Referate des 8. Deutschen See- und Küstenvogelkolloquiums

der AG Seevogelschutz vom 26. bis 28. November 2010 in

Herausgegeben im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Seevogelschutz

in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, dem Deutschen Meeresmuseum Stralsund und der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Redaktionelle Bearbeitung: Christof Herrmann und Rolf-Rüdiger Strache

Übersetzungen ins Englische: Hendrik Herlyn

Das 8. Deutsche See- und Küstenvogelkolloquium stand im Zeichen des Internatio- nalen Jahres der biologischen Vielfalt. 2 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 2, 2012

Foto: J. Reich

Wir danken allen Referenten, die mit ihren Vorträgen zum Gelingen des 8. Deutschen See- und Küstenvogelkolloquiums beigetragen haben.

Ronald Abraham, Christof Herrmann und Jürgen Reich danken wir rechtherzlich für die Bereitstellung der illustrierenden Fotos. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 3, 2012 3

Vorwort

In dem vorliegenden Sonderheft des Ornitho- für Umwelt, Naturschutz und Geologie MV logischen Rundbriefs für Mecklenburg-Vor- (LUNG) in Güstrow haben in bewährter Zu- pommern sind die Beiträge des 8. Deutschen sammenarbeit geholfen. See- und Küstenvogelkolloquiums der Ar- beitsgemeinschaft Seevogelschutz Stellvertretend für die vielen Helferinnen (AGSV), das vom 26. bis 28.11.2010 im Deut- und Helfer möchte ich Frau Dr. Liebers-Hel- schen Meeresmuseum in Stralsund stattge- big (DMM) und Herrn Christof Herrmann funden hat, zusammengefasst und veröffent- (LUNG) persönlich nennen und ihnen für licht. ihr Engagement und die viele geleistete Ar- beit sehr herzlich danken. Sie haben damit Die gesamte Nord- und Ostseeküste von Em- die gute Tradition fortgesetzt, die auch die den bis Sylt und von Flensburg bis vorangegangenen Kolloquien ausgezeichnet - einschließlich der Ästuare - bilden das Ar- hat. Der Veranstaltungsort ist jeweils wech- beits- und Interessengebiet der in der AGSV selnd und wir versuchen, in den verschie- zusammen arbeitenden Behörden, Vereine, denen Küstenländern zu tagen. Das verteilt Verbände und Organisationen, denen der den erforderlichen Reiseaufwand und bietet Schutz der See- und Küstenvögel ein wichti- den Teilnehmern außerdem die Möglichkeit, ges Anliegen ist. auch andere Küstenbereiche näher kennen zu lernen. Neben den jährlichen Arbeitstreffen seit mehr als 30 Jahren findet seit 1996 alle zwei Jah- Mein Dank gilt allen Referentinnen und Re- re ein mehrtägiges öffentliches Kolloquium ferenten, den vielen Helferinnen und Helfern statt, in dem berufliche und ehrenamtliche und allen Teilnehmern, die dieses Kolloqui- Avifaunisten – meistens unter einem Schwer- um mitgetragen und gestaltet haben. Dafür punktthema – einen offenen und konstrukti- konnten viele Impulse für die eigene Arbeit ven Erfahrungsaustausch pflegen. mitgenommen werden. Daneben ist das per- sönliche Gespräch in Zeiten der e-Kommuni- Das 8. Deutsche See- und Küstenvogelkol- kation auch ein wichtiges Element erfolgrei- loquium war dem Thema der Biodiversität cher Arbeit. gewidmet, welches einen breiten Raum für vielfältige Beiträge bot, aber auch die Wich- tigkeit und Bedeutung des See- und Küsten- vogelschutzes aufgezeigt hat. Rolf de Vries

Sowohl wissenschaftliche Ergebnisse und Vorsitzender der AGSV Vorhaben als auch praktische Erfahrungen aus der täglichen Naturschutzarbeit wurden vorgestellt und diskutiert. Insbesondere jun- gen Kolleginnen und Kollegen bieten die Kol- loquien eine hervorragende Plattform, ihre Arbeitsergebnisse zu präsentieren. Um dies zu ermöglichen, werden die Tagungskosten so gering wie eben möglich gehalten. Das ist aber nur möglich, wenn keine Referentenho- norare anfallen und regionale Partner und Organisationen hilfreich zur Seite stehen. Das war auch im Jahr 2010 bei diesem Kolloqui- um wieder der Fall. Das Deutsche Meeresmu- seum (DMM) in Stralsund und das Landesamt 4 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 4-5, 2012

Programm

Freitag, 26.11.2010 Themenblock 2: Lebensraum für Küstenvö- gel: Die Salzwiesen der Ostseeküste 31. Tagung der AG Seevogelschutz (Büroge- bäude des DMM am OZEANEUM, Neue Ba- R. Holz, R. Lampe: Der rezente Meeresspie- denstraße 4) gelanstieg: Chancen und Risiken für die Küs- tenüberflutungsräume in Mecklenburg-Vor- Gemütliches Beisammensein & Abendbrot pommern (im Fischermann’s Restaurant, An der Fähr- brücke 3, Hafeninsel, neben dem OZEANE- S. Seiberling: Die Genese der „Salzwiesentor- UM) fe“ der südlichen Ostsee im Kontext mit der Vegetationsentwicklung und der Überflu- Abendvortrag: J. Reich: Seeadler und Kormo- tungsdynamik rane auf der B. Russow: Der Einfluss von Brutvogelkoloni- Sonnabend, 27.11.2010 en auf die Vegetation kleiner Küsteninseln in Mecklenburg-Vorpommern Anmeldung im Tagungsbüro im OZEANEUM F. Tanneberger, J. Bellebaum, C. Völlm, D. Begrüßung Sellin, K. Vegelin: Wiesenbrüter im Schilf? – Ergebnisse der sommerlichen Pflegemahd ei- Rolf de Vries nes LIFE-Projektes im Unteren Peenetal und Vorsitzender der AG Seevogelschutz Vorschläge zur Optimierung als Wiesenbrü- tergebiet Dr. Alexander Badrow Oberbürgermeister der Hansestadt Stralsund Themenblock 3: Raubsäugerproblematik und Raubsäugermanagement in Schutzge- Dr. Harald Benke bieten Direktor des Deutschen Meeresmuseums Stralsund M. Maier, K.-M. Exo, A. Schlaich, J. Stahl: Welche Faktoren beeinflussen das Prädations- Einführung risiko? Kunstnestexperimente auf Salzwiesen

R. de Vries: See- und Küstenvogelschutz als F. Joisten: Prädatorenmanagement in Küs- Beitrag zum Erhalt der Biodiversität tenvogelbrutgebieten Mecklenburg-Vorpom- merns Themenblock 1: Küstenvögel - Dynamik in Raum und Zeit N. Stier: Einheimische und gebietsfremde Raubsäuger und deren Einfluss auf Wasservö- C. Herrmann: Biodiversität als dynamischer gel Prozess: Langfristige Veränderungen der Küs- tenvogelwelt in Mecklenburg-Vorpommern M. Borchert, N. Stier, J. Zschille, M. Roth: Gelegeprädation bei Wasservögeln im Na- M. Altemüller, B. Küper: LIFE-BaltCoast: turschutzgebiet „Fischteiche in der Lewitz“ – Schutz von Küstenlebensräumen an der Ost- Eine Zwischenbilanz der Jahre 2009 und 2010 see – Küsten ohne Küstenarten? W. Daunicht: Erste Ergebnisse von Gelege- schutzmaßnahmen an Küstenvögeln in der Emsmündung Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 4-5, 2012 5

Themenblock 4: Habitatnutzung und Po- M. Schiffler, B. Hälterlein, C. Erb, V. Hennig: pulationsökologie von Küstenvögeln im Populationsentwicklung von Küsten- und Wattenmeer Flussseeschwalben (Sterna paradisaea und Sterna hirundo) im Schleswig-Holsteinischen F. Güpner, P. Dierichsweiler, P. Schwemmer, S. Wattenmeer von 1980 bis heute Garthe: Verbreitung und Habitatnutzung von Küstenvögeln auf Wattflächen in Schleswig- J. Krause, F. Richter, P. Reufsteck, F. Stumpe, Holstein M. Voigt, V. Hennig: Bruterfolg rotfüßiger Seeschwalben mit besonderem Hinblick auf H. Hötker, R. Schulz: Seeregenpfeifer Charad- die Nahrungsökologie im Nordfriesischen rius alexandrinus in Schleswig-Holstein: Habi- Wattenmeer tatwahl und Hoffnungsschimmer? N. Oberdiek, J. Dierschke & J. Stahl: Brutöko- Abendbrot und gemütliches Beisammensein logische Untersuchungen an der Kornweihe im Bistro „Tartaruga“ (am Schildkrötenbe- Circus cyaneus im Nationalpark „Niedersäch- cken des Deutschen Meeresmuseums) sisches Wattenmeer“

Buchpräsentation: Jürgen Reich – „Wildes M. Schröder, N. Oberdiek, J. Dierschke, T. Küstenland Mecklenburg – Vorpommern“ Feldt & J. Stahl: Charakterisierung der Jagd- habitate von Kornweihen und Rohrweihen Sonntag, 28.11.2010 im Nationalpark „Niedersächsisches Watten- meer“ Fortsetzung Themenblock 4: Habitatnut- zung und Populationsökologie von Küsten- Themenblock 5: Gefährdungen von Seevö- vögeln im Wattenmeer geln

C. Erb, F. Hofeditz, S. Langhans, B. Hälterlein, J. Bellebaum, B. Schirmeister: Verluste von V. Hennig: Nutzungsbedingte Habitatände- Seevögeln durch die Küstenfischerei in Meck- rung und Brutvögel im BASSIA-Projekt am lenburg-Vorpommern Beispiel des Austernfischers aematopusH ost- ralegus im Hedwigenkoog-Vorland (Dithmar- Resümee schen) Führungen durch das Deutsche Meeresmuse- D. Cimiotti, P. Dierichsweiler, H. Hötker, S. um (Katharinenkloster) und OZEANEUM Langhans: Populationsökologie des Austern- fischersHaematopus ostralegus im Wattenmeer - Literaturdaten und erste Ergebnisse aus der Meldorfer Bucht (Schleswig-Holstein)

S. Langhans, F. Hofeditz, B. Hälterlein, V. Hennig: Schlupf- und Bruterfolgsmonitoring am AusternfischerHaematopus ostralegus im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wat- tenmeer

J. Vasbender, H. Volmer, P. Schwemmer, S. Garthe: Einfluss von Nahrungsgrundlage und Habitatstruktur auf die Raumnutzung von AusternfischerkükenHaematopus ostralegus

6 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 6-7, 2012

Fotografische Tagungseindrücke(festgehalten von Bernd Hälterlein)

Foto 1: Rolf de Vries zieht das Fazit der Tagung. Foto 2: Das Auditorium (1. Reihe von links nach rechts: Georg Grothe, Dr. Wilfried Knief, Dr. Her- mann Hötker, Dominic Cimiotti und Bernd-Olaf Flore).

Foto 3: Christof Herrmann und Dr. Norman Stier. Foto 4: Dr. Dorit Liebers-Helbig und Dr. Winfried Daunicht.

Foto 5: Rolf de Vries und Dr. Dorit Liebers-Helbig. Foto 6: Dr. Eckart Schrey (Vorsitzender Verein Jord- sand) und Dr. Martin Stock. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 6-7, 2012 7

Foto 7: Dr. Veit Hennig, Dr. Hermann Hötker und Foto 8: Frank Joisten, Ronald Abraham und Thors- Dominic Cimiotti. ten Harder (Geschäftsführer Verein Jordsand).

Foto 9: Vor dem Aquarium im Meeresmuseum. 8 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 8-10, 2012

Abendvortrag Seeadler und Kormorane auf der Heuwiese

J. Reich

In den Jahren 2009-2011 beobachtete der Foto- Erhebung von Daten zum Brutverlauf in der graf Jürgen Reich im Rahmen von Aufträgen Kormorankolonie und der Dokumentation des Nationalparkamtes Vorpommern und des von Interaktionen zwischen Kormoranen und Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Seeadlern entstanden unvergleichliche Fotos, Geologie Mecklenburg-Vorpommern Kormo- die Jürgen Reich den Teilnehmern des 8. See- rane Phalacrocorax carbo und Seeadler Hali- und Küstenvogelkolloquiums am 26.11.2010 aeetus albicilla auf der Heuwiese. Neben der vorstellte. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 8-10, 2012 9 10 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 8-10, 2012 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 11-16, 2012 11

See- und Küstenvogelschutz als Beitrag zum Erhalt der Biodiversität

Rolf de Vries

Nachtigallenweg 42a, 22926 Ahrensburg, E-Mail: [email protected]

Das Jahr 2010 ist das internationale Jahr Mittel im Milliarden Euro Bereich erfordern. der biologischen Vielfalt. Das ist auch Der Begriff der Biodiversität wurde in der der Anlass, die umfangreiche Arbeit der Wissenschaft in den 1980er Jahren verstärkt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der in der diskutiert, weil das Verschwinden von Arten Arbeitsgemeinschaft Seevogelschutz (AGSV) weltweit sichtbar geworden ist (Streit 2007). zusammengeschlossenen Behörden, Vereine, Der verbesserte Kommunikationsaustausch Verbände und Organisationen unter diesem auch durch den Einsatz neuer Technologien Gesichtspunkt zu betrachten. weltweit hat dabei sicher auch eine größere Der Begriff der Biodiversität hat in jüngster Bedeutung erlangt. Ursprünglich ist der Zeit eine größere und allgemeine Bedeutung Begriff „Diversity“ als Kennzeichnung der erlangt. Die Gesellschaft und der einzelne Vielfalt tierischer und pflanzlicher Baupläne Mensch müssen erkennen und verstehen, im angelsächsischen Sprachbereich schon dass sie selber nur ein Teil, eine Komponente länger im Gebrauch. Der Begriff wurde eines äußerst komplexen Systems sind. durch die Veröffentlichung des Buches von Jedes Tun und auch Unterlassen hat seine E. O. Wilson mit dem Titel „Biodiversity“ Auswirkungen im System, wenngleich deren zum Standard (Wilson 1988). Er umschreibt Veränderungen und Ergebnisse oft nicht „die Lehre von der Erforschung biologischer spontan auch sehr schwer über einen Vielfalt und ihre Bedeutung auf der Erde unter längeren Betrachtungszeitraum zu erkennen gleichzeitiger Berücksichtigung geeigneter sind. Schutzmaßnahmen“. Unter vielfältigen Begriffen wie Rio 92, Wenn hier wirklich Erfolge erreicht werden Agenda 21, Nachhaltigkeit, Klimawechsel, sollen, kann das nur durch konkrete Klimafolgen, Ressourceneffizienz und auch Maßnahmen auf allen Handlungsebenen Biodiversität wird seit den 1980er Jahren – sowohl international, national als auch auf die Problematik hingewiesen, dass der regional – erfolgen. Umgang mit den natürlichen Ressourcen Anlässlich der Konferenz in Rio de Janeiro unserer Erde eben begrenzt ist und dass die im Jahr 1992 wurde u. a. die Biodi- Nutzung und Verteilung im höchsten Maße versitätskonvention (CBD) verabschiedet. ungerecht ist. Dieses internationale Vertragswerk wurde Der Ansatz, die sogenannten originären bisher von 187 Staaten unterzeichnet. Produktionsfaktoren wie Wasser, Boden, Auch die Bundesrepublik Deutschland ist Luft stehen unbegrenzt und kostenlos zur Unterzeichner. Die Konvention enthält die Verfügung, ist eben falsch. Viele Ökonomen Verpflichtung der unterzeichnenden Staaten, haben jetzt die wirtschaftliche Bedeutung die natürliche Biodiversität zu erhalten, einen von Ökosystemen für die Volkswirtschaften nachhaltigen Umgang mit ihr zu pflegen erkannt (Bauer 2010). Beispiele dafür sind und die Ergebnisse aus den genetischen die wirtschaftliche Bewertung der Leistungen Ressourcen der Erde in fairer Weise zu teilen. der verschiedenen Stoffkreisläufe und die Biodiversität umfasst damit die Artenvielfalt, Selbstreinigung unserer großen Flusssysteme die Vielfalt der Lebensräume und die Vielfalt im Wasserkreislauf. Ihre Leistungsfähigkeit der genetischen Ressourcen. hat für die Gesellschaft eine immense Die Bundesregierung hat dazu nach ökonomische Bedeutung und darf nicht umfangreichen Diskussionen im Jahre 2007 leichtfertig überbelastet und damit gefährdet eine Nationale Strategie zur Biologischen werden. Diese Ergebnisse durch technische Vielfalt (NBS) auf den Weg gebracht Lösungen zu erbringen, würde finanzielle (BMU 2007). „Dabei geht es um Schutz, 12 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 11-16, 2012 nachhaltige Nutzung und soziale Aspekte konkret umzusetzen. Die gesetzlichen der Erhaltung der biologischen Vielfalt. Grundlagen für ein zielorientiertes Handeln Das entspricht dem Leitprinzip der sind gegeben: Nachhaltigkeit und auch den drei Säulen des • Grundgesetz Artikel 20a, UN-Übereinkommens über die biologische • Bundesnaturschutzgesetz (2010) § 1 Abs. 1, Vielfalt.“ Das vorliegende Dokument ist eine • EU FFH- und Vogelschutz-Richtlinie. Zukunftsvision der Bundesregierung, in der rund 330 Zielvorgaben und 430 konkrete, Bei der Interessenabwägung gegenüber aktionsbezogene Maßnahmen beschrieben konkurrierenden Ansprüchen müssen diese werden. Es gliedert sich in fünf thematische Grundlagen deutlicher aufgezeigt werden. Der Schwerpunkte: Schutz von Küsten- und Seevögeln und ihrer • Schutz der biologischen Vielfalt, Lebensräume sind eben keine partikularen • Nachhaltige Nutzung der biologischen Interessenlagen einzelner Avifaunisten, Vielfalt, sondern der rechtlich abgesicherte konkrete • Umwelteinflüsse auf die biologische Vielfalt, Schutz einer wichtigen Komponente • Genetische Ressourcen, innerhalb eines komplexen Systems. • Gesellschaftliches Bewusstsein. Der Zustand der Biodiversität und Es gilt jetzt, dieses Dokument in der Praxis die Zielerreichung werden in dem

Abb. 1: Komponenten der Biologischen Vielfalt - Gesamtindikator: Artenvielfalt und Landschaftsqualität (auf der Grundlage von sieben Indikatoren). Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 11-16, 2012 13

den Küsten ergriffenen Schutzmaßnahmen konnten noch keine Trendumkehr bewirken“. Dies unbefriedigende Er- gebnis ist allen Beteilig- ten der AGSV bedauer- licherweise schon lang- fristig bekannt. Die Aussagen basieren auf den Daten des DDA, seiner Mitgliedsorganisa- tionen und engagierter Avifaunisten in ganz Deutschland. Es ist zu begrüßen, dass die um- fangreiche, oft ehren- amtlich geleistete Arbeit endlich Eingang in eine offizielle, übergreifende Dokumentation ge- Abb. 2: Zielerreichungsgrad im Hauptlebenraumtyp Küsten/Meere (in %). funden hat. Das gibt der Arbeit aller Avifaunisten Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen einen neuen Sinn und Inhalt. Alle Akteure des Strategie zur biologischen Vielfalt See- und Küstenvogelschutzes werden auch des Bundesministeriums für Umwelt, zukünftig intensiv weiter daran mitarbeiten. Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) für Es sind dies staatliche Einrichtungen 19 Indikatoren dokumentiert (BMU 2010). (Vogelwarten, Vogelschutzwarten, Fach- „Der ausgewiesene Wert für den behörden von Bund, Ländern und Kreisen), Gesamtindikator „Artenvielfalt und die Vielzahl der ehrenamtlich Tätigen (in Landschaftsqualität“ zeigt in Abb. 1 einen Verbänden, Vereinen, DDA, DO-G, OAGs) Zielerreichungsgrad von 69 % mit einem und den in der Regel kommerziell tätigen Index Zielwert von 100 % für das Jahr Biologen in Planungsbüros und Instituten. 2015. Der Index wird über bundesweite Die Arbeit aller geschieht mit einem hohen Bestandsgrößen ausgewählter repräsentativer Anspruch an Methodik und Qualität. Die Vogelarten in sechs Hauptlebensraum- und erarbeiteten Standards liegen vor und sind Landschaftstypen errechnet. Die Kernaussage verbindliche Grundlage bei der täglichen ist, dass die Indikatorenwerte nach wie Arbeit. vor weit vom Zielwert entfernt sind. Bei Die Liste der Aktivitäten im See- und gleichbleibender Entwicklung kann das Ziel Küstenvogelschutz umfasst: von 100 % im Jahr 2015 nicht ohne erhebliche • Schutz und Sicherung bestehender zusätzliche Anstrengungen von Bund, Ländern Schutzgebiete für Brut- und Rastvögel und auf kommunaler Ebene in möglichst allen unterschiedlicher Schutzkategorien (LSG, betroffenen Politikfeldern erreicht werden.“ NSG, NP) und Abwehr von kon- Bei der Betrachtung des Teilindikators „Küsten kurrierenden Nutzungsansprüchen und und Meere“ in Abb. 2, der mit 3 % in den Beeinträchtigungen von außen. Gesamtindikator eingerechnet wird, „zeigt • Erfassung (Monitoring) des biologischen dieser einen eindeutig negativen Trend mit Inventars und seiner Veränderungen einem Zielerreichungsgrad von 56 %. Von dem über lange Zeitperioden mit hohen negativen Trend bei den Küsten und Meeren Qualitätsansprüchen. sind vor allem die Brutbestände der Vogelarten • Weiterentwicklung bestehender Schutz- der Strände und Dünen betroffen. Die an gebiete durch Managementpläne und 14 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 11-16, 2012

deren Umsetzung zur Erreichung der damit wohl auch Lebensqualität künftiger Qualitätsvorstellung nach FFH- und Generationen bereits jetzt verloren“. Vogelschutz-Richtlinie der EU. Dieses mag für unsere weitere Arbeit die • Ausweisung neuer, geeigneter Biotope für Richtschnur sein. Brut und Gastvögel mit Trittsteinfunktion. • Effizienzsteigerung in der Öffent- Literatur lichkeitsarbeit, um einen breiten Bauer, B. (2010): Biodiversität. Haupt Verlag, gesellschaftlichen Konsens für Küsten- und Bern. Seevogelschutz zu erreichen. BMU (2007): Nationale Strategie zur Der ethische Anspruch des Eigenwertes der Biologischen Vielfalt (NBS). Berlin. Natur, aber auch die wirtschaftliche Bedeutung BMU (2010): Indikatorenbericht 2010 zur von Biodiversität müssen übermittelt werden. Nationalen Strategie zur biologischen Aus der praktischen Arbeit vor Ort ist Vielfalt. Berlin. bekannt, dass Artenschutz immer zugleich Streit, B. (2007): Was ist Biodiversität – Biotopschutz bedeutet. Bei den Aktivitäten Erforschung, Schutz und Wert biologischer ist zu berücksichtigen, dass biologische Vielfalt. Verlag C. H. Beck, München. Umweltziele immer eine wesentlich Wilson, E.O. (1988): Biodiversity NPA. längerfristige Ausrichtung erfordern, um ihre Washington D.C. Wirksamkeit zu erreichen. Bruno Streit hat in seinem Buch „Was ist Biodiversität“ geschrieben: „Wenn wir langfristige Nachhaltigkeit auf der Basis unserer heutigen und künftigen Erkenntnisse aber gar nicht ernsthaft zu schaffen versuchen, geben wir biologische Vielfalt und Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 11-16, 2012 15

Protection of Sea and Coastal Birds as important role. The term “diversity” has a Contribution Toward Biodiversity long been used in the Anglo-Saxon world to Conservation describe the wide variety of biological designs among fauna and flora. After the publication The year 2010 has been declared the Year of of E. O. Wilson’s book, entitled “Biodiversity,” Biological Diversity. Against this background it became a standard term in scientific circles we will examine the extensive body of work (Wilson 1988). The book discusses the done by the members of the various offices, “doctrine of the examination of biological clubs, associations and organizations united diversity and its importance on the earth in the Consortium for Seabird Protection while simultaneously considering appropriate (Arbeitsgemeinschaft Seevogelschutz, AGSV). conservation measures.” Recently, the term “biodiversity” has gained a Any real success in this area can only be growing importance and a more widespread achieved through concrete measures on all acknowledgement. Society and its individual action levels – international, national and members need to recognize and understand regional. that they each constitute a single, small Among the results of the Conference in component in a very complex system. Each Rio de Janeiro in 1992 was the passing of action, or lack of action, has an impact on the the Biodiversity Convention (CBD). This system, even if the impact and its results do international treaty has been signed by 187 not become obvious spontaneously, or even countries to date. Among the undersigned is the over an extended period of time. Federal Republic of . The convention Since the 1980s, under the umbrella of a contains a commitment by the undersigned variety of names and terms, such as Rio 92, states to preserve the natural biodiversity, to Agenda 21, sustainability, climate change, use it in a sustainable manner and to equally climate change consequences, resource share the results of earth’s genetic resources. efficiency and biodiversity, it has been pointed Thus, biodiversity encompasses species out that nature’s resources are ultimately finite diversity, habitat diversity and the diversity of and that their utilization and distribution is genetic resources. anything but just. After extensive discussion, in 2007 the German It is a faulty approach to assume that the so- federal government introduced a National called original production factors, such as Strategy for Biological Diversity (NBS) (BMU water, soil, and air are free and of unlimited 2007). This includes the protection, sustainable availability. In recent years, many economists use and social aspects of biological diversity. have come to recognize the economic This is in accordance with the guiding principle importance of ecosystems for the national of sustainability and the three pillars of the economy (Bauer 2010). Examples include the UN treaty on biological diversity. The present economic evaluation of the output of various document is the federal government’s utopian material cycles and the self-cleaning abilities vision, which describes about 330 goals and of our large river systems in the hydrological 430 concrete, action-specific measures. It is cycle. Their performance is of great economic divided into five main topics: importance for society and must not be • Protection of biological diversity, carelessly overstressed and thus endangered. • Sustainable use of biological diversity, To find technical solutions in order to achieve • Environmental impact on biological these results would require several billions of diversity, Euros. • Genetic resources, In the 1980s, the term “biodiversity” has • Social awareness. been discussed with increasing frequency The next step is the practical implementation in scientific circles, since the disappearance of this document. The legal basis for goal- of species has become obvious on a global oriented action exists: scale (Streit 2007). The improved global • Constitution, Article 20a, communication exchange, in part through • Federal Conservation Law (Bundesnatur- new technologies, has certainly played an schutzgesetz) (2010) § 1 Part 1, 16 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 11-16, 2012

• EU FFH and Bird Directives. (ornithological research stations, conservation When weighing the interests against stations, federal, state and regional field competing claims, these legal bases must be offices), a large number of volunteers (in stressed more succinctly. The protection of sea clubs, associations, the DDA, DO-G, OAGs, and coastal birds and their habitats does not etc.) and the, usually commercially employed, simply constitute a particular set of interests biologists in planning bureaus and institutes. by a few ornithologists, but the legally They all conduct their work at the highest level grounded, concrete protection of an important of methodology and quality. Certain standards component within a complex system. have been developed and serve as the binding The state of biodiversity and the achievement foundation for their daily work. of objectives are documented for 19 indicators Activities for the protection of sea and coastal in the Indicator Report 2010 for the National birds include: Strategy for Biological Diversity, published • Protection and safeguarding of existing by the Federal Ministry for the Environment, refuges for breeding and resting birds in Conservation and Reactor Safety (BMU 2010). various protection categories (LSG, NSG, NP) The value in Fig. 1 for the general indicator and warding off competing land use claims “Species Diversity and Landscape Quality” as well as external disturbances. shows a goal achievement level of 69 %, • High-quality monitoring of the biological with an index target value of 100 % by 2015. inventory and its changes over long periods The index is calculated using countrywide of time. population numbers for selected representative • Continued development of existing refuges species from six main habitat and landscape through management plans and their types. The main point is that the indicator implementation, in order to reach the values are still a long ways away from the quality goals outlined by FFH and the Bird target values. At a continued steady rate of Directives of the EU. development, the target of 100 % by 2015 can only be reached with extensive additional • Establishment of new, suitable biotopes for efforts on the federal, state and communal breeding and resting bird species with a levels in all applicable areas of politics. stepping-stone function. The partial indicator “Coasts and Oceans” • Increased efficiency of public relations work, in Fig. 2, which makes up 3 % of the total to achieve a broader societal consensus for indicator value, clearly shows a negative the protection of sea and coastal birds. trend, with a goal achievement level of only We must find a way to convey both the ethical 56 %. This negative trend in coasts and oceans claim of nature’s intrinsic value and at the mainly impacts the breeding populations of same time the economical importance of birds on beaches and in dunes. To date, the biodiversity. conservation measures implemented on the Applied field work has shown that species coasts have failed to reverse this trend. Sadly, protection automatically equals habitat all members of the AGSV have long been protection. In all activities, we must remember aware of this unsatisfactory result. that biological, environmental goals always The above statements are based on data from require long-term planning in order to achieve the DDA, its membership organizations and full efficiency. dedicated field ornithologists across Germany. Bruno Streit wrote in his book “What is We are happy that these extensive efforts, Biodiversity:” “If we don’t even make a serious often done on a volunteer basis, finally have attempt to strive for long-term sustainability found their way into a comprehensive official on the basis of our current and future documentation. This lends new meaning and knowledge, we have already given up on purpose to the work of all field ornithologists. biological diversity and thus the quality of life All involved in the conservation of sea and for future generations.” coastal birds will continue to work hard Let this be the guideline for our work ahead! toward this goal. This included state-controlled organizations Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 17

Biodiversität als dynamischer Prozess: Langfristige Veränderungen der Küstenvogelwelt in Mecklenburg-Vorpommern

Christof Herrmann

Herrmann, C. (2012): Biodiversität als dynamischer Prozess: Langfristige Veränderungen der Küstenvogelwelt in Mecklenburg-Vorpommern. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1: 17-42. Arealveränderungen von Tierarten sind ein charakteristischer Bestandteil natürlicher Dynamik, die mit oder auch ohne menschliches Zutun stattfindet und deren Ursachen oftmals kaum verstan- den werden. Derartige Arealverschiebungen haben auch Auswirkungen auf die Küstenvogelwelt Mecklenburg-Vorpommerns, deren Artenzusammensetzung in den letzten 200 Jahren erheblichen Veränderungen unterlag. Drei Arten (Lachseeschwalbe Gelochelidon nilotica, Steinwälzer Arenaria interpres, Seeregenpfeifer Charadrius alexandrinus) sind in diesem Zeitraum als Brutvögel von unse- rer Küste verschwunden. Für den Alpenstrandläufer Calidris alpina und KampfläuferPhilomachus pugnax ist ein mindestens seit dem Ende des 19. Jh. andauernder dramatischer Rückgang der Brutbestände festzustellen, so dass für den Erhalt dieser Arten als Brutvögel nur wenig Hoffnung besteht. Auf der anderen Seite wurde unsere Küste in diesem Zeitraum auch von einer Reihe von Arten besiedelt, die hier zuvor keine Brutvögel waren (Kormoran Phalacrocorax carbo sinensis, Sil- bermöwe Larus argentatus, Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis, Schwarzkopfmöwe Larus melano- cephalus, Herings- und Mantelmöwe Larus fuscus, L. marinus, Eiderente Somateria mollissima). Diese Veränderungen lassen sich oftmals nicht aus einem lokalen Kontext heraus (z.B. anthropogen be- dingte Lebensraumveränderungen) verstehen; in den meisten Fällen stehen sie mit großräumigen Areal- und Bestandsveränderungen im Zusammenhang. Versuche, die Ursachen bzw. treibenden Kräfte für diese Arealveränderungen zu erklären, lassen oftmals viele Fragen offen.

Herrmann, C. (2012): Biodiversity as a Dynamic Process: Long-term Changes in the Coastal Avifauna of Mecklenburg-Western . Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1: 17-42. Range shifts in various animal species are a characteristic part of nature’s dynamics, which occur with or without human interference and whose causes are often barely understood. Such range shifts also have an effect on the coastal avifauna of Mecklenburg-, whose species composition has experienced significant changes during the past 200 years. Three species (Gull-billed Tern Gelochelidon nilotica, Ruddy Turnstone Arenaria interpres, and Kentish Plover Charadrius alexandrinus) have disappeared as breeders from our coast during this time. The bree- ding populations of Dunlin Calidris alpina and Ruff Philomachus pugnax have shown a dramatic and steady decline at least since the late 19th century, leaving little hope to conserve these species as local breeders. On the other hand, a number of species has become established on our coast during this period that were not previously known as breeders, including Great Cormorant Phalacrocorax carbo sinensis, Herring Gull Larus argentatus, Sandwich Tern Sterna sandvicensis, Mediterranean Gull Larus melanocephalus, Lesser and Great Black-backed Gull Larus fuscus, L. marinus, and Common Eider Somateria mollissima. These changes cannot always be explained within a local context (e.g., anthropogenic habitat changes); in most cases they are connected to widespread changes in range and population numbers. Our attempts to explain the causes or find the driving force behind those changes often leave us with unanswered questions.

Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern (LUNG), Goldberger Straße 12, 18373 Güstrow, E-Mail: [email protected]

Einleitung zur systematischen Kenntniß der Mecklenbur- Beginnend mit dem „Verzeichnis von Vögeln, gischen Land- und Wasservögel“ von Adolph die im Schwedischen Pommern beobachtet, Christian Siemssen aus dem Jahr 1794 liegen geschossen und nach dem Linneischen Sys- für Mecklenburg-Vorpommern systematische tem beschrieben sind“ von Leonard Christian Aufzeichnungen zur Küstenvogelwelt vor, die Otto aus dem Jahr 1776 und dem „Handbuch im Laufe des 19. Jh. und insbesondere mit der 18 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

Etablierung von Seevogelfreistätten ab 1909 Für den südwestlichen Ostseeraum und die zunehmend detaillierter und umfassender zentrale Ostsee ist die Präsenz des Kormorans wurden. Eine sorgfältige Auswertung der Li- für den gesamten Zeitraum vom Mesolithi- teraturquellen zeigt, dass unsere Küstenvogel- kum bis zum ausgehenden Mittelalter belegt. welt in den letzten 200 Jahren fortlaufenden Heinrich (2007) führt zehn Fundstätten in Veränderungen unterlag. Schleswig-Holstein, elf in Mecklenburg-Vor- Einige Arten sind als Brutvögel verschwunden pommern sowie 29 in Dänemark auf, die teil- (z.B. Lachseeschwalbe Gelochelidon nilotica, weise an der Küste, teilweise jedoch auch im Steinwälzer Arenaria interpres, Seeregenpfeifer Binnenland liegen. Ericson und Hernández Charadrius alexandrinus) bzw. ihr Verschwin- (1997) benennen für Südschweden (südlich den ist in naher Zukunft zu erwarten (Al- des 60. Breitengrades) 28 Fundstätten, die aus- penstrandläufer Calidris alpina, Kampfläufer schließlich im Küstenraum liegen. Der älteste Philomachus pugnax). Andere Arten sind im Nachweis – 9.000 Jahre vor heute - stammt Zuge von Arealausweitungen erst in jüngerer von einem Fundplatz bei Mölndal an der Zeit zu festen Bestandteilen unserer Brutvo- schwedischen Westküste. gelwelt geworden (z.B. Silber-, Mantel- und Ericson und Hernández (1997) werteten os- Heringsmöwe Larus argentatus, L. marinus, teoarchäologische Funde insbesondere von L. fuscus, Schwarzkopfmöwe Larus melanoce- Gotland und Öland aus und konnten diese phalus, Brandseeschwalbe Sterna sandvicen- anhand der Größenverteilung der Längen- sis, Eiderente Somateria mollissima). Auch und Breitenmaße der Humeri der atlantischen der Kormoran Phalacrocorax carbo sinensis Unterart Ph. c. carbo zuordnen. Knochenfun- fehlte im ausgehenden 18. Jh. als Brutvogel de von nichtflüggen Vögeln von Gotland, an unserer Küste und hat diese erst zu Be- Öland und aus dem Stockholm-Archipelago ginn des 19. Jh. im Zuge einer invasionsar- zeigen, dass der Kormoran hier nicht nur als tigen Ausbreitung im Ostseeraum besiedelt. Rast-, sondern auch als Brutvogel auftrat. Die Die vorliegende Arbeit beschreibt auf der Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, Grundlage von Literaturdaten und Brutbe- dass die zentrale Ostsee bis in die Neuzeit hin- standsdaten der Arbeitsgemeinschaft (AG) ein von der atlantischen Unterart Ph. c. carbo be- Küstenvogelschutz Veränderungen in der siedelt war; irgendwann zwischen 1500 und Küstenvogelwelt Mecklenburg-Vorpommerns 1800 räumte diese das Gebiet. und versucht, diese Veränderungen nicht nur Unklar bleibt bislang aber die Zuordnung der aus der regionalen Perspektive, sondern aus Funde aus der südwestlichen und westlichen einem größeren räumlichen Kontext heraus Ostsee (Norddeutschland, Dänemark, schwe- zu interpretieren. dische Westküste). Zwar enthielt das von Ericson und Hernández untersuchte archäo- Veränderungen der Küstenvogelwelt in logische Material auch Knochenfunde aus der Mecklenburg-Vorpommern Wikingersiedlung Haithabu (Schleswig-Hol- stein), jedoch beinhalteten diese nur zwei Hu- Der Kormoran Phalacrocorax carbo L., 1758: meri, deren Abmessungen zudem im Überlap- Eine wechselvolle Besiedlungsgeschichte pungsbereich der Maße der beiden Unterarten im Ostseeraum liegen (Heinrich, pers. Mitt. 12.05.2010). Die Obwohl die Präsenz des Kormorans auf dem Beantwortung der Frage, ob die Ostsee in prä- Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns schon im historischen Zeiten tatsächlich nur von Ph. c. Mesolithikum (älteste Nachweise vom Wohn- carbo oder in ihren südlichen und westlichen platz , 8.500-8.000 Jahre vor Bereichen auch von P. c. sinensis besiedelt war, heute, Schuldt 1961) nachweisbar ist, kann muss weitergehenden Analysen des archäolo- daraus keineswegs auf eine durchgehende Be- gischen Fundmaterials vorbehalten bleiben. siedlung geschlossen werden. Die vielfältigen Historische Textquellen belegen, dass der Kor- Quellen belegen vielmehr eine wechselhafte moran im ausgehenden 18. Jh. im südwest- Besiedlungsgeschichte des südwestlichen Ost- lichen Ostseeraum offenbar kein Brutvogel seeraumes, die in mancherlei Hinsicht noch war, sondern nur als seltener Gast auftrat. In Fragen für weitere Forschungen offen lässt. verschiedenen Quellen finden sich zwar An- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 19 gaben über ein Brüten auf Bornholm, diese tete seit den dreissiger Jahren auf und bei Rügen können jedoch bei genauerer Prüfung nicht sowie auf der Insel Usedom zuweilen in großen als verlässlich angesehen werden (Løppenthin Scharen; auch auf der kleinen Insel bei Put- 1967). Für Schleswig-Holstein vermerkt Boie bus hatte sich eine grosse Anzahl eingefunden, (1819), dass „Carbo cormoranus, die Cormoran- um zu nisten, wurde jedoch durch anhaltendes scharbe ... noch vor wenigen Jahren eine selte- Zerstören der Nester und unausgesetztes Schies- ne Erscheinung (war)“. Für Mecklenburg stellt sen gezwungen, die Ansiedlung aufzugeben. Im Siemssen (1794) fest: „Nistet in Meklenburg Frühjahre 1832 siedelte sich in einem Walde der nicht.“ Gleichzeitig schreibt er jedoch, dass Halbinsel Drigge auf Rügen eine grosse Gesell- der Kormoran „sich zuweilen auch auf der Ost- schaft dieser Scharben an, denen es, trotz aller see findet“, d.h. als nichtbrütender Gastvogel Verfolgung durch Schiessen und Zerstören einer gelegentlich auftrat. Für den vorpommer- Menge Nester – sie bauen diese bekanntlich auf schen Teil unserer Küste publizierte Leonhard die höchsten Bäume des Waldes – gelang, in vie- Christian Otto (1776) mit dem „Verzeich- len Paaren daselbst zu brüten und Junge zu erzie- niß von Vögeln, die im Schwedischen Pom- hen.“ Auch Homeyer (1837) nennt Drigge und mern beobachtet, geschossen und nach dem Vilm als Hauptnistplätze, er bleibt in seinen Linneischen System beschrieben sind“ die zeitlichen Angaben („vor mehreren Jahren“) al- erste umfassende avifaunistische Artenliste, lerdings vage. Die Kolonien auf Rügen hatten in welcher der Kormoran bezeichnenderwei- offenbar keinen langen Bestand, da Homey- se fehlt. Bernhard Christian Otto, Bruder des er bereits 1837 feststellt: „Jetzt durch erlittene vorgenannten Autors, schrieb 1802: Nachstellungen fast ganz von da vertrieben und „Dieser Vogel ist selten in der Ostsee, und von mehr an die Oder und das Haff gezogen.“ mir niemahls daselbst gesehen worden, findet Über eine längere Zeit konnte der Kormo- sich doch bisweilen in Pommern. Er ist aber in ran sich dann auf Usedom und im unteren den südlichen Meeren, und besonders in den Rus- Oderlauf halten. Auch in Mecklenburg ent- sischen Provinzen nicht selten.“ B.C. Otto ist standen Ansiedlungen, u.a. an der Müritz in Niepars bei Stralsund aufgewachsen und und Tollense (Maltzan 1848). Die Verbreitung lehrte von 1772 bis 1788 an der Universität und Geschichte des Kormorans im 19. und in ; es kann davon ausgegangen wer- der ersten Hälfte des 20. Jh. in Mecklenburg den, dass er ein guter Kenner der Vogelwelt und Pommern wurde von Herrmann (2011) der vorpommerschen Küsten war. Auch nach umfassend dargestellt, so dass hier keine Homeyer (1837) trat der Kormoran „früher nur weiteren Ausführungen erforderlich sind. einzeln“ auf, bevor er „vor mehreren Jahren in sehr grosser Menge auf Rügen und in der Umge- Die Limikolen: Rückgang der Artenzahl bung“ erschien. Im späten 18. Jh. und zu Beginn des 19. Jh. Steinwälzer setzte eine rasche Einwanderung von P. c. si- Arenaria interpres L., 1758 nensis in den Ostseeraum und in das Binnen- Im 19. Jh. war der Steinwälzer in Mecklen- land ein. Zunächst erschien der Kormoran um burg auf und ein unregel- 1775 in Dänemark und breitete sich hier rasch mäßiger (?) Brutvogel. Zander (1862) schreibt aus (Faber 1826). Kurz nach der Jahrhundert- über sein Vorkommen: „Auf einigen Inseln der wende folgte ein Vorstoß ins südliche Däne- Ostsee zuweilen nistend. So z.B. brüteten vor ei- mark und nach Schleswig-Holstein: Lolland nigen Jahren mehrere Paare auf dem langen Wer- und Fühnen wurden um 1810 besiedelt (Løp- der bei Poel, sind aber in diesen letzten Jahren penthin 1967; Boie 1919); in Schleswig-Hol- wieder verschwunden.“ Nach Preen (1856b) stein entstand 1812 auf dem Gut Neudorf in brüteten auf dem Langenwerder 8-10 Paare. der Nähe der Stadt Lütjenburg eine Kolonie, Die Sammlung des Maltzaneums Waren be- welche rasch anwuchs, 1816 jedoch zerstört saß nach Kuhk (1939) acht Gelege, die zwi- wurde (Boie 1819; Boie und Ranzau 1820). Die schen 1850 und 1860 auf Poel und Langen- vorpommersche Küste wurde nach Schilling werder gesammelt worden waren. Die aktuelle (1859) in den 1830er Jahren besiedelt: „Die Sammlung des Müritzeums weist aus dieser Cormoranscharbe, C. cormoranus Mey. ... nis- Zeit allerding nur noch zwei Gelege auf, dazu 20 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

Vögel“ von Hornschuch und Schilling (1837) war die Art Brutvogel, zur Häufigkeit (welche allerdings das Auftreten allgemein bewertet und nicht ausschließlich die Brutvorkommen) geben die Autoren „nicht sel- ten“ an. Holland (1871) schreibt: „Auf brütet er gar nicht selten. In Hinterpommern am Strande selbst auf dem Zug selten.“ Für das Ende des 19. Jh. gibt Hocke (1895) für den Gellen (Südspitze Hiddensees) noch 10-12 Paare an. Die Bestandszahlen müssen Foto 1: Der Steinwälzer Arenaria interpres war in Mecklenburg-Vorpommern dann jedoch rasch abge- bis 1918 Brutvogel. Foto: Lutz Ritzel. nommen haben. From- ein weiteres aus dem Jahr 1865 von Poel. Der holz (1913) stellte Mitte Juni 1910 auf dem letzte sichere Brutnachweis stammt aus dem Gänsewerder (einer kleinen Insel im Süden Jahr 1889 (Kuhk 1939), doch beobachteten Hiddensees) drei Paare fest, eines mit gerade Wüstnei und Clodius noch im Jahr 1898 ein schlüpfendem Gelege. Nach Schulz (1947) brutverdächtiges Paar und auch im Sommer brütete der Steinwälzer in den Jahren 1912, 1899 gab es einige Beobachtungen, die auf 1913, 1915, 1916 und 1918 auf dieser Insel mögliche Bruten hinwiesen (Wüstnei und mit 1-4 Paaren. Auch 1914 hielten sich 2-3 Clodius 1900). Somit ist davon auszugehen, Paare auf dem Gänsewerder auf, es gelang aber dass die Brutvorkommen in der Wismarbucht kein Brutnachweis (Lindner 1915). Der Brut- wahrscheinlich um 1900 erloschen sind. nachweis im Jahr 1918 war der letzte an der Im vorpommerschen Raum brütete der Stein- deutschen Ostseeküste. wälzer einst an der Küste Westrügens und auf Einen weiteren Brutplatz neben dem Gänse- Hiddensee. Die Sammlung der Universität werder besaß der Steinwälzer in den letzten Greifswald enthält sechs Schaupräparate von Jahren vor seinem Verschwinden auf der Insel Steinwälzern, die von v.d. Oehe (1823) und Heuwiese. Für das Jahr 1914 teilten der Natur- Wilhelm Schilling (1828, 1847) zur Brutzeit und Heimatschutzbund Hiddensee (1915), auf Hiddensee, und dem Bug gesam- Lindner (1915) sowie Steinmetz (in Heinroth melt wurden (wobei die Ortsangaben Wittow 1915) den Fund einer Eischale mit. Auch 1915 und Bug sich auf den gleichen Brutplatz be- wurde der Steinwälzer auf der Heuwiese fest- ziehen können, da die Gebiete benachbart gestellt (Berg 1916a; Schulz 1947). sind). Interessant ist hierbei insbesondere ein Gegenwärtig brütet der Steinwälzer im Ostsee- Dunenjunges, welches im Juni 1828 von W. raum noch mit 4.500-5.200 Paaren. Die größ- Schilling auf Wittow gesammelt wurde und ten Brutbestände finden sich in Finnland und das Brutvorkommen des Steinwälzers in die- Schweden, aber auch in der St. Petersburger sem Gebiet zweifelsfrei belegt. Region und in Estland ist die Art Brutvogel. In Neben diesen Sammlungsbelegen finden sich der westlichen Ostsee brütet der Steinwälzer auch in der ornithologischen Literatur des 19. mit 35-50 Paaren in Dänemark; der wichtigste Jh. zahlreiche Angaben zum Brutvorkommen Brutplatz ist hier die Insel Læsø im nördlichen des Steinwälzers in Vorpommern: Nach dem Kattegat. Während der dänische Brutbestand „Verzeichnis der in Pommern vorkommenden mindestens seit den 1970er Jahren konstant Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 21 ist, haben die Bestände in den Hauptbrutge- sage bezieht sich offenbar auf den Zeitraum bieten in der zentralen und nördlichen Ostsee 1922 (Gründung der Naturwarte Mönne) bis in jünger Zeit stark abgenommen (HELCOM 1927 (Fertigstellung des Manuskriptes). In 2012). den Brutberichten für die Seevogelfreistätten auf Hiddensee erscheint der Seeregenpfeifer Seeregenpfeifer nach 1910 hingegen nicht mehr als Brutvo- Charadrius alexandrinus L.,1758 gel (Berg 1914, 1916a,b; Lindner 1913a, 1915; Der Seeregenpfeifer war im 19. Jh. in Mecklen- Natur- und Heimatschutzbund Hiddensee burg offenbar ein gelegentlicher, in Vorpom- 1915; Hübner 1918). Lediglich Hübner (1917) mern hingegen ein regelmäßiger, aber nicht erwähnt ihn für 1916 als Brutvogel, aller- häufiger Brutvogel. In seiner „Systematischen dings sind seine Angaben widersprüchlich: Übersicht der Vögel Meklenburgs“ schreibt Zunächst schreibt er: „Von den Raritäten un- Zander (1862) zum Vorkommen des Seere- seres Schutzgebietes [der Südteil Hiddensees, genpfeifers: „Sehr selten hier und da am Ostsee- C.H.] hatte der ... Seeregenpfeifer 2 Nistgelege zu strande von Anfang Mai bis Mitte September. ... verzeichnen.“ An anderer Stelle im gleichen In den Jahren 1850, 55 und 56 hat Hr. Pr.-Lieut. Aufsatz ist hingegen zu lesen: „Der Seeregen- v. Preen ihn auf Poel brütend angetroffen.“ Nach pfeifer wurde mehrfach beobachtet und hat wahr- Preen (1956b) brütete der Seeregenpfeifer scheinlich im Süden der Insel gebrütet.“ Hübner „sehr selten“ auf Poel. Wüstnei und Clodius hatte unter Ornithologen ohnehin den Ruf (1900) erwähnen außerdem einen Brutnach- eines unzuverlässigen Beobachters und Autors weis (Gelegefund) von Schmidt aus dem Jahr (Lindner 1913b). Vor diesem Hintergrund er- 1868, ebenfalls auf den Salzwiesen bei Fähr- scheint es nicht unwahrscheinlich, dass der dorf/Poel. Weiterhin enthielt die Sammlung Seeregenpfeifer auch im Jahr 1916 nicht auf des Maltzaneums in Waren zwei Eier, die am Hiddensee gebrütet hat, es sich bei den beob- 04.06.1868 bei Wustrow auf dem Fischland achteten Tieren vielmehr um Brutvögel der gesammelt worden waren (Wüstnei und Clo- Werderinseln handelte, die sich zeitweise auch dius 1900; Kuhk 1939). Aus der Zeit nach 1868 auf dem Gellen aufgehalten haben. liegen für Mecklenburg keine weiteren siche- Aus der 2. Hälfte des 20. Jh. liegen einige spo- ren Brutnachweise vor (Kuhk 1939). radische Brutnachweise vor: 1975 und 1979 Regelmäßige Brutvorkommen gab es in Vor- gab es jeweils einen Brutversuch auf dem Bes- pommern, vor allem auf Hiddensee und an- sin (Stübs 1987). Im Jahr 2000 wurden auf den grenzenden Gebieten. Hornschuch und Schil- Sandbänken vor den Werderinseln am ling (1837) kannten den Seeregenpfeifer in zwei Paare mit Brutverdacht beobachtet; 2001 Pommern als Brutvogel, „nicht gemein“. Hol- und 2003 wurden zwei bzw. ein Gelege gefun- land (1871) schreibt: „auf Hiddensee nicht sel- den (Eichstädt 2006). ten brütend, vereinzelt sonst am Ostseestrande“. Der Seeregenpfeifer war in der Ostsee einst Auch Kessler (1873) nennt den Seeregenpfei- ein regelmäßiger, offenbar aber nicht häufiger fer als Brutvogel auf Hiddensee. Zum Ende des Brutvogel. Die westliche Ostsee (Dänemark, 19./Beginn des 20. Jh. brütete der Seeregen- schwedische Westküste, deutsche Ostseeküste) pfeifer offenbar noch mehr oder weniger re- bildete den östlichen Arealrand der nordwest- gelmäßig auf den Werderinseln am Bock und europäischen Population. Diese umfasst aktuell gelegentlich wohl auch auf der Südspitze Hid- nicht mehr als 1.300 BP, der Trend ist lang- densees, dem Gellen. Hocke (1895) bezeich- fristig abnehmend. Zeitweise brüteten bzw. net ihn für Hiddensee als seltenen Brutvogel. brüten einzelne Paare auch in der zentralen Behr (1908) erwähnt ihn als Brutvogel der Ostsee auf Öland. Aus dem dänischen Ostsee- Werderinseln. Im Jahr 1912 wurden dort drei gebiet verschwand der Seeregenpfeifer Ende Gelege gefunden (Gottschalk 1913), und auch der 1970er oder Anfang der 1980er Jahre. im Folgejahr wurden in dem Gebiet zur Brut- Auch in Schweden ist er inzwischen nahezu zeit ca. 20 Seeregenpfeifer beobachtet (Gott- verschwunden, in den letzten Jahren brüteten schalk 1914). Robien (1928) schreibt: „Auf lediglich einzelne Paare in Schonen bzw. auf dem Großen Werder fand ich alljährlich ein paar Öland. Die Art ist im Ostseeraum unmittelbar Brutpaare und fand auch die Jungen.“ Diese Aus- vom Aussterben bedroht (HELCOM 2012). 22 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

Alpenstrandläufer penstrandläufers ab der 2. Hälfte des 19. Jh. Calidris alpina schinzii L., 1758 aus zahlreichen Literaturquellen und ab 1970 Die südliche Unterart des Alpenstrandläufers auch durch Brutbestandsdaten der AG Küs- Calidris alpina schinzii brütet auf Island, in tenvogelschutz detailliert beschreiben. Nach Schottland und im Ostseeraum. Einst besie- Zander (1862) brütete der Alpenstrandläu- delte sie auch die belgische, holländische und fer in Mecklenburg „sehr häufig auf Poel und deutsche Nordseeküste, von wo sie, abgesehen anderen Inseln der Ostsee, auch am Schweriner von einzelnen sporadischen Brutnachweisen, See.“ Für das Gebiet Pommerns stellt Holland jedoch verschwunden ist. Lediglich an der (1871) fest: „Auf allen Wiesenflächen mehr oder dänischen Nordseeküste bestehen noch re- weniger häufig.“ Jedoch weisen bereits Wüst- gelmäßige Brutvorkommen. Im 19. und zum nei und Clodius (1900) auf einen Rückgang Beginn des 20. Jh. war der Alpenstrandläu- in der 2. Hälfte des 19. Jh. hin: „An unserer fer im Ostseeraum noch ein häufiger, weit Mecklenburgischen Küste brütet er auf den See- verbreiteter Brutvogel. Allein in Dänemark strandwiesen nicht selten, namentlich auf Poel, brüteten zum Beginn des 20. Jh. schätzungs- dem langen Werder, den Warnemünder Wiesen weise 50.000-100.000 Paare (Thorup 1997). und Fischland. Auch an Landseen brütet er zu- Der gegenwärtige (2007-2011) Brutbestand im weilen, so wurde er von Wüstnei sen. und v. Preen Ostseeraum (einschließlich dänische Nord- [1856] als am Schweriner See brütend aufgeführt seeküste) umfasst hingegen nicht mehr als und zwar auf dem Wickendorfer Moor und der 500-640 BP (Herrmann und Thorup 2011). Insel Goldburg, ferner befindet sich im Museum Ein völliges Verschwinden der Ostseepopula- zu Waren ein Gelege von Rothenmoor am Mal- tion des Alpenstrandläufers ist in naher Zu- chiner See aus der Sammlung von M. v. Maltz- kunft zu befürchten (Thorup et al., in Vorber.). an stammend. Am Schweriner See kommt er zur Für das Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns Zeit nicht mehr als Brutvogel vor, jedoch noch lässt sich der Verlauf des Rückgangs des Al- auf den Lewitzwiesen, wo wir ihn im Frühjahr

Foto 2: Der Alpenstrandläufer Calidris alpina schinzii war einst ein verbreiteter Brutvogel an der Küste und im Binnenland; heute brüten nur noch auf dem einige wenige Paare. Foto: Burkhard Günther. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 23

Abb. 1: Erfasster Brutbestand des Alpenstrandläufers Calidris alpina schinzii 1970-2011 in den Küstenvogelbrutgebieten Mecklenburg-Vorpommerns. In den 1970er Jahren gab es noch verstreute Brutpaare entlang der Salzwiesen der Darß-Zingster Boddenkette, die nur sporadisch kontrolliert wurden. Der tatsächliche Bestand dürfte deshalb zu jener Zeit etwas höher gelegen haben als in der Grafik dargestellt. Fig. 1: Known breeding population of Dunlin Calidris alpina schinzii in Mecklenburg-Western Pomerania 1970- 2011 in the coastal breeding areas. In den 1970s there were a few scattered breeding pairs in the salt meadows of the Darß-Zingst Bodden chain, which were only checked sporadically. The actual population during that time was therefore likely somewhat higher than shown in the graph.

1899 beobachteten. An der Seeküste ist er in nahm zu jener Zeit infolge der 1910 eingelei- den letzten Decennien seltener geworden.“ Kuhk teten Schutzmaßnahmen zu (Lindner 1913a; (1939) führt als weiteren Brutplatz an der Berg 1914; Berg 1916a). Küste den Riedensee bei Kühlungsborn sowie Berg (1916 a,b) fand im Jahr 1915 auf der folgende binnenländische Brutplätze auf: An Heuwiese ca. 25 BP, für den Raum Hiddensee- der Müritz auf der Halbinsel Großer Schwerin Westrügen-Bock (Vitter Wiesen, Heuwiese, und am Ostufer der Müritz, vereinzelt in der Gellen, Werderinseln) schätzte er etwa 150 BP. Lewitz sowie im Gebiet der Großen Friedlän- Nach Fromholz (1913) war der Alpenstrand- der Wiese im damaligen Kreis . Nach läufer zu jener Zeit auch im Norden Usedoms Robien (1928) brütete der Alpenstrandläufer ein allgegenwärtiger, häufiger Vogel. Noch in auch am Putzarer See mit 2-3 Paaren. Der Gro- den 1920er Jahren war er in Pommern „Brut- ße Schwerin war mit bis zu 20 BP offensicht- vogel auf den meisten Hutungen im Küstengebiet lich der bedeutendste Brutplatz im Binnen- und auf den Wiesen der meisten Strandseen“ (Ro- land; er bestand bis 1982 (Nehls 1987). bien 1928). Mit dem Beginn der Betreuung von Küsten- Der schon im 19. Jh. abnehmende Trend der vogelbrutgebieten ab 1909/10 liegen genau- Populationsentwicklung setzte sich im 20. Jh. ere Brutpaarzahlen vor, welche die damals weiter fort. Die Werderinseln am Bock beher- noch gegebene Häufigkeit der Art belegen. bergten im Jahr 1938 nur noch 10 BP (Schoen- Für die Werderinseln am Bock gibt z.B. Gott- nagel 1939), 1942 waren es nur noch zwei schalk (1912) in seinem Brutbericht für das (Schulz 1947). Auch auf Hiddensee hatte der Jahr 1911 75 BP an. In den Vitter Wiesen Bestand zu jener Zeit bereits deutlich abge- brüteten in den Jahren 1912/13 ca. 30 Paa- nommen; Schulz (1947) gibt für den Zeitraum re; der Bestand auf der gesamten Insel Hid- 1931-1938 nur noch 10 BP an. Nach 1950 densee war noch bedeutend größer und schätzte Nehls (1987) den Gesamtbestand des 24 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

Alpenstrandläufers in Mecklenburg-Vorpom- Karrendorfer Wiesen beobachtet, es ist jedoch mern auf 200-250 BP, davon etwa 75 % an unklar, ob es zu einer Brut kam. der Darß-Zingster Boddenkette. Großräumige Die Ursachen für den langfristigen Bestands- Komplexmeliorationen der Salzwiesen an die- rückgang des Alpenstrandläufers nicht nur sen Boddengewässern zum Ende der 1960er/ in Mecklenburg-Vorpommern, sondern im Anfang der 1970er Jahre führten zu einem gesamten Ostseeraum sind nicht vollständig drastischen Lebensraumverlust und beschleu- geklärt. Auffällig ist, dass die Entwicklun- nigten den Rückgang. Um 1970 betrug der gen in räumlich weit auseinanderliegenden Bestand noch ca. 160 BP, ab den 1980er Jahren Gebieten sehr ähnlich verliefen, was darauf waren es nur noch 70-90 BP (Holz 1982; Nehls hinweist, dass großräumig wirkende Fakto- 1987). Auch Brutgebiete, die nicht durch ren eine Rolle spielen. So war z.B. der Bestand Meliorationsmaßnahmen zerstört wurden, im Zeitraum 1970-1990 nicht nur in Meck- wurden vom Alpenstrandläufer aufgegeben. lenburg-Vorpommern annähernd konstant, In der Wismarbucht erloschen die regelmä- sondern auch in Dänemark. Zeitgleich setzte ßigen Brutvorkommen im Jahr 1986, danach Anfang der 1990er Jahre in beiden Ländern gab es nur noch einen Brutnachweis im Jahr ein erneuter rascher Rückgang ein. Auch in 1987 (Pürschel in Müller 1989, ohne genauere Polen und Estland beschleunigte sich die Be- Ortsangabe) sowie zwei brutverdächtige Paare standsabnahme ab Beginn der 1990er Jahre im Jahr 1995 (Rieten bei Fliemstorf und NSG (Herrmann und Thorup 2011). Fauler See-Rustwerder/Poel, Köppen 1997). Habitatverlust – z.B. durch Eindeichung und Aus dem Raum Hiddensee-Westrügen ver- Entwässerung von küstennahen Wiesen oder schwand der Alpenstrandläufer offenbar Mit- Aufgabe der Beweidung – oder auch Verän- te der 1960er Jahre. Auf Hiddensee brütete er derungen der Habitatqualität durch Verände- mindestens bis Anfang der 1950er Jahre. So rungen des hydrologischen Systems und der erwähnt z.B. der Brutbericht für die Fährinsel Bewirtschaftungsweise spielen zweifelsohne für das Jahr 1951 einen Gelegefund in den Vit- eine Rolle. Bemerkenswert ist, dass in den ter Wiesen. Da für die Vitter Wiesen zu jener dänischen Brutgebieten, in denen die Be- Zeit jedoch keine regelmäßigen Brutbestands- wirtschaftung gezielt auf die Lebensrauman- erfassungen durchgeführt wurden, ist das end- sprüche des Alpenstrandläufers ausgerichtet gültige Erlöschen des dortigen Brutbestandes wurde, die Brutbestände in jüngster Zeit stabil nicht mehr genau zu datieren. Bis 1965 brüte- waren oder sogar zugenommen haben (Herr- te der Alpenstrandläufer noch regelmäßig auf mann und Thorup 2011). der Insel , danach gelang nur noch ein- Die Zunahme der Raubsäugerdichte (insbe- mal im Jahr 1969 ein Brutnachweis. Einzelne sondere Fuchs, möglicherweise auch Mink spätere Brutvorkommen im Raum Westrügen- und Marderhund) hat zweifelsohne einen Hiddensee datieren auf die Jahre 1975 (an der negativen Einfluss auf den Reproduktions- Udarser Wieck, M. Schubert in Müller 1977) erfolg (Herrmann und Thorup 2011). Auch und 1994 (ein Paar mit Brutverdacht am Bug/ genetische Effekte (Inzuchtdegeneration) für Dranske, G. Graumann und P. Henke in Mül- kleine, isolierte Restpopulationen werden als ler 1997). Die regelmäßigen Brutvorkommen ein Faktor, der den gegenwärtigen Nieder- am Struck und (Freesendorfer gang beschleunigt, diskutiert (Blomquist et al Wiesen, Großer Wotig) bestanden bis 2003, 2010). Die Rolle klimatischer Faktoren sowie danach gab es nur noch zwei einzelne Brut- von Einflussfaktoren in den Überwinterungs- nachweise in den Jahren 2005 und 2007 in gebieten ist bislang weitgehend unbekannt. den Freesendorfer Wiesen (unveröffentl. Brut- berichte der AG Küstenvogelschutz). Kampfläufer Nach einer Stagnation in den 1980er Jahren Philomachus pugnax L., 1758 setzte sich der negative Bestandstrend im Zeit- Ganz ähnlich wie beim Alpenstrandläufer raum 1990-2005 fort. Der letzte regelmäßig verlief die Entwicklung von Bestand und besetzte Brutplatz in Mecklenburg-Vorpom- Verbreitung des Kampfläufers: Einst ein ver- mern ist die Insel Kirr. Ein revieranzeigendes breiteter, häufiger Vogel der Küsten und des Männchen wurde auch noch bis 2011 in den Binnenlandes ist er heute nicht nur in Meck- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 25

einigen Decennien war er z.B. an der Warnow, in der Schweriner Umgegend z.B. bei Neumühl, Wickendorf, auf dem Ramper Moor, der Insel Goldburg etc. nicht selten, jetzt ist er jedoch an den meisten Stellen ver- schwunden, aber in den letzten Jahren in der Le- witz noch sehr häufig. Der Grund für diese Abnahme ist schwer erklärlich, da er durch die Kibitzeiersuche nicht mit betroffen wird, denn Ende Mai, wenn er Eier hat, ist diese bereits vorüber.“ Foto 3: Auch der KampfläuferPhilomachus pugnax ist in Mecklenburg- In den 1930er Jahren war Vorpommern als Brutvogel nahezu verschwunden. In jüngerer Zeit gelangen der Kampfläufer bereits nur noch auf dem Kirr sowie auf renaturierten Flächen des - und vom Fischland und den Peenetals einzelne Brutnachweise. Foto: Hans Glader. Warnemünder Wiesen verschwunden, ebenso lenburg-Vorpommern, sondern im gesamten von binnenländischen Brutplätzen wie dem südlichen Ostseeraum nahezu verschwunden. Warnowtal bei Bützow oder dem Elbegebiet Nach Siemssen (1794) war der Kampfläufer bei Dömitz und Boizenburg. Die bekann- „häufig an der Ostsee, und in allen morastigen ten Brutplätze in Mecklenburg waren: Insel Gegenden Mecklenburgs“. Preen (1856a) lis- Poel, insbesondere die Malchower Wiesen tet ihn als Brutvogel in der Umgebung von (8-10 „Paare“), Lewitz (ca. 20 „Paare“), Gro- Schwerin auf, und zwar „Auf der Goldburg und ße Friedländer Wiese (etwa 10 „Paare“, Ende anderen Inseln im See, auch auf den Mooren.“ der 1930er Jahre vielleicht schon verwaist), Zur Verbreitung in Mecklenburg in der Mitte die Halbinsel Großer Schwerin bei Röbel (mit des 19. Jh. schreibt Zander (1862): „Auf klei- stark schwankenden Beständen) und der nen Werdern in Landseen, auf großen Mooren Dambecker See bei Zickhusen (Kuhk 1939). und feuchten Wiesen in der Nähe der Flüsse und Der Autor sah bereits damals die Gefahr des Seen, und besonders des Meeres nicht selten. Auf Aussterbens und forderte den Erhalt der letz- Fischland, Poel und anderen Ostseeinseln sehr ten Plätze, die als Lebensraum für den Kampf- zahlreich.“ Für Pommern gibt Holland (1871) läufer geeignet waren. folgende Information: „Auf weiten Wiesenflä- Etwas günstiger sah die Situation zunächst chen, so wie auf den kleinen Strandinseln häufig.“ noch in Vorpommern aus, insbesondere auf Im ausgehenden 19. Jh. nahm der Kampfläu- Hiddensee, Westrügen und den Werderin- fer zumindest im Binnenland offenbar bereits seln am Bock. In den Jahren 1912 und 1913 ab. Wüstnei und Clodius (1900) beschreiben wurden auf Hiddensee 16 bzw. 24 Gelege ge- die Brutverbreitung zu jener Zeit in Mecklen- funden; der Brutbestand nahm infolge der burg wie folgt: „Grosse Sumpfflächen und Moo- Schutzmaßnahmen zu jener Zeit zu (Lindner re, ähnlich wie sie der Kibitz liebt, wählt auch 1913a; Berg 1914, 1916a). Für das Jahr 1914 er und zieht besonders die am Seestrande gelege- gibt der Natur- und Heimatschutzbund Hid- nen vor, so ist er zur Zeit noch in dem südlichen densee (1915) für die Heuwiese einen Bestand Theile von Poel, namentlich auf den Malchower von 20-30 „Paaren“ an; Berg (1916a) für 1915 Wiesen nicht selten, desgleichen auf den Warne- 25-30 „Paare“. Der Brutbestand des Kampf- münder Wiesen und auf Fischland. Im Binnen- läufers auf den Werderinseln am Bock wird lande scheint er sehr abgenommen zu haben, vor von Gottschalk (1912; 1914) für das Jahr 1911 26 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

Abb. 2: Bestandsentwicklung des KampfläufersPhilomachus pugnax in Mecklenburg-Vorpommern 1970-2011. Fig. 2: Population development of Ruff Philomachus pugnax in Mecklenburg-Western Pomerania 1970-2011. mit 200, für das Jahr 1913 mit „kaum noch den Michaelsdorfer Wiesen (ca. 25 „BP“), hundert“ „Paaren“ angegeben. Der Gesamt- den Fischlandwiesen (ca. 25 „BP“) und der bestand auf den Vitter Wiesen, der Heuwie- Gillwiese bei Pruchten (bis 10 „BP“) einige se und den Werderinseln am Bock um 1915 bedeutende Brutplätze. Seit 1970 liegen aus wurde von Berg (1916b) auf etwa 200 „Paare“ den alljährlichen Brutbestandserfassungen in geschätzt. den Küstenvogelbrutgebieten durchgehende Aber auch in Vorpommern war der Rückgang Bestandsdaten vor (Abb. 2). Die Küste beher- bereits unverkennbar. So schreibt Robien bergte in diesem Zeitraum fast den gesamten (1928): „Der Bestand der Burrhähne ist erschreck- Brutbestand, im Binnenland gelangen nur in lich zurückgegangen.“ Als Brutplätze für das vor- wenigen Jahren einzelne Brutnachweise. pommersche Gebiet nennt er: Rügen, die Wer- Die Erfassung brütender Weibchen ist schwie- derinseln am Bock, den Putzarer See und das rig; die Daten stellen zumeist nur Schätzwerte Peenegebiet. Im Vergleich zu den Anfangsjah- aufgrund der Anwesenheit brutverdächtiger ren der Schutzgebiete war der Brutbestand des Vögel dar und können mit Fehlern behaftet Kampfläufers auf den Werderinseln und auf sein. Ungeachtet dessen besteht an den Trend- Hiddensee bereits in den 1930er Jahren dra- aussagen kein Zweifel. matisch eingebrochen: Auf den Werderinseln Das wichtigste Brutgebiet des Kampfläufers brüteten 1938 nur noch 5, 1942 7 „Paare“; auf war im Zeitraum 1970-2002 die Darß-Zingster Hiddensee (ohne Fährinsel und Bessin) waren Boddenkette mit den Inseln Kirr und Barther es im Zeitraum 1931-1938 noch 10 „Paare“ Oie. Einzelne Bruten gab es auch noch im Be- (Schulz 1947). Für die 1960er Jahre gibt Nehls reich der Westrügenschen Bodden (Heuwiese, (1987) für Mecklenburg-Vorpommern noch und Mährens, bis 1977), in der Wis- einen Gesamtbestand von 100-150 „Paaren“ marbucht (bis 1983), auf den Salzgrasländern an. Infolge von Maßnahmen der Komplex- des Greifswalder Boddens (Kooser Wiesen, melioration erloschen jedoch um 1970 mit Halbinsel Struck und Freesendorfer Wiesen, Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 27 bis 1994) sowie im Oderhaff und Peenestrom anderen europäischen Brutgebieten besteht (Großer Wotig, , bis 1999). offenbar in einer großräumigen Verlagerung Nach 2002 hat der Kampfläufer in den Küs- des Brutareals der Art nach Osten (Rakhimber- tenvogelbrutgebieten nur noch auf der Insel diev et al. 2011). Diese Verlagerung wird von Kirr gebrütet. Allerdings brüten offenbar ein- den zitierten Autoren auf eine Verschlechte- zelne Weibchen auch in den ausgedehnten rung der Habitatqualität in den holländischen Renaturierungsgebieten der Flusstalmoore Rastgebieten und eine dadurch bewirkte Ver- von Trebel und . So gelang in den Jah- schiebung der Zugwege nach Osten zurückge- ren 2005 und 2009 die Beobachtung je eines führt. Die Rastbestände in den Niederlanden jungeführenden Weibchens im Polder Rodde haben in den letzten beiden Jahrzehnten stark (Trebeltal, C. Rohde in Müller 2009) bzw. im abgenommen, sind in den weißrussischen Polder Kamp (Peenetal, D. Sellin). Rastgebieten jedoch gleichzeitig angestiegen. Der langanhaltende, in jüngerer Zeit stark be- Ob allerdings Veränderungen in der Habitat- schleunigte Bestandsrückgang des Kampfläu- qualität der holländischen Rastgebiete den seit fers betrifft nicht nur Mecklenburg-Vorpom- mehr als 100 Jahren andauernden Rückgang mern, sondern den gesamten europäischen der Art allein erklären können, sei dahinge- Brutbestand, wobei die Abnahmen in den stellt. Unabhängig davon zeigt das Beispiel des westlichen und südlichen Brutgebieten (Nord- Kampfläufers, dass die Populationsdynamik und Ostsee) besonders dramatisch sind. Der von Arten mitunter nicht allein mittels regio- Brutbestand in der Ostsee südlich des 60. Brei- naler Analysen erklärbar ist, sondern globale tengrades beträgt nach jüngsten Schätzungen Betrachtungen erfordert. nur noch 225-410 brütende Weibchen. Aber auch in den nordeuropäischen Kerngebieten Seeschwalben der Verbreitung (Norwegen, schwedische und finnische Tundra, europäisches Russland) neh- Ausgestorben im 19. Jahrhundert: men die Bestände stark ab (HELCOM 2012). Die Lachseeschwalbe Zeitgleich mit dem Rückgang der europäischen Gelochelidon nilotica Gmelin, 1789 Brutbestände ist eine Zunahme der Art in West- Ob es sich bei der von Otto (1776) beschrie- sibirien zu beobachten. Die Ursache für den benen „Stubberschen kleineren Kirke“, die zu Rückzug des Kampfläufers aus der Ostsee und jener Zeit im Greifswalder Bodden auf dem

Foto 4: Die Lachseeschwalbe Gelochelidon nilotica war einst Brutvogel in Mecklenburg-Vorpommern. Inzwischen sind die Brutvorkommen in der gesamten Ostsee erloschen. Foto: Martin Grimm. 28 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

Großen Stubber brütete, um die Lachsee- tatsächlich, wie Homeyer (1837) schreibt, schwalbe handelte oder aber um die Brand- einst ein alljährlicher oder, wie Brehm und seeschwalbe, lässt sich heute nicht mehr Schilling (1822) vermuten, lediglich ein spo- zweifelsfrei klären (s. unten). Nach den in der radischer Brutvogel war, muss ungeklärt blei- ornithologischen Literatur der ersten Hälfte ben, da aus der Zeit vor den Bereisungen und des 19. Jh. verfügbaren Informationen gibt es Sammlungen Wilhelm Schillings, also vor jedoch keinen Zweifel, dass sich das Areal der 1818, keinerlei Informationen vorliegen. Lachseeschwalbe zu jener Zeit in der Ostsee Nach ihrem Verschwinden von der deutschen zumindest zeitweise bis in die Boddengewässer Ostseeküste brütete die Lachseeschwalbe in um Rügen erstreckte. Der erste sichere Beleg der Ostsee noch in Dänemark. Der letzte für das Vorkommen der Lachseeschwalbe Brutnachweis erfolgte hier im Jahr 1982 auf an der vorpommerschen Ostseeküste geht der Insel Læsø. Danach wurden zwar noch auf Wilhelm Schilling zurück, welcher am vereinzelt brutverdächtige Paare beobachtet, 16.05.1818 bei Rügen eine durchziehende ein Brutnachweis gelang aber nicht mehr. In Gruppe beobachtete und dabei ein Exemp- der HELCOM „Roten Liste der Brutvögel der lar erlegte. Im Juni 1819 traf Schilling auf der Ostsee“ (HELCOM 2012) wurde die Lachsee- Insel Liebes bei drei Paare an, die schwalbe folglich als „regional ausgestorben“ er erlegte. Auch 1820 brüteten drei Paare auf klassifiziert. der Insel Liebes, denen kein besseres Schicksal Der Rückzug der Lachseeschwalbe aus dem Ost- beschieden war. Im Sommer 1821 wurden auf seeraum steht im Zusammenhang mit einem Rügen keine Lachseeschwalben festgestellt, langfristigen Rückgang der „cimbrischen“ Po- 1823 und 1827 jedoch wieder mehrere erlegt pulation. Diese umfasste in der ersten Hälfte (Brehm 1822; Brehm und Schilling 1822; Kos- des 20. Jh. noch bis zu 500 BP, die damals ke 1919). fast ausschließlich auf Jütland/Dänemark Brehm und Schilling (1822) charakterisierten brüteten. Ab den 1970er Jahren verlagerte das Vorkommen der Lachseeschwalbe an der sich das Hauptvorkommen von zu jener Zeit deutschen Ostseeküste wie folgt: „Sie ist auf nur noch 50-70 Paaren in das Schleswig- den Inseln der Ostsee also ein zigeunerartiger Vo- Holsteinische Wattenmeer. Der Brutbestand gel, welcher nur zuweilen und wie wir bemerkt nahm in den vergangenen 30 Jahren weiter haben, in warmen, trockenen Sommern dort brü- ab; 2010 und 2011 brüteten hier nur noch tet, in kalten und nassen einen günstigeren Him- 42 Paare. An der dänischen Nordseeküste melsstrich sucht und immer sehr selten bleibt.“ brütete die Art zuletzt unregelmäßig mit 1-2 Homeyer (1837) schreibt zur Lachseeschwalbe BP (Mauscherning et al. 2011; Dierschke et al. „Früher alljährlich auf mehreren kleinen Ostsee- 2012; HELCOM 2012). inseln nistend, jetzt durch erlittene Nachstellun- gen nur noch sehr einzeln als Strichvogel. Mai bis Einwanderung in die Ostsee im 20. Jahr- August.“ Und 1841 ergänzt er: „Nistete 1839 hundert: Die Brandseeschwalbe auf der kleinen Insel Lips [Liebes] zwischen Um- Sterna sandvicensis Latham, 1787 manz und Rügen; das Nest wurde jedoch zerstört In Hübner (1908) findet sich zur Brandsee- und ein alter Vogel geschossen. Im Jahr 1841 wur- schwalbe der Satz: „Nach O[tto] 1777 auf der den mehrere an der Küste von Rügen gesehen und Stubber-Sandbank vorkommend,...Otto nennt sie erlegt, ohne dass sie daselbst nisteten.“ Danach Stubbersche kleinere Kirke.“ In der „Vogelwelt gab es in Mecklenburg-Vorpommern nur Mecklenburgs“ trifft Nehls (1977) die gleich- noch einen einzigen weiteren Brutnachweis, lautende Aussage: „Den ältesten Nachweis einer und zwar im Jahr 1880 auf dem Gänsewerder Brutkolonie (Stubber im Greifswalder Bodden) gibt an der Südspitze Hiddensees, doch auch die- Otto (1777);“. Ein Blick in die Originalquel- ses Nest wurde zerstört (nach Angaben von le lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob es Tancré, Koske 1919). sich bei den von Otto (1776; die Jahresangabe Die südwestliche Ostsee gehörte einst zum 1777 ist fehlerhaft) erwähnten Seeschwalben Areal der nordwesteuropäischen („cimbri- tatsächlich um die Brandseeschwalbe handel- schen“) Population. Ob die Lachseeschwal- te. Otto beschreibt die auf dem Stubber brü- be an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns tenden Seeschwalben wie folgt: „Kirken. Ster- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 29

Foto 5: Die Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis wanderte erst im Laufe des 20. Jh. in die Ostsee ein und gehört seit 1957 zur Brutvogelwelt der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns. Foto: Jürgen Reich. na L. ... Stubbersche kleinere. Weiß. Rücken und heute nicht mehr möglich. Die von Hübner Flügeldecken blaulicht; Huth, Schnabel und Füße (1908) bzw. Nehls (1977) abgeleitete Aussage schwarz. Männchen und Weibchen nicht unter- eines Brutvorkommens der Brandseeschwal- schieden. K. 1 (Raubseeschwalbe, C.H.) und 2 be auf dem Stubber ist jedoch in jedem Fall sind von einer Insel in der Ostsee, dem Stubber, kritisch zu hinterfragen. Sporadische Brutvor- woselbst sie nisten, und nicht ins Land kommen.“ kommen an der deutschen Ostseeküste sind Diese Beschreibung würde auch auf die Lach- in der ornithologischen Literatur für die erste seeschwalbe zutreffen, die zu jener Zeit ver- Hälfte des 19. Jh. für Schleswig-Holstein be- mutlich Brutvogel in den Boddengewässern legt, wo die Brandseeschwalbe 1819 und 1824 um Rügen war (s. oben). Bemerkenswert ist auf der Möweninsel Schleswig und um 1820 auch, dass Otto die für die Brandseeschwalbe auf der Lotseninsel Oehe-Schleimünde brü- charakteristische gelbe Schnabelspitze nicht tete (Nehls 1982; Benicken 1824). Die dau- erwähnt. erhafte Besiedlung des Ostseeraumes begann Dies und die Tatsache, dass es in der ornitho- jedoch erst zum Beginn des 20. Jh. logischen Literatur des 18. und 19. Jh. keinen Die Art erschien im Jahr 1911 als Brutvogel einzigen weiteren Hinweis auf ein Brutvor- in der schwedischen Provinz Schonen und kommen der Brandseeschwalbe an der Küste brütete von 1919 bis 1921 erneut auf Oehe- Mecklenburg-Vorpommerns gibt, lässt erheb- Schleimünde. In den 1930er Jahren wander- liche Zweifel aufkommen, dass es sich bei der te sie in die zentrale Ostsee ein, wo sie auf von Otto erwähnten „Stubberschen kleineren Öland und Gotland sowie zeitweise auch an Kirke“ tatsächlich um die Brandseeschwalbe der Weichselmündung brütete (Herrmann et gehandelt hat. Eine sichere Klärung, ob der al. 2008). Ab den 1950er Jahren entstanden an Stubber im ausgehenden 18. Jh. Brutplatz der südwestlichen Ostseeküste größere Brut- der Brand- oder der Lachseeschwalbe war, ist kolonien: Um 1950 auf dem Rødsand (Dä- 30 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

Abb. 3: Brutbestandsentwicklung der Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis im Ostseeraum 1994-2011. Zu den dargestellten Brutpaarzahlen ist der estnische Bestand, welcher auf 600-900 BP geschätzt wird, hinzuzurechnen (nach Herrmann et al. 2012). Fig. 3: Breeding population of Sandwich Tern Sterna sandvicensis in the area 1994-2011. The breeding pair numbers shown above should be augmented with the Estonian population, estimated 600-900 breeding pairs (according to Herrmann et al. 2012). nemark; Salomonsen 1963) und schließlich Ende der 1970er Jahre ist der Brutbestand in im Jahr 1957 auf der Insel Heuwiese westlich der Ostsee mit gewissen Schwankungen, die von Rügen (Dost 1958). Seit jenem Jahr ist die vermutlich auch auf den Wechsel von Brut- Brandseeschwalbe an der Küste Mecklenburg- paaren zwischen der dänischen Nord- und Vorpommerns ein ständiger Brutvogel. Die Ostseeküste zurückzuführen sind, im Bereich größten und langlebigsten Kolonien bestan- 2.000-3.500 BP annähernd konstant (Herr- den auf der Heuwiese, dem und dem mann et al. 2008, 2012). Langenwerder. Gegenwärtig beherbergt der Wie Ringfunde zweifelsfrei belegen, erfolg- Kirr die größte Ansiedlung, aber auch auf dem te die Besiedlung des Ostseeraumes von der Langenwerder brüten einige Paare (Herrmann Nordsee aus (Nehls 1969; Stienen 2006; un- et al. 2008; unveröffentl. Brutberichte der AG veröffentl. Beringungsdaten der Beringungs- Küstenvogelschutz M-V). zentrale Hiddensee). Zuwanderungen aus dem Die Ausbreitung der Brandseeschwalbe im Schwarzen Meer sind zwar ebenfalls nachge- Ostseeraum setzte sich in den 1960er Jahren wiesen (Møller 1981; Nehls 1982; Schmidt mit der Besiedlung Estlands im Jahr 1962 fort. und Dost 1988), dabei dürfte es sich jedoch 1975 wurde im Stockholmer Archipelago die eher um Ausnahmen handeln. Bemerkens- bislang nördlichste Ansiedlung festgestellt. In wert ist, dass die Einwanderung in den Ost- der Danziger Bucht, wo die Brandseeschwal- seeraum in den 1950/60er Jahren zu einem be nach 1936 nicht mehr gebrütet hatte, er- Zeitpunkt erfolgte, als die Brandseeschwalbe schien sie von 1977 bis 1991 und dann wieder in ihrem Kerngebiet in der Nordsee ein ab- ab 2006 (Herrmann et al. 2008; 2012). Seit solutes Bestandstief hatte. Infolge der Pesti- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 31 zidbelastung der Nordsee durch eine Chemie- auftrat. fabrik in Rotterdam brach der Brutbestand Um die Jahrhundertwende begann die Silber- in den Niederlanden von 32.000 BP im Jahr möwe, sporadisch in einzelnen Paaren an un- 1957 auf nur noch 865 im Jahr 1965 ein. Die serer Küste zu brüten; ab Beginn des 20. Jh. dänische Brutpopulation nahm von 10.000 war sie ein zwar seltener, aber regelmäßiger BP in den 1940er Jahren auf 2.500 BP im Jahr Brutvogel. Nach Clodius (1899) unternahm 1965 ab. Und auch an der deutschen Nord- sie im Jahr 1896 einen Brutversuch auf dem seeküste schwankte der Bestand auf relativ Langenwerder. Robien (1928) erwähnt einen niedrigem Niveau (Garthe und Flore 2007). Brutnachweis auf den Werderinseln am Bock Das Beispiel der Brandseeschwalbe zeigt, dass im Jahr 1898 sowie auf dem im Jahr Arealexpansionen von Arten nicht unbedingt 1903. Auch Behr (1907) nennt die Silbermö- daran gebunden sind, dass im Kerngebiet der we als Brutvogel der Werderinseln, hat dabei Verbreitung besonders günstige Bedingungen aber offensichtlich Gelege der Sturmmöwe für herrschen, die zu einem Überschuss an Indivi- Silbermöwengelege gehalten, wie aus den von duen führen, welche sich auf der Suche nach ihm angegebenen Längenmaßen der Eier er- Lebensräumen und Reproduktionsplätzen sichtlich wird. neue Gebiete erschließen. Arealerweiterungen Auf dem Langenwerder brütete die Silbermö- können auch als Reaktion auf eine drastische we ab 1901 mit 1-2, in den 1920er Jahren mit Verschlechterung der Lebensraumbedingun- 2-3 Paaren (Wachs 1943, Brenning 1964). In gen im Kerngebiet der Verbreitung auftreten. Vorpommern beobachtete Robien 1925 auf den Werderinseln am Bock und 1927 auf dem Die Möwen: Neue Arten an den Küsten Beuchel brutverdächtige Paare (Robien 1928). Mecklenburg-Vorpommerns Auf Hiddensee brütete die Silbermöwe ab den 1930er Jahren in einzelnen Paaren. Schoen- Für keine andere Artengruppe sind an un- nagel (1939) stellte 1938 auf der Fährinsel ein serer Küste so viele neue Brutvogelarten zu Brutpaar fest, 1943 brüteten dort drei (Schulz verzeichnen wie für die Möwen. Vier Arten 1947). Ein weiteres Brutpaar hatte sich in den – Silber-, Mantel-, Herings- und Schwarzkopf- 1930er Jahren im Südteil Hiddensees angesie- möwe - etablierten sich im Laufe des 20. Jh. als delt (Schulz 1947). regelmäßige Brutvögel. Für die Zwergmöwe Auch an der schleswig-holsteinischen Ost- Hydrocoloeus minutus gelang 1987 auf der Insel seeküste erschien die Silbermöwe erst in den Kirr der erste Brutnachweis in Mecklenburg- 1930er Jahren als Brutvogel. Auf Oehe-Schlei- Vorpommern, jedoch konnte sich diese Art münde brütete sie erstmalig im Jahre 1930, bislang nicht als Brutvogel etablieren. Auf 1936 hatte sich der Bestand auf 21 BP erhöht. dem Kirr brütete sie 1996 letztmalig, danach Auf dem Graswarder bei Heiligenhafen brü- gab es lediglich im Jahr 2005 einen Brutnach- tete sie erstmalig im Jahr 1938, Anfang der weis aus dem Binnenland (Polder Rodde, C. 1940er Jahre auch auf den Wardern bei Lem- Rohde in Müller 2009). kenhafen im Südwesten der Insel (Schulz 1947). Silbermöwe Ab Mitte der 1930er Jahre nahm der Bestand Larus argentatus Pont., 1763 auf dem Langenwerder rasch zu: 1936 brü- Im 19. Jh. war die Silbermöwe an der Ostsee- teten hier bereits etwa 10, 1938 22, 1942 28 küste als regelmäßiger Gastvogel (besonders und nach 1945 75-100 Paare (Wachs 1943, im Winter) bekannt (Homeyer 1837; Holland Brenning 1964). Ab Beginn der 1960er Jah- 1871; Wüstnei und Clodius 1900). Kessler re beschleunigte sich der Bestandsanstieg an (1873) führt zwar die Silbermöwe unter den der Küste Mecklenburg-Vorpommerns, es ent- von ihm auf Hiddensee nistend beobachteten standen zahlreiche neue Kolonien (u.a. Wal- Vögel mit auf, jedoch muss die Verlässlich- fisch, Heuwiese, Beuchel, ). keit dieser Angabe bezweifelt werden. Seine 1969 brüteten in Mecklenburg-Vorpommern Aufzählung enthält z.B. auch den Sanderling, schon mehr als 1.200 Paare, davon ca. 830 welcher auf Hiddensee auch zu jener Zeit nur auf der Heuwiese und 325 auf dem . als Durchzügler, nicht jedoch als Brutvogel Schon 1962 wurden erste Maßnahmen zur 32 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

Abb. 4: Brutbestandsentwicklung der Mantelmöwe Larus marinus in Mecklenburg-Vorpommern seit dem ersten Brutnachweis im Jahr 1984. Fig. 4: Breeding population of Great Black-backed Gull Larus marinus in Mecklenburg-Western Pomerania since the first breeding record in 1984. Dezimierung des Silbermöwenbestandes ein- geleitet und ab 1969 intensiviert. Im Jahr 1974 wurde durch die Zentralstelle für den Seevogelschutz an der Vogelwarte Hiddensee und die Kommission Seevogelschutz für die Küstenvogelschutzgebiete ein „Zielbestand Null“ festgelegt, d.h. die Silbermöwe sollte in diesen Gebieten als Brutvogel nicht geduldet werden (Herrmann 2009). Dieses Ziel wurde zwar nicht erreicht, der Brutbestand der Sil- bermöwe lag jedoch in den meisten Jahren unter 1.000 BP. Mit der Einstellung der Be- kämpfungsmaßnahmen ab 1992 nahm der Bestand zu. Er liegt heute in den Küstenko- lonien bei 2.600-2.900 BP; hinzu kommen Brutpaare auf Dächern, überwiegend in küs- tennahen Städten (Rostock, , Greifswald, , , Schwerin), aber auch auf dem ehemaligen AKW Lubmin, so dass von einem aktuellen Gesamtbestand von 3.000- 3.500 BP auszugehen ist. Foto 6: Die Mantelmöwe Larus marinus brütete erstmalig 1984 auf der Insel und ist seit 1993 Mantelmöwe regelmäßiger Brutvogel an unserer Küste. Foto: Larus marinus L., 1758 Jürgen Reich. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 33

Die Mantelmöwe brütete an der Küste Meck- und auf der benachbarten Insel Ruden war die lenburg-Vorpommerns erstmalig im Jahr Heringsmöwe von 1974-1987 wahrscheinlich 1984 auf der Insel Ruden sowie 1985 auf dem ein alljährlicher Brutvogel. Beide Inseln wa- Ruden und der Heuwiese. Seit 1993 ist sie ein ren zu jener Zeit jedoch militärisches Sperrge- alljährlicher Brutvogel in unseren Küstenvo- biet, so dass ornithologische Erfassungen nur gelkolonien, insbesondere auf der Heuwiese, eingeschränkt möglich waren. In den Jahren dem Pagenwerder und der Barther Oie. In ein- 1978, 1980 und 1981 erfolgten keine Kontrol- zelnen Jahren brütete sie auch auf der Insel len während der Brutzeit, vermutlich hat die Beuchel, dem Bessin sowie auf den Inseln Kirr Heringsmöwe jedoch auch in jenen Jahren und Langenwerder. 2011 und 2012 war sie gebrütet (Nehls 1988; Abb. 5). Von 1987 bis mit ein bzw. zwei Paaren Brutvogel auf dem 1990 brütete die Heringsmöwe mit jeweils Walfisch. Der Brutbestand lag in den letzten einem Paar auf den Werderinseln Riems, Jahren konstant bei 10-13 BP (unveröffentl. 1993-1997 mit ein bis zwei Paaren auf der Brutberichte der AG Küstenvogelschutz). Heuwiese, seit 2003 ist sie Brutvogel auf dem Die Besiedlung der Ostseeküste Schleswig- Pagenwerder im Rostocker Breitling und seit Holsteins erfolgte zeitgleich. 1987 brütete 2009 auf der Barther Oie. erstmals ein Paar Mantelmöwen auf Oehe- Die Brutvorkommen werden der Nominat- Schleimünde, seit 1992 ist die Art mit bis zu form L. f. fuscus zugerechnet (Nehls 1988), 10 BP regelmäßiger Brutvogel (Berndt et al. eine sichere Bestimmung der Unterart er- 2002; Kieckbusch pers. Mitt.). folgte jedoch bislang nicht, so dass eine Zugehörigkeit zu L. f. intermedius nicht aus- Heringsmöwe geschlossen werden kann (Nehls 2006). Der Larus fuscus L., 1758 nächstgelegene Brutplatz der Nominatform Der erste Brutnachweis der Heringsmöwe in ist die Insel Bornholm, insbesondere die vor- Mecklenburg-Vorpommern gelang im Jahr gelagerte Insel Græsholm (Ertholmene), auf 1943 auf der Insel Langenwerder. Die Brut welcher in den 1940er Jahren noch bis zu war jedoch nicht erfolgreich. 1944 besetz- 1.200 Paare brüteten. Gegenwärtig siedeln te das Paar erneut sein Revier, jedoch gab es dort nur noch einzelne Paare (HELCOM wieder keinen Bruterfolg (Wachs 1943, 1949). 2012). An der schleswig-holsteinischen Ost- Der nächste Brutnachweis gelang erst im Jahr seeküste brütete die Heringsmöwe erstmals 1974 auf der . Auf dieser Insel 2001 auf der Möweninsel Schleswig (Berndt et al. 2002) und nahm dann innerhalb weniger Jahre deutlich zu. Heute brütet sie insbesondere auf Dächern (Kubetzki und Garthe 2010). Die Brutvögel in Schleswig- Holstein sind der Unter- art L. f. intermedius zuzu- ordnen. Während die Unterart L. f. intermedius in Zunah- me und Ausdehnung begriffen ist, ist der Be- stand der in der zentra- len und nordöstlichen Ostsee siedelnden No- minatform L. f. fuscus mindestens seit der Mit- Foto 7: Die Heringsmöwe Larus fuscus brütete erstmalig 1943 auf der Insel Langenwerder. Seit 1974 tritt sie regelmäßig in unseren Küstenvogelkolonien te des 20. Jh. rückläufig. mit wenigen Paaren als Brutvogel auf. Foto: Andrei Frenkel. In Finnland nahm der 34 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

Abb. 5: Brutbestand der Heringsmöwe Larus fuscus in Mecklenburg-Vorpommern 1974-2011. Im Zeitraum 1974-1987 brütete die Heringsmöwe auf den Inseln Greifswalder Oie und Ruden, die als militärisches Sperr- gebiet für ornithologische Bestandserfassungen nur eingeschränkt betreten werden konnten. Die Brutpaar- zahlen zu jener Zeit schließen auch Paare ein, die sich in der Kolonie aufgehalten haben, zum Zeitpunkt der Kontrolle aber kein Gelege besaßen. Fig. 5: Breeding population of Lesser Black-backed Gull Larus fuscus in Mecklenburg-Western Pomerania 1974-2011. From 1974 to 1987 the Lesser Black-backed Gull bred on the islands Greifswalder Oie and Ruden, which were restricted military zones with limited access for ornithological surveys. The numbers of breeding pairs during this period include pairs that were present in the colonies but did not have active nests during the survey.

Bestand von ca. 20.000 BP in den 1960er Jah- Auch 1936 und 1940 wurden einzelne ren auf gegenwärtig nur noch 7.000 BP ab. Schwarzkopfmöwen auf dem Langenwerder Ein vergleichbarer Rückgang von 17.000 BP beobachtet. 1951 gelang dann der erste Brut- auf gegenwärtig 7.000-13.000 BP ist auch in nachweis. Die Schwarzkopfmöwe war aller- Schweden zu verzeichnen. In der Roten Lis- dings offensichtlich mit einer Sturmmöwe te der Brutvögel der Ostsee (HELCOM 2012) verpaart; das Gelege ging durch Hochwasser wird die Nominatform der Heringsmöwe als verloren. 1953 brütete ein Schwarzkopfmö- „vulnerable“ (gefährdet) eingestuft. wenpaar, 1958 ein Schwarzkopfmöwenmänn- chen mit einem Sturmmöwenweibchen. Alle Schwarzkopfmöwe Brutversuche blieben erfolglos (Brenning Larus melanocephalus Temm., 1820 1964). Ebenfalls im Jahr 1958 zeitigte eine Die ersten Schwarzkopfmöwen an der Küste weibliche Schwarzkopfmöwe auf der Fähr- Mecklenburg-Vorpommerns traten in den insel ein Gelege, welches aber auch verloren 1930er Jahren auf dem Langenwerder auf. In ging. 1961 brütete ein Paar Schwarzkopfmö- der Brutzeit (Mai/Juni) des Jahres 1934 wur- wen, offenbar erfolglos, auf der Barther Oie. de ein adultes Exemplar beobachtet, 1935 Dier erste erfolgreiche Brut wurde 1963 auf erschien erneut ein Vogel auf Langenwerder; dem Reffbrink/Riems festgestellt; im gleichen dieser wurde jedoch für die Sammlungen des Jahr gelangte ein Gelege auf der Barther Oie Zoologischen Instituts der Universität Ros- zumindest bis zum Schlupf (Dost 1965). tock erlegt (Wachs 1949). Seit den 1960er Jahren ist die Schwarzkopf- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 35

Abb. 6: Bestandsentwicklung der Schwarzkopfmöwe Larus melanocephalus an der Ostseeküste Mecklenburg- Vorpommerns 1951-2011. Fig. 6: Population development of Mediterranean Gull Larus melanocephalus on the Baltic Sea coast of Mecklenburg-Western Pomerania 1951-2011. möwe in den Küstenvogelkolonien Mecklen- im Binnenland. In Estland gab es lediglich in burg-Vorpommerns ein regelmäßiger, wenn den Jahren 1962 und 1967 Brutnachweise. In auch nicht häufiger Brutvogel. U.a. brütete Schweden wurden ab Mitte der 1990er Jah- sie auf Langenwerder und Walfisch, auf den re Brutversuche mit Lach- oder Sturmmöwen Inseln Heuwiese, Barther Oie, Kirr, Liebitz, beobachtet, die erste „echte“ Schwarzkopfmö- Beuchel, zeitweise auch auf Liebes und Mäh- wenbrut jedoch erst 2008 nachgewiesen. rens sowie Böhmke und Werder. Auf dem Im Gegensatz zum Nordseegebiet, wo die Pagenwerder brütete 1975 ein Paar, auf dem Schwarzkopfmöwe inzwischen in erheblicher Riether Werder 2010 zwei Paare. Die Brut- Zahl brütet (BirdLife International 2004; Lud- paarzahlen schwanken, mit 10 BP wurden in wig et al. 2008), blieb ihr Brutbestand in der den Jahren 1980 und 1996 bislang die Maxi- Ostsee jedoch klein; er umfasst gegenwärtig malzahlen erreicht. nicht mehr als 50-95 BP (HELCOM 2012). Die Schwarzkopfmöwe erschien als Brutvogel an der deutschen Ostseeküste zu einer Zeit, Die Eiderente als die Bestände im Zentrum ihres Areals (Mit- Somateria mollissima L., 1758: Ein neuer telmeer und Schwarzes Meer) zunahmen und Brutvogel an unserer Küste die Art ihr Verbreitungsgebiet nach Westeu- Die Eiderente brütete in Mecklenburg-Vor- ropa bzw. in den Nordseeraum (Frankreich, pommerns erstmals im Jahr 1985 auf der Insel England, Holland und Belgien, Boldreghini Langenwerder. Seit 1991 ist sie ein alljährli- et al. 1992) erweiterte. Die Brut auf der In- cher Brutvogel. Der wichtigste Brutplatz ist sel Langenwerder im Jahr 1951 war die erste die Insel Walfisch in der Wismarbucht, wo im im gesamten Ostseeraum. 1965 wurden die Jahr 2011 ca. 80 Weibchen brüteten. ersten Brutversuche in Schleswig-Holstein Weitere regelmäßig besetzte Brutplätze sind festgestellt, 1970 in Dänemark. In Polen brü- die Heuwiese (seit 1993, ein bis fünf brüten- tet sie in kleiner Zahl seit 1981, überwiegend de Weibchen) sowie die Greifswalder Oie (seit 36 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012

2002, ein bis vier brüten- de Weibchen). Auf dem Langenwerder brütet die Eiderente unregelmäßig, vermutlich gelegentlich auch auf Poel. An der Ostseeküste Schleswig- Holsteins ist die Eider- ente seit 1986 Brutvogel, die Bestandsentwick- lung ähnelt der in Meck- lenburg-Vorpommern (Berndt et al. 2002); 2010 wurden als bisheriges Maximum ca. 80 brüten- de Weibchen festgestellt (Kieckbusch, pers. Mitt. 26.06.2012). Foto 8: Die Eiderente Somateria mollissima ist seit 1985 Brutvogel an unserer Die Eiderente hat im Küste. Der wichtigste Brutplatz ist die Insel Walfisch in der Wismarbucht. Ostseeraum im 20. Jh. Foto: Lutz Ritzel. über viele Jahrzehn-

Abb. 7: Brutbestandsentwicklung der Eiderente Somateria mollissima an der Küste Mecklenburg-Vorpom- merns. Die Wismarbucht beherbergt mit der Insel Walfisch den bedeutendsten Brutplatz dieser Art an unserer Küste. Fig. 7: Breeding population of Common Eider Somateria mollissima on the coast of Mecklenburg-Western Pomerania. Wismar Bay with Walfisch Island harbors the most important breeding grounds of this species on our coast. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 37 te kontinuierlich zugenommen, ist seit den so manche Erklärungsversuche lassen Fragen 1990er Jahren in ihren Hauptbrutgebieten offen. Während für die Ausbreitung des Kor- in Schweden, Finnland, und Estland jedoch morans zum Beginn des 19. Jh. klimatische stark rückläufig (Bregnballe et al. 2009, HEL- Ursachen vermutet werden können (Ende der COM 2012). Lediglich in Dänemark war der Kleinen Eiszeit), bietet sich für die Ausbreitung Bestand im Zeitraum 1990-2010 mit 24.000- der Silbermöwe im Ostseeraum ab dem Ende 25.000 brütenden Weibchen annähernd der 1930er Jahre keine einfache Erklärung an. konstant (Christensen und Bregnballe 2011). Die Zunahme der Art an der Nordsee infolge Nach den Ergebnissen von Winterzählungen der Errichtung von Küstenvogelfreistätten ab hat die Ostsee/Nordsee Flyway-Population in Beginn des 20. Jh. könnte ein Faktor sein, der den 1990er Jahren um ca. 30 % abgenommen ihre Ausbreitung in die Ostsee begünstigt hat. (Desholm et al. 2002, Bregnballe et al. 2009). Arealerweiterungen stehen oftmals im Zusam- Der Bestandsanstieg der Eiderente an der deut- menhang mit einer Zunahme der Population schen Ostseeküste erfolgte somit zeitgleich im ursprünglichen Kernverbreitungsgebiet mit einem drastischen Bestandsrückgang in (z.B. Kormoran, Silbermöwe, Schwarzkopfmö- weiten Teilen ihres Hauptbrutgebietes. we). Es gibt aber ebenso Beispiele, dass Arten bei gleichzeitigem Rückgang der Bestände im Schlussfolgerungen Kernverbreitungsgebiet ihr Areal ausdehnen. In den vergangenen 200 Jahren sind drei Arten So erweiterte die Brandseeschwalbe ihr Are- als Brutvögel von unserer Küste verschwun- al und ihren Bestand im Ostseeraum in den den, für zwei Arten ist das Verschwinden in 1950er/Anfang der 1960er Jahre zu einer Zeit, naher Zukunft zu erwarten; sieben Arten ha- als die Quellpopulation in der Nordsee einen ben sich als Brutvögel neu etabliert. dramatischen Einbruch erlitt (Herrmann et al. Das Verschwinden von Arten von unserer 2008). Und auch die Eiderente besiedelte die Küste bzw. die Einwanderung neuer Arten südliche Ostseeküste bei gleichzeitigem Rück- steht oftmals im Zusammenhang mit lang gang der Population im Kernverbreitungs- andauernden, großräumigen Bestands- und gebiet. Arealveränderungen. So sind z.B. Lachsee- Habitatverluste bzw. Habitatverbesserungen schwalbe und Seeregenpfeifer im Zuge eines haben zweifelsohne einen Einfluss auf die Be- langfristigen Rückganges ihrer nordwesteu- standsentwicklung von Arten. Lebensraum- ropäischen Populationen insgesamt, welcher verluste im Zuge der Komplexmelioration mit einer Arealverkleinerung verbunden war, großer Salzgrasländer an der Küste Mecklen- aus der Ostsee verschwunden bzw. nahezu burg-Vorpommerns zum Ende der 1960er/ verschwunden. Der Rückgang von Kampfläu- Anfang der 1970er Jahre beschleunigten zu fer und Alpenstrandläufer setzte bereits im jener Zeit den Rückgang von Kampfläufer und ausgehenden 19. Jh., vielleicht auch schon Alpenstrandläufer, während eine gezielte Aus- früher, ein und betraf nicht nur Mecklenburg- richtung der Bewirtschaftung von Salzwiesen Vorpommern, sondern den gesamten Ostsee- auf die Bedürfnisse des Alpenstrandläufers in raum. Dänemark in jüngster Zeit eine Stabilisierung Die Einwanderung des Kormorans zum Be- bzw. sogar Verbesserung der Brutbestände in ginn des 19. Jh., der Silbermöwe ab Ende der diesen Gebieten bewirkte (Herrmann und 1930er sowie der Brandseeschwalbe in den Thorup 2011). 1950er Jahren erfolgte im Zuge von Arealer- Der unmittelbare Lebensraumverlust allein weiterungen, welche die südwestliche und die kann die Bestandsrückgänge von Kampfläufer zentrale Ostsee insgesamt bzw. weite Teile die- und Alpenstrandläufer im gesamten Ostsee- ses Gebietes umfassten. Die Schwarzkopfmö- raum über einen Zeitraum von wahrschein- we erweiterte ab den 1970er Jahren ihr Areal lich mindestens 150 Jahren nicht erklären, da und besiedelte Nordwesteuropa (Frankreich, die Arten inzwischen zum großen Teil auch Belgien, Holland, England, Deutschland) so- aus den noch verbliebenen, geeigneten Ha- wie Italien. Dabei drang sie auch bis in die bitaten verschwunden sind. Wahrscheinlich Ostsee vor. Die Ursachen für die Arealverän- spielen hier subtile Lebensraumveränderun- derungen sind nicht einfach zu erklären und gen aufgrund großräumig wirksamer Faktoren 38 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 eine Rolle. Mögliche Kandidaten sind neben letztendlich auch für das Naturschutzhandeln dem Klimawandel auch Nährstoffeinträge. von entscheidender Bedeutung. Der Auftrag Schon in der 2. Hälfte des 19. Jh. wurden mit des Naturschutzes besteht darin, Gefährdun- der Einführung der chemischen Düngung in gen von Arten und ihren Lebensräumen ab- der Landwirtschaft und aus Verbrennungs- zuwenden, die durch menschliches Handeln prozessen der Industrie verstärkt Nährstoffe bedingt sind. Veränderungen durch natürli- in die Landschaft eingetragen, die über diffuse che Prozesse sind hingegen hinzunehmen; sie Pfade (Luft, Wasser) in alle Lebensräume ge- sind ohnehin kaum zu beeinflussen und ent- langten. Veränderungen der Vegetationsent- sprechende Bemühungen in der Regel zumin- wicklung infolge von Nährstoffzufuhr und dest längerfristig nicht erfolgreich. Die Unter- klimatischen Veränderungen könnten z.B. Po- scheidung zwischen anthropogen bedingten pulationsparameter wie den Reproduktions- Veränderungen und natürlichen Prozessen ist erfolg negativ beeinflussen und dadurch lang- folglich naturschutzpolitisch von entschei- fristig eine Abnahme der Arten auch in augen- dender Bedeutung. scheinlich weiterhin geeigneten Habitaten verursachen. Ebenso denkbar wären klimati- Literatur sche oder eutrophierungsbedingte Einflüsse Behr, M. (1907): Auf den Werdern der Ostsee. auf die Überlebensraten im Brut- oder Über- St. Hubertus 25: 251-254. winterungsgebiet. Behr; M. (1908): Auf den Werdern der Ostsee. Der Einfluss von Faktoren, die außerhalb des St. Hubertus 26:437-439. Brutgebietes wirken, ist für den Kampfläufer Benicken, J. C. (1824): Beyträge zur nordi- gut belegt. Untersuchungen von Rakhimber- schen Ornithologie. Isis von Oken 2: diev et al. (2011) belegen einen Zusammen- 877-891. hang zwischen dem Verschwinden dieser Berg, H. (1914): Jahresbericht 1913 über das Art aus ihren westeuropäischen Brutgebieten Vogelschutzgebiet Hiddensee. Orni- (einschließlich der südwestlichen Ostsee) und thol. Monatsschr. 39: 131-137. einer großräumigen Arealverschiebung nach Berg, H. (1916a): Jahresbericht von den Vo- Osten. Als Ursache für die Arealverschiebung gelfreistätten Hiddensoe, Heuwiese, wird die Verschlechterung der Rastgebiete an Liebes und Wührens. Ornithol. Mo- der Nordsee (insbesondere Holland) angese- natsschr. 41: 3-10. hen, die in den letzten beiden Jahrzehnten Berg, H. (1916b): Einige Erfahrungen und zu einer Verlagerung der Zugwege und damit Beobachtungen aus dem westrügen- auch der Brutgebiete führte. Die Ergebnisse schen Vogelschutzgebiet. Ornithol. dieser Untersuchungen liefern plausible Er- Monatsschr. 41: 27-40. klärungen für die Entwicklungen in jüngerer Berndt, R.K., B. Koop, Struwe-Juhl, B. (2002): Zeit, können jedoch die negative Bestandsent- Vogelwelt Schleswig-Holsteins, Bd. wicklung, die schon lange vor den beschrie- 5, Brutvogelatlas. Wachholtz Verlag, benen Veränderungen in den holländischen Neumünster. Rastgebieten einsetzte, nicht ausreichend BirdLife International (2004): Birds in Europe. erklären. Population estimates, trends and Seit Beginn des 19. Jh. verfügen wir für die Vo- conservation status. BirdLife Conser- gelwelt über solide wissenschaftliche Quellen, vation Series 12, Cambridge UK. die uns bei sorgfältigem und kritischem Studi- Blomquist, D., Pauliny, A., Larsson, M., Flodin, um eine recht genaue Beschreibung der Ver- L.Å. (2010): Trapped in the extinction änderungen über einen Zeitraum von ca. 200 vortex? Strong genetic effects in a de- Jahren ermöglichen. Das Verständnis der Ursa- clining vertebrate population. BMC chen und Faktoren, die diese Veränderungen Evolutionary Biology 10: 33. bewirkten, ist jedoch nach wie vor begrenzt. Boie, F. (1819): Bemerkungen über die zu den Hier bieten sich vielfältige Herausforderun- Temminkschen Ordnungen Curso- gen für zukünftige Forschungen. Ein besseres res, Grallatores, Pinnatipedes und Verständnis der Ursachen von Veränderungen Palmipedes gehörigen Vögel, mit der Bestände und Verbreitung von Arten ist besonderer Rücksicht auf die Herzog- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 17-42, 2012 39

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Preen, v. P.L. (1856b): Zusätze zu Zanders Or- G., Stübs, J. (Hrsg.): Die Vogelwelt nis der Insel Poel. Naumannia 6: 78- Mecklenburgs. 3. Aufl. VEB Gustav 79. Fischer Verlag, Jena. S. 187. Rakhimberdiev, E., Verkuil, Y.I., Saveliev, A.A., Thorup, O. (1997): Langtidsstudier af Baltisk Väisänen, R.A., Karagicheva, J., Solo- Ryle på Tipperne. Dansk Ornitol. viev, M.Y., Tomkovich, P. S., Piersma, Foren. Tidsskr. 91: 50-51. T. (2011): A global population redis- Thorup, O., Erit, M., Flodin, L.-Å., Kvist, L., tribution in a migrant shorebird de- Ottvall, R., Pakanen, V.-M., Pehlak, tected with continent-wide qualita- H. , Pessa, J., Rönkä, N., Thomson, R., tive breeding survey data. Diversity Timonen, S. (in Vorber.): Baltic Dun- Distrib. 17: 144-151. lins need urgent conservation con- Robien, P. (1928): Die Vogelwelt Pommerns. cern and action – the biogeographi- Stationsberichte der Naturwarte cal population is facing extinction Mönne. Abh. u. Ber. Pomm. Natur- (Arbeitstitel). forsch. Ges. 9: 1-94. Wachs, H. (1943): Heringsmöwe, Larus f. Salomonsen, F. (1963): Oversigt over Dan- fuscus L., erstmals Brutvogel auf marks Fugle. DOF, Munksgaard, Langenwerder. Ornithol. Monatsber. Copenhagen. 51: 142-143. Schilling, W. (1859): Hand- und Lehrbuch für Wachs, H. (1949): Studientage auf der angehende Naturforscher und Natur- Vogelinsel Langenwerder. Zool. Anz. aliensammler; Erster Band. Bernh. 13 (Suppl.): 410-416. Friedr. Voigt, Weimar. Wüstnei, C., Clodius, G. (1900): Die Vögel der Schoennagel, E. (1939): Die Vogelfreistätten Grossherzogthümer Mecklenburg. Rügens und der Nachbargebiete. Dt. Opitz und Co., Güstrow. Vogelwelt 64: 4-9; 45-49. Zander, H.D.F. (1862): Systematische Übersicht Schmidt, R., Dost, H.-U. (1988): Nachweis ei- der Vögel Mecklenburgs. Arch. ner am Schwarzen Meer erbrüteten Freunde Naturgesch. Mecklenbg. 15: Brandseeschwalbe (Sterna sandvicen- 44-150. sis) als Brutvogel in einer Kolonie der Ostseeküste der DDR. Beitr. Vogelkd. 34: 60. Schuldt, E. (1961): Hohen Viecheln - ein mittelsteinzeitlicher Wohnplatz in Mecklenburg In: Schriften der Sekti- on für Vor- und Frühgeschichte; Bd. 10, Akademie-Verlag, Berlin. Schulz, H. (1947): Die Welt der Seevögel. Anton Lettenbauer, Hamburg. Siemssen, A.C. (1794): Handbuch zur syste- matischen Kenntniß der Mecklen- burgischen Land- und Wasservögel. Carl Christoph Stillers Buchhand- lung Rostock und Leipzig. Stienen, E.W.M. (2006): Living with Gulls. Trading off food and predation in the Sandwich Tern Sterna sandvicen- sis. PhD thesis University of Gronin- gen, The Netherlands, http://dis- sertations.ub.rug.nl/faculties/ science/2006/e.w.m.stienen/ Stübs, J. (1987): Seeregenpfeifer – Charadrius alexandrinus L., 1758. In: Klafs, Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 43, 2012 43

LIFE-BaltCoast: Schutz von Küstenlebensräumen an der Ostsee - Küsten ohne Küstenarten?

Martin Altemüller1 und Britta Küper2

1 NABU Wasservogelreservat Wallnau, Wallnau 4, 23769 Fehmarn 2 Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, Eschenbrook 4, 24113 Molfsee Kontakt: [email protected]

Bereits auf zwei vergangenen Kolloquien LIFE-BaltCoast: Protection of Coastal Habi- (J. Kube 2004 in Rostock und C. Herrmann tats at the Baltic Sea – Coasts without Coast- 2008 in Cuxhaven) wurde über die stark rück- al Species? läufige Populationsentwicklung insbesonde- Two recent colloquia (J. Kube 2004 in Rostock re der Wiesenlimikolen an der Ostseeküste and C. Herrmann 2008 in Cuxhaven) have berichtet. Eine der Hauptursachen dafür ist already addressed the strong decline in popu- vordergründig die Prädation, eigentlich aber lations, especially among meadow-breeding vermutlich ein Komplex aus Lebensraumver- shorebirds, along the Baltic coast. Superfi- lust und -veränderung sowie einer veränder- cially, one of the main reasons appears to be ten Trophie in der Landschaft. Im Vortrag wird predation, but in reality more likely a com- das LIFE-Baltcoast-Projekt vorstellt, welches plex of reasons is involved, including habitat die Erhaltung und Wiederherstellung von loss and changes as well as trophic changes in Lagunenhabitatkomplexen an der Ostseeküs- the landscape. This presentation introduces te zum Ziel hat. Erkenntnisse und Lösungs- the LIFE-BaltCoast project, which aims at the ansätze aus diesem grenzüberschreitenden preservation and restoration of lagoon habitat Projekt werden diskutiert. complexes on the Baltic coast. It discusses the findings and solution approaches from this transboundary project. 44 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 44-47, 2012

Der rezente Meeresspiegelanstieg: Chancen und Risiken für die Küsten- überflutungsräume in Mecklenburg-Vorpommern

Reinhard Holz1 und Rainer Holz2

1 Institut für Geographie und Geologie, F.-L.-Jahn-Str. 16, 17487 Greifswald 2 Arndtstr. 32, 17489 Greifswald Kontakt: [email protected]

Kaum ein Umwelt-Thema zieht soviel medi- nien gleicher Meeresspiegeländerungen etwa ale Aufmerksamkeit auf sich wie der durch parallel zur deutschen Ostseeküste verlaufen den rezenten (überwiegend menschlich ver- lässt. Aber es gibt auch West-Ost-Unterschie- ursachten) Klimawandel ausgelöste Meeres- de. Konkret äußern sich die räumlichen Diffe- spiegelanstieg. Das liegt nicht nur daran, dass renzierungen so, dass das Maximum im Wes- sich an den Küsten Menschen, Siedlungen ten, hier für Wismar, mit einem Anstieg von und Sachwerte konzentrieren, die bei einem 1,4 mm/a, das Minimum im Norden, d.h. für Meeresspiegelanstieg u.U. erhöhten Risiken Saßnitz, mit „nur“ 0,6 mm/a gefunden wurde. ausgesetzt sind. Es liegt auch daran, dass die Diese Differenzen werden als Ausdruck der Bewertung der Risiken erschwert ist, weil die unterschiedlichen Intensität der postglazia- Prognosen zum Meeresspiegelanstieg stark len isostatischen Ausgleichsbewegung Skan- differieren. Nachdem 2007 der IPCC im Zeit- dinaviens gedeutet, deren Ausläufer bis an raum bis 2100 einen Anstieg von 38 bis 56 cm die südbaltische Küste reichen. Gestützt wird vorausgesagt hat, haben andere Wissenschaft- diese Deutung durch Untersuchungsergebnis- ler Beträge von 1 m und mehr in die Diskus- se, wonach diese Unterschiede in den Mee- sion gebracht. Da von der Geschwindigkeit resspiegeländerungen seit Beginn der Entste- des Meeresspiegelanstiegs die Strategien des hung der heutigen Ostsee vor 9.000 Jahren Umgangs mit dieser Bedrohung abhängen, ist existieren. Damit kann diese Bewegungskom- die umfassende Erforschung der Reaktion des ponente vergleichsweise sicher in die Zukunft Meeresspiegels und der Küsten auf die Klima- projiziert werden. Sie relativiert den Anstieg, veränderungen Gegenstand vieler Studien. der sich aus einem rezenten eustatischen An- Die historische Entwicklung und die Perspek- stieg von 1 bis 1,2 mm/a ergibt. Aus diesem tiven der Meeresspiegellage an den Küsten Grunde erfährt der westliche Küstenbereich von Mecklenburg-Vorpommern war wieder- von Mecklenburg-Vorpommern einen „über- holt Gegenstand von Studien verschiedener eustatischen“, der Norden einen „untereusta- ostdeutscher Hochschulen. tischen“ Meeresspiegelanstieg. Unter Berück- Umfangreiche Untersuchungen der TU Dres- sichtigung eines seit 1860 annähernd linear den haben ergeben, dass seit 1860 der Mee- verlaufenden, in Zukunft aber beschleunigten resspiegel im Mittel nahezu linear ansteigt. Meeresspiegelanstiegs sowie der regionalen Dieser säkulare Trend wird von periodischen Differenzierung der isostatischen Komponen- und aperiodischen Schwankungen im Zen- te wird für die hiesige Ostsseeküste bis zum timeter- und Dezimeter-Bereich überlagert. Jahr 2100 vorläufig mit einem mittleren An- Bei Betrachtung zu kurzer Zeiträume kann stieg von 20 bis 30 cm gerechnet. daraus irrtümlich auf höhere Änderungsra- Gleichzeitig haben diese Untersuchungen ten des Meeresspiegels geschlossen werden, gezeigt, dass im Zeitraum von 9.000 bis als das tatsächlich der Fall ist. Zunächst ist 6.500 J. v. h. die Anstiegsraten weit über festzustellen, dass seit Beginn der kontinu- den heutigen bzw. in Zukunft zu erwarteten ierlichen Messungen alle Beobachtungspegel Raten lagen. Obwohl dies mit einer gene- einen Anstieg zeigen, d.h. überall ist ein (re- rellen Transgression, d.h. einer landwärti- lativer) Meeresspiegelanstieg zu beobachten. gen Verschiebung der Uferlinie, einher ging, Allerdings gibt es Unterschiede: Signifikant hat offensichtlich in geschützten Lagen das ist ein gewisses Nord-Süd-Gefälle, das die Li- Wachstum der Küstenmoore mit dem schnel- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 44-47, 2012 45 len Anstieg Schritt gehalten. Weiterhin hat im Vergleich zur vorindustriellen Zeit deutlich sich gezeigt, dass nach einer Phase annähernd eingeschränkte Sedimentvorrat. Durch die Er- stabilen Meeresspiegels dieser seit etwa 1.200 tüchtigung der Küstenschutzanlagen und den Jahren wieder schneller ansteigt (Jungsubat- anhaltenden Bau von Küsten-Querbauwerken lantische Transgression). Allerdings: Inner- sowie die fortgesetzte Vertiefung der Fahr- halb dieses Zeitraumes konnte die „Kleine wasser besteht in den Ausgleichsbereichen Eiszeit“ als Periode mit einer signifikanten der Küste ein eklatanter Sedimentmangel, es Meeresspiegelabsenkung identifiziert werden. fehlt der „Baustoff“ für den Küstenumbau. Für andere vergleichbare Klimapessima in der Dadurch wird die Konsolidierung der mögli- Zeit vor 1000 gibt es dafür zwar auch Hinwei- cherweise neu entstehenden Verlandungsbe- se, aber bisher keine eindeutigen Nachweise. reiche erschwert. Denkbar ist, dass diese Defi- Beschleunigt sich der Meeresspiegelanstieg zite fallweise durch höhere Schlickvorräte aus entsprechend der Prognose, so folgt daraus der anthropogen verursachten Zunahme der für die Küstenräume Mecklenburg-Vorpom- Schwebstoffsedimentation (Stichwort: AVS) merns, dass Sturmhochwasserstände, die ge- kompensiert werden können. Die eigentliche genwärtig statistisch alle 100 Jahre auftreten, Chance jedoch liegt in der Wiederherstellung 2100 ein Wiederkehrintervall von etwa 40 natürlicher Überflutungsverhältnisse in den Jahren haben könnten. Dagegen lässt sich bestehenden Küstenräumen. Das allerdings aus den Daten bisher keine gesicherte Aus- setzt die Optimierung, d.h. Verkürzung der sage über eine eventuelle generelle Häufung Küstenschutzanlagen an den Innenküsten so- von Sturmwetterlagen ableiten. Mit dem An- wie die Beschränkung der Schutzerfordernisse stieg des Meeresspiegels wird eine erhebliche auf den bebauten Bereich und dessen Infra- Verstärkung des Rückgangs aller exponierten struktur voraus. Der dazu notwendige ernst- Küstenabschnitte verbunden sein, die derzeit hafte und qualifizierte gesellschaftspolitische noch durchschnittlich etwa 35 cm/a beträgt. Diskurs ist bislang nicht in Gang gekommen. Eine konkrete Risikoabschätzung für die or- Das „Integrierte Küstenzonenmanagement“ nitho-faunistisch bedeutsamen Küstengebiete blieb bisher ein Schlagwort. ist schwierig. Vermutlich stehen vor allem die flachen seegangsexponierten Lebensstätten Fazit vor existentiellen Problemen. Dazu zählen Bei einem verstärkten Meeresspiegelanstieg z.B. die Inseln Walfisch, Langenwerder, Heu- blockieren die Infrastrukturen des mensch- wiese und die Halbinsel Struck sowie viele der lichen Gemeinwesens die natürlicherweise Kleinstinseln. Anderenorts wird es zur Bele- mögliche binnenwärts gerichtete Verschie- bung der Küstendynamik und zu größeren bung der Küstenlebensräume. Das führt vor- Gestaltveränderungen kommen. Das betrifft aussichtlich zum weiteren Verlust natürlicher vermutlich solche Inseln wie Ruden, Greifs- Dynamik und insgesamt zu einer Einengung walder Oie, Böhmke und Werder, aber auch des dynamischen Küstenraumes. Abgesehen die exponierten Gebietsteile im Bereich , von der Interessenlage des Naturschutzes wer- Zudar, Hiddensee etc. den die (meistenteils für die Landwirtschaft Noch schwieriger ist es, mögliche Chancen für vorgehaltenen) Polder das Hauptkonfliktfeld das Entstehen neuer Lebensstätten aus dem im Zusammenhang mit dem Meeresspie- Meeresspiegelanstieg abzuleiten. Die Prognose gelanstieg sein. Da deren Oberflächen bereits in diese Richtung ist eher pessimistisch. Zwar heute nahe dem Meeresspiegel oder darunter bestehen in den Leegebieten der Flachwasser- liegen, wird ihr Entwässerungsbedarf deutlich areale, also in der relativen Abgeschlossenheit steigen. Bei vermutlich gleichfalls steigenden der Binnenbodden, durchaus Potentiale zum Energiepreisen und wachsender Versalzung Mitwachsen der Verlandung rsp. zum „Mit- werden sich die bereits jetzt bestehenden Pro- wandern“ der Küstenlinie. Ob sich aber dar- bleme weiter verschärfen. aus wirklich Bausteine für Küstenlebensräume nach der herkömmlichen Vorstellung (i.e.S. Küstenüberflutungsmoore rsp. Salzgrünland) ergeben, ist nicht sicher. Das Problem ist der 46 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 44-47, 2012

The recent sea level rise: Chances and risks that these differences prevail already since the for the coastal flood plains of Mecklenburg- beginning of the formation of the Baltic Sea Western Pomerania about 9000 years ago. Hence, this component can be projected quite reliably into the future. The sea level rise as a consequence of the re- The isostatic balance motion modifies the re- cent climate change (mainly caused by hu- cent eustatic increase of 1.0-1.2 mm/a. For man activities) is one of the currently most this reason, the sea level rise in the western discussed environmental topics. Because of parts of Mecklenburg-Western Pomerania is the concentrations of human settlements above and in the northern parts below the eu- and economic values in coastal zones the static change. Considering an about linear sea risks seem to be of special significance. On level rise since 1860, a future increase of the the other hand, a realistic risk assessment is speed, and regional differences of the isostatic hampered by the considerable uncertainties component, an average increase of 20-30 cm of the predictions. After the prediction of 38 until 2100 is currently expected for the coast to 56 cm until 2100, presented by the IPCC of this region. in 2007, other scientists have come up with However, at the same time the studies have values of up to 1 m and even more. Since the shown that during the period 9000-6500 bp speed of the sea level rise is a crucial parameter the speed of the sea level rise was far above for the development of adaptation strategies, the currently observed one and the expected the investigation of the reaction of the sea future rate. Despite the general transgression, level to climate change and the related im- i.e. the shift of the coast line towards the in- pact on the coasts has been subject of many land, in zones of low exposure the growth of studies. The historical development and the the peat layer of coastal fens obviously could perspectives of the sea level at the coasts of keep up with the sea level rise. After a period Mecklenburg-Western Pomerania has been of stagnation, the sea level started to increase studied in various occasions by East German again about 1200 years ago (recent sub-At- universities. lantic transgression). Within this period, the Comprehensive investigations by the Techni- Little Ice Age caused a temporary sea level de- cal University of Dresden have demonstrated crease. For other similar climate stages before that the sea level rise since 1860 in the average 1000 such clear evidence has not been found, has followed a linear function. This secular though there are some indications. trend includes periodic and aperiodic fluc- One consequence of the scenarios of an in- tuations in the magnitude of centimeters to creasing sea level would be that flood events decimeters. Hence, if only short periods are which currently statistically occur once with- analyzed, the change rates may appear higher in 100 years, in 2100 may have a statistical than they are. Since the beginning of con- repetition interval of only 40 years. Howev- tinuous measurements the gauge changes are er, there are no data available to predict the positive at all observation sites, i.e. a relative future frequency and probability of storm overall sea level rise is evident. There is a sig- events. Another consequence will be an en- nificant gradient from north to south, which hanced transgression of all exposed coasts, makes the isolines of similar sea level rise pro- which currently amounts 35 cm/a. ceeding about parallel to the German Baltic An assessment of the risks for important coast. However, there are also differences be- coastal bird habitats is difficult. Probably es- tween west and east. These spatial differences pecially the shallow, exposed sites will face result in a maximum value of 1.4 mm/a in serious problems. These are the islands Wal- the west (Wismar) and a minimum value of fisch, Langenwerder, Heuwiese, the peninsula only 0.6 mm/a in the north (Sassnitz). The Struck and many of the very small islands. At differences are interpreted as a consequence other sites, increasing coastal dynamic pro- of the post-glacial isostatic balance motion cesses may reshape the landscape and habi- (land upheaval) of Scandinavia, which reach- tats. This refers probably to the islands Ruden, es up to the southern Baltic coast. This inter- Greifswalder Oie, Böhmke & Werder, but also pretation is supported by studies which show to the exposed parts of the island Koos, pen- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 44-47, 2012 47 insula Zudar, and Hiddensee. of defense structures along the lagoon coasts, The prediction of the chances for the forma- and the restriction of defense measures to set- tion of new habitats are even more difficult. tlements and infrastructure. The respective se- The expectations are rather pessimistic. Shel- rious and qualified public discussion has not tered shallow water areas of the lagoons may yet been started. The term “Integrated Coastal have some potential for adaptations, due to Zone Management” (ICZM) is still nothing accumulation processes and adjustments of more than a buzzword. the coast line. But it is questionable whether these processes will lead to the development Conclusions of new coastal habitats comparable to the cur- Human infrastructure impedes the possible rent salt marshes. The problem is the – com- shift of coastal habitats towards the inland by pared to pre-industrial times - limited sedi- natural processes related to the sea level rise. ment availability. Coastal defense structures The presumed consequence is a further loss and the excavation of shipping lanes are the of natural dynamics and a reduction of the reasons for a permanent sediment deficit. The range where coastal dynamics may proceed. material for re-shaping the coast is just not Independently of nature conservation goals, available; the consolidation of accumulation the (mainly agricultural) polders will get into areas is hampered. In some cases these defi- the focus of conflicts related to the sea level cits might be compensated by increasing an- rise. Since their surfaces are already today thropogenic suspended loads. However, the close to sea level, the drainage and pumping genuine chance would be the restoration of efforts will increase. Assuming increasing en- the natural flooding regime of the currently ergy prices and salting the already existing dyked coastal floodplains. This would require problems will aggravate. the optimization, i.e. the reduction in lengths,

Die Korrendorfer Wiesen. Foto: R. Abraham 48 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 48, 2012

Die Genese der „Salzwiesentorfe“ der südlichen Ostsee im Kontext mit der Vegetationsentwicklung und der Überflutungsdynamik

Stefan Seiberling

Zentrum für Forschungsförderung (ZFF) & Center of Knowledge Interchange (CKI), Domstr. 11, 17489 Greifswald Kontakt: [email protected]

Die Salzgrasländer der Ostsee stellen als so- The Genesis of “Salt Marsh Peats” at the genannte „Küstenüberflutungsmoore“ mit southern Baltic in the Context of Vegeta- „Salzwiesentorfen“ eine europaweit einzigar- tion Development and Flood Dynamics tige Küstenformation dar. Von Salzgrasländern der Nordsee unterscheiden sie sich deutlich The salt marshes of the Baltic region repre- durch die naturräumlichen Gegebenheiten, sent a unique coastal formation in Europe. Vegetation und Nutzung. Das Fehlen von They differ significantly from the salt marshes Gezeiten und die deutlich geringere Salinität on the North Sea in their habitat composi- (Brackwassermeer), verbunden mit zumeist tion, vegetation and management. The lack of Rinderbeweidung, führt zu einer durch das tidal influence and the distinctly lower salin- Juncetum gerardii charakterisierten Vegetati- ity (brackish water), combined with their pre- on. Die potenziell natürliche Vegetation hinge- dominant use as cattle pastures, leads to a veg- gen ist das Brackwasserröhricht mit Arten wie etation characterized by Juncetum gerardii, Phragmites australis, Bolboschoenus maritimus whereas the potential natural vegetation und Schoenoplectus tabernaemontanii. Durch would be brackish water reeds with species Eindeichung und Nutzungsaufgabe gingen such as Phragmites australis, Bolboschoenus die Salzgrasländer stark zurück, Salzwiesen- maritimus and Schoenoplectus tabernaemon- torfe mineralisierten, setzten Nährstoffe frei tanii. The construction of embankments und der Lebensraum für gefährdete, an den and the abandonment of land use have led Lebensraum eng gebundene Tier- und Pflan- to a marked loss of salt marshes. Salt marsh zenarten ging zurück. Mit dem Rückbau des peats have become mineralized, releasing Deiches um die Karrendorfer Wiesen bei nutrients and diminishing the available Greifswald wurde 1993 die erste großflächi- habitat for certain animal and plant species ge Renaturierungsmaßnahme an der Ostsee closely tied to these areas. The dismantling realisiert und umfassend wissenschaftlich of the dike around the Karrendorf meadows dokumentiert. near Greifswald in 1993 was the first extensive Die Ergebnisse zeigen, dass mit der Wieder- restoration measure in the Baltic region, and herstellung des Überflutungsregimes die cha- its effects are well documented in scientific rakteristische Salzgrasland-Vegetation sich publications. innerhalb weniger Jahre wieder einstellt. Es The results show that the restoration of the entsteht ein attraktiver Lebensraum beispiels- natural flood regime leads to a return of the weise für Zug- und Brutvögel und Carabiden. characteristic salt marsh vegetation within Weiterhin werden die Voraussetzungen ge- only a few years. This creates an attractive schaffen für ein Wiedereinsetzen der Bildung habitat for migratory and breeding bird spe- von Salzwiesentorfen als Wellenbrecher und cies and certain carabids, among others. damit Küstenschutz vor dem Hintergrund ei- Furthermore, it is a prerequisite for the new nes beschleunigten Meeresspiegelanstiegs. formation of salt marsh peats as breakwaters, thus serving towards the protection of our coastal areas in view of a rising sea level. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 49-51, 2012 49

Der Einfluss von Brutvogelkolonien auf die Vegetation kleiner Küsten- inseln in Mecklenburg-Vorpommern

Björn-Christian Russow

Stampfmüllerstraße 1, 18057 Rostock Kontakt: [email protected]

Die kleineren Küsteninseln in Mecklenburg- Diskrepanzen zwischen dem reinen Vogel- Vorpommern wurden bisher weitgehend nur schutz und den Ansprüchen an ein modernes aus ornithologischer Sicht näher betrachtet. Schutzregime der Inseln führen. Einige floristische bzw. vegetationskundliche Große Brutvogelkolonien können die Vege- Studien liegen beispielsweise für die Inseln tation unterschiedlich stark beeinflussen. Da- Großer Kirr, Barther Oie, Greifswalder Oie, bei sind insbesondere die Nährstoffeinträge Böhmke und Werder, Pagenwerder, Langen- durch Kot und Nahrungsreste, die mechani- werder und Walfisch vor. Durch die Auswei- sche „Gestaltung des Brutumfeldes“ bzw. der sung von NATURA 2000-Gebieten wurde die Brutkolonie, die Einschleppung von Nistma- hohe naturschutzfachliche Bedeutung der den terial und Diasporen sowie der konzentrierte Lebensraum charakterisierenden Vegetation Schutz durch Vogelwarte von Bedeutung. von Strand, Dünen und Salzwiesen auf den Als Hauptbeeinträchtigungsgröße der Vegeta- Inseln deutlich. Die Küsteninseln gehören zu tion durch Brutvogelkolonien ist der Nähr- den letzten weitgehend ungestörten Küsten- stoffeintrag durch Kot zu nennen. Allgemein lebensräumen in Mecklenburg-Vorpommern. ist anzunehmen, dass mit zunehmender Je nach Lage und geologischer Grundprägung täglich benötigter Nahrungsmenge und zu- können verschiedene Grundtypen ausgewie- nehmendem Anteil an Fisch in der Nahrung sen werden, die unterschiedliche natürliche auch die direkte Ruderalisierung der Vegetati- Entwicklungsrichtungen der Vegetation cha- on zunimmt, soweit die standörtlichen Bedin- rakterisieren. Während die im unmittelba- gungen dies ermöglichen. An den Inseln der ren Außenbereich der Küsten liegenden In- Außenküste kommen beispielsweise natürli- seln auch typische Vegetationskomplexe der che Mechanismen, wie die episodische Beräu- Küsten darstellen, werden die binnenseitig mung durch Sturmfluten zum Tragen, die die liegenden Inseln überwiegend durch amphi- direkte Vegetationsveränderung durch Nähr- bische und terrestrische Vegetationskomplexe stoffeinträge deutlich abmindern. Daneben des Binnenlands geprägt. Natürlicherseits tritt aber auch eine diffuse, nährstoffbedingte kann bei Ausschluss einer Nutzung für die Vegetationsveränderung ein, die jedoch kaum Moränendurchragungen von einer vollstän- von der allgemeinen Eutrophierung der Land- digen Bewaldung ausgegangen werden. Die schaft und den nutzungsbedingten Einflüssen aufwachsenden Inseln im Überflutungsbe- – einschließlich der Wirkungen einer Nutzungs- reich werden von Brackwasserröhrichten do- aufgabe – zu trennen ist. miniert und die Küsteninseln der Außenküste Die Ruderalisierung der Vegetation fördernd durch Dünenkomplexe und salzliebende ist z.B. der mechanische Druck, wie die Frei- Staudenfluren. räumung des Brutumfeldes oder das Sammeln Durch die nutzungsbedingte Ausprägung von Nistmaterial im unmittelbaren Brutum- einer mehr oder weniger kurzrasigen Vege- feld. Diese Vegetationsprägung ist jedoch nur tation, eine hohe Isolation gegenüber Fraß- sehr lokal wirksam. feinden und der relativ großen Nähe zu er- Eine in den letzten Jahren zunehmende und giebigen Nahrungsquellen werden einige der bisher nicht abschätzbare Einflussgröße ist die Küsteninseln durch größere Brutvogelkoloni- Einschleppung von Saatgut und Fortpflan- en besiedelt. Der Schutz der Inseln ist vorran- zungseinheiten von Pflanzen in die Brutkolo- gig auf die Erhaltung der Brutvogelbestände nien. So ist die in den letzten Jahren verstärkt ausgerichtet. Dies kann gelegentlich auch zu zu beobachtende Einwanderung von Land- 50 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 49-51, 2012 reitgras, Kirsche, Traubenkirsche und Schmal- the islands on the outer coast are characterized blättrigem Greiskraut auf verschiedenen Brut- by dune complexes and salt-tolerant herba- vogelinseln auf die Einbringung durch Vögel ceous vegetation. zurückzuführen. Due to a management-dependent develop- Eine nicht zu unterschätzende Größe der ment of relatively low short-grass vegetation, Beeinflussung der Vegetation von Brutvogel- increased isolation from predators and rela- inseln ist die häufige oder dauerhafte An- tive proximity to ample food sources, sever- wesenheit von Vogelwarten. Das Umfeld der al of the coastal islands host large breeding Stations- oder Aufenthaltsgebäude wird stark colonies of various bird species. The protec- umgestaltet und es werden Pfade angelegt, die tion of these islands is primarily geared to- als Einwanderungsschneisen für gebietsfrem- ward the conservation of these breeding birds. de Arten oder untypische Vegetation dienen. Occasionally this may lead to discrepancies Zusammenfassend kann festgestellt werden, between the sole protection of birds and the dass von Brutvogelkolonien verschiedene requirements of a comprehensive modern vegetationsprägende Wirkungen ausgehen, protection regime on the islands. die jedoch je nach Vogelart, Größe der Kolo- Large breeding colonies can impact the vege- nie und den standörtlichen Gegebenheiten tation in various ways. The main factors are der Inseln unterschiedlich stark zur Wirkung nutrient enrichment through feces and food kommen. scraps, mechanical “shaping” of the nest area or the entire colony, introduction of nesting The Impact of Avian Breeding Colonies on material and diaspores, and ongoing protec- the Smaller Coastal Islands in Mecklen- tion activity through the presence of an orni- burg-Western Pomerania thological station or a resident ornithologist. The predominant factor adversely impacting To date, the smaller islands off the coast of the vegetation in breeding bird colonies is ex- Mecklenburg-Western Pomerania have main- cessive nutrient input through feces. Gene- ly been studied with respect to their avifau- rally, we must assume that an increase in daily na. There are a few floristic and vegetation food requirements and an increased propor- studies from the islands Großer Kirr, Barther tion of fish will lead directly to the coloniza- Oie, Greifswalder Oie, Böhmke and Werder, tion of an area by ruderal species, as far as lo- Pagenwerder, Langenwerder and Walfisch. cal conditions are appropriate. On the islands The designation as NATURA 2000 areas served on the outer coast natural mechanisms, such to emphasize the outstanding importance of as the occasional clearing of an area through the characteristic beach, dune and salt marsh storm tides, clearly impact the vegetation vegetation on these islands for conservation changes caused by nutrient input. However, purposes. there is an additional nutrient-based, diffuse The coastal islands are among the last remain- vegetation change, which is difficult to dif- ing, mostly undisturbed habitats on the coast ferentiate from the general eutrophication of of Mecklenburg-Western Pomerania. Based on the landscape and management-dependent location and general geological character, a influences, including the abandonment of variety of basic types can be distinguished, utilization. which are characterized by different types of The colonization by ruderal species benefits natural vegetation development. While the from mechanical pressure, such as the clea- islands on the exposed outer coast reflect ning of the nest area or the collecting of nes- the typical coastal vegetation complex, the ting material in the immediate vicinity of the islands on the inland side are mainly charac- nest. However, this vegetation impact is only terized by amphibious and terrestrial vegeta- of very localized importance. tion complexes typical for the inland. Under Another factor that has increased in recent natural conditions, areas with moraine intru- years and whose impact cannot yet been sions can be assumed to be fully covered by properly assessed is the introduction of seeds forests. The growing islands in flood zones are and reproductive units of foreign plant spe- characterized by brackish water reeds, while cies into the breeding colonies. The increased Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 49-51, 2012 51 occurrence in recent years of species such as or living quarters typically undergo severe wood small-reed Calamagrostis epigejos, wild changes, and the formation of trails may fa- cherry, bird cherry, and the ragwort species cilitate the spread of alien species or atypical Senecio inaequidens on several breeding islands vegetation. can be attributed to introduction by birds. In summary, we can say that breeding bird Finally, the presence of an ornithological sta- colonies impact the local vegetation in a tion or a resident ornithologist may have a number of ways, depending greatly on bird significant impact on the breeding islands’ species, colony size and local conditions on vegetation. The surroundings of the station the respective islands.

Salzweisenaspekt auf Langenwerder. Foto: C. Herrmann 52 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012

Wiesenbrüter im Schilf? – Ergebnisse der sommerlichen Pflegemahd eines LIFE-Projektes im Unteren Peenetal mit Vorschlägen zur Optimierung als Wiesenbrütergebiet

Franziska Tanneberger1, Jochen Bellebaum2, Christoph Völlm3, Dietrich Sellin4 und Kees Vegelin5

Tanneberger, F., Bellebaum, J., Völlm, C., Sellin, D., Vegelin, K. (2012): Wiesenbrüter im Schilf? – Ergebnisse der sommerlichen Pflegemahd eines LIFE-Projektes im Unteren Peenetal mit Vor- schlägen zur Optimierung als Wiesenbrütergebiet. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1: 52-65. Im Rahmen des EU-LIFE Projekts „Conserving Acrocephalus paludicola in Poland and Germany“ werden seit 2006 Flächen im NSG Unteres Peenetal im Sommer gemäht, um durch Schwächung von Schilf geeignete Habitate für Seggenrohrsänger Acrocephalus paludicola wieder herzustellen. Begleitend wurden standardisierte Monitoringdaten zur Hydrologie, Vegetation und Avifauna erfasst. Für eine Auswertung stehen außerdem Daten aus der Zeit vor Projektbeginn und aus einer 2010/11 laufenden Diplomarbeit über die Insel Schadefähre zur Verfügung. Die Änderung der Ve- getation ist beachtlich und ermöglichte die spontane Ansiedlung von Kiebitz Vanellus vanellus und Rotschenkel Tringa totanus in jüngst durch Mahd aufgelichteten Schilfflächen. Einzig die ehemals für Wiesenbrüter bedeutende Insel Schadefähre wird trotz der seit 1999 durch den Zweckverband „Peenetal-Landschaft“ veranlassten Sommermahd von Wiesenbrütern weitgehend gemieden. Es werden die Veränderungen zwischen 2003 und 2010 vorgestellt und diskutiert sowie Ideen aufge- zeigt, wie insbesondere die Insel Schadefähre als ehemals bedeutendes Wiesenbrüterhabitat wieder als solches fungieren könnte.

Tanneberger, F., Bellebaum, J., Völlm, C., Sellin, D., Vegelin, K. (2012): Meadow Breeders in Reed Beds? – Results of Summertime Mowing during a LIFE Project in the Lower Peene Valley, in- cluding Suggestions for Optimization of the Area as Breeding Habitat for Meadow Breeders. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1: 52-65. Since 2006, as part of the EU-LIFE project “Conserving Acrocephalus paludicola in Poland and Germany” certain areas within the nature reserve “Lower Peene Valley” (NSG Unteres Peenetal) are being mowed during the summer to restore suitable habitat for the Aquatic Warbler Acrocephalus paludicola by thinning the reed beds. In addition, standardized monitoring data about hydrology, vegetation and avifauna were collected. The analysis further includes data collected before the project’s onset as well as data from a 2010/11 diploma study on Schadefähre Island. The changes in vegetation were considerable and allowed the spontaneous establishment of Northern Lapwing Vanellus vanellus and Common Redshank Tringa totanus as breeders in recently mowed reed beds. However, Schadefähre Island, once an import stronghold for meadow breeders, has not been resettled by meadow-loving species despite summertime mowing since 1999 under the aegis of the “Peene Valley Landscape” consortium. This paper presents and discusses the changes between 2003 and 2010 and offers ideas how particularly the formerly important breeding area “Schadefäh- re Island” may be restored as suitable habitat for meadow breeders.

1, 3 Universität Greifswald, Institut für Botanik und Landschaftsökologie, Grimmer Straße 88, 17487 Greifswald, E-Mail: [email protected]

1, 3, 4, 5 Förderverein „Naturschutz im Peenetal e.V.“, Erich-Böhmke-Straße 25, 17489 Greifswald

2 Wiesenstraße. 9, 16278 Angermünde, E-Mail: [email protected]

4 Dubnaring 1, 17491 Greifswald, E-Mail: [email protected] Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012 53

1. Einleitung Murchin und Bugewitz nördlich und südlich Das Naturschutzgebiet (NSG) Unteres Peene- der Peene (Abb. 2 und 3). Es ist vollständig tal erstreckt sich in einem der größten und nach europäischem Recht geschützt (Euro- am wenigsten gestörten Niedermoorgebiete päisches Vogelschutzgebiet (SPA) „DE 2147- Mecklenburg-Vorpommerns. Es liegt in einem 401 Peenetallandschaft“, Gebiet von gemein- für diesen Raum typischen Flusstalmoor, des- schaftlicher Bedeutung (GGB, FFH-Gebiet) sen natürliche Vegetation v.a. niedrigwüch- „DE 2049-302 Peeneunterlauf, Peenestrom, sige Seggenriede waren. Jahrhundertelang Achterwasser und Kleines Haff“). Den Status unterlagen sie extensiver Mahd- und Wei- „Naturschutzgebiet“ haben aktuell nur die denutzung und verblieben in naturnahem nicht gepolderten Flächen östlich von Anklam Zustand. Durch Auflassung bzw. Melioration (NSG „103 Unteres Peenetal [Peenetalmoor]“, ist diese Wiese- und Weidelandschaft in kür- seit 1979). In Zukunft soll das gesamte Gebiet zester Zeit zugunsten von Schilfröhrichten ungefähr in den Grenzen des FFH-Gebietes und Gehölzen bzw. Saatgrasland völlig ver- auch als NSG ausgewiesen werden, eine NSG- schwunden. Die heutigen Schutzziele sind Verordnung ist in Erarbeitung. Das LIFE-Pro- eng mit dieser jahrhundertelangen extensi- jektgebiet wird durch Gewässer bzw. Deiche in ven Mahd- und Weidenutzung verbunden. vier Teilflächen unterteilt (Tab. 1). Der Seggenrohrsänger Acrocephalus paludicola, Die Nutzungsgeschichte im Peenetalmoor ein global bedrohter Brutvogel und „Flagg- konnte vorrangig anhand topographischer schiffart“ dieser Niedermoore, brütete hier bis Karten dokumentiert werden (Holz et al. 1983; 1975. Als einziges deutsches Projektgebiet war van Diggelen und Wierda 1994, Fischer 2004, das Untere Peenetal Teil des EU-LIFE-Projek- Völlm 2012). Aus der Schwedischen Matrikel- tes “Schutz des Seggenrohrsängers in Polen karte (1692-1698) geht hervor, dass die peene- und Deutschland“ (LIFE05NAT/PL/000101), nahen Bereiche des LIFE-Projektgebiets ge- welches in den Jahren 2005-2011 im deutsch- hölzfreie Wiesen waren. Nur talrandnahe polnischen Grenzgebiet und in Ostpolen um- Bereiche sind als nicht oder selten genutzte gesetzt wurde. verbuschte Ödländer vermerkt. Der Richt- Dieser Beitrag stellt die Projektmaßnahmen graben, der Grenzgraben in den Murchiner und -ergebnisse für das Untere Peenetal vor. Wiesen und der Fährdammgraben in den Fer- Während des Projektes wurden Daten zum nen Wiesen sind bereits in den Schwedischen Wasserstand, zur Vegetation, zu Arthropoden Matrikelkarten belegt. Das Grabennetz ist da- und zu Vögeln auf den Projektflächen erho- mit nicht vollständig überliefert, denn viele ben. Er enthält außerdem Ergebnisse einer Gräben dienten auch zur Abgrenzung von Diplomarbeit über die Optimierung des Ge- Wiesenparzellen. Im frühen 18. Jahrhundert bietes als Wiesenbrütergebiet. ist eine gezielte Grabenentwässerung durch eine amtliche Verordnung zur Grabenreini- 2. Gebietsbeschreibung und gung belegt. In der ersten Hälfte des 19. Jahr- Nutzungsgeschichte hunderts wurde der größte Teil des Talmoores Das Gebiet liegt im Kreis Vorpommern-Greifs- extensiv als Grünland genutzt. Viele Wiesen wald zwischen den Ortschaften Anklam, wurden wegen der hohen Wasserstände wahr- Tab. 1: Die vier Teilflächees LIFE-Projektgebietes “ Schutz des Seggenrohrsängers in Polen und Deutschland“ (LIFE05NAT/PL/000101). Table 1: The four parts of the LIFE Project Area “Conserving Acrocephalus paludicola in Poland and Ger- many” (LIFE05NAT/PL/000101).

Name Beschreibung Fläche (ha) Gemeinde

Ferne Wiesen nicht gepoldert 287 Anklam

Murchiner Wiesen nicht gepoldert 155 Anklam

Polder Johannishof ehem. Grünlandpolder 139 Murchin

Schadefähre nicht gepoldert, Insel 94 Bargischow 54 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012 scheinlich nur spät und einschürig genutzt. dadurch zur Insel machte. Damit veränderte Baum- oder buschbestandene Flächen sind sich wahrscheinlich die Wasserversorgung nur noch vereinzelt zu finden. Daneben wei- des Gebietes erheblich (Völlm 2012). Die to- tete sich der Torfabbau (bis zu seiner Einstel- pografische Karte von 1932 (aufgenommen lung ab 1925) stark aus und die Entwässerung 1885) weist bereits das Grabennetz in seiner wurde verstärkt. Es kam zur fortschreitenden heutigen Form und einen Torfstich nach. Bis Mineralisierung der Torfe und in der Folge zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war zur Freisetzung von Nährstoffen (Eutrophie- die Insel noch bewohnt. Die Bewohner be- rung). Im Polder Johannishof wurde dieser wirtschafteten bis Ende der 1950er Jahre mit Prozess durch das 1976 errichtete Schöpfwerk anderen Landbesitzern die Insel als Mähwie- Klotzow-Pinnow drastisch verstärkt. se und Weide für Pferde, Kühe und Schafe, An aufgelassenen Torfstichen entwickelten außerdem wurde im Winter Rohr geworben sich Gehölze. Bis zur Mitte des 20. Jahrhun- (Subklew 2004). In den Jahren 1963 und 1964 derts lässt die (eutrophierungsbedingte) Aus- erfolgte eine Beweidung durch etwa 100 Fär- breitung von Schilfröhrichten einen schritt- sen der LPG Bargischow (0,5-1 GV/ha, I.L.N. weisen Rückgang der Nutzung als Grünland Greifwald 1998). in den feuchteren Bereichen erkennen. Das Die Bedingungen waren ungünstig (kein tro- Fehlen von Gehölzen, eine größere Zahl von ckener Stand bei Hochwasser, aufwändige Torfstichen und Wiesen nahe der Peene zei- Versorgung). Trotzdem erfolgten mit Unter- gen, dass es weiterhin eine extensive Nut- brechungen noch etwa zehn weitere Jahre zung von Teilflächen gab, wobei die Röhrich- Versuche einer Beweidung mit wenigen Tie- te wahrscheinlich zur Streugewinnung und/ ren, so z.B. mit wenigen Jungrindern im Juni oder zur winterlichen Rohrwerbung genutzt 1977 (Teichmann und Conrad 1978). Seit wurden. Im Gegensatz zur intensiven Nut- Einstellung der Beweidung Mitte bis Ende der zung in den ab den 1950er Jahren eingerich- 1970er Jahre wurde ein Teil der Insel zur Rohr- teten Poldern erfolgte im nicht gepolderten werbung genutzt (Subklew 2004); kurzzeitig Teil des Peenetalmoors eine fortschreitende wurden noch eine kleine Anzahl Gotland- Nutzungseinstellung und Röhrichte und Ge- schafe (1981: 11 Tiere) aufgetrieben. So blieb hölze breiteten sich aus. Schadefähre bis Mitte der 1970er Jahre die Die Nutzung beschränkte sich auf unregel- vermutlich einzige extensiv genutzte Fläche mäßige wasserstandabhängige Sommermahd im Unteren Peenetal, wodurch sich auch ihre in den 1970er Jahren und später auf lokale damals herausragende Bedeutung als Brut- winterliche Schilfmahd, z. B. in den ungepol- platz (Refugium) für Wiesenbrüter in dieser derten Teilen der Murchiner Wiesen in den Zeit erklärt (Tab. 2). Als Teil des Naturschutz- 1980er Jahren (van Diggelen und Wierda großprojektes „Peenetal-Landschaft“ wurden 1994) und in den Fernen Wiesen auf kleinen dann ab 1999 ca. 27 ha ungenutzte Grünland- Flächen noch heute. flächen (Seggenriede und lichte Schilfröhrich- Auf Schadefähre wurde die ursprüngliche te) sommerlich ohne Beräumung gemäht. Grünlandnutzung am längsten aufrechter- halten. Bereits die Schwedische Matrikelkarte 3. Der Seggenrohrsänger und das zeigt hier „gute Weide“ und „zwei Stücke guter EU-LIFE-Projekt Wiese, die gutes Gras tragen“. Die Beweidung Die Vorkommen des Seggenrohrsängers im ist vermutlich auf die Besiedlung der Insel (ein deutsch-polnischen Grenzgebiet liegen nach Haus im Südwesten) und damit einhergehend einem erheblichen Arealverlust in Deutsch- Viehhaltung zurückzuführen und stellt eine land und Polen aktuell an der Westgrenze Besonderheit im Peenetalmoor dar. Auch das des Verbreitungsgebietes der Art und sind Preußische Urmesstischblatt von 1835 kenn- weitgehend auf genutzte Grünlandflächen zeichnet die Insel als gehölzfreie Wiese oder beschränkt (Dyrcz und Czeraszkiewicz 1993; Weide noch ohne Gräben. Auf diesem ist auch Helmecke et al. 2003; Tanneberger 2008). der mittlerweile schiffbar ausgebaute Richt- Diese Brutvorkommen beiderseits der Grenze graben dargestellt, dessen Bau den Moorkör- stellen eine zusammenhängende Population per vom südlichen Moorkörper abschnitt und („Pommersche Population“) dar, die von den Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012 55

Tab. 2: Bestandsentwicklung von Limikolen während der Nutzung, der anschließenden Sukzessionsphase und der Pflegemahd (seit 2006, Schadefähre seit 1999) durch den Zweckverband „Peenetal-Landschaft“ und das LIFE-Projekt im Gebiet des heutigen Naturschutzgebiets Unteres Peenetal. Tabelle aus Völlm (2012), dort erweitert nach Holz et al. (1983). Table 2: Population development of shorebirds during use, subsequent succession phase and restoration mowing (since 2006, Schadefähre since 1999) through the “Peene Valley Landscape” consortium and the LIFE project in the current nature reserve “Lower Peene Valley.” Table from Völlm (2012), extended accord- ing to Holz et al. (1983). weit größeren Beständen in Ostpolen, Bela- Beobachtung der Art in den angrenzenden rus und der Ukraine (vgl. AWCT 1999) geo- Kirchenwiesen 1972 ist es denkbar, dass im grafisch deutlich isoliert sind. Seit 1997 ging Westteil des Untersuchungsgebiets noch ein diese Population stetig zurück und umfasst (unregelmäßiges?) Brutvorkommen bestan- aktuell weniger als 60 singende Männchen. den hat. In den 1980er Jahren wurden in den Im Peenetal wurde ein Vorkommen des Seg- Relzower Wiesen jedoch keine Seggenrohr- genrohrsängers auf der Insel Schadefähre und sänger mehr beobachtet (F. Erdmann briefl.). in den benachbarten Bereichen des Peenetal- Seit den 1980er Jahren treten im Unteren Pe- moores zuerst 1961 festgestellt (Heise 1977). enetal nur noch unregelmäßig rastende und Verlässliche Angaben zur Anzahl singender dabei auch vorübergehend singende Einzel- Männchen existieren nur für 1972 und 1973, vögel auf (zuletzt 2001, 2002, 2005, 2006 und danach ist Anfang der 1970er Jahre von 10-25 2011, D. Sellin und B. Schirmeister unveröff.). Männchen auszugehen (Abb. 1). Zeitgleich mit den Seggenrohrsängern brüte- Der letzte Nachweis von Seggenrohrsängern ten auf Schadefähre in den 1960er Jahren auch auf der Insel Schadefähre erfolgte 1975. Nach mit aus heutiger Sicht hohen Bestandszahlen dem Erlöschen zahlreicher anderer Brutvor- von Uferschnepfe Limosa limosa (1962 6-8 BP, kommen war das Peenetal bis 1975 der einzige 1966 10-12 BP), Alpenstrandläufer Calidris al- bekannte Brutplatz auf dem Gebiet des heuti- pina (1962 2 BP, 1966 2 BP), Kiebitz (1962 2-4 gen Landes Mecklenburg-Vorpommern. Nach BP, 1966 5 BP), Großer Brachvogel Numenius 1975 erfolgte ein weiterer Nachweis mehre- arquata (1962 1 BP, 1966 2 BP), Kampfläufer rer Männchen und mutmaßlich auch Weib- Philomachus pugnax, Rotschenkel und Bekas- chen durch F. Erdmann Ende Mai bis Anfang sine Gallinago gallinago (Prill 1967). Es wird Juni 1979 in den wenig westlich gelegenen vermutet, dass deren Bestände nach Ende der Relzower Wiesen. Angesichts der schlechten Weidetätigkeit einen Höhepunkt erreichten. Zugänglichkeit des Peenetalmoors und einer Nach zwei Jahren ohne Beweidung wurden 56 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012

eine umgehende Pflege und Neuentwicklung von Brutgebieten. Daher war ein zentrales Ziel des LIFE-Projektes die Pflege und Entwicklung von Brutgebieten der „Pommerschen Popula- tion“ durch eine streng an den Bedürfnissen des Artenschutzes ausgerichtete Nutzung. Die Projektmaßnahmen in naturnahen Mooren Ostpolens (z.B. im Südteil des Biebrza-Nati- onalparks) konzentrierten sich ebenfalls auf eine (Wieder-) Einführung der Mahd, deren positiver Effekt auf den Bestandstrend gezeigt werden konnte, und wurden flankiert von der Entwicklung raupenbasierter Mahdtechnik und spezieller Agrarumweltprogramme für Feuchtgebiete (Lachmann et al. 2010). Das LIFE-Projekt wurde von der Polnischen Gesellschaft für Vogelschutz (OTOP) als Hauptprojektträger in Ostpolen und im deutsch-polnischen Grenzgebiet durchge- führt. Partner waren die polnischen Verbän- de PTOP und ZTO, die Nationalparke Biebrza und , die britische Königliche Gesell- schaft zum Schutz der Vögel (RSPB) sowie als einziger deutscher Partner der Förderverein Abb. 1: Seggenrohrsänger Acrocephalus paludicola „Naturschutz im Peenetal e.V.“. Dieser führ- auf Schadefähre. Foto: G. Heise, 1973 oder 1974. te das Teilprojekt Peenetal mit Unterstüt- Fig. 1: Aquatic Warbler Acrocephalus paludicola on zung und in enger Zusammenarbeit mit dem Schadefähre Island. Photo: G. Heise, 1973 or 1974. Zweckverband „Peenetal-Landschaft“ durch (Tanneberger et al. 2007). 1967 keine Brutvorkommen von Limikolen Die Maßnahmen des Teilprojektes im Peene- (und Enten) auf der Insel festgestellt (Prill tal konzentrierten sich auf die Fortführung 1967). Im Juni 1977 fanden Teichmann und der Mahd auf Schadefähre und eine Wieder- Conrad (1978) auf Schadefähre 1 BP Kiebitz aufnahme der Mahd in den stark verschilften und 2 BP Uferschnepfe. Murchiner und Fernen Wiesen (Abb. 2). Da- Als Ursache für das Verschwinden des Seg- durch sollte in einer Mahdkulisse von 257 ha genrohrsängers und anderer Wiesenbrüter Lebensraum für den Seggenrohrsänger wie- im Unteren Peenetal gilt die Einstellung der derhergestellt und erhalten werden. Als Min- Grünlandnutzung (Helmecke et al. 2003) und destgröße für ein stabiles Brutvorkommen des die nachfolgende Sukzession. Die Nutzung Seggenrohrsängers gilt eine Kernfläche von der nassen Grünlandflächen ist im Peenetal 200 ha (Tanneberger et al. 2010). von 1970 bis 2000 stark zurückgegangen. Dies Begleitend wurde zwischen 2006 und 2010 trifft ebenfalls auf polnischer Seite um das durch das LIFE-Projekt ein Monitoring der Oderhaff (insbesondere auch im Świna-Delta) Wasserstände (mit automatischen Datenlog- zu und wird hier als eine Rückgangsursache gern), der Vegetationsstruktur, der Arthro- der Wiesenlimikolen (Krogulec 1998) und poden (anhand von Kescher- und Gelbscha- auch der ehemaligen Vorkommen des Seggen- lenfängen) und der Avifauna durchgeführt. rohrsängers angesehen. Der anhaltende Be- Vegetationsstruktur und Arthropodenvor- standsrückgang der „Pommerschen Populati- kommen wurden an je einem Transekt in on“ des Seggenrohrsängers und die Tatsache, den Murchiner und Fernen Wiesen und im dass die Mehrzahl der aktuellen Brutplätze Polder Johannishof (hier nicht in allen Pro- auf genutztem Grünland liegt und dessen Be- jektjahren) jeweils Anfang Juni und Anfang stand langfristig nicht gesichert ist, erfordern Juli untersucht. Die Methodik folgt den Vor- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012 57

den Murchiner Wiesen wurde die Biomasse auf 47,5 ha durch eine um- gebaute Pistenraupe mit Gummiketten und Lade- wagen (Abb. 6) beräumt. Sie wurde im Rahmen des BMBF-finanzierten Projektes „Vorpommern Initiative Paludikul- tur“ (VIP) an der Uni- versität Greifswald für Forschungszwecke an- geschafft und in Koope- ration mit einem lokalen Milchviehbetrieb und ei- ner Biogasanlage (beide in Neu-Kosenow) ein- Abb. 2: Schadefähre (vorne links), Polder Johannishof (Mitte rechts), Ferne gesetzt. Für den Trans- Wiesen (hinten links) und Murchiner Wiesen (hinten rechts) mit der Stadt port der Biomasse zur Anklam im Hintergrund. Foto: B. Herold, 2009. Biogasanlage wurde ein Fig. 2: Schadefähre Island (front left), Polder Johannishof (middle right), ehemaliges Landungs- Ferne Wiesen (back left) and Murchiner Wiesen (back right); city of Anklam boot gechartert, das bis in the background. Photo: B. Herold, 2009. zu 18 t gehäckselte Bio- gaben des Gesamtprojektes. Im avifaunisti- masse transportieren konnte (Abb. 7). Außer- schen Monitoring wurden die Flächen zum dem wurde im Rahmen des LIFE-Projekts im Teil mit Einsatz von Klangattrappen intensiv Jahr 2005 der südliche Fanggraben der Fernen nach Seggenrohrsängern abgesucht und Re- Wiesen im Westen und Osten durch Graben- vierkarten von Limikolen und Rallen sowie verschlüsse von der Peene abgetrennt. Artenlisten der Flächen erstellt. Die eingesetzten Kleintraktoren (Kubota

4. Durchgeführte Maßnahmen im LIFE-Projekt Im Rahmen des LIFE-Projektes und kofinan- ziert durch den Zweckverband „Peenetal- Landschaft“ wurde im Zeitraum 2005-2011 auf insgesamt ca. 155 ha eine Pflegemahd durchgeführt (Abb. 3). Die Flächen wurden in Abhängigkeit von der Wüchsigkeit zumeist ein erstes Mal Ende Juni/Anfang Juli und teil- weise ein zweites Mal im September/Oktober gemäht. Innerhalb eines Jahres wurden ma- ximal 126,5 ha (2008) gemäht (Tab. 3). Die Mahd wurde durch drei lokale Auftragnehmer mit Kleintechnik (Abb. 4) durchgeführt. Das Mähgut verblieb dabei auf der Fläche. Eine Abb. 3: Lage des LIFE-Projektgebietes “Schutz des testweise Abfuhr des Mähgutes war nur 2008 Seggenrohrsängers in Polen und Deutschland” (LIF- auf einer Teilfläche von 2,5 ha in den Murchi- E05NAT/PL/000101) in der Peenemündung und der ner Wiesen möglich. Im Jahr 2011 wurde im Zeitraum 2005-2011 gemähten Fläche (ca. 155 ha). Fig. 3: Position of the LIFE Project Area “Conserving erstmals die gesamte Mahdfläche beräumt. Acrocephalus paludicola in Poland and Germany” Dabei kam auf der Insel Schadefähre auf 36,7 (LIFE05NAT/PL/000101) in the Peene Delta and the ha Kleintechnik zum Einsatz (Abb. 5). Auf area mowed from 2005-2011 (c.155 ha). 58 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012

Tab. 3: Umfang der Pflegemahd im Projekt-gebiet im Zeitraum 2005-2011. Table 3: Extent of mowing in the project area from 2005-2011.

Fläche gesamt davon 2x Jahr Teilfläche Juni/Juli (ha) Sept./Okt. (ha) (ha) gemäht (ha)

2005 Schadefähre 40 0 40 0

Summe 40 0 40 0

2006 Schadefähre 40 0 40 0

Murchiner Wiesen 60 12 60 12

Ferne Wiesen 16 0 16 0

Summe 116 12 116 12

2007 Schadefähre 40 0 40 0

Murchiner Wiesen 43 35 60 18

Ferne Wiesen 12 7 17 2

Summe 95 42 117 20

2008 Schadefähre 40 0 40 0

Murchiner Wiesen 61 33 61 33

Ferne Wiesen 11,5 23 25,5 9

Summe 112,5 56 126,5 42

2009 Schadefähre 0 0 0 0

Murchiner Wiesen 25 22 47 0

Ferne Wiesen 0 8 8 0

Summe 25 30 55 0

2010 Schadefähre 50,5 0 50,5 0

Murchiner Wiesen 28 0 28 0

Ferne Wiesen 10 0 10 0

Summe 78 0 78 0

2011 Schadefähre 0 36,7 36,7 0

Murchiner Wiesen 0 47,5 47,5 0

Ferne Wiesen 0 0 0 0

Summe 0 84,2 84,2 0

Gesamt Schadefähre 55

Murchiner Wiesen 62

Ferne Wiesen 38

Summe 155 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012 59

Abb. 4: Pflegemahd in den Murchiner Wiesen 2009. Abb. 5: Pflegemahd und Beräumung auf Schade- Foto: F. Tanneberger. fähre 2011. Foto: N. Krauss. Fig. 4: Mowing in the Murchiner Wiesen 2009. Fig. 5: Mowing and clearing on Schadefähre Island Photo: F. Tanneberger. 2011. Photo: N. Krauss.

Abb. 6: Pflegemahd und Beräumung in den Abb. 7: Abtransport gehäckselter Biomasse von den Murchiner Wiesen 2011. Foto: W. Wichtmann. Murchiner Wiesen über die Peene 2011. Foto: C. Fig. 6: Mowing and clearing in the Murchiner Wie- Schröder. sen 2011. Photo: W. Wichtmann. Fig. 7: Removal of chopped biomass from Murchiner Wiesen via the Peene river 2011. Photo: C. Schröder.

B2410, Landini Discovery 65 Climber, Car- einen statischen Bodendruck von ca. 100 g/ raro Carraro Tigretrac HST) mit Balken- bzw. cm2 auf. Der verwendete Ladewagen kommt Scheibenmähwerk hatten Arbeitsbreiten von auf 49 (leer) bzw. 89 (5 t Zuladung) g/cm2. 1,7 bis 2,3 m und eine Flächenleistung von Die eingesetzte Kleintechnik führte zu kei- 2-4 ha/Tag. Mit Gewichten von 1-2 t wiesen ner oder nur geringfügiger Schädigung des sie einen statischen Bodendruck von ca. 180 Bodens. Ein leichter Kleintraktor mit Balken- (Kubota) bis ca. 360 g/cm2 (Landini) auf. mähwerk wird daher als günstige Lösung für Bei der Beräumung mit Kleintechnik kam die Mahd angesehen. eine Ballenpresse mit 1,3 m Arbeitsbreite, 5 Der Einsatz der Raupentechnik führte 2011 zu ha/Tag Flächenleistung und einem statischen starken Schädigungen an der Zuwegung und Bodendruck von 260 g/cm2 zum Einsatz. an häufig befahrenen Bereichen. Eine mitt- Die 2011 verwendete Raupentechnik (Käss- lere Schädigung der Zuwegungen tritt nach bohrer PB 240) hatte eine Arbeitsbreite von Auskunft aus anderen Gebieten, in denen 3,65 m (Mähwerk) bzw. 2,00 m (Häcksler). Sie Pistenraupen eingesetzt werden (Recknitztal, erreicht Flächenleistungen von 7-12 ha/Tag Biebrza-Nationalpark in Polen), zwangsläu- (Mähen) bzw. 5-8 ha/Tag (Häckseln). Sie weist fig bei häufiger Befahrung nasser Böden mit 60 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012

Raupen ein. Diese wurde in den Murchiner der Fläche verbleibende Biomasse aus Stän- Wiesen 2011 durch die häufigen zusätzlichen gelbasen und Mähgut zersetzt sich aufgrund Befahrungen u. a. aufgrund von technischen vergleichsweise trockeneren Bedingungen Problemen und dadurch geringe Flächenleis- langsamer als auf den Murchiner und Fernen tung verstärkt. Wiesen. Ein Experiment mit in sog. Litterbags Der nur zweimal befahrene, überwiegende („Streuprobebeutel“) eingenähter Biomasse Teil der Fläche weist keine oder eine nur ge- bestätigte die stärkere Zersetzung auf niedrig ringe Schädigung auf. Mögliche langfristige gelegenen (d.h. nasseren) Probequadraten im Folgen eines mehrjährigen Befahrens mit der Vergleich zu nur ca. 10-20 cm höher gelege- Raupe sind jedoch noch unzureichend geklärt nen (d. h. trockeneren), jeweils benachbarten und werden im Rahmen der Begleitforschung Probequadraten auf allen vier Teilflächen des zum VIP-Projekt durch die Universität Ros- LIFE-Projekts (Völlm 2012). tock seit 2010 untersucht. Die Kennwerte der Vegetationsstruktur der ge- mähten Flächen liegen für die Fernen Wiesen 5. Auswirkungen der Mahd auf Vegetation durchgehend und für die Murchiner Wiesen und Habitatqualität für den Seggenrohr- ab 2009 im Bereich aktuell vom Seggenrohr- sänger sänger besiedelter Flächen in von Schilf do- In den Murchiner Wiesen, in denen durch minierten Brutgebieten an der Ostseeküste Sukzession ein sehr hohes und dichtes Schilf- (Tanneberger 2008). Auf Schadefähre sind die röhricht entstanden war (Abb. 8), bewirkte die Wasserstände zumindest in trockenen Jahren jährliche Pflegemahd ab Sommer 2006 einen zu niedrig und die Streuschicht vermutlich deutlichen Rückgang der Vegetationshöhe, zu hoch, alle weiteren Kennwerte der Vegeta- der Dicke der Streuschicht und der Deckung tionsstruktur liegen im Eignungsbereich der von Schilf. In den Fernen Wiesen, wo die Mo- Art (Völlm 2012). Eine Wiederansiedlung des nitoringplots in einem weniger dichten und Seggenrohrsängers im Peenetal konnte bis- hohen Schilfröhricht im Südteil liegen, zeigte her nicht nachgewiesen werden. Die Nicht- nur die Dicke der Streuschicht einen leich- Brutzeitnachweise (zuletzt am 26.07.2011) ten Rückgang. Die Entwicklung im Nordteil bezeugen wahrscheinlich das Vorkommen der Fernen Wiesen (ohne Monitoringplots) von Durchzüglern aus den nahen polnischen ist ähnlich wie die in den Murchiner Wiesen. Brutgebieten bei Świnoujście. Die Streuschicht ist auf den ungepolderten Flächen trotz der fehlenden Beräumung des 6. Auswirkungen der Pflegemahd auf ande- Mähgutes sehr niedrig, da das Mähgut teilwei- re Vogelarten se abgeschwemmt und besonders auf feuch- In den Murchiner und Fernen Wiesen haben ten Flächen zügig zersetzt wird (Völlm 2012). sich Brutbestände von Kiebitz und Rotschen- Auf Schadefähre hat die seit 1999 durchge- kel infolge der Pflegemahd neu angesiedelt führte Pflegemahd zu einer Stabilisierung der (Tab. 4). Im Zeitraum 2001-2005 haben die- niedrigwüchsigen Seggenvegetation im Zent- se Arten in diesen beiden Gebieten höchst- rum der Insel beigetragen. Zwischen den Kar- wahrscheinlich nicht gebrütet (D. Sellin, B. tierungen 1994 (I.L.N Greifswald 1998) und Schirmeister briefl.). Die Anzahl der Revier- 2004 (Subklew 2004) wurde allerdings kein paare von Kiebitz und Rotschenkel korreliert substanzieller Unterschied in ihrer Ausdeh- mit der Größe der im Vorjahr spät gemähten nung festgestellt. Die Streuschicht ist im Ver- Fläche (Tab. 4). gleich zu den Murchiner und Fernen Wiesen Die größte Anzahl von Kiebitzen (28 Revier- sowohl in Höhe als auch in Deckung deutlich paare) und Rotschenkeln (8 Revierpaare) stärker ausgeprägt. konnte 2009 auf 54 ha, die im Vorjahr spät Besonders in den Kleinseggenrieden befindet gemäht worden waren, nachgewiesen wer- sich ein großer Teil der Biomasse unterhalb den. In den Jahren 2009 und 2010 konnten der Höhe des Mähwerks und verbleibt des- auch Kiebitzküken in den Murchiner Wiesen halb an Ort und Stelle. Vermutlich wird auch beobachtet werden (Abb. 9, P. Rösler und F. das Mähgut nicht in ausreichendem Maße Schulze briefl.). Die Verfügbarkeit von geeig- von Hochwassern abgeführt und die so auf neten Nistplätzen (Abb. 10) wird vom Anteil Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S.52-65, 2012 61

Abb. 8: Vegetationshöhe (oben), Dicke der Streuschicht (Mitte) und Deckung von Schilf (unten) in den Murchiner Wiesen (links) und Fernen Wiesen (rechts) in den Jahren 2006-2010. Alle Daten wurden im Zeitraum 07.-16. Juni erhoben außer Murchiner Wiesen 2006: 04. Juli Mahd: Murchiner Wiesen ab Sommer 2006 jährlich, Ferne Wiesen nur Sommer 2006 und Herbst 2007/08. Fig. 8: Vegetation height (top), litter layer thickness (center) and reed coverage (bottom) in the Murchiner Wiesen (left) and Fernen Wiesen (right) between 2006 and 2010. All data gathered between June 7 and 16, except Murchiner Wiesen 2006: July 4 Mowing: Murchiner Wiesen annually since summer 2006, Ferne Wiesen only in the summer 2006 and fall 2007/08. 62 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012

Tab. 4: Bestand gefährdeter Wiesenbrüter (Reviere) auf Mahdflächen in den Fernen Wiesen und Murchiner Wiesen (BP=Brutpaar, W=Weibchen). Table 4: Populations of endangered meadow breeders (territories) on mowed areas in the Ferne Wiesen and Murchiner Wiesen (BP=breeding pairs, W=female).

Art Fläche 2007 2008 2009 2010 Trend

Murchiner Wiesen (ha) 12 35 31 22 Spätmahd im Vorjahr Ferne Wiesen (ha) 0 7 23 7

Tüpfelsumpfhuhn Murchiner Wiesen 3 14 5 3 Porzana porzana

Murchiner Wiesen 4 2 20 14 + Kiebitz Vanellus vanellus Ferne Wiesen 0 0 8 2 +

Murchiner Wiesen 0 1 9 4 + Rotschenkel Tringa totanus Ferne Wiesen 0 0 0 1 +

Murchiner Wiesen 2 14 7 4 +? Bekassine Gallinago gallinago Ferne Wiesen 2 3 3 2-3 0

18 rastend, Kampfläufer 14 Murchiner Wiesen - rastend 1 W im ? Philomachus pugnax rastend Sommer

Abb. 9: Kiebitzküken laufen durch das frisch gemähte Abb. 10: Kiebitznest in den Murchiner Wiesen, Schilf (vom fahrenden Traktor aus aufgenommen), April 2010. Foto: F. Tanneberger. Murchiner Wiesen, Juli 2009. Foto: P. Rösler. Fig. 10: Lapwing nest in the Murchiner Wiesen, Fig. 9: Lapwing chicks running across freshly April 2010. Photo: F. Tanneberger. mowed reeds (picture taken from moving tractor), Murchiner Wiesen, July 2009. Photo: P. Rösler. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012 63 im Vorjahr spät gemähter Fläche und von den Mahd die Projektfläche großflächig besiedelt. Wasserständen bestimmt. Auf Schadefähre In den Fernen Wiesen waren Vorkommen des war keine Neuansiedlung von Kiebitzen oder Großen Feuerfalters schon vor Projektbeginn Rotschenkeln zu beobachten. Nur einzelne bekannt (V. Wachlin briefl.) und konnte auch Ansiedlungen der Bekassine konnten im Zeit- während der Projektlaufzeit nachgewiesen raum 2007-2011nachgewiesen werden. werden. Das Vorkommen im Projektgebiet zeichnet sich durch flächiges Auftreten an- 7. Auswirkungen der Pflegemahd auf statt des in vielen anderen Gebieten üblichen Arthropoden Auftretens entlang von Gräben aus. In den Jahren 2010 und 2011 wurden in den Insgesamt konnten 2011 auf den Sommer- gemähten Teilen der Murchiner Wiesen Gele- mahdflächen im gesamten Projektgebiet elf ge und auch Larven des Großen Feuerfalters Tagfalterarten nachgewiesen werden. Damit Lycaena dispar (Art des Anhangs II FFH-RL) waren die Flächen artenreicher als die angren- festgestellt. Die wichtigste Futterpflanze für zenden Wintermahdflächen (fünf Arten) und Raupen dieser Art, der Fluss-Ampfer Rumex ungenutzten Röhrichte (sechs Arten; S. Görn hydrolapathum, hatte sich hier als Folge der briefl.). Die Gesamtbiomasse aus Kescherfän- gen war in den Murchiner Wiesen in allen Jahren nach Beginn der Mahd (2007-2010) so- wohl im Juni als auch im Juli höher als vor Be- ginn der Mahd (2006). In den Fernen Wiesen ist aufgrund der jahresweise fehlenden Mahd ein solcher Zusammenhang nicht sichtbar.

8. Empfehlungen für das Management nach Ende des LIFE-Projektes Ziel der empfohlenen Maßnahmen ist insbe- sondere die Verbesserung der Erhaltungszu- stände brütender Vogelarten des Europäischen Vogelschutzgebietes Peenetallandschaft. Da diese Vogelarten teils auch als maßgebliche Bestandteile von Habitaten der FFH-Gebiete einzuordnen sind, sind auch hierfür positive Effekte zu erwarten. Die Maßnahmen sollen folgende Ziele erreichen: • Schaffung bzw. Erhalt von Lebensräumen der ehemaligen Brutvogelarten Seggenrohr- sänger, Uferschnepfe und Kampfläufer (tat- sächliche Ansiedlung der Arten abhängig Abb. 11: Flächiges Vorkommen von Seggen Car- ex sp., Sumpffarn Thelypteris palustris und Fluss- von Existenz und Zustand von Quellpopu- Ampfer Rumex hydrolapathum in den Murchiner lationen), Wiesen auf bis 2006 stark verschilften Teilflächen, • langfristige Stabilisierung und Erweiterung April 2008. Foto: F. Tanneberger. der Brutvorkommen von Kiebitz, Rotschen- Fig. 11: Extensive stands of sedges Carex sp., marsh kel und Bekassine, fern Thelypteris palustris and giant water dock Rumex • langfristige Stabilisierung der Populationen hydrolapathum in the Murchiner Wiesen in parcels with intensive reed coverage until 2006, April 2008. des Großen Feuerfalters in den Fernen Wie- Photo: F. Tanneberger. sen und Murchiner Wiesen, • Erhalt von artenreichen Seggenrieden als Pflegemahd ab 2007 stark in der Fläche aus- Bestandteil des FFH-Lebensraumtyps 1130 gebreitet (Abb. 11). Die Art war höchstwahr- (Ästuarien), scheinlich vor 2006 in den dichten und hohen • Erhalt des FFH-Lebensraumtyps 7210 Schilfröhrichten nicht vertreten (V. Wach- (Kalkreiche Sümpfe mit Cladium mariscus) lin briefl.) und hat demnach seit Beginn der in den Fernen Wiesen. 64 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012

Zum Erreichen dieser Ziele wird empfohlen: Landröhrichten und für Schadefähre die Wie- • Fortsetzung der Pflegenutzung in den Fer- derherstellung und Entwicklung von Feucht- nen Wiesen und Murchiner Wiesen, weiden. Die Umsetzung dieser Vorschläge, für • Wiederherstellung der Insel Schadefähre als die erste Schritte u.a. durch den Förderverein Brutgebiet für Limikolen und Seggenrohr- „Naturschutz im Peenetal e.V.“ ergriffen wur- sänger. den, leistet einen Beitrag zur Wiederbelebung Die empfohlenen Maßnahmen in den Fer- historischer Nutzungsformen und zum Erhalt nen Wiesen und Murchiner Wiesen umfassen des standorttypischen Arteninventars des Pe- die einmalige Beseitigung von Gehölzen auf enetals (Görn und Fischer 2011). bis zu 10 ha im Nordteil der Fernen Wiesen und die regelmäßige Pflegemahd von insge- Danksagung samt mindestens 90 ha beiderseits der Peene Unser Dank gilt allen Personen, die an der Da- mit spezieller, für den Moorboden geeigneter tenerhebung beteiligt waren (insbesondere K. Mähtechnik, im Sommer/Herbst in Abhän- Schleicher, G. Olsthoorn, F. Schulze, F. Hacker gigkeit von der Wüchsigkeit. Die Pflegemahd und K. Parakenings), allen Personen und Or- soll jährlich variabel ausgeführt werden, so- ganisationen, die den Projektteil Peenetal des dass insgesamt auf einer Fläche von ca. 200 ha EU-LIFE-Projektes (LIFE05NAT/PL/000101) Pflegemaßnahmen stattfinden (Ferne Wiesen unterstützt haben (insbesondere Mitarbeitern 66 ha, Murchiner Wiesen 141 ha). Die Beräu- des Zweckverband „Peenetal-Landschaft“ und mung des Mähgutes auf möglichst 45 ha wird des VIP-Projektes der Universität Greifswald) zur Vermeidung von Nährstoffanreicherung sowie der Europäischen Union für die Finan- angestrebt. Alternativ könnte auch eine zwei- zierung des Projektes. schürige Mahd durchgeführt werden. Die empfohlenen Maßnahmen auf Schadefäh- 9. Literatur re umfassen einen dauerhaften Verschluss AWCT – Aquatic Warbler Conservation Team von Entwässerungsgräben, die Entfernung (1999): World population, trends von Schilfröhricht und anderer hochwüchsi- and conservation status of the Aqua- ger Vegetation als Rückzugsgebiete für Boden- tic Warbler Acrocephalus paludicola. prädatoren, die Ausweitung der bisherigen Vogelwelt 120: 65-85. Pflegemahd und Kombination mit Pflegebe- van Diggelen, R., Wierda, A. (1994): Hydro- weidung in Abhängigkeit von den Wasser- ökologische Untersuchungen im ständen sowie eine an den Erfordernissen des Peenehaffmoor. Laboratorium voor Vogelschutzes ausgerichtete Jagdausübung. Plantenoecologie, Rijksuniversiteit Diese Vorschläge greifen Ideen aus der Zeit der Groningen und Botanisches Institut, Ausweisung des NSG „Unteres Peenetal (Pee- EMAU Greifswald. netalmoor)“ auf, dessen Unterschutzstellung Dyrcz, A., Czeraszkiewicz, R. (1993): ursprünglich auch wegen der Brutvorkommen Liczebność, zagrożenia i sposoby bedrohter Vogelarten, deren Lebensraum von ochrony populacji lęgowej wodnicz- extensiver Nutzung bzw. Pflege abhängig ist, ki (Acrocephalus paludicola) w Polsce. erfolgte (Holz et al. 1983). Die Behandlungs- Not. Orn. 34: 231-246. richtlinie für das NSG „Unteres Peenetal“ vom Fischer, U. (2004): Entwicklung der Kultur- 30.05.1988 sieht die Entwicklung von 200-350 landschaft im Peene-Talmoor seit ha jährlich gemähter Feuchtwiesenflächen 1700. Historisch-landschaftsökolo- sowie von 100 ha Seggenrieden vor. Sie sind gische Untersuchung eines nord- auch in Übereinstimmung mit den flächen- ostdeutschen Flußtalmoores unter bezogenen Schutzzielen im Pflege- und Ent- besonderer Berücksichtigung des wicklungsplan des Naturschutzgroßprojektes frühneuzeitlichen Zustandes. Inau- (I.L.N. Greifswald 1998). Diese umfassen für guraldisseration Universitat Greifs- die Fernen Wiesen und Murchiner Wiesen wald. 2 Bd. auch die Einbeziehung der eutrophen Formen Görn, S., Fischer, K. (2011): Niedermoore der Phragmiteten in Nutzungs- oder Pflegere- Nordostdeutschlands bewerten. Vor- gime zur Vorbeugung der Ausdehnung von schlag für ein faunistisches Bewer- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 52-65, 2012 65

tungsverfahren. Naturschutz und Subklew, H. (2004): Kartierung von Riedwie- Landschaftsplanung 43: 211-217. sen auf der Insel Schadefähre im Heise, G. (1977): Seggenrohrsänger - Acroce- NSG Peenetalmoor unter besonde- phalus paludicola (Vieill. 1817). In: rer Berücksichtigung des Habitatpo- Klafs, G., Stübs, J. (Hrsg.): Die Vogel- tenzials für den Seggenrohrsänger welt Mecklenburgs. G. Fischer Verlag, (Acrocephalus paludicola). Projektbe- Jena. S. 232. richt, Universität Greifswald. Helmecke, A., Sellin, D., Fischer, S., Sadlik, Tanneberger, F., Bellebaum, J., Flade, M., J., Bellebaum, J. (2003): Die aktuelle Kube, J., Sellin, D., Vegelin, K. (2007): Situation des Seggenrohrsängers in Polnisch-deutsches Life-Projekt zum Deutschland. Ber. Vogelsch. 40: 81- Schutz des Seggenrohrsängers (Acro- 89. cephalus paludicola) im Peenetal. Na- Holz, R., Sellin, D., Erdmann, F. (1983): Dy- turschutzarb. Mecklenbg.-Vorpomm. namik und Status der Avizönose des 50. Jhg., Heft 2: 38-42. NSG „Peenetalmoor“ – ein Beitrag zur Tanneberger, F. (2008): The Pomeranian po- Pflegekonzeption. Arch. Naturschutz pulation of the Aquatic Warbler (Ac- u. Landschaftsforsch. 23: 223-249. rocephalus paludicola) - habitat selec- I.L.N. Greifswald (1998): Pflege- und Ent- tion and management. Dissertation, wicklungsplan für das Naturschutz- Universität Greifswald. großprojekt mit gesamtstaatlich Tanneberger, F., Bellebaum, J., Frick, A. (2010): repräsentativer Bedeutung Peenetal- Managementplan für den Seggen- Landschaft. Unveröff. Gutachten, rohrsänger. Gutachten im Auftrag Greifswald. des LUGV Brandenburg. Krogulec, J. (ed.) (1998): Ptaki łąk i mokradeł Teichmann, A., Conrad, U. (1978): Zur Brut- Polski – stan populacji, zagrożenia vogelwelt der unteren und mittleren i perspektywy ochrony. Fundacja Peeneniederung. Arch. Freunde Na- IUCN, Poland. turgesch. Mecklenbg. 18: 89-97. Lachmann, L., Marczakiewicz, P., Grzywa- Völlm, C. (2012): Optimierung des Unteren czewski, G. (2010): Protecting Aqua- Peenetals für den Moor- und Wiesen- tic Warblers (Acrocephalus paludicola) brüterschutz: Analyse und Manage- through a landscape-scale solution mentvorschläge. Diplomarbeit, Uni- for the management of fen peat mea- versität Greifswald. dows in Poland. Grassland science in Europe 15: 711-713. Prill, H. (1967): Die Rolle der Beweidung für das Vorkommen einiger seltener Vo- gelarten. Unveröffentl. Manuskript, Fundort: NSG-Archiv des LUNG. 66 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 66-67, 2012

Welche Faktoren beeinflussen das Prädationsrisiko? Kunstnestexperimen- te auf Salzwiesen

Martin Maier1, Klaus-Michael Exo2, Almut Schlaich2 und Julia Stahl1

1 AG Landschaftsökologie, Universität Oldenburg, 26111 Oldenburg 2 Institut für Vogelforschung, „Vogelwarte Helgoland“, An der Vogelwarte 21, 26386 Wilhelmshaven Kontakt: [email protected]

Die Brutbestände zahlreicher Wiesenvogelar- onsstruktur bestimmt. Die Verstecktheit der ten haben in Nordwesteuropa in den letzten Nester, gemessen als relativer Lichteinfall im Jahrzehnten dramatisch abgenommen. Die Nest, stellte sich als entscheidende Variable Rückgänge scheinen in erster Linie auf einer für die Prädationswahrscheinlichkeit heraus. zu geringen Reproduktion in Folge erhöhter Je besser die Nester versteckt waren, umso Prädation zu beruhen. Die Brutbestände der höher war die Überlebenswahrscheinlichkeit Salzwiesen des Wattenmeeres waren lange eines Nestes. Darüber hinaus waren die Ve- Zeit stabil, sie schienen als letzte Rückzugsge- getationstypen von Bedeutung: Nester, die in biete zu fungieren. Jüngste Studien belegen, Quecken-Rasen (TMAP-Typ S.3.7) lagen, zeig- dass Brutvögel auf Festlandssalzwiesen deut- ten ein deutlich geringeres Prädationsrisiko lich geringere Schlupferfolgsraten erzielen als als Nester in Andel-Rasen (TMAP-Typ S.2.1), auf Salzwiesen der Inseln. Salzstrandmelden-Rasen (TMAP-Typ S.2.4) Als Hauptursache der Gelegeverluste auf oder Rotschwingel-Wiesen (TMAP-Typ S.3.3). Festlandssalzwiesen konnten Gelegeverlus- Auch die Vegetationshöhe, die nur eine ge- te durch Prädation identifiziert werden. Zur ringe Korrelation mit der Verstecktheit der systematischen Analyse des Prädationsrisikos Nester aufwies, beeinflusste das Prädations- wurden in sechs Salzwiesengebieten der nie- risiko. Ein weiterer Faktor war der Abstand dersächsischen Festlandsküste in den Jahren zum Deich, der je nach Prädatorengruppe 2007-2009 Kunstnestexperimente mit ins- unterschiedlich starken Einfluss hatte. Im Fal- gesamt 691 Kunstnestern durchgeführt. Ziel le von Säugern als Prädatoren zeigte sich ein war eine ökologische Bewertung des Einflus- erhöhtes Prädationsrisiko nahe am Deich, bei ses von Nistplatzwahl und Nesteigenschaften Vogelprädatoren war dieser Faktor hingegen auf Prädationsereignisse. Im Jahr 2008 wur- von untergeordneter Bedeutung. den drei Versuchsreihen im Laufe der Brut- Die landwirtschaftliche Nutzung der Salzwie- saison (Ende April, Ende Mai und Ende Juni) sen wirkte sich indirekt durch Veränderung mit insgesamt 430 Kunstnestern ausgebracht der Vegetationsstrukturen auf das Prädations- und mittels Survival Analysis (Cox PH model) risiko aus. ausgewertet. Die Kunstnester bestanden aus je Parallele Untersuchungen natürlicher Rot- drei Eiern der Wachtel Coturnix coturnix und schenkelnester belegen, dass Kunstnestexpe- einem Kunstei zur Prädatorenbestimmung. rimente die zeitlichen und räumlichen Präda- Die Kunstnester wurden Rotschenkelnestern tionsmuster, die bei Rotschenkeln erkennbar nachempfunden und die Prädation an natür- sind, sehr gut abbilden. Kunstnestexperimen- lichen Nestern des Rotschenkels Tringa tota- te sind somit zur systematischen Untersu- nus parallel untersucht.Das Prädationsrisiko chung der Prädation auf Salzwiesen geeignet. wurde im Wesentlichen durch die Vegetati- Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 66-67, 2012 67

Which Factors Influence the Predation natural Redshank nests was studies simulta- Risk? Experiments with Artificial Nests in neously. The predation risk was mainly influ- Salt Marshes enced by the vegetation structure. Nest con- cealment, measured as relative incidence of In recent years, the breeding populations light penetration to the nest, turned out to be of numerous meadow-breeding species in a definitive variable for predation probabil- Northwest Europe have undergone dramatic ity. The better hidden a nest, the higher was declines. These declines seem to be caused its probability of survival. Vegetation types primarily by insufficient reproduction rates constituted another important factor. Nests in due to increased predation. For many years, wheatgrass associations (Agropyretalia repen- the breeding populations of the salt marshes tis, TMAP-Type S.3.7) showed a significantly along the Wadden Sea remained stable and lower predation risk than nests in salt marsh appeared to serve as the last refuges for these grass associations (Puccinellietum maritimae, species. Recent studies show that breeding TMAP-Type S.2.1), grassleaf orache associa- birds in salt marshes on the mainland show tion (Atriplicetum littoralis, TMAP-Type S.2.4) significantly lower hatching rates than birds or red fescue meadows (TMAP-Type S.3.3). in salt marshes on the islands. Predation could In addition, predation risk was also influenced be identified as the main reason for nest losses by vegetation height, which only showed a in the mainland salt marshes. minor correlation to nest concealment. The For a systematic analysis of the predation risk, distance of the nests from the dike was an- between 2007 and 2009 we conducted experi- other factor with varying impact, depending ments with a total of 691 artificial nests in six on predator types. For mammalian predators, salt marsh areas along the coast of mainland there was an increased risk of predation in Lower Saxony. The study’s goal was the eco- the vicinity of the dike, while this factor only logical evaluation of the impact of nest site played a minor role for avian predators. The selection and nest site characteristics on pre- agricultural management of salt marshes in- dation events. In 2008, three test series with directly impacted the predation risk through a total of 430 artificial nests were conducted changes in the vegetation structure. during the breeding season (late April, late Parallel studies of natural Redshank nests sup- May and late June) and evaluated with Sur- port the supposition that experiments with vival Analysis (Cox PH model). Each artificial artificial nests quite accurately model the spa- nest contained three eggs of the Common tial and temporal predation patterns known Quail Coturnix coturnix and one artificial egg for Common Redshanks. In conclusion, ar- for predator identification. The artificial nests tificial nest experiments were found to be a were modeled after the nest of the Common suitable tool for the study of predation in salt Redshank Tringa totanus, and the predation of marshes. 68 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 68, 2012

Prädatorenmanagement in Küstenvogelbrutgebieten Mecklenburg-Vor- pommerns

Frank Joisten

An der Düne 4, 17367 Kontakt: [email protected]

Raubsäuger und Schwarzwild Sus scrofa haben Predator Management in Coastal Breeding in Küstenvogelbrutgebieten erhebliche Aus- Areas in Mecklenburg-Western Pomerania wirkungen auf den Bruterfolg und auch auf den Brutbestand. Bedingt durch die nach der Mammalian predators and Wild Boar Sus scrofa Tollwutimmunisierung stark angewachsenen sicnificantly impact the breeding success and Fuchs- und Marderhundbestände war in vie- breeding population size of birds in coastal len Küstenvogelbrutgebieten Mecklenburg- breeding areas. Due to the greatly increasing Vorpommerns ab Mitte der 1990er Jahre ein populations of Red Fox Vulpes vulpes and Rac- starker Rückgang der Bodenbrüter festzustel- coon Dog Nyctereutes procyonoides in the wake len. Aus einigen Brutgebieten verschwanden of rabies immunization, many coastal bree- die Küstenvögel fast vollständig, obwohl die ding areas in Mecklenburg-Western Pomerania Gebiete von ihrer Vegetationsstruktur her have shown a significant decrease in ground nach wie vor eine sehr gute Habitateignung breeding bird species. Coastal breeding species aufwiesen. have disappeared almost entirely from cer- Zur Sicherung der Brutbestände und des Brut- tain areas, despite the fact that the vegetation erfolges in Küstenvogelschutzgebieten bildete structure of those areas still provides highly sich innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Küs- suitable habitats. In order to conserve the tenvogelschutz Mecklenburg-Vorpommerns breeding populations and to ensure breeding 2006 eine eigene Arbeitsgruppe Prädatoren- success in coastal conservation areas, in 2006 a kontrolle aus erfahrenen Jägern und Vogel- special working group for predator control was schützern. Die Arbeitsgemeinschaft Küsten- formed within the working group of coastal vogelschutz erstellte eine Übersicht von bird conservation in Mecklenburg-Western zunächst 16 Gebieten, in denen eine Prädato- Pomerania (Arbeitsgemeinschaft Küstenvo- renkontrolle möglich erschien. gelschutz Mecklenburg-Vorpommern), inclu- Für jedes dieser Gebiete, meist Inseln oder ding experienced hunters and conservation- Halbinseln, wurde mit Hilfe des ornitholo- ists. The working group compiled an initial gischen Gebietsbetreuers und von in der overview for 16 areas where predator control Prädatorenbejagung besonders erfahrenen was deemed feasible. With the aid of hunters Jägern ein spezielles Konzept entwickelt, um with special experience in predator control and Raubwild und Schwarzwild auszuschließen. the resident ornithological supervisor, a special Dabei wurden aufgrund der unterschiedlichen concept was developed for each area (prima- Geländebedingungen verschiedene jagdliche rily islands or peninsulas) to exclude mamma- und technische Maßnahmen eingesetzt, um lian predators and wild boar. Depending on eine Prädatorenfreiheit zu erzielen. local conditions, different hunting methods Anhand einiger ausgewählter Küstenvogel- and technical measures were implemented to schutzgebiete werden die positiven Ergebnisse achieve the removal of predators. This paper professioneller Prädatorenkontrolle auf den illustrates the positive results of professional Bruterfolg und das Anwachsen von Brutbe- predation control for breeding success and the ständen dargestellt. increase of breeding populations in selected Vor allem zeigt die Arbeit, wie erfolgreiche Zu- coastal bird conservation areas. Most impor- sammenarbeit zwischen Vogelschützern und tantly, this study shows the possibility of a Jägern aussehen kann. successful cooperation between bird conserva- tionists and hunters. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 69, 2012 69

Einheimische und gebietsfremde Raubsäuger und deren Einfluss auf Was- servögel

Norman Stier

Technische Universität Dresden – Forstzoologie, 01737 Tharandt Kontakt: [email protected]

Im Rahmen eines neunjährigen Forschungs- Native and Introduced Mammalian Preda- projektes (2003-2011), das aus Mitteln der tors and their Impact on Water Birds Jagdabgabe von Mecklenburg-Vorpommern finanziert wird, soll die Rolle unterschiedli- The nine-year research project (2003-2011), cher Prädatoren bei der Prädation auf Was- funded through the Mecklenburg-Western servögel und deren Gelege geklärt werden. Pomerania hunting tax, aims at examining Im Focus stehen die Raumnutzung, die Nah- the impact of various predators on the preda- rungsökologie und Populationsdichten von tion of water birds and their nests. The main acht Raubsäugerarten. Durch Hochrechnun- focus of this study is the spatial use, feeding gen der Ergebnisse der Nahrungsanalysen in ecology and population density of eight spe- Verbindung mit den Bestandszahlen soll eine cies of mammalian predators. By extrapola- grobe Abschätzung des Einflusses versucht ting the results of the food analyses in connec- werden, um eine Bewertung der einzelnen tion with population numbers, we attempt a Arten zu ermöglichen. rough estimate of the impact of predation in In den letzten zweieinhalb Projektjahren order to evaluate the role of each species. (2009-2011) erfolgt eine Prädatorenregulie- During the past two and a half project years rung, die durch ein Monitoring der Prädato- (2009-2011), predator populations were regu- ren und durch Bruterfolgskontrollen begleitet lated, accompanied by predator monitoring werden. Beim Monitoring kommen vor allem and breeding success control. The monitoring Fotofallen und Mink-Spurflöße zum Einsatz. primarily employed camera traps and mink Es soll einerseits geklärt werden, ob und mit tracking rafts. On the one hand, the study welchen Mitteln eine Bestandesreduktion der aims to determine if, and by which means, it Raubsäuger möglich ist. Andererseits steht die is possible to reduce predator populations. It Frage, ab welchem Reduktionsergebnis sich will also attempt to determine what level of der Bruterfolg signifikant erhöht. Außerdem reduction can lead to a significant increase in sollen unterschiedliche Bejagungsmethoden breeding populations. In addition, different evaluiert werden. hunting methods will be evaluated. Im Zusammenspiel der Ergebnisse sollen The comprehensive results of the study will Managementempfehlungen für den Umgang lead to recommendations for predator man- mit Prädatoren gegeben werden, die teilweise agement that may be applicable in part or en- oder vollständig auf andere Gebiete übertra- tirely to other areas, as well. gen werden können. 70 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 70-75, 2012

Gelegeprädation bei Wasservögeln im Naturschutzgebiet „Fischteiche in der Lewitz“ – Eine Zwischenbilanz der Jahre 2009 und 2010

Marcus Borchert1, Norman Stier, Jana Zschille und Mechthild Roth

Borchert, M, Stier, N., Zschille, J. Roth, M. (2012): Gelegeprädation bei Wasservögeln im Na- turschutzgebiet „Fischteiche in der Lewitz“ – Eine Zwischenbilanz der Jahre 2009 und 2010. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1: 70-75. In den Jahren 2009 und 2010 wurden im NSG „Fischteiche in der Lewitz“ insgesamt 121 Nester der Arten Höckerschwan Cygnus olor, Graugans Anser anser, Stockente Anas platyrhynchos, Zwergtau- cher Tachybaptus ruficollis, Haubentaucher Podiceps cristatus und Blässhuhn Fulica atra hinsichtlich des Bruterfolgs und der Prädation untersucht. Um die Prädatoren feststellen zu können, wurde ein Teil der Nester mit Videotechnik überwacht. Bei den kontrollierten Stockentennestern wurde eine Prädationsrate von 100 %, bei den Blässhuhnnestern von 55 % und bei den Höckerschwannestern von 4 % festgestellt. Die Stichprobengröße bei Graugans- und Tauchernestern war für belastbare Aussagen zu gering. Als Prädatoren wurden Raubsäuger und Vögel ermittelt, wobei Mink Neovison vison und Marderhund Nyctereates procyonoides besondere Bedeutung zukommt.

Borchert, M, Stier, N., Zschille, J. Roth, M. (2012): Nest Predation in Water Birds in the Nature Reserve (NSG) “Lewitz Fish Ponds” – Interim Results 2009 and 2010. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1: 70-75. In 2009 and 2010, we examined the breeding success and predation at a total of 121 nests of Mute Swan Cygnus olor, Greylag Goose Anser anser, Mallard Anas platyrhynchos, Little Grebe Tachybaptus ruficollis, Great Crested Grebe Podiceps cristatus and Eurasian Coot Fulica atra in the Nature Reserve (NSG) “Lewitz Fish Ponds.” The presence of predators was recorded through video surveillance at some of the nests. The study showed a predation rate of 100 % for Mallard nests, 55 % for Eura- sian Coot nests and 4 % for Mute Swan nests. The sample size for Greylag Goose and grebes was too small to make any definitive statements. Observed predators included mammals and birds, predominantly Mink Neovison vison and Raccoon Dog Nyctereates procyonoides.

1 Lehrstuhl für Forstzoologie, Technische Universität Dresden, Pienner Straße 7, 01737 Tharandt, E-Mail: [email protected]

1. Einleitung überwacht. Im Folgenden werden einige Im Rahmen eines im Auftrag der Obersten Zwischenergebnisse dieser Untersuchungen Jagdbehörde von Mecklenburg-Vorpommern aus den Jahren 2009 und 2010 vorgestellt. bearbeiteten Projektes zum Monitoring von Im Herbst 2009 wurde mit einer weiteren Wasservogelarten und deren Prädatoren im Projektphase, der Raubsäugerregulierung, Naturschutzgebiet (NSG) „Fischteiche in begonnen. Der Einfluss der Regulierung auf der Lewitz“ (Mecklenburg-Vorpommern) das Prädationsgeschehen soll an dieser Stelle erfolgten in den Jahren 2005 und 2007 allerdings nicht thematisiert werden. bis 2010 systematische Kontrollen an 256 Wasservogelnestern. Hierbei standen vor 2. Untersuchungsgebiet allem die Arten Höckerschwan Cygnus Die Untersuchungen wurden im olor, Graugans Anser anser, Stockente Anas NSG „Fischteiche in der Lewitz“ in platyrhynchos, Haubentaucher Podiceps Südwestmecklenburg durchgeführt. Das NSG cristatus und Blässhuhn Fulica atra im Focus. umfasst eine Fläche von etwa 1.700 ha und Ziel der Kontrollen war die Ermittlung des ist gleichzeitig Bestandteil des Europäischen Schlupferfolges, der Gelegeprädatoren sowie Vogelschutzgebietes (SPA) Lewitz. Derzeit der Raten der Gelegeprädation. Zusätzlich werden 748 ha der Teichfläche für die extensive wurden ausgewählte Nester mit Videoanlagen Karpfenzucht genutzt (Zimmermann 2008). Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 70-75, 2012 71

Die durchschnittliche Teichtiefe liegt und Boschert (2003) zur Identifizierung der zwischen 1,00 m und 1,80 m. In einigen Prädatoren. In vielen Fällen ist es allerdings Teichen gibt es Inseln, die überwiegend nicht möglich, die Prädatoren lediglich anhand mit Gehölzen, vor allem Weidenarten Salix der Spuren an den Eischalen bis zur Art zu spec., Schwarz-Erle Alnus glutinosa, Holunder bestimmen. Die Raubsäuger wurden deshalb Sambucus nigra, Hänge-Birke Betula pendula zunächst nach großen Raubsäugern - Fuchs und Stiel-Eiche Quercus robur, bewachsen Vulpes vulpes, Dachs Meles meles, Marderhund sind. Die Röhrichtgürtel, hauptsächlich Nyctereutes procyonoides, Waschbär Procyon bestehend aus Gemeinem Schilf Phragmites lotor, Fischotter Lutra lutra - und kleinen australis, Schmalblättrigem Rohrkolben Raubsäugern - Baummarder Martes martes, Typha angustifolia und Kalmus Acorus calamus, Steinmarder Martes foina, Iltis Mustela putorius, weisen in den verschiedenen Teichen recht Mink Neovison vison - unterschieden. unterschiedliche Ausdehnungen auf und fehlen teilweise auch völlig. In Nachbarschaft 3.2 Videoüberwachung zu den Teichen befinden sich überwiegend Der Aufbau von Kameras zur sicheren landwirtschaftlich genutzte Grünlandflächen Identifizierung der Prädatoren erfolgte nur mit eingestreuten Gehölzinseln und an Nestern, die sich dafür hinsichtlich der -streifen. Lediglich im Nordwesten grenzt örtlichen Gegebenheiten eigneten und deren ein größerer Waldkomplex an. Das NSG wird Gelege vollständig war. Es wurden Kameras von der Müritz-Elde-Wasserstraße und der verschiedener Brennweiten verwendet, die Störwasserstraße durchflossen. mit Infrarotdioden für Nachtaufnahmen ausgestattet sind. 3. Material und Methode Bei den verwendeten Dioden liegt die 3.1 Nestkontrollen Infrarotstrahlung in einem für Raubsäuger Die Suche der Wasservogelnester erfolgte unsichtbaren Wellenlängenbereich >880 nm. ausschließlich in den Grenzen des NSG Die Aufzeichnung der Bilder erfolgte mit „Fischteiche in der Lewitz“. Den räumlichen dem System MemoCam®, welches bei Schwerpunkt der Nestersuche und -kontrolle Bewegungen im Kamerabereich automatisch bildeten in allen Jahren die Teiche Dagmar die Aufzeichnung startet. Die Bilder wurden 1 und Dagmar 2 sowie der Neuhofer Teich. auf eine 2 GB SD-Karte gespeichert. Die Neben einer jährlich beibehaltenen etwa Stromversorgung erfolgte über Autobatterien. 4,7 km langen sog. Standardroute, welche Batterie und Rekorder wurden in einem hauptsächlich einen Teil der in den Teichen Abstand von 50-100 m vom Neststandort gelegenen Inseln abdeckt, wurden auch platziert, um so einen störungsfreien wechselnde Uferabschnitte und weitere Wechsel von Speicherkarte und Batterie zu Inselbereiche der genannten Teiche gewährleisten. kontrolliert. Die darüber hinaus in die Kontrollen zusätzlich einbezogenen Teiche 4. Ergebnisse und Diskussion variierten in den verschiedenen Jahren. In den Jahren 2009 und 2010 wurden Die Suche und Kontrolle der Nester erfolgte insgesamt 28 Höckerschwan-, 8 Graugans-, in einem 10-14tägigen Rhythmus von Mitte 34 Stockenten-, 3 Zwergtaucher-, April bis Ende Juni/Mitte Juli in der Regel 7 Haubentaucher- und 42 Blässhuhnnester durch zwei Personen, teilweise unter Nutzung kontrolliert. Eine detaillierte Übersicht eines Doppelkajaks. Es wurden nur eindeutig der Monitoringergebnisse zeigt Tab. 1. Im als Brutnester identifizierte Nester erfasst. Berichtszeitraum wurden zusätzlich zu Fehlten die Eier, wurde das Nest und die den regulären Kontrollen 6 Stockenten-, Nestumgebung nach Hinweisen auf Schlupf 5 Blässhuhn- und ein Zwergtauchernest mit oder Prädation untersucht. Vorhandene Videotechnik überwacht. Dabei konnten Eischalen wurden eingesammelt und auf Mink, Marderhund, Waschbär, Rohrweihe Prädationsspuren, wie z. B. Eckzahnabdrücke, Circus aeruginosus sowie „Aaskrähe“ Corvus geprüft. Neben den eigenen Erfahrungen diente corone ssp. als Nestprädatoren ermittelt werden der Bestimmungsschlüssel von Bellebaum (Tab. 2). 4. Ergebnisse und Diskussion In den Jahren 2009 und 2010 wurden insgesamt 28 Höckerschwan-, 8 Graugans-, 34 Stockenten-, 3 Zwergtaucher-, 7 Haubentaucher- und 42 Blässhuhnnester kontrolliert. Eine 72 detaillierte Übersicht derOrnithol. Monitoringergebnisse Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. zeigt Tab. 1. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 70-75, 2012

Tab. 1: Ergebnisse des Brutvogelmonitorings 2009 und 2010. Tab.Table 1: Ergebnisse 1: Results des of Brutvogelmonitorings the breeding bird monitoring 2009 und in2010. 2009 and 2010. Table 1: Results of the breeding bird monitoring in 2009 and 2010. 2009 2010 2009/10 Art / Gruppe gesamt Erfolg ??? Präd. gesamt Erfolg ??? Präd. gesamt Präd. n n n n n n n n n n (%) (%) (%) Höckerschwan 15 14 1 0 (0) 13 11 1 1 (8) 28 1 (4) Cygnus olor Graugans 3 1 0 2 5 1 1 3 8 5 Anser anser (66) (60) (63) Stockente 13 0 0 13 20 0 - 20 33 33 Anas (100) (100) (100) platyrhynchos Lappentaucher 8 3 1 4 2 0 - 2 10 6 Podicipedidae (50) (100) (60) Blässhuhn 31 6 7 18 11 1 5 5 42 23 Fulica atra (58) (45) (55) (???: unklar, Präd.: Prädation) Tab. 2: Prädatoren an videoüberwachten Nestern 2009/10. TableIm 2: Berichtszeitraum Predators at nests wurdenwith video zusätzlich surveillance, zu de 2009/10.n regulären Kontrollen 6 Stockenten-, 5 Blässhuhn- und ein Zwergtauchernest mit Videotechnik überwacht. Dabei konnten Mink, Marderhund,Art Waschbär, RohrweiheAnzahl Circus videoüberwachter aeruginosus sowie „AaskrähePrädator/-“enCorvus corone ssp. als Nestprädatoren ermittelt prädierterwerden (Tab Nester. 2). Blässhuhn Fulica atra 2 Rohrweihe Circus aeruginosus Tab. 2: Prädatoren an videoüberwachten Nestern1 2009/10. Mink Neovison vison + Table 2: Predators at nests with video surveillance, 2009/10. Rohrweihe Circus aeruginosus ArtStockente Anas Anzahl videoüberwachter2 Prädator/Marderhund-en Nyctereutes platyrhynchos prädierter Nester procyonoides + „Aaskrähe“ Blässhuhn Fulica atra 2 RohrweiheCorvus coroneCircusssp. 1 aeruginosusMarderhund Nyctereutes 1 Minkprocyonoides Neovison vison + 2 RohrweiheMink NeovisonCircus vison 1 aeruginosusMink Neovison vison + Stockente Anas 2 Marderhund“Aaskrähe” CorvusNyctereutes corone platyrhynchos procyonoidesssp. + „Aaskrähe“ Zwergtaucher Tachybaptus 1 CWaschbärorvus coroneProcyonssp. lotor ruficollis 1 Marderhund Nyctereutes procyonoides 4.1 Stockente 2 festgestellt. ZweiMink GelegeNeovison (5 vison%) wurden von Die Prädationsrate bei den kontrollierten1 Schalenwild zertreten,Mink Neovison bei sieben vison Nestern+ (17 %) Stockentennestern lag in beiden Jahren bei konnte der Prädator nicht genauer bestimmt 100 %. Als Prädatoren wurden 13-mal kleine werden (Abb. 1). Durch die Videoüberwachung Raubsäuger (32 %), zwölfmal große Raubsäuger konnten diese Ergebnisse in Teilen präzisiert (29 %), einmal Wanderratte Rattus norvegicus werden. So wurde je dreimal ein Marderhund (2 %) und sechsmal Rabenvögel (15 %) (großer Raubsäuger) und ein Mink (kleiner Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 70-75, 2012 73

Waschbär, Mink und Fischotter nachgewiesen werden (Marunke 2011; Siebke 2010). Zusätzlich wurden die Inseln regelmäßig von Wildschweinen Sus scrofa und Rehen Capreolus capreolus genutzt. Aus der Gruppe der kleinen Raubsäuger kommt demzufolge nur der Mink als Prädator auf den Inseln in Frage. Der Iltis konnte im Untersuchungsgebiet nur spora- disch außerhalb der Brutzeit nachgewiesen werden und dürfte daher als Gelegeprädator keine wesentliche Rolle spielen. Aus der Gruppe der großen Raubsäuger lässt sich der Fuchs auf den Inseln so gut wie ausschließen. Gemessen an der hohen Frequentierung der Inselstandorte durch Marderhunde, dürfte diese Art den Hauptteil der Prädation Abb. 1: Prädatoren an Gelegen der Stockente Anas innerhalb der Gruppe der großen Raubsäuger platyrhynchos im NSG „Fischteiche in der Lewitz“ in verursachen. Diese Einschätzung wird auch den Jahren 2009 und 2010 (n = 34). durch die Ergebnisse der Videoüberwachung Fig. 1: Predators at Mallard Anas platyrhynchos nests gestützt. in the NSG “Lewitz Fish Ponds” in 2009 and 2010 (n = 34). Der Anteil der Rabenvögel am Prädationsgeschehen lässt sich nur Raubsäuger) als Prädator bestimmt. An drei ungenügend abbilden, da die Eier in der Regel durch Marderhund und Mink teilprädierten vom Nest fortgetragen werden. Einzelne Funde Nestern traten einmal die Nebelkrähe Corvus von durch Rabenvögeln prädierten Eiern ließen cornix und zweimal die Rabenkrähe Corvus sich meistens keinem Nest zuordnen. Die corone als Sekundärprädatoren auf (Tab. 2; Videoüberwachung der Nester legt zudem den Abb. 2). Die kontrollierten Stockentennester Schluss nahe, dass die Rabenvögel überwiegend lagen überwiegend auf Inseln innerhalb der als Folgeprädatoren an bereits gestörten bzw. Teiche. Bei dem parallel durchgeführten teilprädierten Stockentennestern, bei denen Raubsäugermonitoring konnten zur Brutzeit die Eier unbedeckt oder unbewacht im Nest auf den kontrollierten Inseln nur die liegen, auftreten. Eine Primärprädation durch potentiellen Prädatoren Marderhund, Dachs, Rabenvögel konnte bei den Enten in keinem

Abb. 2: Marderhund Nyctereutes procyonoides und Nebelkrähe Corvus cornix als Prädatoren am selben Stock- entennest. Fig. 2: Raccoon Dog Nyctereutes procyonoides and Hooded Crow Corvus cornix as predators at the same mal- lard nest. 74 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 70-75, 2012

Fall nachgewiesen werden. Generell lässt sich die Prädation eines Geleges durch mehrere Arten anhand der Spuren im Nest nur schwer nachweisen. Durch die Videobeobachtung konnten an den Stockentennestern dreimal Prädationen durch zwei verschiedene Arten nachgewiesen werden (Tab. 2). Die reale Zahl dieser Mehrfachprädationen dürfte allerdings höher liegen. Gelegeprädation durch Schwarzwild konnte 2009/10 nicht festgestellt werden. Es war aber auffällig, dass die Inseln mit sehr starker Wildschweinpräsenz von den Stockenten anscheinend als Brutplatz gemieden wurden. Der hohe Prädationsdruck im Untersuchungs- gebiet wird mit folgenden Zahlen besonders deutlich: im Jahr 2009 waren 62 % (n = 8) und im Jahr 2010 waren 70 % (n = 14) der Stockentengelege bereits prädiert, bevor sie überhaupt gefunden wurden.

4.2 Blässhuhn Die Brutsituation des Blässhuhns im Untersuchungsgebiet stellt sich in den beiden Jahren sehr unterschiedlich dar. Konnten im Jahr 2009 noch 31 Brutnester des Blässhuhns kontrolliert werden, verringerte sich die Zahl Abb. 4: Mink Neovison vison und Rohrweihe Circus im Jahr 2010 auf elf, da deutlich weniger aeruginosus als Prädatoren am selben Blässhuhnnest. Brutpaare im Gebiet anwesend waren. Fig. 4: Mink Neovison vison and Marsh Harrier Circus aeruginosus as predators at the same coot nest. Ursachen hierfür konnten bisher nicht ermittelt werden. Von den insgesamt 42 kontrollierten Schlupf der Küken festgestellt werden, bei Blässhuhnnestern wurden 24 sicher prädiert. elf Gelegen (26 %) konnte nicht eindeutig Die ermittelten Prädationsraten lagen im festgestellt werden, ob sie erfolgreich erbrütet Jahr 2009 bei 58 % und im Jahr 2010 bei oder prädiert wurden. Da auch hier von einem 45 %. Bei sieben Nestern (17 %) konnte der Anteil prädierter Gelege ausgegangen werden muss, dürften die realen Prädationsraten deutlich über den o.g. liegen. Eine vorsichtige Schätzung liegt bei 70 % über beide Jahre gemittelt. Als Prädatoren konnten zu je 37 % Raubsäuger und Rohrweihen ermittelt werden, bei etwa einem Viertel der prädierten Gelege Abb. 3: Prädatoren an Gelegen des Blässhuhns Fulica atra im NSG „Fischteiche in der Lewitz“ in den Jahren 2009 und 2010 (n = 42). konnte kein Prädator Fig. 3: Predators at Eurasian Coot Fulica atra nests in the NSG “Lewitz Fish genauer bestimmt Ponds” in 2009 and 2010 (n = 42). werden (Abb. 3). An Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 70-75, 2012 75 sechs Nestern prädierte zweifelsfrei ein kleiner von 100 % und den untersuchten Raubsäuger. Aufgrund seiner semiaquatischen Blässhuhnnestern von 55 % (geschätzt real Lebensweise kommt an den Schwimmnestern >70 %!) bestandserhaltende Nachwuchsraten des Blässhuhns wohl nur der Mink in Frage. Der aus, da zusätzlich noch mit einer nicht Einfluss des Iltisses ist, wie bereits oben erwähnt unerheblichen Jungvogelprädation gerechnet zu vernachlässigen. In zwei Fällen konnte nicht werden muss. Der Hauptanteil der Prädation genau ermittelt werden, ob es sich um einen wird durch Raubsäuger verursacht. Besondere großen oder kleinen Raubsäuger handelte. Bedeutung fällt hierbei den Neozoen Mink - In einem Fall konnte ein Mink als Prädator der sowohl Schwimmnester, als auch Nester mittels der Videoüberwachung festgestellt an Land prädiert - und Marderhund zu. Bei werden. Die Rohrweihe wurde mit Hilfe der einem weiter ansteigenden Waschbärbestand Videotechnik dreimal als Sekundärprädator an muss auch bei diesem Neubürger mit einer bereits vorher teilprädierten Nestern bestimmt Erhöhung des Einflusses gerechnet werden. (Tab. 2; Abb. 4). Bei sechs Nestern in denen Eine Verbesserung der Brutergebnisse im Gebiet sich durch Rohrweihen prädierte Eier fanden, lässt sich nur durch eine dauerhafte Senkung kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Raubsäugerdichte erreichen. Dies hätte diese ebenfalls bereits vorher teilprädiert und darüber hinaus den Zusatzeffekt, dass auch infolge dessen aufgegeben waren. der Anteil der Prädation durch Rabenvögel und Rohrweihen, die ja zur Zeit in der Regel 4.3 Höckerschwan, Graugans und Taucher Folgeprädatoren sind, zurückgehen könnte. Die Gelege der Höckerschwäne im Untersuchungsgebiet sind von Prädation nur Danksagung geringfügig betroffen. Im Berichtszeitraum Die langjährigen Forschungsarbeiten wurden 28 Höckerschwannester kontrolliert. wurden dankenswerterweise aus Mitteln Es konnte lediglich bei einem Nest eine der Jagdabgabe des Landes Mecklenburg- Prädation durch einen nicht näher bestimmten Vorpommern sowie durch zwei Landes- großen Raubsäuger nachgewiesen werden. graduiertenstipendien des Freistaates Sachsen Die nur geringen Stichproben der kontrollierten finanziert. Unser Dank für die Unterstützung Graugans- (n = 8) und Tauchernester (n = 10) bei den Freilandarbeiten gilt besonders Tina lassen keine belastbaren Aussagen zu. Die Stahl, Torsten Rese, Saskia Wuttke, Manuela Ergebnisse der Kontrollen sollen trotzdem Bartel sowie den Mitarbeitern der Lewitz-Fisch nicht unerwähnt bleiben. Von den acht GmbH. Für den fachlichen Rat bedanken wir Graugansnestern wurden fünf (63 %) jeweils uns bei Dr. Horst Zimmermann (Schwerin). von einem nicht näher bestimmten großen Raubsäuger prädiert. Von zehn untersuchten 6. Literatur Hauben- und Zwergtauchernestern wurden Bellebaum, J., Boschert, M. (2003): Bestimmung sechs (60 %) prädiert (Tab. 1). Prädatoren von Predatoren an Nestern von waren in jeweils einem Fall Mink, Waschbär Wiesenlimikolen. Vogelwelt 124: 83- und ein unbestimmter Rabenvogel, in drei 91. Fällen konnte kein Prädator bestimmt werden. Marunke, A. (2011): Monitoring von Aufgrund der ähnlichen Brutökologie von Raubsäugern mittels automatischer Blässhuhn und Lappentauchern kann aber Digitalkameras. Bachelorarbeit. auch bei den Lappentauchern von einer Technische Universität Dresden. vergleichbaren Prädationssituation wie beim Siebke, P. (2010): Untersuchungen zu Blässhuhn ausgegangen werden. Raubsäugerdichten mittels Fotofallen. Bachelorarbeit. Technische 5. Schlussfolgerung Universität Dresden. Auch wenn die vorgestellten Ergebnisse nur Zimmermann, H. (2008): Die Vogelwelt des einen Teil der realen Prädationssituation im Naturschutzgebietes Fischteiche Untersuchungsgebiet widerspiegeln, schließen in der Lewitz. Ornithol. Rundbr. die ermittelten hohen Prädationsraten Mecklenbg.-Vorpomm. 46, bei den untersuchten Stockentennestern Sonderheft 1, 270 S. 76 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 76, 2012

Erste Ergebnisse von Gelegeschutzmaßnahmen an Küstenvögeln in der Emsmündung

Winfried Daunicht

Dorfstr. 20, 24863 Börm Kontakt: [email protected]

An der Emsmündung konnte in den Vor- Initial Results of Nest Protection Measures jahren beim Sandregenpfeifer Charadrius in the Ems Delta hiaticula trotz erster Gelegeschutzmaßnah- men nicht einmal ein minimaler Schlupfer- Despite initial nest protection measures for folg festgestellt werden. In diesem Jahr wurde Common Ringed Plovers Charadrius hiaticula durch eine intensive Überwachung des Brut- in the Ems delta, in previous years we could bestands und optimierte Schutzmaßnahmen not even observe a minimal hatching success. nicht nur ein Schlupferfolg, sondern auch ein This year, intense monitoring of the breeding ausreichender Bruterfolg erreicht. Hauptver- population and optimized protection mea- lustursachen bleiben für Gelege nach wie vor sures not only led to successful hatching but Überflutungen und Beutegreifer. Naturnahe also to a sufficient breeding success. Flooding Bereiche haben einen höheren Erfolg als an- and predation remain the main reasons for thropogen stark überprägte. nest losses. Seminatural areas show a higher breeding success than areas with strong an- thropogenic influences.

Sandregenpfeifer Charadrius hiaticula Foto: J. Reich Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 77, 2012 77

Verbreitung und Habitatnutzung von Küstenvögeln auf Wattflächen in Schleswig-Holstein

Franziska Güpner, Pauline Dierichsweiler, Philipp Schwemmer und Stefan Garthe

Forschungs- und Technologiezentrum Büsum, Universität Kiel, Hafentörn 1, 25761 Büsum Kontakt: [email protected]

Das Wattenmeer ist Rast- und Nahrungshabi- Distribution and Habitat Use of Coastal tat für zahlreiche hier brütende und durchzie- Birds on Mud Flats in Schleswig-Holstein hende Vogelarten. Während die Verbreitung und Habitatnutzung vieler Wattenmeervö- The Wadden Sea serves as an important res- gel am Rastplatz durch langjährige, interna- ting and feeding area for numerous breeding tionale Erfassungen gut dokumentiert sind, and migratory bird species. While distribution liegen bislang kaum Informationen über die and habitat use of many species in their rest- Verbreitung und Habitatnutzung von Watten- ing areas have been well documented by long- meervögeln in ihrem Nahrungshabitat vor. term international studies, there is still only Das Verständnis der Habitatansprüche und scant information about distribution and Verbreitungsmuster auf den Wattflächen ist habitat use in the feeding habitat. However, jedoch eine wichtige Grundlage für das Erken- a clear understanding of the habitat require- nen von Gründen der derzeitigen Bestands- ments and distribution patterns on mud flats rückgänge vieler Arten. may offer an important basis for determin- Durch schiffsbasierte Zählungen wurde die ing the reasons behind the current decline in Verbreitung und Abundanz ausgewählter many species. Ship-based surveys were con- Arten auf Wattflächen der Schleswig-Holstei- ducted to examine the annual distribution nischen Küste im Jahresverlauf untersucht. and abundance of selected species on mud Neben den Zählungen einzelner Individuen flats along the coast of Schleswig-Holstein. In wurde detailliert das Verhalten protokolliert. addition to individual counts, detailed behav- Hierdurch konnten die Kernverbreitungsräu- ior studies were conducted. This led to the me vieler Arten aufgedeckt werden. In einem identification of the core distribution areas for intensiver untersuchten Gebiet in der Nähe many species. In one intensely studied area von Büsum wurde eine Habitatmodellierung near Büsum, habitat modeling was conducted durchgeführt, indem die Verbreitungsmuster during which the distribution patterns of se- ausgewählter Arten mit Umweltfaktoren (Se- lected species were correlated with environ- dimentstruktur, Höhe der Wattflächen, Ent- mental factors (sediment structure, mud flat fernung zur Küste) in Verbindung gebracht height, distance from the coast). The species wurden. Die untersuchten Arten unterschie- showed significant differences in regard to den sich in ihren Verbreitungsschwerpunkten their main distribution and habitat require- und in ihren Habitatansprüchen. Die Verbrei- ments. However, the distribution was subject tung unterlag jedoch einer hohen jahreszeit- to high seasonal fluctuations. lichen Variabilität. 78 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 78, 2012

Seeregenpfeifer Charadrius alexandrinus in Schleswig-Holstein: Habitat- wahl und Hoffnungsschimmer?

Herrmann Hötker und Rainer Schulz

Michael-Otto-Institut im NABU, Goosstroot 1, 24861 Bergenhusen Kontakt: [email protected]

Der Seeregenpfeifer Charadrius alexandrinus Kentish Plover Charadrius alexandrinus in gehört zu den in Deutschland vom Ausster- Schleswig-Holstein: Habitat Selection and ben bedrohten Brutvogelarten. Der weitaus a Ray of Hope? größte Teil (mehr als 90 %) des auf knapp 200 Brutpaare bezifferten deutschen Bestan- The Kentish Plover Charadrius alexandrinus is des brütet in Schleswig-Holstein. Dort siedeln one of Germany’s breeding species in danger Seeregenpfeifer mittlerweile überwiegend of extinction. By far the largest part (more binnendeichs in vor einigen Jahrzehnten ein- than 90 %) of the German breeding popula- gedeichten Gebieten. Um mögliche Schutz- tion (estimated at just below 200 pairs) nests maßnahmen einzuleiten, wurden ab 2009 in Schleswig-Holstein. Nowadays, Kentish Daten zur Habitatwahl und zur Populations- Plovers mainly occur on the inland side of ökologie der Art (wieder) aufgenommen. dikes in areas that have been dammed up in Die Untersuchungen zeigten, dass Seeregen- the past decades. In order to initiate potential pfeifer außer in natürlichen Strand-Lebens- protection measures, in 2009 we (again) be- räumen vor allem auf binnendeichs durch Si- gan collecting data on habitat selection and ckerwasser gebildeten Salzwiesen und in lange population ecology of this species. von Süßwasser überstauten, dünn mit Pflan- The study shows that besides natural beach zen besiedelten Schlamm-Pionierfluren brü- habitats, nesting Kentish Plovers especially teten. Für das Vorkommen von Seeregenpfei- favored seepage-fed salt marshes and thinly fern waren folgende Faktoren entscheidend: vegetated pioneer mudflats long flooded by Entfernung zum nächst gelegenen Sand- oder freshwater on the landward side of dikes. The Mischwatt (maximal 900 m), Größe des Ge- following factors were important for the oc- bietes (mindestens 1,4 ha), niedrige (unter 5 currence of Kentish Plovers: distance to the cm), lückenhafte und strukturreiche Vegetati- nearest sand or mixed mudflats (max. 900 m), on. Nahezu alle Gebiete an der schleswig-hol- area size (min. 1.4 ha), low (below 5 cm), scat- steinischen Westküste, die diese Eigenschaf- tered and richly structured vegetation. Almost ten aufwiesen, waren auch tatsächlich durch all areas on Schleswig-Holstein’s west coast Seeregenpfeifer besiedelt. that showed these characteristics were actu- Der Bruterfolg der Seeregenpfeifer variierte ally found to harbor nesting Kentish Plovers. zwischen den Gebieten und schwankte von The breeding success of Kentish plovers varied Jahr zu Jahr. Ob die beobachteten Nachwuchs- between different areas and fluctuated from zahlen, insbesondere in Strandgebieten, aus- year to year. Additional banding results will reichend hoch waren, um die schleswig-hol- have to show whether the observed reproduc- steinische Population dauerhaft zu erhalten, tive numbers, especially in beach areas, were werden die weiteren Beringungsergebnisse sufficient to insure the survival of the popu- zeigen müssen. Erste Maßnahmen zum Habi- lation in Schleswig-Holstein. Initial habitat tatmanagement im Binnenland (Beweidung management measures in the inland (grazing zur Kontrolle der Vegetation) waren (auf klei- for vegetation control) have shown some suc- nen Flächen) erfolgreich: Ein seit einigen Jah- cess (in small areas); one area in the Beltring- ren verwaistes Gebiet im Beltringharder Koog harder Koog, which had been deserted for wurde 2010 durch acht Paare wiederbesiedelt. several years, was recolonized by eight pairs in 2010. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 79-80, 2012 79

Nutzungsbedingte Habitatänderung und Brutvögel im BASSIA-Projekt am Beispiel des Austernfischers Haematopus ostralegus im Hedwigenkoog- Vorland (Dithmarschen)

Cynthia Erb1, Frank Hofeditz2, Sabrina Langhans1, Bernd Hälterlein3 und Veit Hennig1

1 Abteilung Tierökologie und Naturschutz, Universität Hamburg, Martin-Luther-King Platz 3, 20146 Hamburg 2 Schückingstr. 8, 25813 Husum 3 Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein, Ge- schäftsbereich 3 – Nationalparkverwaltung, Schlossgarten 1, 25832 Tönning

Kontakt: [email protected]

Die Salzwiesen des Wattenmeeres sind ein Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer durch- Bruthabitat von weltweit herausragender Be- geführten Kartierungen der Jahre 1996, 2001 deutung; mehr als 469.000 Brutpaare wurden und 2006 vorhanden. Die Verteilung der im Jahr 2001 gezählt. Durch Ausweisung des Austernfischergelege im Hedwigenkoog-Vor- Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wat- land werden wir räumlich mit dem Vegeta- tenmeer im Jahr 1985 und der daraus zu Be- tionstyp, der Nutzung und der Entfernung ginn der 1990er Jahre folgenden Rücknahme zu Grenzstrukturen wie dem Wechsel zu ei- der Beweidung auf vielen Flächen ist dieses nem anderen Vegetationstyp oder Prielen Bruthabitat starken Veränderungen unter- und Gräben verknüpfen. Wir erwarten eine worfen worden. Heute sind rund 48 % der nicht zufällige Verteilung der Brutplätze auf Salzwiesen unbeweidet, wobei die Ergebnisse die Vegetationstypen sowie die Nutzungsfor- der bisherigen Untersuchungen zu den Aus- men; weiterhin erwarten wir, dass die Entfer- wirkungen der Beweidungsaufgabe auf Flora nung zu den Grenzstrukturen eine wichtige und Fauna höchst unterschiedlich sind. Rolle spielt. Die genannten Einflussfaktoren Das Kooperationsprojekt von Universität Ham- werden auf Interaktionen untersucht werden. burg und Nationalparkverwaltung BASSIA Die Hypothesen werden wir prüfen und die (Biodiversität, Management und Ökosystem- Ergebnisse vorstellen. funktionen von Salzmarschen im National- park Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer) Management-depending Habitat Changes hat sich zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen and Breeding Birds in the BASSIA Project, der Nutzungsänderungen der Salzwiesen im Illustrated by the European Oystercatcher Hinblick auf Vegetation, Brutvogelgemein- Haematopus ostralegus in the Hedwigen- schaften und Ökosystemfunktionen zu unter- koog Foreland (Dithmarschen) suchen. Hierfür haben wir zunächst für den Austernfischer, einen typischen Brutvogel The salt marshes of the Wadden Sea are a der Salzwiesen, auf einer Festlandssalzwiese breeding habitat of worldwide importance; untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen more than 469.000 breeding pairs were coun- nutzungsbedingten Vegetationsänderungen ted in 2001. The designation of the National und Verschiebungen in seinem Brutvorkom- Park “Wadden Sea Schleswig-Holstein” in men bestehen. 1985 and the resulting abandonment of gra- Die untersuchte Salzwiese liegt im Vorland zing in many areas since the early 1990s have des Hedwigenkooges (Dithmarschen). Für led to significant changes in this breeding die rund 90 ha große Fläche liegen seit 1993 habitat. Today, about 48 % of the salt marshes punktgenaue Aufnahmen der Gelege des do not longer serve as pasture land; however, Austernfischers vor. Weiterhin sind Daten recent studies of the impact of the grazing der flächendeckenden Vegetationserfassun- stop on flora and fauna have led to widely gen der von der Nationalparkverwaltung varying results. 80 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 79-80, 2012

It is the goal of the cooperative project between an area-wide vegetation survey conducted the University of Hamburg and the National by the administration for the National Park Park Administration, BASSIA (Biodiversity, “Wadden Sea Schleswig-Holstein” in 1996, Management and Ecosystem Function of Salt 2001 and 2006. Marshes in the National Park “Wadden Sea We will attempt to create a spatial associa- Schleswig-Holstein“ to examine the impact tion between the distribution of oystercatch- of landuse changes in salt marshes on vegeta- er nests in the Hedwigenkoog foreland with tion, breeding bird composition and ecosys- vegetation type, land use and the distance to tem functions. To this end, we initially stud- delimiting structures, such as transitions to ied the Oystercatcher, a characteristic breeding a different vegetation type, tidal channels or species of salt marshes, to determine wheth- ditches. We expect to find a non-random dis- er a relation exists between management- tribution of nests depending on vegetation dependent vegetation changes and shifts in types and land use forms. We further expect the birds’ breeding sites. to find that the distance to the delimiting Our study area was a salt marsh in the fore- structures will play an important role. We land of the Hedwigenkoog (Dithmarschen). will examine interactions between the above Since 1993, we have precise survey data of mentioned factors. In this paper we will check Oystercatcher nests in the area, which covers these hypotheses and discuss the results. 90 hectares. In addition, there are data from Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 81-82, 2012 81

Populationsökologie des AusternfischersHaematopus ostralegus im Wat- tenmeer - Literaturdaten und erste Ergebnisse aus der Meldorfer Bucht (Schleswig-Holstein)

Dominic Cimiotti1, Pauline Dierichsweiler1, Herrmann Hötker1 und Sabrina Langhans2

1 Michael-Otto-Institut im NABU, Goosstroot 1, 24861 Bergenhusen 2 Abteilung Tierökologie und Naturschutz, Universität Hamburg, Martin-Luther-King Platz 3, 20146 Hamburg

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Die Brutbestände des AusternfischersHaema - durch Sturmfluten (10 Gelege). Als Prädatoren topus ostralegus im Wattenmeer haben nach wurden auf Basis verschiedenartiger Spuren einem historischen Maximum um das Jahr vor allem größere Säuger vermutet. Durch eine 1995 deutlich abgenommen, im schleswig- Fotofalle wurde die Anwesenheit eines Fuch- holsteinischen Teil um etwa 50 % von 1996 ses Vulpes vulpes auf Helmsand dokumentiert. bis 2006. Vor diesem Hintergrund werden pu- Die Verlustursache der Küken war bis auf ei- blizierte Daten zur Populationsökologie der nen Fall (Prädation durch Fuchs) unbekannt. Art im Hinblick auf Bestandsveränderungen Vier Altvögel wurden zufällig als Verkehrsop- betrachtet. Eine Studie zur Entwicklung nord- fer im Meldorfer Speicherkoog gefunden. Im westeuropäischer Wiesenvogelbestände zeigt ersten Jahr wurden 30 Alt- und drei Jungvögel beim Austernfischer stabile Altvogel-Überle- im Rahmen eines niederländischen Farbbe- bensraten bei einer langfristigen Abnahme ringungsprojektes markiert. Das Projekt soll des Bruterfolgs. Untersuchungen aus dem in den nächsten Jahren zur Bestimmung der niederländischen Wattenmeer deuten hinge- Rückkehrraten fortgeführt werden. gen teilweise auf eine Zunahme der dortigen Altvogelsterblichkeit hin. Population Ecology of the European Oys- Aus dem deutschen Wattenmeer fehlen ak- tercatcher Haematopus ostralegus in the tuelle Vergleichsdaten. Ein zum Populati- Wadden Sea – Literature Data and Initial onserhalt nötiger Bruterfolg von mind. 0,7 Results from the Meldorfer Bay (Schleswig- flüggen Jungvögeln pro Brutpaar auf Basis Holstein) niederländischer Überlebensraten wird in vie- len deutschen Brutgebieten, besonders an der Following an historic maximum around Festlandküste, derzeit nicht erreicht. Zur Be- 1995, the breeding populations of the Eu- stimmung entsprechender Parameter für das ropean Oystercatcher Haematopus ostralegus schleswig-holsteinische Wattenmeer wurde in the Wadden Sea have shown a decline; in 2010 eine Populationsstudie in der Meldor- Schleswig-Holstein, populations decreased by fer Bucht begonnen. Das Untersuchungsge- ca. 50 % between 1996 and 2006. Against this biet umfasste die Halbinsel Helmsand, den background, we will examine published data nördlich angrenzenden Außendeich und ei- about the population ecology of this species nige Flächen (v.a. Weiden) im Speicherkoog. with regard to population changes. A study of Es wurden drei flügge Jungvögel bei etwa 60 the development of breeding populations of Revierpaaren ermittelt (0,05 flügge Jungvögel/ meadow breeders in Northwest Europe found Revierpaar). Die tägliche Überlebensrate von that adult oystercatchers showed stable surviv- 140 entdeckten Gelegen lag bei 0,89 (0,88- al rates with a long-term decline in breeding 0,91, CI 95 %), die Schlupfwahrscheinlichkeit success. nach Mayfield bei 0,04 (0,02-0,07, CI 95 %). However, studies from the Wadden Sea in Die Überlebensrate der Küken betrug 16,7 % the Netherlands indicate a partial increase of (3 von 18). Verlustursachen der Gelege wa- adult mortality rates. Comparative data from ren Prädation (130 Gelege) und Überflutung the German Wadden Sea are currently lacking. 82 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 81-82, 2012

Based on the Dutch survival rates, a breeding 0.04 (0,02-0,07, CI 95 %). The survival rate success of 0.7 fledglings per breeding pair is of chicks was 16.7 % (3 of 18). Main reasons necessary for population survival; these rates for nest loss were predation (130 nests) and are currently not reached in most German flooding during storm surges (10 nests). Based breeding areas, especially along the mainland on discovered tracks, the main predators were coast. In order to determine appropriate pa- assumed to be larger mammals. A camera trap rameters for the Wadden Sea in Schleswig- documented the presence of a Red Fox Vulpes Holstein, in 2010 a study was initiated in vulpes on Helmsand. Except of a single case the Meldorfer Bay. The study area comprised (predation by Red Fox), the reasons for the Helmsand peninsula, the outer dike to the loss of chicks were unknown. Four adult birds north and certain areas (especially pastures) were found by chance as traffic fatalities in the within the polder (Speicherkoog). The study Meldorfer Speicherkoog. During the first year, found three fledged juveniles produced by 60 30 adults and 3 juveniles were color-banded territorial pairs (0.05 fledglings per breeding as part of a Dutch banding project. The pro- pair). The daily survival rate of 140 detected ject is slated to continue in the next few years nests was 0.89 (0.88-0,91, CI 95 %), the proba- in order to determine return rates. bility of hatching (according to Mayfield) was Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 83-84, 2012 83

Schlupf- und Bruterfolgsmonitoring am AusternfischerHaematopus ostralegus im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer

Sabrina Langhans1, Frank Hofeditz2, Bernd Hälterlein3 und Veit Hennig1

1 Abteilung Tierökologie und Naturschutz, Universität Hamburg, Martin-Luther-King-Platz 3, 20146 Hamburg 2 Schückingstr. 8, 25813 Husum 3 Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein, Ge- schäftsbereich 3 – Nationalparkverwaltung, Schlossgarten 1, 25832 Tönning

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Der AusternfischerHaematopus ostralegus ist zu ermitteln ist. So können aktuelle Bestände als Brutvogel die häufigste und am weitesten wie auch langfristige Bestandstrends im Ge- verbreitete Limikolenart im Wattenmeer. Im gensatz zu einer ausschließlichen Erfassung schleswig-holsteinischen Teil brüten rund des Brutbestandes besser beurteilt werden. 43 % des Wattenmeerbestandes. Seit Beginn des letzten Jahrhunderts sind die Austernfi- Hatching and Breeding Success Monitoring scherbestände in Schleswig-Holstein expo- of European Oystercatchers Haematopus nentiell gewachsen, von schätzungsweise ostralegus in the National Park “Wadden kaum 2.000 auf fast 19.000 Paare 1993, wo- Sea Schleswig-Holstein” bei die stärksten Zunahmen ab Anfang der 1970er Jahre erfolgten. Seit 1996 weisen die The European Oystercatcher Haematopus Brutbestände jedoch eine deutliche Abnahme ostralegus is one of the most common and auf und nehmen jährlich um etwa 5 % ab. wide-spread breeding shorebirds in the Wad- Mögliche Faktoren könnten Prädationsdruck, den Sea. About 43 % of the Wadden Sea pop- Nahrungsverfügbarkeit, Vegetationsverände- ulation breeds in Schleswig-Holstein. Since rungen, Witterungseinflüsse oder der Klima- the beginning of the last century, the Oyster- wandel sein. Die genauen Ursachen für den catcher population in Schleswig-Holstein has Rückgang sind allerdings noch weitgehend increased exponentially, from barely 2,000 unbekannt. pairs to ca. 19,000 in 1993, with the high- Ziel dieser Arbeit war es zum einen Hinweise est rate of increase after 1970. Since 1996, zu den Ursachen der Bestandsabnahme durch however, the population has shown a notice- Analyse langjähriger Brutvogeldaten aus dem able decline of about 5 % annually. Among trilateralen Wattenmeer-Monitoringpro- the possible factors for this decline are pre- gramm TMAP zu erhalten. Grundlage hier- dation pressure, food availability, vegetation für waren die Datenreihen zu Brutbestand, changes, regional weather impact and climate Gelegegröße, Eiablagephase, Verlustursachen change. However, the exact reasons for the der Eier sowie Schlupferfolg des Austernfi- population decline remain largely unknown. schers aus den Probeflächen (Census Areas) One of this study’s goals was to gain insights im Hedwigenkoog- (Kreis Dithmarschen) und into the causes for the population decline by Westerhever-Vorland (Kreis Nordfriesland) an analyzing long-term breeding data from the der Schleswig-Holsteinischen Nordseeküste. Trilateral Wadden Sea Monitoring Program Zum anderen wurden im Census Area Hedwi- TMAP. The analysis was based on data series genkoog-Vorland Kükenberingung und Fang- for the breeding population, clutch size, egg Wiederfang-Methode zur Erfassung des Brut- laying phase, reasons for egg loss and hatch- erfolges des Austernfischers erprobt, da die ing success in oystercatchers on the sample Anzahl flügger Jungvögel im Rahmen des neu sites (Census Area) in the foreland of Hed- implementierten TMAP-Bruterfolgsmonito- wigenkoog (Kreis Dithmarschen) and Wester- rings sonst in unbeweideten Salzwiesen kaum hever (Kreis Nordfriesland) on the North Sea 84 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 83-84, 2012 coast of Schleswig-Holstein. determine under the guidelines of the newly In addition, in the Census Area Hedwigen- implemented TMAP breeding success moni- koog foreland we tested chick banding and the toring. This will allow a better evaluation of capture-recapture method as a means to deter- current populations and long-term popula- mine the breeding success of Oystercatchers, tion trends, instead of an exclusive survey of since the number of fledged juveniles in un- the breeding population numbers. grazed salt marshes is almost impossible to

AusternfischerHaematopus ostralegu Foto: J. Reich Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 85, 2012 85

Einfluss von Nahrungsgrundlage und Habitatstruktur auf die Raumnut- zung von AusternfischerkükenHaematopus ostralegus

Julia Vasbender1, Henning Volmer1, Philipp Schwemmer1 und Stefan Garthe1

1 Forschungs- und Technologiezentrum Büsum, Universität Kiel, Hafentörn 1, 25761 Büsum Kontakt: [email protected]

Das Wattenmeer ist wichtiges Brut- und Nah- Impact of Food Basis and Habitat Structure rungsgebiet für den AusternfischerHaematopus on Spatial Use in Oystercatcher Chicks Hae- ostralegus, einer Charakterart dieses Lebens- matopus ostralegus raumes. Wie auch andere Küstenvögel zeigt der Austernfischer jedoch über die letzten Jah- The Wadden Sea is an import breeding and re deutliche Rückgänge in seinen Rast- und feeding area for the European Oystercatcher Brutbeständen. In Deutschland sind mögliche Haematopus ostralegus, one of the characteris- Ursachen für diese Rückgänge noch weitge- tic species of this habitat. However, like other hend ungeklärt. Inzwischen vermehren sich coastal bird species the resting and breeding die Anzeichen, dass der Bruterfolg von Aus- populations of Oystercatchers have under- ternfischern an zahlreichen Standorten über gone a noticeable decline in recent years. In die letzten Jahre sehr gering ausfiel, was die Germany, the causes for this decline remain Rückgänge im Brutbestand verursacht haben mostly unknown. There are increased indica- könnte. Die Gründe des geringen Bruterfolgs tions that in recent years the Oystercatchers’ sind aber großteils unbekannt. Ziel dieser Ar- breeding success in many areas has been beit war es, möglichen Ursachen des geringen very low, which may have contributed to the Bruterfolges auf den Grund zu gehen. Dazu population decline. Again, the reasons for the wurde der Einfluss der Nahrungsgrundlage low breeding success are mainly unclear. This und von verschiedenen Küstenschutzbau- study aimed to determine the reasons for the werken auf die Raumnutzungsmuster von low breeding success. To this end, we examined Austernfischerküken untersucht. Des weite- the impact of the food basis and various man- ren wurden Parameter des Gelegestandortes made coastal protection structures on spatial ausgewertet und schließlich der Einfluss von activity patterns in Oystercatcher chicks. In Prädation abgeschätzt. addition, we analyzed nest site parameters Im Nahrungshabitat zeigten sich ersten Aus- and estimated the impact of predation. wertungen zufolge deutliche Unterschiede Initial analyses show clear differences in the in der Verteilung und Häufigkeit von Nah- distribution and frequency of food organ- rungsorganismen und in der Sedimentstruk- isms and in the sediment structure. Different tur. Verschiedene Küstenschutzbauwerke coastal protection structures caused varying verursachten in ihrer Nähe unterschiedliche benthic communities in their vicinity. We are Benthosgemeinschaften. Ob Austernfischer currently trying to determine whether Oyster- im Wesentlichen Orte mit hoher Nahrungs- catchers generally prefer areas with high food qualität und -abundanz bevorzugten, wird quality and density. In the breeding habitat, derzeit untersucht. Im Bruthabitat kam der predation by Red Fox and gulls played an Prädation durch Füchse und Möwen eine important role. Moreover, flooding caused wichtige Bedeutung zu. Des weiteren kam es several nest losses. zu Gelegeverlusten durch Hochwasser. 86 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 86, 2012

Populationsentwicklung von Küsten- und Flussseeschwalben Sterna paradisaea und Sterna hirundo im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer von 1980 bis heute

Maria Schiffler1, Bernd Hälterlein2, Cynthia Erb1 und Veit Hennig1

1 Abteilung Tierökologie und Naturschutz, Universität Hamburg, Martin-Luther-King Platz 3, 20146 Hamburg, E-Mail: [email protected] 2 Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein, Ge- schäftsbereich 3 – Nationalparkverwaltung, Schlossgarten 1, 25832 Tönning

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Im Wattenmeer Schleswig-Holsteins über- Population Development in Arctic Sterna schneiden sich die Verbreitungsgrenzen der paradisaea and Common Terns Sterna zirkumpolar brütenden Küstenseeschwalbe hirundo in the Wadden Sea of Schleswig- Sterna paradisaea und der Flussseeschwalbn Holstein between 1980 and Today Sterna hirundo, die ihren Schwerpunkt der Verbreitung in Mitteleuropa hat. Nach einem The breeding ranges of the circumpolar Arctic ersten großen Einbruch der Populationen in Tern Sterna paradisaea and the Common Tern den 1960er Jahren durch Umweltgifte gehen Sterna hirundo with its population center in beide Arten nach einer gewissen Erholung Central Europe overlap in the Wadden Sea of seit Beginn der 1990er Jahr wieder deutlich Schleswig-Holstein. Following the first major zurück. Im räumlichen und zeitlichen Muster population crash during the 1960s, caused unterscheiden sich beide Arten im Nordfrie- by environmental pollutants, after a brief pe- sischen und Dithmarscher Wattenmeer ganz riod of recovery both species have shown a offensichtlich. renewed decline since the early 1990s. Both Als Faktoren für den Bestandsrückgang gelten species show clear differences in the North erhöhte Tiden in der Brutzeit, verstärkte Frisian and Dithmarschen Wadden Sea with Prädation, Verlust von Bruthabitaten durch regard to their spatial and temporal patterns. Änderung der Nutzung sowie fehlende Nah- Among the factors responsible for the decline rung. Durch eine differenzierte Analyse der are higher tides during the breeding season, Brutbestände der einzelnen Teilkolonien nach increased predation, loss of breeding habitat 1980 lassen sich die Faktoren in ihrer Relevanz due to changes in land use and lack of food. besser aufzeigen. Begleitende Nahrungsunter- A detailed analysis of the breeding popula- suchungen deuten eine große Rolle unter- tions in various local colonies since 1980 has schiedlicher Nahrungsregime im durch die allowed us to better distinguish the relevance Ästuare von Eider und Elbe geprägten Dith- of each factor. Food studies conducted at the marschen, gegenüber Nordfriesland an. same time indicate an important role of dif- ferent food regimes between North Frisia and Dithmarschen, which is strongly influenced by the Eider and Elbe estuaries. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 6-7, 2012 87

Bruterfolg rotfüßiger Seeschwalben mit besonderem Hinblick auf die Nahrungsökologie im Nordfriesischen Wattenmeer

Julia Krause, F. Richter, P. Reufsteck, F. Stumpe, M. Voigt und Veit Hennig1

1 Abteilung Tierökologie und Naturschutz, Universität Hamburg, Martin-Luther-King Platz 3, 20146 Hamburg Kontakt: [email protected]

Die einst häufigen Seeschwalbenarten Fluss- Breeding Success of Red-legged Terns with a Sterna hirundo und Küstenseeschwalbe Sterna Special Emphasis on Feeding Ecology in the paradisaea verzeichnen seit Jahren rückläufige North Frisian Wadden Sea Bestandszahlen und stehen mittlerweile auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands. Once the most common tern species, the Bei Untersuchungen auf Hallig Norderoog Common Tern Sterna hirundo and the Arctic (2003) und Hallig Hooge (2008 und 2009) Tern Sterna paradisaea have shown a serious wurden Bruterfolge von 0,0 bis 0,2 Jungvögel population decline for many years and are pro Paar für Flussseeschwalben und 0,0 bis now listed in Germany’s Red List of Endan- 0,1 Junge pro Paar für Küstenseeschwalben gered Breeding Birds. Studies on the Hallig festgestellt. Um mögliche Ursachen für den Norderoog (2003) and Hallig Hooge (2008 and ausbleibenden bzw. geringen Bruterfolg zu 2009) revealed a breeding success of 0.0 to 0.2 finden, wurden beide Arten während der chicks per pair for Common Tern and 0.0 to Brutsaison 2010 auf Hallig Hooge und Hal- 0.1 chicks per pair for Arctic Tern. To identify lig Langeneß beobachtet. In dem Untersu- possible reasons for the low or lacking breed- chungszeitraum spielte neben dem Bruterfolg ing success, both species were observed dur- die Nahrungsökologie eine zentrale Rolle. ing the 2010 breeding season on Hallig Hooge Fluss- und Küstenseeschwalben unterschie- and Hallig Langeness. Besides the breeding den sich hinsichtlich der Nahrungszusam- success, the feeding ecology played an impor- mensetzung, der Fütterungsrate und der tant role during the study period. Beutetiergröße. Zudem wiesen die räumlich Common and Arctic Terns differed with re- getrennten Flussseeschwalbenkolonien Un- gard to food composition, feeding rates and terschiede bezüglich der Beutetieranteile und size of prey animals. In addition, differences der Kondition der Küken auf. Für beide Ar- among prey ratios and chick conditions could ten gehörten die aufgrund ihres hohen Ener- be observed among the spatially separated giegehalts wertvollen Heringsartigen zu den Common Tern colonies. In both species, vari- primären Nahrungsquellen. 2010 kam diese ous species of herring, which are valuable due Nahrungsfischart verstärkt im nordfriesischen to their high energy content, counted among Wattenmeer vor, was sich auch in dem ver- the primary food sources. In 2010, this food gleichsweise hohen Bruterfolg widerspiegelt: fish appeared in increased numbers in the Küstenseeschwalben zogen auf Hooge durch- North Frisian Wadden Sea, which was reflec- schnittlich 0,6 Junge pro Brutpaar auf; bei den ted the comparatively high breeding success: Flussseeschwalben wurden je Paar 0,8 Junge Arctic Terns on Hallig Hooge raised an average flügge. of 0.6 chicks per pair, while Common Terns Im Hinblick auf Schutzmaßnahmen müssen fledged an average of 0.8 chicks per pair. die schwankenden Bruterfolge bei Seeschwal- In view of potential conservation measures ben und anderen Seevogelarten besser ver- we need to gain a better understanding of standen werden. Dies ist nur möglich, wenn the fluctuating breeding success of terns and die komplexe Beziehung zwischen Fischbestän- other seabirds. This can only be accomplished den, Fischerei, Prädatoren und klimatischen if we continue to examine the complex rela- Veränderungen weiter erforscht wird. tionships between fish populations, fisheries, predators and climate change. 88 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 11-16, 2012

Küstenseeschwalbe Sterna paradisaea. Foto: J. Reich

Flussseeschwalbe Sterna hirundo. Foto J.Reich Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 88-94, 2012 89

Brutökologische Untersuchungen an der Kornweihe Circus cyaneus im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“

Nadine Oberdiek1, Jochen Dierschke2 und Julia Stahl3

Oberdiek, N., Dierschke, J., Stahl, J. (2012): Brutökologische Untersuchungen an der Korn- weihe Circus cyaneus im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1: 88-94. Nahezu der gesamte deutsche Brutbestand der Kornweihe Circus cyaneus brütet auf den Ostfriesi- schen Inseln im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“. In den letzten Jahren ist ein deut- licher Rückgang der Brutpopulation festzustellen. Es muss befürchtet werden, dass für die Korn- weihenpopulation überlebenswichtige Lebensräume auf den Inseln nicht mehr den Ansprüchen für ein erfolgreiches Brüten genügen. Welche Faktoren in diesem Zusammenhang ein Rolle spielen und für die beobachtete Bestandsentwicklung verantwortlich sein können, ist nahezu unbekannt. Vor diesem Hintergrund ist 2007 ein Forschungsprojekt mit dem Ziel initiiert worden, potentielle Rückgangsursachen zu untersuchen, um ein effektives Schutzkonzept für die Kornweihe im Na- tionalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ entwickeln zu können. Der Schlupf- und Bruterfolg von Kornweihen auf den Ostfriesischen Inseln im Nationalpark kann als hoch bewertet werden. Dazu tragen möglicherweise auch ein entsprechend gewähltes Beutespektrum und hohe Küken- fütterungsfrequenzen bei. Die bisherigen Untersuchungsergebnisse erklären daher bislang nicht die Ursachen für den beobachteten drastischen Bestandsrückgang. Mögliche Gründe könnten in zu geringen Rückkehrraten von Altvögeln und/oder in einer erhöhten Sterblichkeit der Jungvögel liegen. Um dazu gesicherte Aussagen treffen zu können, wird das projektbezogene Farbberingungs- programm, neben weiteren Untersuchungen in den nächsten Jahren weitergeführt.

Oberdiek, N., Dierschke, J., Stahl, J. (2012): Breeding Ecology of Hen Harrier Circus cyaneus in the Wadden Sea National Park of Lower Saxony Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1: 88-94. More than half of the German breeding population of Hen Harrier Circus cyaneus is located on the Frisian Islands within Wadden Sea National Park of Lower Saxony. In recent years the breeding population is dramatically declining. There is concern that essential island habitats no longer meet the requirements for a successful reproduction. To date the influencing factors on the Hen Harrier population are largely unknown. Against this background, a research project was initiated in 2007 to determine potential causes for the population decline in order to develop an effective conserva- tion strategy for the Hen Harrier in the Wadden Sea National Park of Lower Saxony. Reproduction rates of Hen Harriers on the East Frisian Islands are considered to be high which is possibly due to an appropriate food supply and prey choice as well as high chick feeding rates. Therefore, the current results of the study do not explain the reasons for the observed population decline of Hen Harriers so far. Low return rates of adult birds and/or an increase in juvenile mortality might also be possible causes. In this regard the project’s colour banding program and breeding success mo- nitoring along with further detailed studies will be continued during the coming years.

1,3 Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (IBU), AG Landschaftsökologie, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 26111 Oldenburg, E-Mail: [email protected]

2 Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“, Inselstation, Postfach 1220, 27494 Helgo- land, E-Mail: [email protected]

3 Sovon Vogelonderzoek, Postbus 6521, NL-6503 GA Nijmegen

1. Einleitung sie nahezu den gesamten Brutbestand in Die Ostfriesischen Inseln im Nationalpark Deutschland beherbergen (Koffijberg et al. „Niedersächsisches Wattenmeer“ sind von 2006; Südbeck et al. 2009). In den 1990er national herausragender Bedeutung für Jahren zeigte die Bestandsentwicklung einen brütende Kornweihen Circus cyaneus, da deutlichen Anstieg der Brutpopulation. 90 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 88-94, 2012

Abb. 1: Brutbestandsentwicklung der Kornweihe Circus cyaneus auf den West- und Ostfriesischen Inseln im deutsch-niederländischen Wattenmeer seit 1991 (Daten: Nationalparkverwaltung, SOVON). Fig. 1: Number of breeding pairs of Hen Harriers Circus cyaneus on the West- and East Frisian Islands within the German-Dutch Wadden Sea since 1991 (Data source: Nationalpark Administration, SOVON).

Gegenwärtig ist jedoch, ebenso wie auf den zu können. In einem ersten Schritt wird seit Westfriesischen Inseln in den Niederlanden, 2007 ein Monitoringprogramm zur Ermittlung ein deutlicher Rückgang der Brutpaarzahlen der Anzahl anwesender Revierpaare (in festzustellen (Abb. 1) (Dierschke 2008; Zusammenarbeit mit dem NLWKN), Klaassen et al. 2008 und briefl. Mitt.). Die Gelegesuche sowie die Ermittlung von Schlupf- Gründe hierfür sind bisher nicht hinreichend und Bruterfolgen jährlich durchgeführt. geklärt. Zusätzlich erfolgten Detailuntersuchungen Es ist in diesem Zusammenhang zu zur Nistplatz- und Jagdhabitatwahl der befürchten, dass wichtige Lebensräume Kornweihe im Zusammenhang mit einer auf den Inseln den Habitatansprüchen der potentiellen Habitatkonkurrenz mit Kornweihe für eine erfolgreiche Reproduktion der Rohrweihe Circus aeruginusos (Feldt nicht mehr genügen. Die Faktoren, die dabei 2010; Schröder et al. 2010). Weiterhin eine Rolle spielen können und inwiefern sie wurden Daten zur Nahrungswahl sowie zu für die beobachtete Bestandsentwicklung Fütterungsfrequenzen von Küken erhoben verantwortlich sind, sind nur wenig (Beyer 2010; Klöver 2010). Hier möchten bekannt. Vor diesem Hintergrund ist wir nun bisherige Untersuchungsergebnisse ein Forschungsprojekt initiiert worden, sowie erste Erklärungsansätze vorstellen. um potentielle Rückgangsursachen zu untersuchen und ein effektives Schutzkonzept 2. Untersuchungsgebiet und Methodik für Kornweihen im Nationalpark Die Untersuchung wurde auf allen „Niedersächsisches Wattenmeer“ entwickeln Ostfriesischen Inseln im Nationalpark Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 88-94, 2012 91

„Niedersächsisches Wattenmeer“ durchgeführt in die Gruppen Mäuse Muroidea spec., (Abb. 2). Vögel Aves spec., Kaninchen Oryctolagus Zur Ermittlung des Schlupf- und Bruterfolges cuniculus und unbekannt unterteilt. Zum von Kornweihengelegen wurden die Nester der anderen wurde anhand der Bilder der Revierpaare gesucht und regelmäßig bis zum Nestkameras eine vergleichende Analyse der Fütterungsfrequenzen für das Kükenalter von 1-3, 13-15 und 27-28 Tagen durchgeführt. Diese Altersstadien können als repräsentativ für den jeweiligen Entwicklungsstand der Jungtiere vom Schlupf bis zum Flüggewerden angesehen werden. Berechnet wurde die durchschnittliche Anzahl an Fütterungen pro Nest und Kükenalter.

3. Ergebnisse 3.1 Schlupf- und Bruterfolg In den Jahren 2007-2010 wurden insgesamt 54 Kornweihengelege gefunden und für die Berechnung der Reproduktionsraten herangezogen. Insgesamt schlüpften aus 169 Eiern 119 Küken, was für die Jahre 2007- 2010 einem Anteil von 47-86 % (im Mittel 70,4 %) entspricht. Seit dem Jahr 2008 sind 85 Jungvögel ausgeflogen. Damit wurde ein Bruterfolg von 1,5 (2008) – 2,0 (2009 und Abb. 2: Lage der Ostfriesischen Inseln entlang der niedersächsischen Nordseeküste. 2010) flüggen Jungvögeln pro brütendem Fig. 2: Location of the East Frisian Islands along the Weibchen erzielt. North Sea coast of Lower Saxony. 3.2 Nahrungswahl, Beutespektrum und Ausfliegen der Jungvögel kontrolliert. Für die Fütterungsfrequenzen Berechnung des Schlupferfolges im Zeitraum Mithilfe der Nestkamerabilder konnten 2007-2010 wurde die Anzahl geschlüpfter während der jeweiligen Alterstadien der Küken Küken auf die Anzahl der gelegten Eier insgesamt 37 Beuteobjekte erfasst werden bezogen. Der Bruterfolg wurde für die Jahre (Abb. 3). Kurz nach dem Schlupf der Küken 2008-2010 mittels der Anzahl ausgeflogener machen Mäuse die Hauptbeute aus (Abb. 4). Jungvögel im Verhältnis zur Anzahl brütender Ab einem Kükenalter von 14 Tagen waren ein Weibchen ermittelt. Großteil der gebrachten Beute Kaninchen. Im Jahr 2010 wurden erstmalig Nestkameras Kurz vor dem Ausfliegen der Jungvögel (Moultrie Feeders GameSpy i60) an zwei beträgt der Anteil der Kaninchen an der Kornweihengelegen auf Norderney installiert, Gesamtbeute nahezu 80 %. Daneben musste um nähere Informationen zu Nahrungswahl ein relativ hoher Anteil der Beuteobjekte als bzw. Beutespektrum und Fütterungsfrequenzen unbekannt eingestuft werden, da oftmals der Küken zu erlangen. Die Kameras lösen nicht identifizierbare Teile der Beute den durch einen Bewegungsmelder, der auf die Küken angeboten wurden. Diese konnten Nestmitte gerichtet ist, aus und verblieben gruppenspezifisch nicht weiter eingeordnet während der gesamten Aufzuchtsphase bis werden. zum Ausfliegen der Jungvögel an den Nestern. Bei der Analyse der Fütterungsraten von zwei Zum einen wurde mithilfe der Kamerabilder Bruten auf Norderney wurden Unterschiede das Beutespektrum analysiert und wie hoch sowohl zwischen den Nestern als auch in der Anteil der verfütterten Beutetiere am den verschiedenen Altersstufen der Küken Gesamtbeutespektrum in Abhängigkeit vom deutlich (Abb. 5). Während bei Nest 1 die Kükenalter ist. Die Beuteobjekte wurden Fütterfrequenz mit zunehmendem Alter der 92 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 88-94, 2012

klären. Die Anzahl der Jungvögel pro Nest bestimmt vermutlich die Fütterungsrate. Der Bruterfolg wird nicht nur direkt beeinflusst durch Prädationsereignisse, sondern in besonderem Maße von der Nahrungssituation (nahrungsreiches bzw. nahrungsarmes Jahr) während der gesamten Brutphase bestimmt (Newton 1979; Simmons 2000). Da bei Weihen die Versorgung der Weibchen und Jungvögel den Männchen obliegt, hat die tägliche Fütterungsfrequenz durch die Männchen sowohl während der Bebrütungs-, als auch während der Aufzuchtphase der Küken einen entscheidenden Einfluss auf Abb. 3: Bild einer Nestkamera an einem Kornwei- den Reproduktionserfolg (Simmons 2000). hennest während der Brutsaison 2010. Untersuchungen in New Brunswick (Kanada) Fig. 3: Picture of nest camera at a Hen Harrier nest during the breeding season in 2010. zeigten, dass in nahrungsreichen Jahren die Fütterungsfrequenz in einem Nest mit Küken sank, blieb sie bei Nest 2 während der 2 Jungvögeln bei 4-5 Fütterungen pro Tag gesamten Aufzuchtsphase nahezu gleich. während der gesamten Aufzuchtsphase liegt Allerdings schlüpften in Nest 2 nur zwei (Simmons 2000). Die Ergebnisse unserer Küken, in Nest 1 dagegen drei. Eines dieser Studie liegen darunter (vgl. Abb. 4), sodass Jungtiere ist in einem Alter von ungefähr zehn möglicherweise von einem nahrungsärmeren Tagen aus dem Nest verschwunden, sodass Jahr ausgegangen werden muss, wobei zur ab einem Nestlingsalter von 13-15 Tagen in Abundanz der potentiellen Beutetiere keine beiden Nestern je zwei Jungvögel zu füttern differenzierte Aussage gemacht werden waren und damit eine Vergleichbarkeit der kann. Dennoch scheinen die Habitat- und Daten gegeben ist.

4. Diskussion Der Schlupf- ebenso wie der Bruterfolg von Kornweihen auf den Ostfriesischen Inseln im National- park „Niedersächsisches Wattenmeer“ können als hoch eingestuft werden. Der Bruterfolg von 1,5 bzw. 2,0 flüggen Jungvögeln pro brütendes Weibchen liegt damit über dem bestandserhaltenden Wert von 1,3 (vgl. Klaassen et al. 2009). Die nur geringen Verluste sind durch eine Abb. 4: Beutespektrum und –anteile im Verhältnis zum Alter der Küken, er- geringe Prädationsrate mittelt mithilfe der Bilddaten der Nestkameras an zwei Bruten auf Norderney 2010 (n = Anzahl der Beuteobjekte). und ein offensichtlich Fig. 4: Prey composition and proportion related to age of chicks, data derived ausreichendes Nah- from nest cameras at two broods on Norderney 2010 (n = number of prey rungsangebot zu er- items). Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S.88-94, 2012 93

unermüdliche Mitarbeit bei der Nestersuche und –kontrolle sowie bei der Beringung der jungen Kornweihen. Ebenso bedanken wir uns bei Martin Reuter und Martin Schulze- Dieckhoff (NLWKN, Betriebsstelle Norden- Norderney) für vielfältige organisatorische Unterstützung. Manuela Schröder, Tobais Feldt, Christina Beyer und Tanja Klöver sammelten fleißig Daten im Feld. In verschiedenster Art und Weise leisteten der Mellumrat e.V., Olaf Geiter (Institut für Vogelforschung – Vogelwarte Helgoland, Wilhelmshaven), Olaf Klaassen, Lieuwe Dijksen und Peter de Boer (alle Sovon, Nijmegen, Niederlande) einen Beitrag zu diesem Projekt. Die Niedersächsische Ornithologische Vereinigung (NOV) und die Nationalparkverwaltung „Niedersächsisches Abb. 5: Tägliche Fütterungsraten in Abhängigkeit Wattenmeer“, Wilhelmshaven unterstützten vom Alter der Küken an zwei Bruten auf Norderney dieses Vorhaben finanziell. Ihnen allen sei 2010, dargestellt sind Mittelwerte mit Standardab- herzlich gedankt. weichung. Fig. 5: Daily feeding rates related to age of chicks at two broods on Norderney 2010, mean values with 5. Literatur standard deviation are shown. Beyer, C. (2010): Beutespektrum und Fütterungssequenzen von Nahrungsbedingungen für eine erfolgreiche Kornweihen (Circus cyaneus) Reproduktion auf den Ostfriesischen während der Jungenaufzucht - Inseln im Nationalpark „Niedersächsisches Analyse von Beuteübergaben und Wattenmeer“ gegeben zu sein. Die bisherigen Nestkameradaten. Bachelorarbeit, Untersuchungsergebnisse deuten nicht auf die Institut für Biologie und Ursachen für den beobachteten drastischen Umweltwissenschaften (IBU), AG Brutbestandsrückgang von Kornweihen hin. Landschaftsökologie, Carl von Denkbare Gründe könnten in zu geringen Ossietzky Universität Oldenburg. Rückkehrraten von Altvögeln und/oder in Dierschke, J. (2008): Bestandsentwicklung einer erhöhten Sterblichkeit der Jungvögel von Kornweihe Circus cyaneus und liegen (vgl. Dierschke et al. 2010). Um dazu Sumpfohreule Asio flammeus auf den gesicherte Aussagen treffen zu können, Ostfriesischen Inseln. Vogelkdl. Ber. werden die Jungvögel kurz vor dem Niedersachs. 40: 459-465. Ausfliegen in den Nestern mit individuellen Dierschke, J., Klaassen, P., de Boer, P., Farbringkombinationen versehen. Bisher Dijksen, L. (2010): Rekrutierung reicht die Datengrundlage für detaillierte und Inselhopping von Kornweihen Berechnungen von Mortalitäts- und Circus cyaneus auf den West- und Rückkehrraten aber nicht aus, sodass das Ostfriesischen Inseln. Vogelkdl. Ber. projektbezogene Farbberingungsprogramm Niedersachs. 41: 241-246. zusammen mit weiteren Untersuchungen in Feldt, T. (2010): Brut- und Jagdhabitatwahl den nächsten Jahren fortgeführt wird. zweier sympatrischer Weihenarten (Circus cyaneus und Circus Danksagung aeruginosus) im Nationalpark Besonderer Dank gilt den Zivildienstleistenden Niedersächsisches Wattenmeer. und Nationalparkwarten des NLWKN Diplomarbeit, Institut für Biologie (Niedersächsischer Landesbetrieb für und Umweltwissenschaften (IBU), Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, AG Landschaftsökologie, Carl von Betriebsstelle Norden – Norderney) für ihre Ossietzky Universität Oldenburg. 94 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 88-94, 2012

Klaassen, O., De Boer, P., Van den Bremer, in the Wadden Sea, Wilhelmshaven. L., Dijksen, L. (2009): Blauwe Newton, I. (1979): Population Ecology Kiekendieven op de Waddeneilanden of Raptors. T & AD Poyser Ltd., in 2008. SOVON-Onderzoeksrapport Hertfordshire, England. 2009/04. SOVON Vogelonderzoek Schröder, M., Oberdiek, N., Dierschke, J., Nederland, Beek-Ubbergen. Feldt, T., Stahl, J. (2010): Wahl des Klöver, T. (2010): Nahrungsangebot und -wahl Jagdhabitats von Kornweihen (Circus von Kornweihen (Circus cyaneus) cyaneus) und Rohrweihen (Circus während der Jungenaufzucht - aeruginosus) auf den Ostfriesischen Analyse von Transektkartierungen, Inseln. Vogelwelt 131: 231-238. Beuteübergaben und Nest- Simmons, R.E. (2000): Harriers of the world. kameradaten. Bachelorarbeit, Their behaviour and ecology. Oxford Institut für Biologie und Umwelt- University Press Inc., New York. wissenschaften (IBU), AG Südbeck, P., Bauer, H.-G., Boschert, M., Boye, Landschaftsökologie, Carl-von- P., Knief, W. (2009): Rote Liste und Ossietzky Universität Oldenburg. Gesamtartenliste der Brutvögel (Aves) Koffijberg, K., Dijksen, L., Hälterlein, B., Deutschlands. – In: Bundesamt für Laursen, K., Potel, P., Südbeck, P. Naturschutz (BFN) (Hrsg.): Rote Liste (2006): Breeding Birds in the Wadden gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Sea in 2001 - Results of the total Deutschlands. Band 1: Wirbeltiere – survey in 2001 and trends in numbers Naturschutz und Biologische Vielfalt between 1991-2001. Wadden Sea 70 (1), Bonn – Bad Godesberg. Ecosystem No. 22, Common Wadden Sea Secretariat, Trilateral Monitoring and Assessment Group, Joint Monitoring Group of Breeding Birds Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 95-96, 2012 95

Charakterisierung der Jagdhabitate von Kornweihe Circus cyaneus und Rohrweihe Circus aeruginosus im Nationalpark „Niedersächsisches Wat- tenmeer“

Manuela Schröder1, Nadine Oberdiek2, Jochen Dierschke3, Tobias Feldt4, Julia Stahl5

1, 2 Institut für Biologie und Umweltwissenschaften, AG Landschaftsökologie, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 26111 Oldenburg 3 Inselstation des Instituts für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“, An der Sapskuhle 511, 27498 Helgoland 4 Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften, AG Tierhaltung in den Tropen und Subtropen, Universität Kassel, 37213 Witzenhausen 5 Sovon Vogelonderzoek, Postbus 6521, NL-6503 GA Nijmegen

Kontakt: [email protected]

Kornweihe Circus cyaneus und Rohrweihe Cir- te Beobachtungen auf Borkum und Norder- cus aeruginosus sind typische Brutvogelarten ney untersucht. Die Ergebnisse zeigen deutli- der Ostfriesischen Inseln im Nationalpark che räumliche Unterschiede in der Wahl der „Niedersächsisches Wattenmeer“. Die Brut- Jagdhabitate beider Weihenarten: während bestandsentwicklung der beiden Arten ist jagende Kornweihen Dünen, Gebüsch- und jedoch gegenläufig. Während der Rohrwei- Grünlandhabitate bevorzugen, liegt die Ha- henbestand in den letzten zehn Jahren leicht bitatpräferenz von Rohrweihen, neben Dü- angestiegen ist, nahm der Kornweihenbrut- nenbereichen, deutlich auf Röhrichtflächen. bestand in diesem Zeitraum drastisch ab. Das Nahezu völlig gemieden wurden von beiden gleichzeitige Vorkommen der beiden Brutvo- Arten die Salzwiesen und Wattflächen. Auf- gelarten mit einem ähnlichen Jagdverhalten grund dieser Ergebnisse ist es unwahrschein- könnte eine Konkurrenz um ein begrenztes lich, dass der Brutbestandsrückgang der Korn- Angebot an Nahrung und/oder Jagdhabitaten weihe auf den Ostfriesischen Inseln durch bewirken. Dieses könnte eine mögliche Rück- Konkurrenz um Jagdhabitate mit der Rohr- gangsursache darstellen, da die Verfügbarkeit weihe verursacht wird. und Qualität von Jagdrevieren einen entschei- denden Einfluss auf den Bruterfolg haben Die Arbeit ist veröffentlicht in: kann. Vor diesem Hintergrund haben wir im Schröder, M., Oberdiek, N., Dierschke, J., Feldt, Rahmen eines mehrjährigen Forschungspro- T., Stahl, J. (2010): Wahl des Jagdhabitats von jektes zur Entwicklung eines Schutzkonzeptes Kornweihen (Circus cyaneus) und Rohrweihen für Kornweihen im Nationalpark „Nieder- (Circus aeruginosus) auf den Ostfriesischen In- sächsisches Wattenmeer“ Habitatpräferenzen seln. Vogelwelt 131: 231-238. jagender Korn- und Rohrweihen durch direk- 96 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 95-96, 2012

Characterization of the Hunting Habitat of Marsh Harriers through direct observations Hen Harrier Circus cyaneus and Marsh Har- on the islands of Borkum and Norderney. This rier Circus aeruginosus in the Wadden Sea study was part of a long-term research project National Park of Lower Saxony. aimed at developing a conservation concept for the Hen Harrier in the Wadden Sea Na- Both Hen Harrier Circus cyaneus and Marsh tional Park of Lower Saxony. Harrier Circus aeruginosus are characteristic The results show distinct spatial differences breeding birds on the East Frisian Islands in hunting habitat selection between the two in the Wadden Sea National Park of Lower harrier species. While hunting Hen Harriers Saxony. However, the species show opposite preferred dunes, shrub land and meadow habi- population trends. While the Marsh Harrier tats, Marsh Harriers showed a clear preference population has shown a slight increase during for reed beds along with dune habitats. Both the past ten years, the breeding population of species almost entirely avoided salt marshes Hen Harrier has undergone a dramatic decline and mudflats. Based on our results, the de- during the same period. crease of the breeding population of Hen Har- The simultaneous occurrence of both species riers caused by competitive interactions with within similar hunting habits may possibly Marsh Harriers seems unlikely. lead to competition for a limited food supply and/or limited hunting habitat. This could be This study has been published in: a potential cause for the decline, since avail- Schröder, M., Oberdiek, N., Dierschke, J., Feldt, ability and quality of hunting territories can T., Stahl, J. (2010): Wahl des Jagdhabitats von have an important impact on breeding suc- Kornweihen (Circus cyaneus) und Rohrweihen cess. Against this background, we studied (Circus aeruginosus) auf den Ostfriesischen In- the habitat preferences of hunting Hen and seln. Vogelwelt 131: 231-238. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 97-102, 2012 97

Verluste von Seevögeln durch die Küstenfischerei in Mecklenburg-Vor- pommern

Jochen Bellebaum1 und Bernd Schirmeister2

Bellebaum, J., Schirmeister, B. (2012): Verluste von Seevögeln durch die Küstenfischerei in Mecklenburg-Vorpommern. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1: 97-102. Für eine erste Untersuchung des Beifangs von Seevögeln durch die Stellnetz- und Langleinenfischer an der gesamten Küste von Mecklenburg-Vorpommern wurden in den Jahren 2006-2009 der Fi- schereiaufwand und der Beifang von Seevögeln von insgesamt 17 Fischereibetrieben erfasst. Insge- samt 6 % der erfassten Fischereiaktivität wurden von wissenschaftlichen Beobachtern an Bord der Fischereifahrzeuge begleitet. Der jährliche Beifang durch Fischer aus Mecklenburg-Vorpommern betrug 17.551 (14.905-20.533) Vögel im Zeitraum November bis Mai. An der Küste Usedoms waren die Beifänge v. a. in den 1990er Jahren deutlich höher als 2006-2009, vor allem als Folge eines Rückgangs der Rastbestände der meisten Arten. Für die Zeit bis 2005 ist deshalb von höheren Beifangraten und Beifangmengen auszugehen.

Bellebaum, J., Schirmeister, B. (2012): Seabird Bycatch in the Coastal Fisheries in Mecklenburg- Vorpommern. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft: 97-102. To study the magnitude and temporal trends of seabird bycatch in set nets and longlines in Meck- lenburg-Western Pomerania, we collected bird carcasses and information on fishing effort from fishermen using interviews and on-board observations. We sampled 17 fishermen in the period 2006-2009 and used results from 20 years of carcass collections on Usedom. The annual bycatch of 440 commercial fishermen was 17,551 (range 14,905 – 20,533) birds between November and May. Bycatch along the Usedom coast was considerably higher in the 1990s than during 2006-2009, mainly due to the severe decline in winter numbers of most species. Bycatch rates and total bycatch were therefore probably higher in the period until 2005.

1 Wiesenstraße 9, 16278 Angermünde, E-Mail: [email protected]

2 Seestraße 37a, 17429 Bansin

1. Einleitung dokumentieren insgesamt einen jährlichen Die südliche und westliche Ostsee ist im Beifang von ca. 90.000 Vögeln in der Winterhalbjahr ein international bedeutendes Stellnetzfischerei in Nord und Ostsee (Žydelis Rastgebiet für zahlreiche Seevögel. Viele dieser et al. 2009). Da die Untersuchungen nur Seevögel ernähren sich tauchend, entweder einen Teil der Küstenabschnitte mit intensiver von Fischen (Seetaucher, Lappentaucher und Stellnetzfischerei abdecken, schätzen Žydelis Alkenvögel) oder Benthosorganismen (Tauch- et al. (2009) den tatsächlichen Beifang auf und Meeresenten). Die Rastgebiete dieser 100.000-200.000 Vögel pro Jahr. Der bei Arten werden in regional unterschiedlichem weitem größte Anteil von ca. 80 % entfällt Maße auch durch die Fischerei genutzt. dabei auf die Ostsee. Weltweit verfangen sich tauchende Seevögel in Beifänge in diesem Umfang haben Stellnetzen oder an Langleinen und ertrinken, möglicherweise negative Auswirkungen daher ist diese Fischerei eine Gefährdung auf die Bestandssituation einiger Arten. für zahlreiche Seevogelpopulationen. In der An der deutschen Ostseeküste wurde der Nord- und Ostsee sind v.a. Stellnetze und Vogelbeifang in Stellnetzen bisher nur Reusen eine Gefahr für Seevögel. Seit den in Schleswig-Holstein von 1977 bis 1981 1970er Jahren wurde hier in verschiedenen (Kirchhoff 1982) und seit 1989 auf Usedom Küstengebieten der Vogelbeifang in der systematisch erfasst (Schirmeister 2003). Stellnetzfischerei untersucht. Diese Studien Für Schleswig-Holstein schätzte Kirchhoff 98 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 97-102, 2012

(1982) den jährlichen Gesamtbeifang auf Seevögeln von insgesamt 17 Fischereibetrieben 15.800 Vögel. Da auf Usedom ebenfalls durch Fragebögen und Sammlung der regelmäßig Vögel beigefangen wurden, gefangenen Vögel erfasst. Insgesamt 6 % versuchen wir hier mit aktuellen Ergebnissen der erfassten Fischereiaktivität wurden von eine vergleichbare Schätzung auch für wissenschaftlichen Beobachtern an Bord Mecklenburg-Vorpommern. der Fischereifahrzeuge begleitet (detaillierte Beschreibung in Bellebaum 2011). 2. Methoden In der Ausschließlichen Wirtschaftszone Auf Usedom wurden seit November 1989 (AWZ) östlich Rügens konnte nur die jährlich die Vogelbeifänge ausgewählter Stellnetz- und Langleinenfischerei deutscher Fischer gesammelt. Diese Fischer fangen Fischer untersucht werden, dort fischen mit Stellnetzen hauptsächlich vor der aber überwiegend Fischer aus anderen EU- Außenküste bis zur Greifswalder Oie. Die Ländern. Wichtigstes Ziel war die Ermittlung Zahl der beteiligten Fischer variierte von Jahr einer Beifangrate als catch per unit effort zu Jahr, es wurde aber darauf geachtet, den (CPUE), die als „Vögel pro 1000 Netzmeter * Beifang der einzelnen Fischer mindestens Tage“ (Vögel/1000 NMD) bei Stellnetzen und im Winterhalbjahr möglichst vollständig zu „Vögel pro 1000 Hakentage“ bei Langleinen erfassen. definiert wurde. Für eine Quantifizierung des Beifangs von Seevögeln durch die Stellnetz- und 3. Ergebnisse und Diskussion Langleinenfischer an der Küste von Vogelbeifänge traten bei allen untersuchten Mecklenburg-Vorpommern wurden in Fanggeräten und fischereilichen Zielarten auf den Jahren 2006-2009 zusätzlich zu den (Abb. 1). Die Beifangraten in Stellnetzen waren Beifangsammlungen auf Usedom der von der Jahreszeit, Wassertiefe am Fangplatz Fischereiaufwand und der Beifang von und der Zielart abhängig und zeigten mit

Abb. 1: Nach Fischereiaufwand korrigierte monatliche Beifangraten (CPUE: Vögel / 1.000 NMD bzw. 1.000 Haken-Tage) beim Fang unterschiedlicher Zielarten. Fig. 1: Monthly bycatch rates (CPUE: birds / 1,000 NMD or 1,000 hook days) during the catch of different target species. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 97-102, 2012 99

Abb. 2: Vergleich der Zusammensetzung des Stellnetzbeifangs an der deutschen Ostseeküste nach Vogelarten. Fig. 2: Comparison of the incidental catch composition in gillnets on the German Baltic coast by bird species.

Mittelwerten zwischen 0,01 und 0,61 Vögeln Tauchenten mit 70 % (Abb. 2). Die wechseln- pro 1000 NMD eine große Schwankungsbreite. den Anteile von Eisente Clangula hyemalis Die höchsten Beifangraten wurden von und Eiderente Somateria mollissima zwischen Dezember bis April festgestellt, beim Fang Schleswig-Holstein und Usedom sind ebenso von Hering Clupea harengus und Hornhecht wie die abweichende Zusammensetzung Belone belone auch im Mai, und traten in des Beifangs in den Bodden durch die den Boddengewässern und in den äußeren unterschiedlichen Überwinterungsgebiete der Küstengewässern auf. Die wichtigste Ursache Arten zu erklären (Skov et al. 2011). der besonders hohen Beifangraten in den Anders verhält es sich mit der Veränderung Boddengewässern (einschließlich Salzhaff) des Artenspektrums an der Außenküste v. a. beim Zanderfang sind die hohen Dichten zwischen den beiden Untersuchungsperioden von Rastvögeln. 1989-2005 und 2006-2009. Sie ist vorwiegend Die mittleren Vogelbeifangraten lagen auf einen Rückgang der Zahl gemeldeter im unteren Bereich der aus früheren Eisenten zurückzuführen. Die Ergebnisse der Untersuchungen im Ostseeraum bekannten durchgehenden Sammlung von Vogelbeifang Werte (Žydelis et al. 2009). Am geringsten an der Küste Usedoms zeigen einen deutlichen waren die Beifangraten im Sommer Rückgang der Zahlen beigefangener Eisenten, sowohl bei der Stellnetz- als auch bei der besonders seit dem Winter 2005/06 wurden Langleinenfischerei. nur noch wenige Eisenten registriert Die Mehrzahl der gefangenen Vögel stellten (Abb. 3). Neben der Eisente als der am durchweg Benthos fressende Tauch- und häufigsten gefangenen Art gingen auch bei Meeresenten. Bis 2005 machten Meeresenten weiteren Arten wie Trauerente Melanitta in Schleswig-Holstein ebenso wie auf Usedom nigra und Rothalstaucher Podiceps grisegena mehr als 80 % aller Vögel aus, 2006-2009 die registrierten Beifänge zurück. Dieser jedoch nur noch 47 %. Im Salzhaff und den Rückgang der Beifangzahlen entspricht einem Rügenschen Bodden überwogen dagegen Rückgang der Rastbestände in der Ostsee 100 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 97-102, 2012

Abb. 3: Jährlicher Beifang Usedomer Fischer im Winterhalbjahr (November bis April). Fig. 3: Annual incidental catch by fishermen on Usedom during the winter period (November to April). um 30-65 % (Skov et al. 2011), der sich so Nebenerwerb (M. Schmitt, LALLF MV, briefl.), auch im Seegebiet östlich Rügens bemerkbar wobei Nebenerwerbsfischer trotz geringerer macht. Beim Sterntaucher Gavia stellata Netzlängen ähnlich hohe jährliche Beifänge nahmen die Beifänge dagegen leicht zu, haben können wie Haupterwerbsfischer. keine klare Tendenz zeigten Haubentaucher Hochgerechnet auf 440 Stellnetzfischer ergibt Podiceps cristatus, Samtente Melanitta fusca sich für die Jahre 2006-2009 ein jährlicher und Mittelsäger Mergus serrator. Als Folge Beifang von 17.551 (14.905-20.533) Vögeln in dieser Veränderungen waren die Beifänge auf den inneren und äußeren Küstengewässern. In Usedom in den Jahren 2006-2009 deutlich der AWZ der Pommerschen Bucht, wo auf der geringer als Anfang der 1990er Jahre. Da die Oderbank und dem Adlergrund bedeutende Bestandsrückgänge vieler Arten den ganzen Vogelrastgebiete liegen, treten im Winter Ostseeraum betreffen, dürften bis 2005 auch weitere Beifangverluste durch Stellnetzfischer an den übrigen Küstenabschnitten höhere aus anderen Ländern auf, die bisher nicht Beifangmengen aufgetreten sein. erfasst wurden. Von 2006 bis 2009 meldeten die an der Aus der Heringsfischerei im Greifswalder Untersuchung beteiligten Fischer im Mittel Bodden wurden im Mittel elf Vögel 39,9 Vögel pro Fischer und Jahr (Jahreswerte je Fischer und Saison gemeldet. Im von 33,9 bis 46,7). Im Zeitraum 1990-1999 Untersuchungszeitraum 2006-2009 fischten wurden in den äußeren Küstengewässern von 177-212 Fischer im Haupterwerb mit Usedom fast doppelt so hohe Beifänge von Stellnetzen im Greifswalder Bodden (M. 77,3 Vögeln je Fischer und Winterhalbjahr Schmitt, LALLF MV, briefl.). Geht man davon registriert. aus, dass davon 90 % am Heringsfang beteiligt Stellnetzfischerei betreiben in Mecklenburg- waren, ergeben sich Beifänge von 1.752-2.099 Vorpommern heute ungefähr 300 Fischer Vögel pro Saison. Nicht berücksichtigt sind im Haupterwerb und 140 Fischer im hier Nebenerwerbs- und Freizeitfischer, die Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 97-102, 2012 101 aufgrund der begrenzten Netzlängen weniger die Beifangraten zu reduzieren. Für Natura als 5 % des Fangaufwands ausmachten. 2000-Gebiete in der deutschen AWZ nennt Das langfristige Ziel der Erfassung des ICES (2008) als Optionen für fischereiliche Vogelbeifangs ist eine präzisere Hochrechnung Managementmaßnahmen zur Umsetzung der auf der Grundlage der Beifangraten (CPUE). EU-Vogelschutzrichtlinie den Ausschluss der Dafür sind aber Angaben über den insgesamt Stellnetzfischerei in wichtigen Rastgebieten betriebenen Fischereiaufwand erforderlich. ganzjährig oder zeitlich begrenzt zu Zeiten Die deutsche Fischereistatistik erfasst bisher hoher Rastbestände sowie den Ersatz von keinen Fangaufwand in der hier verwendeten Stellnetzen durch alternative Fanggeräte, Form, d. h. Netzmeter und Tag bzw. Hakentage, sofern diese technisch und ökonomisch sondern nur Daten über die Dauer des Einsatzes geeignet sind. der Fanggeräte in Stunden unabhängig von Ein Ausschluss der Stellnetzfischerei wäre der Länge bzw. Anzahl der Netzblätter oder die wirksamste Maßnahme zur Vermeidung Haken. Überdies werden diese Daten nur für von Beifangverlusten und technisch Fahrzeuge von mindestens 8 m Länge erfasst, umgehend umsetzbar. Allerdings müsste viele Stellnetzfischer verwenden aber kleinere er das ganze Vogelrastgebiet erfassen, um Boote. eine Verlagerung von Fangaufwand (und Beifang) in nicht geschlossene Rastgebiete zu 4. Schlussfolgerungen verhindern. Gerade in den Küstengewässern Die Vogelbeifangraten lagen im Zeitraum der deutschen Ostsee sind ausgedehnte 2006-2009 im unteren Bereich der aus Rastgebiete im gesamten Winterhalbjahr früheren Untersuchungen im Ostseeraum bis in den Mai besetzt, sodass umfassende bekannten Werte. Die Ergebnisse an der Küste Gebietsschließungen die Stellnetzfischerei Usedoms seit 1989 zeigen, dass die Beifänge in erheblich einschränken würden. den 1990er Jahren deutlich höher waren. Die Alternative Fanggeräte wie Fischfallen Abnahme der Beifangzahlen ist hauptsächlich oder (unter bestimmten Bedingungen) auf einen Rückgang der Rastbestände und Langleinen könnten nach dem bisherigen nicht auf Veränderungen in der Fischerei Kenntnisstand in der Ostsee vorrangig den zurückzuführen. Beifang Benthos fressender Arten und damit Beifangverluste wurden als mögliche Rück- mindestens 50 % des gesamten Vogelbeifangs gangsursachen in den europäischen weitgehend vermeiden, ohne die Fischerei Managementplänen für Bergente Aythya marila aus Rastgebieten auszuschließen. Weniger und Samtente eingestuft, deshalb sehen die bekannt ist, ob alternative Fanggeräte Pläne eine Erfassung und ggf. Verringerung gewinnbringend einsetzbar sind, und wie der Verluste in den nächsten Jahren vor. Bei hoch der Beifang Fisch fressender Vogelarten der europaweit als gefährdet eingestuften an Langleinen im Winterhalbjahr wäre. Bergente betrugen in den letzten 30 Jahren Deshalb sollten alternative Fanggeräte die jährlichen Beifangverluste wahrscheinlich intensiver erprobt werden, auch mit Blick auf nie weniger als 1-2 % des Winterbestandes, die Fangeffizienz, z. B. durch Ermittlung der möglicherweise auch 5 % oder darüber. vermarktungsfähigen Fangmengen bezogen Auch für die Eisente zeigte eine Analyse, auf die eingesetzte Arbeitszeit. dass die dokumentierten Beifangverluste Eine weitere Möglichkeit zur Begren- durch die Stellnetzfischerei zusammen mit zung des Vogelbeifangs ohne Gebiets- weiteren anthropogenen Verlusten einen schließungen stellen möglicherweise Auf- möglicherweise bestandsgefährdenden wandsbeschränkungen dar. Solche Umfang erreichen (Žydelis et al. 2009). Seit Beschränkungen bestehen bereits in Form von 2012 gelten Eis- und Samtente angesichts Fangverbotstagen bzw. Seetageregelungen bei starker Bestandsrückgänge als global gefährdet der Dorschfischerei, sind bisher jedoch nicht (Eisente: VU, Samtente: EN, IUCN 2012). am Ziel der Beifangvermeidung orientiert. Daher sind im Ostseeraum einschließlich Aufwandsbeschränkungen, die sich zeitlich der Küstengewässer von Mecklenburg- und räumlich (auch) am Vorkommen von Vorpommern Maßnahmen notwendig, um Rastvögeln ausrichten, könnten den Schutz 102 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 97-102, 2012 von Fischbeständen mit der Vermeidung von Bellebaum, J., Schirmeister, B., Schulz, A. Vogelbeifang verbinden. (2008): Beifang von Seevögeln in Die Ergebnisse zeigen, dass ein Monitoring Stellnetzen – das Beispiel Ostsee. unter Beteiligung kooperationswilliger Vogelwarte 46: 333-334. Fischer möglich und auch zur Ermittlung von ICES 2008: ICES Advisory Committee, 2008. Beifangraten geeignet ist. Zur Verifizierung der ICES Advice 2008. Book 1: 303- Ergebnisse sollten ergänzend stichprobenartig 317. http://www.ices.dk/advice/ Mitfahrten von Beobachtern an Bord oder icesadvice.asp videogestützte Erfassungen eingesetzt werden. IUCN 2012: The IUCN Red List of Threatened Da solche Erfassungen überwiegend auf Species. Version 2012. http://www. Stichproben beschränkt sein dürften, sind iucnredlist.org. für Hochrechnungen auch Daten aus der Kirchhoff, K. (1982): Wasservogelverluste Fischereistatistik zum Fangaufwand mit durch die Fischerei an der schleswig- den verschiedenen passiven Fanggeräten holsteinischen Ostseeküste. nötig. Aktuell sind solche Daten bei den Vogelwelt 103: 81-89. Fischereibehörden nur teilweise vorhanden, Schirmeister, B. (2003): Verluste von insbesondere fehlen Aufwandsdaten für Wasservögeln in Stellnetzen der Fischereifahrzeuge von weniger als 8 m Küstenfischerei – das Beispiel der Länge, die häufig in der küstennahen Insel Usedom. Meer Mus. 17: 160- Stellnetzfischerei eingesetzt werden. 166. Skov, H., Heinänen, S., Žydelis, R., Bellebaum, Danksagung J., Bzoma, S., Dagys, M., Durinck, J., Wir danken Volker Röhrbein und Garthe, S., Grishanov, G., Hario, M., Frithjof Erdmann für die Mitfahrten und Kieckbusch, J.J., Kube, J., Kuresoo, A., Datensammlung sowie allen Fischern, die für Larsson, K., Luigujõe, L., Meissner, diese Untersuchung Vogelbeifang ablieferten W., Nehls, H.W., Nilsson, L., Petersen, und Angaben über ihren Fangaufwand I.K., Mikkola Roos, M., Pihl, S., zugänglich machten. Sonntag, N., Stock, A., Stipniece, A. Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz (2011): Waterbird populations and mit Mitteln des Bundesministeriums für pressures in the Baltic Sea. TemaNord Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. 550. Auftragnehmer: Institut für Angewandte Žydelis, R., Bellebaum, J., Österblom, H., Ökosystemforschung GmbH, Neu Broderstorf. Vetemaa, M., Schirmeister, B., Stipniece, A. , Dagys, M., van Eerden, 5. Literatur M., Garthe, S. (2009): Bycatch in Bellebaum, J. (2011): Untersuchung und gillnet fisheries – an overlooked Bewertung des Beifangs von Seevögeln threat to waterbird populations. durch die passive Meeresfischerei in Biol. Conserv. 142: 1269-1281. der Ostsee. BfN-Skripten 295. doi:10.1016/j.biocon.2009.02.025 Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Bd. 47, Sonderheft 1, S. 103, 2012 103

Die Deutschen See- und Küstenvogelkolloquien der AG Seevogelschutz

1. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium, 2.-3. November 1996 in Wilhelmshaven. Tagungsband: Seevögel 19, Sonderheft, 1998. Herausgeber: Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und Natur e.V.

2. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium, 14.-15. November 1998 in Stralsund, Tagungsband: Seevögel 21, Sonderheft 2, 2000. Herausgeber: Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und Natur e.V.

3. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium, 18.-19. November 2000 in Kiel. Tagungsband: Corax 19, Sonderheft 2, 2003. Herausgeber: Ornithologische Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein und Hamburg e.V.

4. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium, 16.-17. November 2002 in Norden. Tagungsband: Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 35, Heft 2, 2003. Herausgeber: Niedersächsische Ornithologische Vereinigung e.V.

5. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium, 22.-24. Oktober 2004 in Rostock. Tagungsband: Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 45, Sonderheft 1, 2006. Herausgeber: Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V.

6. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium, 13.-15. Oktober 2006 auf Helgoland. Es ist kein Tagungsband erschienen.

7. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium, 7.-9. November 2008 in Cuxhaven. Tagungsband: Vogelkundl. Ber. Niedersachs. Band 41, Heft 2, 2010. Herausgeber: Niedersächsische Ornithologische Vereinigung e.V.

8. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium, 26.-28. November 2010 in Stralsund. Tagungsband: Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47, Sonderheft 1, 2012. Herausgeber: Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V.

9. Deutsches See- und Küstenvogelkolloquium, 23.-25. November 2012 im Erlebniszentrum Naturgewalten auf Sylt. Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern (OAMV) e.V.

Die ornithologische Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern (OAMV) e.V. setzt die Traditionen und die Tätigkeit der Interessengemeinschaft Avifauna Mecklenburg und der formell am 25.08.1990 auf dem Recknitzberg als Interessengruppe des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e. V., Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, gegründeten Ornitho- logischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern fort. Auf Beschluss durch die Mitgliederversammlung erfolgte am 02.04.1995 die Umwandlung in einen selbstständigen eingetragenen gemeinnützigen Verein mit Einzelmitgliedschaft. Hauptanliegen des Vereins ist die Förderung der Vogelkunde, des Vogelschutzes und des Naturschutzes. Satzungsgemäß soll dies insbesondere durch Engagement beim Biotop- und Artenschutz, den Austausch von Erfahrungen und Beobachtungsergebnissen auf regelmäßigen Mitgliederversammlungen und Fachtagungen, gemeinschaftliche Exkursionen, die Unterhal- tung eines Vereinsarchivs sowie die Herausgabe der Schriftenreihe „Ornithologischer Rund- brief für Mecklenburg-Vorpommern“ erreicht werden. Zur aktuellen Information der Vereins- mitglieder über die Vorstandsarbeit und bemerkenswerte Feldbeobachtungen tragen jährlich vier „Ornithologische Rundschreiben“ sowie die Vereins-Homepage (www.oamv.de) bei. Nach der landesweiten „Brutvogelkartierung 1994-1998“, deren Ergebnisse in einem Brutvogelatlas veröffentlicht worden sind, stellen die Projekte „Vogelmonitoring in Mecklenburg-Vorpommern“, „Avifauna von Mecklenburg-Vorpommern“ und die Mitarbeit bei der Erarbeitung des ersten gesamtdeutschen Brutvogelatlas-Projektes “Atlas Deutscher Brutvogelarten (ADEBAR)“ wichtige aktuelle Arbeitsvorhaben dar. Die OAMV ist Mitglied im Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) sowie Stiftungsmitglied der „Stiftung Vogelmonitoring Deutschland“.

Vereinsvorstand Vorsitzender: Dr. Klaus-Dieter Feige, Lewitzweg 23, 19372 Matzlow, Tel.: 038726/206006, E-Mail. [email protected] Stellvertretender Vorsitzender: Dietrich Sellin, Dubnaring 1, 17491 Greifswald, Tel.: 03834/812918, E-Mail: [email protected] Schriftführer: Siegmar Müller, Schleswiger Straße 11, 18109 Rostock, Tel.: 0381/7682621, E-Mail: [email protected] Schatzmeister: Bernd Ladendorf, Helmut-von-Gerlach-Straße 2 a, 17192 Waren (Müritz), Tel: 03991/125714 E-Mail: [email protected] Fachbeisitzer: Joachim Neumann, Robinienstraße 117, 17033 Neubrandenburg, Tel.: 0395/4690364, E-Mail: [email protected] Rolf-Rüdiger Strache, An der Köppernitz 16 b, OT Groß Woltersdorf, 23968 , Tel.: 03841/600399, E-Mail: [email protected] Frank Vökler, Wossidlostraße 19, 18209 Bad Doberan, Tel.: 038203/776330, E-Mail: [email protected] Mitgliedsbeiträge und Bankverbindung Zahlungen aller Art sind auf folgendes Konto zu überweisen: Kontoinhaber: OAMV e.V., Bank: Sparkasse Vorpommern, Konto Nr.: 234001143, BLZ: 150 505 00, IBAN: DE37 1505 0500 0234 0011 43, BIC: NOLADE21GRW Der Jahresbeitrag von 25,00 € (Auszubildende und Ruheständler 15,00 €) ist jeweils bis zum 31. März auf das vorstehend genannte Konto zu überweisen. Bei Eintritt im Laufe des Kalenderjahres ist jeweils der volle Jahresbeitrag zu entrichten.