Eine Geschichte Des Aerobics in Den USA
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„We become what we do!“ – Eine Geschichte des Aerobics in den USA Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt vorgelegt von Melanie Woitas aus Fürth Erfurt 2018 Erstes Gutachten: Prof. Dr. Jürgen Martschukat (Universität Erfurt) Zweites Gutachten: Privatdozent Dr. Olaf Stieglitz (Universität zu Köln) Datum der Promotion: 20.03.2019 urn:nbn:de:gbv:547-201900049 Inhaltsverzeichnis. Einleitung Grundlegende Begriffe 3 | Exercise Culture 4 | Sport 5 | Fitness 8 | Aerobic und aerobicizers 12 | Forschungsstand 13 | Quellen 15 | Die historische Einordnung von Oral- History-Interviews im Kontext einer Kollektivbiographie 18 | Geschlecht und dessen Bedeutung für Aerobic 24 | Methode 31 | Aufbau der Arbeit 32 Warm-up. Aerobic – eine historische, politische, gesellschaftliche und theoretische Einordnung Die 1970er Jahre – „Me Decade“ 40 | Erste Annäherungen an den Körper 42 | Das Second Feminist Movement und der Fitness-Boom 45 | Subjekttheorie, Kulturtechnik und „Doing Gender“ – Körpertheorien und -praktiken 51 | Zur Bedeutung der Historisierung von Körpern 56 | Der (weibliche) Körper und seine Funktionen rücken in den Fokus 60 | Der weibliche Körper im Zentrum der gesellschaftlichen Debatte 64 | Der aerobic body als Körperideal der 1980er Jahre 67 | Sport als Freizeitbeschäftigung für Frauen 69 | Aerobic – der bekannteste Freizeitsport für Frauen 72 Aerobics Choreography. Aerobic-Videos – eine neue Art des Sporttreibens Die Verbreitung der Aerobic-Videos und der Einzug in den privaten Haushalt 83 | Der Aufbau der Aerobic-Videotapes 92 | Zentrale Elemente in Aerobic-Videos 96 | Ein genauerer Blick in die Aerobic-Videos 98 | Die Musik in Aerobic-Videos 103 | Die Beziehung zu den Instruktor_innen 109 | Kritik an den Videos 110 | Die Schönheitsindustrie als Vorreiterin für den Sportartikelmarkt 114 | Sportmagazine für Frauen als Grundlage des Sportmarkts 121 | Fitnessmagazine für Frauen 124 | Women´s Sports and Fitness 125 | Körperideale in Fitnessmagazinen für Frauen 128 | Der Umgang mit der Vermarktung von Aerobic-Videos in den Zeitschriften 133 | Aerobic und der Einfluss auf die Entwicklung eines kommerziellen Sportmarktes 135 | Frauen rücken in den Fokus 136 | Sportstudios und health clubs als Ausgangspunkt für einen Sportmarkt 141 | Aerobic und die Umsätze nach dem Fitness-Boom 143 Floor Work. Die Selbstpositionierung der aerobicizers Zur Vorbereitung und Durchführung von Zeitzeugen-Interviews 147 | Ein tieferer Blick in die Interviews 154 | Zusätzliche Themen aus den Interviews 173 | Motivationen der aerobicizers 178 Cool Down. Schlussgedanken und Ausblick auf Aerobic seit den 1990er Jahren 1990 und dann? 187 Literatur- und Quellenverzeichnis 192 Einleitung. „In Summer 1975 when someone told me to sign up for Jacki´s Aerobic Dancing class, I grabbed a friend and enrolled. Little did I know that some 37 years later I would still be there in class, but as an Instructor. It was love at first class, totally consuming my thoughts that summer and for a long time afterward. Not only was it fun, it was social, it was healthy, and it appealed to my love for music and exercise. I had been going to a health club twice a week, doing cardio machines, swimming and weight lifting, but aerobic dancing was show biz dancing, tap dancing, ballet dancing and jazz dancing all in one, with the cardio benefit as well. My instructor asked me to attend an instructor clinic the following February (1976), and I was hooked. Jacki was there teaching new routines, we had to run on the track to prove our fitness level (12 minute test), and there were many other young women like myself (one girl called us the Old Cheerleaders) who were so excited to be 1 part of this new phenomenon.“ Karin Baker, eine leidenschaftliche Aerobic-Instruktorin und -Anhängerin der ersten Stunde, beschreibt geradezu begeistert, aus welchen Gründen sie sich Aerobic verschrieben hat. Die Musik, die tänzerischen Elemente, das Verbrennen von Kalorien, der soziale Aspekt etc. haben sie so überzeugt, dass sie nicht nur andere Trainingsarten aufgegeben, sondern ihr Hobby zum Beruf gemacht hat. Wie Karin Baker erging es vielen Mädchen und Frauen, die sich dem Phänomen Aerobic vor allem in den 1980er Jahren anschlossen, Kurse besuchten und die Videokassetten kauften. Dass Aerobic nicht in die Kategorie eines kurzzeitigen Fitness-Trends fällt, zeigt sich beispielsweise an Jane Fondas Fitness- Imperium. Kaum eine andere Person konnte so viel Kapital aus der Fitness-Bewegung der 1980er Jahre schlagen wie sie. Wer vor dem heimischen Fernsehgerät Aerobic trainieren wollte, der kam offenbar an Jane Fonda nicht vorbei. Hinzu kommt, dass Aerobic einen enormen Anteil an der Herausbildung des Fitness-Begriffs hatte, der auch heute noch 1 Karin Baker (2015): Persönliches Interview, geführt von der Verfasserin, Washington, D.C., 15.05.2015. 1 Gültigkeit besitzt. Zudem stellte Aerobic wie kein zweiter Breitensport das zeitgenössische 2 weibliche Körperideal in Frage und versuchte, es neu zu definieren. In der vorliegenden Arbeit soll die Betrachtung von Aerobic und die damit verbundene Analyse von normativen Körpern, Definitionen, von beispielsweise Schönheit, sowie die Bedeutung des Sports für US-amerikanische Frauen in den 1980er Jahren im Lichte einer kombinierten Women’s und Feminist History stattfinden. So wird es möglich, nicht nur die Rolle von Jane Fonda und anderen Akteurinnen zu erfassen, sondern auch den Frauen gerecht zu werden, die Aerobic in den Sportstudios oder zu Hause mittels der Videos praktiziert haben. Dabei sollen jedoch nicht nur Definitionen problematisiert werden, die durch Aerobic herausgefordert, verändert und teilweise bestätigt wurden. Es geht vielmehr um das Nachzeichnen der Geschichte von Aerobic als System von Normierungen, kollektiven und individuellen Handlungsformen. Aerobic, als eine gesellschaftliche und gleichzeitig individuelle Praxis, diente dazu, sich normativen Vorgaben anzupassen oder sich ihnen zu widersetzen. Diese Ambivalenzen sollen herausgestellt und genau analysiert werden, um die Bedeutung von Aerobic für die amerikanische Gesellschaft in den 1980er Jahren präzisieren zu können. Aerobic, ein Breitensport, der sich Ende der 1970er Jahre allmählich als Training überwiegend für Frauen etablierte und in der Mitte der 1980er Jahre seinen Höhepunkt erreichte, ist aus vielerlei Sicht ein lohnenswerter und in der bisherigen historischen Forschung vernachlässigter Untersuchungsgegenstand. Um einer genauen Erläuterung von Aerobic und der nachgezeichneten Entwicklung nicht vorzugreifen, die im anschließenden Kapitel erfolgen werden, sei an dieser Stelle nur so viel gesagt, dass die Evolution von einem männlichen Elitetraining hin zu einem weiblichen Breitensport nur eine der spannenden Facetten ist. Mich beschäftigt, wie dieser Wechsel vonstattengehen konnte, was in der Zeit dieses Wandels passierte und welche Rückschlüsse sich daraus auf die amerikanische Gesellschaft der 1980er Jahre ziehen lassen. Wie kam es überhaupt dazu, dass Aerobic so populär werden konnte? Wie zu zeigen sein wird, hatte Aerobic einen 2 Breitensport meint im Kontext dieser Arbeit eine sportliche Betätigung, die zum Vergnügen betrieben wird und sich dadurch deutlich von einem wettkampforientierten Leistungssport abgrenzt. Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Dem Sportwissenschaftler Christian Wopp zufolge sei Breitensport ein „Sport für alle“. Dieser Ansicht liegen zwei unterschiedliche Auslegungsarten zugrunde. Auf der einen Seite kann Breitensport als Massensport verstanden werden, da er viele Menschen unterschiedlichen Geschlechts, Alters etc. zusammenbringt. Auf der anderen Seite kann Breitensport als Synonym für Amateursport verwendet werden. Er wird nicht professionell betrieben, obwohl Wettkämpfe nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. Unter diese Definition fällt auch Aerobic, denn es ist ein Sport, zu dem Menschen in Kursen und per Video zu Hause Zugang haben. Außerdem ist Aerobic ein Amateursport, für den regionale und überregionale Wettkämpfe angesetzt sind. Siehe dazu: Wopp, Christian: Handbuch zur Trendforschung im Sport. Welchen Sport treiben wir morgen?, Aachen, 2005. 2 größeren Einfluss auf die amerikanische Gesellschaft, ökonomische Entwicklungen und soziale Bewegungen, als sich im ersten Moment vermuten lässt. Die Bedeutung, die dem Phänomen Aerobic bereits in den 1980er Jahren, jedoch auch retrospektiv beigemessen wurde, spiegelt auch ein neues Geschichtsbewusstsein wider. Seit den 1990er Jahren wurde die Geschichtswissenschaft kulturhistorisch erweitert, was dazu führte, dass neuen Fragestellungen und Ansätzen nachgegangen wurde. Beispielsweise rückte die Rolle des gesellschaftlichen Wandels für die kollektive und individuelle Lebensführung in den Fokus, um unter anderem Machverhältnissen nachzuspüren.3 Was manchen Historikerinnern und Historikern nicht historisch genug und zu soziologisch anmutet, birgt jedoch großes Potential für die eigene Arbeit. Der Historiker Sven Reichardt erklärt dazu plausibel, wie gewinnbringend die Anwendung soziologischer und vermeintlich ahistorischer Theorie sein könne. Am Beispiel des Habitus-Begriffs, der auch im aeroben Kontext verwendet werden kann, zeigt er anschaulich, wie eine genaue Analyse der Sinn- und Deutungsmuster einer Gesellschaft dazu führen kann, „Möglichkeiten des Handelns in der Geschichte aus[zu]loten“4. Möglichkeiten beziehen sich vor allem auf (symbolische) Machtverhältnisse, die durch habituell geprägte Akteure,