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26.01.2016 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 26.01.2016 Geschäftszahl W171 1435664-1 Spruch W171 1435664-1/22E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2013, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt: I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF. der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird unter einem festgestellt, dass damit XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. II. Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang und Sachverhalt: 1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 27.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in dem der Beschwerdeführer jeweils unter Beiziehung eines Dolmetschers niederschriftlich einvernommen wurde, brachte er bei Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.08.2012 vor, er stamme aus einem Dorf in der Provinz NANGARHAR in Afghanistan, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei sunnitischer Moslem. Zum Fluchtweg gab er an, dass er schlepperunterstützt über Pakistan, den Iran und die Türkei bis nach Griechenland gelangt sei. Von dort sei er auf einem LKW versteckt nach Österreich gelangt. Als Fluchtgrund gab er an, dass er nach dem Tod seines Vaters, der ein Talib gewesen sei, von den Taliban aufgefordert worden sei, an deren Seite zu kämpfen. Nachdem er erwachsen geworden sei, hätten die Taliban ihn unter Druck gesetzt und habe er aus Angst um sein Leben seine Heimat verlassen. In einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 16.04.2013 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe in Afghanistan acht Jahre lang die Schule besucht und nebenbei auf dem Feld gearbeitet. Sein Vater habe für einen Talibanführer gearbeitet und sei vor etwa acht Jahren verstorben. Im Alter von 18 Jahren habe der Beschwerdeführer Probleme bekommen, da die Taliban zu ihm gekommen seien und ihm mitgeteilt hätten, dass er nach dem letzten Willen seines Vaters mit den Taliban zusammenarbeiten solle. Der Beschwerdeführer habe sich darauf berufen, sich um seine Familie kümmern zu müssen. Dennoch hätten die Taliban darauf bestanden und ihm ein paar Drohbriefe geschickt. Sie seien wieder gekommen und hätten ihn unter anderen mit einem Gewehr geschlagen, dabei sei er bewusstlos geworden. Er habe daraufhin an der Nase operiert werden müssen. Die Taliban hätten ihn oft belästigt und geschlagen. Bei einer Rückkehr würden sie ihn nicht am Leben lassen. In einem vom Bundesasylamt veranlassten Sprachanalysebericht von XXXX vom 02.05.2013 wird eingeschätzt, dass der sprachliche Hintergrund des Beschwerdeführers mit hoher Sicherheit in Afghanistan liege. www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 24 Bundesverwaltungsgericht 26.01.2016 Auf dieser Grundlage erließ das Bundesasylamt den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.05.2013, Zl. XXXX, in welchem die Behörde davon ausging, dass dem Beschwerdeführer weder Asyl (Spruchpunkt I.), noch subsidiärer Schutz (Spruchpunkt II.) zu gewähren sei und die Ausweisung in den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (Spruchpunkt III.) ausgesprochen wurde. 1.2. Dagegen wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben, wobei in der Beschwerdeschrift unter geraffter Wiederholung des bislang Vorgebrachten insbesondere darauf verwiesen wurde, dass der Beschwerdeführer nicht für die Taliban kämpfen wolle, die afghanischen Sicherheitsbehörden nicht schutzfähig seien und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht vorliege. Beantragt wurde die Einholung von Zeugenaussagen an seinem Heimatort. Die Behörde habe keine Feststellungen zu Zwangsrekrutierungen getroffen, allgemein seien die Länderfeststellungen größtenteils über ein Jahr alt. Verwiesen wurde auf ein Themendossier zur aktuellen Lage in Afghanistan. In einer Beweisrüge wurde auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde eingegangen und eine "Beweislastumkehr" zulasten des Beschwerdeführers moniert. In weiterer Folge wurde ein Konvolut von Teilnahmebestätigungen an Alphabetisierungs-, Basisbildungs- und Deutschkursen übermittelt. In einer Stellungnahme vom 21.05.2015 wurden Länderberichte betreffend die Heimatprovinz des Beschwerdeführers vorgelegt, welche die dortige prekäre Sicherheitssituation belegen sollten. 2.1. In der daraufhin vom erkennenden Gericht anberaumten mündlichen Verhandlung vom XXXX brachte der Beschwerdeführer in Anwesenheit seiner Rechtsvertreterin im Wesentlichen vor, er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei sunnitisch/muslimischen Glaubens. In Afghanistan würden noch seine Mutter, seine Schwester und seine beiden Brüder leben. Vor etwa 2 bis 2 1/2 Monaten habe er zuletzt mit seinem Bruder telefoniert. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise hätten drei Onkel mütterlicherseits in XXXX gelebt. Seine Mutter habe drei Schwestern, zwei davon lebten in XXXX, eine Schwester lebe in XXXX. Sein Vater habe keinen Bruder, jedoch zwei Schwestern gehabt. Eine sei verstorben, die andere wohne ebenfalls in XXXX. Der Beschwerdeführer selbst stamme aus der Ortschaft XXXX. Seine Verwandten mütterlicherseits würden hingegen aus XXXX stammen. Diese beiden Orte würden aber lediglich durch eine Schule getrennt. Beim letzten Telefonat habe sein Bruder erzählt, dass die Amerikaner immer wieder auf die in der Gegend zahlreich bestehenden Taliban das Feuer eröffnen würden. Der Beschwerdeführer sei acht Jahre lang, jedoch nicht regelmäßig, in die örtliche Schule gegangen. Er könne heute nicht mehr sagen, wie alt er gewesen sei, als sein Vater verstorben sei. Da der Beschwerdeführer körperlich groß gewesen sei, hätten die Taliban nicht genau gewusst, wie alt er sei. Er habe einen Brief bekommen. Er sei aufgefordert worden, sich den Taliban anzuschließen, oder für sie ein Selbstmordattentat auszuführen. Er sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Es habe dann zwei weitere Briefe gegeben, in denen er ebenfalls zur Mitarbeit aufgefordert worden sei. Eines Tages sei ein Mann zu ihm gekommen und habe ihn gefragt, weshalb er sich nicht den Taliban anschließe. Er habe versucht ihm zu erklären, dass er ich um seine Familie und meine jüngeren Geschwister kümmern müsse und diese in Krankheitsfällen zu einem Arzt, der sehr entfernt von unserem Wohnhaus wohne, bringen müsse. Dieser Mann habe gesagt, Gott würde sich um seine Familie kümmern und auf sie aufpassen. Er habe sich trotz der Aussagen dieses Mannes geweigert mit ihm mitzugehen und sich den Taliban anzuschließen. Zu diesem Zeitpunkt sei er weiterhin unregelmäßig zur Schule gegangen und habe nebenbei gearbeitet. Er sei mehrmals von einer Gruppe von Taliban angesprochen worden. Sie hätten ihn dazu überreden wollen, für sie zu arbeiten. Er habe immer wieder gesagt, dass er das nicht wolle und dass er nicht andere unschuldige Menschen töten wolle. Nachdem die Taliban sich sicher gewesen seien, dass sie ihn nicht zur Mitarbeit überreden könnten, hätten sie ihn geschlagen. Er sei daraufhin von einem Arzt behandelt und in XXXX zweimal an der Nase operiert worden. Seine Mutter habe mit dem Onkel mütterlicherseits gesprochen, der das Geld organisiert habe, um die Flucht des Beschwerdeführers zu finanzieren. Die Bedrohung habe einige Monate vor seiner Ausreise begonnen. Es sei ein Zeitraum von etwas weniger als einem Jahr gewesen. Innerhalb dieser Monate seien die drei Drohbriefe gekommen. Als er auf einen Drohbrief nicht reagiert habe, sei innerhalb weniger Tage ein weiterer Drohbrief gekommen. Er könne nicht sagen, ob es diese Briefe noch gebe. Zu der Verletzung gab der Beschwerdeführer an, er sei eines Tages am Feld gewesen und habe dort gearbeitet, als eine Gruppe von Taliban auf ihn zugekommen sie. Sie hätten sehr schnell gesprochen und ihn immer wieder gefragt, weshalb er auf ihre Aufforderung nicht reagieren würde. Er habe versucht, ihnen zu erklären, dass er sich um seine Familie kümmern müsse. Daraufhin sei er geschlagen worden. Der erste Schlag sei gegen sein Gesicht und gegen seine Nase gegangen. Er habe ab diesem Zeitpunkt nichts mehr mitbekommen. Es seien sicher zehn oder mehr Männer gewesen. Es hätten mehrere Personen gleichzeitig auf ihn eingeredet, sodass er gar nicht folgen habe können. Ihm sei besonders aufgefallen, dass die Personen alle lange Haare gehabt hätten. Sie hätten immer wieder die Waffe gegen ihn gerichtet und gesagt, sie würden ihn damit erschießen, wenn er nicht auf sie höre. Er habe keinen von ihnen gekannt, sie hätten eine spezielle Kopfbedeckung gehabt. Er habe diese Männer dort zum ersten Mal gesehen. Sie hätten Information über ihn gehabt und gewusst, wessen Sohn er sei. Sie hätten ihn immer wieder gefragt, weshalb er sich ihnen nicht anschließen wolle. Gefragt, ob ihm seinerzeit aus der näheren Umgebung andere vergleichbare Fälle bekannt gewesen seien, gab er an, es sei immer wieder von Vorfällen berichtet worden, bei denen Männer von den Taliban angesprochen und zur Mitarbeit aufgefordert worden seien. Vor allem Soldaten, die für die Nationalarmee tätig gewesen seien, seien aufgefordert www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 24 Bundesverwaltungsgericht 26.01.2016 worden, ihre Arbeit niederzulegen. Wenn die Taliban davon erfahren hätten, dass diese jungen Männer ihre Familien in Dörfern besuchten, hätten sie diese Leute gefasst, ihnen die Ohren und die Nase abgeschnitten und sie anschließend getötet. Es habe auch Fälle gegeben, bei denen Personen, die nicht