22 „Into My Arms“ | 1997 oder von Liebe, Lachen, Trauer und Dämonen | Wolfgang Blaffert ................27 „Brompton Oratory“ | 1997 oder Heiliges und Profanes, Erotik und Gottesdienst | Imke Schwarz ..........34 „God Is In The House“ | 2001 oder Kleinbürgertum und Hybris, Freiheit und Gegenkultur | Til von Dombois .........................................................39 „We Call Upon The Author“ | 2008 oder Fragen und Zagen, Anrufen und Klagen | Dr. Uwe-Karsten Plisch .........44 „Heathen Child“ | 2010 oder der Wolf und die Ängste, die Gleich-Gültigkeit und der Mainstream | Prof. Dr. Christoph Jacke .............53 „Jesus Alone“ | 2016 oder die Offenheit des „Du“ | Dr. Matthias Surall ................................................63 Die Autor*innen ............................................................................................ 69 Das Arbeitsfeld Kunst und Kultur ................................................................ 70 Materialien und Kontakt ............................................................................... 71 1 © Offizielles Filmplakat im Verleih von Rapid Eye Movies 2 Einführung Dr. Matthias Surall Wer ist Nick Cave und warum lohnt Ambivalenzen und Ab- die Beschäftigung mit ihm, seinem gründe des menschlichen Werk gerade auch im kirchlichen Daseins. Zusammenhang? Ein solcher Künstler ist Nick Cave, der aus Australien Für eine Kirche, die sich dem Dia- stammt, in Südengland lebt log mit zeitgenössischer Kunst und und am 22. September 2017 Kultur geöffnet und verschrieben sechzig Jahre alt wird. Mehr noch: hat, gibt es keinen Weg vorbei an Nick Cave ist einer der produktivsten der Popmusikkultur. Denn Popmu- und spannendsten Singer/Songwriter sik ist seit den 1960er Jahren ein oder Songpoeten in der Generation selbstverständlicher und vielfältiger nach Bob Dylan. Den Schwerpunkt Teil unserer Welt, Gesellschaft und seines Schaffens bilden die Musik Kultur geworden. Popmusik prägt und die Songpoesie, doch Nick Cave den Lebensalltag und die Biogra- ist darauf nicht beschränkt, vielmehr phien zahlreicher Menschen, also genreübergreifend tätig: nämlich als auch der Gemeinde- und Kirchen- Autor und Essayist, als Schauspieler mitglieder. Pop ist ein vielschichtiger und Zeichner. Er schreibt Drehbücher und offener Diskurs innerhalb der und Romane und macht, zusammen Gegenwartskultur. Zentral dazu mit seinem musikalischen Partner gehört die Musik als künstlerische Warren Ellis, jede Menge Filmmusik. Ausdrucksform. Nick Cave ist ein spannender, facet- Von besonderer Bedeutung für tenreicher Künstler. Dies gilt schon die Prägekraft der Popmusik- insofern, als er sich seit seinen künst- kultur sind ihre herausragenden lerischen Anfängen Ende der 1970er Vertreter*innen: Künstler*innen, Jahre stets weiterentwickelt, also die jenseits des Daseins als Eintags- keineswegs nur einem musikalischen fliege im durchgestylten und genau Stil bzw. Genre verschrieben hat. berechneten Musikbusiness auf eine Stattdessen gilt für ihn, was auch bei längere Schaffenszeit blicken kön- Bob Dylan der Fall ist: Der Wandel nen. Musiker*innen, Sänger*innen, ist das Beständige in seinem Werk. Songpoet*innen, deren Entwicklung Nick Cave drückt das in seinem Song und Werk von zahlreichen Fans, „Jesus Of The Moon“ aus dem Jahr Interessierten und Kritiker*innen 2008 so aus: „… people often talk verfolgt und begutachtet wird. about being scared of change / but Künstler*innen, in deren Werk die for me I’m more afraid of things großen Themen der Kunst bearbeitet staying the same”1. Beständigkeit werden: die Liebe und das Leiden, jedoch gibt es noch in einer ande- das Sehnen und die Endlichkeit, das ren Hinsicht in seinem Werk – und Sterben und der Tod, die großen Fra- gen nach dem Woher, dem Wozu und 1 Nick Cave, The Complete Lyrics 1978 – dem Wohin sowie die Spannungen, 2013, London 2013, 472. 3 genau diese Beständigkeit macht der Underground- und Punkszene diesen Künstler so interessant, be- Melbournes etablierte und zu einer sonders im kirchlichen Kontext: ich Live-Attraktion heranwuchs. Im Mai meine die Beständigkeit eines roten 1979 erschien mit „Door, Door“ die Themenfadens, der sich rund um die 1. LP, die noch unentschlossen wirkt. Themenfelder Liebe und Tod, Gott, Ein knappes Jahr später erfolgte die Glaube und Zweifel rankt. Übersiedlung nach London verbun- den mit dem Namenswechsel zu Die in dieser Broschüre versammelten „The Birthday Party“. Beiträge verdeutlichen und illustrie- ren diese doppelte Beständigkeit, in- Nach einem Jahr in London war dem ihre Autor*innen verschiedene die Band dort angekommen. Die Werkstücke des Künstlers aus fast kompromisslos-aggressive und kon- drei Jahrzehnten seines Schaffens frontative Art ihres Auftretens beleuchten und untersuchen. Darun- und ihr Festhalten am Post-Punk ter sind acht sehr verschiedene Songs im Gegensatz zum gerade frisch sowie Nick Caves erster Roman, den aufkommenden New-Wave-Boom er 1989 veröffentlichte. hinterließ langsam Eindruck bei Fans und Rockkritikern. Mit der Um diese Werkstücke und den Veröffentlichung ihres 2. Albums Künstler überhaupt besser ein- und „Junkyard“ 1982 erreichte The zuordnen zu können, folgt hier ein Birthday Party den Höhepunkt ihres kurzer Überblick über Nick Caves Schaffens: Der eigene Sound wurde Leben und Wirken. hier erst dekonstruiert und dann zu einer neuen Synthese geführt. Die 1957 im australischen Warracknabeal auf „Junkyard“ geschilderte Welt als drittes von vier Kindern eines früh ist halb Rattenloch, halb Müllhalde, verstorbenen Lehrers für englische und der Blick auf diese Welt ist von Literatur und seiner als Schulbiblio- den eigenen Drogenerfahrungen thekarin tätigen Frau geboren, grün- geprägt und entsprechend düster. dete der junge Nick schon während seiner Schulzeit in Melbourne mit Motiviert durch Freundschaften fünf Freunden eine erste Band, aus und Kreativkontakte mit deutschen der einige Zeit später „The Boys Next Musikern wie Blixa Bargeld, dem Door“ und weitere zwei Jahre darauf Frontmann der Band „Einstürzende „The Birthday Party“ hervorgingen. Neubauten“ und Bands wie „Die Von der Punk-Musik schwer infiziert Haut“, verlagerte The Birthday Party überlebte diese Band das Ende der seinen Schwerpunkt nach Westber- Highschool-Zeit ihrer Gründer und lin, wo es nach der Veröffentlichung auch die anderthalbjährige Zeit von von zwei Kurzalben Anfang 1983 Nick Cave auf einer viktorianisch- wegen künstlerischer Differenzen konservativen Kunstschule. Nick zur Auflösung kam. Cave probierte sich, diverse Drogen und eine Art Bohemien-Lebensstil in 1984 erfand sich Nick Cave mit dem dieser Zeit der Boys Next Door aus, Album „From Her To Eternity“ als während die Band sich allmählich in Premiere seiner Kooperation mit den 4 neu gegründeten „Bad Seeds“ quasi Feldern demonstrierte. So hielt er neu und eröffnete seine kreativ- 1998 unter anderem eine Vorlesung produktive Berliner Hochphase. über „The Secret Life Of The Love In dieser Zeit bis 1989 entstanden Song“ und schrieb eine Einführung herausragende Alben wie „The First- in das Markus-Evangelium. born Is Dead“ von 1985 und „Tender Den Höhepunkt und Abschluss dieser Prey“ von 1988, auf dem sich der von Schaffensphase in den 1990er Jahren Johann-Hinrich Claussen in dieser bilden die beiden letzten Alben die- Broschüre behandelte Song „The ses Zeitraums, das 1996er Konzept- Mercy Seat“ findet. Zudem schrieb album „Murder Ballads“ inklusive Nick Cave seinen ersten Roman „And seines Chartserfolges aufgrund der The Ass Saw The Angel“, der 1989 Zusammenarbeit mit der Popikone veröffentlicht wurde und hier von Kylie Minogue sowie das sehr per- Christine Schröder vorgestellt wird. sönliche und von biblischen Themen Weiter kam es zu ersten Beteili- und Motiven durchzogene Album gungen Nick Caves an Filmprojekten „The Boatman’s Call“ von 1997. und in diesem Zusammenhang zu bis Auf diesem finden sich zwei hier heute