Corona Magazine 4/2019

Der Verlag in Farbe und Bunt Beschreibung & Impressum

Das Corona Magazine ist ein traditionsreiches und nicht- kommerzielles Online-Projekt, das seit 1997 die Freunde von Science-Fiction, Phantastik und guter Unterhaltung mit Informationen und Hintergründen, Analysen und Kommen- taren versorgt.

Seit dem Wechsel des Projekts zum Verlag in Farbe und Bunt im Herbst 2014 erscheint es im zeitgemäßen E-Book- Gewand.

Redaktion Uwe Anton, Reiner Krauss, Bettina Petrik, Thorsten Walch, Reinhard Prahl, Alexandra Trinley, Oliver Koch, Lieven L. Litaer, Birgit Schwenger, Sven Wedekin, Kai Melhorn, Armin Rößler, Rüdiger Schäfer, Anna Pyzalski, Sharine Jansen, C. R. Schmidt, Bernd Perplies, Hermann Ritter

Chefredakteur Medienjournalist & Autor Björn Sülter schreibt Romane (Be- yond Berlin, Ein Fall für die Patchwork Kids) & Sachbücher (Es lebe ), ist Experte für SYFY und mit Kolumnen und Artikeln bei Quotenmeter, Serienjunkies, in der GEEK! oder im FedCon Insider vertreten.

Dazu präsentiert er seinen beliebten Podcast Planet Trek fm und ist als Hörbuchsprecher und Moderator aktiv. Er lebt mit Frau, Tochter, Pferden, Hunden & Katze auf einem Bauernhof irgendwo im Nirgendwo Schleswig-Holsteins.

2 Ausgabe #348, April 2019

1. Auflage, 2019 ISBN 978-3-95936-162-0 © April 2019 / Alle Rechte vorbehalten

Der Verlag in Farbe und Bunt Gneisenaustraße 103 45472 Mülheim an der Ruhr

Herausgeber | Mike Hillenbrand Chefredakteur & E-Book-Satz | Björn Sülter Lektorat | Bettina Petrik, Telma Vahey & Björn Sülter Cover | EM Cedes

Corona Webseiten | www.corona-magazine.de Kontakt | [email protected]

3 +49 (0) 201 / 36 03 68 01 [email protected] http://www.ifub-verlag.de/ https://www.ifubshop.com/

4 Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, es sind wahrlich spannende Zeiten für Serien- und Film- freunde. Star Trek: Discovery ist just mit einem Effektgewit- ter in die Pause gegangen, Game of Thrones tobt sich durch die letzte Staffel, die Picard-Serie wird mindestens so heiß erwartet wie The Madalorian und im Kino hangeln wir uns ohnehin von Höhepunkt zu Höhepunkt: Erst Captain Marvel, jetzt Avengers: Endgame, bald Toy Story 4,Die Eiskönigin 2 und Star Wars: The Rise of Skywalker. Da ist wahrlich für jeden etwas dabei!

Doch haben auch wir vom Verlag in Farbe und Bunt dieses Jahr noch eine Menge zu bieten. Es lebe Star Wars aus der Feder unseres Thorsten Walch erscheint im Juni, ein weite- rer Serienklassiker wird zum Jahresende in einem Special beleuchtet. Sie dürfen gespannt sein! Dazu kommt Der kleine Trekkie aus der Feder von Ralph Sander sowie die neuen Romanreihen Unter der Sonne von Jannika Hauch, Seelen von unserem Reinhard Prahl und Space-Up! Vom Mond aus links von Lea Baumgart. Obendrauf gibts Fortset-

5 zungen zu Beyond Berlin, Kolonie 85, Hunting Hope, Honig- mann & Breuer und GRETEL.

Eine besondere Freude ist mir weiteres Futter für die Ohren anzukündigen: Beyond Berlin (gelesen von Benjamin Stöwe), Das Arschlochpferd 2 (von Mona Köhler) und Der kleine Prinz auf Klingonisch und Deutsch, gelesen von Lieven L. Litaer und Mike Hillenbrand sind nur einige der Highlights. Auch die Fortsetzung von Listen to the Universe im neuen Gewand verspricht Spannung.

Und dann gibt es ja auch noch das Corona Magazine - wie zuletzt gewohnt alle zwei Monate mit frischen Beiträgen.

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich sehe ein rundum phantastisches 2019 auf uns alle zukommen!

Vielleicht treffen wir uns ja auf einer der nächsten Messen und Conventions? Die aktuellen Termine entnehmen Sie bitte der nächsten Seite.

Ihr Björn Sülter Chefredakteur

6 Termine – treffen sie uns!

Sie treffen den Verlag in Farbe und Bunt und das Corona Magazine in den kommenden Monaten auf folgenden Ver- anstaltungen an:

4./5. Mai 2019, UniCon, Kiel

Chefredakteur und Verlagsleiter Björn Sülter ist mit dem Verlagsstand vertreten und wird von den Autorinnen und Autoren Jannika Hauch, C. R. Schmidt und Peter R. Krüger begleitet.

Jannika Hauch liest zudem aus Unter der Sonne.

6.-10. Juni 2019, FedCon, Bonn

Chefredakteur und Verlagsleiter Björn Sülter ist gemeinsam mit Herausgeber und Geschäftsführer Mike Hillenbrand mit dem Verlagsstand vertreten und wird von Autoren & Redak- teuren wie Reiner Krauss, Thorsten Walch, Peter R. Krüger, Lieven L. Litaer, Reinhard Prahl oder Anna Pyzalski begleitet.

Björn Sülter liest aus Es lebe Star Trek und Beyond Berlin und stellt seine neuen Star-Trek-Hörbücher vor. Thorsten Walch präsentiert Es lebe Star Wars. Peter R. Krüger liest aus Kolonie 85. Lieven L. Litaer stellt der kleine Prinz auf Klingonisch vor.

7 Tipps fürs Lesevergnügen

Ich habe gar keinen eBook-Reader« ist eine häufig gehörte Aussage, wenn es darum geht warum ein phantastisch interessierter Mensch noch kein neues Corona Magazine gesehen und gelesen hat.

Beispielsweise sind Kindle Paperwhite und Tolino tolle eBook-Reader, sie können tausende von Büchern in einem schmalen, robusten Gerät mitnehmen und dank mattem eInk-Display und dezenter Hintergrundbeleuchtung sowohl in der Sonne am Strand als auch abends, ohne Taschen- lampe, im Bett lesen.

Jede Ausgabe ihres Corona Magazines kann ganz selbstver- ständlich auch auf ihrem Smartphone, iPhone oder Compu- ter geschaut und gelesen werden. Hier haben sie gar die volle Farbkraft unserer Bilder in den Beiträgen.

Wie das geht? Amazon-Kunden installieren sich idealer- weise die Kindle-App oder schauen im Browser selbst,

8 genau wie beim Tolino webreader. Windows 10 Nutzer können gar ein lokales eBook ganz einfach mit dem integ- rierten Edge-Browser öffnen.

Schauen sie uns somit in Zukunft auf vielen Geräten und sagen sie es allen weiter, die noch nicht wussten wie sie uns lesen können und freuen sie sich somit auf ein Magazin von und in »Farbe und Bunt«.

Kindle-App für Windows und iOS https://www.amazon.de/kindle-dbs/fd/kcp

Tolino webReader https://mytolino.de/tolino-webreader-ebooks-online-lesen/

9 Ihr Reiner Krauss Autor und eBook-Gestaltung

10 Podcast

Ab sofort hat das Corona Magazine einen eigenen Podcast: Deep Inside mit Joshua Hillenbrand & Reiner Krauss.

Die erste Ausgabe behandelte das Thema Franchises.

Die zweite Ausgabe bietet ein Interview mit Jacqueline May- erhofer (Hunting Hope) und erscheint parallel zu Ausgabe 4/2019 des Corona Magazine.

Via Soundcloud: https://soundcloud.com/user-104747826

Via RSS-Feed: http://feeds.soundcloud.com/users/sound- cloud:users:521030382/sounds.rss

11 Thema des Monats Escape Games – Auf dem Weg zum Holodeck?

von Björn Sülter

Fans von Star Trek träumen schon seit vielen Jahrzehnten von einer Technologie, die erstmals 1987 auf den Fernseh- schirmen zu bewundern war: Holodecks!

Die Idee ist denkbar einfach: Ein Szenario nach Wahl wird aufgerufen und die Technik macht den Rest. Man kann alles berühren, mit Figuren interagieren und live mitspielen. Egal ob Krimi, Abenteuer oder Fußballstadion. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Die größte Hoffnung, irgendwann etwas Vergleichbares zu realisieren, liegt im Jahr 2019 weiterhin in der Verfeinerung

12 der VR-Technik, die sich zwar stetig entwickelt, aber selbst- verständlich noch weit von der Perfektion der Holokammern auf der Enterprise oder Orville entfernt ist.

Doch gibt es zum Glück auch noch eine andere und deutlich bodenständigere Möglichkeit, etwas Ähnliches zu erleben: Escape Games! Bei diesen kann man zwar nicht jedes belie- bige Setting wählen oder an die eigenen Bedürfnisse anpassen, die Vielfalt ist aber mittlerweile auf ein erstaun- liches Maß angewachsen.

Doch was steckt überhaupt dahinter? Viele kennen das Prinzip aus dem Bereich der Brettspiele. Man erhält eine Geschichte an die Hand und muss dann im Team

13 verschiedene Aufgaben bearbeiten, die sie vorantreiben und schließlich zur Lösung führen.

Doch gibt es das Ganze inzwischen eben auch in „echt“. Dabei werden die Spieler in einen Raum gesperrt, der nach einem bestimmten Setting gestaltet ist. Mit einer kleinen Vorgeschichte versehen muss man nun verschiedene Aufgaben (und zumeist mehrere Räume) durchspielen, bis man das Ziel erreicht hat und den Raum verlassen kann. Von Logikpuzzeln über Rechenaufgaben bis hin zu aktiven Rätseln, die Körpereinsatz erfordern, und sogar Kriechen durch enge Gänge ist alles vorhanden. Soundeffekte und wechselnde Lichtverhältnisse runden das Spielerlebnis ab und bieten die Möglichkeit, tief in das Szenario einzutauchen.

Die ersten Live Escape Games entstanden bereits 2007 in Japan. Seitdem hat sich das Phänomen weltweit ausgebreitet. In Deutschland fiel 2013 der Startschuss, als der erste kommerzielle Anbieter HintQuest in München Räume zur Verfügung stellte. Seitdem hat sich die Zahl der Ausrichter auf deutschlandweit über 200 in mehr als 100 Städten und mit über 500 Räumen ausgeweitet. In Berlin gibt es sogar schon die Verquickung von Escape Game und VR. Die Zukunft naht.

Für den Moment ist die traditionellere Herangehensweise jedoch noch interessanter, da man sich darin wirklich wie in einer anderen Welt fühlen kann. Einen spannenden 14 Anbieter haben wir uns im Rahmen der Recherche genauer angeschaut. Final Escape gibt es aktuell in fünf deutschen Städten. In Wuppertal, Berlin, Nürnberg, Duisburg und Kiel darf in vielen verschiedenen Räumen gemeinsam gerätselt werden. Der Ablauf ist immer gleich: Zunächst gibt es eine Einweisung durch den Gamemaster. Dann werden alle Wertsachen und Handys sicher eingeschlossen. Schließlich beginnt das Abenteuer. Der Gamemaster erzählt die Rahmengeschichte und entlässt die Gruppe in den Raum oder die Räume. Manchmal werden Gruppen nämlich auch aufgeteilt und müssen erst wieder zusammenfinden.

Von zwei bis zwölf Spielern ist alles möglich. Die unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen ermöglichen auch Anfängern oder altersgemischten Gruppen einen sanften Einstieg. Und wenn gar nichts mehr geht, hilft ganz bestimmt der Gamemaster. Dieser beobachtet und belauscht das Treiben in den Räumen während der einstündigen Ausflüge per Kameras und Mikrofonen. Selbstverständlich wird jedoch nichts davon aufgezeichnet, sondern dient nur der Spieldurchführung. Auch steht hier natürlich der Sicherheitsaspekt im Vordergrund: Schließlich wird man eingesperrt und muss bei Gefahr, oder sollte jemand den Raum verlassen wollen, umgehend die notwendige Hilfe erhalten. Aus eigener Erfahrung wissen wir: das Prinzip funktioniert reibungslos. Als einem Spieler einmal schwindelig wurde, holte ihn eine Mitarbeiterin sofort heraus und kümmerte sich rührend, bis die anderen den Raum fertiggespielt hatten. Wie es in Deutschland nicht 15 verwundert, wird das Thema Sicherheit ohnehin ganz groß geschrieben und gibt keinerlei Anlass zur Sorge. Die Türen sind elektromagnetisch verriegelt und lassen sich jederzeit per Notknopf öffnen. Unser Test ergab keinerlei Probleme. Fällt der Strom aus, entriegeln sich alle Türen zudem automatisch, was wir ebenfalls ausprobieren durften. Auch ängstliche Spieler können sich also problemlos einsperren lassen.

Andererseits ist der Gamemaster aber – wie der Name schon sagt – auch Chef im Ring, wenn es um die Durchführung der Geschichte geht. Mit dieser Position steht und fällt dann auch zu einem gewissen Teil der Spaß. Ein motivierter Gamemaster kann eine ganze Menge für die Spieler herausholen und die Erfahrung noch intensiver gestalten, was bei Final Escape auch eindeutig die Regel ist. Dafür sorgen schon eine mehrmonatige Einarbeitungsphase, die sorgfältige Personalauswahl sowie der ständige Austausch im Team.

Was die Ausstattung der Spiele angeht, fällt sofort auf, mit welcher Liebe zum Detail und Schaffenskraft die Räume bei Final Escape entstehen. Man taucht sofort in diese völlig andere Welt ein und möchte neben dem Rätseln am liebsten auch einfach nur alles ganz genau anschauen. Dazu sind die meisten Aufgaben fair und logisch. Beim Testspielen begeisterten insbesondere Prison Break, Der Puppenspieler, Der verrückte Galerist und Sherlock Holmes mit einem wunderbar detailverliebten Setting und starken Rätseln. 16 Dennoch sind auch alle anderen Räume durchweg wunderbar umgesetzt und bereiten bereits von der Atmosphäre her großen Spaß. Und sollte doch mal etwas nicht so gut gefallen, hilft Feedback der Spieler. Denn keine Kritik verhallt ungehört.

Zehn Räume stehen aktuell in der nördlichsten Landeshauptstadt zur Verfügung. Prison Break, Sherlock Holmes und Der verrückte Galerist sind die ältesten und wohl auch klassischsten Räume des Anbieters – sowohl in Sachen Setting als auch von der Umsetzung. Ein interessanter Nebenaspekt ist hierbei, dass die Rätsel alle vom Spieler manuell ausgelöst werden müssen und der Gamemaster in diesem Punkt kaum eine Möglichkeit besitzt einzugreifen.

Einen Schritt weiter ist man mit den neueren Angeboten Der Henker, Der Puppenspieler, Fluch des Pharao und Fred´s Nightmare gegangen. Dort hat der Gamemaster die Kontrolle über die meisten Mechanismen und kann diese im

17 Zweifelsfall selbst auszulösen. Rein von der Spielerfahrung nehmen sich beide Varianten nicht viel. Bei der manuellen Variante fällt aber auf, dass man potenziell in eine Sackgasse geraten kann, wenn irgendwas klemmt oder vom Spieler nicht optimal bedient wird. Dieses Problem fällt bei den neueren Räumen natürlich weg.

Zu diesen beiden Arten von Spielen kommen noch die Pop-Up-Games Geheimnis der Mönche, Die Zauberschule und Das Geisterschiff. Bei diesen gibt es einen kleinen, aber feinen Unterschied zu beachten. Während die normalen Räume mehrere Handlungsorte aufweisen, sind die Pop-Up-Games mehr auf die Rätsel fokussiert, bieten nur einen Raum (oder die neueren auch mal einen weiteren Raum im Raum), lassen aber das Element des Ausbrechens vermissen.

Die Detailverliebtheit und das Setting stehen den anderen Varianten aber in nichts nach. Ein weiterer Unterschied liegt noch darin, dass der Gamemaster hier nicht per Stimme

18 eingreift und das Spiel begleitet. Alle Informationen erscheinen zusammen mit der ablaufenden Zeit auf einem Monitor. In den anderen Räumen gibt es eine solche Art der technischen Unterstützung oder einen Countdown nicht. Dort spielt der Gamemaster eine Rolle in der Dramaturgie. Bei Sherlock Holmes zum Beispiel die Haushälterin des Detektivs oder Dr. Watson. Eine tolle Idee, die von den Mitarbeitern mit viel Liebe zum Leben erweckt wird. Und wenn es doch mal zu kleineren Problemen kommt, werden diese mit Charme und Witz überspielt. Auch hinter den Kulissen spürt man, mit welcher Energie hier gearbeitet wird. Es wird nicht einfach nur ein Programm abgespult, vielmehr diskutiert man, tauscht Erfahrungen aus und sucht neue Möglichkeiten, das Spielerlebnis weiter zu verbessern. Hier merkt man, dass der Kunde zählt, und hat für diesen Zweck eine tolle Truppe zusammengestellt, die ihren Job lebt.

Im Fokus steht aber natürlich das gemeinsame Erleben der Spieler. Teamfähigkeit wird dabei besonders groß geschrieben. Schnell lernt man: Man muss miteinander sprechen, sich organisieren, Aufgaben übernehmen und verteilen, mitdenken und in die Bresche springen, wenn die anderen nicht weiterkommen. Je größer und vielfältiger die Gruppe, desto höher die Chance auf verschiedene Denkansätze. Bemerkenswert ist, dass auch ein großes Altersgefälle (Mehr-Generationen-Spiele) wunderbar funktioniert, weil Oma einfach vollkommen anders an Probleme herangeht als die Kinder oder Enkelkinder. 19 Unbedingt ausprobieren! Somit eignet sich das Konzept sowohl für Familien mit Kindern, Paare, Freunde oder Feiern. Das kreative Denken regen die Spiele obendrauf noch an.

Doch wie entstehen die Spiele überhaupt? Was sind das für Leute, die sie entwickeln? Sind es Autoren oder ist der Ansatz eher technisch zu sehen? Führt der Weg von der Geschichte zur Umsetzung oder von der Idee eines Rätsels zur Geschichte? Katharina Ehrich vom Kieler Standort erklärt, dass alles immer mit einer Idee beginnt. So war es beispielsweise beim Thema Harry Potter.

Zuallererst gibt es ein Lastenheft, welches die Rahmenbedingungen abbildet. Als nächstes kommt der Drehbuchautor ins Spiel und schreibt die Geschichte für den Raum selbst. Das Ganze wird an einen Game Designer übergeben, welcher den Game Flow entwickelt. Sobald das steht, entwickelt ein 3D-Grafikdesigner Bilder, mit welchen dann der Ingenieur einzelne Gadgets modelliert. Diese Gadgets werden an mehrere Programmierer, Elektroniker, Tischler und Sound Designer übergeben, welche die Gadgets in ihrem jeweiligen Themenbereich bearbeiten. Parallel dazu werden diese Gadgets berechnet und an Set Designer weitergegeben, welche anschließend Flohmärkte, Antiquariate oder Ähnliches besuchen und passende Requisiten einkaufen. Anschließend wird das gesamte Spiel dann gebaut. Daran sind Patinierer, Bühnenbildner und andere beteiligt. Schließlich ist die Fertigungskette 20 abgeschlossen und das Spiel kann in die Testphase übergehen.

Eine günstige Angelegenheit kann ein Spielerlebnis dieser Art selbstverständlich nicht sein. Man muss sich nur vor Augen halten, dass ein fertiger Raum die Betreiber in der Anschaffung den Gegenwert eines hochwertigen Autos kostet. Hinzu kommen die laufenden Kosten und der Gamemaster, in dessen Verantwortungsbereich auch die Vor- und Nachbereitung des Spiels fallen. So kostet ein Ausflug zu zweit bei Final Escape in der Regel 30 Euro pro Person. Spielt man mit Mehreren, sinkt der Betrag pro Nase Richtung 25 Euro. Andere Anbieter sind vergleichbar in Sachen Preis. Das mag zunächst durchaus kostspielig klingen, ist dem Erlebnis und der gebotenen Leistung aber absolut angemessen.

Bleibt zu hoffen, dass das Konzept weiter so gut angenommen wird, damit die Vielfalt wachsen kann und zukünftig auch noch ungewöhnlichere Szenarios umgesetzt werden können. Für 2019 wurden bereits Das Geisterschiff und Die Zauberschule neu eröffnet, weitere spannende Ideen sind in der Mache.

Somit steht am Ende fest: Bevor wir wie die Raumschiffcrews der verschiedenen Star-Trek-Serien High-Tech-Projektionskammern betreten können, um unsere ganz individuellen Spielwelten zu erschaffen und zu spielen, oder dort jede beliebige historische Figur live zu 21 treffen, wird es noch eine ganze Weile dauern. Aber vielleicht ist das auch ganz gut so. In den genannten TV-Serien spielt die Technik den Anwendern nämlich immer wieder Streiche und sorgt für Katastrophen.

Da sind wir bei den spannenden Escape Games doch viel besser aufgehoben. Spaß machen die ja ebenfalls eine ganze Menge!

Final Escape im Netz: www.final-ecape.de

22 Unendliche weiten – Die Star-Trek- Ecke

Stars in anderen Rollen – Teil 41: Alan Van Sprang

von Thorsten Walch

Diesmal ist es kein Hauptdarsteller aus Star Trek: Discovery, dessen Leben und Werk in dieser Kolumne vorgestellt werden sollen. Der Mime Alan Van Sprang hatte zunächst ein erstes Cameo in einer erst verspätet veröffentlichten Zusatzszene zur abschließenden Folge der ersten Discovery-Serienstaffel. In Staffel 2 der aktuellen Serie nun hat er die wiederkehrende Gastrolle als ein ehemaliger Sternenflotten-Captain und als der Leiter der verschlagenen Geheimdienstorganisation »Sektion 31« inne. Obwohl Van

23 Sprang damit nicht zur Hauptbesetzung gehört, erwies sich seine Figur in den bisherigen Folgen als ungeheuer facettenreich und besitzt trotz eines gewissen Antipathie-Faktors eine beträchtliche Anziehungskraft.

Von daher: »Spot On« für Herrn Van Sprang!

Eine bekannte Geschichte ...

Der am 19. Juni 1971 in der kanadischen Olympia-Stadt Calgary geborene Van Sprang hatte wie der größte Teil seiner Kollegen inner- und außerhalb des Star Trek-Casts bereits in seiner Schulzeit in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren seinen Erstkontakt mit der Schauspielerei. Während seiner Zeit an der Crescent Heights High School an seinem Geburtsort besuchte er einen Schauspielkurs, was den Ausschlag für seine Berufswahl gab.

An dem ebenfalls in Calgary gelegenen Mount Royal College absolvierte er ein Schauspiel-Studium, das er 1992 mit einem Diplom abschloss. Seine Karriere begann in verschiedenen kanadischen Theatern, wo er in Rollen aller Größenordnungen in unterschiedlichsten Stücken zu sehen war.

Erste Fernsehrollen und ein böser Sternenflotten-Captain

Sein TV-Debüt hatte Van Sprang im Jahre 1994 in einer Folge der kurzlebigen Drama-Serie Robins Club des Produzenten 24 Aaron Spelling. Ein Jahr später war er in dem TV-Thriller Tatort Schlafzimmer bereits in einer größeren Rolle zu sehen, nämlich in der des Marshall Cameron, genauso wie beim harten Western Black Fox – Die Rache ist mein, in dem er neben den Hauptdarstellern Tony Todd (Star Trek: Deep Space Nine), Christopher Reeve und Kim Coates den Longbaugh spielte. 1996 kamen mit Immer näher kommt der Tod, Im Würgegriff der Yakuza-Killer und Carpool drei weitere fürs Fernsehen produzierte Thriller bzw. Krimis hinzu, in denen Van Sprang zwar eher kleine aber dennoch einprägsame Rollen übernahm.

1997 folgte eine ebenfalls kleine Rolle im TV-Thriller Masterminds – Das Duell, in dem ein ehemaliger Geheimagent die Schüler und das Lehrpersonal einer Schule in Geiselhaft nimmt und von einem jungen Hacker schließlich besiegt wird. Besagter Agent wurde von keinem Geringeren als von »Captain Picard« Patrick Stewart (damals noch ohne das »Sir« im Namen) verkörpert.

Es folgten weitere Gastauftritte von Van Sprang in verschiedenen TV-Produktionen, beispielsweise in einer Folge der Fantasy-Serie Raven – Die Unsterbliche, und die hierzulande nicht gezeigten Fernsehfilme The Uncles, Earth Angels und Baby entführt! – Drama am Weihnachtsabend.

Auf den Spuren Gene Roddenberrys

25 Seine bis dahin wichtigste Fernsehrolle spielte Van Sprang von 2001 bis 2002 in der fünften und letzten Staffel der Science-Fiction-Serie Mission Erde: Sie sind unter uns, die auf einem unverwendeten Konzept des Star Trek-Erfinders Gene Roddenberry basierte und von dessen Witwe Majel Barrett Roddenberry produziert wurde. Als Howlyn, dem Anführer der sogenannten »Atavus«-Mutanten (ehemals »Taelons«), gehörte Van Sprang während der letzten Serienstaffel zur Hauptbesetzung.

2002 war er anschließend in dem von Leinwandstar Tom Cruise co-produzierten Thriller Narc zu sehen. Es folgten Gastauftritte in Episoden der Serien Monk und Mutant X sowie im »SchleFaZ«-würdigen Endzeitstreifen Die Verstoßenen – Am Rande der Apokalypse.

Im darauf folgenden Jahr spielte Van Sprang in der christlichen Produktion Das Johannes Evangelium – Der Film die Rolle des Judas Ischariot, ferner machte er beim TV-Krimi Rush of Fear und bei In the Dark mit. 2004 folgte mit dem kruden TV-Science-Fiction-Streifen Anonymous Rex ein weiterer »SchleFaZ«-Kandidat, in dem sogar die einstige Leinwand-Diva Faye Dunaway sowie der Jazz-Musiker Isaac Hayes (!) mitwirkten. Auch folgte das Biopic Evel Knievel über den in den 1960er- und 1970er-Jahren berühmten gleichnamigen Motorrad-Artisten. 2005 schließlich wirkte Van Sprang in der TV-Schmonzette Heirat mit Hindernissen mit.

26 Durchbruch im Horror-Genre

2004 lernte Van Sprang den in Horror-Fankreisen kultisch verehrten Regisseur und Produzenten George A. Romero (+ 2017) kennen, der ihm in seinem Zombie-Film Land of the Dead 2005 die Rolle des toughen Brubaker gab. Obwohl es sich auch hier »nur« um eine größere Nebenrolle handelte, wurde Van Sprang dadurch insbesondere im Horror-Genre bekannt. Seine nächsten Filme Devil's Perch, Saw 3 und Shutter gehörten allesamt diesem an. 2007 arbeitete er ein weiteres Mal mit Romero zusammen, spielte im nächsten Teil von dessen Zombie-Saga mit dem Titel Diary of the Dead die Rolle des namenlosen »Colonel«. Phantom Punch von 2009 hingegen war kein Horrorfilm, sondern ein Sportler-Drama über den Boxer Sonny Liston – hier war Van Sprang als Nico Orso zu sehen.

2009 schließlich arbeitete Van Sprang ein drittes und letztes Mal mit Romero zusammen: In dessen sechstem und letztem Zombie-Film Survival of the Dead spielte er als Sarge »Nicotine« Crocket diesmal die (menschliche) Hauptrolle.

Vom Zombieland ins Mittelalter

2009 ergatterte Van Sprang seine erste ikonische TV-Rolle. In der dritten Staffel der derben Mittelalter-Drama-Serie Die Tudors war er als der königliche Günstling Sir Francis Bryan zu sehen. Dieser gehörte zu den wenigen Figuren der Serie, 27 die keinen unrühmlichen Abgang erlebten. Der Charakter erfüllte ab der vierten Staffel einfach keinen weiteren Sinn in der Handlung.

Zur gleichen Zeit hatte Van Sprang einen kleinen Auftritt im TV-Action-Film Cra$h & Burn.

Endlich TV-Star

Zwischen 2011 und 2012 folgte eine weitere Serien-Hauptrolle. In der kanadischen Krimiserie King, von der zwei Staffeln mit insgesamt 21 Folgen produziert wurden, war Van Sprang als Detective Sergeant Derek Spears zu sehen. 2013 folgte mit Reign eine weitere Historienserie, in den beiden ersten Staffeln von dieser verkörperte er Heinrich II., den König von Frankreich.

Nach Gastauftritten in zwei Folgen einer Neuauflage der Beauty and the Beast-Serie ist Van Sprang seit 2016 in einem wiederkehrenden Gastpart als Valentine Morgenstern in der Fantasy-Serie Shadowhunters: The Mortal Instruments zu sehen, die die Buchreihe Chroniken der Unterwelt von Cassandra Clare adaptiert.

Seit Anfang 2019 schließlich, beziehungsweise wie erwähnt genau genommen schon seit dem Jahr zuvor, ist Van Sprang für Star Trek-Fans der besagte Captain mit dem Namen Leland, von dem die Zuschauer hoffentlich noch einiges zu sehen bekommen werden. 28 Privates

Hier hält sich Van Sprang eher bedeckt. Bekannt ist lediglich, dass er alleinerziehender Vater eines Sohnes namens Logan Joseph Van Sprang ist, der aus der Beziehung mit seiner Ex-Freundin Sarah Robichaud hervorgegangen ist, und dass er seit 2018 mit der Autorin Gabriella de la Torre liiert ist.

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30 TREKminds – die News von Thorsten Walch

Staffel 3 von Star Trek: Discovery gesichert

In dieser Ausgabe des Corona Magazine gibt es vergleichsweise wenige Neuigkeiten aus dem Lieblings-Franchise vieler Leser zu vermelden. Alle großen Knüller wurden bereits in den vergangenen Monaten bekanntgegeben, aber nichtsdestotrotz bleibt es natürlich immer spannend für die Fan-Welt.

Während die zweite Staffel von Star Trek: Discovery beispielsweise noch allwöchentlich mit einer neuen Episode fortgesetzt wird, hat man seitens CBS All Access bereits die dritte Staffel angekündigt. Zuvor hatten insbesondere in den sozialen Netzwerken Gerüchte über eine Einstellung der Serie nach Staffel 2 die Runde gemacht, die sich jedoch als Wunschdenken von einer der Serie nicht eben wohlgesonnenen Fan-Fraktion herausgestellt haben. Obwohl sich Netflix nach wie vor mit der Bekanntgabe von Streaming-Quoten schwertut, ist die momentan aktuellste Star Trek-Serie insgesamt ohne Zweifel ein großer Erfolg.

Wann genau mit Staffel 3 zu rechnen sein wird, steht allerdings trotzdem noch in den sprichwörtlichen Sternen.

31 Staffel 3 von Star Trek: Discovery ohne Captain Pike, dafür mit Gastauftritten von Spock

Obwohl die Neuigkeit nach den Ereignissen in den ersten beiden Staffeln eigentlich wenig überraschend anmuten sollte, sorgte sie dennoch bei einigen Discovery-Fans für lange Gesichter: Anson Mount wird in der kommenden dritten Staffel von Discovery nicht mehr mit von der Partie sein, da sein Charakter Christopher Pike zum Ende der zweiten Staffel wieder das Kommando über die Enterprise übernimmt. Über Pikes Nachfolge gibt es die üblichen Spekulationen, die sich unter anderem um das diesseitige Ich von Captain Lorca (Jason Isaacs) drehen.

Allerdings wird es wohl auch in Staffel 3 zumindest Gastauftritte von Mister Spock (Ethan Peck) geben. Ob die anderen Neuzugänge aus Staffel 2 wie Commander Jett Reno (Tig Notaro) oder Commander Nhan (Rachael Ancheril) an Bord der Discovery bleiben werden, steht ebenfalls noch nicht fest.

Lösung der »Kanon-Probleme« noch in Staffel 2 von Star Trek: Discovery

Die stets von vielen Fans kritisierten Ungereimtheiten in Bezug auf den Gesamt-Kanon des Star Trek-Universums in Discovery sollen laut Showrunner Alex Kurtzman noch in der aktuell laufenden zweiten Staffel beseitigt werden, was auch

32 von Anthony Rapp (Lt. Cmdr. Paul Stamets) in einem Interview bestätigt wurde.

Ob man die vielen in den vergangenen Staffeln aufgetauchten Fragen allerdings wirklich im Zuge der bei Redaktionsschluss noch auszustrahlenden Folgen beantworten kann, muss fraglich bleiben.

Star Trek: Discovery als Comic

Mit Star Trek Discovery – Das Licht von Kahless erschien Ende Dezember 2018 im Cross Cult-Verlag die erste Comic-Adaption zur aktuellen Star Trek-Serie, aus der Feder der Autoren Kirsten Beyer und Mike Johnson, die auch an den TV-Episoden mitarbeiten, und von Zeichner Tony Shasteen. In der Prequel-Geschichte geht es um den Werdegang des Klingonen T'Kuvma und die Anfänge seiner Versuche, das gespaltene Imperium wieder zu vereinen.

Natürlich haben auch andere serienbekannte Charaktere Gastauftritte in der Geschichte. In den USA gibt es bereits einen zweiten Discovery-Comic, der demnächst ebenfalls in deutscher Übersetzung bei Cross Cult herauskommen dürfte.

Dreharbeiten zur »Picard«-Serie haben begonnen

Die Dreharbeiten zu der nach wie vor noch namenlosen »Picard«-Serie mit Sir Patrick Stewart haben im April sowohl 33 vor als auch hinter der Kamera im April begonnen. Das ist leider auch schon der einzige gesicherte Fakt bezüglich dieses Projekts. Nach wie vor gibt es bisher lediglich Gerüchte zum Inhalt der Reihe. Eines davon besagt, der alternde Jean-Luc Picard werde in der Serie seiner Passion für die Archäologie nachgehen. Auch in Sachen Gastauftritte seiner ehemaligen Crewkameraden aus Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert steht nach wie vor nichts fest.

Unklar ist ferner, wo und in welcher Form die neue Serie in Deutschland zu sehen sein wird. Während in den USA CBS All Access die Veröffentlichung übernimmt, richten sich die Erwartungen bezüglich der Ausstrahlung hierzulande selbstverständlich am häufigsten in Richtung Netflix. Starten soll die Serie allerdings noch in diesem Jahr.

Die Redaktion des Corona Magazine wird Sie selbstverständlich diesbezüglich auf dem Laufenden halten.

Kein neuer Star Trek-Kinofilm in Sicht

Vom Tisch zu sein scheinen hingegen alle Pläne bezüglich der Produktion eines neuen Star Trek-Kinofilms in absehbarer Zeit. Paramount ließ verlauten, dass sämtliche Pläne diesbezüglich momentan definitiv auf Eis lägen, was auch für die im Vorfeld heftig umstrittene Version von Quentin Tarantino gelten dürfte.

34 Zumindest 2019 und auch 2020 dürfte somit kein neuer Film in Aussicht stehen, was für die Fans jedoch angesichts des Genusses von demnächst drei Star Trek-Real- und zwei Animationsserien zu verschmerzen sein dürfte.

Kolumne: Picard-Serie = NextGen²? von Thorsten Walch

Bei Erscheinen dieser Ausgabe ist zwar gerade erst Ostern vorbei, aber die Nerd-Welt freut sich bereits recht einhellig auf Weihnachten. Gar nicht unbedingt auf Christstollen und Lebkuchen, die man zweifellos ohnehin bereits ab August in den Lebensmittelgeschäften finden wird. Sondern vielmehr auf den neuen Star Wars-Film, der ...

Kommando zurück, falsche Kolumne. Aber ein Auslöser für die Vorfreude auf das Jahresende ist ganz sicher auch dieses kommende Kino-Erlebnis.

Der Verfasser dieser Kolumne bleibt für diese Zeilen erst einmal trotzdem in der Star Trek-Fanszene. Inzwischen dürfte es ein jeder gehört haben: Der beliebte Charakter Jean-Luc Picard kehrt zurück. Wenn man gegenwärtigen entsprechenden Plänen glauben darf, wird es in der besagten Weihnachtszeit so weit sein, dass man sich die neue Serie rund um ihn ansehen kann, wenn es nicht zu Verspätungen kommt. 35 Die gab es, man erinnert sich, zum Beispiel durchaus im Falle von Discovery, aber man sollte vielleicht an dieser Stelle einfach mal optimistisch sein. Auch bezüglich der Hoffnung, dass hierzulande ebenfalls Netflix die zeitnahe Veröffentlichung übernehmen wird.

Seit der ersten Eröffnung bezüglich der kommenden Serie sind Star Trek-Fans auf der ganzen Welt in heller Aufruhr. Als man die Crew aus der beliebten Serie Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert 2002 zum letzten Mal in einem eigenen Abenteuer zu sehen bekommen hatte, hatte es ganz so ausgesehen, als sei alles Sehnen nach einer Fortsetzung der Geschichten rund um diese vergeblich. Traurige Aussichten, ist in manchen Fan-Kreisen diese Besatzung doch sogar noch beliebter als die sogenannten »TOS-Classics«, die Darsteller aus der Originalserie Raumschiff Enterprise. Aber nun muss man sich nicht mehr grämen; es geht weiter.

The »Next-Next Generation«?

Die berüchtigte Fraktion jener überaus kritisch und konservativ eingestellten Trekkies, die beispielsweise bei der bloßen Erwähnung einer »Sektion 31«-Serie virtuell Sturm laufen, verhielt sich angesichts der Ankündigung dieses Projekts verdächtig still und bedächtig. Auch bei nachfolgenden Neuigkeiten zur Natur der neuen »Picard«-Serie gab es keinen Aufstand. 36 Picard, das erfuhr man recht bald, wird in der neuen Serie kein Raumschiff-Captain mehr sein. Eigentlich war das nicht anders zu erwarten. Trotz seiner bemerkenswerten körperlichen Verfassung wird Hauptdarsteller, Ideengeber und Co-Produzent Sir Patrick Stewart am 13. Juli diesen Jahres schließlich bereits 79 Jahre alt. Ein Auftritt als Actionheld in der neuen Serie war damit von vorneherein recht unwahrscheinlich. Und ein Weltraum-Rambo wie der junge Captain Kirk war dessen Nachfolger bis auf ein paar wenige Ausflüge martialischerer Art ja vorher schon nicht.

Stattdessen war die Rede davon, dass man einen deutlich gereiften, »anderen« Picard zu sehen bekommen wird. Vielleicht ist Picard nun Admiral, vielleicht auch Föderationspräsident. Oder aber er hat sich vollkommen aus der Sternenflotte zurückgezogen und betätigt sich nun als Archäologe. Das Feld der Spekulationen ist wie immer breit.

Und seine Crew?

Zwar war Stewart kurz nach Verkündung der freudigen Nachricht auf einigen veröffentlichten Fotos mit seinen früheren Schauspielkollegen bei einer feucht-fröhlichen Zusammenkunft zu sehen, aber auf Fragen nach deren Beteiligung an der neuen Serie wurde eher ausweichend geantwortet. Nein, es sei ganz und gar nicht ausgeschlossen, dass William Riker (Jonathan Frakes), Deanna Troi (Marina Sirtis), Dr. Crusher (Gates McFadden), Worf (Michael Dorn) 37 und der mittlerweile erwachsene Wesley Crusher (Wil Wheaton) in der neuen Serie vorkommen würden. Bezüglich »Data« Brent Spiner war man mit Aussagen aus naheliegenden Gründen noch verhaltener. Aber einen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass die frühere Besatzung der Enterprise NCC-1701-D und Enterprise NCC-1701-E wieder zu einer Crew werden würde ... Nein, den gab es nicht.

Dafür wurde Frakes wenig überraschend als Regisseur von diversen Episoden der neuen Serie angekündigt. Kunststück, gehört er doch bereits zum festen Regie-Stab von Discovery, einer Produktion, die vom mehr oder minder gleich besetzten Stab realisiert wird.

Wird die Picard-Serie also nun eine »Next-Next Generation« oder eher nicht? Nun, die Mitwirkung von Picards alten Kameraden wurde ja nicht per se ausgeschlossen, man darf also getrost abwarten.

Vielleicht aber ging es nicht nur dem Verfasser dieser Kolumne so, dass ihm trotz aller Spekulationen dieser Art in diesem Zusammenhang die Crew aus der klassischen Originalserie und deren Gastauftritte in späteren Produktionen einfielen. Bereits ab dem zweiten Kinofilm mit dieser Besatzung aus dem Jahr 1982 war das Alter der Weltraumhelden Bestandteil jeder ordentlichen Kritik am Star Trek-Franchise. Und unter 60 ist inzwischen abgesehen

38 von Wheaton niemand von der Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert-Besetzung mehr.

Aber – die Zeiten ändern sich.

Damals und heute

Die Serie Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert war während ihrer siebenjährigen Laufzeit von 1987 bis 1994 wegweisend für das phantastische Fernsehen. Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert sorgte für einen immensen Boom entsprechender Science-Fiction-TV-Formate, dank dem die nachfolgenden Star Trek-Serien Star Trek: Deep Space Nine, Star Trek: Raumschiff Voyager und Star Trek: Enterprise letztlich nur noch drei unter vielen waren.

Bei allem Enthusiasmus sollte man aber nicht vergessen, dass Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert in einem hohen Maße ein ausgesprochenes Kind seiner Zeit war. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich die Serie in einem direkten Vergleich etwa mit Discovery ansieht. Bevor die ersten Kritiker-Stimmen an aktuell neuesten Inkarnation des Star Trek-Franchise sich erheben: Nein, es geht bei diesem Vergleich nicht um persönlichen Geschmack, sondern um die Zeitmäßigkeit.

In der Gegenwart gibt es nur noch wenige Serien aus dem Science-Fiction-Bereich oder auch in ganz anderen Genres, 39 die in ihren Episoden reine Einzelgeschichten ohne Bezüge zueinander erzählen, die man sich theoretisch bunt durcheinandergewürfelt anschauen und dennoch der Handlung folgen könnte. Bis weit in die 1990er-Jahre hinein waren chronologisch aufeinander aufbauende Serien allerdings mehr die Ausnahme als die Regel.

Auch Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert begann erst in den späteren Staffeln damit, auf vorherige Ereignisse Bezug zu nehmen, und selbst als dies geschah, war die Kenntnis der entsprechenden Folgen keine unabdingbare Pflicht. Besagte Ereignisse wurden zumeist in Dialogform ohnehin noch einmal kurz »aufgewärmt«.

Ein anderer Gesichtspunkt ist, dass die Machart von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert trotz vielerlei Tiefsinn, der der Serie gewiss nicht abgesprochen werden soll, deutlich lockerer gestaltet war als bei heutigen Produktionen. Der Begriff »düster« hatte längst nicht die Dimensionen erreicht, die er heute umfasst. Als 1996 der Film Star Trek: Der erste Kontakt herauskam, kritisierten nicht wenige Fans den deutlich dunkleren Tenor, der in diesem vorherrschte. Der ansonsten so disziplinierte Captain Picard geht plötzlich wie ein Berserker auf angreifende Borg los und vergisst dabei sogar seine eigentliche Aufgabe? Dergleichen war bei Star Trek ein absolutes Novum. Die Serie hatte eine meist bonbonfarben strahlende Zukunftsvision gezeigt, in der Schönheitsfehler zwar vorhanden aber überaus selten gewesen waren. 40 Dies hatte sich erst mit der Nachfolgeserie Deep Space Nine geändert, und auch diese geriet genau deswegen häufig in die Kritik.

»Zu dunkel, zu pessimistisch, kein echtes Star Trek!«, war da oft zu vernehmen.

Heute hingegen wird Deep Space Nine zuweilen gar vorgeWorfen, dass man »schwierige Themen« wie das totalitäre Regime der Cardassianer erheblich hätte vertiefen müssen.

Auch das Zwischenmenschliche im Star Trek früherer Jahre war ein anderes als in der heutigen TV- bzw. Streaming-Unterhaltung, was ebenfalls die Entstehungszeit wiederspiegelt. Natürlich gab es Konflikte unter den Mannschaftsmitgliedern, doch waren diese nur äußerst selten der Hauptbestandteil der Episodenhandlung, sie fanden meist »nebenher« statt. Und am Ende gab es fast stets eine wie auch immer geartete Lösung dafür. In heutigen Serien ziehen sich solche Konflikte mitunter durch komplette Staffeln, wenn nicht gar durch die gesamte Reihe. Ganz sicher eine realistische Darstellung, aber auch eine deutlich schwerer verdauliche.

Als Ausnahme im Falle von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert sei die Assimilierung von Picard durch die Borg genannt, deren psychische Spätfolgen ihn bis weit 41 in die vierte Serienstaffel und noch darüber hinaus beschäftigten.

Wie erwähnt war Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert in dieser Beziehung ein Wegbereiter. 20 Jahre vorher wäre dergleichen undenkbar gewesen. Man stelle sich einen Mister Spock in der dritten Staffel der klassischen Originalserie vor, der in verschiedenen Folgen immer wieder betont, wie sehr ihn der Raub seines Gehirns durch die Bewohner von Sigma Draconis nach wie vor seelisch belastet. Darauf hätte man seitens des Publikums höchstwahrscheinlich mit äußerstem Unverständnis reagiert, da sich damals kaum jemand dafür interessiert hätte. Ganz einfach deshalb, weil die Sehgewohnheiten zu dieser Zeit anders waren.

Kurz gesagt, es wäre in der heutigen Zeit kaum vorstellbar, eine Serie in einem identischen oder auch nur ähnlichen Stil herauszubringen wie im »Silbernen Zeitalter des phantastischen Fernsehens« (siehe hierzu auch den entsprechenden Artikel in dieser Ausgabe des Corona Magazine). Trotz vieler Ähnlichkeiten wirkt selbst eine deutlich als Hommage an diese Zeit angelegte Serie wie The Orville in ihrer Machart deutlich moderner.

Bedeutet dies also, dass nostalgische Trekkies ihre Hoffnungen bezüglich der »Picard«-Serie begraben müssen?

Neue Gewänder für klassische Helden 42 Nun, mit ziemlicher Sicherheit wird die Picard-Serie keine Neuauflage von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert werden. Auch wenn Stewart, Kurtzman und alle anderen, die mit der neuen Serie befasst sind, es den Fans nicht »platt vor den Kopf« gesagt haben: Es stand doch eigentlich von Beginn der Planung an fest, dass man darauf nicht hinauswill.

Die neue Serie soll sich einem der faszinierendsten Charaktere aus dem Star Trek-Universum widmen und seine Entwicklung in den 20 Jahren zeigen, die seit Star Trek: Nemesis vergangen sind, nicht einen lauen Aufguss von etwas schon einmal da Gewesenem präsentieren. Wie erfolgversprechend das wäre, steht in den sprichwörtlichen Sternen.

Mittlerweile sind übrigens auch die beiden ersten weiteren Darstellernamen aus der Besetzung bekannt, die da Santiago Cabrera und Michelle Hurd lauten. Welche Charaktere die beiden spielen werden, diesbezüglich tappt man noch völlig im Dunkeln. Ziemlich sicher werden sie aber keine bereits bekannten etablierten Serienfiguren imitieren. Ernst soll der Ton der Serie werden, wie man hört. Angesichts des Alters des Hauptdarstellers und der Zeit, die seit seinem letzten Auftritt vergangen ist, scheint es ziemlich wahrscheinlich, dass es auf die eine oder andere Weise um das Thema »Älterwerden« gehen wird.

43 Picards Leben, so hört man außerdem, habe sich durch den Fall des Romulanischen Sternenimperiums drastisch verändert. Star Trek war in all seinen bisherigen Inkarnationen immer das Spiegelbild der realen Welt und allegorisierte diese in all ihren Facetten. In diesem Fall klingt das Ganze (auch) nach Politik. Was stellten eigentlich die Kommandanten der mächtigen romulanischen Warbirds an, nachdem es kein Oberkommando mehr gab? Für den Verfasser dieser Kolumne hört sich diese Frage recht spannend an.

Und was hat es mit den »Metamorphen« auf sich, von denen in Gerüchten der schon etwas konkreteren Art bereits die Rede war? Die »Gründer« aus Deep Space Nine werden damit wohl nicht gemeint sein ... oder etwa doch?

Welche Rolle wird Picard insgesamt in der Serie spielen? Wie wird er, ob nach wie vor Sternenflotten-Angehöriger oder nicht, in große Ereignisse hineingezogen werden? Oder bleibt er eher ein Chronist, ein Erzähler, der irgendwo am Rand der erzählten Geschichten steht?

Ähnlichkeiten mit Discovery soll es so gut wie überhaupt keine geben. Das fällt dem Kolumnisten allerdings eher schwer zu glauben. Wie schon angesprochen sind alle Star Trek-Serien ausgesprochene Kinder ihrer Zeit. Allein deshalb wird es die eine oder andere Parallele sicher geben, wenn auch die Picard-Serie wohl einem ansonsten abweichenden Stil folgen wird. 44 Und – 20 Jahre sind auch im 24. Jahrhundert eine lange Zeit. Picards komplette frühere Mannschaft wird mittlerweile ganz anderen Tätigkeiten nachgehen. Sie nicht wenigstens in Gastauftritten in die neue Serie zu integrieren, wäre eine beispiellos verschenkte Gelegenheit, die einem sich zudem extrem schwer vorzustellen fällt.

Dass der am Ende von Star Trek: Nemesis zum Captain beförderte Riker eines Tages die Würde eines Admirals der Sternenflotte bekleiden wird, wurde nicht nur einmal in Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert angedeutet. Bekleidet er mittlerweile gar einen höhergestellten Rang als Picard?

Rikers Gemahlin Deanna hingegen könnte gut und gerne die Position ihrer zweifellos auch in der Serie verstorbenen Mutter Lwaxana Troi (Majel Barrett) eingenommen haben.

Und Worf erfüllte bereits am Ende seiner Mitwirkung bei Deep Space Nine eine wichtige Funktion als Botschafter der Föderation im klingonischen Imperium. Könnte Martok (J. G. Hertzler), der damalige neue Kanzler des klingonischen Hohen Rates, mittlerweile abgetreten und Worf gar sein Nachfolger geworden sein, um sich seinem früheren Captain und Freund nun als Widersacher gegenübergestellt zu sehen?

45 Geordi La Forge (LeVar Burton) wiederum hat der Sternenflotte vielleicht ebenfalls den Rücken zugewandt und ist ein treusorgender Familienvater, möglicherweise gar Großvater.

All diese Figuren werden in der neuen Serie sicher zumindest Erwähnung finden. Einzig im Falle von Data wird es schwierig, die Geschichte weiterzuerzählen, falls man seinen eingespeicherten Geist nicht kurzerhand in den Körper des Nachfolgemodells B-4 übertragen hat (was wahrscheinlich keine so gute Idee wäre).

In Hauptrollen wird man sicher niemand aus der alten Besetzung sehen – aber wohl gewiss in Cameos. Mit mehr Unsicherheit hingegen spekuliert man schon, wenn es um Figuren aus den beiden anderen im 24. Jahrhundert spielenden Star Trek-Serien geht. Zu viele Cameos könnten den angerührten Brei möglicherweise schnell verderben.

Anders wird die Serie werden, soviel ist gewiss. Wieviel in ihr übrig bleibt von jenem Wind des Großen und Unbekannten im Universum, der Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert 178 Folgen lang durchweht hat, muss sich erst noch zeigen.

Wird die Serie trotz des gegenwärtigen Vorab-Enthusiasmus der Fans am Ende ähnlich zwiespältig aufgenommen werden wie Discovery und die sich immer noch im Planungsstadium befindliche »Sektion 31«-Serie? Wird sich 46 die Trekkie-Gemeinde erneut in »Lover« und »Hater« aufspalten, wie es heutzutage so oft der Fall ist?

Fragen über Fragen.

Es ist eine spannende Phase für Fans, eine Zeit, in der man über eine kommende Serie noch so gut wie nichts weiß, außer der Tatsache, dass sie tatsächlich herauskommen wird. Man sollte das genießen und nicht mit Unkenrufen kaputtmachen. Denn eins ist schon jetzt sicher: Viele Leute werden die Serie lieben, andere nicht. Wichtig ist immer das, was man selbst daraus macht.

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48 Star Trek: Discovery – Episoden-Guide: Folgen 2.04 - 2.11 von Thorsten Walch

Staffel 2 von Star Trek: Discovery nimmt zunehmend an Fahrt auf. In der ersten Hälfte von dieser ist es der Serie gelungen, bei einigen seit ihren Anfängen kritischen Star Trek-Fans einen zumindest teilweisen Sinneswandel zu bewirken. So gehören ein paar der Episoden, die in diesem folgenden Teil des Discovery-Episodenguides des Corona Magazine vorgestellt werden, mit zum Besten, was zumindest in der jüngeren Vergangenheit des Roddenberry'schen Universums auf die Zuschauer losgelassen wurde.

Wie immer gilt beim Lesen dieses Artikels für alle, die die Folgen noch nicht gesehen haben: Vorsicht, Spoiler!

Folge 2.04: Charonspfennig (An Obol for Charon)

Deutsche Erstveröffentlichung auf Netflix: 08.02.2019 Regie: Lee Rose

49 Inhalt: Die USS Discovery verfolgt das Signal eines Shuttles, mit dem sich Spock nach wie vor auf der Flucht befindet. Dabei wird das Schiff von einer riesigen organischen Sphäre aufgehalten, die auf ziemlich brachiale Weise versucht, zur Crew Kontakt aufzunehmen und dabei zu einer ernsthaften Bedrohung wird. Unter anderem verursacht die Sphäre eine Störung des schiffsweiten Universalübersetzers, was zu einer wahrhaft babylonischen Sprachverwirrung führt. Wissenschaftsoffizier Commander Saru (Doug Jones) kann nur bedingt zur Lösungsfindung beitragen: Aufgrund einer vermeintlichen Erkältung ist der Kelpianer stark eingeschränkt.

Zur gleichen Zeit erforschen Lt. Paul Stamets (Anthony Rapp) und Ensign Sylvia Tilly (Mary Wiseman) die mykotische Lebensform, die Besitz von Letzterer ergriffen und die Gestalt ihrer verstorbenen Freundin May Ahearn (Bahia Watson) angenommen hatte. Die Lebensform ist nicht gewillt, Tilly ohne weiteres ziehen zu lassen. Ihre Spezies wird von einer unbekannten Gefahr bedroht, die »Ahearn« schlicht als »Monster« bezeichnet, und die Lebensform verlangt Tillys Hilfe bei dessen Bekämpfung.

Auf der Krankenstation macht Saru Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) derweil eine dramatische Eröffnung: Sein schlechter Zustand ist keineswegs nur auf eine Erkältung zurückzuführen. Er durchläuft, ausgelöst durch den Einfluss der Sphäre, einen als »Vahar'ai« bezeichneten finalen Lebenszyklus. Im Laufe von diesem 50 werden Mitglieder seine Spezies auf Kaminar normalerweise von den räuberischen Ba'ul »geschlachtet«. Geschieht dies nicht, erwartet den Betroffenen ein langsamer mentaler Verfall bis hin zum Wahnsinn, und die einzige Lösung scheint der begleitete Suizid des in Rede stehenden Kelpianers zu sein. Saru bittet Burnham, ihn auf seinem letzten Weg zu begleiten. Vorher jedoch will er noch zur Lösung der Probleme mit der Sphären-Lebensform beitragen.

Es stellt sich heraus, dass diese keineswegs feindlich gesinnt ist, sondern ebenfalls kurz vor dem Ende ihrer Existenz steht, und dass sie eine schier unermessliche Fülle von im Laufe von Jahrtausenden angesammeltem Wissen weitergeben will. Die Crew der Discovery kann dies schließlich ermöglichen und ihre Datenbänke mit den Informationen bestücken.

Der Kampf gegen die mykotische Lebensform nimmt derweil drastische Ausmaße an. Nachdem Tilly ein weiteres Mal von dieser »besessen« gewesen ist und in einen Rauschzustand versetzt wurde, sehen sich Stamets und die inzwischen dazu gestoßene Jett Reno (Tig Notaro) gezwungen, Tilly mittels Drillbohrer ein Übertragungsgerät in die Schläfe zu implantieren, um mit dem Wesen kommunizieren zu können. Doch auch dies hält den Weltraumpilz nicht davon ab, sich an Tilly festzukrallen.

51 In Sarus Quartier bereitet sich dieser inzwischen auf sein Ableben vor, doch alles kommt ganz anders, als er plötzlich seine »Panik-Ganglien« verliert ...

Kritik: In vielerlei Hinsicht gleicht das Urteil des Rezensenten zu Charonspfennig dem zur vorherigen Folge Lichtpunkt (siehe Corona Magazine 02/2019). Auch in dieser Episode wäre weniger deutlich mehr gewesen, da man erneut gleich drei für den weiteren Serienverlauf bedeutungsschwere Ereignisse in die Handlung einbaut. Angesichts der Bedrohung durch die Sphären-Lebensform, Sarus gleichzeitigem Schwanengesang und dem unheimlichen Weltraum-Schleimpilz (der, nur am Rande bemerkt, wirklich ekelerregend aussieht; ein Kompliment an die Effekte-Abteilung!) ist der Zuschauer mehr als einmal leicht bis mittelgradig überfordert. Vermutlich war der Rezensent nicht allein auf der Welt mit seinem Bedürfnis, sich die Episode direkt nach deren Ende ein weiteres Mal anzuschauen.

Doch kann man angesichts dessen, was darin geboten wird, ansonsten nicht klagen, nämlich Dramatik pur. Vor allem dürfte inzwischen niemand mehr behaupten können, Discovery mangele es am klassischen Star Trek-Elementen. Der in dieser Kolumne schon öfter besungene Wind vom Großen und Unbekannten im Universum durchweht die Folge ebenso sehr wie ein gewisses Horror-Element und ansonsten natürlich die klassische Charakter-Tragik, wie man sie bereits aus der Originalserie kennt. Wie die 52 Geschichte rund um Saru ausgeht, wird übrigens spätestens in den nächsten Episodenbeschreibungen unvermeidlicherweise gespoilert.

Der Kolumnist als frischgebackener Reno-Fan hat sich besonders über den nächsten großen Auftritt der zynisch-toughen Gastoffizierin gefreut, die ihn nicht von ungefähr an einen bestimmten Schiffsarzt der Enterprise erinnert.

Summa summarum bekäme die Folge nach dem Schulnotensystem vom Verfasser eine 3+, denn die zweite Staffel von Discovery hat bei Weitem noch mehr auf dem Kasten, wie die Beschreibungen der kommenden Episoden zeigen werden.

Folge 2.05: Alte Bekannte (Saints of Imperfection)

Deutsche Erstveröffentlichung auf Netflix: 15.02.2019 Regie: David M. Barrett

Inhalt: Die Discovery kann das verfolgte Shuttle endlich einholen. Allerdings befindet sich an Bord nicht etwa der gesuchte Spock, sondern Imperatorin Philippa Georgiou (Michelle Yeoh), die nach wie vor als die überlebende Captain Georgiou auftritt und nunmehr für die geheimnisvolle »Sektion 31« arbeitet. Georgiou klärt Captain Christopher Pike (Anson Mount) und Burnham darüber auf, dass die Suche nach dem flüchtigen Spock nun 53 die Priorität des Geheimdienstes ist, was via Subraumübertragung von deren Leiter Captain Leland (Alan Van Sprang) bestätigt wird. Nachdem Burnham die Imperatorin eindringlich davor gewarnt hat, ihrem Adoptivbruder Schaden zuzufügen, setzt diese ihre Mission fort.

Allerdings wird der Discovery-Mannschaft ein Agent der Sektion 31 fest zugeteilt. Zur allgemeinen Überraschung und Burnhams Entsetzen handelt es sich bei diesem um Ash Tyler/Voq (Shazad Latif), der versichert, dass er seine klingonische Hälfte mittlerweile völlig unter Kontrolle habe.

Gleichzeitig ist Stamets weiter vollauf damit beschäftigt, Tilly aus den Fängen der mykotischen Lebensform aus dem Myzel-Netzwerk zu befreien. Diese fleht Tilly in Gestalt von Ahearn weiterhin um Hilfe beim Kampf gegen das mysteriöse Monster an, das das Netzwerk zu zersetzen droht. Tilly überredet die Lebensform, Hilfe von Pike anzunehmen, die dieser trotz großer Risiken für das Schiff schließlich auch gewährt. Da ein Teil der Schiffshülle in das Myzel-Netzwerk eingebracht werden muss, ist die Discovery ihrerseits von Zersetzung bedroht und kann maximal eine Stunde in diesem Zustand verweilen.

Unter der Leitung von Tilly macht sich das Team auf die fieberhafte Suche nach dem besagten Monster – und findet dieses prompt. Es handelt sich um die Rekonstruktion von Stamets ermordetem Partner Dr. Hugh Culber (Wilson Cruz). 54 Dessen Anwesenheit bedingt eine verhängnisvolle Wechselwirkung: Die Myzel-Reinkarnation des Schiffsarztes wird von dem Netzwerk ebenso bedroht wie dieses durch seine Anwesenheit. Nachdem die Fronten zwischen den unfreiwilligen Gegnern geklärt sind, arbeitet man fieberhaft an einer Lösung für das Problem. Selbstverständlich steht für Stamets dabei im Vordergrund, die Reinkarnation seines Geliebten mit zurück in die Welt jenseits des Myzel-Netzwerkes zu nehmen ...

Kritik: ... was nach einer dramatischen Wendung natürlich auch gelingt. Diese Folge lässt den Betrachter in mancher Hinsicht allerdings letztendlich ratlos zurück.

Einerseits handelt es sich um eine wirklich spannende und mitreißende Episode, der es an Dramatik nicht mangelt und die hervorragende schauspielerische Leistungen aller Mitwirkenden beinhaltet.

Das berühmte Haar in der Suppe findet sich allerdings schnell: Warum um alles im Universum hat man Culber eigentlich in Staffel 1 (in Folge 1.10, Nur wegen dir) durch die Hand von Tyler sterben lassen? Nur, um ihn in der ersten Hälfte der zweiten Staffel zurückbringen zu können? Und das auf eine Art und Weise, die an den berühmten »Bobby unter der Dusche«-Twist dereinst bei Dallas erinnert?

Das Ganze hat natürlich dramaturgische Gründe, gar keine Frage. In weiterer Folge können viele Facetten der 55 neuen/alten Beziehung von Stamets und Culber aufgezeigt werden. Nur: Logischer wird die Sache dadurch nicht. Es hätte durchaus ausgereicht, Culber (dessen Rückkehr übrigens bereits kurz nach seinem Serien-Tod durch die Produzenten verraten wurde) schwer verletzt etwa in künstlichem Koma liegend zurückzulassen und später durch eine entsprechende Wendung gesunden zu lassen. Was stattdessen konstruiert wurde, erweckt den Eindruck, als wollte man es der Fantasy-Serie Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer gleichtun und immer wieder Hauptfiguren sterben lassen, hätte diese Vorgehensweise anschließend allerdings aufgrund der vielen verschenkten Möglichkeiten wieder verworfen.

Bedaure – so erfreulich die Rückkehr des sympathischen Seriencharakters ohne jede Frage ist, das hätte man definitiv anders machen können, nein, müssen. Glatte zwei Punkte Abzug.

Folge 2.06: Donnerhall (The Sound of Thunder)

Deutsche Erstveröffentlichung auf Netflix: 22.02.2019 Regie: Douglas Aarniokoski

Inhalt: Der bekanntlich erst in der Episode zuvor aus dem Myzel-Netzwerk zurückgekehrte, »neugeborene« Culber hat massive Schwierigkeiten, sich in seiner neuen Existenzform zurechtzufinden. Unterstützung erhält er von seinem

56 Partner Stamets sowie von Bordärztin Dr. Tracy Pollard (Raven Dauda).

Die Discovery ortet derweil ein weiteres der rätselhaften Raumphänomene im Zusammenhang mit dem sogenannten »Roten Engel«. Bei kurzen Nachforschungen stellt sich heraus, dass ein solches diesmal ausgerechnet beim Planeten Kaminar, der Heimatwelt von Saru, aufgetreten ist. Das Schiff fliegt den Planeten daraufhin zwecks näherer Untersuchung an.

Als problematisch erweist sich hierbei, dass das Volk der Kelpianer im Gegensatz zur Predatoren-Spezies der Ba'ul das Warp-Zeitalter noch nicht erreicht hat. Angesichts der Tragweite der Situation beschließen Pike und seine Crew, die »Hauptdirektive« wieder einmal für ihre Zwecke zurechtzubiegen. Anfänglich ist der Captain aufgrund von dessen Befangenheit nicht bereit, Saru zur Kontaktaufnahme auf den Planeten zu entsenden, ändert jedoch nach einem eindringlichen Dialog mit dem Kelpianer seine Meinung.

Saru beamt in Begleitung von Burnham auf den Planeten, an einen Ort in der Nähe seines früheren Dorfs. Hier treffen die beiden auf Sarus Schwester Siranna (Hannah Spear), die ihren Bruder nach dessen Verschwinden fast 20 Jahre zuvor (siehe Star Trek: Short Treks-Episode #3, The Brightest Star) tot wähnte. Sehr schnell verliert das Raumphänomen, das die Discovery eigentlich nach Kaminar geführt hat, an 57 Bedeutung, denn Saru eröffnet seiner Schwester, dass er sein »Vahar'ai« überlebt hat und seitdem frei von der angeborenen Dauerfurcht seiner Spezies leben kann.

An Bord der Discovery kommt es zur Kontaktaufnahme mit den Ba'ul. Diese verlangen die Auslieferung Sarus, den sie als ihr Eigentum betrachten. Pike macht unmissverständlich klar, dass es dazu nicht kommen wird, woraufhin die Ba'ul den Kontakt abbrechen.

Auf Kaminar aktiviert sich in Folge das »Wachsame Auge«, ein Überwachungs-Mechanismus der Ba'ul, mittels dem diese einzelne Kelpianer aufspüren können. Saru und Burnham bleibt lediglich die Flucht zurück auf die Discovery. Dort kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Saru und den Ba'ul via Subraumfunk, die schließlich gar dazu führt, dass Pike seinen Wissenschaftsoffizier von der Brücke verweisen muss.

Daraufhin dringt Saru befehlswidrig, aber letztlich mit der Unterstützung von Burnham in das Schiff der Feinde ein, die mittlerweile Siranna gefangengenommen haben. Während man auf der Discovery dank der von der Sphäre gewonnenen Daten herausfindet, dass die Kelpianer vor Jahrtausenden die Ba'ul bedroht haben und die gegenwärtige Situation lediglich eine Umkehr dessen ist, präsentiert Saru den Feinden seine neuen Fähigkeiten.

58 Pike fasst einen schicksalsschweren Entschluss: Mittels simulierter Strahlung der Sphäre will er alle Kelpianer auf Kaminar in ihr Vahar'ai versetzen, damit diese sich anschließend endlich gegen ihre Unterdrücker wehren können ...

Kritik: Die »General Order One«, die spätere Hauptdirektive, ist eigentlich eine bindende Direktive und nicht lediglich eine Empfehlung – dieses Thema wurde in dieser Kolumne bereits besprochen. Doch ist das Ganze auch in dieser Folge das zentrale Thema. Die neuerliche Umgehung dieser Richtlinie brachte selbstverständlich die Gemüter vieler insbesondere auf Logik bedachter Fans über alle Maßen auf. Denn diesmal bricht Pike nicht nur die Vorschriften bezüglich der Kontaktaufnahme zu Prä-Warp-Zivilisationen, sondern greift massiv in deren Entwicklung ein.

Da bleibt dem Rezensenten an dieser Stelle nur, »Captain James T. Kirk« William Shatner bei dessen einstigem ikonischem Saturday Night Live-Auftritt zu zitieren: »It's. Just. A. TV. Show!“

Geht man anders an die Sache heran, kommt man nämlich nicht umhin, Donnerhall als eine der unlogischsten Folgen des gesamten Star Trek-Franchise zu bezeichnen. Der Rezensent hält es daher lieber mit dem Captain der Captains.

59 Von dem geschilderten Dilemma abgesehen beinhaltet auch Donnerhall so gut wie alle Elemente, die gutes Star Trek ausmachen. Etwa neue Lebensformen, und zwar die Ba'ul (die Kelpianer kennt man ja bereits dank Saru und der erwähnten Star Trek: Short Treks-Folge). Diese haben eine gewisse Ähnlichkeit mit dem bösen Pfützenbewohner Armus aus der Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert-Folge Die schwarze Seele, der anno 1988 Lt. Tasha Yar (Denise Crosby) tötete. Doch entgegen der Überlegungen in rasch aufgekommenen Fan-Theorien sind diesbezügliche Zusammenhänge eher unwahrscheinlich. Das Dilemma der unheimlichen Ba'ul wird bei alledem nicht vergessen, schließlich waren einst sie die Unterdrückten und die Kelpianer die Predatoren.

An Dramatik mangelt es auch nicht, wenn Siranna ihren totgeglaubten Bruder wiedertrifft, und einige charakterliche Entwicklungen gibt es ebenfalls. Doch, Donnerhall könnte eine wirklich ausgezeichnete Episode sein, wenn nicht ... Nun ja. Siehe die einleitenden Sätze dieser Kritik.

Folge 2.07: Licht und Schatten (Light and Shadows)

Deutsche Erstveröffentlichung auf Netflix: 01.03.2019 Regie: Marta Cunningham

Inhalt: Ausgelöst durch die Ereignisse rund um Saru und Siranna in der vorherigen Episode reist Burnham zum Planeten Vulkan, um ihre Zieheltern Sarek (James Frain) und 60 Amanda Grayson (Mia Kirshner) zu treffen, nachdem die letzte Begegnung der beiden Frauen nicht eben erfreulich verlaufen ist. Nachdem Burnham vor ihrer Adoptivmutter noch einmal deutlich gemacht hat, wie wichtig es für sie ist, den verschwundenen Spock vor der Sektion 31 aufzuspüren, offenbart Grayson ihr schließlich ein schwerwiegendes Geheimnis: Sie hält ihren Sohn bereits seit geraumer Zeit in einer alten Kultstätte versteckt, an der er nicht aufgespürt werden kann. Grayson führt Burnham dann auch zu ihm.

Spock (Ethan Peck) befindet sich in einem Zustand äußerster geistiger Verwirrung und rezitiert pausenlos Zahlenreihen, Grundsätze der Logik und Auszüge aus Alice im Wunderland. Auch Burnham gelingt es nicht, zu ihm durchdringen. Die drei werden von Sarek überrascht, der nichts von alledem wusste und Vulkanier-gemäß erzürnt auf seine Frau ist, die ihn jedoch zumindest ansatzweise von den Gründen für ihr Handeln überzeugen kann.

Auf der Discovery bekommt es die Crew zur selben Zeit mit einer Zeit-Spalte zu tun, die sich ausgelöst durch das Raumphänomen nahe dem Planeten Kaminar geöffnet hat. Nachdem der Einsatz einer Sonde erfolglos geblieben ist, begeben sich Pike und Tyler an Bord eines Shuttles in das Innere besagter Spalte, in der die einzelnen Zeitlinien wild durcheinandergewürfelt werden. Dummerweise kommt ihnen die zuvor abgesetzte Sonde in die Quere, die von unbekannten Lebensformen aus der Zukunft zur

61 Kampfmaschine umfunktioniert worden ist und das Shuttle mit den beiden ungleichen Männern darin angreift.

Stamets und Tilly kommen auf der Discovery zumindest hinter einen Teil des Geheimnisses des »Roten Engels«. Bei diesem handelt es sich offensichtlich um einen technisch weit überlegenen Zeitreisenden aus der Zukunft, der sich auf einer wichtigen Mission befindet.

Auf Vulkan kann Sarek Grayson und Burnham davon überzeugen, Spock an die Sektion 31 zu übergeben, da er die Informationen in dessen Geist als immens wichtig für die Föderation erachtet. Unter Protest erklärt Burnham sich dazu bereit, ihren Adoptivbruder zu Leland und Georgiou zu bringen. Schon bald muss sie erkennen, dass die Sektion 31 höchst eigene Pläne mit dem Halbvulkanier hat, der zu finsteren Zwecken an einen unbekannten Ort gebracht werden soll. Überraschend erhält Burnham Hilfe von Georgiou, die ihrerseits ebenfalls eigene Pläne hat und den beiden zur Flucht verhilft.

Anschließend kann Burnham eine besonders prägnante Zahlenkolonne, die Spock von sich gibt, entschlüsseln: Es handelt sich um die Koordinaten des »verbotenen Planeten« Talos IV ...

Kritik: Und damit ist die Katze – Verzeihung, der Vulkanier – endgültig aus dem Sack. Auftritt Peck. Mehr braucht man eigentlich nicht zu sagen über den mittlerweile dritten 62 Spock-Darsteller, der insgesamt ein wenig zu jungenhaft daherkommt, wie der Verfasser dieser Rezension findet. Angesichts des Brimboriums, mit dem der Zuseher in den vorherigen Folgen auf diesen ersten Auftritt der Figur vorbereitet wurde, ist sein Erscheinen letztlich ein wenig unspektakulär geraten, was jedoch kein ausgesprochener Fehler sein muss.

Bedauerlich ist nur, dass der schwelende Familienkonflikt zwischen Burnham, Spock, Sarek und Grayson eher stiefmütterlich behandelt und allzu schnell beigelegt wird. Trotzdem dominiert das Auftauchen Spocks die komplette Folge und lässt die anderweitige Handlung rund um Pike und Tyler in der Zeitspalte trotz ihrer Qualitäten in den Hintergrund treten, was jedoch als verständlich gelten darf. Das Haar in der (Plomeek-)Suppe diesmal? Zumindest in dieser Folge (man erfährt ja immer nur Bruchstücke) erinnert der Zeitreise-Hintergrund des »Roten Engels« leicht an einen bestimmten Handlungsstrang in Star Trek: Enterprise damals. Oder etwa nicht ...?

Folge 2.08: Soweit die Erinnerung reicht (If Memory Serves)

Deutsche Erstveröffentlichung auf Netflix: 08.03.2019 Regie: T.J. Scott

Inhalt: Zur Einführung gibt es in dieser Episode einen kurzen Rückblick auf den damals zu anfangs unveröffentlichten Pilotfilm Der Käfig zur klassischen Star Trek-Originalserie 63 Raumschiff Enterprise, der sich um den Planeten Talos IV dreht.

Auf diesem sind Burnham und Spock mit ihrem Shuttle trotz des strengen Verbots durch die Föderationsgesetze mittlerweile gelandet. Kurz darauf machen die beiden zuerst die Bekanntschaft der Menschenfrau Vina (Melissa George, die Nachfolgerin von Susan Oliver) und wenig später die von einigen der wenigen überlebenden Talosianer. Die stark telepathisch begabten Aliens erklären sich bereit, Spock bei der Entschlüsselung der Informationen in seinem Geist zu helfen. Diese besagen, dass eine unbekannte Macht aus der Zukunft zu einem ebenfalls noch nicht bekannten Zeitpunkt plant, sämtliches Leben in der bekannten Galaxis auszulöschen. Offensichtlich will der geheimnisvolle »Rote Engel« durch sein Erscheinen davor warnen.

Spannend geht es zwischenzeitlich auf der Discovery bei Stamets und Culber zu. Obwohl ersterer sich rührend bemüht, der Reinkarnation seines Beziehungspartners die Rückkehr ins Leben zu erleichtern, kommt dieser zunehmend schlechter mit seiner neuen Daseinsform zurecht. Die Lage spitzt sich zu, als Culber in der Offiziersmesse auf seinen »Mörder« Tyler trifft. Der vorher so friedfertige Schiffsarzt greift den Sektion 31-Offizier tätlich an, und die beiden liefern sich einen Kampf, was jedoch auch nicht dabei hilft, Culbers Existenzkrise zu lösen.

64 Die Discovery ist mittlerweile bei Talos IV eingetroffen, und Pike trifft seine alte Liebe Vina wieder, von der er jedoch erfährt, dass die Talosianer ein »Echo« seiner Person generiert haben, das stets bei ihr ist, wodurch sein reales Selbst ihr entfremdet wurde. Nachdem die Talosianer Spock geholfen haben, seinen klaren Verstand wiederzufinden, verlangen sie einen Preis dafür. Sie wollen in Burnhams und in Spocks Geist die wahren Gründe für deren einstige Entzweiung nachverfolgen, was die beiden ihnen schließlich gewähren ...

Kritik: Über die General Order One soll diesmal von Anfang an der Mantel des Schweigens gehüllt werden. Allerdings sei erwähnt, dass die Verhängung der Todesstrafe für das Betreten von Talos IV in dieser Folge trotz des weiterhin bestehenden strengen Verbots nicht mehr wie in der Originalserie angedroht wird.

Tatsächlich problematisch sind hingegen die Ausschnitte aus Der Käfig, die dem vielleicht nicht ganz so Star Trek-affinen Zuschauer die Hintergründe näherbringen sollen. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Peck ist nicht Leonard Nimoy, Mount nicht Jeffrey Hunter, George nicht Oliver. Vor allem sehen sowohl die neuen Talosianer als auch die Kulissen des Planeten gravierend anders aus, wenngleich man sich redlich bemüht hat, dem Ganzen einen gewissen Retro-Charme zu verleihen. Aber Schwamm drüber, das liegt letztlich schlicht und ergreifend im Auge des Betrachters.

65 Nicht jeder Zuschauer ist ein »HarDCore-TOS-Fan«, wie der Verfasser dieser Rezension mitunter mehr oder weniger liebevoll genannt wird. Die 1960er-Jahre sind nun einmal unwiederbringlich vorüber.

Davon abgesehen gelingt der vorliegenden Episode meisterlich der Brückenschlag zum Star Trek-Kanon, und sie fügt sich zumindest handlungstechnisch, wenn auch nicht stilistisch, in diesen ein. Auch die Erbsenzähler unter den alteingesessenen Fans werden hier keine größeren Fehler finden. Und wenn am Ende der wiederhergestellte Spock neben Pike auf der Brücke der Discovery steht, kommt man als Alt-Fan nicht um einen jener angenehmen leichten Schauer herum, die einem bei so mancher Folge von Raumschiff Enterprise über den Rücken gelaufen sind.

Ja, so geht Star Trek, auch wenn »besser« natürlich immer möglich wäre.

Folge 2.09: Projekt Daedalus (Project Daedalus)

Deutsche Erstveröffentlichung auf Netflix: 15.03.2019 Regie: Jonathan Frakes

Inhalt: Crewmitglied Lt. Cmdr. Airiam (Hannah Cheesman) überprüft nach mehreren kleineren mentalen »Aussetzern« in der letzten Zeit ihre Gedächtnisspeicher und erinnert sich an die Zeit, als sie noch eine ganz gewöhnliche Erdenfrau gewesen ist. Bei einem Shuttleunglück in ihren 66 Flitterwochen, bei dem ihr Ehemann ums Leben gekommen ist, wurde Airiam schwer verletzt und konnte nur durch die Verwandlung in eine halb-kybernetische Lebensform gerettet werden.

Zur selben Zeit kommt Admiral Katrina Cornwell (Jayne Brook) an Bord der Discovery. Das Oberkommando der Sternenflotte steht nicht einstimmig hinter den Methoden von Sektion 31, und Cornwell, die vor ihrer Beförderung als Psychiaterin tätig war, möchte sich selbst ein Bild vom Zustand Spocks machen. Obwohl auf einem Überwachungsvideo aus der psychiatrischen Einrichtung, aus der Spock geflohen ist, zu sehen ist, wie dieser das Wachpersonal mit einem erbeuteten Phaser tötet, besteht der Halbvulkanier einen Lügendetektor-Test durch Cornwell, was das Beweismaterial fraglich scheinen lässt.

Burnham fällt es zunehmend schwerer, eine gemeinsame emotionale Basis mit ihrem Adoptivbruder zu finden, den die Entzweiung der beiden vor vielen Jahren in einem stärkeren Maße mitgenommen zu haben scheint, als er sich dies eingestehen will.

Die Überprüfung Spocks ist jedoch nicht die einzige Mission der Admiralin: Cornwell verdächtigt ihre vulkanische Kollegin Admiral Patar (Tara Nicodemo), eigenmächtige Entscheidungen über den Kommandostab hinweg zu treffen, was sie unter anderem darauf zurückführt, dass Patar den sogenannten »Logik-Extremisten« auf ihrer 67 Heimatwelt angehört. Cornwell befiehlt Pike, die geheime Kommandozentrale von Sektion 31 anzufliegen. Dort wird die Discovery in Form eines Angriffs mit Minen empfangen, und Patar weigert sich, Cornwell zu empfangen.

Burnham, Airiam sowie die Sicherheitschefin Nhan (Rachael Ancheril) erhalten schließlich den Befehl, mit einem Team gewaltsam in die Station einzudringen, was durch die überlegenen technischen Fähigkeiten der Halbkybernetin Airiam ermöglicht werden soll. Da übernimmt plötzlich »Control«, ein mächtiges KI-Computerprogramm der Sektion 31, die vollständige Kontrolle über Airiam, was offensichtlich von längerer Hand vorbereitet worden und auch für die Aussetzer der Halbkybernetin verantwortlich gewesen ist. Airiam sieht in einem durch Tilly hervorgerufenen »lichten Moment« nur eine Lösungsmöglichkeit: ein Selbstopfer ...

Kritik: Die Folge ist ähnlich hektisch aufgebaut wie bereits mehrere der zweiten Discovery-Staffel. Zum einen geht es um die Klärung der Frage von Spocks angeblichen Verbrechen, aber auch um sein Verhältnis zu seiner Adoptivschwester sowie um das verschlossene Wirken von Sektion 31 (das eigentlich niemanden wirklich überraschen sollte, da es sich um eine Geheimorganisation handelt). Bei alledem wird dann auch endlich einmal näher auf den bislang recht mysteriösen Charakter Airiam eingegangen ... nur, um sie am Ende den »Heldentod« sterben zu lassen.

68 Das ist erneut eine ganze Menge Stoff für eine knapp einstündige Fernsehfolge.

Zumindest dem Verfasser dieser Kritik fällt es zum einen zunehmend schwerer, sich Pecks Spock als den gleichen Charakter vorzustellen, der vor über 50 Jahren von dem legendären Nimoy dargestellt wurde. Obwohl Peck durchaus ausgezeichnete darstellerische Qualitäten besitzt, kommt sein Spock eher wie ein rechthaberischer und mitunter trotzig wirkender jugendlicher Rebell daher, nicht wie ein trotz einiger Gefühlsregungen kühler Logiker wie einst in Der Käfig. Nein, sympathisch wirkt Pecks Spock nicht, und es hätte hier sicherlich nicht geschadet, wenigstens ein kleines Stück über den Tellerrand, auf Zachary Quintos Interpretation der Figur in den neueren Kinofilmen zu schauen.

Außerdem: Warum wurde Airiam erst in der gleichen Folge näher vorgestellt, in der sie sich schließlich für ihre Crewkameraden opfert? Wäre es nicht erheblich klüger gewesen, dies wenigstens eine oder optimal zwei Folgen vorher zu tun? Das freilich liegt im Auge des Betrachters. Seit der Rückkehr von Culber jedoch hat der Kolumnist ohnehin so seine Zweifel, ob man Airiam nicht doch noch in der einen oder anderen Weise wiedersehen wird ...

Daher gilt auch für Projekt Daedalus: Sicherlich eine höchst unterhaltsame und actionreiche Episode, die keine

69 Langeweile aufkommen lässt, jedoch auch weit von jeglicher Perfektion entfernt ist.

Folge 2.10: Der rote Engel (The Red Angel)

Deutsche Erstveröffentlichung auf Netflix: 22.03.2019 Regie: Hanelle M. Culpepper

Inhalt: An Bord der Discovery findet die Bestattungszeremonie für Airiam statt.

Wenig später findet Tilly mit Hilfe eines bio-neuralen Scans einen Teil des Geheimnisses rund um den Roten Engel heraus. Dieser trägt ausgerechnet die DNA-Signatur von Burnham. Dies legt den Schluss nahe, dass es sich bei der Erscheinung um eine Inkarnation von selbiger aus der Zukunft handelt, die durch ihre Handlungen versucht, den Verlauf der Zeitlinie zu verändern.

Leland macht daraufhin gleich zwei schwerwiegende Eröffnungen: Zum einen gibt er zu, dass der hoch technologisierte Anzug des Roten Engels einst im Zuge eines Geheimprojekts von Sektion 31 erschaffen wurde. Zum anderen eröffnet er Burnham, dass er beim Tod ihrer Eltern durch die Klingonen vor 20 Jahren mehr oder minder direkt involviert gewesen ist. Burnhams Eltern haben damals an dem Zeitreise-Projekt gearbeitet und nur unzureichenden Schutz durch die Sektion 31 erhalten. Burnham verliert

70 daraufhin die Beherrschung und schlägt den Geheimdienstler nieder.

Auf der Discovery macht man sich daran, dem Roten Engel bei dessen nächstem vorherberechnetem Erscheinen eine Falle zu stellen, um ihn über die Hintergründe seiner Zeitreise-Aktivitäten befragen zu können. Auf einem unwirtlichen Planetoiden mit lebensfeindlicher Atmosphäre soll Burnham in eine tödliche Lage gebracht werden, aus der nur der Engel sie retten kann und vor allem muss, da seine eigene Existenz ja durch Burnhams vorzeitigen Tod ausgelöscht würde, was ein Paradoxon nach sich ziehen würde. Der Plan wird von allen Beteiligten mit großem Zwiespalt betrachtet; erst nach zähem Ringen und mehreren Konflikten stimmt Pike schließlich zu.

Leland muss mittlerweile erkennen, dass es sich bei der KI keineswegs um ein gehorsames Instrument von Sektion 31 handelt. Das hochentwickelte Computerprogramm ergreift gewaltsam von Lelands Geist Besitz und agiert nun mit dessen Körper, da es allem Anschein nach ganz andere Pläne als seine vermeintlichen Herren verfolgt.

Auf dem Planetoiden wird Burnham dessen giftiger Atmosphäre ausgesetzt, um den Roten Engel zum Erscheinen und Handeln zu bewegen. Dies gelingt tatsächlich, und die Discovery-Crew kann den Roten Engel in einem Energiefeld festsetzen. Die Identität des Wesens allerdings erweist sich als wahrhaft überraschend: Es 71 handelt sich ganz und gar nicht um eine Version Burnhams aus der Zukunft, sondern um ihre totgeglaubte Mutter Dr. Gabrielle Burnham (Sonja Sohn) ...

Kritik: »Die Geschmäcker der Gestecker sind verschieden hienieden!«, lautet ein sinniges altes Sprichwort.

»Ich bin raus!«, äußerten einige Fans und Zuschauer auf diversen Online-Plattformen nach dem Genuss dieser Folge, während andere von einem »absoluten Höhepunkt in der Serie« sprachen.

Der Verfasser dieser Kolumne sitzt nach wie vor ein wenig ratlos vor seiner Tastatur und weiß auch nach dem dritten Anschauen der Episode immer noch nicht ganz, was er nun davon halten soll.

Da ist zum einen Airiams Bestattungszeremonie – sicherlich eine ergreifend inszenierte Angelegenheit, aber an mehr als nur einer Stelle fühlt man sich an den ersten Abschied von Spock in Star Trek II: Der Zorn des Khan erinnert. Statt Scottys Dudelsack-Spiel gibt es eben Sarus kelpianischen Trauergesang, der zwar wunderschön ist (Kompliment an dieser Stelle an Jones), doch hätte der ganzen Szene vielleicht ein klein wenig mehr Eigenständigkeit gut getan.

Und dann geht es richtig zur Sache. Spätestens mit dieser Folge hat Discovery den Pfad locker-leichter Unterhaltung verlassen und strapaziert die Konzentration des Zuschauers 72 mitunter beträchtlich. Die ausgeschüttete Informationsflut paart sich mit notwendiger Charakter-Dramatik, mit den Geschehnissen rund um »Mary-Sue« ... äh, Burnham an der Spitze. Natürlich bleiben in diesem Zuge ein paar logische Fehler nicht aus, die sich insbesondere durch die anfängliche Hypothese, der Rote Engel sei Burnham aus der Zukunft, zuspitzen. Summa summarum ergibt das eine ziemlich verwirrende Mischung, und der Rezensent fragt sich, ob er der Einzige ist, der sich Der rote Engel ein zweites Mal anschauen musste, um die Folge überhaupt komplett zu verstehen. Nein, so wirklich unterhaltsam ist das Ganze nicht, wenn auch wichtig für die Handlung.

Was das Ende angeht ... Na? Wer hat angesichts dieser entschieden zu kurzen Szene mit Burnhams Mutter auch im ersten Moment geglaubt, man habe Georgiou vor sich ...? Gut, wenigstens das hat sich beim zweiten Ansehen dann recht schnell geklärt.

Übrigens: Burnhams Vater Mike, der in einer kurzen Rückblende zu sehen ist, wird von Martin-Greens Ehegatten Kenric Green gespielt. Dies dürfte sicherlich zur einen oder anderen interessanten Diskussion unter den Eheleuten geführt haben.

Folge 2.11: Der Zeitsturm (Perpetual Infinity)

Deutsche Erstveröffentlichung auf Netflix: 29.03.2019 Regie: Maja Vrvilo 73 Inhalt: Gabrielle Burnham weigert sich nach ihrem Erscheinen in der Episode zuvor zunächst entschieden, ihrer fassungslosen Tochter Michael gegenüberzutreten und verlangt, Pike zu sprechen. Diesen klärt sie über einen Teil der Hintergründe ihrer geheimnisvollen Mission auf. Als die Klingonen einst den Außenposten Doctari Alpha angegriffen haben, ist Gabrielle mit Hilfe des Zeitreise-Anzugs die Flucht geglückt, allerdings wurde sie dabei 950 Jahre in die Vergangenheit versetzt. Nur mühsam ist ihr die Rückkehr in die Zukunft gelungen, doch ist ihr die Kontaktaufnahme zu anderen Personen unmöglich gewesen. Allerdings hat sie in dieser Zeit herausgefunden, dass die KI Control sich in einer alternativen Zeitlinie der unermesslichen Datenfülle der geborgenen Weltraum-Sphäre (siehe Episode 2.04, Charonspfennig) bemächtigt und hierdurch offenbar die gesamte bewohnte Galaxis entvölkert hat. Gabrielle sieht nur eine Möglichkeit, dieses Schreckensszenario zu verhindern: Sämtliche Informationen von der Sphäre müssen aus den Datenbänken gelöscht werden. Da Pike dies zunächst entschieden ablehnt, verwehrt Gabrielle ihm jedwede Zusammenarbeit.

Der von der KI »besessene« Leland setzt mittlerweile alles daran, in den Besitz der Daten zu gelangen, auch wenn ihm die Zusammenhänge bezüglich Gabrielle Zeitreisen nicht klar sind, da er ihre Leiche damals mit eigenen Augen gesehen hat. Nach außen hin jedoch lässt er sich seine Veränderung zunächst nicht anmerken und zieht im 74 Gegenteil durch seine neue Entschlossenheit anfänglich gar Georgiou auf seine Seite. Diese beginnt jedoch, die Wandlung ihres Einsatzpartners zu durchschauen und schwenkt recht rasch auf ihre eigenen Pläne im Umgang mit der Situation um.

Nach verschiedenen Verwicklungen, in deren Verlauf es Burnham gelingt, zu Gabrielle vorzudringen (was anfänglich mit einem emotionalen Schock für sie endet), kommen Pike, Saru und der Rest der Kommando-Crew zu der Erkenntnis, dass Gabrielles Plan trotz aller vermeintlichen Nachteile die bestmöglichste Lösung darstellt. Allerdings will Michael um jeden Preis ihre Mutter retten und erarbeitet in fieberhafter Eile eine Möglichkeit dazu. Der Zeitreise-Anzug soll ohne seine Trägerin mitsamt der gefährlichen Daten in eine ferne Zukunft transferiert werden. Allerdings kann dieses Vorhaben nicht in die Tat umgesetzt werden, da Leland mittlerweile mit dem Download in die Datenspeicher von Control begonnen hat ...

Kritik: Gewissermaßen handelt es sich bei dieser und der vorherigen Episode um eine Doppelfolge, und die Fortsetzung erweist sich als ein ähnlich verwirrendes, mit Tragödien durchsetztes Szenario in Breitwand-Format wie bereits Der rote Engel. Nicht selten fühlte sich der Kolumnist bei der vorliegenden Episode erneut an Star Trek: Enterprise erinnert, wo es eine ähnliche temporale Komponente gab.

75 Spannend ist das Ganze auch bei Discovery ohne Frage, aber eben auch nicht wirklich als entspannend anzusehen. Verstärkt werden wieder einmal alternative Zeitlinien angedeutet, welche bereits seit Raumschiff Enterprise des Öfteren Thema im Roddenberry'schen Universum waren und mitunter mit dramaturgischen Problemen verbunden sind, wie nicht zuletzt die drei Kinofilme aus der so genannten Kelvin-Zeitlinie zeigen.

So auch hier: Dass das Auftauchen von Gabrielle letztlich kein gutes Ende nehmen kann, äußert sich deutlich in Form von Lelands Aussage, dass er ihre Leiche auf Doctari Alpha gesehen habe. Damit schwant dem Zuschauer bereits, wo das Ganze hinführen wird. Ansonsten ist die Katze bezüglich des Roten Engels nun aus dem Sack. Ein zwar interessanter Handlungsbogen, doch wäre es wünschenswert, dass die letzten paar Folgen der zweiten Discovery-Staffel sich noch einmal ähnlich klassisch Star Trek-mäßig gestalten wie es die ersten getan haben.

Und bitte keine weiteren Zeitreisegeschichten mehr. Schließlich heißt das Franchise doch Star Trek ... und nicht Time Trek.

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77 Phantastisches Sehen Alita: Battle Angel – Ein trauriger kommerzieller Flop

von Oliver Koch

Kaum ein Name in der Kinobranche klingt so verheißungsvoll wie der von James Cameron. Die meisten der Filme dieses Mannes wurden zu zeitlosen Klassikern. Zweimal hintereinander erschuf er den erfolgreichsten Film aller Zeiten, und Avatar – Aufbruch nach Pandora hält diesen Rekord bis heute.

Auch das diesjährige Werk Alita: Battle Angel hätte daher in die Reihe der ganz Großen aufgenommen werden müssen, das war im Grunde nur Formsache. Und das, obwohl Cameron diesmal gar nicht selbst Regie führte, sondern Robert Rodriguez das Ruder überließ. Mit modernster Technik im Einsatz und Christoph Waltz in einer tragenden Rolle konnte eigentlich nichts schief gehen – zumal der Film bei Redaktionsschluss beim Bewertungsportal Rotten Tomatoes einen User-Score von 94 % aufwies, und auf der Seite IMDb bemerkenswerte 7,6 Sterne zählte. 78 Keine Chance

Doch es kam alles anders. Der ebenso sehenswerte wie brillante Alita: Battle Angel scheiterte an den Kinokassen kläglich, was jedoch weniger für seine mangelnde Klasse spricht, als für eine Über-»Marvelisierung« der Kinolandschaft, die dem Zuschauer kaum noch Platz und Zeit für andere Event-Filme außerhalb der gut geölten Franchise-Übermacht gönnt. Obwohl diese Event sehr oft einiges anders – und vieles weitaus besser – machen als die Übermacht von Marvel und DC.

In diesem Fall sind es vor allem die Emotionen, die Alita: Battle Angel so besonders und wunderbar machen. Während sich das Marvel Cinematic Universe seit mehr als 20 Filmen auf das sogenannte Buddy-Prinzip konzentriert, das notfalls einfach mit einem weiteren coolen Spruch oder der nächsten Mega-Action-Sequenz jeden kleinsten Ansatz an leisen Tönen und Zwischenmenschlichkeit aus der Geschichte prügelt, hat Alita: Battle Angel einen ungewohnt emotionalen Kern und eine humane Botschaft. Damit ist der visuell sensationelle Film weit mehr als ein plumpes Action-Spektakel. Es ist hervorragend erzähltes, perfekt umgesetztes Science-Fiction-Kino, das nicht nur auf die Technik und die Bilder vertraut, sondern eine relevante Erzählung zu bieten hat.

79 Anders als der Filmtitel suggeriert, ist Alita (Rosa Salazar) dabei nicht einfach ein »Kampfengel«, sondern eine Persönlichkeit, die mit ihrer Herkunft und ihren Kräften erst einmal zurechtzukommen lernen muss. Dieser Handlungsstrang hat überraschend viel gemein mit denen rund um die Helden von Marvel und DC. Die beiden Comic-Giganten geben je nach Film ihren Figuren oft auch reichlich Zeit, in ihre neuen Rollen hineinzuwachsen. Doch Alita: Battle Angel spielt nicht im Hier und Jetzt wie die erwähnten Superheldenfilme, sondern in einer dystopischen Zukunft, in der die Menschheit mehr oder weniger im Arsch ist.

Allein, wie der Film diese Zukunft darstellt, ist atemberaubend. Zum einen wird hier natürlich alles technisch Machbare genutzt, um besagte Welt in aller gebotenen Plastizität abzubilden – vor allem aber ist es der konzeptionelle Reichtum an Ausstattung und Detail, der Alita: Battle Angel zum Maß aller Dinge macht. Niemals hat man das Gefühl, in einer effektbeladenen Szene nur um der Szene willen zu sein, sondern man kommt sich vor, als ob man eine reale Welt sieht. Visuell ist Alita: Battle Angel mit Abstand das Beste, was in letzter Zeit im Kino zu sehen war.

In Sachen Optik müssen natürlich aber auch Alitas extrem große Augen erwähnt werden. Diese geben der Hauptfigur eine Künstlichkeit, die nicht recht zur realistischen Darstellung der Schauplätze passen will. Sich an diesen Look zu gewöhnen, das kann eine Zeitlang dauern – das aber als 80 Grund für das finanzielle Scheitern des Films anzuführen, wäre kühn. Jedoch war dies eigenartigerweise tatsächlich der größte Aufreger bei den Fans im Vorfeld des Kinostarts, der übrigens extra von der Weihnachtszeit auf Februar verlegt wurde, um eben nicht gegen DCs Aquaman antreten zu müssen.

Praktisch jede Szene in Alita: Battle Angel erscheint nötig und gerechtfertigt, nichts ist zu lang oder überflüssig. Die Story schreitet permanent voran, weist neben erstaunlich viel Herz auch Witz, Tempo und einen durchgehend interessanten Handlungsbogen auf, sowie immer neue Entdeckungen und Überraschungen. Es gibt die starken Kontrahenten, die Konflikte, und nahezu jede Figur hat ihre eigenen Motivationen und Motive, was durchaus erfreulich ist. Es ist erstaunlich, wie viel Handlung und Abwechslung in 122 Minuten passen können.

Auch hinsichtlich der Besetzung wird hier viel aufgefahren: Gleich drei »Oscar«-Preisträger geben sich die Ehre und erfüllen ihre Aufgaben mit viel Würde. Zum einen Waltz in der ungewohnten Rolle eines besorgten väterlichen Freundes, der auf alles verzichtet, was man aus seinen legendären Darbietungen in den Tarantino-Filmen kennt. Jennifer Connelly überzeugt als Gegenspielerin ebenso wie der großartige Mahershala Ali.

Doch all das nützte am Ende nichts: Alita: Battle Angel spielte in den USA nicht einmal 100 Millionen Dollar ein und 81 blieb mit knapp 400 Millionen Dollar Umsatz weltweit enorm hinter den Erwartungen zurück, zumal der Film zwischen 175 und 200 Millionen gekostet hat. Wie schon Ghost in the Shell scheitert damit eine weitere US-Version einer japanischen Manga- bzw. Anime-Verfilmung. Da Alita: Battle Angel lediglich den Beginn der nur in Comic-Form komplett existierenden Story erzählt, endet der Film relativ offen. Hier hätte ein zweiter Teil angesetzt, den es nun aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben wird.

Toller Film, blendende Kritiken und trotzdem ein Misserfolg: Das erinnert unweigerlich an The Day After Tomorrow, der immerhin in der Heimkino-Auswertung richtig aufdrehte und für dessen Scheitern an den Kinokassen auch keine Erklärung taugt. Vielleicht hat Alita: Battle Angel schlicht Pech gehabt – am Film selbst kann es nicht liegen, dass dieser gescheitert ist. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich der Erfolg ähnlich wie bei The Day After Tomorrow doch noch einstellt und dass das Werk genau wie dieser dann doch noch eine Fortsetzung erhält. Schön wär es ja.

Alita: Battle Angel USA 2018 122 Minuten Regie: Robert Rodriguez Mit: Rosa Salazar, Christoph Waltz, Jennifer Connelly, Mahershala Ali

82 Captain Marvel: Dank zweifelhaftem Marketing vom Lückenfüller zum Erfolg

von Bettina Petrik

Captain Marvel ist ein weiterer Erfolgsfilm im Marvel Cinematic Universe-Franchise. Darüber braucht man nicht zu diskutieren. Das Einspielergebnis beim Verfassen dieses Artikels beträgt laut Wikipedia 946,1 Millionen Dollar nach gerade mal einem Monat in den Kinos. Damit bewegt sich der Film im oberen Drittel, was das Kinokassen-Ranking von MCU-Filmen angeht. Im Vergleich zu den Top-Verdienern wie Avengers: Infinity War (2.048,36 Mio.), Marvel’s The Avengers (1.518,81 Mio.) oder The First Avenger: Civil War (1.153,30 Mio.) fehlt zwar noch einiges, man ist aber auch weit entfernt von Mindestverdienern wie Der unglaubliche Hulk (263,43 Mio.) oder Captain America: The First Avenger (370,57 Mio.).

83 Ob nun jeder Cent dieser Statistik moralisch gesehen völlig korrekt verdient wurde, darüber lässt sich streiten. So berichten Seiten wie cosmicbook.news von auf Social Media gefundenen Bildern von völlig leeren Kinosälen. Aber auch die Kritiker- und Userbewertungen etwa auf dem (aufgrund von Troll-Aktivitäten leider immer umstritteneren) Portal Rotten Tomatoes ordnen den Film mit 78 bzw. 60 % positiver Bewertungen im oberen Drittel der Beliebtheitsskala ein. Also kann man guten Gewissens davon ausgehen, dass sich in diesem Fall Erfolg und Qualität im Auge der Mehrheit gerechterweise die Waage halten.

Zu spät, zu wenig

Seit Jahren hatten die sich zahlenmäßig immer weiter mehrenden weiblichen Fans von Comic-Verfilmungen schon gefordert, dass Marvel in seinem Filmuniversum, wie es vorher keins dieser Art gegeben hatte, mit gutem Beispiel in Hollywood vorangehen und endlich auch einen Film mit einer Superheldin in den Mittelpunkt eines so erfolgreichen Mega-Franchise stellen solle. In der Führungsriege schob man diese Forderung jedoch mit leeren Versprechungen immer wieder von sich. Auch ignorierte man die Chance, einen mit ziemlicher Sicherheit schon aufgrund der damaligen Beliebtheit Scarlett Johanssons sehr erfolgreichen Film zu dem ursprünglich einzigen weiblichen Avenger Black Widow zu produzieren.

84 Man hatte als Fan fast den Eindruck: Erst als sich DC daran versuchte, das Konzept des Konkurrenten zu kopieren und schon von Beginn an mit den Plänen zu einem Wonder Woman-Film große Begeisterungstürme hervorrief, wachte man auch im Marvel-Hauptquartier auf.

Ein Film zur dem breiten Publikum relativ unbekannten Figur Captain Marvel sollte es werden, hieß es plötzlich, und nachdem dieser – zugunsten eines Streifens zum frisch von Sony zurückeroberten Spider-Man … Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – erst einmal nach hinten verschoben wurde, sollte es dann 2019 doch noch soweit sein. So weit, so gut. Trotz Anlaufschwierigkeiten freute man sich gerade als weiblicher MCU-Fan außerordentlich auf diesen ersten Solo-MCU-Film mit einer Heldin.

Im Laufe des Marketings stellte sich leider heraus, dass man bei Marvel scheinbar auch hauptsächlich auf dieses Alleinstellungsmerkmal, das in Wahrheit längst keins mehr war, setzte, um einen Film sowohl zu produzieren als auch zu verkaufen.

Murks auf dem Abstellgleis

Schon nach Bekanntgabe des endgültigen Veröffentlichungstermins konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man bei Marvel immer noch nicht daran glaubte, dass eine weibliche Heldin einen Film tragen konnte. Und das, obwohl seit Jahrzehnten Protagonistinnen 85 wie Ellen Ripley, Lara Croft, Selene in der Underworld- und Alice aus der Resident Evil-Reihe und viele mehr das Gegenteil beweisen.

Hineingequetscht zwischen die beiden aktuellen Avengers-Streifen, zu einem Startzeitpunkt, an dem die meisten MCU-Fans nichts anderes wollen als zu wissen, wie es nach Avengers: Infinity War weitergeht, da hätte es wirklich jeder Film aus dem Franchise schwer gehabt, Interesse zu wecken. Nun hatte sich man auch noch für eine Figur als Protagonistin entschieden, die nicht nur selbst Comic-Kennern relativ unbekannt war, sondern deren Comic-Solo-Reihen mehr als einmal eingestellt werden mussten. Zudem kommt man als MCU-Kenner nicht umhin, anzumerken, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts in den bisherigen Filmen auf die Existenz einer Carol Danvers hinwies. Anders als bei anderen Charakteren und Entwicklungen, die man in Vorfilmen seit dem allerersten Iron Man-Streifen im Jahr 2008 auf die eine oder andere Art angeteasert hatte, was auch die große Stärke des Franchise ausmachte, kommt Captain Marvel aus dem absoluten Nichts. Da ist es doch legitim anzumerken, dass ihr Erscheinen sich wie mit Gewalt in der letzten Sekunde hineingequetscht anfühlt.

Diese Entscheidung ist einfach schwer nachzuvollziehen, wenn man bereits gut ausgearbeitete und beliebte Charaktere wie Black Widow und Scarlet Witch hatte, die mit Leichtigkeit ihren eigenen Streifen hätten tragen können 86 und auch zu der Geschichte zwischen den beiden Avengers-Großereignissen effektiv viel hätten beitragen können.

Stattdessen: Captain Marvel. Eine weitere und dabei reichlich unoriginelle Hintergrundgeschichte eines weiteren Teammitglieds, von dem man nicht nur noch nie etwas gehört hat, sondern für das man auch an der einen oder anderen Stelle den bisherigen MCU-Kanon gehörig im Nachhinein verändert (im Englischen nennt man das retconning) hat. So ist nun nicht mehr Captain America der – wie deutsche Fans seit Jahren schon im Filmtitel damit erschlagen werden – erste Avenger, nein, der Name von Carols Flugzeug in der Armee hat nun diesen Namen inspiriert. Auch der Tesserakt wird auf eine Weise nachträglich einmal mehr in diesem Solo-Film verwurstet, der den Begriff Logiklock regelrecht definiert und würfelförmig verformt. Szenenapplaus in der deutschen Pressevorführung gab es für diesen Film am Ende hauptsächlich dafür, dass die Katze, der heimliche Star des Films, am Ende diesen ganz in Kitten-Manier hochkotzt – vielleicht die beste Szene mit diesem kleinen Gimmick, an dem man sich inzwischen einfach sattgesehen hat; die Infinity-Steine haben längst ihren Dienst getan.

All diese nachträglichen Einfügungen und Änderungen sorgen dafür, dass man nicht anders kann als sich zu fühlen, als ob einem der Charakter regelrecht aufs Auge gedrückt wird, und dass Danvers als Figur der uninteressanteste in 87 ihrem eigenen Film ist, hilft da nicht. Hauptdarstellerin Brie Larson wird dabei vom ganzen Ensemble, inklusive den vier Katzen, die Goose verkörpern, an die Wand gespielt, sie hat es allerdings auch wirklich schwer. Man baut keinerlei Bindung zu der jungen Frau auf, die ihr Gedächtnis verloren hat und völlig emotionslos Aliens verprügelt, ihre Vergangenheit wiederentdeckt, sich gegen ihre ehemaligen Entführer wendet und dann buchstäblich aus dem Handgelenk eine Alien-Invasion und die Zerstörung der Erde im Orbit abwendet. Dass der Film in den 1990er-Jahren spielt, nichts von solchen Weltraum-Kämpfen aber irgendjemandem auf der Erde aufgefallen ist, muss man wohl dem Einsatz nicht vorhandener Blitzdingser aus der Men in Black-Reihe zuschreiben.

Captain Marvel ist drehbuchtechnisch ganz großer Murks mit einem ersten Teil, der langweilt und einem zweiten, in dem hauptsächlich die unterhaltsame Präsenz von Samuel L. Jackson und einem miauenden, mordenden Vierbeiner die Show retten. Ansonsten fällt der Humor flach, die 1990er-Jahre-Anspielungen erzeugen nicht die gewünschte Nostalgie, die Musikauswahl ist schal. Da konnte selbst der auch nicht gerade als dramaturgisches Meisterwerk glänzende Iron Man 3 mit besserem Sound und gewitzterem Szenenhumor aufwarten.

Es ist schlichtweg kein sonderlich guter Film. Und eventuell wusste man das bei Marvel auch im Vorfeld und unterband deshalb nicht eine gelinde gesagt nervenaufreibende 88 Marketing-Maschinerie, um den Hype ein wenig zu verstärken.

Der Kritiker, das Feindbild

So wurde das Internet ähnlich wie bei dem Ghostbusters-Reboot im Jahr 2016 vor der Veröffentlichung von Captain Marvel zum Minenfeld. Eine wirklich hässliche Diskussion bezüglich Geschlechterrollen gab es schon, als sich einige männliche Fans beschwerten, dass die Protagonistin auf dem ersten Werbebanner nicht lächelte, und man wollte dem Studio und der Hauptdarstellerin für die noch sehr gediegene Reaktion auf diesen Unsinn applaudieren.

Unfair wurde es dann allerdings, als viele große Medien jeden Fan egal welchen Geschlechts, der sich von den uninteressant und nichtssagend geschnittenen Trailern nicht angesprochen fühlte, als frauenfeindlich und sexistisch bezeichneten. Auf dem Rotten Tomatoes-Portal wurde gar vor Veröffentlichung die Funktion abgeschaltet, mit der Besucher ausdrücken konnten, ob sie den Film sehen wollten oder nicht, weil der Wert auf ein unterirdisches Level fiel. Schließlich beschwerten sich viele große Online-Webseiten am Tag, als die ersten Rezensionen veröffentlicht wurden, dass kritische Stimmen zum Film ausschließlich von Männern kämen, obwohl unter den veröffentlichenden, wenig begeisterten Rezensenten auch mehr als eine Frau vertreten war. 89 Larson selbst wurde in all dieser Kontroverse schließlich ebenfalls zum Zielobjekt von Hass und Kritik, weil sie im Vorfeld der Pressetour zum Film beispielsweise dazu aufrief, dass mehr weibliche und farbige Journalisten unter den Rezensenten und Interviewern sein sollten. Ein durchaus nobles, aber nicht realistisches Anliegen, da bei den großen Magazinen, Radio- und TV-Stationen der Welt der Anteil an Frauen scheinbar immer noch sehr klein ist, und nur diese Outlets werden von Marvel aufgrund ihrer Reichweiten-Zahl erfahrungsgemäß zu Presse-Panels geladen. Nachdem sich Larson schon einige Zeit zuvor feindlich gegenüber weißen männlichen Journalisten geäußert hatte, fühlte sich ein Teil der Comic-Fans auch an dieser Stelle angegriffen und rief – wie es so oft an dieser Stelle geschieht – zum Boykott des Films auf.

Allem zum Trotz

Trotz solcher wenig sinnvollen und unwürdigen Anti-Kampagnen hat Captain Marvel wie erwähnt großen Erfolg, aus vielen Gründen sicher, vor allem wohl, weil der gemeine Zuschauer von Online-Dramen wie beschrieben nur wenig mitbekommt und die meisten Leute eben doch wissen wollen, ob irgendwelche für den nächsten Avengers-Film wichtige Szenen in einem ansonsten eher verzichtbaren Streifen vorkommen würden.

90 Und am Ende ist Captain Marvel eben auch genau das, von dem es ruhig noch mehr geben dürfte: ein Film mit einer starken weiblichen Protagonistin, mit einem dringend benötigten unabhängigen, eigenwilligen Vorbild für junge Mädchen und Frauen, auch wenn Danvers dies nächstes Mal ruhig gern in einem besseren Film unter Beweis stellen darf.

Dann braucht es vielleicht auch nicht ganz so viel Kontroverse, um einen Film wie diesen zu promoten.

Captain Marvel Mit: Brie Larson, Samuel L. Jackson, Ben Mendelsohn Regie: Anna Boden, Ryan Fleck Länge: 123 Minuten Verleih: Walt Disney Germany

Avengers: Endgame: Das Ende war schon lang geschrieben Von Bettina Petrik

Fast 170 Millionen Dollar Einspielergebnis am allerersten Tag – ein neuer Rekord. 96 % positive Bewertungen auf dem Rotten Tomatoes-Kritikerportal. Ausverkaufte Vorstellungen, wohin man schaut. Online-Scheuklappen, wenn man es nicht gleich ins Kino schafft, Streits auf der eigenen Social-Media-Chronik, wenn ein Bekannter es doch nicht

91 lassen kann, im Überschwang erste Details zu verraten oder einen verschwommenen Screenshot zu teilen. Mehr Hype als der Höhepunkt von etwas, das 2008 mit Iron Man seinen Anfang nahm und seitdem die Massen begeistert, kann Avengers: Endgame nicht generieren. Verdient oder nicht, darum geht es schon lange nicht mehr. Das Marvel Cinematic Universe unterhält – mal mehr, mal weniger – seit gut 11 Jahren die breite Masse, jede Altersklasse, und bis heute versuchen andere Studios vergeblich, diese Formel eines so tief ineinander verwobenen Universums zu kopieren.

Tiefenphilosophisch geprägte Drehbücher und schauspielerische Meisterleistungen erwartet vom MCU wohl niemand. Warum nicht akzeptieren, dass Popcornkino in einer Welt der täglichen schlechten Nachrichten ein leicht verdauliches Mittel des Eskapismus darstellt? Wenn man sich auf das Franchise mit genau diesem Anspruch einlässt, kann man großen Spaß damit haben. Und dafür, dass Mastermind Kevin Feige und sein Team nun schon zum 22. Mal – Oneshots, Serien, Comics etc. gar nicht mitgezählt – für ein paar Stunden in eine Welt entführen, in der farbenfrohe Helden noch die Welt retten können, haben sie sich ein wenig Rummel durchaus verdient.

Avengers: Endgame ist nicht das Ende des MCU. Diese Filmreihe wird es so lange geben, wie die Leute sie sehen wollen. Aber nachdem die Verträge von einigen der Hauptdarsteller ausgelaufen sind und das Zepter in den 92 letzten Werken an die nächste Generation weitergereicht wurde, ist dieser Teil nicht der Abschluss einer Saga, wie sie in dieser Form ihresgleichen sucht.

Ist der Film deswegen ein Meisterwerk? Mit Sicherheit nicht. Meisterwerke sind in einer Zeit, in der jede Geschichte schon eine Million Mal erzählt wurde, sehr schwer zu schreiben, vor allem, wenn man mit buchstäblich Dutzenden von Hauptcharakteren arbeiten muss. Aber Avengers: Endgame macht viel richtig und wird als emotionales Ende der populärsten Phase eines Großprojekts im Gedächtnis bleiben.

Und damit begibt sich dieser Artikel tief in Spoiler-Territorium. Sie sind gewarnt worden.

»Es gab diese Idee …«

So erklärt Nick Fury in Marvel’s The Avengers seinen Helden, was die Avengers eigentlich sind. Nachdem die ersten Filme dem Zuschauer »Iron Man« Tony Stark, »Hulk« Bruce Banner, den Halbgott Thor, »Captain America« Steve Rogers, »Black Widow« Natasha Romanoff und »Hawkeye« Clint Barton als die Gründungsmitglieder dieses Teams vorgestellt hat, die für die Menschheit die Kämpfe bestreiten sollen, die sie allein nicht gewinnen kann, setzten sich 2012 unzählige Puzzleteile zu diesem ersten Ensemble-Streifen zusammen. Eine Vorgehensweise in einem Blockbuster, die auf diese so

93 eng ineinander verschmolzene Weise vorher nicht gesehen worden war.

Perfekt war natürlich nie alles. Neben den Kinderkrankheiten wie Rechtekrieg mit Universal und Sony Pictures Entertainment und Neubesetzungen hatte die folgende Phase 2 qualitative Ausreißer nach unten. Die erste Fernsehserie zum MCU, Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D., konnte nicht groß punkten, und dass man darin ausgerechnet jenen Charakter wiederbelebte, dessen Tod die Gründung des Teams möglich gemacht hatte, stieß vielen Fans sauer auf. Bis heute haben die MCU-Serien zwar ihre Fangemeinden, aber die Popularität der Filme konnten sie nie erreichen. Was vermutlich der Grund ist, warum man erst in Avengers: Endgame zum allerersten Mal einen rein in einer Serie geschaffenen Charakter (Howard Starks Butler Edwin Jarvis) in einem Film sieht.

Mit Iron Man 3 und Thor – The Dark Kingdom folgten zudem gleich zwei Filme hintereinander, die qualitativ nicht an die erste Phase anschließen konnten.

The Return of the First Avenger – nach der bescheidenen Meinung der Autorin dieses Artikels rein qualitativ bis heute beste MCU-Film – bewies aber rasch, dass die Macher genau wie ihre Helden schnell wieder aufstehen, wenn sie mal auf die Schnauze fallen. Der in Iron Man 3 zum Ärger der Comic-Fans verschluderte Bösewicht wurde in einem der berüchtigten Oneshots gerettet, die die ersten 94 MCU-DVDs zu einem Highlight machten. Mit Guardians of the Galaxy zeigte man, dass man den Zuschauern mit dem richtigen Drehbuch und geiler Musik sogar sprechende Bäume und Waschbären mit Maschinengewehr in der Hand verkaufen kann. Und auch wenn der zweite Ensemble-Film Avengers: Age of Ultron die Fangemeinde bis heute spaltet und einige vielversprechende Charakteransätze aus den ersten Phasen zunichtemachte, war es längst zu spät, um den Erfolg des MCU zu stoppen. Ant-Man führte auf ebenso humorvolle wie originelle Weise, wie es die MCU-Schreiber immer wieder schaffen, in Form der Quantum-Technologie das Story-Element ein, das schließlich im diesjährigen Film das Universum retten wird, und zu diesem Zeitpunkt kristallisierte sich so langsam heraus, wo der ganz große Plan hingehen sollte.

Nicht nur Charaktere, Erwähnungen und Story-Details, die das zusammenhängende Universum prägten, indem sie immer wieder in einem Film eine Rolle spielten, in dem es gar nicht um sie ging … Auch das immer wiederkehrende Thema von sechs ganz besonderen Objekten ließ Hardcore-Fans schon seit langem erahnen, dass die dritte große Phase des MCU mit dem Infinity-Krieg enden würde. Thanos‘ goldener Handschuh, mit dessen Hilfe er im letztjährigen Avengers: Infinity War das halbe Leben im Universum auslöschte, tauchte übrigens bereits als Requisit in Thor auf – im Jahr 2011. Einen Plan so lange vorzubereiten, anzudeuten, durchgehend immer weiter aufzubauen und schließlich konsequent durchzuziehen, 95 dafür muss man der kreativen Leitung dieses Franchise Respekt zollen.

Und dafür vergibt man auch Schwächen, die auch andere populäre Franchises mit sich bringen, wie die bis vor wenigen Filmen mangelnde Charakter-Vielfalt in Sachen Hautfarbe und Geschlecht. Oder die bis heute praktisch nicht vorhandene Repräsentation, was andersartige Sexualität angeht. Langweilige, belanglose Film-Ausreißer nach unten wie Captain Marvel; selbst uninspirierte Casting-Entscheidungen wie Benedict Cumberbatch als Dr. Stephen Strange, der erst in Avengers: Infinity War so wirklich interessant wurde, oder Tom Holland als Peter Parker, der dank eines sehr generischen Spider-Man: Homecoming bisher auch nur als Starks Protegé glänzen konnte … Schwamm drüber. Das Gesamtbild stimmt, und es hält bei der Stange.

Und mit Filmen wie Guardians of the Galaxy Vol. 2, der zumindest bei der Autorin zum ersten Mal in der MCU-Geschichte – abgesehen von den wunderschönen Szenen, mit denen man sich im Thor-Universum von den Toten verabschiedet – für viele Tränchen sorgte, oder dem sehr unterhaltsamen Ant-Man and the Wasp, der so viel mehr war als das Setup für Avengers: Endgame, hatte auch Phase 3 ihre Höhepunkte.

»Oscar«-Nominierungen gab es nun sogar ebenfalls, für Black Panther nämlich, mit dem endlich auch die verstärkte 96 Charakter-Vielfalt bei Marvel einzog, weshalb trotz eines von wirrem Pacing geplagten Drehbuchs die Kritiker sehr milde mit diesem umgingen.

Das MCU ist unvermeidlich – wer auch immer in Hollywood Rang und Namen hat, man wird ihn mit ziemlicher Sicherheit in der Besetzungsliste irgendeines MCU-Films finden.

Höher, schneller, weiter war lange vor Captain Marvel das Motto des Franchise. Diese Erfolgsgeschichte zu toppen, damit hatte es Avengers: Endgame naturgemäß von Anfang an schwer.

Überraschenderweise keine Überraschung

Zudem mussten die Regisseure Anthony und Joe Russo tief in die Trickkiste greifen und im Marketing-Vorfeld auch oft zu schamlosen Lügen greifen, um den Film als interessanter zu verkaufen, als er ist. Denn: Niemand hat den Machern je abgekauft, dass eine Film-Serie aus dem familienorientierten Hause Disney die Hälfte allen Lebens im Universum auslöschen lässt und es dabei belässt. Dass die zu Asche verwandelten Trilliarden von Wesen und damit auch die vielen toten MCU-Helden wiederkehren würden, war nur eine Frage der Zeit; und die Post-Credit-Szene in Ant-Man and the Wasp, in der Scott Lang aufgrund von Thanos' tödlichem »Fingerschnipp« in der Quantum-Realität strandete, ließ auch rasch erahnen, wie die Lösung 97 aussehen würde. Ganz abgesehen davon, dass einer der Infinity-Steine die Konstante der Zeit darstellt. Auch dass es einen weiteren großen Kampf gegen Thanos geben würde, weil kein Bösewicht bei Disney je mit einer so unvorstellbaren Gräueltat ungeschoren davonkommen würde – geschenkt.

Die Frage der Qualität von Avengers: Endgame hat sich von Anfang an rein um die Umsetzung eines feststehenden Handlungsrahmens gedreht. Und da ließen sich die Macher kein bisschen in die Karten schauen. 90 % des Marketing-Materials zum Film besteht ausschließlich aus Ausschnitten von den ersten 20 Minuten des Films. Keiner der Schauspieler bekam das ganze Drehbuch zu lesen. Von einigen Szenen wurden Dutzende Varianten gedreht. Einige abweichende wurden für die Trailer verwendet, so ist viel von dem darin gezeigten Material nicht im Film, oder aber es wurden Abschnitte mit verschiedenen Kostümen und Perücken gedreht. Wer im Vorfeld glaubte, an Romanoffs Haarlänge und –Farbe bemessen zu können, in welchem Abschnitt des Films eine Szene sich abspielen würde, hatte sich geschnitten.

Pressevorführungen des Streifens wurden zudem auf einen Zeitpunkt Stunden nach der Weltpremiere verlegt, damit nur ja keine Spoiler vorab im Netz landen würden. Das Internet wäre aber nicht das Internet, hätte nicht ein besonders frecher Fan bei einer Sondervorführung im arabischen Raum trotzdem mitgefilmt und die 98 Schlüsselszenen des Films Tage vor dessen Start ins Netz gestellt. Doch da stellte sich erstaunlicherweise fast die gesamte Presse und sogar die Fan-Gemeinde gegen die unvermeidliche Spoiler-Flut: Medien berichteten kaum bis gar nicht über das Leck, und die meisten Fans hielten selbst dicht, wenn sie sich das Video angesehen hatten. Man wollte niemandem, der schon so viele lange Jahre gewartet hatte, die Vorfreude verderben.

Das Universum in Scherben

Entsprechend jungfräulich war das Publikum in der Mitternachtspremiere. Nachdem man die ersten Tränen schon in der Pressevorführung verdrückt und alle großen Momente genossen hatte, war dieses zweite Mal purer Genuss. Selten hat die Autorin ein so lautes Publikum erlebt wie in dieser Nacht. Lachen, Weinen von allen Seiten, frenetischer Jubel oder auch schockiertes Raunen, wie am Beginn, wenn Hawkeyes gesamte Familie zu Staub zerfällt – da zuckten selbst jene zusammen, die diesem sehr faulen Kunstgriff von Joss Whedon einst bis heute kritisch gegenüberstehen. »Plot devices« MacGuffins hin oder her, wenn der kleine Junge, der gerade noch nach Ketchup verlangt hat, und das Mädchen, das gerade die Mitte der Zielscheibe mit ihrem Pfeil getroffen hat, sich zusammen mit der Hälfte vom Rest des Universums in Wohlgefallen auflösen, ist das für Marvel-Verhältnisse schon hardcore.

99 Erstaunlich ausgiebig und mit viel Fingerspitzengefühl wird nach dem unvermeidlichen ersten Re-Match gegen Thanos, das sich als sinnlos erweist, da dieser die Infinity-Steine zerstört hat, darauf eingegangen, wie die Welt mit einer Katastrophe wie dieser umgeht. Man sieht die Helden, mit denen man über 10 Jahre mitgefiebert hat, von ernsthaften Depressionen zerfressen, der Unfähigkeit, loszulassen, Essstörungen, Selbstaufgabe in Banners Fall, der seinen menschlichen Körper endgültig gegen eine – wenn auch intelligente – Version von Hulk eingetauscht hat. Selbsttäuschung bei Romanoff, die ein Fort aufrechterhält, das nicht mehr nötig ist, bei Rogers, der eine Selbsthilfegruppe leitet, ohne selbst an deren Wirkung zu glauben.

Ein Setting, so bedrückend, so real und untypisch für die sonst so bunte Marvel-Welt … Da verdrehte man auch als Autorin, die eher Fan von selbstverständlicher Repräsentation ist, nicht ganz so sehr die Augen, wenn in besagter Gruppe ein No-name-Charakter, verkörpert von einem der Regisseure, verwendet wird, der offen über seine Homosexualität spricht. Genauso ein verzeihlicher, mit regelrechter Gewalt, um Bonuspunkte zu sammeln, in den Film gestopfter Schmu wie später im Endkampf eine Szene, in der sich ausschließlich die Heldinnen zusammentun müssen, um etwas zu erreichen, das sämtliche Männer zuvor auch allein geschafft haben, was leider unweigerlich genau das Gegenteil von gut gemeint ist.

100 Aber auch hier: In einem Film mit dieser Qualität mag man Ausrutscher verzeihen. Selbst die Ratte, die schließlich in Langs Auto über jenen Knopf läuft, den seine Partnerin in erwähntem Film nicht mehr drücken konnte, woraufhin Lang endlich aus der Quantum-Realität zurückkehrt, sodass – fünf Jahre nach dem Fingerschnippen – die eigentlichen Ereignisse ihren Lauf nehmen können … Ob es nun unbedingt ein Deus ex machina in Form eines Nagers hätte sein müssen, darüber lässt sich sicher streiten.

So oder so: Stark versöhnt sich widerwillig mit Rogers und lässt die kleine Familie allein, die er sich mit Pepper Potts aufgebaut hat, um zusammen mit den anderen zu versuchen, die Infinity-Steine in der Vergangenheit einzusammeln, um das Fingerschnippen rückgängig zu machen. Barton wird von seinem Rachetrip in Fernost abgeholt, Thor lässt für diesen einen einzigen möglichen Versuch, alles zu retten, Fastfood und Alkohol in dem norwegischen Fischerdorf zurück, in dem die noch übrigen Asen/Halbgötter leben. Die sechs originalen Avengers sind wieder zusammen – bereichert mit den inzwischen dazugekommen, noch lebenden Freunden –, um ein letztes Mal zu versuchen, die Welt zu retten. Da wird einem bei einer von Rogers‘ üblichen feurigen Ansprachen vor Missionsbeginn schon ein wenig anders, und wenn man noch so sehr weiß, wie es ausgeht.

Effekt über Originalität

101 Der reichlich wirre Zeitreise-Plot wird nur marginal besser gemacht von den Witzen der Charaktere darüber, wie oft so etwas in der Filmgeschichte schon schiefgegangen ist. Es möge ein jeder Zuschauer selbst für sich versuchen, durch dieses Konstrukt aus Paralleluniversen und Zeitsprüngen zu steigen, wenn er denn lustig ist. Die Autorin hat das schon bei der ersten Sichtung aufgegeben. So macht der Film nämlich um einiges mehr Spaß.

Was sich wie eine schale Wiederholung anfühlen sollte, wenn die Helden sich in Teams aufsplitten, um die Steine an Punkten in der Vergangenheit zu erobern, die sie in früheren Filmen erlebt haben, gestaltet sich zu einem unvergleichlich unterhaltsamen Beutezug. Ob es nun Rogers ist, der gegen eine 2012-Inkarnation von sich selbst kämpfen und zudem ausgerechnet einen Hydra-Agenten mimen muss, um an den Stein in Lokis berühmtem Zepter zu kommen … Die kleinen Gastauftritte wie von Loki, der mal eben mit dem Tesseract abhaut und damit seine zukünftige Serie beim Marvel-Streaming-Dienst einleitet …

Die vielen kleinen Cameos gerade der früheren Bösewichte, und Langs trockene Bemerkung, dass man eigentlich auch schon damals darauf hätte kommen können, dass etwas mit diesen nicht stimmt … Starks längst fällige Aussprache mit seinem Vater in den 1970er-Jahren … Oder auch James Rhodes und Nebula, vermutlich die am besten ausgearbeiteten Nebencharaktere im Film, die sich im Jahr

102 2014 über »Star-Lord« Peter Quill lustig machen. Fast alles funktioniert hier.

Ganz frei von einem Haupt-Kritikpunkt ist aber auch dieser Film nicht. Die stumpfe Wiederholung des Avengers: Infinity War-Plots rund um den Seelen-Stein, mit der einzigen Änderung, dass diesmal eben die andere einzige Frau in einem der Avengers-Team sterben muss, um diesen zu erobern, hinterlässt einen sehr schalen Nachgeschmack. Allein der Trost bleibt, dass Romanoff aller Voraussicht nach ihren eigenen Film im nächsten Jahr bekommen wird und bekanntlich im Marvel-Universum außer Parkers Onkel Ben sowieso niemand für immer tot ist. Trotzdem eine Drehbuch-Schwäche, die man schon des unglaublich tiefen Logiklochs wegen (Suizid ist ein Selbstopfer, kein Opfer desjenigen, der den Stein am Ende bekommt) anders hätte lösen müssen. Auch der fehlende Respekt diesem weiblichen Gründungs-Charakter gegenüber – keine Beerdigung, fast völlig vergessen am Ende – stößt hier sauer auf.

Die Steine fallen immerhin den Avengers so tatsächlich alle in die Hände, und dass Thanos aus der Vergangenheit durch Nebulas neurales Interface ihr zukünftiges Ich anzapfen kann und so von dem Plan gegen sein zukünftiges Ich erfährt, funktioniert zumindest logischer als der ganze andere Zeitreise-Kram. Indem die ausgetauschte Vergangenheits-Nebula ihren Stiefvater dann in die Zukunft holt, wird den Avengers noch einmal der nötige Stein in den 103 Weg gelegt, nachdem Hulk unter Verlust seines Arms tatsächlich das berühmte Fingerschnippen durchgeführt hat.

Unvergleichliche Epik

Und hier schlägt die Handlung noch mal so richtig zu und rechtfertigt jede einzelne Minute ihrer drei Stunden. Manche mögen es Fan-Service nennen, andere sehen ikonische Comic-Szenen auf die große Leinwand gebracht, auf die man schon lange gewartet hat und die seit 11 Jahren immer und immer wieder angedeutet wurden. Rogers, der tatsächlich des Hebens und des Führens von Thors Hammer würdig ist. Rogers, der endlich den berühmten »Avengers assemble«-Satz sagen darf. Vor allem aber, wie die einst zu Staub zerfallenen Helden durch Stranges Transport-Portale einer nach dem anderen zu den Avengers in ihrer nun in Trümmern liegenden Basis stoßen, das ist ein Bild, das Schnappatmung und Tränen der Ehrfurcht produziert.

Der Kampf selbst dann gegen Thanos' Armee aus der Vergangenheit, kurzweilig, schnell, effektiv. Fast ein jeder Held bekommt noch einmal die Chance, angemessen zu glänzen, beim Versuch, die Infinity-Steine vor Thanos in Sicherheit, durch einen Quantum-Tunnel wieder dahin zurückzubringen, wo man sie gestohlen hat. Auch wenn die Spezialeffekte an der einen oder anderen Stelle ein ganz klein wenig wirken, als sei den Machern gegen Ende das Geld ausgegangen: Die spritzigen Dialoge, die spürbare 104 Angst und Verzweiflung der Charaktere und die eindringliche Musik mit dem so bekannten Avengers-Theme lassen das den Zuschauer kaum bemerken.

Dass noch einer der Hauptcharaktere dann schließlich das größte Opfer bringen muss, um den schlimmsten Gegner zu besiegen, dem sich die Avengers je gestellt haben, auch das war abzusehen, schon aus erwähnten Vertragsgründen. Mit wie viel Respekt, Ruhe und Eindringlichkeit dieser Abschied jedoch zelebriert wird, rechtfertigt dann sicher nicht nur bei der Autorin dieses Artikels verstärkten Taschentuch-Einsatz.

Fazit

Ohne zumindest einen Teil der vorhergehenden Filme gesehen zu haben, wird es allerdings schwer sein, all diese Momente und Details, all diese Zusammenhänge wirklich zu erkennen und entsprechend zu würdigen. Avengers: Endgame ist doch mehr etwas für die vielen Fans als für jemanden, der noch nie eine Comic-Verfilmung gesehen hat.

Für die ist es aber genau der Film, auf den sie gewartet und den sie verdient haben.

Avengers: Endgame Mit: Robert Downey Jr., Chris Evans, Mark Ruffalo Regie: Anthony Russo, Joe Russo Länge: 181 Minuten 105 Verleih: Walt Disney Germany

Friedhof der Kuscheltiere: Wenn tot wirklich besser gewesen wäre von Bettina Petrik

Stephen King ist zwar unbestritten einer der erfolgreichsten Autoren der Gegenwart (allein bis 2017 haben sich seine Werke über 400 Millionen Mal verkauft und wurden in über 50 Sprachen übersetzt), Adaptionen derselben haben aber bedauerlicherweise keinen guten Ruf mehr.

Nicht ganz zu Unrecht. In den 1970er- und 1980er-Jahren hat man sich (vielleicht auch klammheimlich als Kind unter der Bettdecke) eigentlich noch gern zu Gruselfilmen wie Carrie: Des Satans jüngste Tochter, zu Klassikern wie Shining oder zu psychologisch wertvollen Meisterstücken wie Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers gegruselt. Im Laufe der Zeit wurden aber auch viele King-Werke mit qualitativ wenig ansprechenden Drehbüchern auf der großen Leinwand und auf der Mattscheibe verwurstet, oder sie altern in Zeiten von CGI-Höchstleistungen und Machwerken mit weit mehr Budget als damals einfach schlecht. So erfassen zwar TV-Miniserien wie Stephen Kings Es und Stephen Kings 'The Stand' – Das letzte Gefecht schon dank ihrer längeren Laufzeit sehr gut den genretechnisch so

106 vielfältigen Geist des Autors und die detailreichen Charaktere, die seine Bücher ausmachen. Sie kranken aber oft an Stellen wie Effekten und schauspielerischen Schwächen.

Preisgekrönte Ausreißer nach oben wie The Green Mile mit einem unvergessenen Michael Clarke Duncan und Tom Hanks in Höchstform – sie sind selten. Selbst so manch aktuelles, beklemmend gut, praktisch 1:1 umgesetztes Werk auf Netflix wie Das Spiel (siehe Rezension im Corona Magazine 3/2018) – vergessen, unbeachtet. Man traut King-Verfilmungen einfach nicht mehr viel zu. Oft weiß der gemeine Zuschauer nicht einmal etwas von ihnen, wenn sie nicht gerade so viele Hype-Wellen machen wie 2017 die mittelmäßige Neuauflage von It oder der völlig in die Hose gegangene Versuch, Kings längste Werkesammlung, der dunkle Turm, in einer zweistündigen Verfilmung zu verhackstücken.

Da konnte die Nachricht, dass das scheinbar immer ideenloser werdende Hollywood nun auch eine Neuauflage von Friedhof der Kuscheltiere plante, keine Begeisterungstürme hervorrufen. Die auffällige Marketing-Maschinerie der letzten Wochen hat die Skepsis der Autorin dieses Artikels nur noch verstärkt – wenn die U-Bahn-Stationen im heimischen Bayern mit Plakaten zu einem Genre-Film zugepflastert sind und die Presseagentur ins Kino mit den teuren Sitzen ruft, versucht man meistens

107 etwas groß zu machen, das es allein nicht weit bringen würde.

Leider hat sich diese Vorahnung beim Filmgenuss bestätigt.

Zu viele Freiheiten

Schon im Zuge der ersten Trailer wurde deutlich, dass sich die Friedhof der Kuscheltiere-Version von Kevin Kölsch und Dennis Widmyer einige große Freiheiten herausnehmen würde, was die Romanvorlage betraf. Es zieht zwar nach wie vor die Familie von Louis Creed (Jason Clarke) aufs Land in das beschauliche Maine (dem Bundesland, in dem sich sehr viele von Kings Handlungen abspielen, wie langjährige Fans natürlich wissen). Mit dabei sind Gemahlin Rachel (Amy Seimetz) und die Kinder Ellie (Jeté Laurence) und Gage Creed (Hugo Lavoie). Jedoch ist es nicht mehr der kleine Gage, den nach dem Umzug in ein Haus mit einer gefährlichen Autostraße direkt daneben ein grausames Ende ereilt, sondern seine ältere Schwester.

Eine Abänderung, die durchaus hätte funktionieren können, vor allem, da die Filmemacher sie im Vorfeld gut damit begründeten, dass man mit einem älteren Kind in der Rolle der dank eines alten Indianerfriedhofs wiederauferstandenen psychopathischen Mörderin mehr anstellen könnte. Auch King selbst zeigte sich im Vorfeld wohlwollend gegenüber der neuen Umsetzung von einem

108 seiner berührendsten genauso wie erschreckendsten Werke.

Ansonsten weicht der Film zumeist nicht bedeutend von der Vorlage oder der älteren Version ab. Nach wie vor fungiert der ältliche Nachbar Jud Crandall (John Lithgow) als derjenige, der Louis das Geheimnis des Friedhofs hinter dem titelgebenden Tierfriedhof zeigt. Eine vermeintlich gute Tat, damit sich die Tochter der Familie nicht mit dem Tod ihrer geliebten Hauskatze beschäftigen muss, genausowenig wie Rachel, die in ihrer Kindheit dadurch traumatisiert wurde, dass ihre unheilbar kranke Schwester unter ihrer Aufsicht verstarb. Lediglich an der Todesursache von Zelda (Alyssa Brooke Levine) wurde geschraubt, und hier sticht einem das wenig durchdacht scheinende Drehbuch dann doch ins Auge. War es in der einstigen Version ein Unfall, ausgelöst durch die entstellende Meningitis, die Rachels Schwester das Leben raubte, wird der jüngeren, gesunden Rachel im diesjährigen Filme eine etwas aktivere Rolle in ihrem Ableben eingeräumt. Das hätte durchaus für eine wirksame Charakterentwicklung in Bezug auf die spätere Wiederauferstehung von nicht nur der gar nicht mehr so süßen Miezekatze dienen können, leider wird auf dieses Detail im weiteren Verlauf nur wenig eingegangen – eine Schwäche, die sich durch den Film zieht.

Zu wenig Zeit, zu wenig Zusammenhang

109 Generell werden alle Themen, die dieser Horrorgeschichte insgesamt so viel Tragik mehr als eine simple Wiederbelebung der Toten verleihen, nur angerissen. Das mag an der kurzen Spieldauer liegen – auch wenn nicht jeder Streifen wie der nur kurz nach Friedhof der Kuscheltiere die Kinos erobernde Avengers: Endgame krampfhaft auf über drei Stunden pochen muss, um hervorzustechen … 101 Minuten fühlen sich im Fall dieses Werks leider tatsächlich viel zu kurz an. So hat man etwa bei Jud nie wirklich das Gefühl wie in der Vorgängerversion, dass er wirklich ein enger Vertrauter der Familie ist, das Verhältnis bleibt sehr unterkühlt. Schade auch, dass erneut die Chance vergeben wurde, Juds Frau aus dem Roman als Figur einzubringen, die die Beziehung zum Tod des alten Manns im Buch so geschickt definiert. Die eigentlich durchaus interessant wirkende Prozession der Kinder mit den Tiermasken aus dem Trailer hat in der eigentlichen Geschichte keinerlei tiefere Bedeutung mehr und wirkt so wie ein reichlich unnötiger Schockfaktor.

Richtig absurd wird das Ganze allerdings erst gegen Ende, wenn man versteht, warum so viele wichtige Gespräche und Begebenheiten aus Buch und Vorgängerfilm anscheinend keinen Platz mehr in der Neuversion hatten, welcher Art von Szenen diese augenscheinlich weichen mussten. Ab den letzten zehn Minuten fühlt man sich als King-Leser leider, als hätte Drehbuchautor Matt Greenberg im letzten Moment die Idee gehabt, man müsste die Geschichte ins Splatter-Zombie-Genre transferieren. 110 Im Dutzend billiger

Als Rezensent, der innovativen Adaptionen gegenüber durchaus aufgeschlossen ist, will man eigentlich nicht ständig das Grundmaterial als Kritikpunkt heranziehen, aber man kommt nicht darum herum, sich zu fragen, warum in Juds Erzählung bezüglich des Indianerfriedhofs die ganz entscheidende Warnung gestrichen wurde, dass dort auch in der Vergangenheit schon ein Mensch begraben wurde. Und dass das verdammt schiefgegangen ist.

Sicher, Louis ignoriert den verzweifelten Appells des alten Mannes, nicht auf dumme Ideen zu kommen, was sein totes Kind angeht, auch in den Vorgängerversionen, zumindest macht er sich aber durchaus Gedanken darum. Überhaupt geht in der früheren Filmversion von 1989, so veraltet diese in den Augen jüngerer Horror-Fans inzwischen sicher aussehen und wirken mag, bei den Charakteren um einiges mehr hinter der Stirn vor, als man bei Clarke im letzten Filmdrittel etwa den Eindruck hat. Klar: Auch in der einstigen Version sieht man einen traumatisierten, völlig auf Autopilot agierenden Mann etwas Unaussprechliches tun, aber er ist Arzt und liebender Ehemann genug, um die Katastrophe sofort zu beenden, als er merkt, dass es schiefgeht. In der verzweifelten Notlage, zu versuchen, wenigstens noch seine Frau zu retten (damals die bezaubernde Denise Crosby, was man sich als Star Trek-Fan übrigens nicht entgehen lassen sollte) findet er dann zwar 111 ebenso sein Ende. Die Geschichte hat aber einen gewissen Abschluss, und man bekommt in der Tat als Zuseher und Leser den Eindruck, dass tot wirklich manchmal besser ist.

In der Neuauflage nun macht man aus dieser tragischen Familiengeschichte eine beginnende Zombie-Apokalypse, indem Klein-Ellie ihre Eltern als Spielgefährten als wandelnde Tote zu sich holt und man am Ende allem Anschein nach auch noch dem Baby die gleiche Behandlung zukommen lässt. Der Respekt vor dieser so unglaublich falschen, folgenschweren Entscheidung wird damit zugunsten von noch mehr spritzendem Blut und Szenen wie aus der ebenfalls schon viel zu lange mehr tot als lebendigen The Walking Dead-Serie ad absurdum geführt.

So endet eine Geschichte, die durchaus ihre akzeptabel schockierenden Momente und vielversprechenden Ansätze hatte, unbefriedigend, albern und letzten Endes auch völlig sinnlos.

Gut anzuschauen, frustrierend zu genießen

Wer einen relativ seelenlosen blutigen Film mit einer Killerkatze als besten Protagonisten sehen möchte, ist bei Friedhof der Kuscheltiere natürlich trotzdem ganz gut aufgehoben. Als jemanden, der das Grundmaterial sehr gut kennt, mag einen die erste Hälfte sehr langweilen, dafür ist die Optik ganz passabel, und die meisten der Schauspieler

112 machen ihre Sache ganz gut, angesichts des Material, das ihnen da zugeschustert wurde.

Einen King-Film sollte man allerdings nicht erwarten. Ob das nun gut oder schlecht ist, die Beurteilung sei wie immer dem Zuseher selbst überlassen.

Friedhof der Kuscheltiere Mit: Jason Clarke, John Lithgow, Amy Seimetz Regie: Kevin Kölsch, Dennis Widmyer Länge: 101 Minuten Verleih: Paramount Pictures Germany

113 Werbung

114 Der Zauberer von Oz: Es ist nirgendwo so schön wie im Kino von Sven Wedekin

Wenn ein Film es schafft, sich so tief in das kollektive Gedächtnis der Popkultur einzugraben, dass sogar Menschen, die ihn nie gesehen haben, die bekanntesten Dialoge aus ihm zitieren können, spätestens dann kann man dieses Werk getrost als Meilenstein der Filmgeschichte bezeichnen.

»Ich glaube, wir sind nicht mehr in Kansas« oder »Es ist nirgendwo so schön wie zuhause«, das sind Sätze, die wohl die meisten schon irgendwo einmal gehört haben.

Ob in Star Trek, Avatar – Aufbruch nach Pandora, in Twister oder bei Die Simpsons, sowohl in diesen als auch in unzähligen anderen Kinofilmen, TV-Serien und auch Computerspielen gibt es mehr oder weniger versteckte Anspielungen auf das Fantasy-Märchen zu entdecken.

Auch in der Musik und in der Literatur wurde der Streifen, der in diesem Jahr bereits seinen achtzigsten Geburtstag feiert, schon verewigt. Elton Johns Hit Goodbye Yellow Brick Road zum Beispiel bezieht sich auf den gelb gepflasterten Weg, der die junge Dorothy Gale (Judy Garland) zu der

115 Smaragdenstadt führt, in der der titelgebende Zauberer residiert, der sie wieder zurück ins heimatliche Kansas bringen soll. Auch Stephen Kings Der Dunkle Turm-Zyklus bezieht sich, vor allem im vierten Band, sehr stark auf Victor Flemings Überklassiker.

Worum geht es da noch mal?

Der geneigte Leser kennt die Handlung des Films sicher bereits, weswegen sie hier nur noch einmal in aller Kürze wiedergegeben werden soll: Gale führt auf der Farm ihrer Tante in Kansas ein einfaches aber auch recht langweiliges Leben. Eines Tages wird das Haus von einem schweren Tornado mitsamt Gale und ihren Hund Toto in das magische Zauberland Oz geschleudert. Zufälligerweise landet das Haus genau auf der bösen Hexe des Ostens, die dadurch getötet wird. Deren Schwester, die nicht minder böse Hexe des Westens, schwört daraufhin Rache.

Doch glücklicherweise hat auch das Gute in Oz seinen Platz, verkörpert durch die gute Fee des Nordens, die Gale den Weg in die Smaragdenstadt weist. Auf ihrer Reise dorthin trifft sie auf eine Vogelscheuche, die sich ein Hirn wünscht, auf den Zinnmann, dem ein Herz fehlt und den ängstlichen Löwen, der unbedingt mehr Mut haben möchte. Doch als das ungewöhnliche Quartett endlich sein Ziel erreicht, wartet dort eine böse Überraschung, die Gales Hoffnung, je

116 wieder zurück nach Hause zu kommen, zunichtezumachen droht ...

Ein vielschichtiges Märchen

Da es keine besonders komplexe Story ist, mit der Der Zauberer von Oz zu punkten weiß, stellt sich die Frage, warum ausgerechnet dieses Werk es geschafft hat, sich aus der Masse der Fantasy-Produktionen hervorzuheben und zu einer Legende zu werden.

Das zu beantworten, ist nicht ganz leicht, denn es gibt sicher mehr als nur eine Erklärung. Vielleicht ist es das Beste, von vorn zu beginnen.

Gleich zu Beginn des Films, der an dieser Stelle noch komplett in Schwarz-Weiß gehalten ist, singt Gale ihren Evergreen Over the Rainbow. Dieses Lied, das auf unschuldige Weise die Sehnsucht der jugendlichen Protagonistin nach einem Leben jenseits ihres tristen Daseins auf der Farm ausdrückt, spiegelte einst perfekt die Gefühle jüngerer Zuschauer wieder, die ebenfalls davon träumten, aus der bürgerlichen Tristesse auszubrechen, ohne dabei jedoch übertrieben schwermütig zu wirken.

In starkem Kontrast zu den Sepiatönen zu Beginn des Streifens stehen die in farbenprächtigem Technicolor erstrahlenden Szenen in Oz. Trotz der enormen Künstlichkeit, die diese komplett im Studio errichtete Welt 117 ausstrahlt, wirkt sie absolut liebenswert. Dies gilt natürlich auch und vor allem für ihre Bewohner, die kleinwüchsigen Munchkins, die Hexen, die Feen und natürlich für Gales skurrile Gefährten. Aber auch die böse Hexe des Ostens hat sich als ikonischer weiblicher Bösewicht einen besonderen Platz in der Filmgeschichte gesichert.

Von all dem abgesehen wartet Der Zauberer von Oz aber auch mit einem gesellschaftskritischen Aspekt auf, der oft übersehen wird: Um nach Hause zu kommen, vertraut Gale zunächst auf eine höhere, fast schon gottähnliche Autorität, die angeblich die Macht besitzt, sie zurück in ihre Heimat zu bringen. Doch es ist ausgerechnet ihr kleiner Hund Toto, der die Wahrheit im wahrsten Sinne des Wortes enthüllt, nämlich, dass dieser scheinbar so mächtige Zauberer bloß ein Schausteller ist, der nur vorgibt, der Herrscher über Oz zu sein und den es ebenfalls nur durch Zufall in dieses Land verschlagen hat. Gale verzweifelt daraufhin, da sie nun glaubt, nie wieder heimgehen zu können. Doch die gute Fee des Nordens macht ihr bewusst, dass die Macht, Oz zu verlassen, in Wirklichkeit die ganze Zeit in ihr selbst gewesen ist.

Der Film macht auf diese Weise deutlich, wie gefährlich es sein kann, sich blind auf scheinbar höherstehende Autoritäten zu verlassen und zu vergessen, wie wichtig es ist, sich selbst zu helfen. Bevor Gale die Wahrheit über ihren vermeintlichen Helfer erfährt, trägt dieser ihr etwa auf, zusammen mit ihren Freunden in die Festung der bösen 118 Hexe des Ostens einzudringen, wobei sie beinahe von dieser getötet wird.

Erst als es fast schon zu spät ist, erkennt Gale, dass die Macht, zurück nach Kansas zu gelangen, stets in ihrer Hand gelegen ist, da nur sie allein weiß, was ihr sehnlichster Wunsch ist. Dieser wird sich nämlich erfüllen, wenn sie ganz fest daran denkt, während sie die Hacken ihrer magischen roten Schuhe – die sie von der guten Fee des Nordens bekommen hat – dreimal zusammenschlägt. So ist Gales Reise durch Oz auch eine Metapher für eine Reise zu sich selbst. Sie erkennt, dass ihre Heimat der Ort ist, zu dem sie gehört, trotz aller dort herrschenden Langeweile, über die sie sich zuvor so beklagt hat.

Der Film lehrt den Zuschauer, dass man nur allzu schnell vergisst, was man an dem Ort, an dem man aufgewachsen ist und den Menschen, die man liebt, hat, wenn man sich woanders hin wünscht, wo scheinbar alles besser ist. Es ist nicht nötig, sich von vermeintlich höheren Mächten Erlösung von einem unvollkommenen Leben zu wünschen, wenn man sich bewusst ist, dass auch eine märchenhafte Zauberwelt ihre Schattenseiten haben kann.

Der Glanz der alten Zeit

Abgesehen von diesen philosophischen Deutungen liegt die besondere Magie des Films vor allem darin begründet, dass er – ganz ähnlich wie der im selben Jahr ebenfalls von 119 Fleming inszenierte Vom Winde verweht – den Glanz des alten Hollywood versprüht. Von einer Zeit, als Kinofilme noch eine besondere Attraktion darstellten, die das Publikum in andere Zeiten und Welten entführten, die sie von ihrem Alltag ablenkten. In der heutigen Zeit wird der geneigte Filmfreund ja schon fast erschlagen von ausufernden CGI-Spektakeln. Durch die Übersättigung in Form von Fantasy- und Science-Fiction-Produktionen sind Welten jenseits der Realität im Grunde nichts Außergewöhnliches mehr. Vielmehr gehören sie zum normalen Repertoire von Hollywoods Entertainment-Industrie.

Wer diese Perle aus dem goldenen Zeitalter der amerikanischen Filmindustrie wiederentdeckt, wird sich vielleicht an die Zeit erinnert fühlen, als der Kinobesuch noch ein besonderes Erlebnis war, das einen dazu inspiriert hat, sich fest vorzunehmen, ein besserer Mensch zu werden …

Nightflyers: Aller Kritik zum Trotz von Lieven L. Litaer

Haben Sie schon mal etwas von Nightflyers gehört? Hat man Ihnen auch gesagt, man solle sich dieses Machwerk auf keinen Fall anschauen? Wissen Sie was? Die Leute haben verdammt nochmal Recht. 120 Ich erkläre Ihnen, warum die Serie dennoch sehenswert ist. Dieses Mal agiere ich dabei selbstredend nicht in meiner Rolle als Klingonischlehrer, sondern werde meinen Kommentar als Science-Fiction-Fan äußern. Hierbei betone ich, dass dies nur meine eigene Meinung ist und mir schon bewusst ist, dass ich manchmal etwas ungewöhnliche Ansichten habe. Aber wie das bei Filmen und Serien immer so ist, kann manchmal der am meisten hochgelobte Film ein totaler Reinfall sein, und die Serie mit den schlechtesten Einschaltquoten entwickelt sich zu einer Kultproduktion, die nach fünfzig Jahren sechs Spin-offs und dreizehn Kinofilme hervorbringt. Sie wissen, was ich meine.

Zum heutigen Thema. Auf meiner unaufhörlichen Suche nach neuen Science-Fiction-Serien bin ich eher durch Zufall auf Nightflyers gestoßen, die im Februar 2019 bei Netflix veröffentlicht wurde. Vorausschicken muss ich, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch nie von dieser Produktion gehört und weder das Buch gelesen, noch die Verfilmung von 1987 gesehen hatte. Einzig der Autor George R. R. Martin war mir namentlich bekannt, und das, obwohl ich zu dem einen Prozent der Bevölkerung gehöre, die nie auch nur eine einzige Folge von Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer gesehen hat.

Die Geschichte

121 Ohne viel zu spoilern ist die Handlung von Nightflyers leicht in einen Satz zusammenzufassen: Das Raumschiff Nightflyer verlässt die Erde, um eine außerirdische Rasse zu kontaktieren, und dann läuft irgendwie alles schief.

Was ich zu Beginn der Serie noch nicht wusste, ist, dass diese Serie in die Kategorie Horror/Science-Fiction gehört und definitiv nichts für zarte Gemüter ist. Schon in der ersten Folge erhält man eine Vorschau auf den Abschluss der Serie, inklusive einem Axt-schwingenden Psychopathen und sehr viel Blut. Diese Szene deutet schon die Grundstimmung der Serie an, aber es wird noch viel schlimmer.

Eine wichtige Hauptperson in der Produktion ist ein junger Mann, der derart starke telepathische Fähigkeiten hat, dass er in einen besonders abgeschirmten Raum eingesperrt werden muss. Anscheinend ist er der Einzige, der aufgrund seiner Fähigkeiten mit den Außerirdischen kommunizieren kann. Der Nebeneffekt seiner Gabe ist, dass er die Alpträume der Crew miterlebt, diese gleichzeitig aber auch auf andere projizieren kann. Es folgt eine Anhäufung der gruseligsten Horrorszenen, bei denen man irgendwann nicht mehr durchblickt, was Realität ist und was nicht. Die Crew hat das Gefühl, durchzudrehen, und die verschiedenen Verdächtigungen und Beschuldigungen in alle Richtungen steigern sich zu einer Paranoia, die sich zuletzt als absolut berechtigt herausstellt, da viele der Hauptcharaktere nicht die sind, die sie vorgeben zu sein. 122 So tritt der Captain in den ersten Folgen immer nur als holographische Projektion in Erscheinung, und an jeder Ecke sieht man Überwachungskameras, ohne dass man genau weiß, wer diese bedient. Paranoia bereits vorprogrammiert. Nur als Warnung: Die Serie ist äußerst langatmig und animiert dazu, gelegentlich aufs Handy zu schauen oder sich sonst irgendwie abzulenken. Man muss gerade am Anfang ein wenig Geduld mitbringen. Die langsame Erzählstruktur bietet viele ruhige Momente, die im Vergleich mit der heutigen schnelllebigen Science-Fiction-Action eher störend wirken. Aber wenn man sich daran gewöhnt hat und diese Bilder einfach mal wirken lässt, die stellenweise fast schon wie eine Gemälde wirken, mit Liebe zum Detail, die gerne dunkle Szenen mit hellen Farben mischen und dabei stellenweise mit symmetrischen Bildkompositionen protzen, die dem Ganzen eine besonderen Flair verleihen … Dann bekommt man das Verlangen, weiterzuschauen.

Man erwartet ja auch schon sehnsüchtig die Splatter-Szene, die man in der Vorschau gesehen hat, und es entwickelt sich die Geschichte in eine unerwartete Richtung, deren Ende man gerne erfahren möchte.

Durch den aktuellen Trend des Fernsehverhaltens mittels Streaming-Diensten hat sich auch die Erzählweise in Serien geändert. So kann man Nightflyers nicht mehr als eine Reihe von einzelnen Geschichten sehen, sondern es geht um das Gesamtwerk. Die zehn Episoden, aus der die erste und 123 einzige Staffel besteht, erzählen eine Geschichte, die von Anfang bis Ende einen Bogen spannt, aus einzelnen Kapiteln, die stellenweise auch nicht so wichtig sind.

Nachdem man aber den langsamen Einstieg in die Handlung überstanden hat, findet plötzlich ein zeitlicher Sprung statt. Eine kurze Einblendung zeigt an, dass die folgenden Handlungen acht Monate später stattfinden, und zwar zu dem Zeitpunkt, der in der ersten Folge als Vorschau gezeigt wurde.

Alle Figuren haben sich nun deutlich weiterentwickelt. Es sind unerwartete Freundschaften entstanden, und alles wirkt nicht mehr ganz so bedrohlich. Die angepasste Darstellung der Crew sorgt dafür, dass man sich viel mehr mit ihr verbunden fühlt und ein Gefühl der Vertrautheit entstanden ist. Man sieht nicht mehr irgendwelche fremde Figuren, die nur auf dem Schiff herumlaufen, sondern man fühlt mit ihnen mit und begleitet sie auf ihrer Mission durch den Weltraum. Von Folge zu Folge kommt man dem Ziel näher und fiebert mit, will die Probleme und Umstände der Bewohner der Nightflyer erleben.

Die Entwicklung der Charaktere erfolgt sehr langsam, es bietet sich aber zu fast jeder Figur ein interessanter Wendepunkt. Während am Anfang die einen sich verbünden und eine Hauptfigur verdächtigen, ist es genau diese, die zum Schluss zu einer interessanten und wichtigen Person in der Geschichte wird. Gleichzeitig werden genau 124 jene angeblich normalen, zurückhaltenden Leute später zu besessenen, skrupellosen Wissenschaftlern, die sich blind vor Motivation ins Verderben stürzen.

Zusammenfassung

Nightflyers ist meines Erachtens ein kultverdächtiges Meisterwerk, dessen Niveau ein nicht wahrnehmbares Level erreicht. Das ist vielleicht auch die Botschaft dieser Serie, die Bereiche in der Psyche aufzeigen will, die für das menschliche Auge überhaupt nicht zu erfassen sind. Von klaustrophobischen Szenen und klassischen Gruseleffekten wie flackernder Deckenbeleuchtung bietet Nightflyers jede Alptraumszene, die man sich in Kombination mit einem Science-Fiction-Film vorstellen kann, inklusive Explosionen und Szenen in der Schwerelosigkeit. Die Produktion stellt eine Mischung von verstörenden Bildern dar, die an surrealistische Gemälde erinnern. Von zerstörten Körperteilen, wie man sie zuletzt nur in Filmen aus der Saw-Reihe gesehen hat, bis hin zu spannenden Gruselelementen, die in die Abgründe der menschlichen Psyche eintauchen, und die in ihrer Darstellung so überzeugend sind, dass sie dafür keiner Bilder bedürfen, sondern einfach nur durch die Wortwahl und die Hintergrundmusik die spannende und gruselige Grundstimmung erzeugen. Die Darstellung der ekligen, verstörenden Szenen sind zudem so zurückhaltend gestaltet, dass man nicht das Gefühl hat, mit billigen Effekten aus Splatterfilmen überhäuft zu werden. 125 Die Serie kann man sehr gut als das genaue Gegenteil von Star Trek beschreiben: Alle streiten miteinander, man kann niemandem vertrauen, die Menschen sterben reihenweise, die düstere Ausstattung des Schiffes erinnert eher an einen Gefangenentransporter als an ein Raumschiff. Und das Ende der Staffel bietet nicht wirklich für irgendjemanden ein Happy End, sondern erinnert eher an Splatter aus den Achtzigern. Es ist einfach nur eklig, widerlich, verstörend, psychopathisch, einfach total krank. Mit Science-Fiction hat es nicht wirklich viel zu tun.

Wer aber auf richtigen Horror dieser Art steht, der wird diese Serie lieben.

Auch wenn die Gesamtbewertung von Nightflyers auf diversen Internet-Portalen sehr zurückhaltend bis hin zu negativ ausfällt, bin ich persönlich der Meinung, dass dieses Stück eine interessante wenn auch ungewöhnliche Geschichte darstellt und als Gesamtes betrachtet werden sollte. Wäre sie nur ein wenig schneller erzählt und mit ein wenig mehr Handlung gefüllt, hätte dies zu einer Kult-Serie werden können. Das Potential ist definitiv vorhandea, aber wegen ihrer düsteren Art ist die Reihe nicht für die breite Masse geeignet. Es ist gut nachvollziehbar, warum diese Serie nach der ersten Staffel nicht mehr fortgeführt wurde. So etwas will einfach niemand sehen, und die Einschaltquoten haben bestimmt nicht die Erwartungen erfüllt. 126 Am Ende der Staffel hat man sich mit der Crew aber irgendwie angefreundet, und ich persönlich hätte mir auch eine weitere Staffel angesehen. Es war einfach mal etwas anderes als das, was man in der aktuellen Flut von Science-Fiction-Serien geboten bekommt, die insgesamt dazu tendieren, sich inhaltlich zu ähnlich zu sein und damit gegenseitig miteinander zu konkurrieren.

Die (fast) vergessenen Klassiker aus dem Silver Age des phantastischen Fernsehens: Teil 1: Die 1980er-Jahre von Thorsten Walch & Reinhard Prahl

Für die jüngere Generation der Fans phantastischer Fernsehserien mag es wie ein Märchen aus vergangenen Welten klingen: Es gab einmal eine Zeit, in der Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime und deren staffelweisen Veröffentlichungen von Reihen wie The Expanse oder Altered Carbon – Das Unsterblichkeitsprogramm utopische Träume waren. Eine Zeit, in der man auf die deutsche Erstausstrahlung von damals brandneuen phantastischen Serien geduldig warten musste, es sei denn, man hatte Kontakte nach Übersee, zu Leuten, die einem die Episoden auf Video aufzeichneten und zuschickten. Aus heutiger Sicht noch unglaublicher war, 127 dass diese »brandneuen« Serien tatsächlich oft genug erst Jahre nach der eigentlichen Erstveröffentlichung und dann auch nur gekürzt im deutschen Fernsehen liefen. Vorab-Veröffentlichungen von Serienepisoden als Verleih-Videos waren so etwas wie der primitive Vorläufer heutiger Möglichkeiten. Diese mussten umständlich in teils sperrige schachtelartige Geräte namens »Videorekorder« gesteckt werden, und mit viel Glück ersparte man sich den allseits gefürchteten Bandsalat.

Und nein, liebe Jung-Fans, Dinosaurier und blechgewandete Ritter gab es bereits in dieser sagenumwobenen Zeit keine mehr, die man heute mitunter etwas verklärt die 1980er- und 1990er-Jahre nennt. Dafür stürmten Thomas Anders und Dieter Bohlen als Modern Talking die Hitlisten, und die Star Wars-Saga bestand aus lediglich drei Filmen und zwei Ewok-Abenteuern. Trotzdem war es eine spannende Zeit für die Nerds und Geeks der damaligen Zeit – freilich gab es auch diese Bezeichnungen da noch nicht. Auch feierte man als Fan seine Leidenschaft noch nicht in aller Öffentlichkeit, schon gar nicht wagte man, sich im Cosplay auf der Straße blicken zu lassen.

Das silberne Zeitalter des phantastischen Fernsehens

Bereits in einem Artikel in der vorangegangenen Ausgabe des Corona Magazine war in einem Artikel vom »Silbernen Zeitalter des phantastischen Fernsehens« die Rede. Dieses nahm seinen Anfang in besagten 1980er-Jahren, und es 128 folgte mehr oder weniger unmittelbar dem »Goldenen Zeitalter« der 1960er- und 1970er-Jahre. In selbigem kamen viele der bis heute als Klassiker geltenden TV-Perlen zu Ruhm, allen voran natürlich die klassische Star Trek-Originalserie Raumschiff Enterprise sowie deren Epigone Mondbasis Alpha 1, Irwin Allens Verschollen zwischen fremden Welten, Time Tunnel oder Der 6-Millionen-Dollar-Mann mit dem späteren »Colt Seavers«-Darsteller Lee Majors.

Vergessen werden darf an dieser Stelle auch nicht der mutige Vorstoß der Bavaria Filmstudios in ferne Welten. Raumpatrouille Orion feierte als erste und bis heute einzige echte deutsche Space-Opera-Serie am 17. September 1966 ihre Erstausstrahlung in der ARD.

Den Autoren dieses Artikels fielen sicherlich noch viele weitere Perlen ein, doch sollen die genannten Beispiele an dieser Stelle genügen. Die meisten dieser Serien genießen bis heute völlig zurecht nostalgischen Kultstatus bei vielen Fans.

Leider hatte ein Großteil der Serien aus dem sich anschließenden »Silver Age« weniger Glück. Zwar waren einige von ihnen in ihrer Zeit durchaus erfolgreich, gerieten jedoch im Zuge des immer größer werdenden Serien-Angebots ab den 1990er-Jahren zunehmend in Vergessenheit und haben heute nur noch eher kleine,

129 eingeschworene Fan-Gemeinden. Genau sie sind es, um die es in diesem Artikel gehen soll. Den Anfang macht …

V – Die außerirdischen Besucher kommen

Eines schönen Tages taucht eine Flotte riesiger, grob untertassenförmiger Raumschiffe über so gut wie allen Städten der Welt der 1980er-Jahre auf. Die diesen entsteigenden Außerirdischen sehen aus wie Menschen und erklären ihre friedlichen Absichten. Die Alien-Repräsentanten Diana (Jane Badler) und John (Richard Herd) bitten die Menschheit um große Mengen von für sie nutzlosen Chemikalien, die die Aliens benötigen, um ihren sterbenden Heimatplaneten zu retten. Dafür bieten sie der Menschheit an, ihre Technologie mit ihr zu teilen. Schnell kommt es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit, in deren Verlauf unter anderem jungen Menschen in speziellen Programmen die Möglichkeit geboten wird, Piloten der Raumschiff-Shuttles zu werden.

Doch eine Gruppe misstrauischer Menschen, darunter der Fernsehjournalist Mike Donovan (Marc Singer), die Ärztin Dr. Juliet Parrish (Faye Grant) sowie der Wissenschaftler Dr. Robert Maxwell (Michael Durrell) und seine Tochter Robin (Blair Tefkin), entdecken durch Zufall die wahre Natur und vor allem die Absichten der außerirdischen Besucher. Bei diesen handelt es sich in Wirklichkeit um mörderische maskierte Reptilienwesen, die lebendige Nahrung benötigen und die Menschen wohl auch aus diesem Grund versklaven 130 wollen. Die Erkenntnis kommt leider zu spät, denn die Außerirdischen haben mit der Errichtung eines weltweiten diktatorischen Regimes begonnen, dem sich Donovan, Parrish und eine Reihe weiterer Mitstreiter als Rebellen entgegenstellen ...

V – Die außerirdischen Besucher kommen war in den USA 1983 und 1984 zunächst als Mini-Serie mit fünf je anderthalbstündigen Folgen gelaufen. Erdacht hatte die Serie der Fernsehmacher Kenneth Johnson, der als Drehbuchautor bei Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann und der Nachfolgeserie Die Sieben-Millionen-Dollar-Frau sowie der Marvel-Comic-Adaption Der unglaubliche Hulk einiges an Genre-Renommee erlangt hatte. Da die Mini-Serie ein ansehnlicher Erfolg in den USA war (unter anderem schlug sich eine Folge recht wacker in direkter Konkurrenz zu einem Cliffhanger der Serie Dallas), ließ man zwischen 1984 und 1985 eine aus 19 Episoden mit je 45 Minuten Länge bestehende reguläre Serie folgen, mit dem späteren deutschen Titel V – Die außerirdischen Besucher kommen zurück. Die erwies sich jedoch als Flop.

In Deutschland wurde zunächst der Fünfteiler V – Die außerirdischen Besucher kommen zu einem Hit des damals noch neuartigen Mediums der Video-Premiere. Am 26. Juni 1986 veröffentlichte Warner Home Video die Serie auf drei Verleihkassetten, die zum absoluten Renner in den Videotheken wurden. Ohne Vorbestellung war es zeitweise quasi unmöglich, in den Genuss von V – Die außerirdischen 131 Besucher kommen zu kommen. Trotz der unbestrittenen Soap-Opera-Machart der Mini-Serie a'la Fackeln im Sturm war V – Die außerirdischen Besucher kommen als mitunter bittere Allegorie zum NS-Regime konzipiert, was unter anderem durch die Figur des Holocaust-Überlebenden Abraham Bernstein (Leonard Cimino) verdeutlicht wurde.

Die TV-Ausstrahlung folgte erst mehr als zwei Jahre nach der Videopremiere ab dem 3. Oktober 1988 bei Sat.1. Hier wurden einige der damals als zu drastisch geltenden Szenen aus Jugendschutzgründen herausgeschnitten. Unter anderem wurde recht deutlich gezeigt, wie die Außerirdischen mit ausgerenkten Kiefern lebendige Meerschweinchen und Ratten verspeisten.

Es erging der Serie hierzulande ähnlich wie in den USA: Die Mini-Serie war sehr erfolgreich, die nachfolgende reguläre Fernsehserie ging eher unter. Dies lag zweifellos auch daran, dass die Serie dem in einer vergleichsweisen Hochglanz-Machart gestalteten Fünfteiler qualitativ hoffnungslos unterlegen war. Bei späteren TV-Ausstrahlungen wurden die Teile der Mini-Serie übrigens zerlegt und zu 45-minütigen Einzelfolgen umgewandelt. Bis heute gibt es immer wieder einmal Wiederholungen auf unterschiedlichen Privat- und Pay-TV-Sendern.

Seit Beginn der 2000er-Jahre wurden sowohl die Mini- als auch die TV-Serie in unterschiedlichen Versionen sowohl getrennt als auch in kompletter Kompilation auf DVD 132 herausgebracht und sind bis heute erhältlich, auch wenn der ganz große Boom von einst natürlich mittlerweile abgeklungen ist. Das Serien-Remake, das von 2009 bis 2011 lief, ab letztgenanntem Jahr auch hierzulande bei ProSieben, und das auf DVD und BluRay veröffentlicht wurde, brachte es zwar auf 22 Episoden, konnte dem Original jedoch weder in Sachen Qualität noch in Sachen Zuschauerzahlen das Wasser reichen. Da half es auch nichts, dass die Schauspieler Badler und Singer aus der Originalserie Gastauftritte hatten.

Insbesondere die fünf Teile der originalen Mini-Serie sind heute, 36 Jahre nach ihrer Entstehung, immer noch gut für ein bis zwei Filmabende bei nostalgischen Alt-Fans.

Krieg der Welten: Neuauflage eines Filmklassikers oder Brutalo-Trash in Serie?

Der Anfang der nächsten Serien-Vorstellung kann ein wenig abgekürzt werden: Anfang 1987 wurde bekannt, dass es mit Star Trek – The Next Generation eine neue Serie aus dem Roddenberry'schen Universum geben würde. Diese wurde bekanntlich höchst erfolgreich, und die Macher bei der TV-Sektion von Paramount Pictures wollten die neue Star Trek-Serie ab deren zweiter Staffel unbedingt im Doppelpack mit einer anderen Produktion anbieten, da doppelt gemoppelt einfach besser hält. Man hielt diesbezüglich die Serien-Adaption eines Filmklassikers aus den 1950er-Jahren für eine grandiose Idee und ging ans 133 Werk. So entstand die Serie Krieg der Welten aus den Jahren 1988 bis 1990.

Besagter Filmklassiker ist der seinerzeit von Paramount Pictures produzierte Streifen Kampf der Welten des Regisseurs Byron Haskin aus dem Jahr 1953, eher lose basierend auf einem Roman des britischen Phantastik-Vorreiters H.G. Wells. Bis heute gilt Kampf der Welten als einer der ersten großen Alien-Invasionsfilme und war mit 2 Millionen US-Dollar Produktionskosten, davon gingen allein 1,4 Millionen für die Spezialeffekte drauf, seinerzeit eine recht teure Angelegenheit. Dafür erhielt er 1954 den »Oscar« für die besten Spezialeffekte und war sehr erfolgreich in den Kinos.

Knappe 35 Jahre später hatte Kampf der Welten noch immer Kultstatus inne und bot sich somit als Vorlage für die weitere Paramount-Science-Fiction-Serie regelrecht an.

Also war am 10. Oktober 1988 die erste Folge von Krieg der Welten im US-Fernsehen zu sehen. Für die deutsche Fassung machte man aus dem »Kampf« den titelgebenden »Krieg«, vermutlich, um das Ganze martialischer klingen zu lassen.

Worum ging es? 35 Jahre nach einem weltweiten UFO-Angriff von Marsianern hat man die Leichen der Aliens in einer geheimen Forschungseinrichtung in Nevada konserviert aufbewahrt. Im Jahre 1988 können sich diese 134 dank der Folgen eines atomaren Terror-Anschlages auf einem nahegelegenen Versuchsgelände regenerieren und die Körper der Terroristen übernehmen. Unter der Leitung ihrer drei Anführer, in der deutschen Fassung wahlweise die »Advokaten« oder die »Mächtigen« genannt, können die reinkarnierten Aliens aus der Forschungseinrichtung entkommen und machen sich daran, ihre einstigen Eroberungspläne wieder aufleben zu lassen.

Wissenschaftler Dr. Harrison Blackwood (Dallas-Cowboy Jared Martin), seine Mitstreiterin Suzanne McCullough (Lynda Mason Green) sowie ab Staffel 2 der toughe John Kincaid (der spätere Fernseh-»Highlander« Adrian Paul) führen eine Gruppe von Widerständlern an, die die finstere Brut von da an jagen. Diese hat dabei mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen und erhält in der zweiten Serienstaffel die Spezies-Bezeichnung »Morthrens«.

Bereits die erste Staffel, die bis 1989 zu sehen gewesen war, hatte sich im damaligen Quotenkampf kaum durchsetzen können. Die wirre und vor allem »SchleFaZ«-würdige Mischung aus V – Die außerirdischen Besucher kommen und Invasion von der Wega bot alles, was Trash bis heute ausmacht: eine nur wenig nachvollziehbare Handlung, reichlich unnötige Brutalitäten, hölzern wirkende Darsteller, die unglaubwürdige Charaktere darstellten und Trickeffekte, die jeder Beschreibung spotteten. Ein Vergleich der Serie mit dem ihr zugrunde liegenden Filmklassiker war schlicht eine Frechheit. 135 Trotz der geschilderten Probleme war man bei Paramount jedoch nach der ersten Staffel noch nicht bereit, die Serie abzusetzen und ließ eine zweite folgen. Diese erhielt den reißerischen Untertitel The Second Invasion und erfuhr einige Neubesetzungen, darunter den genannten Adrian Paul, war jedoch einfach ausgedrückt ansonsten keinen Deut besser. Als die Einschaltquoten weiter fielen, musste man sich endgültig eingestehen, dass man mit Krieg der Welten keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken konnte, jedenfalls nicht außerhalb des Trash-Fandoms.

Doch da die Serie trotz allem Trash-Charakter gar nicht billig zu realisieren gewesen war, entschied man sich in Deutschland zu einer ähnlichen Vermarktungsstrategie wie ein paar Jahre zuvor bei V – Die außerirdischen Besucher kommen. Man schnitt diverse Folgen in (mehr oder weniger) zusammenhängende Filmform zusammen und brachte sie unter den Titeln Krieg der Welten – Die Invasion, Krieg der Welten – Die Offensive und Krieg der Welten – Die Apokalypse jeweils als Videopremiere heraus. Da die Serie wie bereits erwähnt von großteils sinnfreien Brutalitäten und Gewaltdarstellungen nur so strotzte, erhielten die Verleihkassetten eine FSK 18er-Freigabe. Und siehe da ... Zwar kam Krieg der Welten in Sachen Erfolg nicht einmal ansatzweise an V – Die außerirdischen Besucher kommen heran, wurde jedoch mit einer durchaus befriedigenden Quote verliehen und irgendwann später auch verkauft.

136 Im deutschen Fernsehen lief die Serie ab dem 1. Februar 1992 bei ProSieben, natürlich in gekürzter Version.

Ab Dezember 2012 konnte man die insgesamt 23 Folgen von Krieg der Welten dann auch auf zwei DVD-Staffelboxen kaufen, veröffentlicht vom Label Studio Hamburg Enterprises, und ab 2016 als Komplettbox. Doch halt – warum sollte das jemand tun wollen, wenn die Serie doch so trashig und schlecht ist wie beschrieben?

Ganz einfach: In ihrer »Trashigkeit« besitzt die ebenso haarsträubend unlogische wie unfreiwillig komische Produktion bis heute einen gewissen Reiz für Fans der bei weitem nicht immer hochwertigen TV-Science-Fiction aus dem Silbernen Zeitalter des phantastischen Fernsehens.

Ernst nehmen kann man dergleichen nicht, und fasziniert-ergriffen wird wohl auch nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der potentiellen Zuschauer sein. Aber manchmal kann es durchaus spaßig und wohltuend sein, sich dergleichen anzuschauen. Und sei es nur, um die Qualität höherwertiger Unterhaltung gleich mit einem ganz anderen Auge zu betrachten.

Alien Nation – Cop-Show in Alien-Gewand

Als 1988 Alien Nation: Spacecop L.A. mit James Caan (Rollerball) als Matthew Sykes und Mandy Patinkin (Dead Like Me) als Sam (George) Francisco in den Kinos startete, 137 zeigte sich Produzent Kenneth Johnson (bekannt durch die bereits vorgestellte Serie V – Die außerirdischen Besucher kommen) vom Stoff begeistert. Regisseur Graham Baker wollte nach eigenen Aussagen weniger einen Science-Fiction-Film als vielmehr einen Street-Movie abliefern, der Science-Fiction-Elemente enthielt. Dies gelang auch recht gut. Johnson, der in der Ausarbeitung ähnlicher Ideen versiert war (Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann ist beispielsweise eine Agentenserie mit Science-Fiction-Einschlag), hielt sich zunächst an diesen grundlegenden Plan. Er entwickelte innerhalb eines Jahres die Geschichte zu einer Serie weiter, die 1989 ins US-Fernsehen kam. Im Verlauf der ersten und einzigen Staffel hielten allerdings immer mehr phantastische Elemente Einzug.

Herausgekommen ist eine Kombination aus Crime- und Science-Fiction-Show, die wahrlich mehr als nur die 22 Episoden verdient hätte, die ihr zunächst beschieden waren. Der grundlegende Plot des Kinofilms und der Serie bleiben identisch: Im Jahr 1991 landet in der Mohave Wüste ein Raumschiff mit 250.000 Alien-Sklaven an Bord. Sie wissen nicht, woher sie stammen oder wie sie zur Erde gekommen sind. Obwohl zunächst Skepsis und Argwohn herrscht, nimmt die US-Regierung die Außerirdischen auf. Innerhalb kurzer Zeit entsteht in Los Angeles ein neues Ghetto, von vielen Menschen abschätzig »Slagtown« genannt.

138 Die Slags machen sich bei der einfachen Bevölkerung schnell unbeliebt, denn sie verfügen über eine überlegene Stärke und Intelligenz, die es einigen von ihnen ermöglicht, in gute berufliche Positionen aufzusteigen. Diese Tatsache schürt Neid und Missgunst, so sehen sich die Aliens zunehmend Repressalien ausgesetzt.

Der »Newcomer« George Francisco, in der Serie von Eric Piermont verkörpert, beschließt daraufhin, Polizist zu werden. Sein menschlicher Partner, Detective Sykes, nun gespielt von Gary Graham, steht den Slags skeptisch gegenüber, bis er tiefer in Franciscos Welt abtaucht. Gemeinsam begeben sich die beiden Polizisten auf die Jagd nach Verbrechern und kommen dabei einer Verschwörung auf die Spur, die nicht nur die verborgene Herkunft der Außerirdischen ans Licht bringt, sondern auch die Existenz der ehemaligen Herren und Aufseher offenbart.

Es ist noch heute erstaunlich, wie gut es in den 1980er- und 1990er-Jahren gelang, mit relativ wenigen technischen Mitteln eine geradezu unglaubliche Komplexität auf den Bildschirm zu zaubern. Alien Nation von 1989 gehört vielleicht zu den am besten entwickelten Serien, die das Fernsehen jener Tage hervorgebracht hat. Johnson verpasste den kahlköpfigen und gefleckten »Newcomern« eine glaubwürdige Kultur inklusive eigener Sprache mit Klicklauten, ähnlich jener der südafrikanischen Buschleute. Religiosität, etwa die Lehre von »Andarco und Celine«, einem jungen Paar, das es laut Legende wider aller 139 Umstände auf mystische Art und Weise schaffte, die Freiheit zu erlangen, spielt immer wieder eine große Rolle. Ernste Themen wie Rassen- und Fremdenhass werden zudem in einer klugen und nachdenklichen Weise aufgegriffen.

Die einzelnen Episoden sind in sich abgeschlossen und lassen sich durchaus unabhängig voneinander genießen, dennoch erfährt der Zuschauer von Folge zu Folge immer mehr über die Lebensgewohnheiten, Eigenarten, Ängste, Nöte und Geheimnisse der Neuankömmlinge. Zudem führte Johnson wiederkehrende Antagonisten ein, die über manches Mittel verfügen, ihre ehemaligen Sklaven gefügig zu halten. So gibt es etwa eine stark abhängig machende Droge, eine Krankheit, die nur Slags befällt, oder auch ein willenlos machendes Gas.

Selbst an zahlreiche Running Gags, die hauptsächlich auf den kulturellen Unterschieden zwischen »Newcomern« und Menschen beruhten, wurde gedacht. Ein immer wiederkehrendes Thema ist beispielsweise, dass die Aliens keine gekochte Nahrung vertragen und rohes Biberfleisch lieben. Die Wirkung saurer Milch ähnelt der des Alkohols bei Menschen, und Salzwasser wirkt auf die neuen Erdbewohner wie Salzsäure. Für weitere witzige Momente sorgen missverständliche Situationen. So ist ein häufiges Blinzeln der Aliens etwa kein Flirt-Versuch, sondern ein deutliches Anzeichen für eine Erkältung. Dank solcher Kniffe verfügt Alien Nation über Spannung und Tiefgang, gepaart

140 mit Witz, und funktioniert auch heute noch hervorragend, ganz ohne aufgezwungene Dysfunktionalität.

Trotz einer relativ erfolgreichen Ausstrahlung in den USA reichten den Verantwortlichen bei Fox Network allerdings wohl die Werbeeinnahmen nicht. Die hauseigene Produktion (erstellt wurde das Projekt von 20th Century Fox Television und Kenneth Johnson Productions) wurde leider nach der ersten Staffel eingestellt.

Bereits drei Jahre später erkannte man jedoch offenbar, dass Alien Nation eine wesentlich größere Fangemeinde hatte als vermutet. Zwischen 1994 und 1997 entstanden noch einmal fünf hochwertige und spannende TV-Filme, die wie auch die Serie selbst bis heute leider nicht in Deutschland auf DVD erhältlich sind.

1994: Alien Nation: Dark Horizon 1995: Alien Nation: Die neue Generation (Body And Soul) 1996: Alien Nation: Millenium 1996: Alien Nation: Der Feind ist unter uns (The Enemy Within) 1997: Alien Nation: Das Udara-Vermächtnis (The Udara Legacy)

Mit Das Udara-Vermächtnis hob man sich das Beste bis zum Schluss auf und führte die in der Serie eröffneten Erzähl-Stränge zu einem befriedigenden Ende.

141 Seit einigen Jahren machen immer wieder Gerüchte einer Neuauflage im Film-Format die Runde. Drehbuchautor Jeff Nichols zeigt sich trotz des kürzlich abgeschlossenen Verkaufs von 20th Century Fox an Disney optimistisch, dass sein geplantes Remake den Weg auf die Bildschirme finden wird.

Die dreibeinigen Herrscher – grandiose SciFi für Junge und Junggebliebene aus dem Vereinigten Königreich

Man schreibt das Jahr 2089, einhundert Jahre, nachdem die Erde von einer außerirdischen Macht erobert worden ist. Um die restlichen Menschen zu kontrollieren, haben die »Meister« die so genannte Weihe eingerichtet: Per Gesetz wird jedem 16-jährigen die als Ritual zelebrierte Implantation einer Schädelkappe aufgezwungen. Die Weihe hat fürchterliche Auswirkungen. Sie nimmt der Menschheit den Mut zur Kreativität. So vegetiert man in einem frühindustriellen Stadium dahin, durch die Implantate dazu verdammt, den »Meistern« auf ewig als Arbeitssklaven zu dienen.

John und Jim Parker sind 15 Jahre alt und möchten dieser »Weihe« unter allen Umständen entgehen. Nachdem ein Freund seine »Kappe« erhalten hat und dadurch lethargisch und willenlos geworden ist, begegnen die beiden Jungen dem Vaganten Ozymandias. Die Vagabunden gelten gemeinhin als schwachsinnig, denn die außerirdischen Kontrollgeräte scheinen bei ihnen keine Wirkung zu 142 entfalten. Doch der seltsame Erwachsene ist alles andere als verrückt, denn er gehört dem Widerstand an, der von den letzten freien Menschen angeführt wird. Seine Aufgabe, junge Kämpfer zu rekrutieren, stößt bei den beiden Jungs auf offene Ohren, und nach einem denkwürdigen Treffen sind sich Jim und John einig: Sie müssen in die Berge Frankreichs fliehen. Dort im Verborgenen leben die Rebellen, die sich verzweifelt gegen die Unterdrücker wehren. Lediglich mit einer Karte, einem Fernglas, einer Uhr und wichtigen Informationen über Hintermänner und Helfershelfer ausgerüstet begeben sich John und Jim auf die gefahrvolle Reise in die Weißen Berge. Unterwegs treffen sie auf den jungen Erfinder Jean-Paul, der sie von nun an begleitet.

Immer auf der Flucht vor den dreibeinigen Herrscher-Maschinen und ihren Häschern kommen die drei jungen Helden ihrem Ziel mit jedem Tag ein wenig näher.

Vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren waren die Briten ein Garant für gute Kinderserien. Dazu gehört die Fantasy-Serie Catweazle (1070) genauso wie die unvergesslichen Fünf Freunde (1978). Abgesehen von Doctor Who, welche Serie bereits seit 1963 lief und ursprünglich als Abenteuer-Lernprogramm für Kinder gedacht war, dürften sich Phantastik-Fans besonders an Die dreibeinigen Herrscher erinnern. Die Serie basiert auf der Romantrilogie The Tripods von John Christopher und wurde,

143 wie der Schriftsteller in einem Interview einst freimütig erzählte, von H. G. Wells Kampf der Welten inspiriert.

Trotz des großen internationalen Erfolgs wurden leider nur zwei von drei geplanten Staffeln realisiert, da der BBC die Produktionskosten zu hoch erschienen. Das lag zum Teil an den damals immens teuren Spezialeffekten. Bereits in der ersten der 13 Episoden von Staffel 1 sieht man einen der riesenhaften dreibeinigen Stahlgiganten durch den Wald stapfen. An einem See wird zudem ein Teenager mit Stahlklauen gepackt und in die mächtige Maschine hineingezogen. Was sich heute wie ein leicht am Computer zu programmierender Effekt anhört, bedurfte 1984 eines großen Aufwands.

Die dreibeinigen Herrscher gilt als erste Kinderserie überhaupt, die auf digitale Bildbearbeitung setzte. Zur Realisierung verwendete man eine DP0 100 Digital Paintbox, von der es seinerzeit in ganz England nur zwei Stück gab. Eigentlich erstellte man mit diesem Gerät Wetterkarten, die der Sender dann den ganzen Tag über im Fernsehen präsentierte. Die Visual-Effects-Spezialisten mussten sich daher frühmorgens die Box borgen, damit diese rechtzeitig den Kollegen der Nachrichtensendung wieder zur Verfügung stand.

Die Präsentation von digitalem Bildmaterial in Filmen steckte Mitte der 1980er-Jahren quasi noch in den Kindeschuhen, auf dem Gebiet des Kinderfernsehens kann 144 sie filmgeschichtlich betrachtet durchaus als revolutionär und überaus teuer bezeichnet werden. Daher einigte man sich auch schnell darauf, lediglich 60 Sekunden der begehrten Special Effects pro Folge zu zeigen, von denen zunächst 13 Stück produziert wurden.

Der große Erfolg animierte die BBC, zumindest eine zweite Staffel mit noch einmal 12 weiteren Episoden hinterherzuschieben. Diese entfernten sich zwar weiter vom Ursprungswerk, doch bis heute bietet die Serie überaus spannende und fast zeitlose Kinder- und Jugendunterhaltung.

Die Produktion der dritten und letzten Staffel der Trilogie wurde dann wie erwähnt leider ausgesetzt. Trotz guter Kritiken und Verkäufe rentierte sich Die dreibeinigen Herrscher nicht für den produzierenden Muttersender BBC. Damit ereilte die Produktion dasselbe Schicksal, wie es bereits 14 Jahre zuvor der kauzige Druide Catweazle erlitten hatte.

Damals ahnte sicherlich noch niemand der Verantwortlichen, dass man auch dieses Mal einen Fehler beging. Man ließ den Kultstatus außer Acht, der bisweilen bei guten TV-Produktionen zu einem Selbstläufer werden kann. So hält sich bis heute eine hartnäckige – und gar nicht mal kleine – Fangemeinde, die sogar ein kleines Wikipedia mit 129 Einträgen hervorbrachte und letztlich Koch Media veranlasste, eine wundervolle DVD-Box herauszubringen, 145 die den dritten Teil der Geschichte immerhin als Hörbuch enthält. Rund 25 Minuten an Specials mit interessanten Informationen runden die Zusammenstellung ab.

Wie so oft bei Kinderserien wurden die jungen Stars der Serie übrigens bald vergessen. John Shackley (Will Parker) trat nur noch einmal als Schauspieler in Erscheinung, nämlich 1988 in Billy‘ s Christmas Angels. 1994 beendete er seine Karriere. Jim Baker (Henry Parker) war vor 1985 bereits in einigen Produktionen zu sehen gewesen. Die dreibeinigen Herrscher sollte seine letzte Arbeit werden, die ihn aber heute noch mit Stolz erfüllt, wie man seiner interessanten Webseite entnehmen kann, die für Fans tolles Material hinter den Kulissen enthält.

Auch für Cari Seel sollte seine Rolle als Jean-Paul »Beanpole« Deliet die letzte sein. 2002 schockte die Nachricht, dass Seel angeblich tot sei. Dieses Gerücht hielt sich über zwei Jahre, bis sich der Brite schließlich bei seinem ehemaligen Kollegen Baker meldete. Heute lebt der gebürtige Waliser als Lehrer in London.

Doch auch, wenn allen drei Hauptdarstellern keine große Schauspielkarriere beschieden war: Für die Fans bleiben sie immer die drei Jungs aus einer großartigen Jugend-Science-Fiction-Serie, die es auch heute noch vermag, junge und junggebliebene Zuschauer mit auf die Reise in ein wahrhaft phantastisches Abenteuer zu nehmen.

146 Im nächsten Corona Magazine

In der nächsten Ausgabe können Sie wieder etwas zu den (fast) vergessenen Klassikern aus dem »Silver Age« des phantastischen Fernsehens nachlesen. In Teil 2 dieser Reihe wird es um die 1990er-Jahre gehen.

Der neuseeländische Regisseur Christian Rivers hat Philip Reeves Steampunk-Roman Mortal Engines verfilmt – jetzt auf Blu-ray und DVD

von Birgit Schwenger

Der junge Archäologie-Lehrling Tom Natsworthy arbeitet in London im Museum und ist dort stets bemüht, Artefakte 147 und alte Technik aus der Zeit vor der großen Katastrophe, genannt der 60-Minuten-Krieg, zu finden, die die ganze Welt vor 1.000 Jahren in eine wüste Ödnis verwandelt hat. Die Welt wird nun beherrscht von den großen Raubstädten wie London, die als fahrende Festungen Jagd auf kleinere Städte und Handelsposten machen, um deren Ressourcen als Energie für ihren riesigen Antrieb zu nutzen. Als London eine kleine bayerische Bergbaustadt schluckt, kommt die geheimnisvolle maskierte Hester Shaw an Bord, die einen Mordanschlag auf den Leiter der Archäologengilde, Thaddeus Valentine, begeht, dem sie vorwirft, ihre Mutter umgebracht zu haben. Dieser überlebt zwar den Anschlag, aber als Tom merkt, dass Valentine tatsächlich etwas zu verbergen hat, wirft dieser ihn von Bord, so dass Tom sich gemeinsam mit Hester durch das gefährliche Ödland kämpfen muss. Dabei treffen sie auf Feinde wie den Cyborg-Zombie Strike, der Hester töten will, aber auch auf Freunde wie die Aeronautin Anna Fang, die der Anti-Traktion-Liga angehört. Diese versucht, geschützt hinter einer großen Mauer in Shan Guo, dem früheren Asien, eine neue friedliche Welt aufzubauen. Als es Valentine jedoch mit London Kurs auf Shan Guo nimmt, steht das Schicksal der Welt erneut auf dem Spiel.

148 Der neuseeländische Regisseur Christian Rivers hat gemeinsam mit Peter Jackson als Produzent das rasante Science-Fiction-Spektakel Mortal Engines realisiert. Rivers und Jackson, die bereits seit Braindead an zahlreichen Filmen zusammengearbeitet haben, haben diesmal den ersten von vier Romanen der Predator Cities-Reihe von Philip Reeves umgesetzt, basierend auf einem Drehbuch des Herrn der Ringe-Teams Fran Walsh, Philippa Boyen und Peter Jackson. Das Ergebnis ist ein effektgewaltiges visuelles Spektakel, das die Zuschauer in eine faszinierende Welt entführt. Zwar erinnert die Idee der fahrenden Städte an Das wandelnde Schloss von Hayao Miyazaki, in dem ebenfalls Flugschiffe eine Rolle spielen, aber das ist bereits der literarischen Vorlage geschuldet und ist auf jeden Fall im Film eindrucksvoll umgesetzt. Die Effektkünstler von Weta Digital sowie das Art Department und Produktionsdesign haben ganze Arbeit geleistet: Vom riesigen Ungetüm der Raubtierstadt London über das kleine bayerische Bergarbeiterstädtchen bis hin zu Airhaven, einer schwebenden Stadt in den Wolken, und der riesigen Mauer, die Shan Guo schützt, haben sie phantastische Schauplätze

149 geschaffen. Die visuellen Schauwerte überwiegen eindeutig; die Handlung, die manchmal doch recht schnelle Sprünge macht, gerät dabei fast ein wenig ins Hintertreffen. Man wird das Gefühl nicht los, dass einiges an Wissen über die Welt und die Charaktere aus den Büchern vorausgesetzt wird, z. B. was genau es mit Strike, dem letzten der sogenannten Lazarus-Soldaten, auf sich hat. Aber vielleicht ist es auch einfach nur zuviel Stoff für einen einzelnen, wenn auch knapp über zwei Stunden langen, Spielfilm.

Hugo Weaving (Matrix, Der Herr der Ringe) gibt den machthungrigen Valentine, Hera Hilmar als Hester Shaw und Robert Sheehan als Tom die jugendlichen Helden. Um Jihae, die die rebellische Anna Fang spielt, sammelt sich eine bunte Schar an waghalsigen Aeronauten, die den Kampf mit Valentine aufnehmen. Wer einen soliden Science-Fiction-Film erwartet, der visuell eindeutig punkten kann, wird nicht enttäuscht.

150 Rezension: Pokémon - Indigo Liga: eine Saga beginnt von Reinhard Prahl

Der 10-jährige Ash Ketchum hat es geschafft. Endlich erhält er vom Pokémon-Experten Professor Eich sein erstes Pokémon. Doch ausgerechnet an diesem wichtigen Tag verschläft der Junge. So kommt es, wie es kommen muss. Es ist nur noch ein einziges der kampflustigen Tierwesen ohne einen Herrn. So lernt Ash ein äußerst stures Pikachu kennen, das weder in seinen Pokéball schlüpfen möchte noch gewillt ist, seinem neuen Trainer zu gehorchen. Erst als das unfreiwillige Team in einem Wald von einem Rudel Taubsis 151 angegriffen wird, entfaltet Pikachu seine ganze Macht und rettet Ash. Dabei wird das niedliche Wesen jedoch so sehr geschwächt, dass dieser keinen anderen Ausweg sieht, als mit seiner neuen Freundin Misty ein Pokémon-Center aufzusuchen, denn nur dort ist eine Heilung möglich. Doch ausgerechnet hier begegnen die beiden Trainer dem fiesen Team Rocket, einer Verbrecherorganisation, die mit Hilfe der Pokémon die Weltherrschaft an sich reißen will. Wird es den beiden gelingen, sich der Angriffe von Jessie, James und Mauzi zu erwehren?

Als der japanische Spieleentwickler Satoshi Tajiri mit seiner Firma Game Freak am 27. Februar 1996 das Gameboy-Spiel Aka und Midori in seinem Heimatland (Pokémon Rot) herausbrachte, konnte er nicht ahnen, dass er eines der größten Spiele-Franchises der Welt für Nintendo begründen würde. Seit allerdings 1998 die Rote und Blaue Edition für dasselbe Medium in den USA und 1999 in Europa erschien, wurde spätestens klar, dass man hier etwas ganz Großes geschaffen hatte. Die Spieleserie weckte nicht nur den Sammeltrieb, sondern versprach darüber hinaus spannende, rundenbasierte Kämpfe mit Wesen, die sich je nach Erfahrung weiterentwickelten. Das rollenspielartige Konzept war in einem Setting angesetzt, das sowohl starke Urban-Fantasy- als auch Science Fiction-Elemente in sich vereint. Und obwohl Kinder als Hauptfiguren etabliert wurden, schaffte es das Game sehr schnell, eine große Fangemeinde auch erwachsener Spieler auf sich zu vereinen. Bis heute sind insgesamt weit über 100 Spiele für 152 die verschiedensten Nintendo-Plattformen erschienen, die selbstredend auch zahlreiche Remakes und Spin-offs beinhalten.

Am 01.09.1999 startete schließlich in Deutschland auf RTL II die Animeserie Pokémon Indigo Liga, die allerdings weniger auf dem japanischen Original als vielmehr auf der US-amerikanischen Fassung von 4Kids Entertainment beruht. Diese Version weist eine umfassende Zensur auf; so wurden zahlreiche kulturelle Anpassungen und Namensänderungen vorgenommen. Einige Folgen, die man in den USA als zu freizügig einstufte, wurden nie übersetzt und infolgedessen bis heute auch nicht in Europa gezeigt. Dennoch weist die erste Staffel insgesamt 82, rund 22-minütige Episoden auf, die vom 1994 gegründeten japanischen Animationsstudio OLM (Berserk, Mini-Göttinnen) umgesetzt wurden.

Für die Synchronfassung zeichnete bis zur Staffel 17 das Münchener Studio FFF Grupe verantwortlich. Ash Ketchum, der in der japanischen Fassung eigentlich Satoshi (nach dem Spieleerfinder) heißt, wird in den ersten drei Staffeln von Caroline Combrinck (heute unter anderem auch als Synchronsprecherin für Zoe Saldana bekannt) gesprochen. Angela Wiederhut (Twilight-Filmserie als Stimme der Rosalie Hale Darstellerin Nikki Reed) leiht Misty ihre Stimme. Marc Stahl (Ein Engel auf Erden, Sailor Moon, Pokémon-Filmreihe) ist als Rocko zu hören, der als ehemaliger Arenaleiter von

153 Marmoria City ab Folge 5 zum Begleiter der beiden Hauptfiguren werden sollte.

Inzwischen bringt es die Zeichentrickserie auf nicht weniger als 22 Staffeln mit insgesamt 1061 Folgen und 21 Kinofilmen. Da kann man leicht den Überblick verlieren. Umso schöner ist es, dass Studio Hamburg nun endlich wieder von vorne startet und mit der ersten Staffel der bereits erwähnten Indigo-League einen wahren Schatz für Fans erneut auf den Markt bringt. Allerdings gilt es zu beachten, dass sowohl die Staffellänge als auch die Episodennummer und -zahl in Deutschland nicht identisch mit der des Ursprungslandes ist. Die erste Season bezieht sich hierzulande auf die Folgen 1 (Pika-Pikachu) bis 52 (Butch und Cassidy), die eigentlich als Nummer 57 gelistet ist.

Als großer Fan der Spiele freut sich der Autor dieses Artikels ganz besonders über dieses amerikanisierte Anime-Highlight, dass zwar auf den erwachsenen Betrachter bisweilen arg kindlich-naiv wirken mag, aber auch nostalgische Gefühle im Gamer erweckt. Zudem erfreuen sich auch heute noch zahlreiche Kinder, Jugendliche und Erwachsene an dem witzigen und bunten Stil der Zeichnungen. Davon abgesehen bietet das Franchise inzwischen eine nahezu unglaubliche Fülle, die es trotz des bisweilen repetitiven Charakters durchaus zu entdecken lohnt, vor allem, wenn man Kinder hat und informiert sein möchte. 154 Pokémon Indigo Liga (basiert auf den Spielen Edition Rot, Blau und Gelb) ist seit dem 05. April 2019 neu erhältlich und erscheint in einem festen Digi-Pack mit sechs DVDs. Die Datenträger sind hochwertig bedruckt und sicher gelagert. Für Sammler ist der Edition ein Wendecover beigelegt. Leider wurden abgesehen von der englischsprachigen Fassung keinerlei Extras hinzugefügt. Der Preis ist in Anbetracht der ansonsten recht hohen Anschaffungskosten für Animeserien im Allgemeinen mit 36,99€ recht moderat angesetzt.

155 Phantastisches Spielen

Kampf um eine verheerte Erde: Das Brettspiel Tsukuyumi – Full Moon Down von Bastian Ludwig

Der Mond ist auf die Erde gestürzt, hat Unheil und Chaos gebracht und den Drachen Tsukuyumi geweckt, der vor Jahrtausenden im Erdtrabanten eingesperrt worden war. Nun will er die Welt erobern. Die letzten Reste von Mensch und Tier, zum Teil technologisch erweitert oder mutiert, stellen sich ihm in den Weg, kämpfen aber auch gegeneinander um die Vorherrschaft auf dem Planeten.

156 Kurz gesagt: Willkommen beim Spiel Tsukuyumi – Full Moon Down.

Tsukuyumi – Full Moon Down ist ein Werk von Comic-Zeichner Felix Mertikat. Erstmals von sich reden machte dieser mit seinem Comic-Debüt Jakob im Jahr 2010 (zusammen mit Autor Benjamin Schreuder) und der Steampunk-Comic-Reihe Steam Noir (2011-2015, zusammen mit Schreuder und Autorin Verena Klinke). Zu dieser Zeit widmete er sich auch schon der Brettspielentwicklung.

Auf der Spielemesse in Essen 2015 stellte er seinem Erstling SchäferstünDChen vor, ein nettes kleines Spiel für zwei Personen, dem im Jahr darauf das Kartenspiel Alle Mann an Deck folgen sollte.

Parallel dazu gründete Mertikat den Verlag King Racoon Games, um sich an sein nächstes, ungleich größeres Projekt zu machen, das nach einer immens erfolgreichen Kickstarter-Kampagne im Sommer 2018 erschien.

Das Ergebnis ist Tsukuyumi, ein asymmetrisches Strategiespiel vor postapokalyptischer Science-Fantasy-Kulisse, in dem verschiedene Fraktionen um die Vorherrschaft auf einer nach einem Kataklysmus verheerten Erde kämpfen. Die Eckpunkte der Mechanik sind damit gesetzt: Man bringt Einheiten ins Spiel, bewegt sie über eine für jede Partie aus Hexfeldern zusammengestellte Karte, nutzt Sonderfertigkeiten und Ereigniskarten, kämpft 157 und erobert. Das Ziel sind Siegpunkte, die man vor allem am Spielende für eroberte Gebiete bekommt, die man aber auch durch erfolgreich absolvierte Missionen sammeln kann.

Die Regeln sind dabei nicht allzu schwer zu erlernen. Vor jeder Runde wählt jeder Spieler eine sogenannte Aktionskarte aus, die in unterschiedlicher Kombination und aufgeteilt in bis zu vier Phasen Aktionen wie Bewegung, Angriff, Produktion oder den Einsatz von Ereigniskarten ermöglicht. Anschließend werden die Aktionskarten Phase für Phase reihum abgearbeitet. Das ist eingängig und in den Grundzügen recht schnell zu verstehen, auch weil es sich in genretypischen Bahnen bewegt.

Die verlässt Tsukuyumi hier und da aber auch mal gerne. Von der Vorstellung, in ein Gebiet zu gehen, alle gegnerischen Einheiten zu erledigen und das Gebiet damit eingenommen zu haben, muss man sich beispielsweise verabschieden, denn hier sind Gebietseroberung und die Vernichtung des Gegners fast komplett voneinander entkoppelt. Das ist vielleicht im ersten Moment etwas wenig intuitiv, verändert aber das Spielgefühl merklich und führt zu ganz neuen Strategien, weil nicht jede Eroberung automatisch eine schwerwiegende, weil mit großen Opfern für den Gegner verbundene Aggression darstellt.

158 Sechs Fraktionen kämpfen um die Vorherrschaft auf der verheerten Erde

Das alles würde theoretisch schon ein rundes, angemessen vielschichtiges Strategiespiel ergeben. Hohe Komplexität erlangt Tsukuyumi aber vor allem durch sein am meisten herausstechendes Merkmal: die unterschiedlichen Fraktionen. Davon gibt es fünf plus eine, nämlich die fünf spielbaren Fraktionen namens Cybersamurai, Dark Seed, Kampftruppe 03, Nomads und Boarlords, außerdem noch die Oni, die Armee Tsukuyumis, die von allen Spielern gemeinsam geführt wird. Diese Fraktionen sind vollkommen unterschiedlich bezüglich ihrer Ausstattung und Fähigkeiten, was zu einem sehr individuellen Spielgefühl führt und ganz eigene Strategien fordert.

Da wäre zum Beispiel das Insektenvolk der Dark Seed, das mit Masse und Reproduktionsgeschwindigkeit wie eine Seuche die Karte überrollt, dessen Einheiten aber auch tot umfallen, wenn man sie nur zu stark anhustet.

159 Der Gegenentwurf ist die Kampftruppe 03, die in der Spitze über sage und schreibe fünf Einheiten verfügt, jede davon dafür ein hochgerüsteter Moloch. Während die Dark Seed also durchaus in die Fläche gehen können, hat die Kampftruppe 03 schlicht nicht genug Personal, um ein größeres Territorium längerfristig zu halten. Dafür hat sie aber ihre Waffen, im extremsten Fall sogar eine Atombombe, mit der sie die Gegner in Angst und Schrecken versetzen kann, wobei die Dark Seed aber dank ihrer überall verteilten Eier quer über das Spielbrett Einheiten einsetzen dürfen, wo andere Fraktionen auf bestimmte Spawn-Felder beschränkt sind. Und so weiter und so fort.

Es würde jeden Rahmen sprengen, alle Feinheiten auch nur von zwei, geschweige denn von allen sechs Fraktionen aufzuzählen. Um es deswegen kurz zu halten: Tsukuyumi glänzt durch wahre Asymmetrie.

Die ist ja aber nur etwas wert, wenn sie ihren besten Freund, das Balancing, mit an den Spieltisch bringt. Und auch diesbezüglich haben sich die, wie man mir auf der letztjährigen Spielemesse in Essen erzählte, hunderte von Probespielen während der Entwicklung gelohnt. Die Fraktionen haben unterschiedliche Stärken und Schwächen, haben in einer Phase die Oberhand, müssen in einer anderen dafür zurückstecken, sodass unterm Strich jede Fraktion die Gelegenheit hat, zu punkten, sofern man sie denn richtig ausspielt. Das Zusammenspiel von Asymmetrie 160 und Balance ist es, in dem Tsukuyumi seine volle Stärke entfaltet.

Lasst uns Freunde sein

Treffen sich mehrere Fraktionen, muss es nicht zum Kampf kommen.

Unerwähnt bleiben darf nämlich nicht die Fraktion der Oni, der Schergen von Tsukuyumi höchstselbst. Sie wird von allen Spielern gemeinsam gespielt, wobei jeder Spieler während seines Zuges in den meisten Fällen auch ein oder zwei Aktionen mit den Oni machen muss. So werden die Oni zum weiteren strategischen Faktor und beleben zugleich die Spielwelt und deren Hintergrund, da sie Tsukuyumis Wirken für die Spieler sichtbar machen.

Wichtig war den Machern neben den Fraktionen, so wurde mir in Essen gesagt, den Glücksfaktor im Spiel möglichst

161 gering zu halten. Und tatsächlich: Die Kampfwerte eingesetzter Einheiten liegen jederzeit offen, man kann stets sagen, ob man eine Konfrontation gewinnt oder nicht. Und auch die Konsequenzen eines Kampfes sind vorhersehbar. Nach Angriffen oder Gebietseroberungen dürfen die unterlegenen Fraktionen diese nämlich anhand einer Liste mit maximal fünf Möglichkeiten bestimmen. Diese Liste wählt der Angreifer selbst aus seinen sogenannten Kampfkarten aus. Auch wenn man also nie ganz genau weiß, welche Konsequenz der Gegner wählen wird, kann man doch sehr genau sagen, was man zu erwarten hat.

Blindes Vorstürmen gibt es nicht. Tsukuyumi kann zurecht von sich behaupten, ein waschechtes Strategiespiel zu sein. Vieles, was ich als Vorteil von Tsukuyumi aufgezählt habe, muss sich das Spiel leider durch Nachteile erkaufen. So wunderbar die verschiedenen asymmetrischen Fraktionen sind, sie blähen das Spiel ungemein auf, da man für eine gute Strategie die unterschiedlichen Fähigkeiten aller Fraktionen im Auge behalten und in ihren Wechselwirkungen bedenken muss. Das ist oft knifflig, was bei einem Strategiespiel ja eher ein positives Attribut ist, leider zu häufig aber auch schwer zu überblicken. An vielen Zügen kann man so lange herumtüfteln, dass man nicht unbedingt von der perfekten Lösung gestoppt wird, sondern von den ungeduldig auf die Tischplatte klopfenden Fingernägeln der Mitspieler.

162 Es hilft dabei nicht, dass das Spielfeld gerne mal unübersichtlich wird, wenn dort dutzende Figuren herumstehen und dazu noch Marker, mit denen die Fraktionen die Gebiete im Verlauf des Spiels zupflastern. Und dass man dann von all dem auch noch die Kampfwerte miteinander verrechnen muss.

Aktionskarten (li.) legen Spieler-Aktionen fest, Kampfkarten (re.) die Folgen einer Konfrontation.

Abgemildert würde das, wenn man die Spielzeit der Mitspieler nutzen könnte, um an der eigenen Strategie zu feilen, aber so richtig funktioniert das auch nicht, denn die Vielzahl der Spielelemente sorgt dafür, dass man nie vorhersagen kann, wie genau das Spielfeld aussehen wird, wenn man selbst an der Reihe ist. Zwar kann man sich oft schon eine grobe Strategie zurechtlegen, mit der Feinplanung des eigenen Zuges kann man aber im Grunde erst beginnen, wenn der Vorspieler seinen beendet hat.

163 Lange Wartezeiten gehören bei Tsukuyumi also dazu. Die fallen auch deswegen besonders ins Gewicht, weil man als Spieler, der gerade nicht an der Reihe ist, kaum ins Spielgeschehen involviert ist; hier und da nach einem Kampf eine Konsequenz heraussuchen, ansonsten werden alle Handlungen vom aktiven Spieler übernommen.

Keine Abstriche machen muss man bei der Präsentation. Man merkt Tsukuyumi an jeder Stelle an, dass es mit viel Liebe zum Detail und einem Willen zur Erschaffung einer eigenen Welt entwickelt wurde. Das beginnt bei den vielfältigen Fraktionen, die nicht nur in ihrer Mechanik aufwendig gestaltet sind, sondern auch in ihrem Design, das ihre jeweiligen Eigenarten deutlich erkennen lässt.

Dazu ist die Spielanleitung hervorragend verfasst. Es ist erstaunlich, wie viele Detailfragen, die während des Spiels auftauchen können, darin beantwortet werden – auch hier scheinen sich die Probespiele ausgezahlt zu haben.

Nicht nur in diesen Pflichtdisziplinen besticht Tsukuyumi, sondern auch in der Kür. Kurze Comics und Hintergrundinformationen zu den Fraktionen sorgen dafür, dass diese kein gesichtsloses Kanonenfutter bleiben müssen.

Und das ist nur das, was man in der Spielschachtel findet. Zu kaufen gibt es auch noch einen Comic-Sammelband mit 164 weiteren Kurzgeschichten aus der Welt von Tsukuyumi und ein Artbook. Eine Erweiterung ist ebenfalls erhältlich, und bis 13.04.2019 ist eine neue Kickstarter-Kampagne gelaufen, an deren Ende eine Tsukuyumi-Edition mit Miniaturfiguren stehen soll. King Racoon Games arbeitet also an einem echten kleinen Franchise.

Das Spiel in seiner ganzen Pracht

Ein großer Spieltisch ist Pflicht.

Tsukuyumi – Full Moon Down ist ein komplexes und mit sehr viel Liebe zum Detail entwickeltes Strategiespiel mit hervorragend ausbalancierter Asymmetrie, das sich seine Komplexität mit Unübersichtlichkeit und einem gebremsten Spielfluss erkauft. Ein echter Tipp für alle, die sich gerne tief in ein Spiel hineinfuchsen, gern auch mal ein paar Gedanken mehr in einen Zug investieren und kein Problem mit längeren Wartezeiten haben.

165 Tsukuyumi – Full Moon Down Brettspiel für 3 bis 5 Spieler ab 12 Jahren Felix Mertikat u. a. King Racoon Games 2018 Sprache: Deutsch EAN: 4260445160035 Preis: EUR 77,95

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167 Flotte Weltraumbesiedelung: Eine Rezension des Kartenspiels Race for the Galaxy, 2nd Edition von Amel

Race for the Galaxy ist ein strategisches Kartenspiel, das sich schon längere Zeit größerer Beliebtheit erfreut. Letztes Jahr hat Pegasus Spiele nun die »2nd Edition« herausgebracht und das Spiel damit wieder in deutscher Sprache verfügbar gemacht.

168 In Race for the Galaxy treten zwei bis vier Spieler gegeneinander an, um den Weltraum zu besiedeln. Zu diesem Zweck erhalten sie Karten, die technische Entwicklungen, zu besiedelnde Planeten oder eine spezielle Alien-Technologie darstellen. Soll etwas entwickelt, besiedelt oder »gefunden« werden, wird die Karte ausgespielt, und eine bestimmte Anzahl an Ressourcen muss bezahlt werden. Manche Karten haben »Fähigkeiten«, die ihrerseits eingesetzt werden können, und außerdem bringen sie Siegpunkte.

So weit, so gut. Prinzipiell ist das nichts, was ein Spiel aus der Masse hervorhebt. Es gibt neben einem generell guten Kartendesign, das viele Möglichkeiten eröffnet, jedoch zwei geschickte Kleinigkeiten, die das Werk zu etwas Besonderem machen.

Zum einen sind die Ressourcen selbst auch wieder Handkarten. Man muss also mühsam erwirtschaftete Karten ablegen, um andere ausspielen zu können. Außerdem gibt es fünf verschiedene Phasen im Spiel, die unterschiedlichen Aktionen entsprechen, etwa Besiedeln oder Produzieren. Alle Spieler wählen gleichzeitig aus, welche Aktion sie ausführen wollen. Dazu legen sie verdeckt eine entsprechende Aktionskarte vor sich ab. Wenn alle gewählt haben, werden die Karten umgedreht, und die Aktionen werden in der Reihenfolge der entsprechenden Phasen

169 abgearbeitet. Besiedeln kommt beispielsweise vor dem Produzieren.

Der Witz bei der Sache ist, dass alle Spieler in den jeweiligen Phasen diese Aktion durchführen können, nicht nur der Spieler, der die Aktion gewählt hat. Allerdings werden nur die Phasen abgehandelt, für die überhaupt eine Karte ausgespielt wurde. Entscheidet sich Spieler 1 also dafür, zu produzieren, und Spieler 2 dafür, zu besiedeln, beginnt die Runde mit Phase 2: Besiedeln. Beide Spieler dürfen die entsprechende Aktion durchführen. Phase 3 und 4 werden übersprungen, und erst mit Phase 5 (Produzieren) geht es weiter. Beide Spieler dürfen nun Ressourcen produzieren.

Die Karten sind geschickt und abwechslungsreich designt. Militärische Welten können nur besiedelt werden, wenn eine bestimmte militärische Stärke bereits auf dem Tisch liegt. So genannte »Windfall«-Welten produzieren nur unter bestimmten Bedingungen Ressourcen. Mit Alien-Technologie kann gut gehandelt werden, wodurch der Spieler in der entsprechenden Phase eine Menge Ressourcen (oder später Siegpunkte) bekommen kann, wenn er sie zur Verfügung hat. Dafür wird es natürlich zu Beginn etwas teurer, wenn man entsprechende Karten auslegen will.

Im Test

170 Dieses Wochenende hatte ich nun endlich einmal Zeit, das Spiel selbst auszuprobieren. Die erste Runde hat mich zugegebenermaßen wenig begeistert.

Ich fand das Spiel etwas wirr, und mir war nicht klar, wie ich eine Strategie aufbauen soll, die über ein reines »Ich spiele aus, was ich gerade auf der Hand habe« hinausgeht.

Grund dürften die vielen Karten und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten gewesen sein, über die man erst einmal einen Überblick bekommen muss. Ich bin auch zugegebenermaßen kein geborener Taktikspieler.

Am nächsten Tag hatten wir aber die Gelegenheit für eine zweite Runde, und da konnte ich langsam einen Eindruck davon bekommen, warum sich das Spiel solcher Beliebtheit erfreut, dass es eine 2nd Edition und viele Ableger des Spielprinzips rechtfertigt. Ich denke, mit jeder Runde ergeben sich neue Möglichkeiten und neue Taktiken, und wenn man erst einmal die Karten richtig gut kennt, dürfte man sich immer wieder spannende Schlachten mit seinen Gegenspielern liefern können.

Den Wiederspielwert schätze ich jedenfalls als sehr hoch ein.

Um den Einstieg zu erleichtern, gibt es Startwelten. Das sind Karten, die den Spielern zu Beginn der Runde gegeben werden, anstatt diese zufällig welche ziehen zu lassen. In 171 der neuen Auflage gibt es ein paar neue Startwelten, die bisher nur als Promo in der entsprechenden App zu finden waren.

Apropos App: Ja, man kann das Spiel auch am Computer oder Smartphone spielen. Die App ist nicht teuer und soll laut Kritiken ziemlich gut sein. Zumindest hat man mit ihr eine Möglichkeit, über die Vorschau einen Blick auf die Karten zu werfen.

Weitere Änderungen in der neuen Auflage stellen ein paar geänderte Karten und die Tatsache dar, dass es Anpassungen für Farbenblinde gab. Ich habe zwar keinen direkten Vergleich, doch scheinen mir die Änderungen in den seltensten Fällen einen Neukauf zu rechtfertigen (es sei denn natürlich, man ist farbenblind).

Die erwähnten Ableger von Race for the Galaxy gehen über die obligatorischen Erweiterungen für erfolgreiche Spiele hinaus. Diese gibt es natürlich auch, und es ist zu hoffen, dass Pegasus sie ebenfalls auf Deutsch neu veröffentlicht. Zur Zeit sind sie nämlich nur schwer zu bekommen.

Des Weiteren gibt es mit Roll for the Galaxy ein Spiel, das das Spielprinzip mit Würfeln umsetzt. Jump Drive hingegen ist eine einfache, schnelle Version des Spiels mit Karten, die ich zufällig ebenfalls an diesem Wochenende ausprobieren konnte. Auch sie hat mir viel Spaß gemacht.

172 Fazit

Race for the Galaxy ist ein Strategiespiel mit Karten. Der Komplexitätsgrad ist hoch genug, dass man ein paar Runden benötigt, um komplett ins Spiel zu finden.

Andererseits ist es problemlos möglich, in 15 Minuten in das Spiel einzusteigen, wenn die Regeln erklärt werden. Große Übersichtskarten helfen über die ersten Hürden, und die Regeln sind übersichtlich erklärt. Der Wiederspielwert ist hoch.

Ich freue mich jedenfalls schon darauf, das Spiel nach und nach zu meistern.

Race for the Galaxy, 2nd Edition Kartenspiel für 2 bis 4 Spieler Tom Lehmann Pegasus Spiele 2018 EAN: 4250231715860 Sprache: Deutsch Preis: EUR 29,95

173 Phantastisches Lesen

Rezension: Der Raum zwischen den Worten von Uwe Hermann

von C. R. Schmidt

Das Urgestein deutscher Phantastik Uwe Hermann zeigt mit seiner Internetpräsenz unter www.kurzegeschichten.de schon sehr wohl auf, wo sein Schwerpunkt liegen mag. Deshalb dürfte es wohl keine Überraschung sein, dass seine Kurzgeschichtensammlungen sein Können von seiner besten Seite zeigen. Seine neueste Anthologie Der Raum Zwischen den Worten ist hier keine Ausnahme.

Eine Anthologie zu bewerten ist deutlich anders, als einen Roman zu sezieren. Um es mit Musik zu vergleichen: Ein Roman ist eine Oper, eine Anthologie ein gutes Mixtape.

174 Man braucht Höhen und Tiefen, muss auf schleppende Passagen rasch Spannung folgen lassen, um sein Publikum nicht zu verlieren. Einzeln betrachtet ist eine Erzählung abgeschlossen und bewertbar, doch das Ganze sollte besser sein als die Summe seiner Einzelteile. Der Mix macht's.

Humorvoll, bunt und ehrlich

Hermann, der sich auf der Rückseite als Meister des Humors vorstellt, beginnt die Anthologie mit der mehrfach prämierten Geschichte Das Internet der Dinge. Hier kommunizieren Haushaltsgeräte in einer nicht-so-weit entfernten Zukunft miteinander, um ihrem Besitzer das Leben zu retten und - viel wichtiger! - neue Milch zu bestellen. Es wird ein Tonfall für die Anthologie gesetzt, die sich erst einmal wie ein Faden durch das Buch zieht. Humorvoll soll es zugehen, mit seichtem, satirischem Blick auf den Alltag und die zunehmende Technologisierung unseres Lebens. Auch Geschichten wie Unter Kontrolle und Der Eindringling reihen sich hier ein.

So offenbart sich der Kern von Hermanns Humor: Alltägliches wird dem Extraordinären gegenübergestellt, oft mit absurden Folgen. Ein verzweifelter Tankwart wird hier schon einmal der Botschafter des ersten Kontakts mit Außerirdischen. Die außerirdische Rasse der Quirl in Das Geheimnis des Sahnetörtchens hat nahezu omnipotente Kräfte und zieht im Universum die Fäden, doch das Ganze

175 ähnelt nach einer Ewigkeit einem langweiligem Alltag im Büro.

Aber auch, wenn das Cover Rückschlüsse darauf zulässt, ist dies hier keine reine Science Fiction. Diese Anthologie ist bunt, und mindestens drei der Geschichten lassen sich zweifellos unter dem Fantasy-Genre einordnen. Mit Wir, die Zombies! taucht Hermann sogar einen kleinen Zeh in die Gewässer des Horrors, wenn auch auf abgebrühte und satirische Art und Weise.

Der Ernst der Dinge

Wer diese Anthologie jedoch für ein rein komisches Buch hält, irrt sich. Hermann zeigt sich, wie es in der Science Fiction üblich ist, auch gern von tiefgründigen oder existenziellen Seiten. Die titelgebende Geschichte Der Raum zwischen den Worten ist eine klassische Geschichte vom ersten Kontakt zwischen Mensch und außerirdischem Leben, die überwiegend frei von dem sonst herrschenden Humor ist. Auch Das Rätsel der wiederkehrenden Konservendose hebt sich vom Tonfall her deutlich von den umliegenden Geschichten ab. Das sonderbare Talent der Familie Johansson, die ein Drittel des Bandes einnimmt und schon als Novelle betitelt werden könnte, ist eine wilde Jagd durch die Zeit, die schon fast nach der Logik eines modernen Hollywood-Blockbusters abläuft.

176 Gerade hier muss die Frage gestellt werden, ob eine Sammlung nicht zu bunt sein kann. Satirisch-humorvolle Geschichten nehmen gleich viel Platz ein wie bitterernste Genreklassiker. Geschichten wie Der letzte Turm vor dem Niemandsland würden sich perfekt für jüngere Leser eignen, während einige andere Beiträge eindeutig an ein erwachsenes Publikum gerichtet sind. Die einzelnen Geschichten sind oft großartig, doch der stilistische Übergang ist manchmal so extrem, dass er beim einen oder anderen Leser ein Schleudertrauma auslösen könnte.

Fazit

Hermann nutzt an den passenden Stellen die einzigartigen Fähigkeiten der Phantastik zu seinem Vorteil und zwingt den Leser zur Selbstreflexion, so wie ein guter Autor es auch tun sollte. Treffer ins Schwarze gibt es in dieser Anthologie zur Genüge. Diese Sammlung ist bunt, satirisch und auch gern mal zum Schreien komisch, wird aber in gleichen Teilen sehr ernst. Eine Mischung aus beiden Richtungen ist nicht häufig vorhanden. Geschichten wie Der Raum zwischen den Worten, Das Geheimnis des Sahnetörtchens oder Das Internet der Dinge sind auf jeden Fall wert, gelesen zu werden.

Was eine gute Anthologie ausmacht, ist jedem Leser selbst überlassen. Manch ein Leser sucht bestimmt sein gutes Mixtape, das passend ineinanderfließt. Wie auch immer es sein mag: Die einzelnen Geschichten stimmen jedenfalls 177 und dürften bei jedem Leser auf zumindest einen Nerv treffen.

Ein Junge, ein magisches Schwert und ein großes Abenteuer

Rezension des Romans Tarean 1 – Sohn des Fluchbringers (10-Jahre-Jubiläumsausgabe)

von Shadow

178 Tarean – Sohn des Fluchbringers erzählt die Geschichte eines Reiches, das unter der Schreckensherrschaft eines Hexenmeisters leidet. Tarean, ein 16-jähriger Schwertkämpfer, hat es sich zum Ziel gemacht, sich an dem Hexenmeister zu rächen – für die Unterdrückung seines Volkes und auch dafür, dass jener seinen Vater getötet hat. Mit dieser Ausgabe feiert der Roman sein 10-jähriges Jubiläum! Die Erstauflage erschien 2008 bei LYX. Die Jubiläums-Ausgabe des Mantikore-Verlags enthält Bonusmaterial und eigens für Tarean erstellte Illustrationen. Die Ausgabe ist als Hardcover, Softcover und auch als E-Book erhältlich.

Inhalt

Seit 16 Jahren leben die Menschen und ihre Verbündeten in Unterdrückung, und Tareans Vater hat Schuld daran. Zumindest sehen das viele so und nennen ihn deshalb „Fluchbringer“. Doch Tarean weiß, dass sein Vater von dem Hexenmeister Calvas damals hereingelegt wurde. Dies macht das Leben für ihn oft zur Qual, doch eines Tages trifft er einen Entschluss: Der Name seines Vaters muss reingewaschen werden. Die Schreckensherrschaft muss ein Ende haben. Statt mit einer Armee aufzuwarten, plant Tarean, sich heimlich in Calvas‘ Festung einzuschleichen und den Hexenmeister mit Hilfe eines magischen Schwertes zu ermorden.

179 Dies klingt erst einmal einfacher, als es ist, denn zunächst gilt es, eine weite Reise durch feindliches Gebiet zu bewältigen. Immer wieder wird er in einen Kampf gegen Wolfsmenschen – Calvas‘ Diener – verwickelt. Tarean, als junger Schwertkämpfer in Ausbildung, ist jenen Wesen unterlegen, doch findet er auf seiner Reise starke und außergewöhnliche Verbündete. Aus seiner heimlichen Reise wird schon bald eine Hetzjagd, und so ist er sich nicht mehr sicher, ob er sein Ziel überhaupt lebend erreichen wird.

Besprechung

Auf den ersten Blick wirkt Tarean – Sohn des Fluchbringers sehr stereotypisch. Der Held ist ein junger Schwertkämpfer, der eines Tages seine Heimat verlässt, um sich ganz allein dem Bösen zu stellen. Auf seiner Reise erlebt er viele Abenteuer, und erscheint die Lage mal aussichtslos, taucht stets wie durch ein Wunder eine unerwartete Rettung auf. Dennoch weiß der Roman durch einprägsame Momente sowie originelle Charaktere zu begeistern und ist spannend bis zum Schluss. Die Reise verläuft temporeich und bietet actiongeladene Kämpfe. So wie sich die Helden ständig auf der Flucht befinden, hat auch der Leser selten eine Ruhepause – da wird einem nie langweilig!

Verliert man zwischendurch den Überblick und fragt sich, wo die Abenteurer sich aktuell befinden, kann man jederzeit an den Anfang zurückblättern und die Reise anhand einer Karte verfolgen. 180 Einen bleibenden Eindruck hinterlassen Tareans außergewöhnliche Reisegefährten. Da wären zum Beispiel Auriel, eine selbstbewusste, hübsche Kriegerin der Grauelfen, sowie ihr Begleiter, Bromm der Bär. Einige Werwolf-Fans haben sich sicher schon einmal gefragt, ob es auch einen Wer-Bären oder eine Wer-Wasauchimmer gibt. Bei Bromm handelt es sich um einen Wermensch-Bären, also einen Bären, der sich in einen Menschen verwandeln kann. Eine derartige Wer-Form trifft man nur selten an. Für erfrischende Unterhaltung sorgt das Irrlicht Moosbeere, ein Däumling in der Gestalt einer schönen Frau. Tarean – Sohn des Fluchbringers spielt in einer mittelalterlich angehauchten Fantasy-Welt; dennoch kommt der Leser durch den Tüftler Karnos auch in den Genuss eines Flugschiffes (das allerdings kein Zeppelin ist, sondern wirklich ein fliegendes Schiff). Für weitere Überraschungen ist gesorgt!

In der Jubiläumsausgabe findet man immer wieder detailreiche Illustrationen, die eigens für Tarean geschaffen wurden. Diese optisch ansprechende Ergänzung ist nicht die einzige Veränderung seit der Ausgabe von 2008. Es wurden stilistische Anpassungen des Textes vorgenommen, und es erfolgte eine Umbenennung einzelner Ortschaften. Zudem heißen die Alben inzwischen Vasthari, was wohl eine der markantesten Änderungen ist. Im Rahmen des Bonusmaterials erläutert Bernd Perplies, welche Werke ihn zu diesem Roman inspiriert haben und wie er auf 181 bestimmte Charakter-Namen gekommen ist. Dahinter steckt immer wieder eine interessante oder auch unterhaltsame Geschichte. Er beschreibt zudem die Entwicklung der Grundidee bis zum heutigen Roman. Man erhält außerdem die Bonusszene zu Tareans Geburt.

Fazit

Gelungene Charaktere und eine durchgehend spannende Handlung überzeugen – am besten plant man sich Zeit zum Lesen ein, denn das Beiseitelegen des Romans kostet viel Überwindung. Die Neuauflage als Jubiläumsausgabe ist außerdem ein äußerst ansprechender Bonus!

Tarean 1 – Sohn des Fluchbringers Fantasy-Roman Bernd Perplies Mantikore-Verlag 2018 ISBN: 978-3961880-66-9 443 S., Paperback, deutsch Preis: EUR 14,95

Leseprobe: https://webreader.mytolino.com/reader/index.html#/ep ub?epuburl=https://assets.thalia.media/doc/7f/3b/7f3b742 f-993e-40ca-9fa5-8861c3fff12d.epub&purchaseurl=https:// www.thalia.de/shop/buecher-2/warenkorb/add/?artikelId= 95283758&hkft=pv&source=artikeldetails&backref=https://

182 www.thalia.de/shop/buecher-2/artikeldetails/ID95283758.h tml&reseller=3

Website des Autors zum Buch: https://www.bernd-perplies.de/books-tarean-10J-1.htm

Märchenhafte Fantasy zur Zeit des Zarenreiches

Naomi Noviks neuer Fantasy-Roman Das kalte Reich des Silbers ist im cbj Verlag erschienen

von Birgit Schwenger

Mirjem ist die Tochter eines jüdischen Pfandleihers und lebt mit ihren Eltern in ärmlichen Verhältnissen in einem kleinen

183 Dorf im Königreich Lithvas. Eigentlich könnten sie ein gutes Auskommen haben, doch ihr Vater ist zu gutherzig, um die Schulden einzutreiben, die die anderen Dorfbewohner bei ihm haben. Als ihre Mutter während eines besonders harten Winters erkrankt und das Geld nicht einmal für die Medizin und genügend zu essen reicht, beschließt Mirjem, an die Stelle ihres Vaters zu treten, und beginnt unnachgiebig das Geld der Schuldner einzutreiben. Ihre Eltern sind entsetzt über die Kaltherzigkeit, die die junge Frau dabei an den Tag legt, und warnen davor, dass ihre Herzenskälte die Staryks herbeirufen wird, magische Eiswesen, deren Waldreich an ihr Dorf grenzt und die immer wieder zu brutalen Raubüberfällen in die Dörfer der Menschen kommen. Doch Mirjem gibt nicht nach: Schnell mehrt sich der Wohlstand der Familie, und sie beginnt - mit der Unterstützung ihres Großvaters, der in Wisnja, der nächstgrößeren Stadt, lebt und über ein ansehnliches Vermögen verfügt - ihre Geschäfte auszuweiten. Als Gehilfin beschäftigt sie das Mädchen Wanda, das in ihren Diensten die Schulden ihres Vaters abzuzahlen hilft. Die Dorfbewohner sind entsetzt, dass das Mädchen Frondienste bei den Juden leisten muss, obwohl Wanda selbst ihre neue Stelle als ein wahres Glück empfindet, da sie sich endlich satt essen und außerdem den Schlägen ihres Vaters entkommen kann. Die Anzeichen mehren sich, aber Mirjem verkennt die langsam aufziehende Gefahr und lässt sich schließlich zu der Prahlerei hinreißen, sie könne Silber zu Gold machen. Zu ihrem großen Entsetzen ruft dies tatsächlich den Herrn der Staryk aus seinem eisigen Elfenreich hervor, der von ihr 184 verlangt, immer größere Summen Staryk-Silber in Gold zu verwandeln – und ihr mit dem Tode droht, sollte ihr dies nicht in der vorgegebenen Zeit gelingen.

Verzweifelt setzt Mirjem alles daran, die schier unlösbaren Aufgaben zu bewältigen, die der Staryk ihr stellt. Dank des geradezu obsessiven Interesses des Herzogs von Wisnja am Staryk-Silber scheint es der jungen Frau jedoch zu gelingen, die Forderung des Staryk zu erfüllen. Doch droht ihr dann womöglich ein noch viel schlimmeres Schicksal, soll sie doch dem grausamen Staryk als seine Königin in sein Reich des ewigen Eises folgen. Im Haus des Herzogs kreuzen sich die Wege von Mirjem und Irina, der Tochter des Herzogs, die ihrerseits als Unterpfand im Plan ihres Vaters dient, sich einen machtvollen Platz an der Seite des Zaren Mirnatius zu sichern.

185 Der Originaltitel von Naomi Noviks Roman lautet Spinning Silver, was so viel bedeutet wie Silber spinnen und eine Anspielung an das Märchen vom Rumpelstilzchen ist, in dem der gleichnamige Kobold der Müllerstochter hilft, aus Stroh Gold zu spinnen, wie der König es von ihr verlangt, und im Austausch dafür von ihr jeweils ein noch wertvolleres Geschenk will. Gleich zu Beginn des Buches lässt Novik eine Variante dieser Geschichte aus Mirjems Perspektive erzählen, doch diese Version nimmt kein gutes Ende. So sollte Mirjem es also besser wissen. Dennoch lässt sie sich auf den gefährlichen Handel ein, ohne dass sie dabei auf die Hilfe von Magie zurückgreifen kann. Stattdessen hat sie das richtige Gespür für ein gutes Geschäft und

186 verhandelt sehr geschickt, schließlich geht es – wie im Märchen – um ihr Leben und auch das ihrer Eltern. Das kalte Reich des Silbers ist jedoch keine Nacherzählung des Märchens vom Rumpelstilzchen, sondern Novik spinnt daraus vielmehr ihre ganz eigene Geschichte, in die sie auch Elemente aus anderen Märchen und Sagen einfließen lässt. So ist beispielsweise das Königreich Lithvas, in dem der Roman spielt, eine märchenhaft entrückte Vermischung der Länder Lettland, Polen und Russland, so wie man sie aus historischen Erzählungen kennt – eine fremde Welt und doch irgendwie vertraut. Nach und nach schleichen sich immer mehr magische Elemente in die Geschichte, und Novik wechselt geschickt zwischen Fantasy und realen historischen Ereignissen wie den Pogromen gegen die Juden im zaristischen Russland des 19. Jahrhunderts. Auch die Stimmen der Erzählerinnen – Mirjem, Wanda und Irina im Wesentlichen – beginnen sich immer stärker zu vermischen und ineinander zu verweben, bis noch weitere Erzähler in ihren Kreis treten und die Geschichte immer größer und größer wird. Schließlich steht nicht mehr nur Mirjems Leben und das ihrer Familie auf dem Spiel, sondern auch das der jüdischen Gemeinde in Wisnja, ja sogar aller Menschen in Lithvas.

Bereits mit ihrem Romandebüt Drachenbrut eroberte Novik die Herzen von Lesern und Kritikern gleichermaßen. Das Buch und seine acht Folgebände bilden die erfolgreiche Fantasy-Reihe Die Feuerreiter Seiner Majestät, die zur Zeit der Napoleonischen Kriege in einer Parallelwelt spielt, in der 187 Drachen existieren und gezielt als Luftstreitkräfte gezüchtet werden. 2016 erschien der Fantasy-Roman Das dunkle Herz des Waldes, in dem die Autorin bereits ebenfalls auf polnische Sagen und Märchenfiguren zurückgriff, aber auch daraus ihre ganz eigene Geschichte gesponnen hat, wie auch in Das kalte Reich des Silbers, das im März 2019 in einer wunderschön gestalteten gebundenen Ausgabe im cbj Verlag erschienen ist. Die deutsche Übersetzung von Marianne Schmidt überzeugt auf der ganzen Linie, die Gestaltung des Buchcovers ist ein absoluter Blickfang.

Fazit: Novik spinnt märchenhaftes Silber zu erzählerischem Gold: Fantasy vom Feinsten! Die zentralen Charaktere sind unglaublich stark und talentiert und lassen sich trotz aller Widrigkeiten und Widerstände nicht unterkriegen, vor allem, da sie ihre Kraft aus der Freundschaft, der Wärme und Liebe zu ihren Familien und Freunden ziehen. Unbedingte Leseempfehlung!

Starke Fantasy von einer starken Autorin

Die Töchter von Ilian von Jenny-Mai Nuyen ist im März bei Fischer Tor erschienen von Birgit Schwenger

188 Links: https://www.amazon.de/Die-Töchter-von-Ilian-Roman/dp/3 596299977/ https://www.tor-online.de/feature/buch/2019/03/intervi ew-mit-jenny-mai-nuyen-die-toechter-von-ilian/

Sieben Jahre lang ist Walgreta, Tochter des Kleinen Volkes, bei den Weisen Frauen in die Lehre gegangen, doch ihre Hoffnung, am Ende ihrer Lehrzeit von einer der Frauen zu ihrer Nachfolgerin erwählt und in die magischen Mysterien eingeführt zu werden, erfüllt sich nicht. Voller Bitterkeit im Herzen kehrt sie in ihre Heimat, das Zwergenreich Horuns Bauch, zurück, wo ihre Großmutter Hekteba als Königin herrscht. Als königliche Tochter wird Walgreta zwar in Ehren empfangen, aber in den Jahren ihrer Abwesenheit hat die Königin ihre jüngere Cousine Didanwen zur ersten Priesterin und damit zu ihrer inoffiziellen Nachfolgerin gemacht, so dass Walgreta kaum noch über eigene Macht oder Einfluss verfügt. Der willensstarken und freiheitsliebenden jungen Frau gefällt dies überhaupt nicht. Als sie sich beim Frühlingsfest in Fayanú, einen Wandererzähler aus dem Alten Volk der Waldelfen verliebt, nimmt ihr Leben plötzlich eine unerwartete Wende: Sie erfährt, dass Fayanú der Auserwählte seines Volkes ist, der die Iliaden, vier verschollene magische Artefakte, für das Volk der Elfen zurückgewinnen und somit ihr untergegangenes Reich Ilian wieder zu alter Macht und Größe führen soll. Fayanú hat bereits einen der magischen Gegenstände, die ihre Macht nur entfalten, wenn man sie aus freien Stücken als 189 Geschenk erhält, in seinem Besitz: Es ist der Blickende Becher, der seinem Eigentümer die Vergangenheit zeigt. Die Sternenscheibe, die in die Zukunft blicken lässt, befindet sich bereits im Besitz des Elfenvolks, so wie das Kupferne Kleid, das die Gefühle seiner Trägerin übermächtig auf alle, die sie erblicken, überträgt, seit Jahrhunderten ein Erbstück der Zwergenköniginnen von Horuns Bauch ist. Einzig die Flüsternde Flöte, die den Uriern, einem Nomadenstamm der Menschen, gegeben worden war, scheint auf ewig verloren zu sein. Gemeinsam beschließen Walgreta und Fayanú, die Iliaden wieder zusammenzuführen und mit ihnen die Herrschaft der Weisen Frauen wiederherzustellen, denen es einst mit den magischen Gegenständen gelungen war, ohne Gewalt über alle Völker zu herrschen.

190 So begeben sich die Tochter des Kleinen Volkes und der Waldelf, der von Zweifeln und den dunklen Schatten seiner Vergangenheit gequält wird, auf eine gefahrvolle Reise, die nicht ohne Folgen bleibt. Um sie herum spinnen die Mächtigen der Völker ihre Intrigen, brechen Streitigkeiten und Kriege aus, begehren Rebellen aus dem Mitterland gegen die Raubzüge der Urier und ihre Versklavung durch die Zwerge auf. Wird es Walgreta und Fayanú gelingen, ihr Ziel zu erreichen? Und welchen Preis sind sie bereit, für ein friedvolles Miteinander der Völker zu zahlen?

191 Sprachgewaltiges Fantasy-Epos um den klassischen Kampf Gut gegen Böse neu erzählt

Bereits im Alter von 18 Jahren hat die deutsche Autorin Jenny-Mai Nuyen mit ihrem Debüt-Roman Nijura – Das Erbe der Elfenkrone 2007 ein sprach- und seitengewaltiges Fantasy-Abenteuer vorgelegt, dem weitere erfolgreiche Fantasy-Romane wie Das Drachentor oder die Die Sturmjäger von Aradon-Reihe folgten. Mit dem High-Fantasy-Epos Die Töchter von Ilian kehrt Nuyen nun erneut in phantastische Gefilde zurück und erzählt die klassische Geschichte vom Kampf des Guten gegen das Böse neu. Das Besondere an ihrer Geschichte ist jedoch, dass sich im Lauf der Handlung – so wie im echten Leben – herausstellt, dass es schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, gegen das Böse zu kämpfen, ohne dabei selbst nach den Mitteln des Bösen zu greifen. Anhand der wechselnden Blickwinkel der unterschiedlichen Charaktere, deren Handlungen aus ganz unterschiedlichen Gründen motiviert sind, müssen sich auch die Leserinnen und Leser des Buches immer wieder fragen, wer oder was eigentlich das Gute oder das Böse in dieser Geschichte ist. In einem Interview auf Tor-online.de zur Veröffentlichung des Romans stellt Nuyen die Frage, der sie auch in ihrem Buch nachgeht, ob eine Regierung ohne Gewalt überhaupt möglich ist, ob es einen Weg gibt, die Geschichte der Welt ohne Kampf und Unterdrückung zu verändern. Die Töchter von Ilian ist daher auch ganz sicher keine einfache Gut-gegen-Böse-Geschichte, sondern ein hochkomplexes Geflecht aus Charakteren und 192 Handlungssträngen, in denen maßgeblich (aber nicht nur) die starken Frauenfiguren ungewöhnliche Wege beschreiten und bewusst mit Traditionen und Regeln brechen, in der Hoffnung, so ein neues friedliches Miteinander der Völker erschaffen zu können. Angetrieben von großer Willensstärke, aber auch großen Zweifeln geht jede ihren ganz eigenen Weg und muss ich mit ihren Idealen und Wünschen auseinandersetzen. Das Philosophiestudium der Autorin, in dem sich sie laut eigener Aussage auch mit moralischen Konflikten beschäftigt, ist hier sicher nicht ohne Einfluss geblieben. Als weitere Anregung für die Geschichte nennt die Schriftstellerin im Interview mit Tor-online.de ihr Interesse an der Kupferzeit und der Besiedlung Europas durch verschiedene Stämme vor 40.000 bis 50.000 Jahren: Erstmals begannen die Menschen Metall zu gewinnen und daraus nicht nur Werkzeuge für die Jagd, sondern auch Waffen herzustellen.

Spannendes Fantasy-Abenteuer, das die Realität durchscheinen lässt

Aber natürlich geht es in diesem Buch nicht nur um philosophische Fragen und archäologische Interessen, sondern in erster Linie um ein spannendes Fantasy-Abenteuer, das immer wieder die Perspektiven wechselt, mehrere Handlungsstränge zusammenführt und so manche überraschende Wendung parat hält. Richteten sich ihre früheren Bücher zum Teil eher an jugendliche Leser, so ist der Gewaltfaktor hier – vor allem in Bezug auf 193 sexuelle Gewalt und Missbrauch – nicht ohne und eher nichts für zartbesaitete oder jüngere Leser. Auch sprachlich kann Nuyen überzeugen: Ihre Charaktere sind tiefgründig, die Schilderungen der Lebensumstände und Traditionen der verschiedenen Völker sowie die Beschreibungen der Landschaften atmosphärisch dicht. Nicht alles ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. Und war die Welt früher wirklich besser? Welche Opfer sind es wert, erbracht zu werden, um Frieden zu schaffen – und Frieden für wen?

Die Töchter von Ilian ist, 656 Seiten stark, in einer schön gestalteten broschierten Taschenbuchausgabe bei Fischer Tor erschienen. Das Kartenmaterial im ausklappbaren Softcover stammt von Jenny-Mai Nuyen und Markus Weber, das Buch beginnt mit einer hilfreichen Auflistung der wesentlichen Figuren und der Zuordnung zum jeweiligen Volk.

194 Werbung

195 Verbrecher sind ein abergläubiges, feiges Pack: Batman - 80 Jahre und 25 Milliarden Dollar

von Uwe Anton

Batman ist ein uneheliches Kind. Sein Vater ist Bob Kane, seine Mutter Superman. Und das kam so.

Vor 81 Jahren, im Juni 1938, erblickte Superman in Action Comics 1 das Licht der Welt. (Wir berichteten ausführlich über das Jubiläum.) Der kommerzielle Erfolg der Hefte mit dem Superhelden an sich veranlasste den Verleger Malcolm Wheeler-Nicholson, einen Charakter entwickeln zu lassen, der sich zwar deutlich vom Vorbild unterschied, aber doch

196 auf den ersten Blick als aus dem gleichen Stall zu erkennen war – also ähnlicher Inhalt in einer anderen Verpackung. Er beauftragte den Zeichner Bob Kane, sich solch einen Helden auszudenken. Kane zeigte einem Freund, dem Texter Bill Finger, erste Entwürfe, die noch nicht viel mit der Figur gemeinsam hatten, die heute Millionen von Lesern, Fernsehzuschauern, Kinogängern und Videospielern bekannt ist. Finger schlug Änderungen vor, die Kane umsetzte, und das Ergebnis entsprach dem, was wir heute kennen. Daher gilt Finger heute als Mitschöpfer neben Kane, der diese Ehre über Jahrzehnte für sich allein beanspruchte.

Doch wohin mit dem neuen Helden? Der Verleger entschied sich für ein bereits eingeführtes Heft aus seinem Stall, Detective Comics, das mit dem Privatdetektiv Slam Bradley zwar schon sozusagen einen festen Helden hatte – ebenfalls eine Schöpfung der Superman-Erfinder Joe Shuster und Jerry Siegel –, der jedoch auflagenmäßig nicht gerade Bäume ausriss. Und so erschien in Heft 27 (mit dem Coverdatum May 1939) das erste Abenteuer einer bedrohlich wirkenden Gestalt in dunkler Kleidung, mit einer Maske vor dem Gesicht und einem Umhang, der schön im Wind flatterte, wenn die Stimmung es denn erforderte.

Der Rest ist Geschichte.

Batman wurde zu einem überwältigenden Erfolg. Die Leser verehrten diese dunkle Gestalt geradezu, der etwas 197 Unheimliches anhaftete, etwas Übersinnliches, obwohl sie fest in der Comic-Realität verwurzelt war. Der junge Bruce Wayne muss mit ansehen, wie seine Eltern ermordet werden, beschließt, das Verbrechen zu bekämpfen, um ihren Tod zu rächen, entdeckt unter dem Anwesen seiner – nicht ganz armen – Eltern eine riesige Höhle, aus der Fledermäuse flattern, und kommt auf die Idee, in ein Fledermaus-Kostüm zu schlüpfen, um seinen zukünftigen Gegnern Angst einzujagen: »Verbrecher sind ein abergläubiges, feiges Pack! Ich werde zu einer Fledermaus.« Und mit diesen Worten wurde, wie Jim Lee, derzeit Co-Verleger des Verlags DC (ursprünglich nach Detective Comics benannt) es ausdrückt, der Dunkle Ritter geboren und die Welt der Comics für immer verändert.

Wie Superman bekam auch das zweite neue Zugpferd des Verlags schon bald eine zweite Serie, schlichtweg Batman betitelt. Der Verlag schlachtete seine Zugpferde, sowohl Superman als auch Batman, so gut aus, wie es nur ging. Immer mehr Geschichten mit der Figur erschienen. Immer mehr Autoren und Zeichner wurden mit der Produktion der Stories beauftragt, nahmen dabei aber keine grundlegenden Änderungen vor. Work for hire – die Rechte an Batman lagen allein beim Verlag. Über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, veränderte sich die Handlungsführung kaum. Die Gegenspieler wurden immer ausgefallener und exotischer, die Stories zum Teil immer abstruser. Normale Verbrecher, die Batman zur Strecke brachte, waren bald ausgereizt. Superschurken mussten her, die dem Helden 198 zumindest für eine gewisse Zeit Paroli bieten konnten, bevor ihre gerechte Strafe sie dann ereilte. Der bekannteste von ihnen ist natürlich der Joker, der es in diesem Jahr sogar zu filmischen Ehren bringen wird. Kaum weniger bekannt sind der Pinguin, Two-Face und der Riddler, während Tweedledum und Tweedledee, der verrückte Hutmacher (nach den Gestalten aus Alice im Wunderland), Ras al Ghul, Man-Bat und Killer Croc schon eher zur zweiten Garde gehören. Diese Entwicklung wurde in späteren Jahrzehnten auch in den Batman-Comics selbst zum Thema: Gäbe es all diese Superschurken, wenn es Batman nicht gäbe? Erschafft seine bloße Existenz nicht schon all die Bedrohungen, denen sich die armen Bürger seiner Heimatstadt Gotham ausgesetzt sehen?

Aber der Mitternachtsdetektiv, der Dunkle Ritter, der Kreuzzügler mit dem Umhang – alles Beinamen des Helden – musste diesen Kampf nicht allein durchstehen. Das Batman-Universum wurde fast zwangsläufig aufgebläht, um immer neue Variationen des eigentlichen Themas schaffen zu können. Commissioner Gordon, der Polizeichef von Gotham, der in Kauf nimmt, dass Batman außerhalb des Gesetzes steht, weil er seine Hilfe benötigt, um das Irrenhaus, zu dem seine Stadt wird, einigermaßen im Griff zu behalten, tauchte schon in der Entstehungsgeschichte auf. Schon bald stellten die Autoren ihm weitere Helfer an die Seite. Knapp ein Jahr später stieß der erste Robin dazu, der »Wunderknabe« Dick Grayson, dessen Eltern ebenfalls ermordet worden waren und der als dringend benötigte 199 Identifikationsfigur für junge Leser nun an der Seite des Helden kämpfte, der typische Sidekick überhaupt. Eine Batwoman ließ allerdings 20 Jahre auf sich warten, eine »Bat-Milbe« – wohl die seltsamste Abstrusität des Kuriositätenkabinetts, zu dem die Batman-Serien mittlerweile verkommen waren – noch einige Jahre länger. Batgirl, die Tochter von Commissioner Gordon, folgte im Januar 1967. Da waren die »Bathöhle«, das »Batmobil« und sogar der »Bathund« schon längst eingeführt. Zum Teil wurden diese Charaktere im Verlauf von acht Jahrzehnten ausgetauscht. Batgirl Barbara Gordon wurde in dem modernen Klassiker Lächeln, bitte! von Alan Moore und Brian Bolland so schwer vom Joker verletzt, dass sie seitdem im Rollstuhl sitzt und in anderer Funktion für Recht und Ordnung in Gotham sorgt. Dick Grayson stieg als Robin aus, um aufs College zu gehen und dann seine eigene Superhelden-Karriere zu starten. Sein Nachfolger Jason Todd wurde ebenfalls ermordet – oder auch nicht, bei den Superhelden kann man sich da nie so ganz sicher sein. Mittlerweile ist jedenfalls der vierte Robin aktiv.

Erst Ende der Sechziger Jahre tat sich etwas in Batmans Welt. Der junge, durchaus geniale Comiczeichner Neal Adams schickte sich mit wechselnden Autoren an, von denen Danny O'Neil eine herausragende Position einnimmt, Batman aus seinem mittlerweile schon lächerlichen Cartoon-Dasein zu holen und wieder zu einem Geschöpf der Nacht zu machen, wie er es einst war. Er führte die Figur nicht nur zu den Ursprüngen zurück, sondern definierte sie 200 neu, machte sie fit für eine neue Zeit. Später wurde die Rolle des Helden immer deutlicher hinterfragt: Ist Batman ein Soziopath, dessen Leben ohne seine Gegenspieler bedeutungslos wäre? Schützt er mit seinem Kampf gegen das Verbrechen nur die altbekannte Gesellschaftsordnung, sprich seinen Reichtum? Legt er nicht schon bedrohliche faschistoide Züge an den Tag, wenn er das Gesetz in die eigenen Hände nimmt, wie es ihm beliebt? Auch die Figur selbst wurde nun weiterentwickelt, zumindest oberflächlich, ohne ihre Essenz zu verändern: Batman wurde zuerst von seinem Gegenspieler Bane (buchstäblich) körperlich gebrochen, galt dann gar als tot, kehrte in einer ziemlich sinnleeren Storyline wieder zurück, verliebte sich in die Tochter seines Gegenspielers Ras al Ghul, bekam mit ihr einen Sohn, heiratete dann Catwoman, zu der er sich schon immer hingezogen fühlte – und bekräftigte damit eine ambivalente Neigung zur dunklen Seite, die später auch andere Film- und Comic-Helden auszeichnete. Das waren natürlich nur kosmetische Operationen, die das Interesse des Lesers halten sollten, der Kern blieb unverändert.

Batman ist in 80 Jahren zur Ikone geworden. Neben seinen Abenteuern in Detective Comics, Batman, Batman: Legends of the Dark Knight, Batman: Shadow of the Bat und in diversen Miniserien war er Mitglied der Justice League und Chef des Teams um Batman and the Outsiders, agierte in World's Finest gemeinsam mit seinem Kollegen Superman und in The Brave and the Bold mit immer wechselnden anderen Superhelden. Schon 1943 kam es zu seinem ersten 201 Auftritt auf der großen Leinwand (in einem Serial, das zu zwei Filmen zusammengeschnitten wurde und in dem er als FBI-Agent – ja, das alte Problem der Selbstjustiz! – den Weltkriegsgegnern mal so richtig zeigte, wo es lang ging). 1989 begann mit Batman von Tim Burton seine zweite, bis heute andauernde Karriere als Filmheld; in der Serie Gotham kehrte er (wenn auch als Heranwachsender) ins Fernsehen zurück. Dutzende von Zeichentrick-Filmen und -Fernsehserien sowie zahlreiche Videospiele trugen das ihre zu einem beeindruckenden Merchandising-Erfolg bei: Nach aktuellen Schätzungen haben Batman-Produkte dem Konzern bis heute fast 25 Milliarden Dollar eingebracht. Da werden Comics schnell zur Nebensache.

Detective Comics 1000, die Jubiläumsnummer, die pünktlich zum Achtzigjährigen des Mitternachtsdetektiv erschien, schwelgt in der Legende, an der Batman seit seiner Entstehung gestrickt hat. Handlungstechnisch zählten die zuvor in Detective Comics erschienenen Geschichten einen »Countdown to 1000« und präsentierten eine durchgehende Storyline, die ihren Höhepunkt in der vorliegenden Nummer findet – nicht unbedingt eine ideale Lösung für all diejenigen, die keine Stammleser sind, aber vom Verkaufstechnischen her verständlich, sollten doch neue Leser gewonnen werden, die dem Jubiläum entgegenfiebern. Jene Leser, die die Handlung nicht seit Monaten verfolgt haben, wissen damit jedoch wenig anzufangen. Auch einer kurzen Zusammenfassung der Ereignisse gelingt es kaum, sie auf den neuesten Stand zu 202 bringen. Immerhin folgt am Ende auch der Beginn einer neuen Storyline, die mit einer beeindruckenden grafischen Zusammenfassung der bisherigen Karriere des Mitternachtsdetektivs punkten kann.

Ansonsten hat DC auf ein Inhaltsverzeichnis verzichtet, aber so einiges aufgeboten, was bei Batman in den letzten Jahren und Jahrzehnten Rang und Namen hatte und die Serien geprägt hat: Zu den Textern zählen Scott Snyder, Kevin Smith, Paul Dini, Warren Ellis, Denny O'Neil, Christopher Priest, Brian Michael Bendis, Geoff Johns, James Tynion IV, Tom King und Peter J. Tomasi, zu den Zeichnern Greg Capullo, Jim Lee, Dustin Nguyen, Becky Cloonan, Steve Epting, Neal Adams, Alex Maleev, Kelly Jones, Alvaro Martinez-Bueno, Tony S. Daniel, und Doug Mahnke. Die Geschichten reihen sich mehr oder weniger nahtlos aneinander, was für eine gewisse Verwirrung sorgt.

Inhaltlich hat Bruce Wayne sein Trauma längst nicht überwunden. In einer Geschichte bringt er sich in den Besitz der Waffe, mit der seine Eltern erschossen wurden, um sie einzuschmelzen, in einer schlägt er genau dort, wo sie erschossen wurden, vier eigentlich eher harmlose jugendliche Zufallsdeliquenten so brutal zusammen, dass er seiner alten Weggenossin Leslie Thompkins nur noch leid tut. Das ist aber keine Verarbeitung des Traumas, das zu seiner Entstehung führte, sondern – positiv ausgedrückt – ein Schwelgen darin, das angesichts des Jubiläums auf die Ursprünge hinweisen soll. Böse Zungen könnten auch 203 behaupten, dass hier die grundlegende Idee bis ins Letzte ausgequetscht wird.

Grafisch ist der Jubiläumsband durchwachsen, was natürlich auch mit persönlichen Vorlieben zu tun hat. Der werte Verfasser dieser Zeilen kann mit den Zeichnungen eines Alex Maleev überhaupt nichts anfangen, während er bei Neal Adams in Verzückung gerät, obwohl der seinen Zenit schon längst überschritten hat und dem Medium seit Jahrzehnten keine neuen Impulse mehr gibt. Gekonnt ist eben gekonnt. Manche Zeichnungen sind atemberaubend, manche in ihrem modernen Stil gewollt schlicht. Aber heute reicht es eben nicht mehr, einen Mythos auf seine Ursprünge zurückzuführen, dafür ist die Leserschaft zu verwöhnt. Comics bilden im Idealfall eine Synthese aus Wort und Bild, bei der die Summe des Ergebnisses größer ist als die einzelnen Teile. So bleibt letzten Endes bei einem Jubiläumsband, der ein Fest hätte sein können, ein zwiespältiger Eindruck zurück.

Einen ganz anderen Eindruck hinterlässt der Band Detective Comics – 80 Years of Batman, der zum Jubiläum als »Deluxe Edition« im Hardcover erschien, präsentiert er doch Nachdrucke und kann sich das historisch Wichtigste und Beste heraussuchen, das die Serie in 80 Jahren veröffentlicht hat. Diverse kleine Grußworte verschiedener, durchgehend aber prominenter Autoren vertiefen den Zusammenhalt zwar nicht, werfen aber ganz

204 unterschiedliche Schlaglichter auf die Bedeutung dieses modernen Mythos.

Den Reigen eröffnet die Nummer 20 der Detective Comics, in der sich mit einigem gutem Willen eine Art Vorläufer des Mitternachtsdetektivs findet – die Zeit war vor 80 Jahren eben reif für solch einen Helden. Abgedruckt wird natürlich auch die erste Batman-Geschichte überhaupt, in Detective Comics 27 vom Mai 1939, nachträglich »The Case of the Chemical Syndicate« benannt (ursprünglich erschien sie ohne Titel). Während Bob Kane über lange Jahrzehnte beanspruchte, Batman allein erfunden zu haben, wird hier auch Texter Bill Finger genannt, dessen Bedeutung bei der Entwicklung des Helden nicht unterschätzt werden darf. Detektivisch geht es in diesem Heft auch in einer Geschichte um Slam Bradley von den Superman-Erfindern Jerry Siegel und Joe Shuster zu, der allerdings nie eine größere Bedeutung erlangte. Der »Stählerne« ist eben der große Treffer der beiden Freunde aus Cleveland, Ohio – und der einzige.

Weiter geht es mit der Geschichte vom April 1940, in der Batman seinen Sidekick Robin an die Seite gestellt bekam, als dringend benötigte Identifikationsfigur für junge Leser, die bei weitem nicht so bedrohlich war wie eine Gestalt im Fledermauskostüm. In den vierziger Jahren erlebten in Detective Comics auch die Boy Commandos von Jack Kirby und Joe Simon, Two-Face und der Riddler ihre ersten Auftritte, während John Jones, der Manhunter from Mars, 205 wiederbelebt wurde. Batwoman und sogar Bat-Mite, die »Bat-Milbe«, folgten im nächsten Jahrzehnt. Solch ein Charakter zeigt auf, in welche Richtung die Reise geht: hin zu immer überdrehteren Geschichten mit immer bizarreren Charakteren, von denen ein Clay-Face (erster Auftritt im Dezember 1961) noch zu den gängigeren gehörte, sich in der Gilde der ewigen Gegenspieler sogar halten und beim Bekanntheitsgrad bis heute einen der vorderen Plätze belegen konnte. Der Zeichenstil wurde in diesen Jahrzehnten zwar ausgefeilter, präsentierte aber weiterhin einen kantigen Batman mit eckigem Kinn, der wenig Spielraum für Erneuerungen oder gar grafische Experimente ließ. Batman drohte in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, bis Mitte der Sechziger Jahre in drei Staffeln eine Fernsehserie mit 120 Episoden von jeweils 25 Minuten ausgestrahlt wurde, die auf damals innovative Weise Soundeffekte einblendete, um die Comic-Vorlage nachzuempfinden. Trotz einer gewissen Selbstironie war der Trash-Faktor bei einer teilweise abstrusen Handlung gewaltig. Comics waren damals eben keine ernstzunehmende Kunst, sondern Vergnügung für die Kinder, und die waren das Zielpublikum des Senders ABC. Böse Zungen bezeichnen diese Serie heute allerdings als »Batman-Parodie«.

Immerhin sorgte die Fernsehserie für eine zunehmende Stabilität, wenn nicht sogar Steigerung, bei der Auflagenhöhe der verschiedenen Batman-Comics – was vielleicht auch daran lag, dass die Zeichnungen moderner 206 und besser und die Stories einfallsreicher wurden, wie der »New Look« von Batman und Robin beweist, der im Mai 1964 eingeführt wurde. Das neue Batgirl erschien dann im Zug der Fernsehserie, bei der es in der dritten Staffel eingeführt wurde, im Januar 1967. Gardner Fox textete, Carmino Infantino, der später zum Chefredakteur von DC aufsteigen sollte, zeichnete. Das Lob, Batman dem Fernsehklamauk entrissen und wieder zu einem Geschöpf der Nacht gemacht zu haben, gebührt allerdings, wie schon erwähnt, dem Zeichner Neal Adams, der Geschichten verschiedener Autoren illustrierte. Mit seinem detaillierten, fließenden, atmosphärisch dichten Stil und ungewöhnlichen Perspektiven holte er die Fledermaus dorthin zurück, wohin sie gehörte. Er zeigt sie als eine bedrohliche, geheimnisvolle Kreatur, der fast schon etwas Übersinnliches anhaftet. Adams ist in diesem Band mit der Story vertreten, die den Gegenspieler Man-Bat einführte.

Texter und Zeichner wie Archie Goodwin und Walter Simonson (der erste Auftritt des Manhunter), aber auch Denny O'Neil und Dick Giordano (eine Geschichte mit Leslie Thompkins, auf die in Detective Comics 1000 Bezug genommen wird) behielten diesen Stil bei, konnten ihn aber nicht grundlegend weiterentwickeln. In den Siebziger Jahren prägten Zeichner wie Marshall Rogers und Michael Golden die Serie, die hier ebenfalls vertreten sind. Ein besonderes Schmankerl ist die einzige Geschichte, die der bekannte Autor Harlan Ellison für Detective Comics schrieb. Vertreter der Stilrichtungen dieses Jahrtausends sind Shawn 207 Martinbrough, Denys Cowan, Bryan Hitch und Sean Murphy, während Kultautor Neil Gaiman nicht mit seiner zweiteiligen ikonischen Geschichte über Batmans Tod und Wiedergeburt, sondern mit einem dreiseitigen Gedicht vertreten ist.

Bei solch einem Prachtband zu einem Jubiläum mit mehr als 400 Seiten hat natürlich jeder langjährige Batman-Leser seine Favoriten und ist enttäuscht, wenn ausgerechnet die Story, die bei ihm einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, nicht vertreten ist. So fehlen Bane und die modernen Gegenspieler dieses Jahrtausends völlig. Aber das ist stets subjektiv geprägt und bei jedem derartigen Band der Fall. Insgesamt jedoch kann man 80 Years of Batman bescheinigen, einen wirklich guten Überblick über das Thema zu geben. Dass manche Geschichten einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben und dementsprechend schlicht geraten sind, lässt sich naturgemäß nicht vermeiden. Ihre historische Bedeutung haben sie jedenfalls.

Detective Comics 1000 Verschiedene Verfasser Burbank, California 2019, unpaginiert, $ 9.99

208 Detective Comics: 80 Years of Batman Verschiedene Verfasser Burbank, California 2019, 416 S., $ 29.99

209 PERRY RHODAN – Die Cairanische Epoche

von Alexandra Trinley

Lese- und Hörproben aller Romane gibt es auf der Pabel-Moewig Verlagsseite: https://perry-rhodan.net/produkte

Aktuelle Interviews zur Erstauflage finden sich auf https://www.proc.org/

Von Band 2999 auf Band 3000 gab es einen Zeitsprung. Um die Milchstraße vor dem Weltenbrand zu retten, musste Perry Rhodan den Sprung ins Unbekannte wagen. Zuvor überließ er der Besatzung der RAS TSCHUBAI die Wahl, das Schiff zu verlassen oder ihn zu begleiten. Wer bei ihm blieb, 210 ging in die Suspension – die Lagerung als Energiemuster – um die sich abzeichnenden Belastungen überleben zu können.

Die Besatzung der RAS TSCHUBAI erwacht in einer fremd gewordenen Milchstraße, immerhin ohne Weltenbrand, in der keiner mehr Perry Rhodan und Terra kennt – außer als Mythos. Bald stellt sich heraus, dass fast 500 Jahre vergangen sind. Die neuen Herrscher der Milchstraße sind die Cairaner. Eine wichtige Rolle spielen die Akonen. Reginald Bull scheint noch zu leben, als Resident in der sogenannten Zentralgalaktischen Festung, das Galaktikum ist nicht einmal mehr Geschichte. Immerhin hat der Terranische Ligadienst (TLD) einen Nachfolger, den Nachrichtendienst Ephelegon (NDE).

Es gibt neue Begriffe: »Raptus« heißt die Wegnahme von Terra und Luna. »Posizid« bezeichnet eine galaxisweite Informationskatastrophe. Ihm folgte eine »Datensintflut« aus korrumpierten Daten. Nicht nur Terra ist ein Mythos: Alle gesicherte Historie ist verschwunden.

Weil Perry Rhodan und die anderen Aktivatorträger von den Cairanern gesucht werden, trennen sie sich und pirschen sich von verschiedenen Seiten an die fremd gewordene Heimat heran. Deshalb verlaufen die ersten zwei Handvoll Romane eher ruhig. Es gibt örtlich begrenzte Begegnungen mit den neuen Machthabern und den beherrschten Völkern, von denen nur manche vertraut sind. Ganz neue Völker 211 treten in den Vordergrund, und potenzielle Neueinsteiger können sich erst mal an die Serie gewöhnen, ehe es richtig los geht.

In die neue Zeit

Mythos Erde (PR 3000) heißt der gemeinsam verfasste Jubiläumsband der Expokraten Wim Vandemaan und Christian Montillon. Der Titel ist ein Wiederaufgreifen von Formulierungen des Seriengründers Scheer, und auch das Datum: Wenn Perry Rhodan als Erster und Einziger an Bord der RAS TSCHUBAI aus der Suspension erwacht, so schreibt man den 8. September 5632, bzw. 2045 NGZ. An diesem Datum – allerdings im Jahre 1961 – erschien mit Unternehmen Stardust der legendäre Band 1 der Serie, dessen Geschehnisse Andreas Eschbach gerade in seinem

212 850 Seiten umfassenden Hardcover aufgegriffen hat. In scheer’scher Tradition steht ebenfalls der Beginn: Rhodan erwacht.

Sofort bemerkt Rhodan, dass die unbekannte Frau, die sich samt einer Art Vielzweck-Koffer namens Paau an Bord befindet, ihn schon mal aufgeweckt hat, ihm den Zellaktivatorchip entnahm und wieder einsetzte – zu Untersuchungszwecken, wie sie ihm erklärt. Dabei stellt sich Zemina Paath als Kundschafterin vor, die nicht viel mit den neuen Machthabern der Milchstraße zu tun hat. Ihr Sternenschiff, ihr Nashadaan, ist ein sechseckiger, 300 Meter langer Zylinder, der in einer Andockmulde des 3500 Meter durchmessenden Fernraumschiffs ruht. Mit ihm hat sie die in Zeit und Raum schlingernde RAS TSCHUBAI entdeckt und stabilisiert. Noch dazu konnte sie ungehindert ins Schiff eindringen.

Zemina Paath ist eine große, bis auf einige Bewegungen ziemlich menschenähnliche Frau mit fast blendend blauen Augen. Sie leidet unter Gedächtnisverlust, was sie als »porös« bezeichnet: Unbekannte haben Teile ihres Gehirns gestohlen. Ihr Nashadaan hat eine Firnis um das riesige Fernraumschiff gelegt, die vor der Entdeckung durch die Mentalsonden der Cairaner schützt.

Die Semitronik ANANSI erwacht zögernd. Doch dann nimmt sie schnell ihre Funktionen auf, belauscht und vermisst die

213 Galaxis. Überraschenderweise ist aus dem kindlichen Avatar eine Frau geworden.

ANANSI hat Hyperfunksprüche aufgefangen, die einen Überblick über die aktuelle, verwirrende Lage geben. Das Wichtigste: Die Cairaner betrachten sich als friedenswirkende Kraft, eins ihrer Augenschiffe ist im Hintergrund des Titelbildes zu erkennen. Die Ladhonen gelten als Geißel, aber zugleich als besiegt. Zur Liga Freier Galaktiker, zum Solsystem und zu Reginald Bull in der Zentralgalaktischen Festung gibt es zwiespältige Informationen.

Dann treten die Bösen auf: Bald nach der Aktivierung der Schiffssysteme, vor der Zemina Paath gewarnt hat, wird die RAS TSCHUBAI von Sonden der Cairaner geortet, drei ihrer ellipsenförmigen Schiffe materialisieren in der Nähe. Der Wortführer der MAIDAC ODAIR erklärt, im Auftrag des Halo-Konsuls Aionguma Baldaraise zu handeln und das Territorium zu schützen. Sie haben lange auf die RAS TSCHUBAI gewartet, sagt er. Der Kontakt endet nicht gerade in gegenseitigem Einvernehmen.

Weil die Cairaner fähig sind, die an einem Ort versammelten ÜBSEF-Konstanten von Rhodan und Atlan zu messen, fliegt der Arkonide die reparaturbedürfte RAS TSCHUBAI zu einer Posbi-Werft, was in den Romanen 3007 bis 3009 weitergeführt wird und Perry Rhodan bricht mit seiner Enkelin Farye und Zemina Paath auf der BJO BREISKOLL ins 214 Ephelegonsystem auf, zu Bull … auf einem Umweg, den wir in den Romanen 3002 bis 3006 kennenlernen.

Die konkrete Situation der Milchstraßen-Terraner lernen wir über Giuna Linh kennen, die wie alle anderen glaubt, dass der Heimatplanet ihres Volkes erfunden wurde. Sie arbeitet auf einer Transmitterstation der sehr mächtig gewordenen Akonen und geht heimlich an deren Datennetze: Ihr Mann Lanko Wor wurde von den Cairanern wegen einer Kleinigkeit seiner Existenz beraubt, indem sie ihn auf die Ausweglose Straße schickten. Das sind furchtbare Orte, an denen die Gefangenen permanent gejagt und mit Vital-Suppressoren ihrer Lebenskraft beraubt werden.

Giuna will Lanko befreien. Zu diesem Zweck hängt sie sich an den barnitischen Händler Kondayk-A1, der mit seinem Schiff TREU & GLAUBEN unterwegs ist. Er und sein terranischer Begleiter Cyprian Okri sind getarnte Agenten des Nachrichtendiensts Ephelegon (NDE). Sie interessieren sich ebenfalls für die Ausweglose Straße.

Von Anfang an wird der Zweifel um die Existenz Reginald Bulls aufgehoben, was die Verfasserin dieser Kolumne ein wenig bedauerte. Bull wartet auf dem Planeten Rudyn im Ephelegonsystem auf seine Frau und sein Kind, die sich in die Stadt Allerorten zurückgezogen haben. Er wartet auch auf Perry Rhodan. Bull hat die Solare Residenz, er hat den Leibwächter und Sekretär Ganud, einen Posbi, und er hat

215 mächtige Freunde: Der tefrodische Machthaber Vetris-Molaud nennt ihn jetzt »Reg«.

Wie es zu all diesen Verschiebungen kam, werden wir wohl über kurz oder lang erfahren. Die Ausgangsbasis für den neuen Zyklus ist eingeführt, es gilt den Rahmen, der in diesem ruhig erzählten, aber von Ansätzen überquellenden Roman aufgespannt wurde, mit Erlebnissen und Hintergründen zu füllen.

Die redaktionelle Beilage Willkommen in einer neuen Zeit! enthält neun jeweils eine Seite lange Geschichten, in denen neun Teamautoren Aspekte der neuen Zeit veranschaulichen.

216 Cairaner und Ladhonen

Von Göttern und Gönnern (PR 3001) erzählt Oliver Fröhlich. Die BJO BREISKOLL ist mittlerweile berühmt-berüchtigt für waghalsige Unternehmungen abseits der großen Politik, durch die sie tiefe Einsichten in Verborgenes gewinnt und entlegene Schauplätze auftut. Diesmal sind nicht nur Enkelin Farye Sepheroa-Rhodan, sondern auch Perry Rhodan selbst an Bord. Ein Funkspruch führt ihn zu den Olubfanern, bei denen er einen Eindruck in die Herrschaftsweise der Cairaner erhält – daher der Titel des Romans – und die berüchtigten Ladhonen kennenlernt.

217 Vor dem Zeitsprung der RAS TSCHUBAI, vor 493 Jahre, haben die Olubfaner noch keine Raumfahrt betrieben. Doch die Cairaner haben ihnen geholfen, deshalb sind sie ihre Gönner, und sie werden ein gutes Stück weit auch wie Götter behandelt, schon weil sie die alten Götter abgelöst haben. Traditionellere Formen der Religionsausübung sind verboten, gelten als Unruhe stiftende Quertreiberei, die zum Schutz der Befriedeten untersagt wurde.

Auf dem Planeten Ollfa im Olubneasystem beginnt ein Fest, das an den ersten Sprung ins All vor 121 Jahren erinnert. Alle befreundeten Raumnationen sind eingeladen, weshalb die Neuankömmlinge sich unauffällig unter die Gäste mischen können – eine gute Gelegenheit, Einblicke in den Alltag der Cairanischen Epoche zu erlangen.

Die Olubfaner leben in Symbiose mit wurmartigen Symbionten namens Tolnoten, die sich in die Falten ihrer klobigen Körper einnisten und ihnen manuelle Geschicklichkeit und Tastsinn ermöglichen. Deshalb ist die Kopplung, bei der Jugendliche von Tolnotenkolonien ausgewählt werden, das allerwichtigste Fest, um das herum sich eine Vater-Sohn-Geschichte entwickelt. Als die Ladhonen auftreten, betätigt sich ihr schlechter Ruf. Perry Rhodan muss entscheiden, ob er eingreift oder alles geschehen lässt. Zugleich haben seine Besatzungsmitglieder und auch er selbst darüber nachzudenken, was sie alles durch den Zeitsprung verloren haben. 218 Der zweite Roman des neuen Zyklus, der Nachfolger des 3000er-Bandes, wurde von einem Autor geschrieben, der zwar schon mehrere RHODAN-Romane verfasste, aber nicht völlig zum Team gehört. Insofern kommt der Roman Neulesern entgegen, weil er zwar im Perryversum spielt, aber ein neues Volk vorstellt und im Gewand der klobigen Olubfaner vertraute menschliche Konflikte benutzt, um seine Geschichte zu entfalten. Er entwirft eine fremdartige Zivilisation und führt die übel beleumdeten Ladhonen in die Zyklushandlung ein. Wir lernen ein Eckchen einer veränderten Milchstraße kennen und bekommen einen ersten Eindruck davon, wie es anderswo aussehen könnte.

In der Heftmitte gibt es zum Tausenderwechsel auch einen Kolumnenwechsel. Die bis dato von Hermann Ritter verfassten Clubnachrichten werden abgelöst durch die erste Ausgabe der PERRY RHODAN Fanszene, für die nunmehr Christina Hacker zuständig ist.

219 Die neue Milchstraße

Es folgen mehrere Romane, in denen neue Zivilisationen und die veränderte Machtsituation der Milchstraße schrittweise erschlossen werden. In allem zeigt sich die Machtpolitik der Cairaner: Wer gegen sie ist, der ist gegen den Frieden, und sie haben es geschafft, die Völker der Milchstraße in viele isolierte, einander misstrauende Grüppchen aufzuspalten. Die Kriegsschule (PR 3002) von Michael Marcus Thurner verfolgt den Weg der von den Ladhonen entführten Olubfaner.

220 Rhodans Agent vor Ort ist der nur 22 Zentimeter große Siganese Sholotow Affatenga, genannt Tenga, der sein Kleinstraumschiff SCHOTE unauffällig an Bord des gegnerischen Schiffes bewegen kann. Das grünhäutige Männlein stopft ständig Pralinen in sich hinein, was die einen Leser erheitert, die anderen nervt. Immerhin schafft er es, die Entführten zu befreien und das Vertrauen eines ladhonischen Jugendlichen zu gewinnen, der an Bord der POD-202 seine Kapmpfausbildung macht – keine leichte Sache für den Sohn des stellvertretenden Kommandanten in einer auf mörderische Härte getrimmten Kultur.

Thurner verfasste auch den Folgeband Das Triumvirat der Ewigen (PR 3003), der aber auf einer ganz anderen Welt spielt. Der Funkspruch eines alten Explorerschiffes führt Rhodan auf die Extremwelt Copperworld, und dank Zemina Paaths Paau können die beiden zügig hinreisen.

Nun wird klar, was aus den vielen von den Gemeni verteilten Zellaktivatoren geworden ist: Sie funktionieren nur einige Jahrhunderte lang, und zumindest auf Copperworld haben sich drei ihrer Empfänger autokratisch zu Triumviren aufgeschwungen, die eine Kolonie von Menschen isoliert hält und unterdrückt. Climba Ossy-Benk träumt im Geheimen von Sonne und Meer, und hat Beziehungen zu zwei sehr verschiedenen Männern, die sich überraschend gut verstehen, als die Situation eskaliert. Vieles an der Gewitterstadt mit ihren Wachkatzen und Wacheidechsen erinnert an Thurners frühe, phantasievolle 221 RHODAN-Romane. Der Ü-Freund, der die Wohnungen besucht, wirkt hingegen beklemmend realistisch.

Giuna Linh muss erneut in die Ausweglose Straße vordringen, sie muss ihren von dort befreiten Mann zurückbringen, damit er aus dem Koma erwacht. Hierdurch kann man grundsätzliche Daten sammeln – dieser Umstand sichert ihr die Unterstützung des Nachrichtendienstes Ephelegon. Was nun geschieht, das schildert Christian Montillon in Der Vital-Suppressor. Im Straflager der Cairaner – sie sind die Pilger der Ausweglosen Straße (PR 3004).

Das Gejagtwerden in bedrohlicher Umgebung erinnert durch die schnelle Handlungsfolge und die exotischen Figuren ein wenig an frühe MADDRAX-Romane. Giuna sucht ihren Mann, und Rhodan, der ebenfalls in die als Straflager dienende Raumstation eindringt, sucht die Vital-Suppressoren, die Lebensmut und Lebenskraft absaugen.

222 Wurmwelten

Andreas Brandhorst erweckt in Wiege der Menschheit (PR 3005) eine sehr ungewöhnliche Zivilisation zum Leben, eine Lebensform, die mindestens so fremd ist wie die der Olubfaner und Ladhonen. Die Shenpadri sind zweieinhalb Meter lange gefiederte Schlangen, deren Gesichter vor allem aus einem Mund mit zahlreichen Zähnen bestehen, und deren Schwanz in drei Greiflappen ausläuft. Sie tragen Lingumasken, die Sprache übertragen und die Gesichter ihrer Gesprächspartner annehmen. Ihr gesamtes Volk hat

223 sich der Archäologie verschrieben, weshalb sie sehr stolz darauf sind, die verschollene Hauptstadt Terras gefunden zu haben – im Rheiasystem, auf dessen Planeten Tellus sich 2436, zu Zeiten der Dolan-Krise, ein geheimer Stützpunkt des Solaren Imperiums befand.

Dolan-Krise? Das bedeutet Bestien, Zweitkonditionierte, Schwingungswächter … was wird Rhodan auf dem Planeten finden? Das echte Terrania? Den Stützpunkt? Jene mit Symboflexpartner ausgestatteten lebenden Kampfmaschinen, die damals kaum besiegt werden konnten?

Jedenfalls besucht der zum Mythos gewordene Rhodan den Planeten Tellus in guter Gesellschaft: Sie fliegen auf der NAY ELIAS, einem Explorer mit interessanter, bunt gemischter Besatzung, deren diverse Charaktere sich durchgängig handlungstragend entfalten.

Interessant ist, wie nahtlos und gründlich Bestseller-Autor Brandhorst seine Geschichte in die Serienhandlung einpasst. Der Name Tro Kohn fällt, Statuen erfüllen den Tatbestand der Geschichtsfälschung. Zum Schluss taucht ein Neuer auf, ein Lichtwesen, dass sich als Hüter des Lebens vorstellt.

Eine wilde Räuberpistole in Wurm liefert Uwe Anton mit Halbraum-Havarie. Sie stranden in der Zwischenwelt – die Piraten des Linearraums greifen an (PR 3006). ANANSI zeigt das Problem: schlauchartige Energiebündel heben sich – 224 visuell eingefärbt – vom wesenlosen Wallen des Linearraums ab. Das Linearraumphänomen greift nach dem Schiff. Man flieht in den Normalraum. Als der Kreuzer wieder in den Linearraum geht, sind die Phänomene wieder da, und sie halten das Schiff fest. Eine Vakuole umschließt das Schiff wie eine Membran. Ein Angriff! Rhodan befiehlt Rotalarm.

Die Angreifer sind zwölf Meter lange Würmer mit desintegrierender Körperoberfläche. Offensichtlich jagen sie Rhodan, der sich dem Gegner darbietet, damit nicht zu viele seiner Leute sterben. Er wird verschluckt und abtransportiert. Der Siganese Tenga kommt unbemerkt mit.

Zugleich dringen zwei weitere Würmer – Deccar heißen sie und werden von Reitern gelenkt – in die BJO BREISKOLL ein. Während die Besatzung also weiterhin um ihr Leben kämpft, trifft Rhodan am Ende des Halbraumtunnels auf jenes Volk, das sich von allen am besten mit Halbraumphänomenen auskennt: spitzohrige Onryonen mit aussagekräftigen Emots, die rosa, rot, orange oder safrangelb leuchten. Wie steht die Besatzung der AUCBURN zu den Cairanern? Nun, gut genug, um sich eine Belohnung abholen zu wollen … nämlich Vitalenergie-Transfusionen. Kommen die aus den Vital-Suppressoren?

Auf dem Weg ins Bordgefängnis wird Rhodan in ein Biotop voll schwebender, am Blattwerk naschender Deccar-Würmer und leuchtender Anuupischwärme geführt. 225 Sein Bewacher ist eine riesenhafte, fast zwei Meter große weiße Fledermaus, die mit kybernetischen Elementen aufgerüstet ist und bei Nervosität mit der Spitze seiner verhornten Zunge ein schnell wirkendes Lähmgift austeilt. Im Weiteren finden sich On-Permanenzgeneratoren, On-Transmitter, der Abgesandte des Konsuls des Sternwestlichen Konsulats, das Cairanische Panarchiv und ein Vitalenergie-Transfusions-Gefäß. Die vom Ara-Mediker Roba-Kerum (für Bernd Robker aka Robert Corvus, den bekennenden Mausbiber-Hasser) nachgezüchteten Ilts erfüllen eine wichtige Funktion.

Ein Cairaner namens Paroshat Klaik tritt auf. Er ist ein vage humanoides, hochbeiniges Wesen von gut zweieinhalb Metern Größe. Der Rumpf ist gedrungen, die Schultern an den Armgelenken verdickt, die Haut golden und stark gefleckt, was sich am haarlosen Schädel verstärkt. Das Gesicht hat eine flachen Nase, einen lippenlosen, verhornten Mund und ockerfarbene Augen mit waagerechten Pupillen. Jeder Arm teilt sich am Ende in zwei vierfingrige Handpaare mit je zwei Innenfingern und zwei Daumen. Die Außenhände sind kräftiger und gröber als die feingliedrigen, von weißen Handschuhen geschützten Innenhände. Bei ihm riecht es nach Rauch. Nun ja, und am Ende fliegen sie fast alle weiter.

226 Dunkelwelt der Posbis

Atlan und Sichu – jawohl, Rhodans Frau ist mit dem berüchtigten Herzensbrecher unterwegs – fliegen die beschädigte RAS TSCHUBAI zum Ort, an dem wesentliche ihrer Elemente hergestellt wurden, wo auch ANANSI entstand: zur Dunkelwelt Culsu. Dort entfaltet sich das geheime Leben der positronisch-biologischen Roboterzivilisation, die von Posizid und Datensintflut in ganz besonderer Weise in Mitleidenschaft gezogen wurden.

227 Besonders bemerkenswert ist Zeuge der Jahrhunderte (PR 3007) von Michelle Stern. Durch ausgeprägt KI-affine Charaktere schafft die Autorin eine zutiefst vernetzte Welt, in der persönliche Konflikte und Neigungen auf einer echten Science-Fiction-Ebene ausgetragen werden.

Da der Planet Culsu sich nicht an den üblichen Koordinaten befindet, fliegt Atlan die in der Corona der Sonne Bright Eye versteckte Posbi-Station WHEELER an. Mit von der Partie sind neben Gucky die Posmi Aurelia, die sich auch ohne Plasmakomponente als weiblicher Roboter empfindet, und als nervöse Zivilistin die Xenotechnologin Marli Willka, die mit Posbis Fußball spielt und mit auf WHEELER lebenden Posbis Freundschaften unterhielt – damals, vor dem Zeitsprung. Es gibt sehr ungewöhnliche Posbi-Formen, die Matten-Willis stehen ihnen kaum nach, was Individualität und ungewöhnliches Erscheinungsbild angeht, und die Diktatur, die sich auch hier entwickelt hat, folgt Algorithmen.

In der Stadt der Letztgedanken (PR 3008) zeichnet Susan Schwartz ein noch komplexeres Bild. Der Posbi Kirt führt sie nach Culsu. Zu ihrer Überraschung hat der gesamte Planet sein Erscheinungsbild verändert: Metallene Bänder umschlingen den vollständig verborgenen Planeten. Auf ihnen sind Habitate angesiedelt, es scheint Leben zu geben. Kirts Code löst keine Reaktion aus, doch die Besatzung der Korvette entdeckt einen Raumschiffsfriedhof. Dort liegt auch ein Augenschiff der Cairaner. Xenobiologin Binice 228 Athanasiou, Kybernetiker Milo Gerenga, Atlan, Sichu Dorksteiger, Gucky und Aurelia machen sich auf den Weg, die unübersichtliche Situation zu ergründen.

Sie treffen auf die Vanth. Das spirituell ausgerichtete Volk wird von den Posbis abgeschirmt, so dass sie in Ruhe bleiben. Ihr Ziel ist es, immer langsamer zu werden, bis sie einen Zustand erreichen, in denen ihr Körper erstarrt und sie mit einem letzten, perfekten Gedanken in Gleichklang mit dem Universum treten.

Fraktionskämpfen der Posbis untereinander widmet sich Leo Lukas im Clan der Saboteure (PR 3009). Atlan und Gucky sind die Helden dieses Romans, der auf einer Dunkelwelt mit überdimensioniertem Eisenkern namens Culsu und unter Posbis spielt, deren skurrile Vielfalt sich auf dieser Dunkelwelt entfaltet. Es geht um ein Raumschiff, das verloren gehen könnte, das gefährdet war und wohl auch noch ist. Die arkonstämmige Neu-Atlanterin Lerva Onteren spielt als aktuelle Betreuerin ANANSIS eine wichtige Rolle. Die Verfasserin dieser Kolumne erinnert sich an dieser Stelle an jene auf Terra angesiedelte Kolonie mit ihrem ausgeprägten Eigenleben. Was wohl aus ihr geworden ist? Atlan bezeichnet seine zusätzliche, eigenaktive Hirntätigkeit durchgängig als »Lästersinn«.

Unser hochverehrter Kabarettist im Perryversum schwelgt in schrulligen Individuen, die komplizierte politische Winkelzüge gegeneinander verwenden und dabei – wie das 229 für seine Kompositionsweise typische vorangestellte Zitat nahelegt – von einem gemeinsamen Gegner geteilt und beherrscht werden. Doch mit Abenteuerlust, Treue und vielen, vielen Abgründen geht alles gut.

Spekulationen und Ausblicke

Fünf Folgeromane sind bereits in der Perrypedia angesagt. Susan Schwartz verfasste Willkommen auf Gongolis (PR 3010). Auf die per Mail gestellte Frage, was man von ihrem Roman erwarten könne, antwortete sie: »Ein Habitat der Terraner in der Milchstraße, eine Enklave, in der sich alles tummelt - Spieler, Glücksritter, Abenteurer, Touristen, Händler jeder Couleur und jeder Volkszugehörigkeit, eine Freizone, in der eigene Regeln gelten, und in der alles möglich ist. Größer und bunter als Babylon 5 und Deep Space Nine zusammen und genauso bedroht von äußeren (fremden) Einflüssen. Der richtige Ort für zwei Unsterbliche, um sich nach 500 Jahren wiederzusehen.«

Verena Themsen verfasste Habitat der Träume (PR 3011). Von der Gastautorin Liza Grimm, die für ihre Fantasy-Romane bekannt ist, stammt Totenschiff (3012).

Aufschlussreich, weil Programm, ist der Untertitel von Uwe Antons Zielpunkt Ephelegon. Der Terraner trifft einen alten Freund – und erfährt mehr über die neue Liga (PR 3013). Da müsste Rhodan auf Bull treffen, und die Informationen über die veränderte Milchstraße, die bisher über einzelne 230 Schauplätze vergeben werden, müssten einen höheren Grad an Zusammenhang erreichen.

Der Feind in mir (PR 3014) stammt von Michelle Stern und in Raptus Terrae (PR 3015) beschreibt Leo Lukas, wie die Erde durch eine Katastrophe im Solsystem zum Mythos wurde.

Davon abgesehen wird am 29. April der erste, von Michael Marcus Thurner verfasste und bei Bastei-Lübbe erscheinende Band der Trilogie Dunkelwelten in den Buchhandlungen erhältlich sein. Die beiden anderen Romane stammen von Madeleine Puljic und Robert Corvus. Alle drei Taschenbücher spielen im Perryversum, sind aber völlig unabhängig von Vorkenntnissen zu lesen.

231 NEO wird 200! Im Gespräch mit Rüdiger Schäfer

Der Autor und Exposéverantwortliche von PERRY RHODAN NEO wurde am 10. März 1965 in Kassel geboren und lebt nach mehreren beruflich bedingten Aufenthalten im Ausland (u. a. in Australien und Polen) seit dem Jahr 2000 in Leverkusen. Hauptberuflich ist er nach einem Studium der Betriebswirtschaft im Bereich Supply Chain und Vertrieb eines großen chemisch-pharmazeutischen Unternehmens tätig.

232 Den ersten Kontakt mit PERRY RHODAN hatte er mit zehn Jahren. 1988 initiierte er als Mitglied im Atlan Club Deutschland (ACD) die Atlan Fanzine Serie und schrieb darüber hinaus zahlreiche Kurzgeschichten. Von 2006 bis 2009 war er Vorsitzender der Perry-Rhodan-Fan-Zentrale (PRFZ). Er ist ein Autor der Atlan-Miniserien und Atlan-Taschenbuchserien sowie von PERRY RHODAN-Stardust. Im August 2014 übernahm er für ein Jahr die Betreuung der Risszeichnungen und des PERRY RHODAN-Reports.

Seit dem Jahr 2013 gehört er zum Team von PERRY RHODAN NEO. Für die Serie schrieb er bislang über 20 Romane. Seit Sommer 2015 ist er für die Exposés der Science-Fiction-Serie mitverantwortlich, ursprünglich gemeinsam mit seinem Freund Michael H. Buchholz. Nach dessen frühem Tod begann er die gemeinsame Exposéarbeit mit NEO-Autor Rainer Schorm.

Alexandra Trinley: NEO ist die zweiwöchentlich als Taschenheft erscheinende Schwesterserie von PERRY RHODAN, die Personen und Geschehnisse der größten Science-Fiction-Serie der Welt neu erzählt. Bei einer über nunmehr fast 58 Jahre dauernden fortlaufenden Erzählung ist das keine Kleinigkeit. Nun wird auch euer Baby neun – oder 200.

Rüdiger Schäfer: So ist es. Nach Band 150, der im Juni 2017 erschien, steht mit NEO 200, der am 17. Mai veröffentlicht 233 wird, ein weiterer großer Meilenstein dieser Serie an, die nun in ihr zehntes Jahr startet. Aus dem Baby ist somit inzwischen ein ziemlich strammer Bursche geworden.

AT: Bisher spielt NEO im Jahr 2058. Werdet ihr mit Band 200 auch einen Zeitsprung machen?

RS: Ja, sogar den größten, den wir bisher in der Serie hatten – nämlich drei Jahrzehnte. Wir beginnen die neue Handlung somit im Jahr 2088.

AT: Was macht ihr neu?

RS: Sehr viel. Mit NEO 199 haben wir die meisten Themen, die seit Beginn der Serie aufgeworfen wurden, abgeschlossen. Es war unser Ziel, mit Band 200 tatsächlich in eine komplett neue Ära zu starten. Die Menschheit hat die Geburtswehen als intergalaktische Zivilisation hinter sich und bricht nun endgültig zu den Sternen auf. Die ersten Kolonien entstehen – und mit ihnen jede Menge neuer Schwierigkeiten und Herausforderungen. Rainer und ich arbeiten seit über einem Jahr an den Hintergründen der neuen Welt, in die wir die Leser in den kommenden Staffeln entführen wollen. Die ersten Romane sind bereits fertig, und auch wenn das jetzt ein bisschen nach Selbstbeweihräucherung klingt: Ich war wirklich begeistert! Die Kolleginnen und Kollegen setzen die neuen Vorgaben großartig um und sind mit viel Begeisterung dabei. Das merkt man den Texten meiner Meinung nach an. 234 Ich merke das auch selbst. Gerade arbeite ich an Band 205, und selten hat mir NEO so viel Spaß gemacht wie zur Zeit.

AT: Welche Autoren habt ihr zur Zeit eigentlich?

RS: Da wären Michelle Stern, Susan Schwartz, Kai Hirdt, Arno Endler, Ruben Wickenhäuser, Oliver Plaschka sowie Rainer und ich. Mit Band 201 steigt Lucy Guth mit ein.

AT: Lucy Guth kenne ich von MADDRAX. Was schreibt sie noch?

RS: Lucy hat sich auch schon in den Genres Krimi und Fantasy versucht sowie mehrere Theaterstücke geschrieben. PR NEO hat sie lange Zeit als Leserin begleitet, so dass sie sich im Serienuniversum bestens auskennt. Ihr Erstling, den sie zusammen mit Michelle Stern verfasst hat, hat mich überzeugt.

AT: Sprechen wir über die Protagonisten. Ihr habt wesentlich weniger Zellaktivatoren als die Erstauflage. Das bedeutet schon eine neue Personenkonstellation, oder?

RS: Ja, und das machen wir auch ganz bewusst so. Was Über- und Superwesen betrifft, bleiben die höheren Schalen der berühmten kosmischen Zwiebel in NEO weitgehend unberücksichtigt. Es gibt auch nur ein sehr überschaubares Grüppchen an Unsterblichen. Das hilft uns, uns nicht zu 235 verzetteln und macht dem Leser klar, dass kaum eine Figur vor der Erbarmungslosigkeit des Schicksals gefeit ist. Auch in Zukunft werden uns immer mal wieder prominente Figuren verlassen. Das ist der Lauf der Welt …

AT: Stirbt Gucky?

RS: Irgendwann stirbt jeder, auch Gucky. Was NEO angeht, erfreut sich der Mausbiber aber bester Gesundheit und wird uns vorerst auch weiterhin erhalten bleiben.

236 AT: Viele Autoren der Erstauflage jammern über Gestaltungsprobleme bei Gucky. Wie geht es euch damit?

RS: Wir sehen das ganz ähnlich, weshalb wir derzeit an einem Konzept arbeiten, das sich mit Gucky und den Ilts beschäftigt. Da sind ja durchaus noch ein paar Fragen offen. Zum Beispiel die, warum Ilts überhaupt Parafähigkeiten haben – und was dieser evolutionär unsinnige einzelne Nagezahn soll. Wir wollen vermeiden, dass der Mausbiber irgendwann nur noch als Allzweckwaffe für Risikoeinsätze mitgeschleppt wird, ansonsten aber eine Figur ohne eigene Geschichte ist. Da wird sich also demnächst etwas tun.

AT: Eine sehr prägende Gestalt war Tuire Sitareh, der NEO lange begleitete. Mit Band 195 wurde seine Lebensgeschichte erzählt. Ist er damit draußen?

RS: Ja. Tuire Sitareh ist mit Band 199 als Figur »auserzählt«. Aber keine Sorge: Es steht prominenter Ersatz bereit, der schon in NEO 200 seinen ersten Auftritt haben wird.

AT: Und über den du jetzt nichts preisgeben wirst, klar. Auf dem Cover von Band 195 sieht Sitareh so aus, wie ich mir typischerweise Atlan vorstelle. Ähneln sich die Figuren?

RS: Mich hat das ausdrucksstarke Porträt, das unser Coverkünstler Dirk Schulz da abgeliefert hat, eher ein bisschen an Khan Noonien Singh, den berühmten Widersacher von Captain Kirk aus Star Trek, erinnert. 237 Vorgabe an Dirk war, den Tuire Sitareh von Band 101 zu nehmen und ihn dreißig bis vierzig Jahre älter zu machen. Das hat er super hingekriegt. Ich gebe dir aber recht: Der Tuire auf dem Titelbild von NEO 195 könnte auch die Rolle des Atlan spielen.

AT: Du bist Mitglied Nr. 23 des traditionsreichen Atlan Club Deutschland. Was bindet dich an den unsterblichen Arkoniden?

RS: Den ACD gibt es seit 1985. Der Club ist einer der letzten Überbleibsel des »alten« Fandoms und mit seinen rund 60 Mitgliedern nach wie vor sehr aktiv. Alle sechs Wochen erscheint unser (gedrucktes) Fanzine INTRAVENÖS (aktuell über 260 Ausgaben). Für 2019 haben wir auch mal wieder einen Wandkalender gemacht, und für 2020 ist erneut ein solcher geplant. Und natürlich findet immer noch jedes Jahr unser ACD-Con statt – 2019 sogar ganz in der Nähe meines Wohnorts Leverkusen. Atlan hat mich schon als Leser stark fasziniert. Er ist für mich einfach der Prototyp eines Helden, noch dazu ein Außerirdischer, der 10.000 Jahre Erdgeschichte teilweise miterlebt hat, also ein halber Terraner ist. Mit der Arbeit an den damaligen ATLAN-Miniserien und den ATLAN-Taschenbüchern bei FanPro habe ich die ersten Schritte als Profiautor gemacht. Das war eine anstrengende, aber tolle Zeit, in der ich viel gelernt habe.

AT: Und die interessanten neuen Figuren? 238 RS: Es gibt mehr als eine, aber Namen kann ich, wie du selbst schon gesagt hast, aus verständlichen Gründen noch nicht nennen. Wie schon in den Staffeln zuvor werden wir immer wieder bekannte Elemente der Erstauflage herauspicken und diese neu interpretieren. Zu unserem Glück haben uns die Altmeister der Serie in dieser Hinsicht ja ein gewaltiges Füllhorn von Ideen hinterlassen, das praktisch niemals versiegt.

AT: Wer von den NEO-Machern kommt eigentlich auf die Perry Rhodan Tage Osnabrück (25. und 26.05.2019)

RS: Neben Rainer Schorm und mir sind auch Klaus N. Frick und Klaus Bollhöfener in Osnabrück – und die gehören ja definitiv auch zu den »Machern«. Mit Robert Corvus und Hermann Ritter sind zudem zwei Ex-Autoren vor Ort.

AT: Und da stellt ihr die Handlung bis NEO 250 dar.

RS: Natürlich nicht im Detail, aber wir haben sicherlich den einen oder anderen Appetithappen dabei. Auf den PR-Tagen in Osnabrück ist die 200 ja gerade eine Woche alt, und ich würde mich freuen, wenn wir dort schon ein erstes Feedback von den Lesern bekämen …

AT: Du hast 199 und 200 gemeinsam mit Rainer Schorm geschrieben. Wie seid ihr da vorgegangen?

239 RS: Das hat wirklich sehr viel Spaß gemacht. Beide Romane hatten zwar jeweils zwei Handlungsebenen, und jeder von uns hat eine davon übernommen, aber dennoch gab es natürlich viele Berührpunkte. Wir haben uns die entsprechende WORD-Datei alle paar Tage hin und her geschickt, jeweils mit den eigenen neuen Kapiteln und den kommentierten Kapiteln des anderen. Ab und zu wurde der Prozess durch ein Telefonat ergänzt. Das war kreative Arbeit pur.

AT: Wo siehst du NEO in neun Jahren?

RS: Als ich NEO zusammen mit Michael H. Buchholz übernahm, hatten wir den Traum, die 150 zu reißen. Als dann Rainer dazukam, wollten wir die 200 erreichen. Inzwischen setze ich mir gar keine konkreten Ziele mehr, sondern genieße die Zeit mit NEO, solange sie eben dauert. Ob wir auch die 250 schaffen? Keine Ahnung. Aber egal was passiert: PERRY RHODAN NEO ist eine tolle Erfolgsgeschichte, an der viele Menschen beteiligt sind, die eine Menge Engagement und Herzblut in dieses wunderbare Projekt stecken. Jetzt hoffe ich einfach, dass wir unsere Leser auch weiterhin so spannend und kurzweilig unterhalten können, dass sie uns die Treue halten.

AT: Dann wünsche ich dir alles Gute dabei! Und vielen Dank für die Auskünfte.

RS: Immer wieder gern. 240 Perry Rhodan NEO auf der Verlagsseite: https://perry-rhodan.net/produkte/neo

Kurzgeschichte des Monats

Liebe Kurzgeschichten-Freunde, heute haben wir die Siegerstory aus unserer Themenrunde „Das Spiel“ im Angebot: „Feuerprobe“ von Corona-Stammautorin Regina Schleheck. Ihr herzlichen Glückwunsch zum ersten Platz, allen Autoren vielen Dank

241 fürs Mitmachen und allen Lesern natürlich wie immer viel Vergnügen bei der Lektüre. Wir freuen uns über Rückmeldungen – ob per E-Mail oder in unserem Forum unter dem Dach des SF-Netzwerks (www.sf-netzwerk.de).

Die nächsten Themen unseres regelmäßigen Story-Wettbewerbs lauten „Amulett“ (Einsendeschluss: 1. Mai 2019) und „Der Fehlgriff“ (Einsendeschluss: 1. Oktober 2019). Wer Interesse hat, sich mit einer bislang unveröffentlichten Kurzgeschichte (Science Fiction, Fantasy, Horror, Phantastik – keine Fan-Fiction) zu beteiligen, die einen Umfang von 20.000 Zeichen nicht überschreitet, schickt seine Story (möglichst als rtf-Datei, bitte auf keinen Fall als pdf) rechtzeitig per E-Mail an die Kurzgeschichten-Redaktion, die unter [email protected] zu erreichen ist. Die nach Meinung der Jury (meistens) drei besten Geschichten werden im Corona Magazine veröffentlicht.

Armin Rößler

Regina Schleheck: Feuerprobe

Unsere Vorfahren hatten es leicht. Da wurde jemand von den Eltern ausgesucht, der kriegte das Etikett „passt“, und dann war das so. Bei meinen Großeltern hat das noch funktioniert. Meine Eltern haben erst zehn Jahre lang Kinder in die Welt gesetzt, sich dann ein paar Jahre lang gezofft und 242 am Ende einen nervigen Scheidungskrieg geliefert. Als der anfing, war mein ältester Bruder 18, die anderen mit 17, 15, 15 und 13 mehr oder weniger in der Pubertät. Nur ich konnte mit meinen acht Jahren noch als Kind durchgehen. Aber mit so vielen älteren Geschwistern kann einem niemand was vormachen. Weswegen ich mich mit Gleichaltrigen schwer tat. Die Beziehungen meiner Brüder waren spannender als die Trennung meiner Eltern. Sie haben es sich gegenseitig alles andere als leicht gemacht. Die Brüder, meine ich. Die Eltern auch.

Irina hieß die Erste, die Erik mit nach Hause brachte. Es muss vorher schon ein paar gegeben haben, von denen wir nie erfuhren. Dann fielen Namen, aber er verriet nichts Genaueres, als dass er mit der und der im Kino sei. Ob Irina ein Kopftuch trüge, erkundigte sich Alex, der Name klinge russlanddeutsch. Alex war mindestens schon genauso oft ausgegangen wie Erik. Der rieb fahrig die Handrücken aneinander, ein Tick, den er sich angewöhnt hatte, seit seine Stimme erst kieksig, dann basslastig geworden war. Als ob Stimmbruch, Flaum und unproportioniertes Wachstum nicht gereicht hätten! Alle entwickelten auf einmal irgendwelche Macken. Alex konnte eine Zeitlang niemandem mehr die die Augen gucken. Die Zwillinge rempelten sich immer an, als suchten sie Halt beieinander. Sie teilten selbst ihre Ticks. Brunos Beine vibrierten. Wenn wir beim Essen saßen, wackelte die ganze Bank. Ich trat ihn unterm Tisch. Wenn ich neben ihm saß, kriegte er einen

243 Rempler. Das tat ich mit allen. Nur Paul und Tim kapierten es nicht, weil sie sich ohnehin dauernd rempelten.

Alle machten sich übereinander lustig. Oder war es mehr ein Fremdschämen? Wenn der andere sich bescheuert verhielt, fiel das auf die ganze Familie zurück. Aber es tat auch gut. Mir besonders. Gab es irgendetwas, in dem meine Brüder mir nicht voraus waren? Ja: Mir entging nichts.

Natürlich kriegte Alex keine Antwort. Das war auch nicht der Sinn der Frage gewesen. Und natürlich trug Irina kein Kopftuch, das war allen klar. Es ging immer darum, jemanden auf die Probe zu stellen. Ihn aus der Fassung zu bringen. Sie waren wie kleine Hunde, die sich bissen, um stark zu werden. Aushalten lernen. Das grundsätzliche Wohlwollen, das dahinter stand, mussten sich die Freundinnen hart erarbeiten. Ein Spiel. Aber es ging um alles. Ich habe viele scheitern sehen.

Irina kam, wurde gesehen und versagte. Aber das erfuhren wir erst am nächsten Tag. Vielmehr Alex erfuhr es. Weil die beiden ein Zimmer teilten, war er der erste, der am Sonntagmorgen die „Wie war‘s?“-Frage stellte. Da hatten die anderen sich längst im Nebenzimmer versammelt, in dem das Etagenbett der Zwillinge und Brunos Bett standen. Ich schlich ohnehin jeden Morgen zu meinen Brüdern ins Zimmer. Früher hatte immer jemand die Bettdecke gelupft und mir Unterschlupf gewährt. Als die Kinne kratzig wurden, war es aus mit Kuscheln. Dennoch saß ich oft schon 244 stundenlang in der Bücherecke der Jungs und blätterte in Bilderbüchern oder las, ehe einer von ihnen die Augen aufschlug. Märchen. Ich schwelgte in den Illustrationen, bevor ich verstand, worum es ging. Das Mädchen in dem blauen Kleidchen mit den blonden Locken, das die Hand über die Augen legte und den schwarzen Vögeln hinterher blickte, die in Richtung eines hohen Bergs flogen. Das ferne Schloss auf dem Berg. So viel Sehnsucht in der Haltung! Ach, und die Locken! Wie ich sie darum beneidete! Meine Haare waren von einem stumpfen Braun und kurz. Meine Mutter ließ uns alle paar Wochen antreten, dann kriegten wir einen Einheitsschnitt verpasst. Sie konnte das gut. Schnell, und das Ergebnis konnte sich neben dem eines Friseurbesuchs sehen lassen. Wie ich die Aufmerksamkeit genoss, das intime Miteinander, ihre Hände, die mir wieder und wieder über die Kopfhaut fuhren, Haarbüschel selektierten und aufrichteten, die Berührung zwischen Streicheln, Massieren und Ziepen, das Knirschen der Schere und die Leichtigkeit am Kopf! Gelegentlich stellte meine Mutter sogar Fragen. Wie es in der Schule gehe. Was meine Freundinnen machten. Die sie kaum kannte und immer durcheinanderwarf. Sie hätte zu viele Kinder, seufzte sie dann stets, in der Hoffnung, wir hätten Verständnis. Hatten wir nicht. Da war es ihr auch egal. Erst später, als meine Brüder sich für meine Freundinnen zu interessieren begannen, erst durch die doppelte Verknüpfung, konnte sie sie gelegentlich einordnen. Aber da war sie schon so weit weg, dass es uns auch egal war.

245 In den Märchenbüchern war alles anders. Eine andere Wirklichkeit, die dennoch hinter allem stand, was meine Welt ausmachte. Eine Welt der Gefühle, Wünsche und Träume. Ich verstand, was das Mädchen im blauen Kleid bewegte. Ebenso wie das andere, das in einem Stall hockte und ein Spinnrad mit Strohhalmen fütterte. Der strenge Blick des dicken Mannes neben ihr! Wie meine Lehrerin, wenn sie die Hausaufgaben kontrollierte. Das Mädchen machte seine Sache gut. Der Faden, der aus dem Rad lief, war ganz glatt und schimmerte goldfarben. Ja, auch ich gab mir Mühe. Glatt oder goldig konnte man allerdings kaum nennen, was am Ende rauskam. Die Mädchen, die meine Brüder mitbrachten, ähnelten denen, die ich in den Büchern fand. Sie waren immer hübsch oder zumindest hübsch frisiert und angezogen.

An jenem Morgen, als wir bei Erik und Alex an der Tür horchten, erfuhren wir, dass Irinas Bemühen nicht gereicht hatte. Was konnte man bei einem Kinobesuch schon falsch machen?

„Es ist das Gesamtpaket“, hörten wir Eriks Stimme gedämpft durch das Holz. Kichern von Alex. Dann: „Als wir rauskamen, war nichts mehr los, die Straßen leer. Dann stehst du da an der Ampel, und die zeigt Rot.“ Wieder ein Kichern. Vier Geschwister im Nachbarzimmer guckten sich an und grinsten. Alle wussten, was jetzt kam.

246 Es gab Regeln und Regeln. Und damit verhielt es sich wie mit der Märchenwelt und der richtigen. Eine der wichtigsten Realwelt-Regeln war, dass Regelwelt-Regeln in bestimmten Situationen gebrochen werden mussten. Natürlich brachte einem das keiner bei. Aber wer es nicht schaffte, zwischen dieser So-muss-es-sein- und der So-isses-Welt zu switchen, hatte verschissen. In dem Punkt war meine Brüder-Sozialisation knallhart. Alle Welt lebte danach. Die Eltern, die Respekt predigten und einander bei jeder sich bietenden Gelegenheit schlecht machten. Die Lehrer, die am Hauptgebäude hinter den Hecken rauchten. Einmal hatte ich den Mathelehrer im Auto an einer Ampel beobachtet, wie er hingebungsvoll in der Nase popelte.

Irina hatte es nicht geschnallt. Und so fand die erste Feuerproben-Regel Einzug in das brüderliche Realwelt-Regeln-Register, die Selektion potenzieller Partnerinnen betreffend: Wenn sie an einer roten Ampel stehen bleibt, geh einfach weiter. Dreh dich nicht um.

Ein Spiel, nichts weiter. Aber stehen Spielregeln nicht über allen Gesetzen?

Alex‘ Suse verhaute es schon auf dem Hinweg. Er hatte damals noch keinen Führerschein, aber Erik war einige Male mit ihm auf dem Baumarktgelände herumgekurvt, und so überließ er ihm seinen Mini. „Die Schrottkarre“, wie er sie liebevoll nannte, hielt nur noch zusammen, weil er fast täglich daran herumschraubte, und war natürlich sein ein 247 und alles. Auch das war eine unumstößliche Regel: Die Bedürfnisse deiner Brüder gehen vor. Alex, den stolzen Autobesitzer markierend, hatte Suse die Beifahrertür aufgerissen und ihr beim Anlegen des Gurts geholfen, ehe er um das Auto herum auf die Fahrerseite ging. Und was tat Suse? Strahlte und blickte erwartungsvoll durch die Windschutzscheibe, statt sich zur Fahrerseite zu beugen und die Tür von innen zu öffnen.

Es sind Kleinigkeiten, die über Wohl und Wehe entscheiden. Überall. Schwierig wird es, wenn sie sich summieren. Noch schwieriger, wenn eine größere Zahl an Augenpaaren die Abläufe überwacht. Das Regelwerk wucherte und entwickelte seltsame Blüten. Da gab es Lieder, die den jeweiligen Probandinnen vorgespielt wurden. Am Ende war es eine ganze Choreografie an Musikstücken, die gemeinsam gehört, Filmen, die gemeinsam geguckt, Büchern, aus denen vorgelesen werden musste. Chloe, die Paul als Einzige sogar mehrfach mitbrachte, schlief am Ende ein, als er ihr aus dem Kleinen Prinzen vorlas. Aus die Maus.

Vielleicht war es ja auch die Trennung der Eltern, die die Jungs so zusammenschweißte. Ihr Stolz. Ihr Autonomiestreben, das sie paradoxerweise an das Elternhaus band, andererseits dafür Sorge trug, dass es am Ende nichts, aber auch gar nichts gab, was sie nicht ohne die geregelt kriegten. Als meine Mutter mit ihrem neuen Freund zusammenzog, ging das Sorgerecht für Bruno und mich de facto an Erik und Alex über. Die Zwillinge hatten 248 sich längst in Vaters ehemaligem Arbeitszimmer einquartiert, das gleich neben dem Wohnzimmer lag, sodass sie, wenn es tatsächlich einmal erforderlich war, auf das Sofa ausweichen konnten. Bei ihnen hatten es die Mädchen ohnehin viel schwerer, weil sie unzertrennlich waren. Mutters Zimmer wurde als Eltern-Besuchszimmer genutzt. Dort sammelte sich Staub auf Hinterlassenschaften, die keiner haben wollte.

Unmerklich wuchs die Kluft zwischen der Geschwister- und der Draußen-Welt. Keiner meiner Brüder ließ etwas anbrennen. Aber die Hürde des Heims zu überwinden, muteten sie den Mädels immer seltener zu. Was hatten die da auch verloren? Freunde – klar, jederzeit. Im Prinzip. Der Bedarf an zusätzlichem männlichem Personal hielt sich naturgemäß in Grenzen. Es gab bereits genug davon.

Am Ende waren meine Freundinnen die einzigen weiblichen Wesen, die gelegentlich die Schwelle unseres Hauses übertraten. Da ich mich aber schwertat mit dem Schließen engerer Freundschaften, blieb es bei wenigen Hartnäckigen, die, wie sich herausstellte, mehr an meinen Brüdern als an mir interessiert waren. Sobald diese sie abserviert hatten, war daher auch mein Interesse an ihnen erloschen.

Dann kamen die Zwillinge mit den Raben um die Ecke. Zwei wunderschöne Exemplare mit blau-schwarz glänzendem Gefieder. Tim und Paul hatten neben dem Studium der Betriebswirtschaftslehre eine Art 249 Entrümpelungsunternehmen aufgemacht, weswegen sie immer wieder in Häuser gerufen wurden, wo jemand gestorben war und es niemanden gab, der sich um die Haushaltsauflösung kümmern wollte oder konnte. In der Wohnung eines alten Mannes hatten sie auf der Terrasse einen großen Käfig mit den beiden Vögeln vorgefunden, die, wie sie feststellten, sogar einige Brocken sprechen konnte. Den Käfig deponierten sie zunächst im Wohnzimmer, wo fortan jeder, der den Raum betrat, mit einem schnarrenden zweistimmigen „Guten Morgen!“ oder je nach Tageszeit auch mit „Mahlzeit!“ oder „Abend!“ begrüßt wurde. Wir stellten bald fest, dass die beiden vollkommen zahm waren und den Käfig gar nicht brauchten. Er diente ihnen als Futterstelle, Klo und Nachtlager. Tagsüber flogen die beiden im ganzen Haus herum, bei geöffneten Fenstern oder Türen auch schon mal außerhalb, aber sie kehrten zuverlässig zurück, weshalb sie uns bald so selbstverständlich wurden, dass wir uns gelegentlich mit ihnen unterhielten wie miteinander und ihnen das eine oder andere neue Wort beibrachten. Ihr Repertoire an Flüchen erreichte innerhalb kürzester Zeit ein eindrucksvolles Niveau. Wenn Tim oder Paul weg waren und vergessen hatten, sie zu füttern, suchten sie einen der anderen Hausbewohner auf und krächzten so lange „Hunger!“, bis man ihren Napf aufgefüllt hatte. Selbst für die Sauberkeit ihres Domizils trugen sie Sorge. War der Käfig zu lange nicht ausgemistet worden, krallten sie sich so lange im Gitter fest und schrien „Scheiße! Scheiße! Scheiße!“, bis jemand sich erbarmte und die

250 Verunreinigungen entfernte beziehungsweise den Sand austauschte.

Im Sommer darauf machte ich das Abitur, bewarb mich um ein Praktikum in einer Apotheke und lernte Jenny kennen. Sie arbeitete dort als Aushilfe. Hatte weder Pharmazie studiert noch eine PTA-Ausbildung gemacht, aber es gab keine Frage, die sie mir nicht beantworten, keinen Kunden, dem sie nicht helfen konnte. Wo die gelernten KollegInnen an Wirkstofflisten, Zusammensetzungen und Beipackangaben verzweifelten, schien sie alles im Kopf zu haben, ohne je nachschlagen zu müssen. Alle hielten große Stücke auf sie, und der Chef räumte ihr größtmögliche Freiheiten ein, was ihre Arbeitszeit anging. Um ehrlich zu sein: Sie kam und ging, wie sie wollte.

Und um ebenso ehrlich zu sein: Ich war vom ersten Moment an verliebt. Erst als ich sie das erste Mal zu mir eingeladen, alles geschrubbt und auf Vordermann gebracht hatte und sie durch unsere Gartenpforte treten sah, fiel mir auf, woran sie mich erinnerte. Sie hatte die Hand über die Augen gelegt, weil die Sonne über dem Haus sie blendete. Blonde Locken umrahmten das Gesicht und fielen über die Schultern bis zur Hüfte, über das blaue Kleid, das ihre schlanke Gestalt umspielte und ihrem Gang etwas nahezu Schreitendes verlieh. Sie schien geradewegs dem Märchenbuch entsprungen, in dem ich als Kind so gern geschmökert hatte.

251 Meine gespannte Erwartung und die Vorbereitungen mussten die Brüder wahrgenommen haben. Auch wenn sich keiner von ihnen blicken ließ, während wir im Garten Kaffee tranken und von dem Kuchen, den ich gebacken, und den Teilchen, die Jenny mitgebracht hatte, aßen und anschließend quatschten, quatschten, quatschten, als hätten wir unser ganzes Leben zu erzählen nachzuholen, während wir also vollkommen miteinander beschäftigt waren und nichts um uns herum mitkriegten, waren alle fünf in der Küche aufgeschlagen und hatten ein Abendmahl zubereitet. Erst als köstlicher Bratenduft durch das offene Fenster drang, durchmischt mit dem von selbstgebackenen Klößen und frischen Gemüsen, realisierten wir, dass es Abend geworden war. Wir trugen das Kaffeegedeck in die Küche. Tellergeklapper empfing uns. Die Zwillinge deckten den Tisch, der Rest hantierte an Herd und Spüle.

„Ihr kommt gerade recht!“, lachte Bruno, der Jenny als Erster die Hand gab. Als die beiden sich in die Augen sahen, vermeinte ich eine ähnliche Intensität zu spüren, die ich selbst empfunden hatte, als wir einander das erste Mal begegnet waren, und es gab mir einen Stich. Ich führte Jenny von einem zum anderen, und bei allen ging es mir genauso. War ich eifersüchtig? Wollte ich vorbeugen, um nicht verletzt zu werden, wenn sich meine Freundin von mir ab- und einem meiner Brüder zuwenden würde?

Dass Jenny meine Brüder beeindruckte, war unübersehbar. Eriks Handrücken rieben aneinander, Alex wusste nicht 252 mehr, wohin er gucken sollte, Tim und Paul rempelten einander unausgesetzt an, und Brunos Bein brachte die Bank zum Vibrieren. Jetzt, da sie längst alle erwachsen waren, kamen die pubertären Ticks wieder zum Vorschein. Dann wurde eine der Feuerproben nach der anderen ausgepackt. Noch bevor das Essen ganz ausgeteilt war, legte Paul eine CD auf. Wir alle wussten ja, was es bedeutete, als Alex Jenny das Servierbesteck in die Hand drückte. Sie spießte das erste Bratenstück auf und streckte die andere Hand in Richtung Erik, der ihr gegenüber saß und ihr prompt seinen Teller hinhielt. Ein Bruder nach dem anderen reichte ihr den Teller an und ließ sich bedienen. Bruno gab Gemüse, Alex Klöße, Tim schenkte Wasser und Rotwein aus. „Was für eine wunderbare Musik!“, seufzte Jenny. Sie saß vor dem Essen, bis alle etwas hatten, hob das Glas und wartete, bis die Brüder ihr zuprosteten. Als Tim nach einer Weile die CD wechselte, sang sie leise das erste Lied mit. Alex fragte auffällig-unauffällig, ob jemand Lust hätte, nachher mit ihm einen Film zu gucken, den er heruntergeladen hatte. Jenny war begeistert. Kurz: Sie stand die komplette Choreografie mit Bravour durch. Eine der schwierigsten Prüfungen waren die Raben. Auch die wurden ihr an dem Abend vorgestellt. Wie viele Mädchen hatten bei dem Anblick der riesigen schwarzen Vögel mit den großen Schnäbeln laut gekreischt! Jenny lächelte, streckte die Arme vor, und die beiden ließen sich – einer rechts, einer links – darauf nieder, behutsam, ohne ihr einen Kratzer zuzufügen, und gaben gutturale, fast gurrende Laute von sich, die Jenny nachzuahmen schien. Es wirkte, als unterhielten die drei sich angeregt. 253 Das Haus, in dem ich mit fünf Brüdern und zwei Raben zunehmend klaustrophobisch zusammengelebt hatte, erblühte zu neuem Leben.

Es fieberte fortan Jennys Besuchen entgegen. Die kam und ging, wie sie wollte, oft genug unangekündigt, aber immer höchst willkommen, und immer schafften es alle, da zu sein, wenn sie kam.

Bis die Freude eine neue Nuance annahm, zunächst fast unmerklich, die aber nach und nach für eine Spannung sorgte, die letzten Endes fast bedrohliche Züge annahm. Es gab nur eine Erklärung dafür. Jeder einzelne meiner Brüder hatte sich in Jenny verliebt. Sie alle gaben ihr Bestes, um ihr zu gefallen. Jenny ließ es sich gefallen, gab aber nie zu erkennen, dass sie den einen oder anderen bevorzugte. Sie war meine Freundin. Die die Aufmerksamkeit meiner Brüder genoss und jeden Einzelnen dafür zu lieben schien, ohne dass sie sich auf die Ebene des Flirts oder irgendwelcher Zuneigungsbekundungen begab, die über das rein Freundschaftliche hinausgingen. Da legten die Jungs eine verschärfte Gangart ein. Sie ersannen neue Prüfungen, in dem paradoxen Bestreben, sie möge sich als der entgegengebrachten Zuneigung nicht würdig erweisen.

Sie stellten Fragen, die sie, wie sie annahmen, nicht beantworten konnte. Tatsächlich musste Jenny oft lachen, gab überrascht zu, darüber noch nie nachgedacht zu haben, 254 aber wenn sie es recht bedenke, dann würde sie vermuten, dass es sich so oder so verhalte. Und sie traf immer ins Schwarze, egal, ob es um physikalische Gesetze, geschichtliche Entwicklungen oder technische Fragen ging.

Sie zeigten ihr Kunststücke, die sie sich selbst mühsam angeeignet hatten, und forderten sie zum Nachmachen auf. Lauter verrücktes Zeug. Jenny probierte – und es gelang. Sie jonglierte mit drei, dann vier und fünf Bällen, die Tim ihr zuwarf. Sie zog – wie Bruno vormachte – mit einer Hand ein Streichholz aus der Schachtel, zündete es und mit der Flamme eine Kerze an. Sie kletterte hinter Paul die Regenrinne hoch bis zum Dach und gelangte auf allen vieren bis zur Speicherluke.

Schließlich begannen sie, sie aufzufordern, Dinge zu tun, die sie selbst nicht hinkriegten. Auch da schlug sie sich wacker. Sie fand die Ursache, warum Eriks Auto nicht ansprang, auf die er, der Automechaniker, noch nicht gekommen war. Sie kriegte einen komplizierten Barrégriff auf Alex‘ Gitarre hin, der bei ihm nicht klappte, obwohl sie selbst, wie sie sagte, noch nie ein Saiteninstrument gespielt hatte. Und befreite einen der Raben aus dem Fußballnetz, in das er sich verheddert hatte, ohne dass die Zwillinge ihm hätten helfen können, weil er wütend nach ihnen hackte, sobald sie sich näherten.

In Jennys Lachen schlich sich etwas ein, das ich nicht anders als Genervtsein verstehen konnte. Die ganze Zeit hatte ich 255 mich komplett herausgehalten. Hätte ich eingreifen sollen? Sie war alt genug, uns zu sagen, wenn sie etwas nicht wollte.

Dann kamen die Zwillinge eines Tages mit dem Spinnrad daher, das ihnen beim Entrümpeln eines Dachbodens in die Hände gefallen war. Als sie es in die gute Stube stellten und Jenny fragten, ob sie spinnen könnte, lief Bruno, noch während sie das Gerät inspizierte, hinters Haus zum Kaninchenstall und kehrte mit etwas Stroh zurück. Er hielt es ihr hin, und die Jungs skandierten: „Stroh zu Gold! Stroh zu Gold! Stroh zu Gold!“

Natürlich war es ein Witz. Was sonst?

Meine Freundin runzelte die Stirn. Dann sah sie einen meiner Brüder nach dem anderen eindringlich an und fragte schließlich. „Und wenn? Zeigt ihr mir dann, wie ihr fliegen könnt?“

Die Jungs grölten, lachten, riefen „Gebongt!“ und scharten sich erwartungsvoll um sie.

Da zupfte Jenny sich das Stroh zurecht, begann das Schwungrad mit dem Pedal in eine gleichmäßige Drehung zu bringen und zu spinnen.

Es gibt keine Erklärung. Aber es war so: Sie spann das spröde Stroh zu einem feinen Goldfaden. 256 Niemand sagte einen Ton, während sie bei der Arbeit war. Erst als sie das Bündel Stroh vollständig versponnen hatte, stand sie auf, zog den goldenen Faden ab, flocht ihn zu einem runden Band, das sie mir wie einen Reif auf den Kopf setzte, wandte sich meinen Brüdern zu und sagte: „Hopp!“

Die Jungs starrten sie an.

Da klatschte Jenny in die Hände. Einmal. Zweimal. Dreimal.

Meine Brüder zuckten zusammen und begannen sich zu winden. Sie krümmten sich und breiteten die Arme aus, wechselten die Farbe und schienen in sich zusammenzuschrumpfen. Ich konnte gar nicht schnell genug von einem zum anderen gucken, um zu verfolgen, wie sie sich in große schwarze Raben verwandelten. Die Raben der Zwillinge, die bis dahin schweigend auf der Lehne der Bank gehockt hatten, begannen aufgeregt zu krächzen. Die zu Raben verwandelten Brüder krächzten zurück und flatterten.

Jenny ging zur Tür und öffnete sie. „Na, los, zeigt, was ihr könnt!“, sagte sie. Da hüpfte einer der Raben nach dem anderen in die Höhe, breitete die Flügel aus und glitt durch die Luft ins Freie.

Ich hatte die ganze Zeit wie erstarrt dagestanden. Jetzt lief ich hinterher, nach draußen, zu Jenny, schrie: „Nicht!“ 257 Die Raben schrien, flatterten aufgeregt um meinen Kopf, gewannen an Höhe und flogen davon. Sieben schwarze Raben.

„Sorry“, sagte Jennys Stimme hinter mir. „Sie haben es nicht anders gewollt.“

Jäh erfasste mich solche Wut, dass ich, hätte ich etwas Geeignetes zur Hand gehabt, sie mit Sicherheit auf der Stelle erschlagen hätte. „Hau bloß ab und komm mir nie wieder unter die Augen!“, brüllte ich. „Es tut mir leid“, wiederholte Jenny. Ich schrie und begann, mit bloßen Fäusten auf sie einzudreschen. Da hielt sie mich an den Handgelenken fest und sagte ein drittes Mal: „Ich habe das nicht gewollt.“ „Hau ab!“, brüllte ich. Da ließ sie mich los, drehte sich um und ging.

Ich ließ sie gehen. Stand da und suchte den Himmel ab. Sah die Raben nicht mehr. Da war auch kein Schloss auf hohem Berg in weiter Ferne. Nur Himmel und Wolken. Als ich den Blick wieder senkte, war auch Jenny verschwunden.

Ich ging ins Haus. Saß lange auf einem der Stühle und wartete. Was sollte ich machen? Die Polizei rufen? Dann konnte ich mich auch gleich einweisen lassen. Ich musste eine Halluzination gehabt haben. Anders war das alles nicht zu erklären. Irgendwann würden meine Brüder

258 wiederkommen, und alles würde sich als dummer Witz herausstellen.

Irgendwann musste ich eingeschlafen sein. Als ich aufwachte, dämmerte der Morgen. Meine Glieder waren steif, das Kleid hochgerutscht. Ich stand auf und zog es glatt. Schlagartig fiel mir alles wieder ein. Das blaue Kleid. Jenny hatte es mir geschenkt, als ich ihr gestanden hatte, wie schön ich es fand.

Jenny! Wo waren meine Brüder? Ich rief nach ihnen. Nichts. Lief in alle Zimmer. Niemand da. In meiner Verzweiflung schaute ich schließlich im Badezimmer nach. Nichts. Mein Blick fiel in den Spiegel über dem Waschbecken. Was leuchtete da auf meinem Kopf? Der Goldreif fiel mir wieder ein. Ich tastete nach dem Schalter. Das Licht über dem Spiegel flammte auf. Das Gesicht, das mich anblickte, war verändert. Was auf meinem Kopf so geleuchtet hatte, waren meine Haare. Blonde Locken, hochgebunden. Deshalb war es mir nicht gleich aufgefallen, dass ich keinen Kurzhaarschnitt mehr hatte. Was mich am meisten erschreckte, waren nicht die Haare. Es war das Gesicht, das mich im Spiegel anblickte. Jennys Gesicht.

Regina Schleheck hat sich im Krimi wie in der Phantastik durch vielfache Auszeichnungen, unter anderem dem Friedrich-Glauser-Preis der deutschsprachigen Krimautoren 259 und dem Deutschen Phantastikpreis, einen Namen gemacht. Domäne der in Köln aufgewachsenen Oberstudienrätin und fünffachen Mutter ist die Kurzprosa. 2018 erschienen von ihr unter anderem der Kriminalroman „Tod in Herford“ und die Krimi-Kurzgeschichtensammlung „Mörderisches Leverkusen und Umgebung – 11 Krimis und 125 Freizeittips“, außerdem der Phantastik-Jugendroman „Luca und das Mal der Fürsten“ und die Jugenderzählung „Wipper-Wein“. www.regina-schleheck.de

Interview mit einem Zombie-Autor – Im Gespräch mit Damon Whitehead von Thorsten Walch

TW: Hallo Damon, freut mich, dass sich mal die Gelegenheit zu einem kleinen Interview ergibt. Du bist bekanntermaßen ja ein recht bekannter Horror-Autor, und ich möchte mit ein paar zwar banalen, aber nichtsdestotrotz sicherlich interessanten Fragen beginnen: Wann hast Du mit dem Schreiben begonnen, und waren es von Anfang an Horror-Geschichten? Und wo fanden Deine ersten Veröffentlichungen statt?

DW: Hallo Thorsten, wie viele andere Kollegen habe ich als Jugendlicher angefangen zu schreiben. Aber mit einem 260 bestimmten Datum, das die Fans feiern könnten, kann ich leider nicht dienen. Damals stand ich im Bann der Heftserie Dämonenkiller. Meine Horror-Geschichten waren sehr stark vom Rio-Machu-Picchu-Zyklus beeinflusst. Bei mir gab es auch eine Expedition, Urwaldmonster und eine versunkene Stadt. Selbstverständlich muss man diese ersten schreiberischen Gehversuche als naiv und unausgereift bezeichnen. Gehen wir also nachsichtig lächelnd darüber hinweg und lassen die vollgeschriebenen Schulhefte in der Schublade liegen. Der eigentliche Beginn einer ernsthaft zu nennenden Schreiberei liegt noch gar nicht so lange zurück. 2013 hatte ich die Zombie-Romane von Brian Keene gelesen und mich anschließend gefragt, wie wohl eine Zombie-Apokalypse auf Mallorca aussehen könnte. Die Konzeption stand recht schnell. Und der erste Roman der Reihe erschien 2013 im Selbstverlag.

TW: Du schreibst Zombie-Horror-Geschichten, unter anderem die Zombies auf Mallorca-Reihe, in der Du die „Zombiekalypse“ dorthin verlegst, wo Du selbst ja auch lebst. Übrigens gefällt mir an Deinen Romanen besonders Deine zynische und sarkastische Schreibweise, die nahelegt, dass Du das Ganze nicht so furchtbar bierernst nimmst wie gar mancher andere Horror-Autor. Jedenfalls sagt man ja innerhalb des Horror-Genres gern, Zombies seien die neuen Vampire, es gibt ja nach wie vor einen ausgesprochenen Boom, natürlich auch bedingt durch TV-Serien wie The 261 Walking Dead und Z-Nation. Wie bist Du eigentlich selbst auf das Zombie-Horror-Genre gekommen, und was macht Deine Faszination ausgerechnet für diese meist wenig anziehenden labberigen Untoten aus?

DW: Bei der Frage muss ich tief in meiner Vergangenheit graben. Als ich Karloffs Frankenstein zum ersten Mal gesehen habe, war das, glaube ich, so etwas wie eine Initialzündung. Ich war fasziniert von der Kreatur, einem Wiederbelebten. Im engsten Sinne eigentlich ein Zombie. Später entdeckte ich Romeros Die Nacht der lebenden Toten und Day of the Dead. Von da an hatte mich der Zombie-Virus infiziert. Aber mich interessiert dabei weniger der einzelne Zombie oder das Woher oder Warum. Sondern die unterschwellige Gesellschaftskritik in der Thematik, aber vor allem die dystopische Dimension einer weltweiten Apokalypse, in der die letzten Menschen ums Überleben kämpfen. Ich folge da ganz Romero, der immer wieder die Auswirkungen einer solchen Katastrophe aufzeigt. Anstatt gegen den gemeinsamen Feind, die Untoten vorzugehen, bekriegen sich die Überlebenden selbst. Die Frage „Hat die Menschheit eine Zukunft?“ bekommt in dem Zusammenhang eine geradezu elementare Bedeutung.

262 TW: Ich selbst habe seit meiner Kindheit gern Horror-Heftromane wie etwa die Gespenster-Krimi-Reihe gelesen, die es mittlerweile ja wieder gibt. Zumindest vom Umfang her ähneln Deine Romane den Romanheftchen, auch wenn Dein Schreibstil ein völlig anderer ist. Ist das so beabsichtigt beziehungsweise hattest Du ursprünglich geplant, mal für eine solche Romanreihe zu schreiben oder möglicherweise gar tatsächlich getan? Du verwendest ja schließlich auch ein Pseudonym wie schon Earl Warren, Jason Dark und A.F. Morland vor Dir …

DW: Zuerst einmal verneige ich mich vor den drei genannten Autoren. Sie gehören zu den Urgesteinen der

263 Unterhaltungsliteratur und haben mich natürlich in der einen oder anderen Weise bestens unterhalten und auch geprägt. Wenn man mit den verschiedensten Heftserien aufgewachsen ist, färbt die Art, Geschichten zu erzählen, zwangsläufig ab. Ich mag an den Romanen, dass sie direkt zur Sache kommen, kompakt und präzise auf den Punkt geschrieben sind. Sie sind zu Unrecht verpönt, denn mir sind schon einige „Groschenhefte“ untergekommen, die gehaltvoller, besser geschrieben und fantasievoller waren als so mancher 800-Seiten-Wälzer. Zum zweiten Teil Deiner Frage kann ich nur sagen, dass es durchaus ein geheimer Wunsch von mir ist, an einer der laufenden Serien mitzuschreiben. Ich glaube aber, dazu bin ich zu undiszipliniert und außerstande, ernsthaft zu bleiben. Stell dir Professor Zamorra vor, der bei Nachforschungen bestohlen wird, seine Klamotten im Lauf der Handlung verliert und schließlich nackt vor Zombies auf eine Toilette flieht. Hätte sicher Potential, wäre aber wahrscheinlich nicht im Sinne des Verlages.

TW: Auf den Covers Deiner Romane steht unter Deinem Namen in Großdruck stets etwas kleiner der Name „Jutta Wiese“ geschrieben. Wer ist Deine Co-Autorin eigentlich, und in welcher Weise arbeitet sie mit Dir zusammen?

264 DW: Jutta Wiese ist meine Frau. Sie ist selbst Autorin und Bloggerin. Unsere schriftstellerische Zusammenarbeit begann Ende 2017 mit der Überarbeitung der älteren, bereits veröffentlichten Titel. Die späteren Erstauflagen haben wir von Anfang an zusammen geschrieben, wobei wir uns bestens ergänzen. Zunächst fabuliere ich, was das Zeug hält, bringe alle meine durchgeknallten Einfälle und den Gesamtplot zu Papier. Sobald ich damit fertig bin, geht das Manuskript in ihre Hände. Sie bringt dann Logik und Ordnung ins Chaos, peppt den Text sprachlich, also stilistisch auf, und falls nötig, kürzt oder ergänzt sie auch Szenen bzw. lässt eigene Ideen einfließen. Sie besitzt einen ähnlich schwarzen Humor wie ich, was sich aufs Endergebnis positiv auswirkt. Im Anschluss setzen wir uns nochmals zusammen und gehen dieses Endergebnis durch. Dabei wird oft gelacht, aber manchmal fliegen auch die Fetzen, denn sie kennt keine Gnade. Am Ende kommen wir aber immer auf »einen Nenner« und freuen uns auf die Veröffentlichung. Zudem bewirbt sie die Romane und Kurzgeschichten in den sozialen Medien und auf ihrer Website mit integriertem Literaturblog. Das hält mir den Rücken für neue Roman-Projekte frei, denn mein Kopf ist ständig voll mit dementsprechenden Ideen.

TW: Man findet Deine Romane ja vorwiegend auf dem E-Book-Sektor. Gibt es eigentlich auch gedruckte Ausgaben davon?

265 DW: Ja, einige sind bereits auf dem Markt. Wir bauen dieses Segment gerade aus.

TW: Neben den regulären Zombies auf Mallorca-Romanen gibt es auch eine Reihe, die Zombies auf Mallorca – Outtakes heißt. Was genau hat es damit auf sich? Ist das eine Art Spin-Off, so wie Fear The Walking Dead?

DW: In gewisser Weise sind das Oneshot-Spin-Offs. In diesen Outtakes geht es um die Schicksale diverser Protagonisten, die letztlich nicht in die Hauptbände von Zombies auf Mallorca eingebunden wurden, aber trotzdem das Potenzial für eigene, unterhaltsame Short Stories in sich tragen.

TW: Hast Du eigentlich Vorbilder im literarischen Bereich und natürlich aus dem Horror-Genre?

DW: Ja, durchaus. Aber Horror-Autoren gehören eher nicht dazu, bis auf Hugh Walker und mit Abstrichen Brian Keene. Ich fühle mich eher bei Autoren wie Richard Brautigan, Mark Twain, Philip K. Dick und Karl May bestens aufgehoben.

TW: Hier nun eine etwas persönliche Frage, die Du natürlich nicht beantworten musst, wenn Du nicht möchtest: Du lebst in Deutschlands Ferienparadies Nr. 1, auf der Insel Mallorca. Sind Deine Romane erfolgreich genug, dass Du Dir das einrichten konntest, oder gehst Du möglicherweise neben 266 der Schreiberei noch einem anderen Beruf nach?

DW: Wir leben schon viel länger als 2013 auf der Insel. Dieser Umstand hat also nichts mit den Buchveröffentlichungen zu tun. Ursprünglich komme ich aus der Film- und Fernsehbranche. Ich habe Animation studiert und mittlerweile knapp 30 internationale Spielfilme, diverse TV-Filme und etliche Commercials auf dem Buckel. Unsere Romane sind erfolgreich, aber über Zahlen rede ich nicht öffentlich.

TW: Es gibt ja in Deutschland mittlerweile einige große Horror-Conventions wie das Weekend Of Horrors in Dortmund oder das House Of Hell in Oberhausen (wo ich lebe, übrigens … also, nicht auf der Convention jetzt …). Dort kann man neben Schauspielern, Effektemachern und Maskenbildnern aus berühmten Horror-Franchises auch jede Menge Autoren aus dem Genre treffen, die dort Lesungen abhalten und ihre Werke vorstellen. Sieht man Dich auch auf solchen Veranstaltungen, und falls ja, auf welchen?

DW: Klingt sehr interessant, aber über derartige Events habe ich mir, ehrlich gesagt, noch nie Gedanken gemacht. Vielleicht deshalb, weil ich auf einer Urlaubsinsel lebe und wir einen »kleinen« Privat-Zoo an ehemaligen Straßentieren halten, der nur selten ein Reisen ermöglicht. Natürlich spielt auch die langjährige Tätigkeit in der VFX-Branche eine Rolle. In diesem Job ist man oft unterwegs, und irgendwann 267 kommt der Moment, wo man denkt: Nein, jetzt reicht's mit dem Nomadenleben und arbeitet – wenn möglich - nur noch von zuhause aus. So war es zumindest bei mir.

TW: Noch eine Frage zum Abschluss: Was ist Dein nächstes (Buch-)Projekt?

DW: Als nächstes wird Zombie-Killer 3 – Am Ende ohne Hoffnung erscheinen, desweiteren plane ich die Fortführung der anderen Serien der Zombiekalypse Now-Reihe: Zombies auf Mallorca - Teil 4; Titti Powers 2; Zombie-Killer 4 … Möglich, dass ich Ende des Jahres noch die Fortsetzung zu Raul Brscinski, Serienkiller nachlege.

TW: Damon, ich danke Dir für das interessante Gespräch, und wir vom Corona Magazine wünschen euch weiterhin viel Erfolg!

DW: Den wünsche ich Euch auch. Danke für die Möglichkeit, dabeizusein.

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269 Perlentaucher: Perdido Street Station von China Miéville von C. R. Schmidt

Ein Laie, der den Begriff Fantasy hört, denkt im Allgemeinen an Zwerge, Elben und Zauberer, die sich durch fremde Welten schlagen. Seit einigen Jahren sind klassische Fantasy-Figuren wie Werwölfe und Vampire jedoch auch in die moderne Welt eingedrungen. Solche magischen Parallelgesellschaften werden in Urban-Fantasy-Romanen der Neuzeit durchleuchtet. Doch egal wo diese Geschichten spielen: Die urtypischen Figuren aus den Mythologien der gesamten Weltgeschichte bleiben. Eine Sichtung der berühmteren Werke des Genres bestätigt das nur: Tolkien hat damals einen Ball ins Rollen gebracht, der heute noch immer seine Schneise der Verwüstung durch ein ganzes Literaturgenre zieht.

Autoren wie China Miéville stellen sich diesen Entwicklungen in den Weg. Der 46-jährige Brite hat einmal gesagt, dass Tolkien der Grützbeutel am Hinterteil der Fantasy-Literatur sei. Für ihn hat die Fantasy gerade erst ihre viel zu kleinen Füße in ihre Kinderschuhe gezwängt. Ein gewagtes Statement, doch der Stich hat gesessen: Es ist tatsächlich nicht leicht, wenn nicht sogar unmöglich, selbst

270 in einem gut sortierten Buchladen Fantasy-Romane zu finden, die sich nicht um Gnome, Orks und Kobolde drehen.

An dieser Stelle mag man sich fragen, wie denn eine Fantasy-Geschichte aussehen mag, die auf die Säulen dieses Genres verzichtet. Vielleicht mag man sogar Miéville einen bösen Blick zuwerfen, weil er Ecksteine und respektierte Autoren eines Genres angreift.

Miéville reagiert lachend, er schließt sich in einem Zimmer ein und erzielt mit Perdido Street Station (2000) einen waschechten Homerun.

Von Monstermotten und Kaktuskerlen

Wer einen Blick in Miévilles Welt mit dem Namen »Bas-Lag« wirft, dem wird vermutlich vor schierer Kreativität schwindlig. Neben Menschen bevölkern intelligente Wesen wie Kaktusmenschen oder mehrdimensionalen Spinnen den Planeten, die nur in Stream-of-consciousness-Poesie sprechen. Perdido Street Station spielt zu Beginn im Stadtstaat New Crobuzon, regiert von einer Militärdiktatur, versehen mit einem Hauch Steampunk und gänzlich unpoliert. New Crobuzon ist versifft, voll mit gefährlichen Gestalten und gefährlichen Kreaturen, die in den Schatten lauern, regiert von brutalen und korrupten Faschisten. Inmitten der Stadt ragen die gigantischen Knochen eines Brustkorbs aus dem Boden, so alt, dass niemand ihre Herkunft kennt. Niemand möchte sie ausgraben, da 271 diejenigen, die es versuchen, so lange grässliche Albträume haben, bis sie aufgeben.

In Bas-Lag sprüht es nur so vor Details und Wesen, die so fremd sind, dass sie den Leser regelrecht desorientieren. Die Einflüsse von Mythologien auf der ganzen Welt sind offensichtlich: Die Vogelmenschenrasse der Garuda stammt aus der asiatischer Mythologie, und die Khepri, Frauen mit Skarabäen als Köpfen, sind offensichtlich an die gleichnamige ägyptische Gottheit angelehnt. Diese Details werden jedoch in einen Mixer gesteckt, fein püriert und mit ganz anderen Merkwürdigkeiten vermengt. In New Crobuzon gibt es zwar Magier, doch ebenso Cyborgs, Roboter und Schusswaffen. Miévilles Roman wird dem sogenannten Genre »New Weird« zugeordnet, und der Name könnte unmöglich besser passen.

So schräg, dass es wieder gerade ist

Die Geschichte dreht sich um den menschlichen Wissenschaftler Isaac dan der Grimnebulin, der im Zuge eines Experiments aus Versehen eine große, seelenfressende Motte auf die Welt loslässt. Seine Versuche, seinen Fehler rückgängig zu machen, bringen ihn und seine Gefährten in viele Gefahren, zeigen aber auch die vielen irren Facetten der Stadt New Crobuzon, deren Charme sie schon fast zu einem eigenen Charakter werden lässt.

272 Es handelt sich bei Miévilles Helden keinesfalls um noble Paladine, sondern um klassische Antihelden, die ihre eigenen Probleme offen mit sich herumtragen. Die teils fremdartigen Wesen werden in ihrer Einzigartigkeit nicht nur einfühlsam, sondern verständlich dargestellt. Der Garuda namens Yagharek zum Beispiel hat seine Flügel verloren und möchte nichts lieber als wieder fliegen zu können. Er beginnt als waschechter Außenseiter, er wächst dem Leser rasch ans Herz, doch wird ebenso schnell durch neue Erkenntnisse wieder zu einem unangenehmen Genossen gemacht. Miévilles Figuren sehen aus wie Zirkusfreaks, doch ihre Andersartigkeit wird dem Leser perfekt aufgebahrt und verständlich gemacht. So kann schnell eine Träne vergossen werden, wenn einem der merkwürdigen Recken etwas Schlimmes geschieht.

Fazit

Miéville zeigt, was das Fantasy-Genre alles sein könnte, wenn es sich nur einmal aus seiner Komfortzone bewegen würde. Einige der Elemente von Miévilles Welt sind atypisch für Fantasy, doch nüchtern betrachtet ist sie problemlos in dieses Genre einzuordnen. Es ist ein Abenteuer in einer fremden Welt voller ebenso fremder Wesen und Magie. Science-Fiction und vor allem Horror, selbst welcher von der Marke Lovecraft, lassen sich hier aber ebenso finden.

Natürlich ist Perdido Street Station kein Buch für Jedermann. Bas-Lag und seine Bewohner werden durch 273 Miévilles kreatives Talent für Sprache wundervoll beschrieben, doch wer dieses Buch liest, muss einen wachen Geist besitzen. Miéville führt zwar, wie es in der Fantasy übrig ist, ein Vokabular ein, doch wer zwischen Remade und Konstrukten unterscheiden will, muss auch ebenso wissen, was der Unterschied zwischen Metallo- und Biothaumaturgie ist. Miéville ist abenteuerlich, und seine Formulierungen sind davon genauso betroffen wie seine Welt.

Unterm Strich ist Perdido Street Station, ebenso wie die dazugehörigen, in derselben Welt spielenden Fortsetzungen The Scar und Der Eiserne Rat ein waghalsiges Abenteuer für die Leser. Wer Zwerge und Elben oder Vampire und Werwölfe satt hat, dem ist es dringend empfohlen, hier zuzuschlagen. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass Miéville die Fremdartigkeit seiner Welt wirklich voll und ganz ausreizt. Es ist also keine Geschenkidee für Mama oder den kleinen Timmy, die gern mal Fantasy lesen, sondern für diejenigen, die Grenzerfahrungen suchen.

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275 Frank Hebben, André Skora & Armin Rößler präsentieren: Elvis hat das Gebäude verlassen

Armin Rößler, im Corona Magazine seit Jahren für die Kurzgeschichten-Rubrik verantwortlich, hat im bewährten Team mit Frank Hebben und André Skora eine weitere Anthologie mit Science-Fiction-Storys herausgegeben: „Elvis hat das Gebäude verlassen“ (Begedia Verlag, 2019) vereint Retro-Charme und Cyberpunk. Das 252 Seiten starke Buch enthält elf Erzählungen von Anja Bagus, Mario H. Steinmetz, Christian Vogt, Tobias Fromme, Armin Rößler, Andreas Flögel, Peter Hohmann, André Geist, Christian Künne, Kay Noa und Thorsten Küper sowie farbige Grafiken von Santana Raus, Jan Neidigk, Gloria H. Manderfeld, Volker Konrad, Carsten Dörr, Si-yü Steuber, Stanislaw Rozin, René Nowotny, Nummer 85, Christoph Jaszczuk und Michael Marrak. Das Titelbild stammt von Jan Neidigk. Das Herausgeberteam war in der Vergangenheit bereits für die viel gelobten Anthologien „Tiefraumphasen“ (Begedia, 2014) und „Gamer“ (Begedia, 2016) verantwortlich.

Cyberpunk goes Fifties! ELVIS IS ALIVE!

276 Das Jahr 1957. Lederbekluftete Greaser präsentieren ihre chromfunkelnden Rocketcars und Jetpacks. Die Tolle ist immer auf Krawall gebürstet, den Girls vor den Eisdielen oder im Autokino imponierend, von dröhnender Musik aus den Boxen unterstützt. Rockabilly und Petticoats, Jukebox und Milchshakes, während der Kalte Krieg als greller Schädel zum Himmel hochwächst – ehe die Welt untergeht trotz Heimbunker im Garten unter dem gepflegten, grünen

277 Rasen. Oder als Sputnik seine Radiosignale aus dem All funkt – und die Magnetbänder des Pentagon durchdrehen! Als Simon, der erste Heimcomputer, in den Hobbykellern und Garagen zusammengebastelt wird. Und Elvis lässt die Hüften kreisen zum Jailhouse Rock.

Elf Geschichten über Rebellen und Spione, über Helden und Antihelden, die die Großrechner das Fürchten lehren, bis den Superschurken das breite Grinsen in der Sonne zerschmilzt. Die Finger vom Knopf: heile Welt! – Einmal Himmel und zurück. – Over and out!

Frank Hebben / André Skora / Armin Rößler (Hrsg.) Elvis hat das Gebäude verlassen Begedia Verlag, 2019 252 Seiten ISBN-10: 395777117X ISBN-13: 978-3957771179 Taschenbuch: 15,90 Euro E-Book: 4,99 Euro

Das Buch bei Amazon: https://www.amazon.de/Elvis-hat-das-Geb%C3%A4ude-v erlassen/dp/395777117X/

278 George R. R. Martin vor »Game of Thrones«

Vortrag von Hermann Ritter

Als ich in den frühen 80er Jahren anfing, mich aktiv mit Fantasy zu beschäftigen, war George R. R. Martin noch kein Thema. Martins erste Veröffentlichung auf Deutsch war ein Artikel im Magazin »Comet« über Schachcomputer, erschienen 1977. Der Titel war unfassbarerweise »Der Computer war ein Fisch«.

In der 1981 erschienenen und von uns als Fans begeistert gelesenen Doktorarbeit »Fantasy – Theorie und Geschichte« von Helmut W. Pesch gab es Martin als Stichwort noch nicht. 1980 beschrieb ihn das im Heyne-Verlag erschienene »Lexikon der Science Fiction Literatur« noch folgendermaßen: »Martin gilt als ein SF-Nachwuchsschriftsteller, der zu größten Hoffnungen berechtigt.«

25 Jahre später habe ich an dem »Lexikon der Fantasy-Literatur« mitgearbeitet. 2005 schrieben wir dort über ihn und die 1996 gestartete Serie »A Game of Thrones«: »Insgesamt dürfte der auf inzwischen mindestens sechs Bände konzipierte Zyklus zu einem der ganz großen Werke

279 der Fantasy heranwachsen, meisterhaft durchdacht und meisterhaft geschrieben.«

Irgendetwas ist also in diesen 25 Jahren passiert – vom Nachwuchsschriftsteller zum großen Meister der Fantasy. 1980 war Martin 32 Jahre alt. Er hatte schon zwei Jahre als Zivildienstleistender gearbeitet und es geschafft, sich in der Science Fiction-Szene einen Namen zu machen So war er mehrmals für die wichtigen Preise – den »Hugo« und den »Nebula« – vorgeschlagen worden. Damals mit einer Science Fiction Autorin liiert – Lisa Tuttle – schrieb man gemeinsam, die weitere Karriere erschien vorgeprägt. Martin selbst war zu der Zeit höchstens noch dafür bekannt, dass er ein Comic-Fan war. Er war der erste, der – noch grob minderjährig – 1964 eine Karte für den ersten Comic Con in den USA erwarb. Seine Leserbriefe erscheinen in »Marvel«-Comics, als das Ganze noch ein Territorium für absolute »Nerds« war.

Der deutsche Markt wurde auch dementsprechend bedient. In den frühen 80er Jahren war Martin auf der einen Seite als Kurzgeschichtenautor vermarktet worden – von »Lieder von Sternen und Schatten« (1979) über »Die zweite Stufe der Einsamkeit« (1982) bis »Sandkönige« und »Im Haus des Wurms« (beide 1985). Die SF-Kurzgeschichtenserie »Tuf Voyaging« aus den 80ern erschien erst 2013 auf Deutsch, dann als »Planetenwanderer« mit dem dicken Aufkleber »Vom Game of Thrones Bestsellerautor«.

280 Bei den Kurzgeschichten waren schon einige Perlen enthalten, die vermuten ließen, dass Martin in der Lage war, bleibende Erinnerungen zu erzeugen. So ist »Die Ausfahrt nach San Breta« (erschienen in »Die zweite Stufe der Einsamkeit«) eine moderne Horror-Geschichte, eine Art »Fliegender Holländer« auf dem Highway, während »Nachtschicht« (in »Lieder von Sternen und Schatten«) eine Art Trucker-Science Fiction sein könnte.

Und dieselben Jahre waren es auch, in denen Martin seine – für mich – klassischen drei Romane schrieb. Der erste, »Die Flamme erlischt«, kam 1978 auf Deutsch heraus. Er gehört zu einem großen Science Fiction-Universum, das Martin immer wieder als Hintergrund für vereinzelte Geschichten benutzt hat. Es geht in diesem Roman um Freundschaft, um Liebe – irgendwie eine Art »Casablanca« im Weltraum, wenn man das kurz zusammenfassen will.

»Fiebertraum«, sein großer Vampir-Roman, erschien 1982 auf Deutsch. Den neuen deutschen Titel, »Dead Man River«, finde ich nicht so glücklich gewählt, aber man kann nicht alles haben. »Fiebertraum« trifft es besser – eine Reise über den Mississippi, startend 1857, gepaart mit Vampiren und einer längeren Diskussion über die Frage, was eigentlich Freundschaft ist. Wie auch »Die Flamme erlischt« hat der Roman einen Epilog, in dem es eigentlich nur um die Unsterblichkeit der Freundschaft geht.

281 Dann – Nummer 3. »Armageddon Rock«, geschrieben 1983, auf Deutsch erschienen 1986. Ich arbeitete damals neben dem Studium für diverse Verlage, unter anderem auch für »Fantasy Productions«, die Herausgeber von Martin in Deutschland. Ich hatte mir das Buch gekauft, weil ich Martin interessant und Rockromane gut fand. Der Untertitel »Ein Langspiel-Roman in Stereo« reizte mich, und ich bestellte. Was soll ich sagen, ab dem Einstieg war ich »hooked«, also süchtig: »Es war nicht gerade einer von Sandy Blairs allerbesten Tagen. Natürlich hatte sein Agent die Rechnung für den Lunch bezahlt, aber das machte nur zum Teil wieder wett, wie er auf Sandys Argumente bezüglich des Abgabetermins für den Roman reagiert hatte.«

Ich las den Roman. Ich las den Roman erneut. Ich las den Roman zum dritten Mal. Dann rief ich Werner Fuchs an, den Chef von »Fantasy Productions«, und fragte ihn, was eine signierte Ausgabe kosten würde. Eine Palette von »Armageddon Rock«, so wurde mir beschieden. Dankenswerterweise hatte ich die vorhergehenden Tage mit der Frage verbracht, wie ich das leicht anrüchige Erbe meiner faschistischen Großtante Hildchen einsetzen könnte, ohne dass ich mich dafür schämen müsste. Die Kombination aus meiner deutschtümelnden Großtante, die mich nur deshalb nicht wegen meiner langen Haare und meiner linken Einstellung enterbt hatte, weil sie es am Ende in der Demenz vergaß, 282 mit dem langhaarigen, linken Autor George R. R. Martin gefiel mir. Ich investierte also das ganze Erbe – damals für mich als Student ein kleines Vermögen, nämlich über 3000 Mark – in die Palette »Armageddon Rock«, netterweise im Peis vergünstigt samt Mitarbeiterrabatt. Werner Fuchs atmete hörbar schwer ein und aus, dann bestand er auf Vorkasse, lieferte aber genauso geduldig aus. Dazu per Einschreiben mein signiertes Exemplar.

Ich habe das Buch an jeden Menschen verschenkt, den ich kannte, und nur um eine Gegenleistung gebeten: Um die Beantwortung der Frage: »Hättest du geschossen?« Aus nachvollziehbaren Gründen will ich daher hier und jetzt nichts zum Inhalt sagen außer: erwerben Sie heute Nacht noch online die Taschenbuchausgabe für kleines Geld, lesen Sie diese, und vielleicht verstehen Sie dann, wie ich mich fühlte.

Über 10 Jahre später, 1995, war ich Gast auf dem Science Fiction-Weltcon in Glasgow. Irgendwann huschte mir Werner Fuchs vor den Füßen vorbei, murmelte: »Gut, dass ich dich treffe, halte dir heute 15.00 Uhr bis 16.00 Uhr frei, komme in die Mitte des Händlerraums und bringe einen Freund mit, wenn du magst.« Ich kannte Werner nun schon eine Weile und hoffte zumindest auf eine nette Präsentation vor Ort und freien Kaffee.

In der Mitte des Händlerraums war ein Areal abgesperrt, in dem die großen Autoren wichtige Termine hatten. Und 283 während also Groupies und Nerds an den Abfangseilen kauten, bekamen mein Freund Klaus – eigentlich Klaus N. Frick, Chefredakteur von Perry Rhodan – und ich eine Stunde Kaffee und Kuchen allein mit George R. R. Martin. Inmitten des Weltcons wollte George (ja, wir sollten ihn duzen, was im Englischen sowieso einfacher ist) von mir wissen, wer der Depp sei, der vor 10 Jahren die komplette Restauflage von »Armageddon Rock« im Hardcover gekauft hat. Ich erzählte von meiner faschistischen Großtante, wir lachten viel, und er fragte, wie seine neuen Sachen mir gefallen würden. Auf meine Rückfrage, ob er die Wahrheit hören wollte, nickte er. Also erzählte ich, dass ich nach »Wild Cards« keine Lust mehr hätte, auf halbfertigen Serien sitzen zu bleiben. Er lachte und meinte, das würde mit seiner neuen Fantasy-Serie nicht passieren. Ich lachte auch und meinte, dass ich sie lese, wenn sie komplett ist. Das ist der Stand bis heute, 24 Jahre später.

Ganz unfair ist meine Einschätzung nicht. Ein Beispiel aus meiner Martin-Lesesucht muss ausreichen. Martin war begeisterter Fantasy-Rollenspieler. Aus der »Superworld«-Kampagne, die er selbst leitete, entstand die ab 1987 veröffentlichte »shared world«-Serie »Wild Cards«. Ich habe gekauft, was erhältlich war. Und: Bis heute ist die Serie nicht vollständig, aber die ersten 12 Bände liefern eine mehr oder weniger abgeschlossene Handlung.

Martin weiß das selbst. Er schreibt: »Meine Karriere ist mit Serienleichen gepflastert. 284 Ich startete meine »Star Ring«-Serie mit »Die zweite Stufe der Einsamkeit« und »Auch nicht des Sternenrings vielfarbenes Feuer«, verlor dann das Interesse und schrieb niemals eine dritte Geschichte. »A Peripheral Affair« sollte von den weiteren Abenteuern des Sternenschiffs Mjolnir (…) gefolgt werden. Keine erschien jemals, aus dem einfachen Grund, weil sie nie geschrieben wurden. Meine »Corpse«-Serie brachte es auf drei Geschichten (…). Eine vierte Geschichte existiert als vierseitiges Fragment, und in meinen Notizen finden sich Ideen für ein weiteres Dutzend Storys. (…).

Mit der Windhaven-Serie machte ich es etwas besser, vielleicht, weil ich dort mit Lisa Tuttle zusammenarbeitete und daher jemand zur Stelle war, der mir einen sanften Tritt verpasste, wenn meine kreative Energie nachließ (…). (…) Wir schrieben die Fortsetzung nie.« Nach seinen Lieblingsautoren befragt, nennt Martin immer wieder die Phantastik-Klassiker von J. R. R. Tolkien mit »Mittelerde« über Robert E. Howard mit »Conan« und H. P. Lovecraft mit seinem »Cthulhu«-Kosmos bis hin zu Fantasy-Altmeister Jack Vance.

Viel später schrieb Martin dazu selbstironisch: »Die Fantasy und ich sind alte Bekannte. Fangen wir am besten am Anfang an, denn es gibt einige eigenartige und weitverbreitete Irrtümer. Einerseits habe ich Leser, die vor »Ein Lied von Eis und Feuer« noch nie von 285 mir gehört haben und offenbar felsenfest davon überzeugt sind, dass ich nie etwas anderes geschrieben habe als Fantasy-Epen. Andererseits gibt es da die Leute, die all mein altes Zeug gelesen haben und darauf bestehen, ich sei ein SF-Autor, der schändlicherweise zur Fantasy übergelaufen ist.

Tatsächlich aber habe ich seit meiner Kindheit (…) Fantasy gelesen und geschrieben (Horror übrigens auch). Meine erste Veröffentlichung mag SF gewesen sein, aber die zweite war eine Geistergeschichte (…).« Aber es war etwas anderes, das Martin von den Fleischtöpfen der Science Fiction weglockte: Das Fernsehen. In den 80er Jahren arbeitete er für »Twilight Zone« – in Deutschland unter »Unwahrscheinliche Geschichten« bekannt. Dazu arbeitete er für »The Beauty and the Beast« und »Max Headroom«. Er schrieb Entwürfe für Serien, die nie realisiert wurden – Namen wie »Black Cluster«, »The Survivors«, »Starport« und »Doorways«, zu der es wenigstens einen Pilotfilm gibt, lassen Hoffnungen aufkeimen …

In den Jahren seitdem hatte ich mit Martin – oder eher: seinem Umfeld – nur am Rande zu tun. 2003 druckten wir in unserem Fantasy-Jahrbuch »Magira« ein Interview mit ihm ab. 2005 übersetzten wir für das Jahrbuch »Der Eisdrache« als erste ins Deutsche. Leider hat es »meine« Martin-Erstausgabe weder in die Sekundärliteratur noch auf die deutsche Wikipedia geschafft. Man kann nicht alles 286 haben.

Ich selbst blieb der Science Fiction treu, neben einigem an Fantasy. So arbeite ich heute noch nebenberuflich für Perry Rhodan, schreibe Artikel zum Thema und halte Vorträge wie den heute.

Zum Ende einmal Martin, der in einem seiner Texte die Frage beantwortet, warum er Fantasy liebt: »Ich denke, wir lesen Fantasy, um die Farben wiederzufinden. Um intensive Gewürze zu schmecken und dem Gesang der Sirenen zu lauschen. In der Fantasy liegt etwas Ursprüngliches, Wahrhaftiges, das uns tief in unserem Inneren anspricht und das Kind in uns erreicht, das davon träumte, dereinst im Nachtwald auf die Jagd zu gehen, zu Füßen der Hollow Hills ein Festgelage abzuhalten und irgendwo zwischen dem südlichen Oz und dem nördlichen Shangri-La die Liebe zu finden, die ein Leben überdauert. Ihren Himmel können sie behalten. Wenn ich sterbe, gehe ich lieber nach Mittelerde.« Dem kann ich mich nur anschließen, aber im wähle lieber »Narnia« oder Folkwang. Und »Narnia« hat einen Vorteil – es ist fertig. Danke.

Verwendete Literatur Alpers, Fuchs, Hahn, Jeschke: »Lexikon der Science Fiction-Literatur« (2 Bände), München, 1980

287 Alpers, Fuchs, Hahn, Munsonius, Urbanek: »Lexikon der Fantasy-Literatur«, Erkrath, 2005 Cogan, Eric: »Ein Interview mit George R. R. Martin« in Ritter & Scheuch (Hrsg.) »Magira 2002«, Darmstadt, 2002 Lorenz, Stefan: »Vampire auf dem Mississippi« in Ritter & Scheuch »Magira 2011«, Darmstadt, 2011 Martin, George R. R.: »Armageddon Rock«, Düsseldorf, 1986 Martin, George R. R.: »Dead Man River«, Erkrath, 2006 Martin, George R. R.: »Der Eisdrache« in Ritter & Scheuch »Magira 2005«, Darmstadt, 2005 Martin, George R. R.: »Die Flamme erlischt«, Erkrath, 2003 Martin, George R. R.: »Die zweite Stufe der Einsamkeit«, Rastatt, 1982 Martin, George R. R.: »GRRM – Eine Rretrospektive«, Band 1, Erkrath, 2014 Martin, George R. R.: »GRRM – Eine Rretrospektive«, Band 2, Erkrath, 2014 Martin, George R. R.: »Im Haus des Wurms«, Frankfurt/Main, Berlin, Wien, 1985 Martin, George R. R.: »Lieder von Sternen und Schatten«, München, 1979 Martin, George R. R.: »Planetenwanderer«, München, 2013 Martin, George R. R.: »Sandkönige«, Frankfurt/Main, Berlin, Wien, 1985 Pesch, Helmut W.: »Fantasy – Theorie und Geschichte«, o.O. (Passau), o.J. (1982) 288 Phantastische Wissenschaft

Subspace Link – Neues aus dem All

Ein Blick über unsere Köpfe

von Reiner Krauss

Es bleibt spannend über uns. Heute für Sie …

InSight - Lander auf dem Mars bohrt sich in den Boden fest

289 © NASA / ESA / InSight Bohrhammer »Maulwurf«

InSight steht seit dem 26.10.2018 in der Ebene »Elysium Planitia« nördlich des Mars-Äquators. Nach erfolgreicher Inbetriebnahme aller Instrumente und Aussetzen des Bohrhammers Maulwurf gelang eine erste Bohrung bis in eine Tiefe von rund 30 Zentimeter. Danach blieb er stecken. Die Rammsonde soll sich drei bis fünf Meter unter die Marsoberfläche graben, um die Wärme aus dem Inneren des Planeten zu messen, doch nun steht eine Zwangspause zur Analyse an.

ESA-InSight-Teamleiter Tilman Spohn hat dazu folgendes berichtet: »Die Sonde ist etwa drei Viertel des Weges aus ihrem Gehäuse gekommen, dann hat sie gegen starken 290 Widerstand gehämmert und ist nun um etwa 15 Grad geneigt. Die Ursache könnte sein, das er auf einen Stein gestoßen ist. Wenn er klein wäre, könnte der Maulwurf den Stein aus dem Weg räumen oder daran vorbei weiter hämmern. Bei einem großen Stein wäre das nicht möglich. Deshalb müssen wir sehr vorsichtig sein. Wenn etwas mal 30 Zentimeter im Boden steckt, ist es nicht so leicht, es wieder herauszuziehen. Man könnte höchstens mit dem Greifarm gegen die Sonde drücken, sodass der Maulwurf in eine etwas andere Richtung hämmert. Derzeit können wir bereits die Wärmeleitfähigkeit in den oberen Schichten des Marsbodens messen. Auch die kennt man bisher nicht. Aus ihr ergeben sich Hinweise darauf, wie der Boden beschaffen ist: eher locker, verbacken, porös oder fest. Wenn wir das wissen, können wir Rückschlüsse auf die Umwelt und das Klima auf dem Mars ziehen. Klar: Dreißig Zentimeter Tiefe sind nicht die fünf Meter, die wir eigentlich wollen, aber auch damit können wir sinnvolle Forschung machen. Ehe wir den Maulwurf durch weiteres Hämmern kaputtmachen, lassen wir ihn vorerst lieber in der jetzigen Position und messen, was zu messen ist. Wenn es gelingt, den Maulwurf freizusetzen, könnten wir vielleicht bis zum Sommer die Tiefe von fünf Metern erreichen. Wenn wir aber zu der Einschätzung gelangen, dass sich die Position nicht verändern lässt, müssten wir überlegen, ob wir trotzdem wie geplant zwei Jahre durchmessen. Die Energie dafür reicht auf jeden Fall, denn der Maulwurf wird ja mit Solarstrom versorgt. Die ursprünglich geplante zweiwöchige Hämmerpause werden wir aber wahrscheinlich verlängern 291 müssen. Vielleicht hämmern wir zwischendurch einmal, um die Situation zu analysieren. Aber vor allem ist jetzt Diagnostik angesagt. Aufgegeben haben wir jedenfalls noch lange nicht.«

Das JPL (Jet Propulsion Labratory) betreibt InSight für das Science Mission Directorat der NASA. Eine Reihe europäischer Partner, darunter das Centre National d’Études Spatiales (CNES) in Frankreich und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), unterstützen die InSight-Mission.

SpaceX – Crew Dragon erfolgreich zur ISS und zurück

© SpaceX / NASA / Crew Dragon vor Docking ISS

Die neue CrewDragon Raumkapsel hat erfolgreich ihren Jungfernflug zur ISS (Internationale Raumstation) absolviert. Mit ihr und dem Boeing Starliner soll noch dieses Jahr der bemannte Flug zur Station mit Astronauten vom amerikanischen Boden nach 2011 wieder aufgenommen

292 werden. Mit dem erfolgreichen Flug von Crew Dragon sind die USA ihrem Ziel, künftig wieder selbst bemannte Flüge zur Raumstation zu schicken, ein Stück näher gekommen.

Von einer »neuen Ära der Weltraumflüge« und einem »großen Tag für die Vereinigten Staaten von Amerika« sprach NASA-Chef Jim Bridenstine anlässlich der erfolgreichen Mission des Raumfahrtunternehmens SpaceX.

© SpaceX / NASA / Crew Dragon mit »Starman« und »Ripley«

Boeing - CST-100 Starliner zur ISS verzögert sich weiter

293 © Boeing / CST-100 Starliner – acoustic testing in Boeing’s spacecraft test facilities bei El Segundo, California

Während SpaceX mit dem erfolgreichen Erstflug seiner Crew Dragon zur Internationalen Raumstation weiter Erfolge feiert, ist die Lage beim Mitbewerber auch im Raumfahrt-Sektor weiter angespannt.

Jüngst wurde der erste unbemannte Start auf August 2019 verschoben. Boeing sagte Ende März, dass der erste orbitale Testflug seiner kommerziellen Crewkapsel, genannt Starliner, bis August verschoben wurde, »um unnötigen Termindruck zu vermeiden« und dem Manifest der Atlas 5-Rakete für einen Kommunikationssatelliten der US-Luftwaffe Priorität einzuräumen.

ISS – durch neuen Weltraumschrott bedroht

294 © NASA / Internationale Raumstation ISS

Nach dem Abschuss eines Satelliten durch Indien gefährdet der dadurch entstandene Weltraumschrott nach Angaben von NASA-Chef Jim Bridenstine die Internationale Raumstation ISS. Indien hatte Ende März durch das Abschießen eines eigenen Satelliten eine Anti-Satelliten-Rakete getestet.

Nach einer bisherigen Einschätzung sei dadurch das Risiko, dass die ISS mit kleinen Schrottteilen kollidiere, in einem Zeitraum von zehn Tagen um 44 Prozent gestiegen, so Bridenstine. Davon befänden sich 24 Teile oberhalb des erdfernsten Punktes der ISS. Er nannte dies »furchtbar« und »inakzeptabel«. »Diese Art von Aktivität ist mit der Zukunft der menschlichen Raumfahrt nicht vereinbar.«

Auch der deutsche Astronaut Matthias Maurer kritisierte Indien scharf: »Einen Satelliten abzuschießen, um zu

295 beweisen, dass man eine Weltraummacht ist, zeigt nur, dass man es nicht ist. Keine verantwortungsvolle Weltraummacht trägt freiwillig zur Entstehung von Weltraumschrott bei!«

ISS – EVA zum Austausch von Batterien

© NASA / McClain und Hague beim EVA außerhalb der ISS

Zwei NASA-Astronauten begaben sich außerhalb der 20 Jahre alten Internationalen Raumstation ISS, um alternde Nickel-Wasserstoff-Batterien durch frische Lithium-Ionen-Einheiten am P4-Trägersegment auf der Backbordseite zu ersetzen.

Der 6,5-stündige U.S. EVA-52 begann offiziell um 8:01 Uhr EDT (12:01 Uhr GMT) am 22. März 2019, als Anne McClain und Nick Hague - Expedition 59 – ihre Anzüge auf Batteriebetrieb umstellten. McClain erhielt die Bezeichnung

296 EV 1 und trug den Raumanzug mit roten Streifen, während Hague EV 2 war und einen Anzug ohne Streifen trug. Der Ausstieg erfolgte über die Quest-Luftschleuse der ISS.

Dies war der 214. Weltraumspaziergang (EVA; extra-vehicular activity‚ Außenbordaktivität) zur Unterstützung der Montage und Wartung von Raumstationen seit 1998, wodurch sich die Gesamtzeit im Freien auf 55 Tage, 21 Stunden und 39 Minuten belief.

NASA – schon in fünf Jahren erste Astronautin auf dem Mond?

© NASA / Apollo 17 – Gene Cernan auf dem Mond

Bis 2024 sollen die erste Astronautin und weitere US-Amerikaner den Mond betreten. Dies hat Vizepräsident Pence in einer öffentlichen Rede gefordert. Bislang hatte die Weltraumagentur NASA die nächste bemannte

297 Mondlandung erst für 2028 geplant. Pence betonte, die USA befänden sich im Weltraum wieder in einem Wettlauf, genau wie in den 1960er-Jahren. Er verwies auf die wachsende Konkurrenz Chinas in der Raumfahrt. Vor Kurzem erst landete ein chinesischer Roboter auf der Rückseite des Mondes.

Die erste Frau auf dem Mond soll nach dem Willen der US-Regierung wieder vom NASA-Astronautenkorps stammen. Um das Ziel einer erneuten Mondlandung in kürzerer Zeit zu erreichen, müsse die NASA aber »schlanker und agiler werden«, so Pence, sonst behält sich die USA vor, für die nächste Mondmission auch auf private Raumfahrtunternehmen zurückgreifen.

Zuletzt waren im Jahr 1972 zwei Astronauten mit Apollo 17 auf dem Mond.

Weiterführende Informationen zum Thema: »First men on the Moon!« – Audiovisuelles Live-Replay der ersten Mondlandung http://www.firstmenonthemoon.com/

Event Horizon Telescope – in Galaxis M87 erstmals Schwarzes Loch fotografiert

298 © EHT-Kollaboration

Zum ersten Mal ist es Forschern gelungen, ein Foto von einem Schwarzen Loch zu schießen.

Wissenschaftlern des Projekts Event Horizon Telescope (EHT) gelang die Aufnahme mit einem globalen Netzwerk aus acht Radioteleskopen, die über den ganzen Globus verteilt sind - Hawaii, Arizona, Spanien, Mexiko, Chile sowie am Südpol. Auch das deutsche Max-Planck-Institut ist an dem Projekt beteiligt.

Das Foto zeigt das supermassereiche Schwarze Loch (mehr als sechs Milliarden Sonnenmassen) im Kern der 53 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87. Die Gravitation von Schwarzen Löchern ist so groß, dass nicht einmal das Licht ihnen entkommen kann, jedoch kann an ihrem Ereignishorizont (Event Horizon) in seiner unmittelbaren Umgebung die Wechselwirkung der Materie beobachtet werden, denn das Schwarze Loch zieht aus der Umgebung Gas, Staub und ganze Sterne an. Diese Materie sammelt sich

299 in einer Gasscheibe, wo es mit rasender Geschwindigkeit um den Zentralkörper herumrast. Dabei erhitzt es sich und leuchtet sehr hell. Diesen feurigen orangefarbenen Lichtring kann nun erstmals in obiger einmaliger Aufnahme gesehen werden.

Weiterführende Informationen zum Thema https://eventhorizontelescope.org

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301 Phantastisches Fandom

Jens Dombek – the German Spock von Reinhard Prahl

Dem Cosplayer Jens Dombek wurde Star Trek offenbar bereits in die Wiege gelegt.

»Es muss wohl so sein. Ich wurde am 17.01.1966 geboren. Schon als Kind gab es für mich nur ein Lieblingsspiel: Spock. Ich wollte immer so aussehen, immer so sein wie der vulkanische Wissenschaftsoffizier das Enterprise.«

Heute ist dieser Traum wahr geworden, zumindest was das Aussehen betrifft. Dombek ist als »The German Spock« derzeit einer der am meisten angesagten Star Trek-Cosplayer Deutschlands. Seit etwa zwei Jahren tourt der Berliner durch die Lande.

Auffallende Ähnlichkeiten

Auf der Destination Star Trek in Dortmund im Jahr 2017 zeigte sich Captain-Kirk-DarstellerWilliam Shatner über Dombeks Spock lookalike-Aussehen so verblüfft, dass er dessen Auftritt mit den Worten »I see a ghost« quittierte.

302 Und auf Facebook erhält der Darsteller immer wieder Markierungsanfragen, die nicht ihn, sondern den echten Spock, also Leonard Nimoy in seiner Paraderolle, zeigen.

Selbst der Autor dieser Kolumne weiß Ähnliches zu berichten. Als er vor kurzem in seiner Rolle als Admin der größten deutschsprachigen Star Trek-Facebook-Gruppe Star Trek Fans Deutschland die Dokumentation For the Love of Spock vorstellte, wurde der Hinweis »zusammen mit Jens Dombek« in der Überschrift angezeigt.

Neue Aufgaben

Die fast schon verwirrende Ähnlichkeit ist jedoch nicht die einzige Verbindung zwischen Dombek und seinem großen

303 Vorbild. Vor einigen Monaten bewarb der junge Mann sich auf eine Synchronsprechera-Ausschreibung zur beliebten Fan-Serie Star Trek New Voyages – Phase II, die in den letzten Jahren mit ihren fantastischen Drehbüchern, immer besser werdenden Spezialeffekten und tollen Schauspielern Millionen Klicks ergattern konnte. Und »The German Spock« wurde tatsächlich genommen! In der vorletzten Episode, The Holiest Thing darf er nun tatsächlich seiner Star Trek-Lieblingsfigur seine Stimme leihen.

Freimütig erzählt der Cosplayer, wie überrascht, aufgeregt und glücklich er angesichts dieser tollen Entwicklung ist.

»Peter Walker, verantwortlich für die Synchronisation, rief mich an und teilte mir mit, dass ich dabei bin. Ich konnte es zunächst gar nicht glauben.«

Die Überraschung verwundert nicht, denn Walker kann bei der deutschen Fassung mit einigen bekannten Namen aufwarten. So wird Robert Dewitt etwa von Björn Sülter (Es lebe Star Trek, Planet Trek fm) interpretiert, und Jürgen Kaiser (Star Trek Enterprise - Der Zeitspiegel und Star Trek Enterprise II – Der Anfang vom Ende) ist als Admiral Withrow zu hören. Eine illustre Gesellschaft aus dem Fandom ist hier zusammengekommen, in der sich Dombek seinen Platz redlich verdient hat.

304 Weitere Projekte

Zuletzt war Dombek übrigens gemeinsam mit Elli Petrelli (»The German Uhura«), Surii‘s Cosplay als die deutsche »Ms. Rand« und dem grandiosen Profi-Sänger Michael O’Connor Kelly als »Kirk« auf der Starbase Charity-Convention zu sehen, wo das Quartett für einige denkwürdige Momente sorgte und die zahlreichen Star Trek-Fans begeisterte.

Wer sich von der Ähnlichkeit zwischen Nimoys Spock und seinem deutschen Pendant selbst überzeugen möchte, hat zwischen dem 7. und 10. Juni 2019 auf der FeDCon erneut die Gelegenheit dazu. Gemeinsam mit Walker wird er dann auf der großen Bühne zu bewundern sein und das ganze

305 Wochenende hindurch für Fotos und Autogramme zu Verfügung stehen.

Da kann man nur sagen: Live long and prosper.

Der Klingolaus auf der Starbase-Con oder: Weihnachten zu Ostern von Thorsten Walch (und dem Klingolaus)

Bereits seit dem vergangenen Jahr war das Star Trek- und Star Wars-Fandom erfüllt von Vorfreude: Der in Recklinghausen im Ruhrgebiet ansässige gemeinnützige Verein Starbase e.V., der bereits seit seiner Gründung Ende Mai 2018 für seine karitativen Aktivitäten insbesondere zugunsten der DKMS (Deutsche Knochenmark-Spenderdatei) bekannt ist, plante seine erste große Convention. Auf der allerersten Starbase-Con sollten neben verschiedenen Darstellern aus den beiden bekanntesten Science Fiction-Franchises Star Trek und Star Wars auch namhafte Autoren und andere Persönlichkeiten aus dem literarischen Bereich zugunsten der guten Sache auftreten.

306 Für das Auge und das eine oder andere Foto mit den Besuchern wurde ebenfalls eine ganze Riege bekannter Cosplayer eingeladen, darunter auch der Klingolaus und seine langjährige Assistentin, das Mad Darth Reindeer.

Dass das ganze Projekt eine gewaltige Vorarbeit von Reinhard Prahl, dem 1. Vorsitzenden des Starbase e.V. und seinen Mitstreitern Annika Thomalla (2. Vorsitzende) und Stefan Knoch (Schriftführer) sowie von einer großen Helferschar erforderte, die einzeln namentlich zu nennen leider den Rahmen sprengen würde, bedarf sicherlich keiner gesonderten Erwähnung. Unterstützung fand das Team dabei auf vielfache Weise, unter anderem beim FeDCon-

307 und Fandom-Veteranen Rainer Korneli, bei der Crew des Rollenspiel-Raumschiffs USS Assindia aus Essen sowie beim TrekDinner Oldenburg.

Illustre Gäste

Die Con-Gästeliste vervollständigte sich erst mit der Zeit und war naturgemäß unvermeidlichen Änderungen unterWorfen. Die Schauspieler Tina Simmons (Star Wars Episode IV), Derek Lyons (Star Wars Episode IV), Clem So (Doctor Strange), Mark Allen Shepherd (Star Trek: Deep Space Nine), Alan Austen (Star Wars Episode V), Nick Joseph (Star Wars Episode IV) und Jerome St. John Blake (Star Wars Episode I) waren nach den krankheits- und umständehalber bedingten Absagen von Virginia Hey, Mickey Lewis und Peter Roy auch weiterhin mit dabei.

308 Benjamin Stöwe, bei Star Trek-Fans bestens bekannt als die deutsche Stimme von Dr. Hugh Culber aus Star Trek: Discovery und seines Zeichens auch der »Wettermann« des ZDF Moma (Morgenmagazin), gehörte ebenfalls zur illustren Runde der Gäste.

Science-Fiction-Autor Andreas Brandhorst (Omni), Sachbuchautor und Verleger Mike Hillenbrand (40 Jahre Star Trek), Autor Björn Sülter (Es lebe Star Trek), Joachim Sohn (Wie ich Jesus Star Wars zeigte) sowie weitere Szene-bekannte Autoren wie Sylvia Kaml, Christina Pollok und Paul M. Hermann repräsentierten teilweise mittels Lesungen und Vorträgen die schreibende Zunft, während der »rasende Weltraum-Reporter« Robert Vogel Einblicke in seine bemerkenswerte Fandom-Laufbahn gab.

Ebenfalls zu Gast war Dr. Hubert Zitt, der bei Fans schon lange als »Dr. Enterprise« für seine Franchise-bezogenen wissenschaftlichen Vorträge bekannt ist.

Die Psychologin Dr. Mona Abdel-Hamid hingegen sollte über »Emotionen bei Star Trek VI – Das unentdeckte Land« sprechen, während HistoRiker Dr. Michael Kleu über das Thema »Antikenrezeption in Star Trek und Star Wars« sprechen würde.

309 Im Cosplay-Bereich gab es neben dem Klingolaus und seinem Reindeer auch den »deutschen Spock« Jens Dombek samt seinen Begleiterinnen »Lt. Uhura« und »Fähnrich Rand« zu erleben. Neben verschiedenen anwesenden Sith-Lords und Jedi entsandte die German Garrison einen Teil ihrer Sturmtruppen, während die Power Rangers Germany ebenfalls vorbeischauten und der steampunkige Dampfzirkus Papenburg sowie das Duo Tini und das Tom immer wieder für effektvolle Auftritte sorgte. Krankheitsbedingt absagen mussten hingegen leider »Imperathomas« Thomas Dommerdich sowie Star Trek-Sammler Martin Netter.

Moderiert wurde die Veranstaltung im Wechsel mit Hillenbrand vom »Master Of Ceremony« Gerhard Raible,

310 dem Inhaber von TrekWorld Marketing, einer weiteren Kultfigur der deutschen Convention-Landschaft. Neben dessen Ansagen gab es auch das eine oder andere Duett mit dem galaktischen Elvis-Interpreten Kelly auf die Ohren, der auch einige seiner Darbietungen solo aufs Parkett legte.

Der Ablauf

Der Klingolaus und seine Begleiterin waren am Morgen des 30. März 2019 pünktlich im Haus der Jugend in der Osnabrücker Altstadt zugegen. Wenig später schloss sich den beiden ihr Ha'DIbaH (klingonisch für »Tier«), der zweibeinige weiße Mannwolf an, der trotz seines animalischen Äußeren schnell zu einem Renner insbesondere bei den kleinen Besuchern wurde. Für diesen Tag hatte der Klingolaus übrigens eigens seine ansonsten streng eingehaltene Frühlings- und Sommerpause unterbrochen. Wie sich zeigen sollte, hatte sich diese Ausnahme gelohnt, wobei der Klingolaus an diesem Tag eben »Fröhliche Ostern!« statt »Merry Christmas!« Wünschte.

311 Bereits kurz nach der Eröffnung des Events tummelten sich mehr und mehr Besucher in der Location, und der Klingolaus und sein Reindeer hatten alle Hände voll damit zu tun, die anwesenden Kinder mit süßen Kleinigkeiten zu versorgen (in deren Genuss auch der eine oder andere Erwachsene kam). Dabei demonstrierte der Klingolaus gerne und oft seine hellseherischen Fähigkeiten, die ihn stets schnell erahnen lassen, ob ein Opfer wirklich brav gewesen ist ... oder auch nicht.

Auf nahezu allen Wegen begegneten ihm im Laufe der Veranstaltung bekannte Gesichter, seien es alte Freunde 312 oder auch die Gaststars, die sich immer wieder einmal von ihren Autogrammtischen erhoben, um sich unter die Fans zu mischen und den einen oder anderen Plausch über das Fandom und die restliche Welt zu halten.

Neben diversen Kopfgeldjägern, Manga-Girl Linda oder mit Tribbles um sich werfenden Mit-Klingonen begegnete man auch regelmäßig einem ausgesprochenen diebischen Jawa (dargestellt von Daya Gehrke), der seine Beute jedoch samt und sonders der DKMS zur Verfügung stellte. Entsprechende Spendenaktionen fanden den ganzen Convention-Tag über statt.

Raible verkaufte, wie es schon zur beliebten Tradition auf der FeDCon geworden ist, immer wieder seine mit allerlei Raritäten gefüllten »Wundertüten«, von deren Erlös er einen beträchtlichen Teil spendete, und Hillenbrand versteigerte eine Flasche des sogenannten »James T. Kirk-Bourbons«, der in Kombination mit anderen für Fans hochinteressanten Sammelstücken schließlich an den Mann – besser gesagt an die Frau – kam.

313 Langweilig wurde es auf der Starbase-Con jedenfalls definitiv nicht. Neben den genannten Vorträgen und Lesungen (von denen der Klingolaus und das Mad Darth Reindeer aufgrund ihrer erforderlichen Präsenz leider nicht alle mitbekamen, sondern nur die von Mike Hillenbrand und Björn Sülter) gab es die Schauspiel-Gaststars auf der Bühne des Hauptsaals zu sehen. Dort berichteten diese über ihre Arbeit an Star Wars, Star Trek und vielem mehr und standen auch für die vielen anfallenden Fan-Fragen zur Verfügung.

Auch Mitbringsel konnten beim Event reichlich erworben werden. Im Eingangsbereich des Hauses der Jugend sowie im Obergeschoss befanden sich die Tische mehrerer Merchandising-Händler, darunter natürlich der berühmte Stand von Robert Vogel oder aber der von Yings Fantasyschmuck von Ying und Alexander Knoerr.

314 Auch dem Verlag in Farbe und Bunt bot sich die Gelegenheit, Sülters Es lebe Star Trek (aus dem er bei seiner Lesung auch live ein Stück vortrug) oder seinen dystopischen Science-Fiction-Roman Beyond Berlin samt Signatur des Autors oder auch ein anderes Buch aus dem Verlag zu erwerben. Der Klingolaus erstand übrigens an diesem Tisch für seine heimische Bibliothek neben Beyond Berlin endlich ta' puq mach, die klingonische Originalversion von Der kleine Prinz.

Auch das kontroverse Buch Wie ich Jesus Star Wars zeigte von Sohn konnte an dessen Büchertisch zusammen mit den anderen Werken des Autors erworben werden. Und mittendrin und zwischendurch immer wieder gut gelaunte Fans.

Der Klingolaus fühlte sich gleich mehrmals aufs Angenehmste in jene Zeit zurückversetzt, als ein Großteil der Veranstaltungen in der deutschen Phantastik-Convention-Szene noch klein und überschaubar waren. Bei diesen konnten die Fans den anwesenden Stars noch wirklich nahekommen, auch wenn es sich bei diesen nicht um die absoluten Franchise-Superstars handelte, sondern eher um Nebendarsteller. Solche Leute haben in den allermeisten Fällen auch deutlich mehr zu erzählen als die Darsteller der ganz großen Helden.

315 Und vor allem war an diesem Tag auf jedem Quadratzentimeter die Freude der Veranstalter an der Sache zu bemerken.

Als die Convention gegen 18:30 Uhr nach einer großartigen Closing Ceremony endete, waren eigentlich alle Beteiligten rundum zufrieden. Die Fans, die einen ereignisreichen Tag hinter sich hatten, die Gaststars, die mit großer allerseitiger Begeisterung aufgenommen worden waren und die DKMS, die sich über einen ansehnlichen vierstelligen Spendenbetrag freuen kann, dessen genaue Höhe demnächst bekanntgegeben werden wird.

Auch der Klingolaus hat den Tag sehr genossen und großen Spaß auf der Starbase-Con mit vielen alten und neuen Freunden gehabt. Resümierend kann ruhigen Gewissens

316 gesagt werden: Es sind genau solche Conventions, die heute angesichts von Großveranstaltungen (die ebenfalls ihre unbestrittenen Vorzüge haben) fehlen. Aus diesem Grund bleibt zu hoffen, dass sich ein sich während der Starbase-Con schnell verbreitendes Gerücht bewahrheiten wird: nämlich, dass es eine zweite Auflage geben wird.

Der Klingolaus und das Mad Darth Reindeer sind dann in jedem Falle wieder mit dabei!

Ein Abend mit Kai Meyer: Wie ich die Seiten der Welt fand von Sharine Jansen

Auch über eine Lesung des Fantasy-Autors Kai Meyer am 16.03.2019 im Drachenwinkel in Dillingen soll in dieser Ausgabe berichtet werden.

Im Sommer stolperte ich eher durch Zufall über ein auf einer einschlägigen Social-Media-Plattform-angebotenes Programm, das mir Lesungen verschiedener Autoren an einem für mich geheimnisvollen Ort anpries: dem Drachenwinkel.

317 Der Drachenwinkel ist eine Buchhandlung im saarländischen Dillingen. An diesem Ort wird Fantasie gelebt, ohne, dass man ein Buch aufschlagen müsste. Selbstverständlich gibt es aber unzählige Möglichkeiten, dies trotzdem zu tun. Dem Imaginations-Vermögen ist weder in Wort, noch in Schrift, auch nicht in kreativer, visueller oder akustischer Form eine Grenze gesetzt.

Es scheint, als öffne sich ein Tor zu einer anderen Welt, sobald man den Drachenwinkel betritt.

Nachdem ich mich bereits im Dezember bei einer Lesung von Luci van Org und Axel Hildebrand auf mehrfache Weise in den Drachenwinkel verlieben durfte, schätzte ich mich

318 unsagbar glücklich, am gleichen Abend Tickets für die Lesung von Meyer erstehen zu können.

So machte ich mich an jenem Samstag im März auf und fuhr sage und schreibe 179 Kilometer, um einer Lesung von einem Mann zu lauschen, den ich zwar schon gesehen hatte – dessen Bücher ich aber tatsächlich gar nicht kannte.

Ein ganz besonderer Treffpunkt

Meyer, geboren 1969 in Lübeck, wohnhaft im Rheinland zwischen Köln und Eifel, ist ohne Frage einer der bekanntester Phantastik-Autor Deutschlands. Ein mehrfach ausgezeichneter Künstler ... Au Backe.

Zusammen mit meiner Nichte, einem erfahrenen Meyer-Fan, die noch mal zusätzlich ca. 300 Kilometer angereist war, nur um ihren Lieblingsautor live und in Farbe sehen und hören zu können, traf ich also wenig vorbereitet pünktlich zum Einlass um 19:00 Uhr im Drachenwinkel ein.

Der Beginn der Veranstaltung war auf 20:00 Uhr angesetzt, also ausreichend Zeit, um die heimelige Atmosphäre vor Ort zu genießen.

Die recht einfach gehaltenen Eintrittskarten zu je 7,50 € hatte ich zuvor wochenlang in Sicherheit gehütet, um sie nun voller Erwartung am Eingang vorzeigen zu dürfen. Und schon wurde ich von dem familiären freundschaftlichen 319 Charisma der »Drachenwinkler« eingefangen und hineingetragen in eine Welt jenseits des Mainstreams und des Alltags. Jedem Karteninhaber war ein Platz zugewiesen, wodurch ich mich sofort willkommen fühlte.

Ein Blick auf meine Nichte zeigte mir, dass es ihr nicht anders ging. Sie hatte ihre Tasche auf ihrem Stuhl abgestellt und erkundete neugierig die Buchhandlung.

Ja, die Buchhandlung – der Drachenwinkel ist tatsächlich eine Buchhandlung. Auch wenn auf den ersten Blick alles darauf hindeutet, dass es sich auch um ein Tattoo- und Piercingstudio, einen Gothic-Shop, einen Antiquitätenladen oder um die Muggle-Filiale eines magischen Ladens der berühmten Winkelgase handeln könnte. Angefangen von Totenköpfen zwischen Fantasy- und Horrorromanen, über Harry Potter-Sondereditionen, kultige Merchandising-Produkte und keltische Schmuckangebote bis hin zu Ohrringen und Halsketten … Von anspruchsvollen Dekorationsartikel für Gothic-Liebhaber bis hin zu Pendeln, Tarotkarten, Runen und altertümlichen Schreibsets aus Tintenfass, Feder und Siegelstempel ... Ich weiß nicht, wo ich anfangen oder aufhören soll, aufzuzählen, was es an diesem Ort alles zu sehen gibt. Je mehr Zeit man dort verbringt, desto mehr Facetten kann man entdecken. Selbst Kinder aller Altersklassen finden dort Spielzeug und Bücher mit einem Hauch von Fantasie in bunten Farben.

320 Der Fantasy-Superstar tritt auf

Aber zurück zur Lesung. Während ich die Gänge durchstöbert hatte, hatte sich der Raum nach und nach mit anderen Familienmitgliedern und Freunden gefüllt. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Ein jeder, der eintraf, wirkte, als käme er nach Hause. Und ich bin davon überzeugt, dass es auch so war.

Mitten zwischen all diesen Leuten kam genauso belanglos und unauffällig auch Meyer herein und ging zwanglos zu einer kleinen Bühne im hinteren Bereich des Raums, die mit einem Stehtisch und einem Stuhl bestückt war. Im

321 Hintergrund eine Leinwand, auf der schon eine ganze Zeitlang das Lesungsprogramm des Drachenwinkels für das Jahr 2019 anschaulich präsentiert worden war. Dort wurde der Autor ordnungsgemäß mit einem Mikrofon verkabelt, sodass die Lesung pünktlich beginnen konnte.

Wir nahmen rasch unsere Plätze ein– oder besser: Wir setzten uns bequem hin. Auch wenn ein Großteil der Zuhörer einfache Holzstühle zugewiesen bekommen hatten, so war dies durch die Kombination mit Sofas, Sesseln und Chaiselounges aus vergangenen Zeiten eher zweitrangig. Ich hätte wahrscheinlich auch auf einem Nagelbrett bequem gesessen. Denn wenn Freunde zusammenkommen, wärmt das bloße Sein mehr als das Wo.

Meyer begrüßte seine Zuhörer auf eine sehr ruhige und freundliche Art, bedankte sich zunächst bei seinem Gastgeber Karsten Wolter. Als Stammautor pflegt er zu diesem schon einen sehr vertrauten freundschaftlichen Umgang ... Oder es ist einfach die Magie des Drachenwinkels, die diesen Eindruck durch ihre ständige Präsenz vermittelt.

Nach einer kurzen Vorstellung für alle, die ihn noch nicht kannten – also auch für mich – stellte Meyer sein Programm für den Abend vor. Für die erste Hälfte hatte er eine Lesung aus Der Pakt der Bücher geplant, und nach einer Pause wollte er gerne mit Die Krone der Sterne- Maschinengötter fortfahren. 322 So begann er mit einem Einblick in die Entstehung des Grundgedanken der Trilogie Die Seiten der Welt sowie mit einer Inhaltsangabe zum zweiten Prequel Der Pakt der Bücher, um den Nichtkenner auf den vorbereiteten Text einzustimmen.

Inhaltlich möchte ich nichts verraten, denn ich bin der Meinung, dass sowohl Meyer, als auch jeder, der gerne liest und Worte, Sprache und Bücher liebt, es verdient hat, genauso einen Überraschungseffekt erleben zu dürfen wie ich.

Gut 90 Minuten lang lauschten wir den unaufdringlichen, unterhaltsamen Worten des Autors, der sowohl eine wunderbare Vortragsart besitzt, als auch anschaulich nahebringen kann, dass er in erster Linie ein Mensch mit jeder Menge Fantasie und einem Willen ist, der ihn seit Jahren stetig begleitet und an seinen Zielen erfolgreich festhalten lässt. Ich konnte in sein Buch eintauchen und fühlte mich in ein altes London zurückversetzt. Ich bin sicher, dass ich alte, etwas staubige Bücher riechen konnte, und echte alte Ladentüren von echten alten Buchhandlungen sich öffnen und schließen hören konnte.

Dann war auch schon Pause.

Traditionell können die Gäste sich bei Veranstaltungen dieser Art in einer Liste eintragen, um im Anschluss an die 323 Veranstaltung gemütlich bei Pizza, Pasta und Co. den Abend ausklingen zu lassen. Dieser Tradition bin ich selbstverständlich gerne nachgekommen. Darüber hinaus konnte ich die Pause mit meiner Nichte nutzen, um mich mit einem Pendelset, einem Paar neuer Ohrringe und den drei Bänden von Die Seiten der Welt einzudecken. Schnell noch einen Latte Macchiato an der Drachenwinkel-Bar bestellt, huschte ich pünktlich zum zweiten Teil der Lesung zu meinem Stuhl zurück.

324 Die Krone der Sterne – Maschinengötter

Ein Science-Fiction-Roman – kann das sein? Kann jemand, der lupenreine deutsche Fantasy schreibt, überhaupt auf Science-Fiction umdenken? Das ist doch so technisch, so rational, so ... fantasielos?

Dennoch: Nach einer kurzen Exkursion des Autors zum Grundgedanken, zu Motivation, Vision und Umsetzung, sowie nach einer groben Inhaltsangabe der Trilogie, um den Zuhörer noch einmal mitzunehmen und auf die Lesung vorzubereiten, schien mir die Antwort ein ganz klares »Ja« zu sein.

Science-Fiction hat wahrscheinlich so viele verschiedene Gesichter wie das Universum unentdeckte Sterne. Trotz einer gewissen Ernsthaftigkeit des Romans konnte Kai Meyer auch die zweite Hälfte des Abends im Drachenwinkel kurzweilig und interessant gestalten. Tatsächlich erwischte ich mich bei dem Gedanken, mein Näschen vielleicht einmal einfach etwas tiefer in diese Materie zu stecken – obwohl mich Science-Fiction bisher eher zweitrangig interessiert hat.

Definitiv konnte ich mir die vorgetragene Szene aus dem dritten Buch der Trilogie so klar vorstellen, dass ich mich fast schon selbst in der Funktion sah, aktiv Einfluss auf die Handlung nehmen zu können und die Hauptfiguren vor Gefahren zu schützen. 325 So bedauerte ich es sehr, dass das Ende des Abends bereits nahte, als Meyer die Abschlussrunde für Fragen und Antworten eröffnete.

Bekanntlich sitzen bei solchen Lesungen erfahrene Fans zwischen weniger sich in der Materie befindlichen Lesern und völlig ahnungslosen Neulingen. Viele interessante Fragen der Meyer-Fans verschafften mir kleine Einblicke in frühere Werke des Autors – und machten mich neugierig.

Am Veranstaltungsende, als meine Nichte und ich pizzakauend darauf warteten, unsere Bücher signieren zu lassen, ließ ich den Abend Revue passieren und kam zu folgendem Fazit: An einem Samstag im März machte ich mich auf und fuhr 179 Kilometer, um einer Lesung zu lauschen, die von einem Mann abgehalten wurde, den ich zwar schon gesehen hatte – dessen Bücher ich aber bis dato nicht kannte.

Ich würde es genau so immer wieder machen. https://drachenwinkel.buchhandlung.de/shop/ https://www.kaimeyer.com/ http://seiten-der-welt.de/ https://www.kaimeyer.com/die-krone-der-sterne/ Das Klingolaus-Dinner Oberhausen von Reinhard Prahl 326 Trek-Dinner haben im Fandom seit über 30 Jahren Tradition. In einer Zeit ohne Internet waren derartige Treffen die einzige Möglichkeit für Geeks, sich in regelmäßigen Abständen zu sehen. Während sich in der Hochzeit manchmal auch 100 und mehr Menschen zu den regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen einfanden, schwand das Phänomen seit dem Ende von Star Trek: Enterprise zunächst zusehends. In den unpersönlichen Zeiten von Facebook & Co gewinnt das Trek-Dinner in all seinen Facetten allerdings wieder zunehmend an Bedeutung. Und das ist auch gut so. Denn Fan-Sein erlebt man immer noch am besten in einer gleichgesinnten Gemeinschaft.

Einer dieser Nerd-Treffpunkte wurde in der letzten Ausgabe dieses Magazins schon einmal erwähnt und soll nun eine etwas nähere Betrachtung erfahren: Das Klingolaus-Dinner Oberhausen. Kenner der Szene haben es wahrscheinlich bemerkt. Hinter dem Namen „Klingolaus“ verbirgt sich niemand anders als Freund und Kollege Thorsten Walch. Die Idee zum Namen entsprang dabei nicht etwa egomanischen Anflügen, wie Walch gerne berichtet. Vielmehr sollte dieser auf eine geliebte Tradition des Gründers verweisen. Der Klingolaus, der sich nunmehr seit über 20 Jahren auf Fan-Weihnachtsfeiern, Conventions, Kinderfesten u.v.m. herumtreibt, hält nämlich Werte wie Toleranz und Freundschaft hoch. So ist die fiktive Figur eben genauso auf der gemeinnützig ausgelegten Star-Wars-Convention des 327 Imperathomas e.V. zu finden wie auch auf den großen Messen oder diversen Fantreffen.

Tatsächlich fühlt es sich genauso an, wenn man das Klingolaus-Dinner besucht. Bereits zum zweiten Mal traf man sich im China-Restaurant Mandarin in der Bottroper Str. 162, 46117 Oberhausen zu einem gemütlichen und schmackhaften Buffet zu moderaten Preisen. Jeweils etwa 20 Teilnehmer klönten über alles, was die Gattung der Phantastik hergibt. Die Gespräche gestalten sich unter anderem auch deshalb so angenehm, weil das Durchschnittsalter der Fans eher im Ü-30 Bereich angesiedelt ist. Es ist überaus witzig, den zahlreichen Anekdoten zu lauschen, den Meinungen über Filme, Serien, Büchern und Zeitschriften. Jüngere Interessenten sollen sich übrigens bitte nicht abschrecken lassen. Jeder ist herzlich willkommen und fühlt sich garantiert schnell wohl.

Was diesen Stammtisch vor allem auszeichnet, ist Herzlichkeit. Nichts ist vorgegeben, über alles darf geredet werden. So führte der Verfasser dieser Zeilen etwa mit seiner weiblichen Nachbarin ein überaus nettes Gespräch über die deutsche TV-Tradition, zu Weihnachten und Neujahr Das Traumschiff zu schauen. Es stellte sich heraus, dass beide Gesprächspartner die DVD-Boxen sammeln. Mancher Mithörer schaltete sich mit einem Augenzwinkern ein oder gestand, dass er ebenfalls zu den „Außenstehenden“ gehöre, die ein wenig Romantik dann

328 und wann durchaus zu schätzen wüssten. Das Gespräch endete also in zahlreichen Lachern.

Abschließend sei noch erwähnt, dass sich das Klingolaus-Dinner Oberhausen nicht als Fangruppe versteht, sondern als lockerer Stammtisch, bei dem es um nichts außer der Freude an der Zusammenkunft gehen soll, eine tolle Einstellung.

Daten:

Ansprechpartner: Thorsten Walch

Treffpunkt: China-Restaurant Mandarin, Bottroper Str. 162, 46117 Oberhausen

Termine: Alle zwei Monate seit Oktober 2018

Nächstes Treffen: 23. Februar 2019

Kosten: freier Eintritt, nur der eigene Verzehr muss bezahlt werden

Online: https://www.facebook.com/groups/494782534265211/

329 ComicCon Dortmund Spring Edition von Anna Pyzalski

Am Wochenende des 13. April war es soweit. Zum ersten Mal eröffnete die German ComicCon im Frühling ihre Pforten in Dortmund und zog jede Menge Comic- und Serienfans an. Kein Wunder, denn dieses Mal lockte die GCC mit Stars wie Elizabeth Olsen, Charlie Sheen und Übe fast kompletten Gotham-Cast.

Hatte man das kalte Wetter und das bisschen Schnee beim Warten hinter sich gelassen, konnte man sich in den drei

330 Hallen mit Lasertag, Quidditch oder beim Flanieren durch die Merchandise-Stände aufwärmen. Wenn ich drei Hallen sage, meine ich eigentlich nur zwei. Denn die dritte Halle diente allein den Fotoshootings und den Panels, was leider zu einer nicht ganz so guten Akustik führte. Sobald ein Panel stattfand und man gerade erst diese Halle betrat, dröhnte es in den Ohren, und man verstand kein Wort. Das änderte sich erst, wenn man vor der Bühne stand, aber auch dann war es relativ schwierig, die Fragen und Antworten genau zu hören. Der Raum war trotz großer Bühne einfach nicht voll genug, um das Echo komplett zu unterdrücken.

Organisatorisch gesehen kann man dem Veranstalter diesmal wirklich nichts vorwerfen. Alles schien relativ flott zu passieren und lief geordnet ab. Wesentlich besser als noch vor ein paar Jahren, ganz am Anfang dieser Covention. Da hat jemand aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Bevor wir nun aber zu den kleineren Kritikpunkten kommen, erzähle ich noch ein wenig von Steven Ogg, bekannt als Simon Neegan von The Walking Dead. Die Gamer unter Ihnen kennen ihn auch als Trevor von Grand Theft Auto 5. Steven Ogg ist ein aufgeschlossener, netter Herr, dem man die Rolle des Neegan nicht wirklich zutrauen würde. Natürlich stellte sich da die Frage: »Wieviel Neegan steckt in Ogg?« Laut ihm nicht viel. Außer vielleicht der Humor, wobei der von Neegan ein wenig zu »twisted« für seinen Geschmack ist. Seth Gilliam sagte daraufhin: »Ogg ist einer der nettesten Menschen, die man jemals treffen wird.« Und 331 da können wir nur zu stimmen. Auch wenn seine erste Erinnerung an die Arbeit auf dem Walking Dead-Set das Verlassen seines Trailers vor der »Schlag allen den Kopf ein«-Szene ist und der gesamte Cast ihn nur seltsam angeguckt hat.

Ich erwähnte Kritikpunkte. In der Tat habe ich ein paar Sachen gefunden, die mich in diesem Jahr nicht wirklich überzeugen konnten. Zwar waren die Hallen recht groß, aber Lasertag und Quidditch haben jede Menge Platz weggenommen. Neben all den Autos aus diversen Filmen und aufgebauten TV-Serien-Sets, wo man für 5€ Fotos schießen konnte, nahmen diese beiden Aktivitäten den meisten Platz ein. Und irgendwie war der WWE-Ring, der sich ebenfalls etwas ungünstig neben beliebten Merchandise-Ständen befand, besser besucht als diese beiden Attraktionen. Dann hätte ich mir doch lieber ein paar mehr Sets oder Props gewünscht, wo man hoffentlich auch kostenlos Fotos machen kann. Denn bedenken wir einmal: Diese Convention kostet Eintritt. Die meisten Menschen werden für Fotos und Autogramme mit ihren Stars dorthin gehen, die auch Geld kosten, und natürlich Merchandise mitnehmen, was ebenfalls Geld kostet. Vor ein paar Jahren waren die Fotos mit DeLorean, KITT und Co. noch kostenlos. Dieses Jahr waren nur wenige dieser Props kostenlos zu erreichen. Natürlich sind 5€ nicht viel, und wenn man nicht gerade Kopfschmerzen wegen schlechter Aktustik bei den Panels haben will oder stundenlang für Fotos und Autogramme Schlange stehen mag, hat man auch nicht 332 sonderlich viel anderes zu tun. Trotzdem. Es hat ein wenig den Spaß an diesen Sachen genommen.

Alles in allem hoffe ich, dass es den anderen Besuchern mehr Spaß gemacht hat als uns. Und dass die German ComicCon im Dezember mit der Pretty Little Liars-Reunion wieder ein wenig mehr nach unserem Geschmack ist.

Fandom – Das Trekdinner Krefeld von Reinhard Prahl

Das Trekdinner Krefeld wurde Anfang 2015 vom Krefelder Ralf Hammerschmidt ins Leben gerufen. Als einer von (damals noch sechs) Admins der inzwischen über 5700 Mitglieder zählenden Facebook-Gruppe Star Trek Fans Deutschland war es ihm eine Herzensangelegenheit, sozusagen Facebook für Fans aus dem Umfeld greifbar zu machen. Nach einer intensiven Vorbereitungsphase war es 333 im September 2015 schließlich soweit. Mit über 30 Teilnehmern und dem Erscheinen der Krefelder Tageszeitung WAZ startete man in die erste Runde. Als Gründungsmitglied hatte der Autor dieser Kolumne die Ehre, dem Ereignis beizuwohnen, dessen Erfolg schon damals versprach, eine dauerhafte Institution für Trekkies und SciFi-Fans zu werden.

Seitdem treffen sich regelmäßig an jedem ersten Samstag im Monat zwischen 20 und 25 Fans, um gemeinsam ihren Nerdizismus zu feiern. Dabei belässt es das kleine Organisations-Team nicht immer bei schlichten Zusammenkünften. Hammerschmidt und einige engagierte Freunde stellten im Laufe der letzten vier Jahre einiges auf die Beine. So besuchten etwa der Sachbuchautor Mike Hillenbrand und DS9-Star Mark Allen Shepherd den Treff.

Ein Mitglied des Dinners hat gar Kontakt zum Star Trek Discovery Overall Supervisor Ante Dekovic und konnte in Krefeld eine Veranstaltung zum Thema VFX inklusive anschließendem Meet & Greet organisieren. Davon ab trifft man sich abseits der oben erwähnten Termine auch zu sogenannten »Außenmissionen«. Diese beinhalten unter anderem Kinobesuche, Fahrten zum Cosplay Day des Movie Park Bottrop oder auch den Standbetrieb auf der Destination Star Trek in Dortmund 2018.

Wie man sieht, ist in Krefeld eben immer etwas los. Das spiegelt sich auch in den jeweiligen Treffen wider. In der 334 gemütlichen Szene-Kneipe Jule's Papp plaudert man ausgelassen über alle nerdigen Themen, die das Fanleben lebenswert machen. Egal ob Star Trek Discovery nebst allen klassischen Serien, diversen anderen Franchises, die Modell-Sammelleidenschaft vor allem des Gründers (dieser besitzt inzwischen weit über 500 Modelle aus dem Star Trek-Universum) oder Tabletop- und Trading Card-Spielen. Hier sollte wirklich für jeden etwas dabei sein. Ein Besuch lohnt sich also allemal. Die Gemeinschaft ist nett und freundlich und freut sich immer über Zuwachs.

Daten: Trekdinner Krefeld Ansprechpartner: Ralf Hammerschmidt Treffpunkt: Jule's Papp, Königstrasse 153, 47798 Krefeld Termine: an jedem 1. Samstag im Monat.

335 Werbung

336 Mitarbeit am Corona?

Gerne und jederzeit!

Sie schreiben gerne und gut? Bringen Ihre Gedanken zielsicher auf den kreativen Höhepunkt, neigen zu nächtlicher Selbstkasteiung, um fingernagelkauend und schlaftrunken die wichtigste Deadline überhaupt einhalten zu können? (Damit meinen wir unsere...)

Toll, wissen Sie was?

Auf Sie haben wir gewartet!

Das Corona Magazine ist ein Online-Projekt, das zu einer Zeit entstanden ist, als 14.4er Modems noch schnell schienen, 64 MB RAM noch wirklich viel waren und das Internet noch den Geist des kostenlosen Informationsaustauschs in sich trug. Zumindest letzteres haben wir aus unseren Anfangszeiten bis in die Gegenwart gerettet. Das Corona Magazine ist nicht-kommerziell. Wir verdienen vielleicht Geld, wir bekommen es aber nicht. Das gilt dann leider auch - und wie so oft - für unsere Autoren, Webmaster, Chefredakteure und das Lektorat.

337 Warum sollte dann irgendjemand auf die Idee kommen, bei uns mitzumachen?

Nun, abgesehen von einer gewissen Dosis Masochismus und der zumeist angeborenen Sehnsucht nach der großen oder kleinen Bühne, verbindet die Mitarbeiter des Corona-Projekts vor allem eines: Der Spaß an der Sache. Obwohl wir im ganzen deutschsprachigen Europa verteilt sind, sind unsere Treffen stets feuchtfröhlich, unsere Chats und Telefonate meist inspirierend (oder zumindest transpirierend) und die Diskussionen in unseren Mailinglisten sind, so denn das Gros der Redakteure mal aus dem Quark kommt, das reinste Paradebeispiel für den Aufbau eines gelungenen Networking. Denn egal in welche Stadt man kommt - ein Corona-Redakteur ist meist schon da.

Wer sind wir eigentlich genau?

Es gab Zeiten und Projekte, da waren wir ein äußerst kunterbunter Haufen. Inzwischen sind wir nur noch bunt. Unsere Redaktion setzt sich aus ehrenamtlich arbeitenden Journalisten, Redakteuren, Lektoren und einer Handvoll von Menschen zusammen, die genau so was unheimlich gerne geworden wären, wenn die

338 Medienbranche nicht so eine Knochenmühle wäre. Das bedeutet für jeden Interessierten, dass er oder sie immer eine Chance hat, dieser Ansammlung an Individuen beizutreten - wenn er mag und kann.

Eine Mail an [email protected] mit einem netten Betreff, wie z.B. »Hallo, da bin ich!« und einer kurzen Vorstellung der eigenen Person reicht da völlig.

Wir freuen uns auf Sie!

339 Impressum

Nachdruck und Vervielfältigung, auch einzelner Artikel oder Auszüge, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen kann keine Gewährleistung übernommen werden. Namentlich gekennzeichnete Beitrage geben nur die Meinung des Verfassers wieder und stimmen nicht zwangsläufig mit den Ansichten der Redaktion und des Herausgebers überein. www.corona-magazine.de www.facebook.com/CoronaMag/ twitter.com/Corona_Magazine

Das Corona Magazine wird herausgegeben von Verlag in Farbe und Bunt Gneisenaustraße 103 45472 Mülheim an der Ruhr

Herausgeber | Mike Hillenbrand

340 Chefredakteur & E-Book-Satz | Björn Sülter

Redaktion dieser Ausgabe Uwe Anton, Reiner Krauss, Bettina Petrik, Thorsten Walch, Reinhard Prahl, Alexandra Trinley, Oliver Koch, Lieven L. Litaer, Birgit Schwenger, Sven Wedekin, Kai Melhorn, Armin Rößler, Rüdiger Schäfer, Anna Pyzalski, Sharine Jansen, C. R. Schmidt, Bernd Perplies, Hermann Ritter

Lektorat | Bettina Petrik, Telma Vahey & Björn Sülter Cover | EM Cedes

Copyright Elemente Coverbild: Final Escape

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