Plenarprotokoll 17/111

Deutscher

Stenografischer Bericht

111. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Inhalt:

Nachruf auf den ehemaligen Vizepräsidenten Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ des Deutschen Bundestages Helmuth Becker 12603 A DIE GRÜNEN) ...... 12623 C Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) ...... 12624 B neten , Dr. Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . und Karl Schiewerling ...... 12603 D 12625 B Begrüßung der neuen Abgeordneten Stefan Rebmann und ...... 12604 A Wahl der Abgeordneten als or- Tagesordnungspunkt 4: dentliches Mitglied im Kuratorium der Stif- a) Erste Beratung des von der Fraktion der tung „Erinnerung, Verantwortung und Zu- SPD eingebrachten Entwurfs eines Neun- kunft“ ...... 12604 A zehnten Gesetzes zur Änderung des Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- Bundeswahlgesetzes nung ...... 12604 A (Drucksache 17/5895) ...... 12626 A b) Erste Beratung des von den Abgeordneten , Sevim Dağdelen, Dr. , weiteren Abgeordne- Tagesordnungspunkt 3: ten und der Fraktion DIE LINKE einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- Abgabe einer Regierungserklärung durch derung des Grundgesetzes und zur die Bundeskanzlerin: zum G-8-Gipfel am Reformierung des Wahlrechts 26./27. Mai 2011 in Deauville ...... 12605 A (Drucksache 17/5896) ...... 12626 B Dr. , Bundeskanzlerin ...... 12605 B (SPD) ...... 12626 B Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) ...... 12609 B Dr. Günter Krings (CDU/CSU) ...... 12628 D Rainer Brüderle (FDP) ...... 12612 A Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) ...... 12631 C Dr. (DIE LINKE) ...... 12614 B Thomas Oppermann (SPD) ...... 12633 C (CDU/CSU) ...... 12617 A (DIE LINKE) ...... 12634 C Dr. (BÜNDNIS 90/ Dr. (FDP) ...... 12636 B DIE GRÜNEN) ...... 12618 D (Köln) (BÜNDNIS 90/ Ruprecht Polenz (CDU/CSU) ...... 12619 D DIE GRÜNEN) ...... 12638 D Dr. Rolf Mützenich (SPD) ...... 12621 A (Altötting) (CDU/CSU) . . . . 12640 A (CDU/CSU) ...... 12622 B (SPD) ...... 12642 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Dr. (CDU/CSU) ...... 12643 B der Wirtschaftspolitiken (Ratsdok. 14520/10) Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 12644 D hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . 12646 B 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (Drucksache 17/5904) ...... 12647 C e) Antrag der Abgeordneten Sahra Tagesordnungspunkt 30: Wagenknecht, Michael Schlecht, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Frak- a) Erste Beratung des von der Bundesregie- tion DIE LINKE: zu dem Vorschlag rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- einer Verordnung des Europäischen ten Gesetzes zur Änderung der Bundes- Parlaments und des Rates über Durch- Tierärzteordnung setzungsmaßnahmen zur Korrektur (Drucksache 17/5804) ...... 12647 B übermäßiger makroökonomischer Un- gleichgewichte im Euro-Währungsge- b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und biet FDP: Einrichtung einer Interparlamen- (Ratsdok. 14512/10, KOM(2010) 525) tarischen Konferenz zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bzw. Ge- und meinsamen Sicherheits- und Verteidi- gungspolitik der Europäischen Union zu dem Vorschlag einer Verordnung des (Drucksache 17/5903) ...... 12647 C Europäischen Parlaments und des Ra- tes über die Vermeidung und Korrektur c) Erste Beratung des von den Abgeordneten makroökonomischer Ungleichgewichte Jan Korte, Dorothee Menzner, Dr. Barbara (Ratsdok. 14515/10; KOM(2010) 527) Höll, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- wurfs eines … Gesetzes zur Änderung desregierung gemäß Artikel 23 Ab- des Grundgesetzes (Gesetz zur grund- satz 3 des Grundgesetzes gesetzlichen Verankerung des Aus- (Drucksache 17/5905) ...... 12648 A stiegs aus der Atomenergie) (Drucksache 17/5474) ...... 12647 C f) Antrag des Bundesministeriums der Fi- nanzen: Entlastung der Bundesregierung d) Antrag der Abgeordneten , für das Haushaltsjahr 2010 Dr. , , – Vorlage der Haushaltsrechnung des weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bundes für das Haushaltsjahr 2010 – DIE LINKE: zu dem Vorschlag für eine (Drucksache 17/5648) ...... 12648 A Verordnung (EU) Nr. …/… des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit Zusatztagesordnungspunkt 2: (Ratsdok. 14496/10) a) Antrag der Abgeordneten , zu dem Vorschlag für eine Richtlinie (Spandau), Dr. Ernst Dieter des Rates über die Anforderungen an Rossmann, weiterer Abgeordneter und der die haushaltspolitischen Rahmen der Fraktion der SPD: Notfallplan für die Mitgliedstaaten Hochschulzulassung zum Wintersemes- (Ratsdok. 14497/10) ter 2011/12 jetzt starten (Drucksache 17/5899) ...... 12648 B zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des b) Antrag der Abgeordneten , Rates über die wirksame Durchsetzung Dr. , Marco Bülow, weite- der haushaltspolitischen Überwachung rer Abgeordneter und der Fraktion der im Euro-Währungsgebiet SPD: Transparenz bei Rückstellungen (Ratsdok. 14498/10) im Kernenergiebereich schaffen (Drucksache 17/5901) ...... 12648 B zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des c) Antrag der Abgeordneten Martin Dörmann, Rates zur Änderung der Verordnung , , weiterer Ab- (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der geordneter und der Fraktion der SPD: haushaltspolitischen Überwachung und Schnelles Internet für alle – Flächende- der Überwachung und Koordinierung ckende Breitband-Grundversorgung si- 12626 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Hartwig Fischer (Göttingen) (A) eine ganz besondere Herausforderung, der wir uns stel- Es hat dem Gesetzgeber eine Bearbeitungsfrist von drei (C) len müssen. Hierfür tragen wir Verantwortung. Hier Jahren eingeräumt. Diese läuft in sechs Wochen ab. Wir müssen wir auch innerhalb der Europäischen Union stellen fest: Schwerpunkte setzen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE All dies bietet Entwicklungsmöglichkeiten für den GRÜNEN]: Nichts ist!) Chancenkontinent Afrika. Ich bitte Sie einfach einmal, Am Ende dieser drei Jahre stehen wir fast genau dort, wo die Entwicklung der Bevölkerungszahl, die die Deutsche wir zu Beginn gestanden haben. Es gibt keine Mehrheit Stiftung Weltbevölkerung ermittelt hat und die auch im Deutschen Bundestag für ein verfassungskonformes Auswirkungen auf uns hat, genauer anzusehen. Dann se- Wahlrecht. Ich finde, das ist eine grobe Missachtung der hen Sie, welche Herausforderungen sich für Afrika, aber Rechtsprechung des Gerichtes durch die Mehrheit in die- auch für uns als Nachbarkontinent stellen. Unterstützen sem Hause. Sie dabei diese christlich-liberale Koalition! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Herzlichen Dank. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie haben eine Nachspielzeit von drei Jahren bekom- men. Aber Sie haben die Uhr einfach ablaufen lassen Präsident Dr. : und haben nichts gemacht. Ich finde, das ist eine un- Ich schließe die Aussprache. glaubliche verfassungspolitische Respektlosigkeit, die Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- Sie an den Tag legen. ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem 17/5951. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Ent- schließungsantrag ist abgelehnt. Die Grünen haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der Schönheitsfehler haben mag. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und b auf: (Jörg van Essen [FDP]: Gravierende a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD ein- Schönheitsfehler!) gebrachten Entwurfs eines Neunzehnten Geset- zes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Aber er würde uns helfen, ein verfassungskonformes Wahlrecht zu schaffen. Die SPD legt heute einen Gesetz- – Drucksache 17/5895 – entwurf für ein verfassungskonformes Wahlrecht vor. Sogar die Fraktion Die Linke hat einen Gesetzentwurf (B) Überweisungsvorschlag: (D) Innenausschuss (f) eingebracht. Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Der gefällt Rechtsausschuss Ihnen?) Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Dass Sie sich als Regierungskoalition ausgerechnet von b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Halina den Linken in Sachen Verfassung und Wahlrecht überho- Wawzyniak, Sevim Dağdelen, Dr. Dagmar len lassen, Enkelmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs ei- (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Lesen Sie nes Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes doch erst einmal den Gesetzentwurf!) und zur Reformierung des Wahlrechts spricht eindeutig gegen Sie. – Drucksache 17/5896 – (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Überweisungsvorschlag: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Innenausschuss (f) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Das Bundesverfassungsgericht hat das negative Stimm- Geschäftsordnung gewicht beanstandet. Das ist in der Tat eine paradoxe Er- Rechtsausschuss scheinung in unserem Wahlrecht. Es hätte bei der Nach- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind auch wahl in Dresden dazu geführt, dass die CDU, wenn sie für diese Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre kräftig Zweitstimmen hinzugewonnen hätte, ein zusätz- keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. liches Listenmandat in Sachsen gewonnen hätte. Sie hätte dann aber ein Mandat in Nordrhein-Westfalen ver- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst loren. Allerdings wäre dieses Mandat in Sachsen gar der Kollege Thomas Oppermann für die SPD-Fraktion. nicht zu Buche geschlagen; denn in Sachsen hatte die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) CDU sogenannte Überhangmandate. Deshalb wäre in der Konsequenz ein Überhangmandat lediglich in ein Listenmandat umgewandelt worden. Unter dem Strich Thomas Oppermann (SPD): hätte die Union ein Mandat, und zwar in Nordrhein- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Jahr Westfalen, verloren. vor der letzten Bundestagswahl hat das Bundesverfas- sungsgericht das Bundeswahlgesetz überprüft und ist zu Das bedeutet: Ein Zuwachs an Zweitstimmen kann dem Ergebnis gekommen, dass es verfassungswidrig ist. zum Verlust von einem Mandat führen. Das Bundesver- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12627

Thomas Oppermann (A) fassungsgericht sagt, dass das nicht sein darf. Wenn die politische Gewicht Hamburgs im Bundestag: Hamburg (C) Wählerinnen und Wähler nicht mehr sicher sein können, hat insgesamt 13 Bundestagsmandate. Baden-Württem- ob sie mit ihrer Stimmabgabe ihrer Partei nützen oder berg hat jetzt zwar eine gute Regierung; aber das ist noch schaden, dann ist das Vertrauen in das Wahlrecht in der lange kein Grund dafür, dass diese Region hier im Deut- Tat beeinträchtigt und dann muss dieser Fehler korrigiert schen Bundestag mit zehn Mandaten überrepräsentiert werden. sein sollte. Das negative Stimmgewicht hat aber nur eine be- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ grenzte Wirkung. Insgesamt können damit bundesweit DIE GRÜNEN) ein oder zwei Mandate verschoben werden, nicht mehr. Unsere verbundenen Landeslisten sind quasi kommuni- Drittens. Die Überhangmandate verletzen die Chan- zierende Röhren, die das immer ausgleichen. cengleichheit der politischen Parteien bei den Wahlen. Die SPD braucht für ein Bundestagsmandat 68 500 Stimmen, Eine viel gravierendere Verzerrung der Wirkung von die CSU 62 000 Stimmen, die CDU nur 61 000 Stim- Wählerstimmen kommt durch die Überhangmandate zu- men. Es ist kein faires Wahlrecht, wenn einzelne Par- stande. Sie sind das eigentliche Problem. Wir kennen teien weniger Stimmen für ein Mandat benötigen als an- Überhangmandate seit Bestehen der Bundesrepublik dere. Deutschland. Vor 1990 waren es allerdings nie mehr als sechs Überhangmandate. Seit der Vereinigung ist ihre Der vierte Punkt ist im Hinblick auf die Verfassungs- Zahl gewachsen. Heute haben wir bei einem Fünf-Par- widrigkeit der Überhangmandate am gravierendsten. Die teien-System 24 Überhangmandate im Deutschen Bun- Überhangmandate können die Mehrheiten im Deutschen destag, so viel wie noch nie zuvor. Diese 24 Überhang- Bundestag umdrehen. Das heißt, eine Minderheit der mandate entfielen ausschließlich auf die Union. Das Stimmen kann zu einer Mehrheit der Mandate führen. bedeutet: Keine von den 1,5 Millionen Wählerstimmen, Die Überhangmandate können hierfür den Ausschlag ge- die man normalerweise braucht, um diese Anzahl der ben. Spätestens wenn das passiert – meine Damen und Mandate zu gewinnen, musste sich die Union verdienen. Herren, da bin ich ganz sicher –, werden die Wählerin- Sie hat sie extra obendrauf bekommen. nen und Wähler das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie verlieren. Das kann dann eine Das Bundesverfassungsgericht – das muss man natür- Staats- und Verfassungskrise auslösen, über die sich nie- lich klar einräumen – hat bisher noch nicht eindeutig die mand freuen kann. Verfassungswidrigkeit der Überhangmandate festge- stellt, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ganz im DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE (B) (D) Gegenteil!) LINKE]) aber schon in seiner ersten Entscheidung klar ausgeführt, Deshalb müssen wir dieses Problem ernst nehmen. dass bei Überhangmandaten die Wähler der entsprechen- Alle Experten sagen, dass die Zahl der Überhangman- den Kandidaten ausnahmsweise ihr Stimmgewicht ver- date im Fünf-Parteien-System weiter anwachsen wird, doppeln können und dass das nur in engen Ausnahme- von 24 in Richtung 50 oder 60. Das ist eine ernstzuneh- grenzen zulässig ist. In einer anderen Entscheidung hat mende Bedrohung. es gesagt: Wenn sich der Anteil der Überhangmandate Wir müssen wissen: Das Wahlrecht ist nicht irgendein allerdings der 5-Prozent-Marke nähert, dann wird es ver- Recht, das beliebig gestaltet werden kann. Das Wahl- fassungsrechtlich kritisch. Genau dahin bewegen wir recht ist neben der Freiheit der Person und der Mei- uns: 24 Mandate sind noch keine ganzen 5 Prozent, aber nungsfreiheit für die Demokratie schlechthin konstituie- wir haben hier jetzt Überhangmandate fast in Fraktions- rend: In der Demokratie liegt die Macht beim Volk; der stärke; das ist wie eine sechste Fraktion im Deutschen Wahlakt ist die Übertragung dieser Macht vom Volk auf Bundestag. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Parlament. Der Wahlakt muss deshalb klar, einfach Überhangmandate in dieser Größenordnung aus vier und sauber sein; vor allen Dingen muss er manipula- Gründen verfassungswidrig sind: tionsfrei gestaltet sein. Er ist verbunden mit dem glei- Erstens. Sie verleihen manchem Wähler ein doppeltes chen Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger; dieses Stimmgewicht: Ein Teil der Wähler kann mehr Abgeord- gleiche Wahlrecht ist im Augenblick nicht mehr gewähr- nete in den Deutschen Bundestag wählen als andere leistet. Wähler. Das ist eine Wirkung, die wir schon einmal in Wir sagen deshalb: Ein verfassungskonformes Wahl- Deutschland hatten: beim vorkonstitutionellen Wahl- recht muss nicht nur das negative Stimmgewicht beseiti- recht in Preußen. gen, sondern auch die Überhangmandate neutralisieren. Zweitens. Die Überhangmandate führen zu einer mas- Hier gibt es mehrere Wege. Die Grünen wollen die Über- siven regionalen Ungleichverteilung der Mandate und hangmandate nach ihrem Entwurf mit Mandaten auf den damit zu unterschiedlichem politischem Einfluss der Landeslisten anderer Länder verrechnen. Das ist nicht verschiedenen Regionen. Die CDU in Baden-Württem- unproblematisch, weil auch das zu einer regionalen Un- berg hat bei der letzten Wahl mit rund 34 Prozent der gleichverteilung des politischen Einflusses führen Zweitstimmen fast 50 Prozent der Mandate gewonnen, würde. Außerdem könnte man CSU-Mandate nicht ver- davon zehn Überhangmandate. Das politische Gewicht rechnen, weil die CSU eine eigenständige Landesliste der zehn Überhangmandate ist fast genauso groß wie das aufstellt. 12628 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Thomas Oppermann (A) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen alles tut, um der Union die Überhangmandate zu si- (C) NEN]: Dafür haben wir auch eine Lösung!) chern. Die FDP hat zwar ein bisschen unter dem Image gelitten, eine Partei der Egoisten zu sein, dass Sie jetzt Man müsste dann der CSU direkt gewählte Mandate aber so altruistisch sind, dass Sie sogar zur Machtabsi- wieder abnehmen. Auch das ist problematisch. Die Lin- cherung der Union beitragen wollen ken legen einen Entwurf vor, in dem dieses Modell mit dem SPD-Modell kombiniert wird. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Tief gesunken, die FDP!) (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sie können alle zustimmen!) und für ein Wahlrecht eintreten, das Ihrer Partei über- haupt nicht hilft, wundert mich sehr. Dieses Wahlrecht Unser Modell sieht vor, die Überhangmandate auszu- hilft den kleinen Parteien gar nicht. Sie bekommen zwar gleichen, sodass die Proportionalität des Zweitstimmen- Ausgleichsmandate, aber keine Überhangmandate. ergebnisses wiederhergestellt werden kann. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Wer redet (Beifall bei der SPD) jetzt machtpolitisch? – Dr. Günter Krings Ausgleichsmandate gewährleisten, dass die Stimm- [CDU/CSU]: Eine machtpolitische Rede hal- abgabe für eine Partei dieser Partei auch tatsächlich ten Sie!) nützt. Die Wählerinnen und Wähler können bei der Deshalb möchte ich Sie bitten: Kehren Sie zurück Stimmabgabe dann wieder sicher sein, dass ihre Stimme der Partei, die sie gewählt haben, im Endeffekt zugute (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Zur kommt. Wir sehen natürlich ganz klar die Gefahr, dass Sache!) der Bundestag durch Überhang- und Ausgleichsmandate an den Verhandlungstisch. Sie haben mit uns zwar Ge- größer werden kann. Wir sehen aber nicht tatenlos zu. spräche geführt, aber wir hatten den Eindruck, dass die Dieser unerwünschte Effekt kann korrigiert werden. Gespräche nur geführt wurden, um Zeit zu schinden. Da- Deshalb sagen wir: Vor der übernächsten Bundestags- für stehen wir nicht zur Verfügung. Wir haben jetzt einen wahl kann man auswerten, wie sich die Ausgleichsman- Entwurf auf den Tisch des Hauses gelegt. Dazu kann es date ausgewirkt haben. Wir wären dann bereit, durch jetzt eine Anhörung geben. Ich gehe davon aus, dass Sie eine maßvolle Reduzierung der Direktwahlkreise eine noch vor Ablauf der Frist wenigstens einen Entwurf vor- Verkleinerung des Bundestages herbeizuführen. Auf die- legen. sem Weg würden wir gleichzeitig einen Umstand her- stellen, der die Entstehung von Überhangmandaten ten- Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit vor einem Al- denziell verhindern kann. leingang warnen. Ein Konsens im Wahlrecht ist für un- (B) sere Demokatie wichtig. (D) Die Koalition überlegt immer noch. Sie hat noch im- mer keine Einigung gefunden. Das liegt natürlich daran, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dass sie das Wahlrecht in erster Linie als Instrument zur DIE GRÜNEN) Machtabsicherung betrachtet. Wenn Sie mit Ihrer Mehrheit Ihr Modell durchbringen (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Nicht von wollen, dann können wir nicht ausschließen, dass wir sich auf andere schließen!) uns in Karlsruhe wiedersehen. Dann wird das Bundes- verfassungsgericht vielleicht final Gelegenheit bekom- Die Union möchte um jeden Preis die Überhangmandate men, ein abschließendes Wort zur Verfassungswidrigkeit behalten. Ich rufe Ihnen zu: Letztes Mal haben Sie zwar der Überhangmandate zu sagen. reichlich Überhangmandate gehabt, wie das beim nächs- ten Mal sein wird, wissen wir aber nicht. Vielen Dank. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Eben!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In der Vergangenheit hat auch die SPD von Überhang- mandaten profitiert. Vizepräsident : (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Viel Vielen Dank, Kollege Thomas Oppermann. – Jetzt für häufiger!) die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Dr. Günter Immer haben aber nur CDU und SPD davon profitiert, Krings. Bitte schön, Kollege Dr. Krings. nie die Grünen, nie die FDP und nie die Linkspartei. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb sagen wir: Wenn die Überhangmandate all diese kritischen Wirkungen haben, dann wollen wir davon Dr. Günter Krings (CDU/CSU): nicht profitieren. Wir wollen auf diese Chance verzich- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debat- ten, indem wir die Überhangmandate ausgleichen. tieren heute auf Antrag von SPD und Linken über das Ich kann verstehen, dass die Union sich angesichts ei- Wahlrecht. Ich will Ihnen, Herr Oppermann, und allen ner laut demoskopischer Untersuchungen schrumpfen- anderen Kollegen eines vorweg sagen: So weit Sie kriti- den Zustimmung und angesichts der schlechten Land- sieren, dass die Koalitionsfraktionen zu lange brauchen, tagswahlergebnisse an diesen Überhangmandaten um einen ausformulierten Gesetzentwurf zu diesem festklammern will. Was ich aber nicht verstehen kann, Thema vorzulegen, gebe ich Ihnen recht. Dieser Kritik Herr Brüderle, ist, dass die FDP in diesen Verhandlun- kann und will ich nicht entgegentreten. Auch ich hätte Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12629

Dr. Günter Krings (A) mir gewünscht, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt deutlich Kommen wir zunächst zum Vorschlag der Grünen, (C) weiter wären. die ihn heute nicht zur Debatte stellen, die ihn vielmehr vor einigen Wochen vorgelegt haben. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon in der letzten Legislaturpe- Aber ich möchte Ihnen auch Folgendes sagen: Sie riode! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ sollten vermeiden – zum Schluss klang es ein wenig so, DIE GRÜNEN]: Zahlreiche!) als ob Sie das tun könnten –, bei diesem Thema in Oppo- sitionsreflexe zu verfallen. Sie haben zu Recht darauf Übrigens legen Sie Vorschläge immer nur dann vor, hingewiesen, dass man versuchen muss, mit allen Frak- wenn Sie in der Opposition sind; in Regierungszeiten ha- tionen zu sprechen. Hierfür gab es durchaus schon An- ben Sie es nie geschafft, Ihren Koalitionspartner zu ei- gebote. Hier sind eben nicht nur die Regierungsfraktio- nem Vorschlag zu überreden. Aber das sei dahingestellt. nen, sondern alle Fraktionen in diesem Hause gefragt, dieses schwierige Problem „negatives Stimmgewicht“ in Sie wollen Überhangmandate auf anderen Landeslis- den Griff zu bekommen und Lösungsvorschläge zu ma- ten kompensieren, sie durch Verrechnungen ausgleichen. chen. Nur: Es reicht eben nicht, irgendeinen Gesetzent- Im Klartext: Ihr Vorschlag geht dahin, dass an sich bereits wurf vorzulegen, wie das inzwischen alle drei Fraktio- auf Landeslisten gewählte Abgeordnete ihr Mandat wie- nen auf der linken Seite dieses Hauses gemacht haben, der verlieren, weil in einem anderen Bundesland Über- sondern es muss etwas vorgelegt werden, was verfas- hangmandate eingetreten sind. Wie die anderen Fraktio- sungskonform, transparent und fair ist. nen ignorieren Sie dabei, dass die Überhangmandate überhaupt nicht das Problem sind, das das Bundesverfas- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sungsgericht uns zur Lösung aufgetragen hat. NEN]: Wir sitzen in der Mitte! Sie sind wohl einäugig, Herr Kollege!) (Gabriele Fograscher [SPD]: Und Ihr Vor- schlag?) Fair heißt: fair zwischen den verschiedenen Parteien und fair zwischen den verschiedenen Regionen in Deutsch- Wir sind aber sehr dafür, nur die Probleme zu lösen, die land. Ich kann es vorwegnehmen: Alle drei Gesetzent- uns von Karlsruhe zur Lösung aufgetragen wurden, und würfe erfüllen diese Mindestvoraussetzungen für Wahl- nicht irgendwelche imaginären Probleme. rechtsanträge eindeutig nicht. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – NEN]: Sie entstehen aber durch Überhang- Thomas Oppermann [SPD]: Sie haben den mandate!) (B) Antrag nicht verstanden!) (D) Eine weitere Verschlimmbesserung geht dahin – der Insofern verstärkt das noch die von Ihnen geäußerte Kollege Mayer wird nachher dazu noch etwas ausführli- Kritik – und auch meine Selbstkritik – daran, dass wir cher sprechen –, dass Sie dann, wenn dieser Ausgleich als Regierungsfraktionen noch nicht geliefert haben: Wir nicht ausreicht, sogar den direkt in Wahlkreisen gewähl- hätten Ihnen allen bei den Entwürfen, die Sie vorgelegt ten Abgeordneten ihr Mandat wieder abnehmen wollen. haben, eine Blamage ersparen können. Wir hätten Sie davor bewahren müssen, solchen Unsinn vorzulegen, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wie er von Ihnen kam. NEN]: Wir lassen sie erst gar nicht antreten! Das ist was anderes!) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja, Versager! – Hans-Christian Ströbele Das ist ein Vorschlag, der an Demokratiefeindlichkeit [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eindeutig eine nicht zu überbieten ist. Ein solches Wahlrecht hat es Flucht nach vorn!) nicht einmal – wir haben es eben erwähnt – im Preußi- schen Landtag oder im Deutschen Reichstag gegeben. Wir haben, das bekenne ich freimütig, unsere Fürsorge- Damit gehen Sie zurück in vordemokratische Zeiten. So pflicht Ihnen gegenüber nicht erfüllt. etwas werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. (Thomas Oppermann [SPD]: Nichts auf der (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Pfanne, aber andere heruntermachen! – Wolfgang neten der FDP – Wolfgang Wieland [BÜND- Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schä- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es aber men Sie sich und treten ab!) gut! Selber nichts gebacken bekommen und Ich will Ihnen noch einmal die Probleme aufzeigen. dann von „vordemokratisch“ reden!) Ich will kurz einen Entwurf nach dem anderen an- Die Folgen dieser grünen Ideen sind, dass ganze schauen, damit ich darlegen kann, warum diese drei Ent- Wahlkreise eventuell ohne jeden Vertreter im Bundestag würfe allesamt untauglich sind. bleiben. Ein Land wie Brandenburg beispielsweise, in (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Und dem 350 000 Menschen CDU wählen, stünde am Ende wo ist Ihr Vorschlag?) eventuell ganz ohne einen CDU-Abgeordneten im Deut- schen Bundestag da. Meine Damen und Herren, gemeinsam können wir aus diesen drei Entwürfen lernen, wie man es nicht macht. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da Auch das ist schon ein gewisser Fortschritt. würde nichts passieren!) 12630 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Dr. Günter Krings (A) Das ist demokratie- und proporzfeindlich. Bei Ihrem Das hat ja in der DDR schon einmal gut funktioniert. (C) Vorschlag kann so etwas durchaus passieren. Es wäre Wenn man mit dem Volk nicht einverstanden ist, löst fast schon bei der letzten Bundestagswahl passiert, wenn man das alte Volk auf und wählt sich ein neues Volk. Ihr Wahlrecht gegolten hätte. In Wahrheit geht es Ihnen nicht um die Lösung des Problems des negativen Stimm- (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Er hat selber gewichts. Es geht Ihnen darum, das Projekt „Abschaffen keinen Plan und fängt hier an, abzulenken! So der Überhangmandate“ – ein ganz anderes Projekt – zu eine Pfeife!) forcieren. In diesem Zusammenhang sind wohl Ihre Vorschläge zum Ausländerwahlrecht zu sehen. Sie verlangen, dass (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ausländer, die ein paar Jahre in Deutschland gelebt ha- NEN]: Das hängt zusammen!) ben, ohne Weiteres das Wahlrecht erhalten. Das ist, wenn man so will, ein Kapern der Gerichtsent- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) scheidung für Ihre eigennützigen Zwecke. Das ist verfassungswidrig und offensichtlich ein Verstoß Dass dieses Thema – Aberkennung von gewonnenen gegen Art. 20 des Grundgesetzes. Für eine philologisch- Mandaten – offenbar doch gefährlich ist und uns das juristische Nachhilfestunde fehlt mir die Zeit. durchaus drohen könnte, sieht man daran, dass eine zweite Fraktion in diesem Hause, nämlich die Linksfrak- (Zurufe von der SPD: Oh!) tion, einen ähnlichen Vorschlag vorlegt. Auch dieser Vorschlag führt dazu, dass Länder doppelt bestraft wür- „Demokratie“ kommt von „Demos“, das heißt „Volk“, den, indem sie – das hat Herr Oppermann durchaus rich- „Staatsvolk“. Das Staatsvolk sind die Bürger der Bun- tig gesagt – zusätzlich benachteiligt würden, weil sie als desrepublik Deutschland. So steht es in Art. 20 unseres Steinbruch für Länder mit Überhangmandaten dienen Grundgesetzes. sollen. Das ist ein föderal ungerechtes System, das wir (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Mal einen ei- nicht akzeptieren können. genen Vorschlag vorlegen! Ein bisschen mehr Aber die Linken wären ja nicht die Linken, wenn sie Nachdenklichkeit!) nicht diesem Unsinn noch einige absurdere Vorschläge Sie sollten zumindest einmal in diesen Grundartikel un- hinzufügen würden. Sie wollen zum Beispiel das Wahl- serer Verfassung schauen. Auch ich bin sehr dafür, dass alter auf 16 Jahre heruntersetzen. Zuwanderer bei der Bundestagswahl wählen können, (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. aber erst, nachdem sie die deutsche Staatsbürgerschaft Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- beantragt und erhalten haben. Dazu haben wir geringe (B) NEN]) Hürden. Wir haben immer noch eines der liberalsten (D) Einbürgerungsrechte in ganz Europa. Was das nun mit der Karlsruher Entscheidung zu tun hat, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mag jeder für sich beurteilen. Wir sind als Union und als Koalition der Auffassung: In unserem Land gehören Bei einem dritten Vorschlag der Linken stockt einem Rechte und Pflichten zusammen. wirklich der Atem. Der eigentliche Schwerpunkt Ihres Gesetzentwurfs ist – das sieht man, wenn man die Zahl (Beifall bei der CDU/CSU) der zu ändernden Paragrafen betrachtet; Sie wollen über Es ist schon bemerkenswert, dass eine Fraktion, die 20 Paragrafen ändern –, dass Sie ein flächendeckendes ansonsten nicht einmal den Erwachsenen mündige Ent- aktives und passives Wahlrecht für alle verurteilten scheidungen, etwa im Verbraucherrecht, zutraut, Straftäter in Deutschland erreichen wollen. Ihr Schwer- punkt in der politischen Agenda beim Wahlrecht ist of- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Bitte? fenbar, verurteilte Straftäter wählen zu lassen. Wie kommen Sie denn darauf?) (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist auf einmal Jugendliche und Kinder entscheiden lassen eine juristische Folgeentscheidung!) möchte. Man kann jetzt darüber spekulieren, dass eine Partei, die (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: aus einem Staat hervorgegangen ist, der zum Teil von Bravo!) Verbrechern geführt worden ist, es für besonders demo- Hören Sie endlich damit auf, Erwachsene wie Kinder kratisch hält, dass verurteilte Straftäter gewählt werden und Kinder wie Erwachsene zu behandeln! können und wählen dürfen. Dass beispielsweise ein ver- urteilter Mörder bei einer Bundestagswahl Wahlrecht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – hat, scheint Ihnen wichtig zu sein. Auch dass ein verur- Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Bil- teilter Sexualstraftäter bei der Bundestagswahl kandidie- lig!) ren darf, scheint Ihnen wichtig zu sein. Ich will diese Auch die Linken sind offensichtlich von sinkenden Spekulationen gar nicht weiterführen; ich glaube, das Umfragewerten alarmiert. Daher wollen sie sich offen- hätten Sie auch gar nicht verdient. Ich möchte nur eines bar ein neues Wahlvolk zusammenstellen. sagen: Mit dieser Fülle von Forderungen in Ihrem Ge- setzentwurf ist klar geworden, wo verurteilte Straftäter (Jan Korte [DIE LINKE]: Bei Ihnen läuft es in Deutschland ihre politische Heimat finden, nämlich gut?) auf der ganz linken Seite des Hauses. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12631

Dr. Günter Krings (A) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des negativen Stimmgewichts vollkommen korrekt be- (C) der FDP – Lachen bei der LINKEN – Swen schrieben. Es ist der Auftrag des Bundesverfassungsge- Schulz [Spandau] [SPD]: Was ist denn dann richts, dieses Problem zu beseitigen. Genau das leistet mit den ganzen Steuerleuten? Wo ist deren Ihr Gesetzentwurf an keiner Stelle. Er reduziert nicht Heimat?) einmal den Effekt des negativen Stimmgewichts. Sie be- seitigen nicht das negative Stimmgewicht, sondern Sie Daher ist es fast wohltuend, sich dem Gesetzentwurf gleichen es nur aus. der SPD zuzuwenden. Das mache ich nur kurz, da auch der Gesetzentwurf sehr kurz ist. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes fadenscheinig; man kann, wenn man ihn ge- Vizepräsident Eduard Oswald: gen das Licht hält, fast hindurchschauen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wiefelspütz? (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ist das alles?) Ihr Gesetzentwurf ist sicherlich, Herr Oppermann, gut Dr. Günter Krings (CDU/CSU): gemeint. Aber wir alle wissen: Das Gegenteil von gut Sehr gerne. gemeint ist gut. Er ist also nicht gut gemacht. Das Hauptproblem ist – das haben Sie ja am Ende des Ge- Vizepräsident Eduard Oswald: setzentwurfes etwas schamhaft erwähnt –, dass eine Um- Bitte schön. setzung des Gesetzentwurfes zu einem massiven Aufbla- sen des Deutschen Bundestages in einer Größenordnung führen würde, die unberechenbar ist. Es können einmal Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): 20 Abgeordnete mehr sein, es können auch leicht einmal Herr Kollege Krings, wenn wir rein fachlich diskutie- 120 Abgeordnete mehr sein. Man kann jetzt lange da- ren, ist, wie ich meine, Ihre Kritik an den Entwürfen, die rüber philosophieren, zu welchen zusätzlichen Kosten vorliegen, zu respektieren. für Mitarbeiter, Abgeordnetenentschädigung und ande- Wir vonseiten der SPD haben nicht den Anspruch, ei- rem das führen würde, aber vor allem tut es, glaube ich, nen allein selig machenden Gesetzentwurf vorzulegen. einer Demokratie nicht gut, wenn die Größe eines Parla- Ich will Ihnen freimütig sagen: Es treibt uns um – bitte ments, also des Bundestages, von Wahl zu Wahl extrem nehmen Sie das ernst; ich sage das ohne jede Polemik –, variiert. Von daher ist es aus politischen Gründen äußerst dass wir kurz vor Ablauf einer Frist, einer sehr großzü- fragwürdig, einen solchen Antrag zu forcieren. gig bemessenen Frist, stehen, die uns das Bundesverfas- (Thomas Oppermann [SPD]: Das ist doch schon sungsgericht zur Vorlage eines verfassungsfesten Wahl- heute so wegen der Überhangmandate!) rechts eingeräumt hat. Ich könnte Ihnen fast sagen – ich (B) bin dazu jetzt allerdings nicht autorisiert –: Wir ziehen (D) Ich sage Ihnen dazu: Wenn Sie meinen, Sie könnten alles zurück. – Das Entscheidende ist doch, dass Sie uns das Problem mit einer Reduktion der Zahl der Wahl- endlich vor den Ohren und Augen der Öffentlichkeit ei- kreise lösen, greifen Sie zu kurz. Das würde im Zwei- nen Vorschlag unterbreiten müssen. Wie geht es weiter? felsfalle sehr viele Wahlkreise in Deutschland kosten. Vielleicht sollten Sie in Ihrer eigenen Fraktion noch ein- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE mal in Ruhe darüber debattieren, ob das so gewollt ist. GRÜNEN]: Ja!) Jedenfalls kann es leicht passieren, dass Sie damit der Alle Fraktionen dieses Parlaments sind jederzeit, Tag größten politischen Flurbereinigung in Deutschland das und Nacht, bereit, mit Ihnen zu verhandeln. Das hätten Wort reden, die es seit dem Reichsdeputationshaupt- wir schon früher machen können; aber sei es drum. Es ist schluss gegeben hat. noch nicht zu spät. Machen Sie uns bitte einen Vor- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schlag, damit alle Fraktionen ihren Job machen und ihre NEN]: Größer haben Sie es nicht?) Aufgabe erfüllen können. – Sie wissen doch gar nicht, was das ist, Herr Wieland. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- LINKEN) NEN]: Ich sehe die Guillotine schon vor mir! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wenn wir dieses Thema gemeinsam angehen, dann sowie bei Abgeordneten der SPD) werden wir innerhalb von sechs, acht Wochen, nach der Abwägung des Für und Wider, Lösungsvorschläge vor- Das größere Problem ist allerdings, dass der Aus- legen können. Dabei werden Ihre Argumente und unsere gleich, den Sie vorschlagen, das Problem des negativen Argumente eine Rolle spielen, sicherlich aber nicht die Stimmgewichts überhaupt nicht löst. Ich zitiere wörtlich Argumente, die sich auf Verbrecher beziehen. Ich bin aus Ihrer Begründung. Im jetzigen Wahlrecht ist es so, sehr zuversichtlich, dass uns gelingt, was uns in dieser dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Ver- Frage immer gelungen ist, nämlich einen Konsens zu lust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an finden. Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Das Wahlrecht – Herr Krings, das muss ich Ihnen Landeslisten führen kann … nicht sagen; da will ich Sie auch nicht belehren – ist von So steht es in Ihrem Entwurf. Das stimmt. Genau das überragender Bedeutung. Das sind die Spielregeln unse- bewirkt das geltende Wahlrecht. Sie haben das Problem rer Demokratie. Dass wir die Aufgaben, die uns gestellt 12632 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Dr. Dieter Wiefelspütz (A) worden sind, nicht erfüllen, bedeutet: Wir machen unse- ner der Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen auf (C) ren Job nicht. Sie und wir, wir alle machen unseren Job dieses Modell eingeht. Wir alle wissen, dass es im Hin- nicht, und das vor den Augen der Öffentlichkeit. Es ist blick auf Gesetzesbegründungen Rationalisierungsanfor- der Auftrag des Parlamentes, ein verfassungskonformes derungen gibt; das hat das Bundesverfassungsgericht Wahlrecht herzustellen; dies treibt uns um. Dieses Anlie- mehrfach festgestellt. Sie müssen sich in Ihren Gesetzent- gen ist für mich zehnmal wichtiger als der Gesetzent- würfen aber zumindest mit diesem Thema beschäftigen. wurf der SPD. Man kann natürlich auch über ihn hinaus- Dieses Lösungskonzept, das einfachste und sicherste, gehen. Wir sind jederzeit bereit, darüber zu reden. Geben wird aber in keinem der Gesetzentwürfe der Oppositions- Sie uns die Gelegenheit, uns endlich gemeinsam an den fraktionen erwähnt. Verhandlungstisch zu setzen! (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das bringt (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des doch noch mehr negatives Stimmgewicht!) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dieses Konzept ist allerdings das richtige. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich sage Ihnen ganz klar: Die Lösung besteht im We- Das war die Zwischenfrage des Kollegen sentlichen in der Streichung eines einzelnen Paragrafen. Wiefelspütz. Ich sage Ihnen aber auch – das ist ein Grund für das langsame Verfahren –: Es gibt in diesem Bereich Unter- Dr. Günter Krings (CDU/CSU): varianten. Man könnte die Mandate beispielsweise nach Das war eine sehr lange und mir sehr willkommene der aktuellen Wahlbeteiligung Landeslisten zuordnen; Zwischenfrage, Herr Wiefelspütz. Ich hatte schon ge- das ist ein wunderbares Instrument, um echte Erfolgs- hofft, dass ich die Grundzüge unseres Modells – nicht wertgleichheit herzustellen. Wenn man auch die dann auf Kosten meiner Redezeit – erläutern kann. Das tue ich vielleicht immer noch vorhandenen inversen Effekte und jetzt gerne und antworte Ihnen damit auf Ihre Frage. Restwirkungen des negativen Stimmgewichts ausglei- chen will, müsste man die Mandate nach Bevölkerungs- (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aha!) anteilen verteilen. Beide Varianten wären möglich. Wir haben schon Gespräche geführt, zum Beispiel (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE zum Rechtsschutz, aber auch zu anderen Aspekten. GRÜNEN]: Das ist dem Wähler nicht zu er- (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ja! Und was klären!) war Ihr Vorschlag zum Rechtsschutz?) Darüber hinaus gibt es ein, zwei weitere Untervarianten. Diese Gespräche fanden zwischen den Fraktionen statt, (B) Das Konzept bzw. der Weg ist vorgezeichnet. Darüber (D) auch zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen. können wir sofort in Gespräche eintreten; Ich sage Ihnen ganz klar – das habe ich hier im Plenum bereits mehrfach vorgetragen –: Die Lösung muss darin (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des bestehen, dass wir das Problem, das das Bundesverfas- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas sungsgericht zur Lösung aufgegeben hat, nämlich das Oppermann [SPD]: Aha! Und was ist mit der negative Stimmgewicht, erst einmal in der Sache ernst FDP? – Gabriele Fograscher [SPD]: Sie müs- nehmen. sen sich mit der FDP einigen!) (Zurufe von der LINKEN: Oh! – Christine auch über dieses Thema haben wir schon gesprochen, Lambrecht [SPD]: Dafür hatten Sie aber schon auch mit Ihrer Fraktion. Wir müssen überlegen, welche ein bisschen Zeit! – Hans-Christian Ströbele Untervarianten wir anwenden. Ich sage Ihnen: Die Lö- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist kurz sung muss mit dem Problem zu tun haben. Ihre Lösun- vor Toresschluss! – Thomas Oppermann [SPD]: gen haben nichts mit dem Problem zu tun. Das Problem Das war drei Jahre nicht zu erkennen!) ist die Verbindung von Landeslisten. Die Lösung muss Wir müssen es begreifen und erkennen. in der grundsätzlichen Trennung der Landeslisten beste- hen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU) Das negative Stimmgewicht entsteht durch die Ver- bindung von Landeslisten. Wie kann ein Problem, das Meine Damen und Herren, noch zwei Sätze zum durch die Verbindung von Landeslisten entsteht, gelöst SPD-Modell. werden? Durch die Trennung von Landeslisten. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Krings, NEN]: Auf die Frage haben Sie bis jetzt aber wann verhandeln wir?) noch nicht geantwortet!) – Jetzt rede ich. Sie haben gerade geredet. Wir jedenfalls nehmen das Bundesverfassungsgericht sehr ernst und lösen das Problem des negativen Stimm- (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ja! Wann ver- gewichts. Bei der SPD bin ich mir nicht ganz sicher, ob handeln wir?) sie das Problem nicht lösen wollen oder es einfach igno- Deshalb befürworten wir ein Modell zur Trennung von rieren. Ausgleich von Überhangmandaten heißt nicht Landeslisten; das wissen Sie. Es ist erstaunlich, dass kei- Beseitigung des negativen Stimmgewichts. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12633

Dr. Günter Krings (A) Ich will zum Schluss noch einige grundsätzliche Er- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C) wägungen machen. NEN]: Nein! Er hat lange genug geredet!) Bei aller berechtigten Kritik an der Dauer der Erörte- rungen, auch innerhalb der Regierungsfraktionen – das Dr. Günter Krings (CDU/CSU): habe ich am Anfang gesagt und sage ich jetzt noch ein- Das war eigentlich schon mein Schlusssatz, aber bitte mal; diese Kritik nehme ich an –, ist es wichtiger für uns schön, Herr Oppermann. alle, dass wir ein gründlich durchdachtes und verfas- sungskonformes Wahlrecht vorlegen und nicht eines, das Thomas Oppermann (SPD): mit heißer Nadel gestrickt ist, untauglich ist oder unfaire Elemente enthält. Herr Kollege, Sie sagen, die Opposition missachte das Bundesverfassungsgericht. Das macht mich fast (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE sprachlos. Wir legen hier Gesetzentwürfe vor, über die GRÜNEN]: Na ja!) man inhaltlich in der Tat immer streiten kann, um Kon- sequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsge- Interessanterweise werfen Sie sich diese Punkte ja richts zu ziehen. Sie haben überhaupt keinen Entwurf auch gegenseitig vor. Herr Oppermann, in Ihrem Vortrag vorgelegt. Deshalb entlarvt sich das, was Sie hier sagen, haben Sie ganz deutlich gesagt, dass ein internes Kom- als eine blanke, dreiste Vorwärtsverteidigung. Sie wollen pensationsmodell, wie es die Grünen und Linken vor- von dem eigenen Versagen ablenken und beschimpfen schlagen, offenbar nicht tauglich ist und die Ungerech- deshalb die Opposition. tigkeiten föderal noch vergrößern würde. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gefällt Ihnen nicht!) Wenn Sie meinen, dass das die Verantwortung einer Re- gierungsmehrheit ist, dann mögen Sie ein solches Ver- Der eigentliche Skandal ist deshalb auch nicht, dass ständnis von Verantwortung haben. Ich teile es nicht. wir diese Frist des Bundesverfassungsgerichts eventuell versäumen werden – das ist ärgerlich genug –, (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Eventuell“!) Ich habe eine Frage. Sie meinen, dass Ausgleichs- mandate verfassungsrechtlich nicht vernünftig begründ- der eigentliche Skandal ist hier, dass alle Fraktionen auf bar sind. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Ihnen be- der linken Seite dieses Hauses die Entscheidung des kannt ist, dass unter anderem die CDU in Schleswig- (B) Bundesverfassungsgerichtes meines Erachtens miss- Holstein gerade Ausgleichsmandate für Überhangman- (D) brauchen, um nicht das Problem zu lösen, sondern ihre date ins schleswig-holsteinische Landeswahlrecht ein- alte politische Agenda nach vorne zu bringen. gefügt hat, und zwar aus dem Grund, um das vom Bun- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- desverfassungsgericht beanstandete Wahlrecht zu NEN]: Ist ja unglaublich! Sie tun gar nichts reparieren. Ist Ihnen das bekannt, und wie bewerten Sie und beschimpfen die Opposition!) es, dass in fast allen Landeswahlgesetzen Ausgleichs- mandate vorgesehen sind? Sie kümmern sich um Straftäter und darum, Überhang- mandate zu beseitigen. Das hat im Kern nichts mit dem Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zu tun und ist meines Erachtens auch eine Form von Missachtung des Ihre Wortmeldung wundert mich in mehrfacher Hin- Bundesverfassungsgerichts. sicht, Herr Oppermann. Zunächst einmal hätte ich zu- mindest erwartet, dass Sie meiner Rede zugehört hätten. (Gabriele Fograscher [SPD]: Wir?) Ich habe am Anfang und gegen Ende meiner Rede deut- lich gesagt, dass ich die Kritik an dem langsamen Ver- Es ist schön, dass die Opposition mit ihren Vorlagen fahren ernst nehme und auch annehme. Ich habe auch in diesem Bereich die Messlatte für unseren Vorschlag gesagt, dass es nicht reicht, irgendeinen Vorschlag vor- nicht so hoch legt, aber wir versichern Ihnen: Wir wer- zulegen, also irgendein Papier mit irgendwelchen Buch- den nicht an diesen schwachen Gesetzentwürfen Maß staben zu bedrucken, und zu meinen, dass sei jetzt ein nehmen, sondern wir werden einen Gesetzentwurf vorle- Beitrag zur Lösung des Problems. gen, der transparent, gerecht und vor allem verfassungs- konform ist. ( [SPD]: Das ist doch unver- schämt!) ( [SPD]: Wann? Wann? Wann?) Ich habe Ihnen dargelegt und bewiesen, dass Ihr An- satz in Bezug auf die Ausgleichsmandate nichts mit der Das kann und muss dann eine solide Basis sein. Lösung des Problems „negatives Stimmgewicht“ zu tun hat. Es ist auch eine Missachtung des Bundesverfas- Vizepräsident Eduard Oswald: sungsgerichts, einen Lösungsvorschlag vorzulegen, der Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage nichts mit dem Problem und seiner Lösung zu tun hat, des Kollegen Thomas Oppermann? Dadurch würde sich sondern nur mit der alten politischen Agenda, auf der die auch Ihre Redezeit verlängern. Überhangmandate stehen. 12634 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Dr. Günter Krings (A) (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der LINKEN) (C) GRÜNEN]: Unfug! Abtreten! Langsam reicht es! Also ehrlich!) Jan Korte (DIE LINKE): Ihr damaliger Kanzler Gerhard Schröder hat in die- Liebe Kollege Krings, wenn die Opposition nichts sem Hause nur deshalb Vertrauensfragen gewonnen, vorgelegt hätte, dann hätten wir heute gar nichts zu dis- weil es Überhangmandate gab. Sie in persona und Ihre kutieren. Das ist die Wahrheit. ganze Fraktion haben diese Überhangmandate massiv verteidigt. Jetzt, auf einmal, da es Ihnen nicht mehr in Sie müssen die Vorschläge, die gemacht wurden, den Kram passt, sagen Sie: Das alles wollen wir nicht nicht teilen. Sie als demokratiefeindlich zu bezeichnen, mehr. geht voll an der Sache vorbei, vor allem, wenn man sel- ber nichts vorlegt. Das war völlig unangemessen. Sie Das ist eben nicht der Auftrag des Bundesverfas- könnten versuchen, ein bisschen herunterzukommen und sungsgerichts. Dabei geht es nur um das negative die Vorschläge sachlich zu diskutieren. Stimmgewicht. Dieses Problem wollen wir lösen, zuge- gebenermaßen zu langsam, aber wir beschäftigen uns (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- wenigstens mit dem Problem. NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- ten der SPD) (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Man merkt es! – Abg. Thomas Oppermann Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auf ei- [SPD] nimmt Platz) nige Punkte eingehen. Die Linke geht in der Tat über die Frage des negativen Stimmgewichts hinaus. Das mag Ih- – Ich bin noch nicht fertig mit der Beantwortung Ihrer nen nicht gefallen, aber es sind die Vorschläge, die aus Frage, ansonsten dürfte ich ja auch gar nicht mehr reden. den Reihen der Opposition kommen. Ich möchte vorstel- len, was wir vorschlagen, um zu versuchen, die Demo- Eine weitere Anmerkung, und zwar zu Ihrer Frage kratie insgesamt attraktiver zu machen und mehr Men- zum Problem in Schleswig-Holstein. Das Bundesverfas- schen an Partizipationsprozessen zu beteiligen. sungsgericht hat in einer Entscheidung, auch zum hessi- schen Wahlrecht, sehr deutlich gesagt, dass wir in Zunächst haben wir einen Vorschlag zum negativen Deutschland von sogenannten getrennten Wahlrechts- Stimmgewicht gemacht. Was bedeutet das negative räumen ausgehen. Schauen Sie sich Art. 28 des Grund- Stimmgewicht? Ich möchte es für die Bürgerinnen und gesetzes der Bundesrepublik Deutschland an. Alle ande- Bürger übersetzen: Es bedeutet, dass ein Mehr an Stim- ren Artikel sagen nichts über das Wahlrecht der Länder men bei einer Wahl gegebenenfalls zu einem Weniger an aus. Sitzen führen kann. Das ist paradox; das kann jeder ver- (B) (D) Wir müssen hier also von komplett und grundsätzlich stehen. Da ist Abhilfe vonnöten. Das hat uns auch das getrennten Maßstäben ausgehen. Dies sagte das Bundes- Bundesverfassungsgericht mit auf den Weg gegeben. verfassungsgericht in seiner Entscheidung von vor weni- Unser Gesetzentwurf greift dementsprechend einige gen Jahren. Das Bundesverfassungsgericht hat uns allen Vorschläge der SPD und der Grünen auf und versucht, zum Kummer aufgegeben – ich glaube, in diesem Kum- daraus eine Quintessenz zu ziehen, die übrigens auch, mer waren wir alle uns damals einig –, das negative liebe Kollegen von der Union, die Belange von Bayern Stimmgewicht zu beseitigen. Wir haben damals in Karls- und der CSU ein Stück weit mit berücksichtigt. ruhe dagegengehalten. Diese Aufgabe ist auf Bundes- ebene zu lösen. Sie ist nur dem Deutschen Bundestag ge- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Dagmar Enkelmann stellt. Was Sie aus Schleswig-Holstein und anderen [DIE LINKE]: So sind wir!) Ländern beschreiben, ist ein Phänomen, das damit nichts Denn wir sind in der Tat der Meinung, dass es beim zu tun hat. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis. Wahlrecht keine Benachteiligung der CSU geben darf. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sehen: Dieses Problem müssen wir anders beheben, aber nicht Wir sind als Regierungsfraktionen gefordert. Die Oppo- im Wahlrecht. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. sition ist offenbar in diesen Fragen ratlos. (Beifall bei der LINKEN) (Christine Lambrecht [SPD]: Das ist ja unver- Ferner will die Linke eine Verrechnung von Direkt- schämt!) und Listenmandaten zunächst auf der Bundesebene, die Sie haben zwar Papier bedruckt, aber keine Lösungsvor- dann entsprechend auf die Landesebene heruntergebro- schläge vorgelegt. Wir werden eine Lösung bieten als chen wird. In der Tat sind wir auch der Meinung: Sollten Grundlage für solide gemeinsame Gespräche. dann noch Überhangmandate entstehen, soll ein Aus- gleich erfolgen. So viel zum Thema „negatives Stimm- Herzlichen Dank. gewicht“. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Linke hat darüber hinaus die heutige Debatte, zu der Sie nichts beigetragen haben, über das wir uns jetzt Vizepräsident Eduard Oswald: auseinandersetzen könnten, zum Anlass genommen, zu Vielen Dank, Kollege Dr. Günter Krings. – Nun für versuchen, beim Wahlrecht insgesamt andere Punkte mit die Fraktion Die Linke unser Kollege Jan Korte. Bitte zu berücksichtigen. Dass das erforderlich ist, zeigen die schön, Kollege Jan Korte. Zustimmungswerte zu unserer parlamentarischen Demo- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12635

Jan Korte (A) kratie und die niedrige Wahlbeteiligung. Demnach ist es (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C) höchste Zeit, umfassende Änderungen vorzunehmen. NEN]: Das freut vor allem die FDP!) Ich will einige Änderungsvorschläge vorstellen. In – Stimmt, damit würden wir der FDP zurzeit entgegen- Deutschland entscheidet ein Bundeswahlausschuss über kommen. Die FDP müsste uns zumindest in diesem die Zulassung von Parteien zur Bundestagswahl. So Punkt unterstützen. Das ist sehr wahr, Kollege Wieland. weit, so gut. Interessant ist dabei – an dieser Stelle sehen Gegen die Abschaffung der 5-Prozent-Hürde wird im- wir Handlungsbedarf –, dass im Bundeswahlausschuss mer argumentiert, dann würden die Rechtsextremen in die im Bundestag vertretenen Parteien sitzen, die dann die Parlamente einziehen. Diese Argumentation ist aber darüber entscheiden, ob Konkurrenz zugelassen wird nicht schlüssig. Was wäre, wenn sie einmal 6 Prozent be- oder nicht. kämen? Wollen wir dann eine 8-Prozent-Hürde einfüh- Sie erinnern sich vielleicht noch an die Debatte über ren? Das geht natürlich nicht. Die Auseinandersetzung „Die Partei“, deren Nichtzulassung seinerzeit die Me- mit Rechtsextremismus und der Kampf gegen Rassismus dienberichte gefüllt hat. Sie wurde übrigens unter ande- sind Tagesaufgabe. Das muss zivilgesellschaftlich und rem wegen mangelnder Ernsthaftigkeit nicht zugelassen. darf nicht über das Wahlrecht geregelt werden. Die 5-Pro- Das ist ein sehr dehnbares Kriterium. Mir fallen noch an- zent-Hürde ist ein Anachronismus. Deswegen schlagen dere Parteien ein, für die das gilt. Das Hauptproblem bei wir vor, sie zu streichen. dem Verfahren ist, dass es keine Möglichkeit gibt, dage- (Beifall bei der LINKEN) gen zu klagen. Deshalb schlagen wir vor, dass bei einer Nichtzulassung durch den Bundeswahlausschuss die be- Zum Ausschluss von Wahlcomputern. Darüber wurde troffene Partei binnen drei Tagen beim Bundesverfas- insbesondere in der Netzcommunity diskutiert. Wir sungsgericht Beschwerde einlegen kann und dass das schlagen vor, Computer bei Wahlen zu verbieten. Der Bundesverfassungsgericht noch vor der Wahl in einem Grundsatz der Öffentlichkeit und der Nachvollziehbar- zeitlich angemessenen Abstand hierüber eine Entschei- keit von Wahlen muss erhalten werden. Das ist bei Com- dung fällt. Das ist ein konkreter Vorschlag. Diesen Punkt putern logischerweise nicht der Fall. Man kann in sie hat im Übrigen auch die OSZE kritisiert. nicht hineinschauen; man kann nicht wie bei dem her- kömmlichen Verfahren Zettel für Zettel nachprüfen, wie Wir wollen – der Kollege Krings hat es angesprochen – die Stimmen abgegeben wurden. Deswegen schlagen wir noch weiter gehen. Wir wollen das aktive Wahlrecht auf ein grundsätzliches Verbot von Wahlcomputern vor. 16-Jährige ausweiten. Junge Leute engagieren sich auch mit 16 in der Gesellschaft, mischen sich ein und über- (Beifall bei der LINKEN) nehmen Verantwortung. Deswegen wollen wir das Wahl- Die Ausgestaltung des Wahlrechts ist nur eine Frage, (B) alter senken, analog zu den Kommunen, in denen über- (D) mit der wir uns, wenn wir über Demokratie diskutieren, wiegend 16-Jährige wählen dürfen. Auch bei der Wahl in Bremen durften 16-Jährige wählen. Umgekehrt wird ein auseinandersetzen müssen. Das Wahlrecht umfassend zu Schuh daraus: Wir müssen begründen, warum 16-Jäh- reformieren, kann nur ein erster Schritt sein. Ich glaube, dass das Vertrauen in die Demokratie – das besagen alle rige nicht wählen dürfen. Wir sind dafür, dass auch 16-Jährige aktiv an der politischen Gestaltung und an empirischen Befunde – schwindet. Das darf einen nicht Bundestagswahlen teilnehmen. Je mehr, desto besser. kaltlassen. Wir brauchen sozusagen ein Demokratiebe- schleunigungspaket, und zwar nicht nur beim Wahlrecht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Wir müssen darüber hinausgehen. Dazu gehören der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ausschluss von Lobbyisten aus Ministerien und die Be- antwortung der sozialen Frage. Denn nur wer sozial und Wir fordern des Weiteren – darauf wurde bereits hin- ökonomisch vernünftig abgesichert ist und keine Angst gewiesen –, dass alle Menschen, die seit fünf Jahren in vor der Zukunft haben muss, ist überhaupt in der Lage, der Bundesrepublik Deutschland legal leben, das Wahl- sich aktiv in ein demokratisches Gemeinwesen einzu- recht bekommen. Das ist dringend notwendig, insbeson- bringen. Das ist eine ganz entscheidende Frage, wenn dere vor dem Hintergrund, dass Tausende Menschen wir über Demokratie diskutieren. nicht deutscher Staatsangehörigkeit, die zum Teil seit Jahrzehnten hier leben, Steuern zahlen, wirtschaften und (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sich in die Gesellschaft einbringen und sich einmischen, NEN]: Hartz IV muss weg!) von der Wahrnehmung eines wesentlichen Grundrechts – Richtig, Hartz IV muss weg. Das haben Sie eingeführt. ausgeschlossen sind. Wir schlagen vor, dass alle, die hier Nun können Sie helfen, Hartz IV abzuschaffen. Das leben, mitentscheiden, wie es in diesem Land weiter- wäre ein schöner Erkenntnisgewinn. geht. Es ist entscheidend, dass wir das endlich hinbe- kommen. Der letzte Punkt, den ich ansprechen will: Es gibt ei- nen großen Verdruss über die demokratische Verfasstheit (Beifall bei der LINKEN) in diesem Land. Dieser rührt vor allem daher, dass es Wir schlagen überdies vor, die 5-Prozent-Hürde – das keine Unmittelbarkeit bei Entscheidungen gibt. Wenn ist ein altes Thema – abzuschaffen. Denn es ist klar: Jede Sie in Ihren Wahlkreisen regelmäßig unterwegs sind Stimme muss gleich viel wert sein. Selbst wenn eine – ich hoffe, dass das alle tun –, dann hören Sie oft: Es Partei fast 1 Million Stimmen bekommt, verfallen nach ändert sich eh nichts; egal wen ich wähle, egal wer in geltendem Recht de facto alle Stimmen. Deswegen sind Berlin regiert, es ändert sich einfach nichts. – Wir sollten wir dafür, die 5-Prozent-Hürde abzuschaffen. daher im Rahmen der Debatte über eine Wahlrechtsre- 12636 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Jan Korte (A) form endlich auch die Frage der direkten Demokratie auf (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE (C) die Tagesordnung setzen; denn direkte Demokratie GRÜNEN]: Wo ist der von der FDP?) schafft Unmittelbarkeit. Meine Fraktion schlägt daher – Ich habe gesagt: der Vorschlag der Koalition. vor, bei jeder Bundestagswahl und an jedem 3. Oktober eine Volksabstimmung über ein Sachthema durchzufüh- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ren, das jede Fraktion vorschlagen kann. Das würde für NEN]: Wo ist er denn?) Unmittelbarkeit sorgen. Wenn zum Beispiel die Mehr- heit der Bevölkerung für den Abzug aus Afghanistan – Hören Sie doch einfach zu! stimmte, dann könnten die Menschen sehen, dass der Ich beginne mit der Begründung, warum die SPD kei- Bundestag gezwungen ist, das durchzusetzen. Das wäre nen ernstzunehmenden Vorschlag unterbreitet hat. Stel- ein wirklicher Fortschritt bei der Demokratisierung. len Sie sich vor, wir würden heute den Gesetzentwurf, (Beifall bei der LINKEN) den uns die SPD nahelegt, beschließen (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir brauchen eine neue Ära der Demokratie, NEN]: Ja, machen! – Dr. Dieter Wiefelspütz (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE [SPD]: So etwas würden Sie machen?) GRÜNEN]: Was ist mit den Straftätern?) und bezüglich der Frage, wie zukünftig gewählt wird, zu eine Einmischdemokratie, eine neue Ära der Solidarität. 100 Prozent nach den Vorstellungen der SPD verfahren. Dafür haben wir hier Vorschläge vorgelegt. Wir sind im (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Oh Gott! – Gegensatz zur CSU, die hier nur Kalte-Krieg-Rhetorik Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE und kalten Kaffee geliefert hat, bereit, sachlich darüber GRÜNEN]: Sofort abstimmen!) zu diskutieren. Wir haben etwas vorgelegt. Ich bin ge- spannt, wann Sie etwas vorlegen. Wir sind wie immer zu Meine naturwissenschaftliche Vorbildung sagt mir, einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit, weil wir im dass man beim Versuchsaufbau den gleichen Ablauf, den Gegensatz zu Ihnen keine Ideologen sind. man hatte, noch einmal abbilden lassen sollte. Schönen Dank. (Thomas Oppermann [SPD]: Simulieren!) (Beifall bei der LINKEN) Das Verfassungsgericht hat uns gesagt: Lieber Deutscher Bundestag, schaffen Sie das negative Stimmgewicht ab, das bei der Bundestagswahl im Jahre 2005 durch die Vizepräsident Eduard Oswald: Nachwahl in Dresden aufgetreten ist. – Lassen Sie uns (B) Vielen Dank, Kollege Jan Korte. – Jetzt für die Frak- folgendes Gedankenexperiment einmal gemeinsam (D) tion der FDP unser Kollege Dr. Stefan Ruppert. Bitte durchspielen: Wir veranstalten die Bundestagswahl 2005 schön, Kollege Dr. Stefan Ruppert. nach dem Wahlgesetz, das Sie uns heute vorschlagen. (Beifall bei der FDP) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2005?) Dr. Stefan Ruppert (FDP): – Weil 2005 die Entscheidung des Bundesverfassungs- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- gerichts zu den Wahlen ergangen ist. – Wir veranstalten ren! Das Wahlrecht ist eine Angelegenheit, die dieses also nach dem Wahlvorschlag der SPD die Wahl von Haus jenseits der Beteiligung von Ministerien in eigener 2005 und fragen uns: Wäre es zu dem negativen Stimm- Verantwortung und im Dialog der Fraktionen miteinan- gewicht, das 2005 durch das Bundesverfassungsgericht der diskutieren sollte. Insofern freue ich mich über die moniert wurde, nicht gekommen? Wäre eine Stimme ei- Diskussion am heutigen Vormittag an so prominenter nes CDU-Wählers in Dresden für die CDU negativ ge- Stelle. wesen, wenn er nach dem SPD-Wahlrecht abgestimmt Leider verengt sich die Debatte ein wenig auf die Frage hätte? – Die Antwort ist leider: Ja. Es ist so, als würden des eigentlichen Wahlvorgangs. Lediglich der Kollege Sie Ihr Auto zur Reparatur in die Werkstatt geben, um Korte hat dankenswerterweise auch an andere Aspekte das schwere Problem am Motor beheben zu lassen, und gedacht. Beispielsweise müssen wir das Problem der Ber- die Werkstatt würde Ihnen vorschlagen, bessere Schei- liner Zweitstimme beseitigen, für subjektiven Rechts- benwischer am Fahrzeug anzubringen. Wenn wir die schutz vor und nach der Wahl sorgen, Probleme bei der Wahl 2005 nach dem Wahlrecht der SPD durchgeführt Zulassung durch den Bundeswahlausschuss beseitigen hätten, wäre die Verfassungsbeschwerde ebenfalls er- und Ähnliches mehr. folgreich gewesen, (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie müssen (Thomas Oppermann [SPD]: Nein, Irrtum!) etwas leisten, Herr Ruppert!) weil nach wie vor ein CDU-Wähler seiner eigenen Partei geschadet hätte – und das verkaufen Sie uns als ernsthaf- – Regen Sie sich nicht künstlich auf, Herr Wiefelspütz; ten Beitrag. Das ist doch lachhaft. das tut Ihnen nicht gut. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Es liegen drei Vorschläge vor, die ernsthaft diskutiert werden können, nämlich der Vorschlag der Linken, der Einen solchen Anspruch können Sie hier nicht erhe- Vorschlag der Grünen und der Vorschlag der Koalition. ben. Sie werfen ein in der Tat zu diskutierendes verfas- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12637

Dr. Stefan Ruppert (A) sungsrechtliches Problem, nämlich das der Überhang- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE (C) mandate, in den Raum und sagen, dass wir uns aus GRÜNEN]: Nein, der Grüne!) politischem Kalkül, aber auch aus einer gewissen verfas- ein Mann, den die Leute wirklich wollen. Dann sagen sungsrechtlichen Überlegung heraus diesem Problem Sie den Leuten: Der bleibt zu Hause, und in München widmen müssen. Das, was Sie zur Lösung dieses Pro- gibt es in Zukunft keinen direkt gewählten Abgeordne- blems vorschlagen, ist jedoch, um es als Jurist zu sagen, ten mehr für den Deutschen Bundestag. – Ich glaube, keine Minus- oder Pluslösung des vorliegenden Pro- solche Reformvorschläge können Sie hier nicht ernsthaft blems, sondern ein Aliud, also etwas gänzlich anderes. vertreten. Das heißt, Sie kurieren hier etwas, was in dieser Form nicht kuriert werden kann. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Ich war kurzzeitig etwas eifersüchtig, als sich die GRÜNEN]: Dann müssen Sie dem Grünen- neuen Freunde der CSU in Konkurrenz zu einem alten Vorschlag zustimmen!) Freund der CSU, nämlich mir, begeben wollten. – Damit komme ich zu Ihnen, Herr Ströbele. (Beifall des Abg. Stephan Mayer [Altötting] (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- [CDU/CSU] – Jan Korte [DIE LINKE]: So NEN]: Da freuen wir uns!) war das nicht gemeint!) In der Tat ist Ihr Vorschlag tauglich, um das Problem Sie lösen dieses Problem, indem Sie festlegen: Wir glei- des negativen Stimmgewichts zu lösen. chen das aus. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Richtig!) NEN]: Das ist doch gut!) Das ist nun wirklich eine etwas merkwürdige Misch- Insofern sind Sie meiner Meinung nach einen Schritt form. Alle anderen Überhangmandate in Deutschland weiter als die Kollegen von der SPD. Sie zeigen uns auf, werden verrechnet, aber die eines einzelnen Bundeslan- wie man das Problem des negativen Stimmgewichts lö- des werden ausgeglichen. Das ist ein systematischer sen kann. Sie kaufen sich dabei allerdings gravierende Bruch, den man aus meiner Sicht niemandem erklären verfassungsrechtliche Nachteile ein. kann. Abgesehen davon, dass Sie gern eine Lösung hät- ten – diesen Wunsch kann ich verstehen –, kann ich kei- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nerlei Grund dafür erkennen. NEN]: Ach was! – Rainer Brüderle [FDP]: Jetzt kommt es!) (Jan Korte [DIE LINKE]: Das hat aber nichts (B) mit Freundschaft zu tun! Ich wollte das nur (D) Es geht um den gleichen Erfolgswert der Stimme. noch mal klarstellen!) In Brandenburg wählen 362 000 Menschen die CDU – Ich habe die Kollegen von der CSU auch schon vor ih- – ich kann ihnen immer noch empfehlen: Wählt lieber ren neuen, falschen Freunden gewarnt. Aber, ich glaube, FDP! – sie wussten es selbst. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Jetzt komme ich, weil das immer wieder moniert NEN]: Noch gibt es sie!) wird, zu der Frage, was wir denn wollen. und erringen damit kein Mandat. In Baden-Württemberg (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wählen 61 000 Menschen die CDU und erringen damit NEN]: Das haben Sie geahnt!) ein Mandat. Das sei jedem Baden-Württemberger Kolle- gen von der CDU wirklich gegönnt; aber Sie können Vor dieser Frage will ich mich explizit nicht drücken. doch nicht ernsthaft behaupten, dass bei 360 000:60 000 Wir haben in vielen Gesprächen mit Ihnen, mit der SPD, – in Brandenburg braucht man also praktisch das Sechs- mit den Grünen, immer wieder gesagt, was wir wollen, fache an Stimmen, um ein einziges Mandat zu erringen – und das war auch in der Presse zu lesen. der gleiche Erfolgswert der Stimme – verfassungsrecht- Wir wollen das Problem dort angehen, wo es entsteht, lich geboten – auch nur annähernd gegeben ist. nämlich bei der Trennung von Wahlgebieten. Wenn wir (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Günter Wahlgebiete trennen, dann begegnen wir dem Problem Krings [CDU/CSU]: Skandal!) des negativen Stimmgewichts direkt – anders als die SPD. Die SPD löst das Problem überhaupt nicht, ver- Ihr Entwurf beinhaltet einen weiteren verfassungs- schärft es gegebenenfalls noch. rechtlichen Kollateralschaden. Sie legen fest, dass ein- zelne Wahlkreise in Zukunft keine direkt gewählten Ab- Jetzt gibt es drei Möglichkeiten für die Wahl in ge- geordneten mehr haben. Sie behaupten einfach: Das tut trennten Wahlgebieten, die ich ernsthaft diskutieren den Leuten in Bayern eh nicht gut; deswegen nehmen würde. Wir können 16 Wahlgebiete in Deutschland fest- wir ihnen die Mandate von drei direkt gewählten Kandi- legen und ihnen Mandate nach ihrer Einwohnerzahl zu- daten schlicht ab. – Man stelle sich vor: In München teilen: wird ein attraktiver Wahlkampf zwischen dem Grünen-, (Thomas Oppermann [SPD]: Das geht nicht!) dem FDP-, dem CSU- und dem SPD-Bewerber geführt, und der CSU-Bewerber setzt sich aufgrund eines hervor- Bremen hat soundso viele Einwohner, also bekommt es ragenden Wahlkampfs gerade so durch, soundso viele Mandate. – Dann führen wir eine Bundes- 12638 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Dr. Stefan Ruppert (A) tagswahl durch. In Bremen werden die Stimmverhält- die die Überhangmandate erreichen, heraus. Auch das (C) nisse entsprechend umgelegt und man sieht, wer welche wird von einigen Verfassungsrechtlern vertreten und im- Mandatszahl erringt. mer wieder gefordert. Damit haben wir den minimal- invasiven Eingriff; allerdings haben wir auch ein Restri- Das ist das absolut puristische Modell, um dem Pro- siko für das negative Stimmgewicht. blem des negativen Stimmgewichts zu begegnen. Damit wird das Problem nämlich komplett beseitigt. Es ist das Mein Anliegen wäre jetzt, diese drei Vorschläge, die einzige Modell, das zu diesem Ergebnis führt. Wir kau- das Problem ernsthaft angehen, ohne große verfassungs- fen uns dabei allerdings wiederum erhebliche Kollate- rechtliche Kollateralschäden zu erzeugen, im Dialog mit ralschäden ein, die wir dann gewichten müssen. Es ist der Opposition sorgsam gegeneinander abzuwägen, viel- plötzlich irrelevant, wie viele Menschen in Bremen wäh- leicht auch zu sehen, ob man mit einem Teilausgleich an len gehen. Die Bremer können sich sicher sein, immer dieser Stelle der SPD etwas entgegenkommen kann, ihre vier oder fünf Mandate zu bekommen, selbst wenn wenn das ihr Anliegen ist, und auf dieser Grundlage fast niemand wählen geht. Wenn sozusagen keiner zur dann ein Wahlrecht in Deutschland mit subjektivem Wahl geht, ist der einzelne Bremer Bürger viel besser Wahlrechtsschutz, mit Lösung der Berliner Zweitstimme vertreten, was seine Stimme angeht, als jemand in Nie- und einem ordentlichen, verfassungsrechtlich abgewo- dersachsen, wo sehr viele Menschen zur Wahl gehen. genen Verfahren durch dieses Haus zu bringen. Wir konterkarieren also eigentlich unser gemeinsames (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Interesse, die Wahlbeteiligung zu steigern und die Men- NEN]: Dann lassen wir aber die CSU drau- schen dadurch zu motivieren, zur Wahl zu gehen, dass ßen!) sie mehr Mandate erringen können, wie es im geltenden Wahlrecht heute zum Glück auch der Fall ist. Aber wir Machen Sie mit, und diskutieren Sie fachlich und nicht lösen das Problem des negativen Stimmengewichts. polemisch! Das zweite Modell bei der Trennung wäre, die Wahl- Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. beteiligung einzupreisen. Das heißt, wir wählen in den (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) 16 Wahlgebieten, stellen fest, wie viele Zweitstimmen dort abgegeben wurden, teilen nach der Zahl der abgege- benen Zweitstimmen die Mandate zu und verteilen da- Vizepräsident Eduard Oswald: nach wieder die entsprechenden Sitze. Dadurch bleibt Vielen Dank, Kollege Dr. Stefan Ruppert. – Nun ein kleines Restrisiko für das negative Stimmgewicht; spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser aber wir erzielen auf der anderen Seite einen erheblichen Kollege Volker Beck. Bitte schön, Kollege Volker Beck. (B) verfassungsrechtlichen Vorteil, indem wir einpreisen, (D) dass die Menschen dort zur Wahl gegangen sind. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und (Thomas Oppermann [SPD]: Für die FDP ent- Herren, ich muss es Ihnen noch einmal vorhalten: Im Ur- fallen alle Stimmen!) teil vom 3. Juli 2008 Wir haben einen weiteren Nachteil: dass nämlich die (Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Schön, Stimmen, die auf Parteien abgegeben wurden, die kein dass Sie es gelesen haben!) Mandat erringen, oder die Stimmen, die oberhalb der Stimmen für ein Mandat liegen, schlicht wegfallen. Das steht der schöne Satz: ist ein ernsthaftes verfassungsrechtliches Problem, weil Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis spätestens zum es eine faktische Erhöhung der 5-Prozent-Hürde dar- 30. Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung zu stellt. Es kann plötzlich sein, dass 13, 14 Prozent der treffen. Bremer die Grünen gewählt haben – – ( [CDU/CSU]: Das hat Herr (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Beck von dem Urteil verstanden!) GRÜNEN]: Na ja, 22!) Sie haben leider nicht gesagt, wann Sie Ihren Gesetzent- – Sie sind natürlich auf dem permanenten Steigflug. – wurf vorlegen und wie Sie dieser Vorgabe des Bundes- Aber angenommen, es wählen Sie 13 Prozent der Bre- verfassungsgerichts noch nachkommen wollen. Was ist mer, und wir stellen dann fest, dass dies nicht für ein denn, wenn die Kanzlerin im September die Vertrauens- Mandat reicht, dann kann man den Wählern der Grünen frage stellt, und Ihr Laden in seine Bestandteile zerfällt? in Bremen vorwerfen: Eure Stimmen sind verfallen; es So, wie Sie auftreten, ist das ja kein rein theoretisches war jenseits aller politischen Fragen sinnlos, die Grünen Szenario. zu wählen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und bei der SPD) NEN]: Niemals! Wenn eine Partei nur 2,5 Prozent bekommt, dann ist es sinnlos!) Dann stehen wir vor Neuwahlen und haben kein gelten- des Bundeswahlgesetz, weil das Verfassungsgericht uns Die dritte Lösung wäre, nur die überhängenden Listen nur für die letzte Bundestagswahl noch einmal die Er- aus dem Wahlverbund herauszulösen, also nur in Sach- laubnis gegeben hat, nach diesem Recht zu wählen, nicht sen oder in Baden-Württemberg. Dort, wo Überhang- aber ein zweites Mal. Dann wären wir in einer richtigen mandate entstehen, trennen wir die Listen der Parteien, demokratischen Staatskrise und benähmen uns wie Län- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12639

Volker Beck (Köln) (A) der, die keine richtigen Demokratien sind, weil wir ver- Nun kann man sagen: „Wir sind weniger radikal“, (C) fassungswidriges Wahlrecht anwenden müssten. Das und Elemente des Vorschlags der SPD übernehmen, wie wäre eine Katastrophe und würde das Vertrauen in dieses es die Linke macht. Das ist ebenfalls ein gangbarer Weg. Parlament draußen im Lande erheblich erschüttern. Bei dem Vorschlag der SPD, der mir im Grundsatz poli- tisch gefällt, habe ich noch die Frage, ob das negative (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stimmgewicht dadurch wirklich restlos beseitigt würde. sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- Das können wir in der Ausschussanhörung klären. Aber KEN) dieser Vorschlag ist auf jeden Fall ein wichtiger Beitrag Herr Krings, wenn man keinen eigenen Vorschlag hat, zur Lösung des Problems. sollte man nicht ganz so arrogant über die Vorschläge Außerdem möchte ich Ihnen noch etwas anderes vor- der anderen, die alle ihre Pros und Kontras haben, her- tragen – auch zum Schutz der SPD –, weil Sie behauptet ziehen. haben, hier habe die SPD das Thema verfehlt. In seiner (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entscheidung vom 26. Februar 2009 sagte das Bundes- bei der SPD und der LINKEN – Dr. Günter verfassungsgericht, dass es eine Wahlprüfungsbeschwerde Krings [CDU/CSU]: Unsinn muss man Unsinn wegen der Überhangmandate deshalb nicht prüfe, weil nennen dürfen, Herr Beck!) diese Problematik sich so nicht mehr stellen werde, wenn der Gesetzgeber das Problem des negativen Stimmge- Wenn Sie schon Lösungen kritisieren und behaupten wichts beseitigt habe. Damit geht das Bundesverfas- – übrigens habe jetzt überwiegend ich das Wort; das ist sungsgericht selbst davon aus, dass das entscheidende die Regel hier im Parlament –, Problem bei dem negativen Stimmgewicht die unausge- (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Versuchen glichenen Überhangmandate sind. Angesichts dessen Sie es doch mal! Reden Sie doch!) können Sie doch der SPD nicht vorhalten, sie habe das Thema verfehlt und, statt den Motor zu reparieren, Schei- man verfehle mit hier vorgelegten Entwürfen das Thema, benwischer angebracht. dann lese ich Ihnen einmal aus dem Urteil des Bundesver- fassungsgerichts zum negativen Stimmgewicht vor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) (Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Es ist ja gut, dass Sie es wenigstens gelesen haben!) Wir müssen schauen, ob damit alle Probleme im Detail gelöst sind; aber das Hauptproblem in den meisten Fäl- Darin heißt es: len löst dies, und das hängt nach den Worten des Bun- Der Gesetzgeber hat mehrere Möglichkeiten der desverfassungsgerichts entscheidend mit dem Thema (B) Neuregelung, die jeweils deutliche Auswirkungen des negativen Stimmgewichts zusammen. (D) auf die geltenden Regelungen der Sitzzuteilung im Deutschen Bundestag haben. Nebenbei: Das Verfassungsgericht hat in seinem Urteil zum negativen Stimmgewicht herausgestellt, entschei- Es geht weiter: dendes Problem bei knappen Mehrheitsverhältnissen sei, dass durch diesen Effekt, durch den Wechsel eines Sitzes Je nachdem, für welche Alternative sich der Ge- auf die andere Seite des Hauses, eine Verschiebung der setzgeber entscheidet, ergeben sich Auswirkungen Mehrheit erfolgen könne, und dies ein Problem der Stim- auf das gesamte Wahlsystem. menwertgleichheit und somit ein Problem in der Demo- Dann folgt ein Satz, der unseren Vorschlag beschreibt, kratie sei. Wenn das ein Problem in der Demokratie ist, den das Gericht ausdrücklich für zulässig und erwägens- dann wäre aber eine Überhangmandatsfraktion von 30 bis wert hält, dessen Nachteile es aber auch benennt: 60 Abgeordneten, wie sie nach einer Studie des Wissen- schaftlichen Dienstes aufgrund der aktuellen Umfragen Eine landeslistenübergreifende Verrechnung von möglich wäre, ein noch entscheidenderes Problem, weil Direktmandaten und Zweitstimmenmandaten würde dann die Gefahr bestünde, dass die Bevölkerung Parteien beispielsweise Überhangmandate und damit den wählt, von denen sie denkt, sie würden gemeinsam die Effekt des negativen Stimmgewichts weitestgehend Regierung bilden. Damit erhielten diese zwei, drei oder vermeiden, gleichzeitig aber dazu führen, vier Parteien die Mehrheit bei den abgegebenen Stimmen, – das bestreiten wir auch gar nicht – während andere Parteien zusammen die Mehrheit bei den Mandaten erhielten. Dann sind wir in einer konstitutio- dass für den Ausgleich fehlender Listenmandate auf nellen Krise. Dann wird sich jeder Bürger sagen: Es ist einer Landesliste auf Mandate einer anderen Lan- wirklich egal, was ich wähle. Es kommt aufgrund wun- desliste zurückgegriffen werden müsste. derbarer Regelungen im Wahlrecht ja trotzdem etwas an- So beschreibt das Gericht einen der Lösungswege. Wir deres heraus. haben ihn als Gesetzentwurf formuliert. Er ist zweifels- (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Es gibt hier frei verfassungskonform. keine Mandatsträger erster und zweiter (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Falsch!) Klasse!) Er hat Nachteile politischer Art, die man nicht mögen Das zu verhindern, sind wir unseren Wählerinnen und mag, aber er löst das Problem des negativen Stimmge- Wählern schuldig; denn in unserer Verfassung steht, dass wichts und das Problem der Überhangmandate. alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Von Tricks im 12640 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Volker Beck (Köln) (A) Wahlgesetz steht da nichts drin. Deshalb sollten wir uns date sind unverdient. – Ich sage hier ohne Schaum vor (C) jetzt auf den Hosenboden setzen und zusehen, dass wir dem Mund und ganz nüchtern: Sie diskreditieren mit die- die Arbeit noch vor der Sommerpause so weit vorantrei- ser Aussage meines Erachtens das Wählervotum in einem ben, dass wir uns vor dem Bundesverfassungsgericht Wahlkreis. Direkt gewählte Abgeordnete haben in unse- und vor der deutschen Öffentlichkeit nicht blamieren. rem personalisierten Verhältniswahlrecht eine enorme Bedeutung und einen enormen Stellenwert. Überhang- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mandate sind keine unverdienten Mandate, sie sind ver- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der diente Mandate. Der Wahlkreisbewerber, der direkt ge- LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: wählt wird, wird nicht ohne Grund gewählt. Nicht die Referenten schlechtmachen!) Ich möchte durchaus zum Ausdruck bringen, dass ich Vizepräsident Eduard Oswald: die drei Gesetzentwürfe der Opposition respektiere. Sie Vielen Dank, Kollege Volker Beck. – Nun für die sind mit Sicherheit eine Grundlage für die weitere De- Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Stephan Mayer. batte. Bitte schön, Kollege Stephan Mayer. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) NEN]: Da sind Sie der Erste von der Koali- tion!) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Ich persönlich habe allerdings den Eindruck, dass sie in- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin- soweit keine taugliche Grundlage darstellen, da allen nen! Sehr verehrte Kollegen! Wir debattieren heute nicht drei Gesetzentwürfen aus meiner Sicht die Verfassungs- über irgendein Rechtsgebiet, nicht über irgendeinen widrigkeit quasi auf die Stirn geschrieben steht. Politikbereich. Wir debattieren heute über den zentralen Zunächst einmal zum Gesetzentwurf der Grünen: Die konstitutiven Bestandteil unserer freiheitlich-demokrati- Grünen favorisieren das Kompensationsmodell, benach- schen Grundordnung, über das Wahlrecht. teiligen damit aber in eklatanter Weise die Länder, in de- (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!) nen keine Überhangmandate anfallen, Wir sollten uns alle davor hüten, dass wir diese Diskus- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sion nur durch die Brille aktueller Umfragewerte oder NEN]: Das ist aber nicht verfassungswidrig, vor dem Hintergrund betrachten, wem was vermeintlich sondern genau so vom Verfassungsgericht als wann wie nützen könnte. Lösungsweg beschrieben!) sprich: Die Bürgerinnen und Bürger aus den Bundeslän- (B) Das Wahlrecht ist die Leitplanke unseres Staatswe- (D) sens. Das Wahlrecht legt, wie Kollege Wiefelspütz schon dern, in denen erfahrungsgemäß und auch in Zukunft ausgeführt hat, die Spielregeln fest, unter denen unser keine Überhangmandate anfallen, werden im Deutschen Staatswesen funktioniert. Wir sollten uns, wie ich Bundestag schlechter, also durch eine geringere Anzahl glaube, davor hüten, diese Spielregeln allzu oft und allzu an Abgeordneten, vertreten als die Bürgerinnen und Bür- weitgehend zur Disposition zu stellen. Dies ist wichtig, ger aus den Bundesländern, in denen erfahrungsgemäß damit Verlässlichkeit waltet. Dies ist aus meiner Sicht viele Überhangmandate anfallen. Das stellt aus meiner aber auch wichtig, um entsprechende Akzeptanz in der Sicht einen eklatanten Verstoß gegen die Bundestreue Bevölkerung zu finden. Wir alle haben, wie ich glaube, dar. Des Weiteren verletzen Sie in eklatanter Weise den die Aufgabe, das Wahlrecht zu hegen und zu pflegen und Grundsatz der Gleichheit des Erfolgswertes der Stimme. es vor allem so transparent und verständlich zu gestalten Daraus konstruiere ich die von mir behauptete Verfas- bzw. zu halten, dass es die Bevölkerung nachvollziehen sungswidrigkeit Ihres Gesetzentwurfes. kann. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grü- Wir können durchaus stolz sein auf unser Wahlrecht. nen, Sie meinen es ja besonders gut mit der CSU. Ich Mit dem personalisierten Verhältniswahlrecht ist Deutsch- finde es ja immer wieder schön, dass Sie der CSU beson- land in den vergangenen Jahrzehnten gut gefahren. Das dere Aufmerksamkeit zuwenden. sieht man meines Erachtens auch daran, dass andere Län- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der unser Wahlrecht kopieren, zum Beispiel Neuseeland. NEN]: Ja! Das ist ein wirkliches Problem für uns!) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 3. Juli 2008 ist die Ursache für die heutige Debatte, und Besonders auffällig war für mich da schon die Formulie- die Aufgabe, die uns das Verfassungsgericht gestellt hat rung im Begründungsteil Ihres Gesetzentwurfes. Sie be- – auch das ist kein Geheimnis –, ist alles andere als ein- haupten darin, die Unabhängigkeit der CSU werde nur fach. Ich möchte aber in aller Deutlichkeit festhalten, vorgespielt. dass das Verfassungsgericht explizit nicht geurteilt hat, dass Überhangmandate verfassungswidrig sind. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Schön wär’s!) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ein Problem!) Es gibt durchaus den einen oder anderen CDU-Kollegen, dem es vielleicht ganz recht wäre, wenn die Unabhän- Ich sage dies auch, sehr geehrter Kollege Oppermann, an gigkeit der CSU tatsächlich nicht gegeben wäre. Ich Ihre Adresse, weil Sie formuliert haben: Überhangman- kann Ihnen aber an dieser Stelle wirklich glaubhaft und Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12641

Stephan Mayer (Altötting) (A) nachdrücklich versichern: Die CSU ist eine vollkommen Er würde natürlich auch dazu führen, dass das Parlament (C) unabhängige Partei und wird dies auch bleiben. unnötig aufgebläht werden würde, weil Überhangman- date ausgeglichen würden. Es sollte in der Zukunft (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – schon eine der Grundlinien unserer Debatte sein, dass Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wir dafür Sorge tragen, dass unser Parlament, in dem NEN]: Nur nicht hier im Hause! – Volker Beck jetzt 621 Abgeordnete vertreten sind, nicht übermäßig [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wa- mit zusätzlichen Mandaten aufgebläht wird. Man kommt rum sind Sie dann keine Fraktion?) sehr schnell an eine Grenze, an der die Funktionsfähig- Was aber schon absurd ist, ist, dass Sie sagen: Wenn keit des Parlaments nicht mehr gegeben ist. in Bayern für die CSU Überhangmandate anfallen – das (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE war bei der letzten Wahl im Jahr 2009 der Fall; es wird GRÜNEN]: Wie beim Chinesischen Volkskon- hoffentlich nie mehr vorkommen –, dann verliert derje- gress zum Beispiel!) nige direkt gewählte Abgeordnete sein Mandat, der den geringsten Anteil an Erststimmen bekommen hat. Ich glaube, Gegenstand unserer weiteren Diskussionen sollte sein, wie wir verhindern können, dass das Parla- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ment aufgrund von Ausgleichsmandaten übermäßig ver- NEN]: Ja!) größert wird. Ich stehe nicht in der Gefahr, von der Regelung, die Sie Wenn Ihr Vorschlag umgesetzt werden würde, würden favorisieren, betroffen zu sein. Bei der letzten Wahl habe Sie auch die Bedeutung des direkt gewählten Abgeord- ich über 60 Prozent der Erststimmen bekommen. neten minimieren; denn Ihr Vorschlag beinhaltet eine Reduzierung der Anzahl der Wahlkreise und damit na- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- türlich auch eine Reduzierung der Zahl der direkt ge- NEN]: Wo ist dann das Problem? Aber der wählten Abgeordneten, um ein exorbitantes Aufblähen Kollege Ruppert ist kein gestandener CSU- des Parlaments zu verhindern. Als direkt gewählter Ab- Mann!) geordneter sage ich ganz offen: Es ist schon wichtig, dass der Kreis der Wählerinnen und Wähler, für die man Aber es gibt durchaus Kollegen – das sage ich ganz verantwortlich ist, nicht übermäßig wächst. Die Nähe ernsthaft –, die davon betroffen sein könnten. zum Bürger, aber auch zu den Kommunen und Gemein- Mit dieser Regelung missachten Sie aus meiner Sicht den würde abnehmen, wenn der Wahlkreis immer größer das Wählervotum in eklatanter Weise. Man spricht bei würde und damit die Zahl der darin lebenden Bürgerin- mir in der Gegend respektvoll vom sogenannten Heimat- nen und Bürger immer weiter anstiege. Wir müssen (B) abgeordneten. Wir dürfen nicht den besonderen Wert un- peinlichst genau darauf achten, dass das Band zwischen (D) terschätzen, wenn ein Kandidat in einer direkten Wahl dem direkt gewählten Abgeordneten und den Bürgern die Mehrheit der Erststimmen auf sich vereinigen kann. nicht zu locker wird. Das bedeutet, dass abseits von der Parteizugehörigkeit (Thomas Oppermann [SPD]: Aber kümmern dieser Person besonderes Vertrauen entgegengebracht sich Ihre Listenabgeordneten nicht um die wird und ihr besondere Kompetenz und besondere Bürger?) Glaubwürdigkeit zugesprochen wird. Ich finde es – mit Verlaub – schäbig, Bei vielen Gelegenheiten diskutieren wir hier im Plenum über die zunehmende Politikverdrossenheit in der Bevöl- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kerung. Man würde dieser Verdrossenheit Vorschub leis- NEN]: Schäbig?) ten, wenn man die Anzahl der direkt gewählten Abge- dass Sie einem solchen Kandidaten, der direkt in den ordneten und die Anzahl der Wahlkreise reduzieren Deutschen Bundestag gewählt wird, die Möglichkeit würde. verweigern wollen, sein Mandat anzutreten. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich komme in aller Kürze noch zum Gesetzentwurf der Linksfraktion. Es ist schon angedeutet worden, dass Sie missachten mit dieser Regelung nicht nur die Bedeu- die Linke hinsichtlich der CSU mehr Milde walten lässt tung des direkt gewählten Abgeordneten, sondern in ek- als hinsichtlich der Grünen. latanter Weise auch das Wählervotum. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zum Gesetzentwurf der SPD. Herr Kollege NEN]: Darüber sollten Sie nachdenken!) Oppermann, Ihr Entwurf beinhaltet meines Erachtens nicht nur, wie Sie es behauptet haben, Schönheitsfehler; Ich bin aber für die Klarstellung des Kollegen Korte das wäre etwas zu euphemistisch ausgedrückt. Er ist aus dankbar, dass wir beileibe keine Freunde sind. Man kann meiner Sicht auch verfassungswidrig – das muss ich Ih- sich zwar nicht seine Verwandtschaft aussuchen, aber nen so deutlich sagen –, weil er, wie Sie selbst im Be- seine Freunde schon. Deswegen möchte ich auf die Fest- gründungsteil einräumen, den Fall des negativen Stimm- stellung Wert legen, dass uns hier noch sehr viel trennt. gewichts nicht gänzlich ausschließt. (Jan Korte [DIE LINKE]: Ich auch!) (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Gar nicht Ich sage ganz offen: Die Reduzierung des Wahlalters auf ausschließt!) 16 Jahre wäre ein großer Fehler. Die Landtagswahl in 12642 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Stephan Mayer (Altötting) (A) Bremen hat gezeigt, dass man damit die Jungwähler len zu können. Sie wollen die Listenverbindungen zwi- (C) nicht an die Urne bringt. Ganz im Gegenteil: Die Wahl- schen den Bundesländern abschaffen; die 16 Bundeslän- beteiligung in Bremen war so niedrig wie nie zuvor. der sollen zu 16 getrennten Wahlgebieten werden. Das würde die kleinen Parteien benachteiligen. Deshalb (Jan Korte [DIE LINKE]: Aber das kann ja kommen Sie hier auch nicht zu einer Lösung innerhalb kein Grund sein!) der Koalitionsfraktionen. Im Übrigen löst es auch nicht In diesem Sinne sollten wir die Diskussionen in Zu- das Problem: Wie das Gutachten des Wissenschaftlichen kunft konstruktiv fortsetzen. Ich glaube, es sollte, egal Dienstes feststellt, kann das negative Stimmgewicht bei welcher Fraktion man angehört, unser Bestreben sein, Ihrem Modell – Länder als getrennte Wahlgebiete, in der beim künftigen Wahlrecht einen möglichst großen Kon- Variante mit Sitzkontingenten nach Wahlbeteiligung – sens in diesem Haus zu finden. Wie gesagt: Es ist die weiterhin auftreten. Damit ist die Auflage des Bundes- Leitplanke unseres Staatswesens. verfassungsgerichts nicht erfüllt. Nach diesem Gutach- ten wären bei der letzten Bundestagswahl 16 hypotheti- Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. sche Fälle des negativen Stimmgewichts aufgetreten. Ihr (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Modell ist deshalb nicht geeignet, die bestehenden Pro- bleme zu lösen. Deshalb ist es nicht mehrheitsfähig. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie wollten unter Hochdruck arbeiten. Aber wo bleibt Vielen Dank, Kollege Stephan Mayer. – Nun spricht das Ergebnis? Wir warten. Sie wollten mit uns reden; für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin auch da hat sich nichts getan. Herr Kollege Uhl hat in Gabriele Fograscher. Bitte schön, Frau Kollegin der Debatte im März erklärt, wir sollten uns zusammen- Gabriele Fograscher. setzen; denn Sie hielten knappe Mehrheitsentscheidun- (Beifall bei der SPD) gen beim Wahlrecht für schädlich. Das sehen wir auch so. Bisher war es gute Tradition, dass wir bei Fragen des Wahlrechts immer auf eine breite Zustimmung gesetzt Gabriele Fograscher (SPD): haben. Wir warten aber immer noch auf ein konkretes Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gesprächsangebot. Was muss das Wahlrecht leisten? Es muss den Wähler- willen so genau wie möglich in der Zusammensetzung Ich hatte Ihnen in der entsprechenden Debatte ange- des Deutschen Bundestages abbilden. Das Wahlrecht ist boten, noch einmal Gespräche zu führen und externen somit der Grundpfeiler unserer repräsentativen Demo- Sachverstand hinzuzuziehen. Auch darauf haben Sie kratie. sich nicht eingelassen. Das ist bedauerlich und ärgerlich. Ich glaube, dass wir jetzt nicht mehr fristgerecht zu einer (B) Verzerrungen – das haben wir schon gehört – können (D) Lösung kommen werden. durch das sogenannte negative Stimmgewicht auftreten. Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgefordert, das Für uns, für die SPD-Bundestagsfraktion, ist klar: Wir zu ändern. Sie können aber auch durch die Überhang- wollen das unitarische Prinzip einer Bundestagswahl mandate auftreten. Obwohl Sie von den Koalitionsfrak- nicht verletzen. Wir wollen keine 16 Länderwahlen; tionen und der Bundesregierung wissen, dass die Frist des Bundesverfassungsgerichts in fünf Wochen abläuft, (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wollen wir gibt es von Ihnen keine beratungsfähige Vorlage. Auch auch nicht!) wenn Sie von den Koalitionsfraktionen – Herr Ruppert, aber dazu würde es kommen, wenn die Landeslisten Herr Krings, Herr Mayer – schon in der Debatte im nicht mehr miteinander verbunden wären. März, als wir den Vorschlag der Grünen diskutiert ha- ben, und auch heute die Vorschläge der Opposition in (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Nein, kommt der Luft zerreißen: Sie kritisieren zwar, sagen aber nicht, es nicht!) was Sie wollen. Wir wollen die Grundkonstruktion unseres Wahlsystems (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Haben wir erhalten, aber die aufgetretenen Schwächen beseitigen. doch gesagt! – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Das Wir wollen dabei beachten, dass es für die Bürgerinnen habe ich doch gesagt!) und Bürger verständlich und nachvollziehbar ist. –Na ja. Durch Überhangmandate und das sich daraus mögli- cherweise ergebende negative Stimmgewicht werden Herr Krings, Sie haben bereits im März erklärt, dass das Wahlergebnis und der Wählerwille verzerrt und die die Reform des Wahlrechts eine komplizierte Sache sei. Stimmengleichheit verletzt, die Mehrheit der Zweitstim- Da gebe ich Ihnen recht. Herr Ruppert, Sie haben das men ist nicht mehr gleichzeitig die Mehrheit der Man- eindrucksvoll dargelegt. Deshalb hat das Bundesverfas- date. Weil Überhangmandate nicht ersetzt werden, kann sungsgericht uns als Gesetzgeber drei Jahre Zeit gege- sich innerhalb einer Legislaturperiode das Mehrheitsver- ben, um eine Neuregelung zu finden. Jedoch ist die Zeit hältnis ändern. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, in einem nun fast um, und es gibt nichts von Ihnen, weil Sie sich ersten Schritt die Überhangmandate durch Ausgleichs- nicht einmal innerhalb der Koalition einigen können. mandate zu egalisieren, um die Mehrheitsverhältnisse Es kursierte bereits ein Entwurf. Herr Krings, Sie ha- nach Zweitstimmen im Bundestag richtig abzubilden. ben ihn heute nochmals skizziert. Aber Sie scheinen bei Falls die Anzahl der Mitglieder des Deutschen Bundes- diesem Modell nicht einmal mit der FDP Einigkeit erzie- tages in nicht vertretbarer Weise ansteigen sollte, ist in Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12643

Gabriele Fograscher (A) einem zweiten Schritt, nach der Wahl 2013, zu prüfen, niswahlrecht – darüber sind wir uns, glaube ich, in (C) ob der Bundestag durch die Reduzierung der Anzahl der diesem Hause einig – ist ein guter und richtiger Weg. Wahlkreise wieder verkleinert werden sollte. Mir ist be- Das hat uns auch das Bundesverfassungsgericht in der wusst, dass die dann vorzunehmende Neuzuschneidung bereits zitierten Entscheidung vom 3. Juli 2008 beschei- der Bundestagswahlkreise eine große Aufgabe und He- nigt, indem es sagt – ich zitiere –: Der Gesetzgeber „darf rausforderung ist. Ich betreue dieses Thema seit vielen auch beide Wahlsysteme miteinander verbinden, etwa Jahren und meine, dass ein verfassungskonformes und indem er eine Wahl des Deutschen Bundestages hälftig transparentes Wahlrecht der Mühe wert ist. Unser Vor- nach dem Mehrheits- und hälftig nach dem Verhältnis- schlag lautet: Lassen wir Ausgleichsmandate zu, und wahlprinzip zulässt“. entscheiden wir über Veränderungen bei der Zahl der Trotzdem hat des Bundesverfassungsgericht das Wahlkreise nach der nächsten Bundestagswahl. Wahlrecht insofern für verfassungswidrig erklärt, als ein Noch ein Satz zum Gesetzentwurf der Linken. Er ist Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen ein Sammelsurium von Wahlrechtsänderungen – es sind führen kann, die über die Landesliste vergeben werden auch Grundgesetzänderungen dabei –, die mit dem Ur- – das hat der Kollege Oppermann zu Anfang am Bei- teil des Bundesverfassungsgerichts nur wenig zu tun ha- spiel NRW ausgeführt –, oder weil ein Verlust an Zweit- ben. stimmen zu einem Zuwachs an Sitzen führen kann, die über die Landesliste vergeben werden. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Gar nicht!) Das Bundesverfassungsgericht hat uns denkbare Lö- Unter anderem fordern Sie die Abschaffung der 5-Pro- sungswege aufgezeigt. Zum einen könnte man demzu- zent-Hürde. Ich meine, die 5-Prozent-Hürde hat sich be- folge beim Entstehen – ich betone: Entstehen – der währt. Sie hat bislang verhindert, dass Splitterparteien Überhangmandate ansetzen. Zum anderen wurde expli- und rechtsextremistische Parteien in den Bundestag ein- zit der Verzicht auf Listenverbindungen genannt. Zu- gezogen sind. Die 5-Prozent-Regelung hat andererseits gleich wurden aber auch die möglichen Auswirkungen aber nicht verhindert, dass neue Parteien den Weg in die- beider Denkansätze angedeutet, und es wurde nach- ses Parlament gefunden haben. drücklich auf die hohe Komplexität der möglichen Rege- (Beifall des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/ lungen hingewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat CSU]) uns damit deutlich gemacht, dass eine Lösung in Rein- form vielleicht gar nicht möglich ist, sondern wir mög- Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regie- lichst nah an die Lösung des Problems des negativen rungsfraktionen, Sie haben viel Zeit verstreichen lassen. Stimmgewichts herankommen müssen. Wenn Sie Ent- Nehmen Sie unsere Vorschläge ernsthaft auf, kehren Sie würfe vorlegen, dann müssen Sie auch erlauben, dass (B) an den Verhandlungstisch zurück, und lassen Sie uns die (D) wir uns mit ihnen auseinandersetzen. Auflagen des Bundesverfassungsgerichts erfüllen! (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Danke sehr. NEN]: Das wollen wir sogar! Wir würden es (Beifall bei der SPD) gern auch andersrum machen!) – Das mache ich dann auch. Ich fange aber mit den Kol- Vizepräsident Eduard Oswald: legen der SPD an und nicht mit Ihnen, Herr Kollege Vielen Dank, Frau Kollegin Gabriele Fograscher. – Wieland. Jetzt hat das Wort unser Kollege Dr. Patrick Sensburg für die Fraktion der CDU/CSU. Der Vorschlag der SPD – das haben meine Vorredner, besonders Herr Dr. Krings, deutlich gemacht – setzt nicht am entscheidenden Problem an, sondern findet ei- Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): nen Ausgleich für Überhangmandate. Er sattelt also Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und drauf. Ich kann das verstehen: Wenn man die Besorgnis Kollegen! Das Wahlrecht – das wurde durch die Ausfüh- hat, keine direkten Wahlkreise zu holen, dann will man rungen meiner Vorredner deutlich – ist eine staatsrechtli- Überhangmandate ausgleichen. Im Jahre 2002 hatten Sie che und verfassungsrechtliche Feinarbeit, bei der leider diese Überlegungen übrigens nicht, als Sie nämlich oft auch machtpolitische Erwägungen angesprochen selbst von Überhangmandaten profitiert haben. werden. Das haben wir in der Rede des Kollegen Oppermann direkt am Anfang der Debatte gesehen. Erst (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: hieß es, dass Machtpolitik nicht betrieben werde, doch Wir sind geläutert!) dann spielten machtpolitische Erwägungen in den Aus- Es ist schon interessant, dass dieser Vorschlag gerade führungen eine zentrale Rolle. Ich versuche, das bei der jetzt kommt. Schauen wir uns einmal an, Herr Kollege Bewertung der vorliegenden Vorschläge zu vermeiden. Oppermann, zu welchen Auswirkungen das Ganze füh- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ren würde! Legen wir die Wahl 2009 zugrunde, würde es NEN]: Klappt nicht!) dazu führen, dass es 60 Mandate mehr in diesem Bun- destag gäbe. Wenn wir – das haben wir eben angespro- – Ich gebe mir Mühe, Herr Kollege Wieland. chen – diese Idee weiterverfolgen, dann würde Ihr Das deutsche Wahlrecht hat beide Extreme erlebt, so- Entwurf dazu führen, dass sich der Bundestag gegebe- wohl das Mehrheitswahlrecht als auch das Verhältnis- nenfalls um über 100 Mandate aufblähen kann. Wir hät- wahlrecht. Die Kombination im personalisierten Verhält- ten dann eine große Schwankung zwischen der Grund- 12644 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Dr. Patrick Sensburg (A) mandatszahl und der möglichen Mandatszahl durch Herr Kollege Korte, der Entwurf hat übrigens auch (C) Überhangmandate und Ausgleichsmandate; denn beide sprachliche Mängel. müssen nämlich berücksichtigt werden. (Jan Korte [DIE LINKE]: Ihre Rede auch!) Ich glaube, das ist ein großes Problem und schafft Lesen Sie sich einmal den von Ihnen vorgeschlagenen keine Sicherheit. Sie sollten noch einmal darüber nach- § 7 a Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes durch! Wenn Sie denken, ob damit das System des negativen Stimmge- den verstehen, alle Achtung! – Nicht die Rede, Herr Kol- wichts beseitigt wird oder ob wir nicht vielmehr eine lege Korte, die kann man, glaube ich, verstehen. – hohe Ungleichgewichtigkeit schaffen. Das ist vorhin be- reits angesprochen worden. (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Jetzt Ihr Vorschlag!) (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Was wollen Sie?) Die Vorschläge sind von den Kollegen Dr. Krings und Dr. Ruppert gekommen. Der Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen macht mir (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wirklich Sorgen, vor allem – der Kollege Mayer hat es DIE GRÜNEN) vorhin angesprochen – als direkt gewählter Abgeordne- ter. Wenn man die Nähe zu seinem Wahlkreis hat und er- Ich würde mir in diesem Haus wünschen, dass wir das kennt, dass nach Ihrem Entwurf über die Listenverbin- Thema Wahlrecht – ich hatte es zu Anfang gesagt – frak- dungen einige direkt gewählte Abgeordnete herausfallen tionsübergreifend debattieren und diskutieren, können, dann bereitet das Sorgen. Das gilt insbesondere (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: im Hinblick auf die Wähler, die gesagt haben: „Ich Bis Ende Juni!) wähle diesen Abgeordneten“, wenn dann aufgrund des Länderproporzes dieser Abgeordnete herausfallen muss. dann aber auch fraktionsübergreifend eine Lösung fin- Ich weiß nicht, was der Kollege Ströbele dazu sagt; mo- den. Es ist ausreichend Zeit, das gemeinsam zu tun. Wir mentan sagt er gar nichts. müssen allerdings die Thematik seriös angehen. Sie ha- ben mit Ihren drei Vorschlägen gezeigt, dass Sie nicht (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE zur Lösung des Problems des negativen Stimmgewichts GRÜNEN]: Ich falle da nicht drunter!) beitragen. Sie haben Vorschläge vorgelegt, die uns im Im Hinblick auf diese Problematik kann ich Ihren Vor- Kern nicht weiterbringen. schlag nicht gutheißen. Er beseitigt das Problem des ne- (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: gativen Stimmgewichts sowieso nicht; er lässt Direkt- Sie haben gar nichts vorgelegt!) (B) mandate hinten herunterfallen. Ich glaube, auch dieser (D) Ansatz ist im Ergebnis nicht gut. Kommen Sie zurück an den Verhandlungstisch, sodass wir es schaffen, gemeinsam über die Fraktionen Lösun- Zum Gesetzentwurf der Linken ist schon einiges ge- gen zu finden und das Wahlrecht auf eine breite Basis zu sagt worden. Er ist ein Sammelsurium, das weit über das stellen! Der Kollege Krings hat hierzu Vorschläge ge- Bundesverfassungsgerichtsurteil hinausgeht – macht. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ja!) (Zuruf von der SPD: Wann?) Setzen Sie sich mit uns gemeinsam an einen Tisch. Dis- das ist bereits angesprochen worden –: das Auslän- kutieren Sie diese Vorschläge. Die Einladungen sind er- derwahlrecht, das Wahlrecht mit 16 Jahren, aber auch folgt, anders als Sie es vorhin gesagt haben. Ich würde die 5-Prozent-Klausel. Ich frage mich manchmal, welche mir wünschen, dass wir dann ein Wahlrecht bekommen, Sorgen Sie eigentlich haben, dass Sie gerade die 5-Pro- das von einer breiten Mehrheit hier im Deutschen Bun- zent-Klausel abschaffen wollen. Das zeigt, wo Sie Ihre destag getragen ist. Zukunft sehen. Es kann doch nicht der richtige Ansatz sein, bei einem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts Danke schön. alles Mögliche machen zu wollen, nur nicht, dem Auf- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) trag Rechnung zu tragen.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Legen Sie doch sel- Vizepräsident Eduard Oswald: ber einmal etwas vor! Nichts vorlegen, aber Vielen Dank, Kollege Dr. Patrick Sensburg. – Nun hat hier den Dicken machen!) das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Wolfgang Wieland. Bitte schön, Kollege Auch Sie schwächen übrigens den direkt gewählten Ab- Wolfgang Wieland. geordneten. Herr Kollege Korte, Sie haben eben von mehr Demokratie gesprochen. Warum schwächen Sie dann die direkt gewählten Abgeordneten mit den Über- Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): hangmandaten? Das ist doch nicht mehr Demokratie, das Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol- ist weniger Demokratie. Das würden Sie erkennen, wenn lege Sensburg, man muss sich vorher ehrlich machen. In Sie es einmal bis zum Schluss durchdenken würden. der Frage der Wahlgesetzgebung haben wir als Parteien alle Eigeninteressen. Ich habe schon das letzte Mal, als (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: wir zu Ende der vergangenen Legislaturperiode hier über Jetzt Ihr Vorschlag!) unseren Entwurf debattiert haben, gesagt: Wir sind eine Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12645

Wolfgang Wieland (A) kleine Partei und von Überhangmandaten relativ weit (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Falsch!) (C) entfernt. Daraufhin erntete ich wütenden Protest von wütend gesagt: Alle diese Dinge wie Kinderwahlrecht , meiner Parteivorsitzenden. Deswegen und Sonstiges kann man machen, aber es geht nicht da- wiederhole ich dies heute nicht, auch weil das mit der rum, was man machen kann, sondern darum, dass man kleinen Partei möglicherweise nicht mehr richtig ist. verhindern muss, dass nach einem Wahlrecht gewählt Aber wir bleiben bei unseren Überzeugungen. Unsere wird, das so katastrophal ist, dass es kein Wahlrecht Überzeugungen entsprechen dem Arbeitsauftrag des mehr ist. – Er sagte weiter: Da sitzen Sie ein ganzes Jahr Bundesverfassungsgerichtes, das negative Stimmge- herum und tun nichts. – Jetzt haben Sie weitere zwei wicht zu beschneiden und dafür zu sorgen, dass es keine Jahre herumgesessen und nichts getan. Das ist ein Ar- Verfälschung des Wählerinnen- und Wählerwillens mutszeugnis. Das muss hier gesagt werden. durch Überhangmandate geben darf. Das ist zu erledi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gen, und nicht das Risibisi der Linksfraktion oder die und bei der SPD) mündlichen Vorschläge, die Sie hier nun vorgelegt ha- ben, Herr Kollege Krings. Durch diese Vorschläge Noch ein Wort zur Rechtsstaatspartei FDP. Kollege würde genau das Gegenteil erreicht. Sie würden dazu Burgbacher hat, als er noch Parlamentarischer Ge- führen, dass es sogar mehr negative Gewichtung und schäftsführer war und nicht unentwegt Akten studieren mehr Überhangmandate geben könnte. Sie glauben doch musste, am Tag der Urteilsverkündung in Karlsruhe ge- wohl nicht, dass wir da mitmachen werden. sagt: Jetzt muss der Gesetzgeber handeln. Es besteht dringender Handlungsbedarf. – Daraus wurden bei Frau Es ist nachgerade merkwürdig, dass ausgerechnet die Leutheusser-Schnarrenberger eine Warnung vor Aktio- CSU, die Partei von „Kopf-ab-Jaeger“ und Franz Josef nismus und eine Forderung nach Augenmaß und Ruhe. Strauß, nun sagt: Bitte, Grüne, mehr Milde mit der CSU. Inzwischen sind Sie offenbar eingeschlafen, meine Da- (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Res- men und Herren von der FDP; denn von Ihnen kommt pekt vor dem Wähler!) nichts mehr. – Den haben wir immer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aha! – KEN) Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Of- fensichtlich nicht!) Vor allem die SPD, aber auch die Linkspartei haben hier brauchbare Vorschläge zu der Frage, wie man das – Selbstverständlich. – Wir hatten das letzte Mal als negative Stimmgewicht verhindern und wie man zu ei- (B) Einzige einen Vorschlag gemacht. Selbst Ihr Parla- nem korrekten Umgang mit Überhangmandaten kom- (D) mentspräsident Lammert hat vor der letzten Bundes- men kann, vorgelegt. Das ist eine Diskussionsgrundlage. tagswahl gesagt: Es wäre gut, wenn wir schon ein ver- Es gibt natürlich auch hier Haken; da sind wir uns doch fassungsgemäßes Wahlrecht hätten. Da war Ihr einig. Das negative Stimmgewicht wird nicht ganz aus- Hauptargument: Ihr habt das Problem der CSU nicht ge- geschlossen, und über die Frage, wie groß der Bundestag löst. – Wir haben zugegeben, dass wir das Problem der werden soll, muss debattiert werden. Darüber kann auch CSU nicht gelöst hatten. debattiert werden. Aber wir müssen doch zu einem Er- gebnis kommen. Sie sagen hier so schön: Wir wollen den Jetzt haben wir einen Vorschlag gemacht, durch den Konsens. Kollege Mayer sagt, er habe Respekt vor allen das Problem der CSU klar und eindeutig gelöst wird. Vorschlägen, um sie im nächsten Satz als schäbig und Dazu sagen Sie nun wieder: So geht das aber ganz und vordemokratisch zu bezeichnen. Respekt stelle ich mir gar nicht. – Sie sind nicht nur eine Dagegen-Partei, son- anders vor. Wir haben die Sonderrolle der CSU immer dern auch – Sie sind beides in Kombination – eine Tu- respektiert. Nur, wir sagen: Eine Partei, die eine solche nix-Partei. Sonderrolle beansprucht, kann sich nicht immer wie ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rosinenpicker das Beste aussuchen: hier nach der Ge- und bei der SPD) schäftsordnung des Deutschen Bundestages eine Frak- tionsgemeinschaft bilden, aber dann, wenn es einmal, Daher sollten Sie hier den Mund nicht so voll nehmen. wie sie glaubt, zu ihrem Nachteil ist, aber immer noch (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sie mar- gerecht und dem Wählerwillen entsprechend, die belei- schieren in eine Sackgasse!) digte Leberwurst spielen und sich als Opfer darstellen. Das geht nicht. Professor Meyer hat schon damals in der letzten Le- gislaturperiode (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Stephan, Du bist Professor geworden? Herzlichen Glück- Wir haben immer gesagt: Das Problem der Berliner wunsch!) Zweitstimmen ist für uns ein geringes. Die SPD will es jetzt lösen. Für uns ist klar: Der Linksparteiwähler aus – nicht dieser Herr Mayer; hören Sie einmal zu – in der Lichtenberg oder Marzahn wählt seine Partei, wie auch Anhörung zu unserem Gesetzentwurf, über den im Übri- immer sie gerade heißt, wo auch immer er sie auf dem gen alle Sachverständigen sagten, das wäre ein Weg, den Stimmzettel findet. Er wählt sie, ob die Vorsitzenden nun man gehen könnte, Karl und Rosa oder Klaus und Gesine heißen. 12646 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011

Wolfgang Wieland (A) (Heiterkeit und Beifall des Abg. Dr. Frithjof (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE (C) Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) GRÜNEN]: Für Sie ganz offensichtlich!) Dass gerade dieser Wähler seine Stimme splittet, ist am Der Vorschlag der Sozialdemokraten – das muss man unwahrscheinlichsten. Das ist ein Scheinproblem. Aber, klar sagen – beseitigt das negative Stimmgewicht nicht, bitte schön, von mir aus können wir auch Scheinpro- erfüllt also den verfassungsrechtlichen Auftrag jeden- bleme lösen. falls nicht vollständig. (Beifall des Abg. Dr. Frithjof Schmidt (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Überhaupt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) nicht!) Schließlich und endlich meine letzte Bemerkung. Es Außerdem bläht er den Deutschen Bundestag auf. Hinter wurde gesagt: Wir debattieren hier nicht unsere Rechte die Lösung, letztlich einfach die Zahl der Mitglieder des als Parteien und Fraktionen. Wir debattieren das Recht Deutschen Bundestages zu vergrößern, sodass es also des Souveräns. Wir diskutieren über das Recht der Bür- mehr Abgeordnete gibt, ist ein Fragezeichen zu setzen. gerinnen und Bürger, dass ihre Stimmen bei Wahlen wirksam werden. – Das muss mit Ernst geschehen, das Bei Grünen und Linken wird offenkundig, dass sie ein muss im vorgegebenen Zeitrahmen geschehen, und das Problem mit den Überhangmandaten haben. müsste endlich auch ergebnisorientiert geschehen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vielen Dank. NEN]: Ja!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das ist aber kein verfassungsrechtliches Problem, und bei der SPD) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsident Eduard Oswald: NEN]: Doch!) Vielen Dank, Kollege Wolfgang Wieland. – Nun sondern ein politisches, Ihr politisches Problem. spricht für die Fraktion der CDU/CSU Kollege Thomas Strobl. Bitte schön, Kollege Thomas Strobl. Er ist der (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE letzte Redner in dieser Debatte. GRÜNEN]: Nein! Das verfälscht den Wähler- willen! Also ist es auch ein verfassungsrecht- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) liches Problem!)

Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): – Nein. Die Überhangmandate sind die Ursache des ne- (B) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gativen Stimmgewichts. Sie selbst sind aber nicht ver- (D) Meine Damen und Herren! Als das Bundesverfassungs- fassungswidrig. Es gibt durchaus Möglichkeiten und gericht in Karlsruhe am 3. Juli 2008 das negative Stimm- Wege, die Überhangmandate beizubehalten und trotz- gewicht für verfassungswidrig erklärt hat, war allen Be- dem zu einer verfassungsmäßigen Lösung zu kommen. teiligten klar, dass dem Gesetzgeber damit eine harte (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Genau! Nuss aufgegeben wird. Deswegen hat das Bundesverfas- Selbst ein Mehrheitswahlrecht wäre verfas- sungsgericht eine lange Frist, bis zum 30. Juni dieses sungsgemäß!) Jahres, gesetzt. Sie verkennen, dass Überhangmandate immer direkt Klar ist in Karlsruhe bereits in der mündlichen Ver- gewählten Abgeordneten zufallen. Diese Abgeordneten handlung geworden, dass es beim Wahlrecht keinen Kö- haben die höchste demokratische Legitimation, die es nigsweg gibt. Die komplizierte Verschränkung von Ver- überhaupt gibt. Wir wollen dieses Element des Mehr- hältniswahlrecht und Mehrheitswahlrecht, wie wir sie in heitswahlrechtes in unserem Wahlrecht nicht aufgeben, unserem deutschen Wahlrecht kennen, bringt immer sondern es im Zweifel eher etwas stärken. Außerdem ist Brüche und Schwierigkeiten mit sich. Die Tatsache, dass der Vorschlag der Grünen ein Vorschlag, der dem Prinzip jede der Oppositionsfraktionen – Linke, Grüne, SPD – der Erfolgswertgleichheit der Stimmen nicht in dem einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt hat, dass also un- Maße gerecht wird, wie es nach dem jetzigen Wahlrecht terschiedliche Gesetzentwürfe vorliegen, bestätigt, dass der Fall ist. Der Vorschlag wird auch unter föderalen Ge- es den Königsweg offensichtlich nicht gibt. sichtspunkten – das ist keine Verfassungsvorgabe – dem, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE was wir uns in einem föderalen Bundesstaat vorstellen, GRÜNEN]: Im Wahlrecht gibt es keinen Kö- eben nicht gerecht, und das möchten wir nicht akzeptie- nig!) ren. Ich räume ein, dass es kein Ruhmesblatt für die Koali- Ich möchte eine letzte Bemerkung machen. Noch ein- tionsfraktionen ist, bisher keinen eigenen Gesetzentwurf mal: Karlsruhe hat nicht die Überhangmandate als sol- vorgelegt zu haben. che für verfassungswidrig erklärt, sondern es geht um ei- nen Mangel namens negatives Stimmgewicht, der für (Beifall des Abg. Josef Philip Winkler verfassungswidrig erklärt worden ist und den wir zwei- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) fellos zu beseitigen haben. Ein Mangel! Diesen Mangel Aber auch dies zeigt, dass die Materie eine außerordent- zu beseitigen, heißt aber nicht, dass wir jetzt zu einer Ge- lich schwierige ist. neralüberholung unseres Wahlrechts kommen müssen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Mai 2011 12647

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das wäre b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ (C) aber ein guter Anlass!) CSU und FDP – Nein, das wollen Sie. Sie wollen dies jetzt zum Anlass Einrichtung einer Interparlamentarischen nehmen, um das ganze Wahlrecht sozusagen wegzuspü- Konferenz zur Gemeinsamen Außen- und Si- len. cherheitspolitik bzw. Gemeinsamen Sicher- heits- und Verteidigungspolitik der Europäi- (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Demokra- schen Union tisch zu machen!) – Drucksache 17/5903 – Wir haben hier eine etwas andere Vorstellung. Überweisungsvorschlag: Wir glauben und sind ganz überzeugt, dass wir mit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) Auswärtiger Ausschuss dem Wahlrecht, welches wir haben, einer Symbiose zwi- Verteidigungsausschuss schen dem Verhältniswahlrecht und dem Mehrheitswahl- recht, in den vergangenen 60 Jahren in Deutschland gut c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jan gefahren sind. Wir glauben im Übrigen auch, dass eine Korte, Dorothee Menzner, Dr. Barbara Höll, wei- ganz große Mehrheit in der Bevölkerung das Wahlrecht, teren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE das wir haben, für gut und richtig hält. Deswegen müs- eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur sen wir einen Mangel beseitigen, den uns Karlsruhe zu Änderung des Grundgesetzes (Gesetz zur beseitigen aufgegeben hat. grundgesetzlichen Verankerung des Ausstiegs aus der Atomenergie) Es ist wirklich mein Wunsch, dass wir das gemeinsam tun, auch gemeinsam mit der Opposition, also fraktions- – Drucksache 17/5474 – übergreifend. Beim Wahlrecht haben wir im Deutschen Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Bundestag eine lange Tradition, über die Parteigrenzen Rechtsausschuss hinweg die Kraft zu entwickeln, zu gemeinsamen Lö- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sungen zu kommen. Verteidigungsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie sich aber auch d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Roland einmal bewegen! Wir kommen nicht einfach Claus, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, zu Ihnen ins Boot!) weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Mein Wunsch und meine Bitte sind, dass wir diese Kraft (B) erneut entwickeln und dass sich jeder auch einen Ruck zu dem Vorschlag für eine Verordnung (EU) (D) gibt. Nr. …/… des Rates zur Änderung der Verord- nung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleuni- Noch einmal: Den Königsweg beim Wahlrecht gibt es gung und Klärung des Verfahrens bei einem nicht. Es wird immer nur einen Kompromiss geben. übermäßigen Defizit (Ratsdok. 14496/10) Mein Wunsch und meine Bitte sind, dass wir alle an ei- zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates nem solchen Kompromiss mitwirken. über die Anforderungen an die haushaltspoli- Danke schön. tischen Rahmen der Mitgliedstaaten (Ratsdok. 14497/10) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Eu- ropäischen Parlaments und des Rates über die Vizepräsident Eduard Oswald: wirksame Durchsetzung der haushaltspoliti- Vielen herzlichen Dank, Kollege Thomas Strobl. – schen Überwachung im Euro-Währungsgebiet Wir sind am Ende dieser Debatte. Ich schließe damit die (Ratsdok. 14498/10) Aussprache. zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Eu- Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent- ropäischen Parlaments und des Rates zur Än- würfe auf den Drucksachen 17/5895 und 17/5896 an die derung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- den Ausbau der haushaltspolitischen Über- schlagen. Andere Vorschläge liegen nicht vor. – Das ist wachung und der Überwachung und Koordi- somit so beschlossen. nierung der Wirtschaftspolitiken (Ratsdok. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 f sowie 14520/10) die Zusatzpunkte 2 a bis 2 g auf: hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 30 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- des Grundgesetzes gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Bundes-Tierärzteordnung – Drucksache 17/5904 – Überweisungsvorschlag: – Drucksache 17/5804 – Haushaltsausschuss (f) Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Verbraucherschutz (f) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union