Zwischen Theorie Und Praxis Politischer Bildung
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AdB-Titel 3-10 4,5 mm R.fh10 09.11.2010 10:34 Uhr Seite 1 C M Y CM MY CY CMY K 3-2010 Zwischen Theorie und Praxis politischer Bildung Ideen und Konjunkturen politischer Erwachsenenbildung Was ist Bildung? Demokratiepädagogik oder politische Bildung? Forschung für die Praxis Außerschulische Bildung 3-2010 ISSN 0176-8212 Probedruck INHALTSVERZEICHNIS ZU DIESEM HEFT 197 ADB-FORUM Helle Becker SCHWERPUNKT Forschung für die Praxis? Empirische Ergebnisse zu Teilnehmenden Paul Ciupke und Wirkungen politischer Jugendbildung 256 Zwischen Theorie und Praxis Beobachtungen und Anmerkungen zu Orientierungssystemen, Autonomie und Be- ADB-JAHRESTHEMA wegungsbezug in der außerschulischen po- litischen Bildung 198 Karsten Matthis „Standort Deutschland – Wohlstand für Klaus-Peter Hufer alle?“ Politische Erwachsenenbildung – zur Ge- Ein Seminar des Arbeitnehmer-Zentrums schichte ihrer Ideen und Konjunkturen 206 Königswinter (AZK) 264 Joachim Klose „Vom Wissen der Bildung“ 218 ARBEITSHILFEN UND METHODEN Helmut Bremer/Mark Kleemann-Göhring Christian Roth Demokratiepädagogik oder politische Bil- Energiesicherheit in Europa dung: Gegensatz oder falsche Alternative? Ein Planspiel über Ressourcenkonflikte 267 226 Astrid Messerschmidt Differenzverhältnisse INFORMATIONEN Ansätze zur Kritik von Geschlechterordnun- gen und Impulse für die politische Bildung 234 Meldungen 273 Thomas Gill Aus dem AdB 286 Zur Aktualität Kurt Löwensteins für die po- litische Jugendbildung 242 Personalien 292 Martin Allespach/Lothar Wentzel Bücher 294 Subjektorientierung und kritische Psycho- logie – neue Ansätze in der gewerkschaft- Markt 308 lichen Bildungsarbeit 249 IMPRESSUM 313 Thema des nächsten Heftes: Jugendleben, Jugendpolitik, Jugendbildung 195 196 ZU DIESEM HEFT Der Versuch, Beobachtun- Orientierung wie an Interesse für die Belange der gen der Realität zu syste- Bildungspraxis. In welchem Maße die politische Bil- matisieren und zu inter- dung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch- pretieren, kann als die ele- land von den großen gesellschaftlichen Debatten mentarste Form von Theo- einst beeinflusst wurde, welche Impulse und Anre- riebildung bezeichnet wer- gungen sie didaktischen Ansätzen, wissenschaftli- den. Eine Theorie kann al- chen Erkenntnissen zu historischen, gesellschaftli- lerdings von Aussagen über chen und politischen, schließlich auch ökologischen einen Ausschnitt von All- Entwicklungen verdankte, stellt an herausragen- tagswirklichkeit bis hin den Beispielen Klaus-Peter Hufer dar. Joachim Klose zu ausformulierten Erklä- mahnt ein Verständnis von Bildung an, das uns beim rungsmodellen reichen, die Versuch der Indienstnahme des Bildungsbereichs sich auf ganze Epochen oder Gesellschaften, Teil- für ökonomische Zwecke abhanden zu kommen gebiete von Wissenschaften oder die Entstehung droht. Von der Relevanz theoretischer Auseinander- der Welt beziehen. Auch im Bereich der Politik, der setzungen für die didaktische Umsetzung in der nicht nur geprägt ist von miteinander konkurrie- Bildungspraxis handelt der Beitrag von Helmut Bre- renden Interessen, sondern auch von verschiede- mer und Mark Kleemann-Göhring. Astrid Messer- nen Interpretationen gesellschaftlicher Wirklichkeit schmidt, Thomas Gill und Martin Allespach mit Lo- und Weltanschauungen, sind Theorien wichtige thar Wentzel machen in ihren Beiträgen deutlich, Voraussetzungen für politisches Handeln. Sie prä- wo in Feldern der politischen Bildung auch heute gen politische Zielsetzungen und finden in den Pro- noch der Zusammenhang zwischen Theorie und grammen von Parteien ihren Niederschlag. Da kann Praxis durchaus besteht, wie sich die Praxis politi- aus einer Theorie allerdings auch schnell mal eine scher Bildung auf Theorien in sehr unterschiedli- Ideologie werden. chen Wissenschaftsbereichen bezieht und sich mit In der außerschulischen politischen Bildung haben ihnen verändert. politische Theorien als Grundlage für inhaltliche Es ist also durchaus an der Zeit, sich wieder einmal Orientierung und Angebotsgestaltung ihre frühere stärker mit den für die eigene Arbeit grundlegen- Bedeutung eingebüßt. Man bekennt sich kaum noch den wissenschaftlichen Entwicklungen zu befassen zu einer bestimmten „Denkschule“, bei der Ent- und danach zu fragen, welche Antworten sie auf scheidung über das Programm sind längst schon die Fragen der Praxis geben könnten. Dazu soll die- andere Kriterien wirkungsmächtig. Das Thema un- ses Heft anregen. Dass auch die Bezugswissenschaf- seres Heftes mutet daher zunächst ein wenig un- ten politischer Bildung vom regeren Austausch mit zeitgemäß an. der Bildungspraxis profitieren könnten, wird dabei Paul Ciupke beschreibt in seinem Beitrag die aktu- unterstellt. elle gegenseitige Ignoranz zwischen Theorie und Praxis politischer Bildung und sucht nach den Ursa- chen für den gleichzeitigen Mangel an theoretischer Ingeborg Pistohl 197 SCHWERPUNKT Zwischen Theorie und Praxis Beobachtungen und Anmerkungen zu Orientierungssystemen, Autonomie und Bewegungsbezug in der außerschulischen politischen Bildung Paul Ciupke Das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis der po- nen Professionalität die Disziplin weiter. Auch wenn litischen Jugend- und Erwachsenenbildung hat sich es heute immer noch angesehene schreibende und abgekühlt, die früher gegenseitig gehegten hohen lehrende Praktiker und einige aus der Praxis kom- Erwartungen sind eher einer Haltung der Distanz mende Hochschullehrer gibt – dieser Berufs- und gewichen. Zur Unübersichtlichkeit trägt unter an- Karriereweg ist nicht mehr der Normalfall, sondern derem auch die neue Vielzahl von disziplinären Be- die Ausnahme. zügen bei. Zudem zeigt sich, dass fast alle theoreti- Weiterbildung und damit auch die politische Ju- schen Rahmungen und Grundlegungen von den gend- und Erwachsenenbildung stehen aber auch Vorgaben der aktuellen Weiterbildungspolitik und unter Dauerbeobachtung seitens der Administra- ihren bestimmenden Akteuren in Administration tion und der Politik: Eine Evaluation löst die näch- und Politik eingeholt und beeinflusst werden. Da- ste ab und man nimmt auf Seiten der Praxis die her gibt es heute kein unbefangenes Verhältnis wissenschaftlichen Evaluatoren nicht immer nur als von Theorie und Praxis mehr. Verbündete wahr, sondern mitunter auch als Erfül- lungsgehilfen einer die wirklichen Problemlagen verkennenden, aber nach Steuerung und perma- War in der Profession und Disziplin der politischen nenter Innovation verlangenden Politik. Jugend- und Erwachsenenbildung1 früher alles bes- Umgekehrt finden sich ser? Manchmal könnte es so scheinen – nicht nur Politik und Administra- gerade unter den kriti- angesichts der materiellen Sorgen, die das Feld stän- tion haben mit Eingrif- schen Wissenschaftlern dig plagen, sondern auch des in mancherlei Hinsicht fen und speziellen manche, die der Praxis verkümmerten Verhältnisses wegen, das mittler- Förderprogrammen die den täglichen Verrat an weile Theoretiker und Praktiker der politischen Bil- Lenkung und Orientie- den Idealen und Normen dung miteinander pflegen. Theorien der politischen rung des Feldes politi- einer an differenzierter Bildung – gibt es die noch? Oder dominieren nicht scher Bildung längst politischer Urteilsfähig- vielmehr jene Konstrukte begrenzter Reichweite übernommen keit und nachhaltiger das den Alltag steuernde Bewusstsein der Praktiker Gesellschaftskritik orien- wie das der Theoretiker, die nicht leugnen können, tierten politischen Bildung vorwerfen. Solchen Dia- dass sie sich den Vorgaben der Bildungspolitik und gnosen ist zumindest der Umstand entgegenzuhal- einer entgrenzten Öko- ten, dass Politik und Administration mit einer In der Praxis empfindet nomie verdanken, die Vielzahl von harten wie auch weichen Eingriffen man das Feld der Wis- den Bildungssektor zu und speziellen Förderprogrammen die Lenkung und senschaft als zuneh- kolonialisieren drohen? Orientierung des Feldes längst übernommen haben, mend selbstreferentiell Und sind die Praktiker so dass zur Wahrung der beruflichen wie der institu- der politischen Jugend- tionellen Existenz das ständige Austarieren tagespo- und Erwachsenenbildung überhaupt noch an The- litischer Anforderungen und ein entsprechendes orien und wissenschaftlichen Forschungsergebnissen Entgegenkommen unausweichlich sind. Theorien interessiert oder längst gefangen in einem Dienst- spielen in dieser Situation eine nachgeordnete Rol- leistungsverständnis, das Theorien eher als Ansin- le. Das strukturelle Einwirkungspotenzial der Nach- nen und den Alltag störend und im Übrigen die frager politischer Bildung sollte auch noch erwähnt, realen Problemlagen verfehlend wahrnimmt? Eine es kann hier aber nicht weiter erörtert werden. gewisse Entfremdung und zunehmende Separie- rung sind durchaus zu spüren. Auf Seiten der Praxis Politische Jugend- und Erwachsenenbildner/-innen empfindet man – vielleicht auch nicht ganz unbe- müssen heute nicht nur eine an theoretischen Leit- gründet – das Feld der Wissenschaft als zunehmend gedanken, professionellen Grundsätzen und de- selbstreferentiell. Das ist nicht nur an manchen we- mokratischen Normen ausgerichtete Praxis zum nig nachvollziehbaren Schleifen theoretischer Ver- Gelingen bringen; sie sind gleichzeitig immer auch gewisserungsprozeduren ablesbar, sondern auch ihre eigenen Legitimationsbeschaffer und Sicherer den heutigen personellen Rekrutierungsprozessen ständig gefährdeter und umkämpfter finanzieller geschuldet. Früher wechselten nicht wenige Prakti- Ressourcen. Und die besondere Verfassung der ker in die Hochschule und entwickelten vor dem außerschulischen Bildung, die bisher idealtypisch