Die Verbildlichung der Frau in den Werken Roy Lichtensteins

D i p l o m a r b e i t

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

A n n a – M a r i a K R E N N

am Institut für Kunstgeschichte Begutachterin Frau ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Margit Stadlober

Graz, 2011

Inhaltsverzeichnis

Danksagung ...... 4

1 Einleitung ...... 5

2 Literatur zum Thema ...... 6

3 ...... 11 3.1 Vorläufer der Pop Art ...... 11 3.2 Britische Pop Art ...... 13 3.3 Amerikanische Pop Art ...... 16 3.3.1 Kunst und Gesellschaft ...... 16 3.3.2 Die vier Phasen der amerikanischen Pop Art ...... 18 3.3.3 Entwicklung der New Yorker Pop Art ...... 19 3.3.4 Lichtenstein und die Pop Art ...... 26

4 – Leben und Werk ...... 28 4.1 Kindheit und Ausbildung ...... 28 4.2 Erste Arbeiten und Ausstellungen ...... 30 4.3 Pop Art und internationaler Erfolg ...... 31

5 Lichtenstein und die Comics ...... 35 5.1 Kurze Geschichte des Comics ...... 35 5.2 Lichtensteins Eintwicklung zu Comic-Strip-Motiven und Motiven aus der Werbung ...... 36 5.3 Lichtensteins Comic-Vorlagen: Triviale Massenmedien ...... 41 5.4 Die Motive ...... 43 5.5 Die Benday dots ...... 44 5.6 Die Farben ...... 46 5.7 Die Bewegung ...... 47 5.8 Die Sprechblasen ...... 48 5.9 Die Formate ...... 49

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6 Die Parodie in den Werken Roy Lichtensteins ...... 50

7 Der zeitgeschichtliche Kontext und Frauenbilder in den Massenmedien ...... 51 7.1 Betty Friedan ...... 51 7.2 Frauen im Amerika der sechziger Jahre ...... 52 7.2.1 Frauenbewegungen ...... 56 7.3 Das Frauenbild in der Werbung ...... 60 7.4 Pin-up's ...... 63

8 Frauenbilder in der Pop Art ...... 64 8.1 Fauenbilder bei Tom Wesselmann ...... 64 8.2 Frauenbilder bei Mel Ramos ...... 65 8.3 Frauenbilder bei ...... 66 8.4 Frauenbilder bei Allen Jones ...... 68

9 Die Verbildlichung der Frau in den Werken Roy Lichtensteins ...... 69

10 Bildbeispiele ...... 73 10.1 Step-On Can With Leg, 1961 ...... 73 10.2 The Refrigerator, 1962 ...... 74 10.3 , 1961 ...... 76 10.4 , 1963 ...... 78 10.5 We Rose Up Slowly, 1964 ...... 81

11 Resumee ...... 83

12 Literaturverzeichnis ...... 84

13 Abbildungsverzeichnis ...... 88

14 Abbildungen ...... 94

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Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benützt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

18. 3. 2011______

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Danksagung

Mein herzlicher Dank ergeht an meine Betreuerin und Begutachterin der Diplomarbeit, Frau ao. Univ.-Prof. Dr. Margit Stadlober, die mir während des Verfassens der Arbeit immer mit Rat und fachlicher Kompetenz zur Seite stand. Besonders hervorheben möchte ich, dass Sie sofort bereit war mein Thema anzunehmen, dass sie sich stets für meine Fragen und Anliegen Zeit genommen hat und mich mit ihrer Zuversicht in meinem Tun bestärkte. Für die uneingeschränkte Unterstützung möchte ich mich bei meiner Familie, besonders bei meiner Mutter und bei unserem langjährigen Freund der Familie Dr. Bernd Srabotnik bedanken. Die Arbeit habe ich auch in besonderem Gedenken an meinen allzu früh verstorbenen Vater verfasst.

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1 Einleitung

Ausschlaggebend für die Wahl meiner Diplomarbeit war der Besuch des Museums Ludwig in Köln, welches ja bekanntlich eine ausgezeichnete Sammlung von Pop Art Werken beheimatet, im Sommersemester 2008, im Zuge der Exkursion ins Rheinland. Die Strahlkraft der reinen, kaum gemischten Farben, die starke Emotion der Bilder in einem so mechanischen und verfremdeten Stil faszinierten mich und machten mich neugierig, tiefer in diese Kunstrichtung, besonders aber in das Œuvre Roy Lichtensteins einzutauchen. Was hinter den schönen Gesichtern der dargestellten Frauen steckt, was uns noch heute so daran fasziniert und vor allem wie Lichtenstein überhaupt dazu kam, Motive aus Comics und der Werbung auf seine so unverwechselbare Art zu verarbeiten, sind die zentralen Fragen, welchen ich in meiner Arbeit nachgehen und versuchen möchte zu beantworten. Eingangs der Arbeit sollen der Leserin bzw. dem Leser die Grundlagen der Pop Art näher gebracht werden, wobei ich auf ihre Vorläufer, auf die britische und die amerikanische Richtung näher eingehen möchte. . In weiteren Kapiteln werde ich auf das Leben und das Werk Roy Lichtensteins eingehen und seinen künstlerischen Bezug zu den Comic-Strips erörtern. Schließlich folgt der Schwerpunkt meiner Arbeit: die Frau in der Gesellschaft der sechziger Jahre und ihre Darstellung in der Kunst. Das vorletzte Kapitel widmet sich dem Titelthema meiner Arbeit der Verbildlichung der Frau in den Werken Lichtensteins, welches im letzten Kapitel schließlich anhand von Bildbeispielen erörtert wird. Den Abschluss meiner Arbeit bildet ein umfangreicher Abbildungsteil.

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2 Literatur zum Thema

Basis für meine Arbeit sind besonders die im Folgenden genannten Publikationen. Zum Thema Pop Art bietet Tilman Osterwold1 einen tiefgreifenden Einblick in die Pop Art Amerikas und Europas. Dabei werden die Ursprünge dieser Kunstgattung ebenso beleuchtet wie die Einflüsse der Massenmedien. Osterworld zeigt wichtige Vorbilder, Einflüsse und Quellen auf; die Entwicklung der Pop Art in England, Europa und Amerika wird jeweils separat betrachtet, und die LeserInnen bekommen hier ebenfalls eine gute Einführung zu den beteiligten Künstlern. Besonders hilfreich ist die Darstellung der wichtigsten Vertreter und ihrer kurzen Biographien sowie die große Anzahl der Bilder. Auch Marco Livingstone2 zeigt einen guten Überblick der Pop Art in seinem Buch, welches anlässlich der Retrospektive “Die Pop Art Show” im Museum Ludwig in Köln 1992 erschien. Es präsentiert die wichtigsten Vertreter der Pop Art in Amerika und England, aber befasst sich darüber hinaus auch mit der Pop Art nahestehenden zeitgenössischen Erscheinungen: dem Nouveau Réalisme, Fluxus und der Kunstentwicklung in Deutschland. Weiters zeigt es, welch weitreichende Auswirkungen diese neue Kunst mit ihrer Neudefinition des Kunstwerks bis heute auf die internationale Kunstszene hat. Lucy R. Lippard3 befasste sich als eine der ersten mit Pop Art. Ihre Publikation enthält Beiträge von drei verschiedenen Autoren und die Herausgeberin selbst macht schon zu Beginn klar, dass ein einzelner mit einer damals neuen Bewegung, die sich so vielfacher Ursprünge rühmen kann wie Pop Art, nicht eng genug vertraut sein kann. Die Ansichten der verschiedenen Autoren widersprechen sich oft, und die Herausgeberin betont, dass auch kein Versuch unternommen wurde, sie in Einklang zu bringen - eine solche Vielfalt der Standpunkte der Darstellung sogar förderlich wäre. Thomas Crows4 umfassende Analysen und seine prägnaten Schlussfolgerungen, besonders überzeugend wegen seiner Professur für Kunstgeschichte an der Yale University, führen den Leser hinter die Kulissen des Kunstbetriebs und verdeutlichen

1 Tilman Osterwolt, Pop Art, Köln 2003. 2 Marco Livingstone (Hg.), Pop Art, Ausst.-Kat. Köln (Museum Ludwig Köln), München 1992. 3 Lucy R. Lippard, Pop Art, München-Zürich 1968. 4 Thomas Crow, Die Kunst der sechziger Jahre.Von der Pop-art zu Yves Klein und Joseph Beuys, Köln 1997.

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den neuartigen Charakter und politischen Impetus dieser Kunst. Der mittlerweile unübersehbare Widerspruch aggressiver Komponenten in den Werken der Künstler und von Künstlern, die als etablierte Vertreter ihrer Gesellschaften fungieren, wurzelt in der Zeit von 1955 bis 1969, er ist Bestandteil ihrer Kunst und bildet letztendlich das zentrale Thema dieses Buches. Der Katalog zur Ausstellung »Warhol Wool Newman. Painting Real/Screening Real. Conner Lockhart Warhol«5 im Grazer Kunsthaus wirft, aus dem Blickwinkel von Christopher Wool und Sharon Lockhart, einen Blick auf das Werk von deren Vorläufern und Wegbereitern. Dreh- und Angelpunkt bei dieser Betrachtung ist Andy Warhol, der das Medium der Malerei revolutioniert und auch für die Entwicklung des Films einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Sein künstlerisches Schaffen reflektiert dabei sowohl Barnett Newmans Zugang zur Materialität des Bildes als auch das Spiel mit der scheinbaren Realität von Medienbildern, wie wir es schon bei Bruce Conner beobachten können. Die Publikation bietet ein umfangreiches und komplexes Panorama von kunsthistorischen Bezügen bis hin zu zeithistorisch-politischen Analysen. Auf vielfältige Art und Weise werden Affinitäten und Gegensätze innerhalb der Beziehungen, der Inhalte und Formensprachen der fünf Positionen untersucht. So enthält der Katalog neben Abbildungen der ausgestellten Gemälde und der gezeigten Filme Textbeiträge von Giuliana Bruno, Achim Hochdörfer/Wolfram Pichler, Christian Höller, Hans Dieter Huber, Peter Pakesch, Ferdinand Schmatz, Marc Siegel und Ian White.

Zum Thema Roy Lichtenstein waren nachstehende Publikationen ein wichtiger Anhaltspunkt: Heidemarie Unterer6 versuchte in ihrer Hochschulschrift Roy Lichtensteins Schaffen durch die Lupe der Reaktionen von Presse und Publikationen anhand seiner Ausstellungen zu betrachten und davon ausgehend zu bewerten. Im Vordergrund steht das Leben und Werk des Künstlers, was sie zeitlich einordnet, aufzeigt und mit Bildmaterial begleitet. Weiters versuchte sie die amerikanische Pop Art in ihren Grundzügen zu erfassen und Roy Lichtenstein in ihren Kontext zu setzten. Einen großen Teil widmete sie ausschließlich dem Presseecho und den Reaktionen der

5 Peter Pakesch (Hg.), Warhol Wool Newman. Painting Real/Screening Real. Conner Lockhart Warhol, Ausst.-Kat. Graz (Kunsthaus Graz/Universalmuseum Joanneum) 2009 6 Heidemarie Unterer, Amerikanische Pop Art. Ihre Aktualität im deutschsprachigen Raum am Beispiel Roy Lichtenstein und seine Rezeption in der Kunstpresse, phil. Dipl. Innsbruck 2003.

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Kunstkritik auf die Einzelausstellungen in Museen und Galerien im Zeitraum zwischen 1968 und 2003, wobei sie sich geografisch hauptsächlich auf den deutschsprachigen Raum, d.h. Deutschland, Schweiz und Österreich, beschränkte.

Eva Wattolik7 versuchte die Fragen zu beantworten, wie die Komik im Frühwerk Roy Lichtensteins entsteht, und ob man gar von parodistischen Mitteln sprechen kann. Ihre Arbeit spürt den Aspekten der Parodie in Lichtensteins Comic-Gemälden nach. Dabei wird dem Künstler keine bewusste Auseinandersetzung mit dem Begriff der Parodie unterstellt, vielmehr werden strukturelle Analogien zwischen einem theoretischen Modell, das in dieser Publikation erarbeitet wird, und der hier untersuchten Werkphase Lichtensteins aufgezeigt. Der Transfer des Begriffes aus der Literaturwissenschaft in die Kunstwissenschaft eröffnet dabei nicht nur einen neuen Blick auf das Schaffen Lichtensteins, sondern generell einen neuen Zugang zum Verständnis von Bildwerken. Grundlagen der Untersuchungen sind Überlegungen zum Begriff der Parodie. Ausgehend von überwiegend literaturwissenschaftlichen Forschungsbeiträgen wird ein Modell zur Parodie erarbeitet, das rezeptionstheoretische Fragen fokussiert und auf die Besprechung von Bildern erweitert wird. In den beiden Hauptteilen “Forschungsstand” und “Begriff der Parodie” werden die frühen Comic-Gemälde mit Hilfe der vorher erarbeiteten Kriterien in einen Sinneszusammenhang gestellt. Im vierten Kapitel geht es zunächst darum, die grundlegenden Komponenten der parodistischen Dynamik festzulegen. Die Aufmerksamkeit liegt zum einen auf der materiellen und konzeptionellen Beschaffenheit der Kunstwerke, zum anderen auf deren Rezeptionsbedingungen Anfang der 1960er Jahre in den USA. Während der Schwerpunkt im vierten Kapitel bei der Analyse der damaligen Rezeptionsbedingungen liegt, steht im fünften das Werk selbst im Mittelpunkt der Fragestellung. Exemplarisch werden die Gemälde Drowning Girl und Whaam! von 1963 betrachtet und in Bezug zu deren Comic- Vorlagen gestellt.

7 Eva Wattolik, Die Parodie im Frühwerk Roy Lichtensteins. Comic-Gemälde von 1961 bis 1964, Weimar 2005.

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Zum Thema der Frauenbilder in der amerikanischen Pop Art war Nana Tiedkes8 Publikation ein wichtiger Anhaltspunkt. Sie untersucht die individuelle Formensprache und Stilisierung, mit der die vier Pop Art-Künstler Tom Wesselmann, Mel Ramos, Roy Lichtenstein und Andy Warhol unterschiedliche Frauentypen und ihre Rollen darstellen, eingebettet in den zeitgeschichtlichen Kontext. Sie zeigt zunächst auf, wie Frauen im Amerika der 1960er Jahre in der Öffentlichkeit, d.h. in den Printmedien, in der Werbung und in der Pin-up-Fotografie dargestellt wurden, da diese wichtige Bezugsquellen für die Pop Art-Künstler darstellen. In einem Diskurs geht sie weiters auf die Fragestellungen der kunsthistorischen Frauenforschung ein. Vor diesem Hintergrund analysiert sie anschließend die Frauenbilder der einzelnen Künstlerpersönlichkeiten und ihre jeweilige Pop-Ikonografie anhand ausgewählter Bildbeispiele.

Auch einige Ausstellungen widmeten sich Roy Lichtenstein: Begleitend zur Ausstellung »Roy Lichtenstein. Klassik des Neuen«9 im Kunsthaus Bregenz erschien der Katalog mit dem gleichnamigen Titel, herausgegeben von Direktor Eckhard Schneider, welcher in enger Zusammenarbeit mit Jack Coward und der Roy Lichtenstein Foundation dieses Werk zusammengestellt hat. Dabei werden die drei großen Themenblöcke der Ausstellung aufgegriffen: die frühen Schwarz- Weiß-Werke der sechziger Jahre, die Frauenbilder der sechziger bis achziger Jahre und die späten großflächigen Interieur-Werke. Das Buch zeichnet sich durch seine hervorragende Druckqualität aus und beinhaltet diverse ausklappbare Seiten mit grossformatigen Bildern. Daneben bietet es eine ausführliche Biografie zum Künstler und ist als Hardcover-Ausgabe sowohl auf Deutsch, als auch auf Englisch, erhältlich.

Die ganze Bandbreite von Lichtensteins Oeuvre zeigt der Bildband von Diane Waldman10, der mit seiner Auswahl auf der berühmten zweiten Retrospektive des Künstlers im New Yorker Guggenheim Museum von 1993 basiert. Gezeigt werden Lichtensteins Comic-Experimente der Frühzeit ebenso wie die schöpferische

8 Nana Tiedtke, Frauenbilder der amerikanischen Pop Art. Eine Studie an ausgewählten Werken von Tom Wesselmann, Mel Ramos, Andy Warhol und Roy Lichtenstein, Saarbrücken 2008 9 Eckhard Schneider (Hg.), Roy Lichtenstein. Klassik des Neuen, Ausst.-Kat. Bregenz (Kunsthaus Bregenz) Köln 2005

10 Diane Waldman (Hg.), Roy Lichtenstein, Ausst.-Kat. New York (Solomon R. Guggenheim Museum New York), Stuttgart 1994

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Hochphase der , Mirrors und Stillleben in den Sechzigern und Siebzigern, aber auch die Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Abstrakten Expressionismus und seinen europäischen Vorläufern, namentlich mit Picasso, Cézanne, Magritte, Dalí, Jawlenski, Max Ernst oder Otto Dix. Der Abkehr vom Geometrischen hin zu fließenden Linien in den achtziger Jahren wird ebenso Aufmerksamkeit gewidmet wie den Interieurs des Spätwerks und den gelungenen, gänzlich eigenständigen Versuchen mit der (bemalten) Skulptur.

Der Katalog herausgegeben von Isabelle Dervaux erschien anlässlich der Ausstellung »Roy Lichtenstein. Black & White 1961-1968«11 in der Albertina, Wien. Der Künstler schuf zwischen 1961 und 1968 rund 50 großformatige, genau ausgearbeitete Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die einen der bedeutendsten Beiträge der Pop-Art zur Geschichte der zeitgenössischen Zeichnung darstellen. Die Zeichnungen entstanden als eigenständige Arbeiten, die sich kitschige Illustrationen aus Verpackungen, Anzeigen oder Comics aneigneten, und sie in Werke von erstaunlicher visueller Kraft verwandelten, die an die klare Ästhetik der geometrischen Abstraktionen in den 1960er-Jahre anknüpfen. Die Publikation präsentiert Lichtensteins Zeichnungen als Gruppe, neue Forschungsansätze zu Lichtensteins früher Pop-Art und Material zu einem bisher wenig bekannten Projekt von 1967, bei dem der Künstler einen Raum in Aspen in eine schwarz-weiße Comiczeichnung verwandelte.

11 Isabelle Dervaux (Hg.), Roy Lichtenstein. Black & White 1961-1968, Ausst.-Kat. Wien (Albertina Wien), Stuttgart 2011

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3 Pop Art

3.1 Vorläufer der Pop Art

Pop Art weist laut Lóránd Hegyi “zutiefst europäische Wurzeln” auf, insofern, als sie in ihrer Ausführung auf die Wiederentdeckung und Anwendung der “dadaistischen Collage-Technik” zurückgreift.12 Lucy Lippard sah die “kubistische Collage als Samen für Pop” ikonografisch als Vorläufer für die Thematik der Pop Art. Sie betont jedoch, es wäre – zumindest für England und die USA – falsch, das Aufkommen von Pop ausschließlich historischen Einflüssen zuzuschreiben, der Anstoss wäre zeitgenössisch, genau wie ihr Stil. Die Autorin zitiert in diesem Zusammenhang auch John Coplans, welcher “ganz mit Recht” äußerte, dass Pop-Bilder ihre Kraft “zu einem beträchtlichen Maß von der Tatsache herleiten, daß sie im Grunde genommen keine Verbindung mit einer europäischen Tradition haben.”13 Trotz einiger Verbindungen zu Künstlern in Europa wäre das “voll entwickelte Pop-Idiom” speziell amerikanisch und besonders typische für New York und Los Angeles.14 In der Theorie wären laut Lippard die Ideen von zwei europäischen Künstlern die gültigsten Prototypen der Pop Art: Fernand Léger und Marcel Duchamp. Auch wenn sie die jüngeren Künstler nicht direkt beeinflusst haben, “so halfen sie doch mit, das ästhetische Klima zu schaffen, in dem Pop möglich wurde.”15 Marcel Duchamp, der sich in New York niedergelassen hatte, Francis Picabia und Man Ray waren die Initiatoren der New Yorker Dada-Bewegung, welche seit 1915 den herkömmlichen Kunstbegriff in Frage stellte und “den Affront, den Schock” thematisierte. “Zweifel an der Kunst bedeutete auch Zweifel an ihren Formen und Inhalten, ihrer gängigen Rezeption und an den Schönheits- und Wahrheitsbegriffen”16, wie es Osterwold beschreibt. Für die Ausstellung der »Independence« 1917 stellte Duchamp ein Keramikurinoir (Abb. 1) zur Verfügung, welches er mit dem Pseudonym Richard Mutt signierte und dazu äußerte:

12 Lóránd Hegyi, Die Welt der Pop Art. Provokationen des Alltags oder Triumph des Realen , in: Die Macht der Dinge. Pop Art, Nouveau Réalisme, Hyperrealismus, Ausst. d. Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig (Stadtgalerie Klagenfurt), Klagenfurt 2001, S. 9. 13 John Coplans in: Artforum, Los Angeles, Oktober 1963 zit in: Lippard 1968, S. 10. 14 Lippard 1968, S. 10. 15 Lippard 1968, S. 13. 16 Osterwold 2003, S. 132.

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“Ob der Mutt die Fontäne mit eigenen Händen machte oder nicht, hat keinerlei Bedeutung. Er wählte sie aus. Er nahm einen gewöhnlichen Haushaltsgegenstand und stellte ihn so auf, daß sein Gebrauchszweck hinter einem neuen Titel und Gesichtspunkt verschwand, und schuf so einen neuen Sinn für dieses Objekt. Von Klempnerei zu sprechen ist absurd. Die einzigen Kunstwerke, die Amerika hervorbrachte, sind seine sanitären Anlagen und seine Brücken.”17

Duchamp ging es nicht so sehr um den ästhetischen Reiz oder die Analyse dieser banalen Ästhetik der Produkte, sondern sie dienten ihm als Mittel zum Zweck, zur Demonstration kultureller Konflikte zwischen den “brisanten sozialen Problemfeldern der Gesellschaft und ihrem künstlerisch gesättigten Establishment. Der Eingriff in die hierarchischen Strukturen von Kunst- und Dingwelt führte vom Konfrontationseffekt Duchamps zu einem künstlerischen Prinzip der Pop Art, wo der Warenalltag die Regie führt und die Maschine zum künstlerischen Sprachmittel wird.”18 Viele seiner Erben haben diese Richtung bis zur letzten Konsequenz fortgeführt, obwohl sich Duchamp selbst nicht daran beteiligte. Ein Beispiel dafür ist Duchamps Ready-Made-Objekt Pliant de Voyage (Reise-Falt) (Abb. 2) aus dem Jahr 1917, von dem das Original, wie die meisten Ready-Mades von Duchamp, verlorengegegangen ist. Der Künstler jedoch hat sie von Zeit zu Zeit durch neue Objekte ersetzt und der Mailänder Galerie Schwarz gestattet, sie in kleiner Auflage zu reproduzieren. Hierin ähnelt Duchamp den Massenproduktionsprinzipien von Andy Warhol. Claes Oldenburg zitierte das Objekt in Soft Typewriter im Jahr 1963 (Abb. 3).19 Auf Légers Darstellungsweise einer unpersönlichen Emotionalität hat sich die künstlerische Konsequenz Lichtensteins, bis hin zu direkten Bildübertragungen nach Motiven Lègers, bezogen. (Le Tronc d'Arbre sur Fond Jaune, 1945, Abb. 5; Takka Takka, 1962, Abb. 6). Er machte Andeutungen über eine Technik, die uns bei Lichtenstein vertraut werden wird: “Den Gegenstand oder das Fragment eines Gegenstandes isolieren und auf der Leinwand in Großaufnahme im größtmöglichen Format darstellen. Enorme Vergrößerung verleiht einem Objekt oder Fragment eine Persönlichkeit, wie es sie niemals vorher besessen hat, und auf diese Weise kann es zum Träger einer völlig neuen lyrischen und plastischen Kraft werden.”20

17 Duchamp zit. in: Osterwold 2003, S. 132. 18 Osterwold 2003, S. 132. 19 Lippard 1968, S. 15ff. 20 Léger zit. in: Lippard 1968, S. 18.

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Der Dada-Künstler Kurt Schwitters schuf 1947 mit der Collage For Käte (Abb. 4), wo er erstmalig den Comic in die Komposition einbezog, eine der bekanntesten künstlerischen Inkunabeln für die Pop Art. Er experimentierte schon vor 1920 mit Collagen und Assemblagen, kombinierte Fahrkarten, Werbesprüche, Fotos, Buchstaben, Zeitschriften- und Zeitungsausschnitte und anderes Material zu Bildern und Reliefs, die “die Aufdringlichkeit der gefundenen Alltagsobjekte in die Intimität einer kubistischen Komposition zurückführten.”21 Osterwold erwähnt als eine weitere Keimzelle der Pop Art die europäische Malerei der zwanziger und dreißiger Jahre, mit den Hauptvertretern Otto Dix, George Grosz und Christian Schad, sowie die Surrealisten Max Ernst, René Magritte, Henri Matisse, , Paul Klee und Fernand Lèger, die großen Vertreter der klassischen Moderne, die auf Künstler der Pop Art einen besonderen Einfluss ausübten.22

3.2 Britische Pop Art

Die Pop Art hat zwei voneinander unabhängige Keimzellen in Amerika und England. Die frühen 1950er Jahre waren in England von einer introvertierten, expressiven wie auch figural-abstrakten Kunst geprägt. Der wirtschaftliche Aufschwung kam nur langsam in Gang. Man blickte voll Neid und Bewunderung auf das wohlhabende Amerika, ohne die Zeichen des Wertewandels zu erkennen. Nur einige wenige Künstler und Intellektuelle nahmen auch die kulturellen Veränderungen wahr, die mit der Amerikanisierung der westeuropäischen Gesellschaft einhergingen.23 Laut setzte in England 1949-51 ein “erster starker Trend zur Pop Art” ein, zur gleichen Zeit als Francis Bacon in seine Gemälde Fotografien einzubauen begann. In einigen seiner Bilder übernahm er Elemente aus dem Bereich der Massenmedien, wobei er sich insofern von deren Verarbeitung durch frühere Maler unterscheidet, als dass bei ihm eben “jenes Erkennen der fotografischen Herkunft des Bildes” zentrale Intention ist.24 “Die Verwendung fotografischen Ausgangsmaterials, seine direkte Übernahme und teilweise Umwandlung” sind für

21 Osterwold 2003, S. 136ff. 22 Osterwold 2003, S. 139ff. 23 Hajo Düchting, Wie erkenne ich? Die Kunst der Pop Art, Stuttgart 2009, S. 18. 24 Lawrence Alloway, Die Entwicklung von Pop in England, in: Lippard 1968, S. 28f.

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die spätere Entwicklung der Pop Art von Bedeutung.25

Die Independent Group (IG), eine Gruppe von Künstlern, Architekten, Kritikern, Fotografen, Designern am Londoner Institute of Contemporary Art (ICA), unter ihnen Eduardo Paolozzi, Richard Hamilton, Lawrence Alloway, Alison und Peter Smithson, fand sich im Winter 1954/55 zusammen, um aktuelle Fragen der “Volkskultur” zu erörtern. Alloway erinnert sich: “Gesprächsthema war die massenproduzierte städtische Kultur: Film, Reklame, Science Fiction, Pop-Musik. Im Gegensatz zu den meisten Intellektuellen lehnten wir diese Kultur nicht ab, sondern akzeptierten sie als eine Tatsache, diskutierten darüber in allen Einzelheiten und konsumierten sie begeistert.”26 Das Ergebnis war, dass sie die Pop-Kultur nicht mehr als “Eskapismus, bloße Unterhaltung oder Entspannung”, sondern als ernst zu nehmende Kunstform behandelten und in Veranstaltungen und Ausstellungen vorstellten.27 Deren bahnbrechendste »This is Tomorrow« wurde 1956 in der Londoner Whitechapel Art Gallery abgehalten und setzte sich eigentlich aus zwölf Einzelausstellungen zusammen. Es ginge, schrieb Richard Hamilton im Katalog zur Ausstellung, nicht um neue Bildwelten, nicht um eine neue Ikonografie, sondern um “den gegewärtigen Bestand visueller Erfahrungen und die Entwicklung unserer Wahrnehmungsfähigkeiten, um das immer reichhaltigere Material aufnehmen und nutzen zu können”.28 Der Wirklichkeit wollte man im Sinne erweiterter Wahrnehmung alle ihre Bilder abnehmen – im Kino, in der Werbung, in der Unterhaltung, in Comics und Science-fiction wie in der Kunst, bei Duchamp oder van Gogh. “Für mich”, notierte Hamilton, “war es weniger eine Frage, Kunstformen zu finden, als Werte zu prüfen. Wir widersetzen uns denen, die sich in erster Linie damit beschäftigen, einen neuen Stil zu kreieren. Wir lehnen die Meinung ab, dass 'Morgen' durch die Aufstellung steifer Formbegriffe ausgedrückt werden könne. 'Morgen' kann die Reichweite unserer heutigen visuellen Erfahrungen lediglich erweitern.”29

25 Lawrence Alloway, Die Entwicklung von Pop in England, in: Lippard 1968, S. 28f. 26 Alloway 1968, S. 32. 27 Alloway 1968, S. 32. 28 Uwe M. Schneede, Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert, München 2001, S. 192. 29 Hamilton zit. in: Düchting 2009, S. 21.

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Hamiltons Plakatentwurf zu dieser Ausstellung trägt den Titel Just what is it that makes today's homes do different, so appealing? (Abb.7) und gilt heute als Pionierleistung der Pop Art. Die aus populären Zeitschriften ausgeschnittene Collage aus dem Jahr 1956 ist ein satirischer Seitenhieb auf die amerikanische Wohn- und Körperkultur. Sie fasst das ikonografische Material der Pop Art programmhaft zusammen und enthält alle Aspekte des 'modern american way of life': Medienwirklichkeit, Körperkultur, Schönheitsideal und neue Technologien inmitten des modern gestylten Wohnzimmers.30

Es war auch Hamilton, der bereits 1957 formulierte, was die britische Pop Art sein sollte: “Popular (designed for a mass audience), Transient (shortterm solution), Expendable (easily forgotten), Low cost, Mass produced, Young (aimed at youth), Witty, Sexy, Gimmicky, Glamorous, Big Business” / “Populär (geschaffen für ein Massenpublikum), vergänglich (kurzfristige Lösung), konsumierbar (leicht vergessen), billig, massenproduziert, jung (die Jugend im Blick), witzig, sexy, trickreich, glamourös, großes Geschäft”.31 Damit waren manche großen Eigenschaften, die man der Kunst immer noch zugesprochen hatte, verabschiedet: das Kostbare und Elitäre, der Ewigkeitsanspruch, der Ernst und das antikommerzielle Denken, die Vorstellung vom unverwechselbaren Einzelwerk. Was Hamilton charakterisierte, schien eher ein zeittypischer Konsumartikel als ein Kunstwerk: das Kunstwerk als Gebrauchsgegenstand.32 Eduardo Paolozzi, der in Großbritannien aufgewachsene gebürtige Italiener, hatte bereits in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre massenhaft verbreitete images aus vorrangig amerikanischen Magazinen aller Art entnommen und collagiert, unmittelbar beeinflusst von dadaistischen Collagen, die er zwischen 1947 und 1949 in Paris kennengelernt hatte. Im Zentrum seines Interesses standen Hollywood-Stars, Konsumgegenstände, Pin-ups, Popularwissenschaften und die Welt der Technik. Alle diese Images stehen für den amerikanischen Lebensstandard, sie bilden die weitverbreiteten Sehnsüchte der Zeit nach Konsum, Sex, Schönheit, Vergnügen, Wohlstand ab, kurz: nach Amerikanisierung. In seiner Collage I was a Rich Man's Plaything (Abb. 8) von 1947 taucht erstenmals der Begriff Pop auf.33

30 Jürgen Tesch (Hg.), Kunst! Das 20. Jahrhundert, 2. Aufl., München-New York 1999, S. 136. 31 Schneede 2001, S. 192f. 32 Schneede 2001, S. 192f. 33 Schneede 2001, S. 192f.

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3.3 Amerikanische Pop Art

“(Pop Art) ist gewiß eines der Dinge, von denen ich glaube, daß sie zu den frechsten und erschreckendsten Charakteristika unserer Kultur gehören, Dinge, die wir hassen, die aber doch einen starken Einfluß auf uns haben...Außen ist die Welt; sie existiert. Pop Art sieht hinaus in die Welt, sie scheint ihre Umgebung zu akzeptieren, die nicht gut oder schlecht ist, aber anders – eine andere geistige Haltung.”34

3.3.1 Kunst und Gesellschaft

Pop Art leitet sich ab von popular was 'populär, volkstümlich, weitverbreitet, beliebt' bedeutet. Es gibt Pop-Musik, Pop-Kultur und Pop-Art, worunter sich eine der weitreichendsten kulturellen Bewegungen der Nachkriegszeit verbirgt. Osterwold bezeichnet Pop Art in seiner Publikation als keinen Stilbegriff, sondern einen Sammelbegriff für “verschiedenartige künstlerische Phänomene, die das Lebensgefühl einer ganzen Epoche zum Ausdruck bringen.” Pop-Art und Pop-Kultur sind in den sechziger Jahren eng miteinander verwachsen, Kunst und Gesellschaft stehen in einer fließenden Interaktion. In den Medien, Bildformen und -inhalten der Pop Art werden gesellschaftliche Prozesse transparent, welche eng mit dem Lebensgefühl und der kulturellen Atmosphäre dieser Jahre verbunden sind. “In der Geschichte der Kunst hat es wohl kaum zuvor - ansatzweise vielleicht in der dekadenten Gestaltungsfülle der zwanziger Jahre - eine derartige Überlagerung, eine so deutlich fassbare und öffentliche, für alle sichtbare Nähe zwischen Kunst und Leben gegeben. Die politische und ökonomische Stabilisierung in der Nachkriegszeit führte zu einer Aufwertung dessen, was gemeinhin als 'Volk' beziehungsweise als 'volkstümlich' bezeichnet wird.”35 Die westliche Kulturerscheinung des Pop entstand in der kapitalistischen industriellen Nachkriegsgesellschaft mit Amerika als Zentrum dieses Politikons, von wo die wesentlichen Impulse auf Europa ausgingen. Die Auswirkungen waren bis in den alltäglichen Bereich zu spüren. “Das allgemeine Bedürfnis nach Kultur und Unterhaltung prallte auf das elitäre Kunstverständnis der Hochkultur mit ihren

34 Lichtenstein zit. in: Osterwold 2003, S. 44. 35 Osterwold 2003, S. 7.

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Modernismen”36: Nicht Kunst für Intellektuelle, sondern für das ganze Volk war die Forderung, wobei die Massenkultur der entstehenden Pop Art immer einen Schritt voraus war: Lange bevor Kitsch kunstwürdig wurde, sammelte man jenen; bevor die Sprache der Comics in Malerei umgesetzt wurde, las man Comics, bevor die Cola- Flasche zum Wahrzeichen der amerikanischen Pop Art wurde, trank man Coca Cola. “Erst als das Triviale und Alltägliche zum Brennpunkt auch des künstlerischen Interesses wurde, begann man die Zeichen des kulturellen Wandels stärker zu reflektieren.”37

Andy Warhols endlose Reihungen von alltäglichen Gegenständen, wie zum Beispiel in Green Coca Cola Bottles (Abb. 9) von 1962 , gehören zu den bekanntesten Bildern der amerikanischen Pop Art. “In der Nivellierung des künstlerischen Motivs liegt aber keine Konsumkritik begründet, sondern die (scheinbar naive) Begeisterung über die Möglichkeiten der amerikanischen Kultur, die allen Menschen offensteht.”38 Warhol äußerte sich dazu folgendermaßen:

“Was an diesem Land großartig ist, ist die Tatsache, dass Amerika mit der Gepflogenheit begann, der zufolge die reichsten Konsumenten im Grunde dieselben Dinge kaufen wie die ärmsten. Du kannst Fernsehwerbung für Coca Cola sehen, und du weißt, daß der Präsident Coke trinkt, dass Liz Taylor Coke trinkt und, denk' nur – auch du kannst Coke trinken. Coke ist Coke und keine Summe Geld kann dir ein besseres Coke verschaffen als das, das der Penner an der Ecke trinkt. Jedes Coke ist gut. Liz Taylor weiß es, der Präsident weiß es, und du weißt es.”39

Pop wurde zum Markenzeichen einer neuen gesellschaftlichen Bewegung, die einen Wertewandel in Gang setzte, gekennzeichnet durch ein unorthodoxes provokatives Verhalten, Schock und Irritation des Gewohnten, das Brechen von Tabus und das Ende der Prüderie. Die gesellschaftliche Revolution führte zu veränderten Seh- und Verhaltensweisen und zu einem neuen Kunst- und Kulturbegriff.40

36 Düchting 2009, S. 8. 37 Düchting 2009, S. 8. 38 Düchting 2009, S. 9. 39 Warhol zit in: Düchting 2009, S. 9. 40 Düchting 2009, S. 9ff.

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3.3.2 Die vier Phasen der amerikanischen Pop Art

Die amerikanische Pop Art entwickelte sich in vier Phasen, in denen die Künstler auf die gesellschaftlichen Herausforderungen ihrer Zeit unterschiedlich reagierten: In der ersten, der Vor-Pop-Phase, trennten sich Jasper Johns und Robert Rauschenberg vom Abstrakten Expressionismus und suchten neue Wege, die Kunst stärker mit der Realität zu verknüpfen. Dann folgte die Hochphase der amerikanischen Pop Art, in der wichtige Künstlerpersönlichkeiten, wie Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, James Rosenquist, Tom Wesselmann und Robert Indiana auftauchten, “deren Werk in den fünfziger Jahren fußt und auch teilweise auf Erfahrungen mit Gebrauchsgrafik, Design und Plakatmalerei aufbaut.”41 Sie alle arbeiteten unterschiedliche Konzepte aus. Durch die ständige intensive Kommunikation zwischen Künstlern, Galerien, Sammlern und Museumsleuten war diese Pop Art-Produktion in New York schon früh als neue Kunstrichtung anerkannt und erfolgreich. Zu den Ausstellungen kamen die Happenings, Theateraufführungen, Gegendemonstrationen und Straßenaktionen.42 Mitte der 1960er Jahre war die Pop Art “inhaltlich, gestalterisch und stilistisch modifiziert und erweitert, zeigt aber oft auch rückfällige Neigungen in der Anwendung traditioneller Darstellungsmittel.”43 Sie breitete sich von New York bis an die Westküste und nach Kanada aus. Als sie schließlich Europa erreichte, beeinflusste sie die bereits bestehende englische Pop Art, der 'Europop' begann sich in vielerlei Richtungen auszubilden. Die letzte Phase war von einem radikalen Realismus geprägt, der in den USA auf die sozialen Verhältnisse in den Städten gerichtet war und auch von politischen Initiativen begleitet wurde.44

41 Osterwold 2003, S. 88. 42 Osterwold 2003, S. 88f. 43 Osterwold 2003, S. 92. 44 Osterwold 2003, S. 92.

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3.3.3 Entwicklung der New Yorker Pop Art

Mit der Neodada-Bewegung in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts lieferte vor allem die Aktionskunst wichtige Bedingungen für eine Annäherung zwischen Kunst und Leben, was auch später in der Pop Art Programm sein wurde. “Gleichzeitig werden die Grenzen der Kunstgattungen durch vielfältige Formen des Medienverbundes gesprengt,” wobei sich neue Darstellungsformen wie Happening, Situation, Combine Painting, Objektkunst, Environment und Akkumulation herausbildetn, die Konsumindustrie und das Alltagsgeschehen in das Kunstwerk integrierten.45 Der Übergang vom New Realism zur Pop Art war in Amerika fließend. Manche Interpreten ordneten bereits Robert Rauschenbergs Combine Paintings, Jasper Johns' Flaggenbilder, Larry Rivers' Fotoübermalungen und Claes Oldenburgs Esswaren- Sortiment der Pop Art zu. Die klassische amerikanische 'Hard Core-Pop Art' - wie sie von manchen Autoren genannt wird - grenzte die bis heute wichtige Pop-Anthologie von Lucy Lippard aus dem Jahr 1966 auf die großen New Yorker Künstlerpersönlichkeiten Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Tom Wesselmann, James Rosenquist und Claes Oldenburg ein. Dazu zählt sie auch noch einige Künstler der amerikanischen Westküste wie Mel Ramos, Wayne Thiebaud oder Ed Ruscha.46 “Sie alle benutzen zur Verwirklichung ihrer unverkennbar populären, darstellerischen Bild-Ideen mehr oder weniger scharf konturierte Reklametechniken und -farben; was sie aber mit diesen Mitteln stilistisch anfangen, ist nicht unbedingt dasselbe. Wenn Pop Art auch keine Bewegung mit Manifesten und Gruppendemonstrationen ist, kann man in ihr doch wenigstens eine relativ zusammnenhängende Tendenz erkennen.”47

In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre lernten sich jene großen Repräsentanten der New Yorker Pop-Szene kennen, nachdem alle nach und nach dorthin gezogen waren. Um 1960 hatten sie bereits ihre eigene Pop-Ikonografie entwickelt, wobei Thomas es für wichtig hält zu betonen, dass “jeder von ihnen trotz des Bezuges zur Trivialkultur seine eigene Formensprache oder Stilisierung ausbildet.”48

45 Karin Thomas, Bis heute. Stilgeschichte der bildenden Kunst im 20. Jahrhundert, Köln 1998, S. 242. 46 Thomas 1998, S. 289f. 47 Lippard 1968, S. 69. 48 Thomas 1998, S. 290.

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Robert Rauschenberg und Jasper Johns hatten entscheidenden Anteil an der Entstehung der Pop Art, als sie sich von den dominierenden Abstrakten Expressionisten absetzten. Rauschenberg radierte 1953 eine Bleistiftzeichnung von Willem de Kooning49 aus (Erased de Kooning Drawing, Abb. 10), auf welcher die Arbeitsspuren und Schmutzflecken deutlich, die alte Zeichnung jedoch kaum sichtbar sind. Mit diesem Akt des Ausmerzens und der Eliminierung war signalisiert: “Es müsse Schluss sein mit dem Erhabenen, der Metaphysik und der Abstraktion, man stellte nun die Dinge selbst zur Debatte – und ihr Bild in den Medien.”50 “Zwar griff Rauschenberg in den fünfziger Jahren die Gesten der Abstrakten Expressionisten noch zitierend auf, relativierte sie jedoch durch Bilder aus den Medien und Fundstücke”, die entschieden mehr Aufmerksamkeit erregten. Rauschenberg dazu: “Ein Bild sollte nicht nach etwas aussehen, was es nicht ist, sondern nach etwas was es tatsächlich ist.”51 Mit seinen Combine Paintings52 (Canyon, 1959, Abb. 11) erweiterte er zwischen 1960 und 1962 die Malerei auf der Basis des Collage-Prinzips in den Raum. Elektrisches Licht, Musik aus Lautsprechern, motorisierte Gegenstände begleiteten die aus Fundstücken, Siebdrucken und Malerei zusammengefügten Werke, die schließlich zu vielteiligen räumlichen Gebilden – Environments- wurden “und damit in die Nähe der Happenings gerieten.”53 Für den amerikanischen Künstler Allan Kaprow waren Environments “Situationen, die darauf angelegt wurden, daß eine oder mehrere Personen sie betreten oder in sie hineinkriechen, sich in ihnen niederlegen oder setzen.”54 Zu den Happenings äußerte er sich folgendermaßen:

“Die Grenze zwischen Happening und täglichem Leben sollte so flüssig wie unbestimmbar gehalten bleiben. Die Wechselwirkung zwischen der menschlichen Aktion und dem Vorgefundenen wird dadurch in ihrer höchsten Wechselwirkung gesteigert. (...) Die

49 De Kooning gilt zwar als ein Hauptvertreter des Abstrakten Expressionismus, dennoch konnte er aufgrund seiner figürlichen Themen (Frauen, Marilyn Monroe) und seines künstlerische Temperaments die Aktivitäten der jüngeren Pop-Generation gut nachvollziehen, weshalb er ihm seine Zeichnung zur Verfügung stellte. zit in: Schneede, S. 194. 50 Schneede 2001, S. 194. 51 Schneede 2001, S. 194. 52 Seit Mitte der 1950er Jahre integrierte Rauschenberg Fotografien, Siebdrucke, Zeitungsausschnitte und auch reale dreidimensionale Gegenstände in seine abstrakten Bilder. Die kontrastreiche Verbindung von Malerei und Wirklichkeitszitaten erweitert den Bildraum und schafft eine Verbindung zur Realität des Betrachters. 53 Schneede 2001, S. 194. 54 Kaprow zit. in: Schneede 2001, S. 194.

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Komposition aller Materialien, Aktionen, Bilder und ihrer Raumzeitbezüge sollte in einer so kunstlosen wie praktischen Weise erfolgen ... Happenings sollten nicht geprobt werden und nur einmalig von Nicht-Professionellen aufgeführt werden.”55

Kaprow lehrte an der nahe bei New York gelegenen Rutgers University in New Jersey (wie ab 1960 auch Roy Lichtenstein) und hatte in Künstlern wie George Segal, Claes Oldenburg, Jim Dine und Robert Watts einen Kreis von Gleichgesinnten.56 Er wollte, wie Paul Schimmel erklärt, eine “Synthese zwischen seiner Ausbildung in Action Painting und seinem Studium von John Cages Partituren und Performances herstellen und schuf dabei ein interaktives Umfeld, das das Publikum in einem Maße manipulierte, das so gut wie beispiellos war, in der Kunst des 20. Jahrhunderts.”57

1959 inszenierte er in der New Yorker Reuben Gallery ein Happening mit dem Namen 18 Happenings in 6 Parts (Abb. 12, 12 a), dessen Abfolge ursprünglich eine zufällige sein sollte und die Handlungsabläufe unzusammenhängend, “damit die Aufführung jederzeit unterbrochen werden konnte; doch als das Skript einmal feststand, waren Kaprows Akteure gezwungen, sich daran zu halten. Auch die Partizipationsmöglichkeiten des Publikums, das seine Sitzposition dreimal zu verändern hatte, waren festgelegt.”58 Das Publikum bekam dabei Programme und drei Karten, auf denen es folgende Instruktionen für seine Beteiligung am Happening bekam: “Die Performance ist in sechs Teile unterteilt, jeder Teil besteht aus drei Happenings, die gleichzeitig stattfinden. Ein Glockenschlag wird den Anfang und das Ende eines jeden Teils signalisieren. Nach jedem Teilstück sollte kein Applaus gespendet werden, aber Sie können nach dem sechsten Teil applaudieren, wenn Sie wollen.” Die Galerie war in drei Räume unterteilt, dessen Wände mit halbdurchsichtigen Plastikfolien ausgestattet waren, welche “mit Verweisen auf Kaprows frühere Werke in Form von Zeichnungen und Collagen bemalt waren, sowie mit Tafelbildern, auf denen einige Wörter hingemalt worden waren, und mit aufgereihten Plastikfrüchten (...).”59 55 Kaprow zit. in: Thomas 1998, S. 244. 56 Schneede 2001, S. 194. 57 Paul Schimmel, Leap into the Void: Performance and the Object, in: Out of Actions: between performance and the object, 1949–1979, MoCA Los Angeles, New York/London 1998, S. 61f., zit. in: http://www.medienkunstnetz.de/werke/18-happenings-in-6-parts/. in: http://www.medienkunstnetz.de/ , Rev. 17.2.2011 58 Crow 1997, S. 34. 59 Schimmel 1998, S. 61f., zit in: http://www.medienkunstnetz.de/werke/18-happenings-in-6-parts/. in: http://www.medienkunstnetz.de/, Rev. 17.2.2011

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Rauschenbergs Begegnung mit seinem Lehrer, dem Komponisten John Cage am Black Mountain College in North Carolina, war für seine eigene künstlerische Entwicklung und die der amerikanischen Pop Art von großer Bedeutung. Cage war stark am Zen-Buddhismus interessiert, an den gestalterischen Möglichkeiten des Zufalls und der “Einbeziehung trivialer Wirklichkeitsebenen in seine musikalische Ausdruckssprache”.60 Sein Stück 4'33 von 1952 beispielsweise, bestand nur aus der Stille der unbespielten Instrumente und den Geräuschen des Publikums. “Die offene Form der Komposition ermöglichte das gesteigerte Erlebnis der Zeit, der Stille wie der Ereignisse.”61 Sein Thema sei die “Bejahung des Lebens, ohne das Chaos zu ordnen oder der Schöpfung gute Ratschläge geben zu wollen. Es gilt des Lebens gewahr zu werden, das wir wirklich leben, und das so großartig ist, wenn Verstand und Wünsche ihm den unmittelbaren Weg zu uns freihalten.”62 Cage stellte auch erstmals die zentralen theoretischen Fragen, die “das Verhältnis von Kunst und Medien, von Abbild und Wirklichkeit betrafen: “Ist ein Lastwagen in einer Musikschule musikalischer als ein Lastwagen, der auf der Straße vorbeifährt?”63

Eine weitere solcher 'Nonsens-Fragen' stellte auch Jasper Johns, der zu dieser Zeit seine ersten Bilder mit der amerikanischen Flagge malte: 'Ist es eine Flagge oder ist es ein Gemälde?' Damit wollte er “sowohl das Realitätsverständnis sowie bestimmte Wahrnehmungsgewohnheiten irritieren, als auch die Vermittlungswege von Kunst – genau das meinte auch Cage mit seinem Lastwagen-Beispiel – einem neuen, objektbezogenen Realismus öffnen.”64 Johns erläuterte die Entstehung von Flag 1955 (Abb. 13) mit dem Hinweis auf ein übersinnliches Erlebnis: Die Idee stamme, so behauptete er, “aus einem Traum, in dem er eine große Flagge gemalt habe.” Seine Freunde, darunter auch Robert Rauschenberg, hätten ihn ermuntert, dieser Eingebung zu folgen. Sein eigentümliches Arbeitsverfahren, die Enkaustik, bei der das Farbpigment durch reines Wachs gebunden wird, wurde als ein deutlicher Bruch mit allen Traditionen empfunden und Kritiker fragten sich, ob sie es hier überhaupt noch mit Kunst zu tun hatten.65 Jasper Johns lebte mit Rauschenberg 1955 in einer New Yorker Ateliernachbarschaft.

60 Osterwold 2003, S. 84. 61 Düchting 2009, S. 52. 62 Cage zit in: Düchting 2009, S. 52. 63 Osterwold 2003, S. 84. 64 Osterwold 2003, S. 84. 65 Crow 1997, S. 15f.

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Auch seine Bilder von Zahlen, Buchstaben und Zielscheiben (Abb. 14) riefen widersprüchliche Reaktionen hervor, “stellten sie doch die Strukturen der etablierten Kunstszene in Frage und irritierten die gängigen Erwartungen an Kunst.”66

Man war versessen auf die Großstadt, die Straße, den Konsum und die Wahrnehmung der Dinge in der Realität. “Pop Art liebt die Dinge”, sollte Andy Warhol in den sechziger Jahren formulieren und Allan Kaprow äußerte bereits 1959:

”Die Alltagswelt ist die verblüffendste Inspiration, die sich denken läßt. Ein Spaziergang die 14. Straße hinunter ist aufregender als jedes künstlerische Meisterwerk. Wenn die Realität überhaupt einen Sinn hat, dann hat sie ihn hier.”67

Ein solcher Satz galt besonders für Claes Oldenburg: Seine Installation The Street von 1960 bezog sich “motivistisch auf düstere Aspekte der Straße”. Er stellte sie aus gerissenen, teils schwarz bemalten Pappstücken, aus Sackleinen, Blechstücken und Abfall her. Oldenburgs kritischer Kommentar zur Kommerzialisierung der Kunst klingt zugleich nach dem Versuch, die Kunst in die Normalität des Lebens einzubinden, aus der die Abstrakten Expressionisten sie entrückt hatten:68

“Die Malerei, die so lange in ihrer goldenen Gruft in einem gläsernen Sarg geschlafen hat”, schrieb Oldenburg 1965, “wird gebeten, herauszukommen und schwimmen zu gehen, man gibt ihr eine Zigarette, eine Flasche Bier, das Haar wird ihr zerzaust, die bekommt einen Stoß und stolpert, sie lernt lachen, sie bekommt alle möglichen Kleider, fährt Rad.”69

“Ich bin für eine Kunst (...), die etwas anderes tut, als in einem Museum auf ihrem Arsch zu sitzen. Ich bin für eine Kunst, die aufwächst und nicht weiß, daß sie Kunst ist; eine Kunst, die die Chance hat, am Nullpunkt zu beginnen.”70

Da die meisten Künstler ihr Handwerk im Bereich der Reklame und des Konsums gelernt hatten – Rosenquist als Werbegrafiker und Plakatmaler, Oldenburg als Illustriertenzeichner, Warhol als Werbezeichner, Wesselmann als Cartoonist, Lichtenstein und Kienholz als Schaufensterdekorateure – brachten sie das Gespür für

66 Osterwold 2003, S. 84. 67 Schneede 2001, S. 195. 68 Schneede 2001, S. 196. 69 Oldenburg zit. in: Schneede 2001, S. 196f. 70 Oldenburg zit. in: Schneede 2001, S. 196f.

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zeitgemäße Waren, Werbemittel und deren Wirkung mit.71 “Der professionelle Umgang mit den Darstellungstechniken verführte dazu, ihre Bildersprache tatsächlich wie Werbesprache wahrzunehmen.”72

Die Pop-Künstler der Ostküste befassten sich dabei mit Bildern, die bereits existierten, die zeichenhaft funtkionieren und daher lesbar sind. Sie machten Bilder, “die jeder, der den Broadway hinunterlief, im Bruchteil einer Sekunde wiedererkennen konnte – Comics, Picknicktische, Herrenhosen, Berühmtheiten, Duschvorhänge, Kühlschränke, Colaflaschen -, die ganzen tollen modernen Sachen, die die abstrakten Expressionsten mit aller Kraft zu ignorieren versuchten”73, so Andy Warhol. Die aufgegriffenen Dinge mussten deshalb jedermann vertraut sein durch ihre Abbildung in Magazinen und Zeitungen, Anzeigen und Comic-Strips. Schneede äußert sich dazu folgendermaßen: “Pop machte Bilder aus populären Bildern, als seien die originären Bilder schon alle erfunden und als könnten nur noch die bereits eingeprägten neu zusammengefügt, wahrgenommen und gedeutet werden. Indem aber Pop mediale Bilder als Zeichen, Exempel, Topoi oder Klischees heraushob, isolierte, vergrößerte, in den Kunstkontext versetzte und damit heroisierte, machte Pop sie zu Inbildern, ja Ikonen ihrer Zeit. Erst durch Warhols Siebdrucke wurde Marilyn Monroe vollends zum Mythos, erst durch Lichtenstein der Comic salonfähig.”74

Manchen erschien die Pop Art zunächst als Auftritt der Oberflächlichkeit und des Trivialen, als Verrat an der Moderne, doch sie setzte sich unaufhaltsam durch und war so rasch in aller Munde.75 Die erste bedeutende Kunstausstellung über Pop Art »The New Paintings of Common Objects« im Pasadena Art Museum 1962 und die Ausstellung »New Realists« in der Sidney Janis Gallery in New York 1962 galt für europäische Maßstäbe als sogenannte Manifestation jener Bewegung. Beteiligt waren die Amerikaner Jim Dine, Robert Indiana, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, James Rosenquist, George Segal, Wayne Thiebaud, Andy Warhol und Tom Wesselmann. Die englischen Künstler waren Peter Blake, John Latham und Peter Philipps. Kontinentaleuropa war vertreten durch

71 Schneede 2001, S. 197. 72 Osterwold 2003, S. 102. 73 Schneede 2001, S. 197. 74 Schneede 2001, S. 197f. 75 Schneede 2001, S. 202

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Arman, Enrico Baj, Christo, Öyvind Fahlström, Yves Klein, Mimmo Rotella, Daniel Spoerri, Jean Tinguely und andere.76 In Europa setzte sie sich sofort durch, als Anfang 1964 vom Moderna Museet Stockholm »Amerikansk pop-konst«, im Sommer desselben Jahres vom Gemeentemuseum Den Haag »Nieuwe Realisten«, im Herbst vom Museum des 20. Jahrhunders in Wien und anschließend von der Berliner Akademie der Künste »Neue Realisten & Pop Art« gezeigt wurden und diese Schau 1965 auch noch im Palais des Beaux-Arts in Brüssel zu sehen war.77 Ebenfalls 1964 gewann Rauschenberg als erster Amerikaner den Großen Preis der Malerei auf der Biennale in Venedig, was den ersten Höhepunkt der Pop Art und den erstmaligen Vorrang der amerikanischen Kunstszene dokumentierte. Anfang 1962, nach diversen Einzelausstellungen dieser Künstler, die unter anderem teilweise auch finanziell erfolgreich waren, wurde die neue Kunstrichtung auch als Neo-Dada, Commonism, OK Art, Common Image Art oder Pop Culture genannt.78 Die spätere Bezeichnung Pop Art, wird Lawrence Alloway, dem Kunstkritiker, Autor und Dozenten für Kunstgeschichte in New York, zugeschrieben. Laut eigener Aussage meinte er damals mit diesem Begriff nicht dasselbe, was er heute beinhaltet: “Ich benutzte den Ausdruck, ebenso wie 'Pop Culture', um die Produkte der Massenmedien zu kennzeichnen und nicht die Kunstwerke, für die Elemente dieser 'Volkskultur' Verwendung finden. Auf jeden Fall kam der Ausdruck irgenwann zwischen dem Winter 1954/55 und 1957 ins Gespräch.”79 Alloway war Mitherausgeber der Zeitschrift 'Art Criticism' und veröffentlichte zahlreiche Bände über die amerikanische Kunst der Nachkriegszeit. Er hatte auch die Entwicklung der englischen Pop Art miterlebt, war in den 60er Jahren auch Zeuge der Ausbreitung der amerikanischen Pop Art und kannte selbst alle Künstler dieser Kunst- Richtung.80 So organisierte er in New York, nachdem er von England 1961 dorthin gesiedelt war, die bedeutende Museumsausstellung »Six Painters and the Object«, welche vom 14. März bis 12. Juni 1963 im Solomon R. Guggenheim Museum zu sehen war. Jim Dine, Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg, James Rosenquist und Andy Warhol waren die Künstler, die Alloway ausgewählt hatte, weil

76 Unterer 2003, S. 47f. 77 Schneede 2001, S. 202. 78 Lippard 1968, S. 10 in: Unterer 2003, S. 48. 79 Alloway in: Lippard 1968, S. 27. 80 Lippard 1968, S. 27.

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sie alle “bestimmte Objekte zu verwenden pflegen, die dem Netz der verschiedenen Kommunikationsmittel und dem materiellen Umfeld der Großstadt entnommen sind”.81 Alloways Katalogaufsatz zur Ausstellung ist noch heute ein Meilenstein der frühen Jahre und unter den Arbeiten, die er in seine Ausstellung aufnahm, sind heute einige allgemein als 'Meisterwerke' anerkannt , wie beispielsweise Jasper John's Gray Flag, Target, White Numbers und 0 Through 9, das sechsteilige Bild Live Ammo von Lichtenstein, James Rosenquists Woman I, sowie Andy Warhols Dick Tracy und 200 Soup Cans.82

3.3.4 Lichtenstein und die Pop Art

Im Februar 1962 stellte Roy Lichtenstein in der New Yorker Galerie von seine ersten Bilder aus, deren Sujets Comics und Reklamedarstellungen von Konsumgütern entlehnt waren.83 In einem richtungweisenden Interview, welches 1963 in der Zeitschrift ARTnews erschien, erklärte Lichtenstein, sein Bestreben sei es gewesen, ein Bild zu malen, das “so verachtenswert war, dass es keiner aufhängen würde. Jeder hängte damals alles mögliche auf. Es war damals schon hoffähig, einen tropfenden Farblappen aufzuhängen, jeder hatte sich daran gewöhnt. Das einzige, was alle hassten, war kommerziell orientierte Gebrauchskunst, Werbung und dergleichen”.84 Lichtenstein vertrat im Interview die Auffassung, dass sich seine Kunst - und die der Pop Art - mit der Welt auseinandersetze, während die Kunst seit Cézanne “außerordentlich romantisch und unrealistisch geworden ist, genährt von sich selbst; sie ist utopisch. Sie hat immer weniger und weniger mit der Welt zu tun, sie sieht nach innen [...] Pop Art sieht hinaus in die Welt, sie scheint ihre Umgebung zu akzeptieren, die nicht gut oder schlecht ist , aber anders.”85 Die Kunst hatte als Institution “den Kontakt zur Realität verloren”, und dieser musste in Form der Pop Kultur wiederhergestellt werden. Daher war es für Lichtenstein nahezu unmöglich, die

81 Lippard 1968, S. 27. 82 Livingstone 1992, S. 37. 83 Waldman 1994, S. 3. 84 Lichtenstein zit. in: Waldman 1994, S. 3f. 85 Lichtenstein zit. in: G.R. Swenson, What is Pop Art. in: Art News, Bd. 62, Nr. 11, 1963, S. 25f. In: Waldman 1994, S. 3f.

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Kunst mit jener ehrerbietigen Haltung zu betrachten, wie sie ihr vom gebildeten Mittelstand entgegengebracht wurde.86 Die distanzierte, kühle Banalität seiner Comics und Werbebilder war eine Beleidigung für die Kunst als solche, welche traditionell mit intellektuellen und spirituellen Vorstellungen verknüpft ist.87 Jene seiner Bilder führten in der populären Zeitschrift LIFE zur provokanten Frage: “Ist er der schlechteste Künstler der Vereinigten Staaten?” Von einem “ätzenden Schock” sprach der Kritiker Max Kozloff und von seinem “grimmigen Unglauben daran, daß etwas so Unverschämtes seinen Weg auf grundierte und aufgespannte Leinwand finden würde”88 Vorwürfe wie diese trafen Lichtenstein nicht allein: Wie nur wenige andere Kunstrichtungen der Moderne erregte die amerikanische Pop Art mit ihrem Erscheinen in New York in den Jahren 1961 und 1962 Aufruhr und Entsetzen, denn die Kunstwelt hatte erwartet, plötzlich all das wiederzufinden, was nicht nur von Kulturkritikern abfällig bewertet wurde: die übermächtige Welt der Werbung und des Konsums, die populäre Massenunterhaltung in Film, Fernsehen und Zeitungen und die seichten Comic Strips.89 “Der von Künstlern wie Roy Lichtenstein, Andy Warhol, James Rosenquist, Claes Oldenburg oder Tom Wesselmann präsentierte Gegenstand drängte so sehr in den Vordergrund, daß die Betrachter von 'Kunst' im traditionellen Sinn wenig wahrnahmen.”90 Die Werke der Vorläufer der Pop Art hatten nicht nur durch den zeitlichen Abstand ihre Provokation verloren, sie wirkten im Vergleich zu den jungen, neuen Künstlern eher harmlos: “Wo den Vorgängern noch an ästhetischer Arbeit und menschlichem Maß gelegen schien, kam hier alles übertrieben direkt, unvermittelt und noch dazu im Riesenformat daher.”91

86 Hendrickson 2001, S. 51. 87 Hendrickson 2001, S. 51. 88 Busche, Ernst A., Roy Lichtenstein. Das Frühwerk 1942-1960, Berlin 1988, S. 8. 89 Busche 1988, S. 8. 90 Busche 1988, S. 8. 91 Busche 1988, S. 9.

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4 Roy Lichtenstein - Leben und Werk

(Abb. 15) 4.1 Kindheit und Ausbildung

Roy Fox92 Lichtenstein wurde am 27.Oktober 1923 an der Upper West Side von Manhattan geboren und wuchs in einem mittelständischen Elternhaus auf. Sein Vater Milton Lichtenstein arbeitete als Grundstücksmakler, die Mutter Beatrice geb. Werner war Hausfrau, beide mit deutsch-jüdischen Vorfahren. Seine Schwester Renée wurde 1927 geboren. Ob in der Familie Kunst je eine Rolle spielte, scheint fraglich, doch schon als Kind zeigt Lichtenstein ein verstärktes Interesse für das Zeichnen und die Wissenschaft. Er entwirft Modellflugzeuge und hört mit Begeisterung die Radioshows der Comics von Flash Gordon und Mandrake the Magician. Diese Eindrücke werden seine Kunst von den frühen 1960er Jahren an prägen. Er beginnt sehr früh sich in der Malerei ausbilden zu lassen: 1936 besucht er an den Wochenenden neben der High School Aquarellkurse an der Parsons School of Design. Während seines letzten Schuljahres 1939 nimmt Lichtenstein an Sommerkursen der New Yorker Art Students League teil, geleitet von Reginald Marsh (Tatoo and Haircut, 1932, Abb. 16), welcher zu einer Reihe amerikanischer Maler gehörte, die sich einer nationalen Kunst verschrieben hatten. “Ihre Motive bezogen sie vorrangig aus dem amerikanischen Alltagsleben, das sie in einer leichtverständlichen, fast karikaturhaften Art und Weise malten oder zeichneten.”93 Auch Lichtenstein zeichnete, als er an der Art Students League war, ähnlich typische Szenen des New Yorker Alltags, wie Karnevalsszenen, Boxkämpfe oder Strandszenen und setzt sich mit den Künstlern der Klassischen Moderne auseinander, wie etwa mit Picassos Porträt der Gertrude Stein. Auch sein Interesse für Jazz wurde in dieser Zeit geweckt, er besuchte häufig Konzerte im Apollo-Theater und in Jazz Clubs in der 52nd Street.94 Ähnlich wie der Maler Ben Shahn porträtierte er Musiker, wobei er sie häufig 'in Aktion' festhielt. Nach Abschluss der High-School 1940 studiert Lichtenstein Industrial Design an der Ohio State University of Columbus in der dortigen School of Fine Arts. Nach einer

92 Bis 1959 führte Lichtenstein seinen zweiten Vornamen Fox. 93 Hendrickson 2001, S. 8. 94 Waldman 1994, S. 3ff

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dreijährigen Unterbrechung durch den Militärdienst kehrte er 1946 nach Ohio zurück und schloss sein Studium mit dem 'Master of Fine Arts' ab. Hier in Ohio erhielt er auch einen Lehrauftrag, den er bis 1951 innehatte. Einer seiner Lehrer an der Universität in Ohio war der Maler, Designer und Architekt Hoyt L. Sherman, welcher, auch nach Lichtensteins eigener Aussage, einen nachhaltigen Einfluss auf ihn ausüben sollte.95 Sherman war, obwohl er in Ohio lebte, kein Regionalist, sondern vertrat die an Cézanne, Picasso, Mondrian oder Klee orientierte Moderne und beschäftigte sich darüber hinaus sehr intensiv mit den Grundbedingungen bildnerischen Gestaltens und der Wahrnehmungspsychologie:96 Er trainierte seine Studenten “ganzheitlich zu sehen”, sie sollten stets “den übergeordneten Zusammenhang im Auge haben und sich nicht in Details verlieren. Alltagsgegenstände zum Beispiel waren nicht in ihren gebrauchsbezogen- instrumentalen, sondern in erster Linie in ihren formalen-abstrakten Eigenschaften wahrzunehmen.”97 Sherman nutzte in seinen Kursen eine Methode, die als Flash room bekannt wurde. Dabei dunkelte er den Raum ab und projizierte kurz Bilder auf bis zu drei Leinwände, die im Laufe des Semesters immer komplexer wurden, später hängte er reale Objekte an die Decke, die ebenfalls kurz angestrahlt wurden. Die Studenten mussten das Gesehene im Dunkeln aufgrund des gedanklichen Nachbildes zu Papier bringen. Shermans Theorie war, dass es sich bei der Wahrnehmung eher um ein Seherlebnis handle als um eine narrative oder emotionale Erfahrung. Auf Lichtenstein hinterließen diese Kurse einen sehr prägenden Eindruck.98 In einem Interview vom November 1963 antwortete er auf die Frage wo die Anfänge seiner Ideen über Kunst liegen, die Gedanken von Prof. Sherman über Wahrnehmung wären für ihn der früheste und wichtigste Einfluss gewesen und wirkten immer noch auf seine “Vorstellungen von visueller Einheit” ein.99 In einem anderen Zitat erklärte Lichtenstein, dass organisierte Wahrnehmung das “A und O der Kunst” sei und Sherman habe ihm beigebracht, wie man es angehen sollte, sehen zu lernen.100 Zudem regte Sherman, der selbst Ingenieur war, Lichtenstein dazu an, Zeichenunterricht zu nehmen. Nach eigener Aussage des

95 Hendrickson 2001,S. 9f. 96 Unterer 2003, S. 5. 97 Busche 1988, S. 10. 98 Busche 1988, S. 10. 99 Swenson, G.R., im Gespräch mit Roy Lichtenstein, in: „What is Pop?“ Teil 1, in: ARTnews LXII/7, November 1963, in: Livingstone 1992, S. 48 100 Swenson, G.R. in: Waldman 1994 , S. 9

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Künstlers hat die Erfahrung des technischen Zeichnens dazu beigetragen, dass sein Werk sehr stark von einem sachbezogenen, nichtemotionalen Aspekt geprägt ist.101 1949 heiratete Lichtenstein die Dekorateurin Isabel Wilson, die er in einer Galerie in der er ausstellte, kennengelernt hatte. 1951 wurde sein Lehrauftrag in Ohio nicht wieder verlängert, sodass er gezwungen war nach Cleveland zu ziehen. Da der Verkauf seiner Bilder damals nicht sehr einträglich war, schlug sich Lichtenstein mit Gelegenheitsarbeiten durch, so gab er Zeichenunterricht, arbeitete als technischer Zeichner, Dekorateur und baute Modelle für ein Architekturbüro. 1954 und 1956 werden seine beiden Söhne geboren. 1965 wird die Ehe mit Isabel geschieden, drei Jahre später heiratet Lichtenstein Dorothy Herzka.102

4.2 Erste Arbeiten und Ausstellungen

Zwischen 1949 und 1952 war Lichtenstein an verschiedenen Gruppenausstellungen beteiligt. Zu dieser Zeit ist das Werk Lichtensteins geprägt von einer äußerst intensiven Auseinandersetzung mit der europäischen Moderne.103 Er malte hauptsächlich halbabstrakte, kubistisch expressionistische Bilder, die vom späten Picasso, Georges Braque und Paul Klee beeinflusst waren.104 1951 wurde seine erste Einzelausstellung in der Carlebach Gallery in Manhattan ausgerichtet, wo er seine Bilder mit mittelalterlichen Sujets ausstellte. Zwischen 1952 und 1953 wurden immer wieder Einzelausstellungen in der John Heller Galerie Lichtenstein gewidmet, wo hauptsächlich Gemälde mit folkloristischen amerikanischen Themen gezeigt wurden. 1956 entsteht die erste Proto-Pop-Arbeit des Künstlers: Er lithografiert eine Zehn- Dollar-Note (Ten Dollar Bill, Abb. 17), was eine humorvolle Verbindung zwischen traditioneller Kunstform und amerikanischer Thematik darstellte: Ihm kam damals zum ersten Mal die Idee, “einfältige Bilder zu machen, die unangemessen und irgendwie dumm wirkten, mit einer Farbgebung die so aussah, als hätte sie nichts mit Kunst zu tun.”105 1957 nahm er seine Lehrtätigkeit, diesmal in Oswego, an einem kleinen College im

101 Hendrickson 2001, S. 12. 102 Unterer 2003, S. 5. 103 Busche 1988, S. 10. 104 Hendrickson 2001, S. 12. 105 Lichtenstein zit. in: Hendrickson 2001, S. 15

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US-Staat New York, wieder auf, wo er die folgenden drei Jahre unterrichtete. Er wandte sich von seinen 'historischen' Themen ab und begann im Stil des Abstrakten Expressionismus zu malen, der sich inzwischen international durchgesetzt hatte, wohl um “Anschluß an die Hauptströmung auf dem Kunstmarkt zu finden.”106 Schließlich wendete er sich “aus purer Verzweiflung”107 darüber, dass es zwischen den erfolgreichen Abstrakten Expressionisten keine Nischen mehr gab, davon ab und fing 1958 damit an, Motive aus der Welt der Comics, wie Mickey Mouse (Abb. 18), Bugs Bunny und Donald Duck, zu zeichnen. Laut Busche ist den Arbeiten anzumerken, wie sehr Lichtenstein mit dem Problem beschäftigt ist, einen Unterschied zum Vorbild zu schaffen und damit 'Kunst' zu erzeugen.108 Doch Lichtensteins erste Bilder mit Comic- Motiven wurden freilich nie öffentlich gezeigt, und “später zerstörte oder übermalte er sie alle, woraus sich schließen läßt, daß sie ihn selbst nicht so richtig zu überzeugen vermochten.”109 Deshalb existieren aus dieser Periode nur noch wenige Arbeiten, was jedoch nicht bedeutet, dass er mit seinen vorangegangenen Arbeiten brach, denn er hatte sich ja schon immer für einfache Motive aus der amerikanischen Mythologie interessiert und bereits existierende Bilder auf ironische Weise zu seinen eigenen gemacht.110 1960 erhält Lichtenstein eine Assistenzprofessur am Douglas College der Rutgers University, New Jersey, wo er sich niederlässt und den Künstler, Kunsthistoriker und Mitbegründer des Happening und Environments Allan Kaprow, sowie wichtige Künstler aus dem Umkreis des Performancekünstlers, wie Lucas Samaras, George Segal, Jim Dine oder Claes Oldenburg kennenlernt.

106 Hendrickson 2001, S. 17. 107 Hendrickson 2001, S. 17. 108 Busche 1988, S. 11. 109 Hendrickson 2001, S. 17. 110 Hendrickson 2001, S. 17f.

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4.3. Pop Art und internationaler Erfolg

Im Sommer 1961 malt Roy Lichtenstein das erste Werk im Stil der Pop Art: (Abb. 19) ist ein gemalter Ausschnitt aus einem Cartoon, den der Künstler in vergrößerter und verflachter Weise präsentiert.111 Es ist sein erstes Bild “frei von jeglichem Expressionismus”, wie Lichtenstein in einem Gespräch mit Diane Waldmann 1992 mitteilte.112 1961 lernt Lichtenstein den Galeristen Leo Castelli kennen, welcher eine große Präsenz auf dem amerikanischen Kunstmarkt und im New Yorker Ausstellungswesen darstellte und sich schon 1958 einen Namen als Förderer von Jasper Johns machte. “Er setzte sich verstärkt für eine Rezeption der Pop-Art -Künstler in New York ein, um die Kunstszene wieder in den Blick der Medien und Sammler zu rücken.”113 Neben Johns lernte Lichtenstein dann auch Andy Warhol, James Rosenquist und Robert Rauschenberg kennen, die alle bei Castelli ausstellten. Von den Disney-Charakteren wandte sich Lichtenstein dann ab und wählte statt dessen Motive, die ähnlich banal waren, wie etwa Kleinanzeigen aus dem Branchenbuch, Illustrationen von Artikeln aus Versandhauskatalogen oder Comics mit Liebes- und Kriegsgeschichten. “Noch vor der Eröffnung seiner ersten Einzelausstellung bei Castelli im Februar 1962 waren alle Bilder von bedeutenden Sammlern aufgekauft worden.”114 Lichtenstein konnte nun ausschließlich von seiner Kunst leben und zog sich nun völlig auf sein Leben als Maler zurück. Lichtensteins neue Bildsujets sind nun nahsichtig dargestellte Frauen - dem klischeehaften Frauenbild der 1950er und frühen 1960er Jahre entsprechend -, Zitate von Cezanne, Picasso (Abb. 20, 20a) und Mondrian, konzeptionelle Bilder mit isoliert aufgemalten Worten wie ART und IN und War-Comics. Auch Werkblöcke mit Alltagsgegenständen wie Blumen (Abb. 21), Zwirnspulen (Abb. 22) oder Kaffeetassen entstehen, die in ihrer gegenständlichen Form stark abstrahiert und auf die Farben Schwarz, Blau oder Rot auf weißem Grund reduziert sind. Lichtenstein arbeitet nun vorwiegend mit Magna, einem Gemisch aus wasserlöslicher Acrylfarbe

111 Florian Steininger, in: Ingried Brugger (Hg.), Roy Lichtenstein, Ausst.-Kat. Wien (KunstforumWien) 2003, S. 142f. 112 Waldman 1994, S. 21. 113 Crow 1997, S. 89. 114 Hendrickson 2001, S. 23.

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und Terpentin. “Sein Stellenwert für die neue aufstrebende Kunstströmung wird durch wichtige Ausstellungsbeteiligungen unterstrichen, in denen die Pop Art einer größeren Öffentlichkeit präsentiert wird.”115 1962 stellt er in der Schau »The New Paintings in Common Objects« im Pasadena Art Museum aus, im selben Jahr ist er bei der Ausstellung der »New Realists« in der Sidney Janis Gallery, New York vertreten. 1963 stellt Lichtenstein mit Jim Dine, Jasper Johns und Robert Rauschenberg im Solomon R. Guggenheim Museum, New York bei der Schau »Six Painters and the Object« aus. Auch in Europa zeigen etablierte Institutionen Lichtensteins neue Bilder.116 Ileana Sonnabend präsentiert im Juni 1963 in ihrer Pariser Dependance Arbeiten des Amerikaners und bereits im Oktober folgt die erste Ausstellungsbeteiligung in England im Rahmen von »Popular Image« im Institute of Contemporary Art, London. Während vor allem Lichtensteins Gemälde, nach Cartoon- und Werbevorlagen angelegt, in den Museen präsentiert und von ihnen gesammelt werden, wendet er sich 1965 einem anderen Thema zu: Im Unterschied zu seinen abstrakt gemalten Bildern der späten 1950er Jahre entstehen 'Abbilder' eines expressiven Pinselstrichs, mit Schablonen und Punktraster angefertigt. Immer wieder zitiert Lichtenstein 'Ikonen' der Kunstgeschichte, wie Monets Heuhaufen - (Abb. 23, 23a, 23b) und Kathedralserie (Abb. 24, 24a) im Benday-dot-Stil.117 Henri Matisse ist vor allem für Lichtensteins Stillleben-Bilder der 1970er Jahre eine wesentliche Inspirationsquelle, denn wie auch Matisse räumt Lichtenstein der Farbe eine autonome Präsenz im Bild ein. Lichtenstein widmet sich nun auch Projekten im öffentlichen Raum: Im Oktober 1970 werden die großformatigen Wandbilder der Brushstrokes (Abb. 25) in der Medizinischen Fakultät der Universität Düsseldorf präsentiert.118 Das primäre Konzept, Kunst und Alltag in ein Spannungsverhältnis zu bringen, ist in vielen Arbeiten von Roy Lichtenstein dermaßen stark ausgerichtet, dass der Alltagsgegenstand selbst Teil des Kunstwerks wird, wie die in den 1960er Jahren von ihm gestalteten Papierbecher und -teller sowie Untersets aus Plastik und den von ihm im Juni 1977 bemalten BMW-Rennwagen. In den achziger und neunziger Jahren stehen zahlreiche Eigenzitate im Mittelpunkt seines Schaffens, wie etwa die große

115 Steininger 2003, S. 143f. 116 Steininger 2003, S. 143f. 117 Steininger 2003, S. 145. 118 Steininger 2003, S. 145.

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Skulptur Brushstrokes in Flight vor dem International Airport in Columbus, Ohio von 1983, der 1992 für die olympischen Spiele in Barcelona gestaltete Barcelona Head, Wandbilder an der Fassade der Castelli Gallery, am Equitable Building in New York (Abb. 26), welches zahlreiche Eigenzitate wie , Haushaltsszenen, Zitate der Architekturgeschichte, Mirrors oder Anspielungen auf Lichtensteins frühe Pop- Art-Bilder enthält, und jenes in der U-Bahn-Station am Times Square von 1994. Zu dieser Zeit zählen Kunstwerke von Roy Lichtenstein neben jenen von Willem de Kooning und Jasper Johns zu den teuersten Arbeiten von lebenden Künstlern. Nach den Interior-Bildern und den Nudes Mitte der 1990er Jahre, bilden die poetisch gehaltenen Landschaften von 1995 bis 1997, inspiriert von den Landschaftsmalereien der chinesischen Song Dynastie aus dem 12. Und 13. Jahrhundert, den letzten großen Werkblock in Lichtensteins Oeuvre.119 Am 29. September 1997 stirbt der Künstler in New York.

119 Steininger 2003, S. 145ff.

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5 Lichtenstein und die Comics

“Comic Strips haben merkwürdige Eigenschaften, wie zum Beispiel die Art der Darstellung gewisser Dinge, so der Explosion, der Geschwindigkeit und gewisser abstrakter Ideen, die konkretisiert werden: Geräusche und andere visuell symbolisierte Töne. Viele Dinge, die man nicht sieht, werden für das Auge übersetzt, und in diesem Sinne glaube ich, daß Comics wirklich eine entwickelte Kunstform darstellen. Ich weiß allerdings nicht, ob dafür einzelne verantwortlich sind. Es scheint sich eher um eine Gruppentendenz zu handeln, wobei jeder Zeichner etwas beiträgt oder das, was er gelernt hat, dem 'allgemeinen Vokabular' der Comic-Strips-Schöpfer beifügt.”120

5.1 Kurze Geschichte des Comics

Die meisten Autoren legen die Entstehung des Comics auf das Ende des 19. Jahrhunderts fest, als in den USA zum ersten Mal humoristische Bildgeschichten in Tageszeitungen erscheinen. Comics werden damals als typisch amerikanische Erfindung betrachtet, auch wenn sie nicht ohne ihre europäischen Vorformen, wie die politische Karikatur oder die Bildergeschichte, denkbar sind. Aus dem Comic-Strip, der unterschieden werden kann in den klassischen, aus vier Bildern bestehenden Newspaper-Strip und den Sunday-Strip, der als Sonntagsbeilage großer amerikanischer Tageszeitungen zwölf oder mehrere Bilder umfasst, entwickeln sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitere Spielarten, wie das Comic-Heft und der Zeichentrickfilm. Waren Comic-Strips ursprünglich der Zeitung untergeordnet, so entwickelten sie sich nun zu einem eigenständigen Medium.121 Als einer der ersten und renommiertesten Hersteller solcher Comic-Hefte gilt der 1935 gegründete New Yorker Konzern D.C. Comics, welcher für den Prototyp des amerikanischen Comic-Heftes steht. Die 1938 erfundene Figur Superman ist nicht nur der erste fiktive Superheld, auf den eine Reihe weiterer folgen, sondern verkörpert auch die erste Comic-Reihe, welche im Rahmen einer kriegspsychologischen Taktik während des Zweiten Weltkrieges zum Einsatz kam.122 In den 1940er und 1950er Jahren erobern Comics einen breiten Markt und sind in den

120 Lichtenstein zit. in: Pascal, David, Interview de Roy Lichtenstein, in: Giff-Wiff, Nr. 20, Mai 1966, S. 6-15. 121 Wattolik 2005, S. 58ff. 122 Wattolik 2005, S. 58ff.

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unterschiedlichsten Fachgeschäften erhältlich, am Kiosk genauso wie im Supermarkt. Besonders auf Kinder üben sie eine starke Faszination aus und werden auch von den meisten regelmäßig konsumiert. Die seit 1945 entstandenen neuen Sparten der Kriminal- und Horrorcomics riefen eine starke Ablehnung in Teilen der konservativen Gesellschaft hervor, weswegen Comics seit 1954 durch die Comics Magazine Association of America einer Selbstzensur unterzogen wurden. Dies äußert sich in einem briefmarkengroßen Etikett, welches auf dem Cover des Heftes angebracht wird. Hefte, die dieses Siegel nicht vorweisen können, dürfen nicht verkauft werden, stehen doch die Regelungen im Einklang mit jenen der allgemeinen Presse- und Filmzensur dieser Zeit: So sind staatliche Autoritäten stets in vorteilhaftem Licht zu zeigen, übertriebene Darstellungen von Gewalt zu vermeiden und Liebesgeschichten haben auf erotische Darstellungen zu verzichten, um die Ideale von Häuslichkeit und der Heiligkeit der Ehe zu vermitteln.123

5.2 Lichtensteins Entwicklung zu Comic-Strip-Motiven und Motiven aus der Werbung

Die vom Genfer Schriftsteller und Zeichner Rodolpho Toepffer (1799-1864) begründete unauflösliche Einheit von Bild und erzähltem Text ist ein grundlegendes Charakteristikum des Comic-Strips.124 Sie tauchten in der amerikanischen Malerei gelegentlich schon in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf und lassen erkennen, “dass Künstler sich zunehmend für die 'message' und die Produkte der Massenkommunikation interessieren. Doch erst Lichtenstein und Warhol sollten die Comics konsequent verwenden. Beide entwickelten ihren Stil unabhängig voneinander, wobei Warhol gegenüber Lichtenstein einen leichten zeitlichen Vorsprung hatte.” So entstand Lichtensteins Engagement Ring (Abb. 27) zum Beispiel 1961 , Warhols Dick Tracy (Abb. 28) aber ein Jahr zuvor.125 Auch der kalifornische Künstler Jess griff Chester Goulds Dick Tracy, einen der meistgelesenen Comic dieser Zeit, in einer Reihe von Heftchen, die alle etwa zur gleichen Zeit entstanden waren, 1954 auf und verwandelte ihn in eine

123 Wattolik 2005, S. 58ff. 124 Busche 1988, S. 15. 125 Alloway 1984, S. 13.

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Folge zusammenhängender Bildsequenzen (Abb. 29). Lichtensteins Name ist stark an die Comics geknüpft, die er in seinen Bildern zwischen 1961 und 1965 zitierte, sie waren nicht seine einzige Quelle, doch die maßgeblichste. Von ihnen übernahm er zwei wesentliche Elemente: kräftige schwarze Konturlinien und eine auf wenige Grundtöne beschränkte Farbskala. Um gedruckte Reproduktionen vorzutäuschen, wurden die Farben häufig in Rasterform aufgetragen, worauf ich später noch näher eingehen werde. 126 Wie kam es nun bei Lichtenstein zum Aufgreifen der Comic-Motive? Zwar hatte Lichtenstein hin und wieder Cartoons gelesen, “doch außergewöhnliche Begeisterung für das Medium kennzeichnete weder den jugendlichen noch den erwachsenen Roy Lichtenstein.”127 Busche sieht vielmehr das Künstlerische als einen Grund und nennt in diesem Zusammenhang den Teppich von Bayeux aus dem Ende des 11. Jahrhunderts als einen immer wieder genannten Vorläufer des Comic-Strips, dem Lichtenstein “bereits in seine 'mittelalterlichen' Phase einige Details entnommen hatte”128. Schließlich war die intensive Beschäftigung des Künstlers mit Picasso, Klee oder Miro für die Entdeckung der Comic-Welt von außerordentlicher Bedeutung, denn die Comic-Zeichner arbeitetn mit den gleichen bildnerischen Kürzeln, die auch von den Klassikern der europäischen Moderne entwickelt und verwendet wurden. Lichtensteins Interesse an dieser Art von unkonventioneller Thematik wurde dadurch bestärkt, was sich ansonsten gerade in der Kunstszene zu tun begann, es machten sich neue Einflüsse bemerkbar. Als er 1960 seine Dozentenstelle am Douglas College der Rutgers University in New Jersey antrat, unterrichteten dort eine Reihe junger, innovativer Künstler, durch welche Lichtenstein Anschluss an jene Entwicklungen fand, die sich in New York vollzogen hatten, während er in Ohio und Oswego gewesen war.129 Unter anderem auch Allan Kaprow, welcher, wie zuvor schon erwähnt, ein wichtiger Einfluss für Lichtenstein war: mit seinen Environments und Happenings war er “weit über den traditionellen Kunstgegenstand hinausgegangen”130 und mit seiner “antiautoritären, hemmungslosen Art und Weise, mit der er die Kunst angriff” kam er Lichtensteins eigener “respektloser Haltung” durchaus entgegen und bereitete dadurch “den Boden für seine provokativen

126 Alloway 1984, S. 13. 127 Busche 1988, S. 12. 128 Busche 1988, S. 12. 129 Hendrickson 2001, S. 19. 130 Hendrickson 2001, S. 19.

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Comics.”131 Es war auch Kaprow, welcher Lichtenstein im Sommer 1961 anhand eines Kaugummi-Bildchens versicherte, dass man Farbe nicht nach den Alten Meistern wie Cézanne lernen kann, sondern nach dem banalen Comic-Bild auf einer Kaugummihülle.132 Außerdem regte er Lichtenstein dazu an, das Comic-Bild in seinem Originalzustand zu belassen und es nicht mit malerischen Mitteln zu verändern.133 Kurz darauf entstanden seine ersten Gemälde, bei denen er auf Comic- Figuren wie Mickey Mouse, Donald Duck und Popeye - 'Ikonen' der amerikanischen Populärkultur mit hohem Wiedererkennungswert – zurückgriff. In einem Interview aus dem Jahre 1966 mit Bruce Glaser erinnert er sich:

“Ich fing an, versteckte Comic-Motive wie Mickey Mouse, Donald Duck und Bugs Bunny in diese Bilder einzubauen. Zur gleichen Zeit zeichnete ich kleine Mickey-Mouse-Figuren und andere Sachen für meine Kinder, wobei mir die Bildchen auf Kaugummipapieren als Vorlage dienten. (…) Dann kam mir die Idee, eins dieser Kaugummipapiere zu malen, und zwar großformatig, einfach um zu sehen, wie das ausschauen würde. Ich glaube, zuerst war ich dabei Beobachter und gar nicht so sehr Maler, aber als das Bild dann halb fertig war, begann es mich als Bild zu interessieren. So wandte ich mich wieder ‘seriöser’ Arbeit zu, denn das war einfach zu stark für mich. Allmählich wurde mir klar, daß diese Sache eine größere Wirkung auf mich ausübte, als ich mir vorgestellt hatte und als sie es eigentlich verdiente”.134

“Die frühen Mickeys und Donalds trugen noch eindeutig die Handschrift eines Künstlers, aber 1961 entschloß sich Lichtenstein, radikal mit seinem expressiven Stil zu brechen. Er stellte nämlich fest, daß ein Zitat der tatsächlichen industriellen Drucktechnik und die Einbeziehung der Sprechblase das Bild wesentlich stärker machten und ihm eine neue verblüffende Qualität verliehen.”135 Zu der Zeit entstanden diejenigen Bilder, die bereits mit seinem Schaffen Mitte der 80er Jahre in Zusammenhang stehen. Er wählte einen flachen Malstil, der die Bildebene als begrenzte Zone definierte, womit er sich gegen das Raumspiel der Abstrakten Expressionisten absetzte.136 Das erste großformatige Ölbild, in welchem er mit “scharf konturierten Figuren, Industriefarben und Rasterung arbeitete, wie sie im kommerziellen Druckverfahren zur Erzielung von Halbtönen eingesetzt wird,”137 war

131 Busche 1988, S. 14. 132 Steininger 2003 , S. 44. 133 Hendrickson 2001, S. 20. 134 Hendrickson 2001, S. 20. 135 Hendrickson 2001, S. 20. 136 Alloway 1984, S. 13. 137 Hendrickson 2001, S. 20.

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Look Mickey (Abb. 19) von 1961. Es zeigt eine Angelszene mit Mickey und Donald, wobei Donald ganz aufgeregt glaubt, er habe einen riesen Fisch an der Angel und weiß aber nicht, dass er sich mit seinem Angelhacken in seinem eigenen Hemd verfangen hat. Mickey hält sich die behandschuhte Pfote vor den Mund um nicht laut loszulachen. Man fragt sich natürlich, warum er gerade diese Szene herausgesucht hat, aber wahrscheinlich, weil sie die Pointe enthält. Hendrickson begründet es damit, dass ihn die Szene vielleicht aus formalen Gründen reizte und es wäre vielleicht ein “Seitenhieb gegen jene exaltierten Künstler, die glauben, sie hätten etwas ganz Neues und Großartiges erschaffen und die dabei doch nur einem Selbstbetrug erliegen.”138

Lichtensteins Stil wurde der industrielle Stil des gedruckten Comics. 1961 malte er etwa sechs Bilder, bei denen er identifizierbare Charaktere von Kaugummiverpackungen oder aus Comic-Büchern benutzte.139 Er zeichnete sie mit Bleistift direkt auf die Leinwand und malte sie dann mit Öl aus. Gegenüber dem Original machte er nur geringfügige Abweichungen und die für ihn typische Rasterung wurde durch eine unregelmäßige Struktur feiner Punkte angedeutet, die nur in bestimmten Feldern erschienen.140 Lichtenstein wollte, dass seine Bilder aussehen, als seien sie von einer Maschine gemacht. Im Gegensatz zu Andy Warhol aber, hat er fast nie eine Fotografie als Vorlage für seine Arbeit benutzt, so waren beispielsweise die Szenen aus den Teen- und Action-Comics von Illustratorenteams hergestellt worden, die in ihrer Arbeit keinerlei persönliche Stilelemente erkennen ließen.141 Von den Disney-Charakteren wandte sich Lichtenstein später ab, weil sie ihm, wie Hendrickson begründet “für seine Zwecke nicht anonym genug erschienen”142. An ihre Stelle traten Motive wie Illustrationen von Artikeln aus Versandhauskatalogen, kleine Werbe-Anzeigen in der Tagespresse oder den 'Gelben Seiten' des Telefonbuches, “das gilt sowohl für die Vielzahl von Einzelobjekten, die bis 1963 im Werk überwiegen, als auch für einige Frauen-und Männerköpfe; die gelbe Grundfarbe der Yellow Pages finden wir in mehreren dieser Gemälde wieder.”143 Hendrickson äußerte sich forlgendermaßen dazu: “In den sechziger Jahren gab es praktisch keinen normalen Gebrauchsgegenstand,

138 Hendrickson 2001, S. 20. 139 Alloway 1984, S. 13. 140 Hendrickson 2001, S. 20. 141 Hendrickson 2001, S. 25. 142 Hendrickson 2001, S. 25. 143 Busche 1988, S. 12.

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der nicht 'neu und verbessert' auf den Markt gekommen wäre. Laufend wurden Methoden entwickelt, um auch relativ unspektakuläre Produkte in einem dramatischen Licht erscheinen zu lassen. Die Produkte wurden zu Symbolen für einen idealen Lebensstandard. Lichtenstein mag auf diese Nachkriegsentwicklung reagiert haben, als er damit begann verschiedene Konsumgüter zu zeichnen und zu malen.”144 Diese verarbeitete Lichtenstein zu großformatigen, irritierenden Bildern von ungeheurer Präsenz und Spannung, welche durch den Widerspruch entsteht, dass es sich einerseits um einen anonymen Zeichenstil handelt, andererseits ein kommerzielles Bild tatsächlich von einem individuellen Künstler hergestellt wurde. Die Art und Weise, wie die Werbung an der Wirklichkeit vorbeigeht, hat etwas Lächerliches an sich und auch das muss ihm gefallen haben.145 Die Fritteuse (Abb. 30), Waschmaschine (Abb. 31) und Sofa von 1961 oder Kotelett und Socke (Abb. 32) von 1962 sind grafisch-lineare Zeichnungen von Dingen, deren Notwendigkeit für ein besseres Leben gezeigt werden soll, damit die Menschen sie kaufen.146 Teilweise erscheinen die Objekte in diesen Bildern isoliert vor einem weißen Hintergrund und - abgesehen von gelegentlichen Markennamen - ohne begleitenden Text. Für Hendrickson transportieren sie “anders als in surrealistischen Gemälden” keine verschlüsselten Botschaften und haben die “stumme Kälte von Denkmälern, deren heroischer Anspruch es dem Betrachter schwer macht, sich mit ihnen zu identifizieren.” Es gehe Lichtenstein in diesen Zeichnungen nicht darum, die Konsumgesellschaft zu kritisieren, “er zeigt sie lediglich, wie sie ist, und es läuft darauf hinaus, daß sie sich selbst parodiert.”147

Viele seiner Motive wirken so direkt und anonym, dass es fast unmöglich ist, sie zu identifizieren. Hendrickson führt hierzu das Beispiel Golfball (Abb. 33) von 1962 an: Die Vertiefungen auf der Oberfläche machen ihn zu einem erkennbar dreidimensionalen Objekt, “doch gleichzeitig sind sie auch ein Spiel mit abstrakten Zeichen”148 und erinnern Hendrickson und Alloway durch ihre systematische Anordnung an die ovalen Bilder Piet Mondrians (Abb. 34) aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Alloway erinnert das Bild auch an Computer-Zeichnungen und dadurch,

144 Hendrickson 2001, S. 26 145 Hendrickson 2001, S. 26. 146 Hendrickson 2001, S. 26. 147 Hendrickson 2001, S. 26. 148 Hendrickson 2001, S. 25.

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dass sie so “starr im Raum steht”, sogar an eine “eiserne Kanonenkugel”.149 Hendrickson führt weiters den Vergleich mit Claes Oldenburgs monumentalen Tortenstücken, Sandwiches oder Jeans, aus Vinyl, Gips oder Gewebe, an. Durch die gleichzeitige Reduktion des Gegenstandes und seine Überdimensionierung haben sie denselben humorvollen Effekt wie Golfball, Hendrickson beschreibt sie als “unsentimental und prosaisch” und als einfache Produkte, “deren aufdringliche Präsenz nicht im mindesten durch ihre tatsächliche Entbehrlichkeit verringert wird. Vielmehr beginnt man sich zu fragen, ob sie überhaupt entbehrlich sind.”150

Comic- und Werbewelt haben gemeinsam, dass sie dem Zwang zur schnellen und billigen Herstellungsweise unterliegen: Die Zeichner müssen mit formalen Vereinfachungen arbeiten, welche in den oft winzigen Anzeigen oder Comic-Bildern nicht ins Gewicht fallen, denn die Bilder dienen allein dazu, “Geschichten zu erzählen, Spannung zu erzeugen, ein Produkt so eindringlich wie möglich zu präsentieren” und dadurch, dass sie nur flüchtig wahrgenommen werden, können Details in vieler Hinsicht vernachlässigt werden. “Der entscheidende Eingriff Lichtensteins liegt nun darin, den gewonnenen Wahrnehmungsprozeß zu unterbrechen, die Bilder aus ihrer Anonymität herauszunehmen und als Einzelwerk zu präsentieren. Dabei werden ihre ursprünglichen Mängel in positive Eigenschaften umgedeutet.”151

5.3 Lichtensteins Comic-Vorlagen: Triviale Massenmedien

Lichtenstein wählt als Vorlagenmaterial jene trivialen Liebes- und Kriegs-Comics, die einer strengen Zensur unterworfen sind und konservative Werte vermitteln. Sie erzählen real mögliche Geschichten und bemühen sich in der Art der Zeichnung um eine möglichst naturgetreue Nachbildung der jeweiligen Vorgänge. In den Liebes-Comics dreht sich alles um private Beziehungskonflikte. In verschiedenen Konstellationen erzählen die Serien Secret Hearts, Young Romance oder Falling in Love von romantischer Sehnsucht, intriganten Rivalen und

149 Alloway 1984, S. 16. 150 Hendrickson 2001, S. 26. 151 Busche 1988, S. 12.

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verzehrendem Liebeskummer. Im Gegensatz zu der selbstbewussten und aggressiven Mannhaftigkeit der Kriegs-Comics zeigt sich in den Liebes-Comics ein konservativ geprägtes Frauenklischee, welches, naiv und von (melo)dramatischen Gefühlen getrieben, von einer Romanze in die nächste gerät und sich das 'Glück zu Zweit' ersehnt.152 “Die erotische Anziehung zwischen Mann und Frau wird in den tradierten Rollen des starken Beschützers und der schwachen Kindfrau züchtig verbrämt. Als gerade noch tolerierbarer Höhepunkt galt der vereinigende Kuss zwischen Mann und Frau.”153 Weil solche Beziehungsprobleme im traditionellen Verständnis am ehesten Frauen zugeschrieben werden, dominiert in diesem Bereich das Weibliche: Der innigst erhoffte Verlobungsring (The Engagement Ring, Abb. 27) oder der traumhafte Liebesakt (We Rose Up Slowly, Abb. 59) sind “die Sehnsuchtsfolie, vor der sich die Endlosdramen abspielen.”154 Da ist beispeilsweise die Blondine, die sich mit den Worten 'M-Maybe he became ill...' (Abb. 36) über das Nicht-Erscheinen des Freundes tröstet oder das verschmähte Drowning Girl (Abb. 58), welches lieber ertrinkt als ihren Brad um Hilfe zu rufen - alles keine wirklichen Schwierigkeiten, sondern “happy problems”, wie es Busche beschreibt.155 Diese Emotionen der Dramatik, Spannung, Angst, unterschwelliger Bedrohung und Kriesenstimmung durchziehen die meisten Comic-Strip-Bilder Lichtensteins und stehen im krassen Gegensatz zur Beherrschtheit der Malweise. Hendrickson zeigt das am Beispiel von We Rose Up Slowly und Drowning Girl, wo Lichtenstein “ganz bewusst auf den Kontrast von gefühlsüberladenen Szenen einerseits und seinem reduzierten, 'industriellen' Stil andererseits setzte.” Die Folge davon ist, wie Hendrickson es beobachtet, “daß das Gefühl nicht mehr echt erscheint bzw. daß es entschieden zu trivial wirkt, als daß man sich zu ihm bekennen könnte.”156 Dabei ist nicht nur die Gefühlswelt der Personen stereotypisiert, sondern ebenso ihre äußere Erscheinung immer die gleichen Schönheiten und Helden ohne Individualität.157

152 Wattolik 2005, S. 59. 153 Wattolik 2005, S. 60ff. 154 Busche 1988, S. 14. 155 Busche 1988, S. 14. 156 Hendrickson 2001, S. 36. 157 Busche 1988, S. 14f.

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5.4 Die Motive

“Ich habe den Hang, sehr typische Comic-Motive zu wählen, solche, die in einem gewissen Sinne nicht eine in ihrem Bereich einzigartige Idee ausdrücken. Mit anderen Worten: Ich wähle üblicherweise nicht jene Motive, die überwältigende Aussagen enthalten, sondern jene, die keine Aussage von Bedeutung aufweisen oder die lediglich klassische Archetypen ihrer Art zu sein scheinen. Die interessiert mich am meisten: Von solchen Motiven ausgehend zu einer fast klassischen Form zu gelangen, wobei ich versuche, dem Motiv etwas abzugewinnen, das außerhalb der Zeit liegt, das unpersönlich und ‘mechanisch’ erscheint. (….) Comics sind Experimentierfelder der Erregung der Phantasie.” 158

Lichtenstein greift als Motiv nicht gezielt den Höhepunkt einer bestimmten Comic- Geschichte heraus, was sich am Beispiel einer Bildsequenz zeigen lässt, die einer Ausgabe von Secret Hearts von D.C. Comics (Abb. 37, 37a) entnommen ist: Das Cover entspricht fast gänzlich dem mittleren linken Glied der Folge. Der Schlüsselmoment der Handlung wird herausgenommen und als Einzelbild isoliert, was auch dem Sinn eines Covers entspricht, denn schon mit einem kurzen Blick soll der potentielle Käufer wissen, welche Art von Geschichte er sich mit dem jeweiligen Heft kaufen kann. Lichtenstein jedoch wählt nicht dieses Bild, sondern jenes darüber, das ein weinendes Frauengesicht in Großaufnahme zeigt und verarbeitet es 1964 in (Abb. 37 b).159 Indem Lichtenstein die Vorlage aus der Bilderfolge herauslöst und sie dadurch ihren logischen, erzählerischen Ablauf verliert, erhält die Szene eine neuartige, ungewöhnliche Bedeutung. “Das Bild begegnet Sehgewohnheiten, Wahrnehmungs- und Lesestrukturen wie fremd. Und die Größe der Bilder steigert die vulgäre Belanglosigkeit der Vorlage.”160 Lichtenstein wählt auch Einzelbilder aus, die ihm für die malerische Umsetzung brauchbar erscheinen, sowohl in visueller Hinsicht als auch in Bezug auf die geschriebene Botschaft. Manchmal archiviert Lichtenstein diese Ausschnitte in einem kleinen Schulheft, den so genannten Composition Books, worin man eine intensive Auseinandersetzung mit dem formalen Aufbau der Comic-Figuren finden kann. So sind auf einer der Seiten sechs schmale Ausschnitte von weiblichen Comic-Köpfen in Profilansicht gruppiert (Abb. 38), auf anderen Seiten eine Sammlung von weiblichen mimischen Ausdrücken und Gesten (Abb. 38 a,b). Vergleicht man sie miteinander, so

158 Lichtenstein zit. in: David Pascal, Interview de Roy Lichtenstein. in: Giff-Wiff, Nr. 20, Mai 1966, S. 6-15, in: Waldman 1994, S. 56. 159 Wattolik 2005, S. 78. 160 Osterwold 2003, S. 184.

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fällt auf, dass die Proportionen der Gesichtszüge - Stupsnase, voller, kleiner Mund, geschwungene Augenbrauen und lange Wimpern - dem gleichen Schema folgen. Das einzige, was die verschiedenen Köpfe voneinander unterscheidet, sind die Frisur und die Haarfarbe, welche ebenfalls wie stereotype Versatzstücke wirken. Lichtenstein geht es hier anscheinend um die “Analyse der physiognomischen Schablone”.161 Auffällig ist dabei, wie gestellt und künstlich die verschiedenen weiblichen Handhaltungen in ihrer Isolierung aus dem Kontext wirken. So sind die schlanken Finger unterschiedlich stark gebogen, teilweise elegant abgespreizt und mit langen manchmal lackierten Nägeln versehen, gerade so, als seien die Mädchen einem Mode- und Kosmetik-Magazin entsprungen. Eine andere Seite aus Compositions VR enthält die Zusammenstellung von schwarz- weißen Werbegrafiken, deren Bildsprache auf einer vergleichbaren Art der schematischen Zeichnung basiert wie die der Comics. Im größten der Bildausschnitte steht hinter einem vollen Geschirrspüler eine adrett gekleidete junge Frau, die dem Betrachter entgegenlächelt (Abb. 38c). Mit einer Hand präsentiert sie das perfekt eingeschlichtete saubere Geschirr, mit der anderen Hand macht sie eine graziöse Geste der Raffinesse und Leichtigkeit des Geschirrabwaschens mit dem Geschirrspüler.162 Lichtenstein greift dieses Thema in The Refrigerator (Abb. 56, 56 a) von 1962 auf, welches in Kapitel 10.2 ausführlich erörtert wird.

5.5 Die Benday dots

Das Raster, oder Benday dots genannt, ist Lichtensteins vielleicht wichtigste Entdeckung beim Verwandeln der Vorbilder und in der Drucktechnik vor allem ein preiswertes Hilfsmittel, um mit nur wenigen Farben und Druckvorgängen mehrere Intensitäten und Farbvariationen, aber auch zugleich Fläche und Tiefe, Geschlossenheit und Transparenz zu erzeugen. Mehrfach thematisiert er das Raster- Motiv, welches in der Kritik sofort diskutiert und zum eigentlichen Markenzeichen des Künstlers erklärt wird, wie zum Beispiel in Sponge II (Abb. 35) von 1962 , wo der Schwamm den 'Raster-Schmutz' wegwischt.163

161 Wattolik 2005, S. 52. 162 Wattolik 2005, S. 52, 92ff. 163 Busche 1988, S. 12f.

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Lichtenstein ging so weit, mit den Rasterpunkten drucktechnische Verfahrensweisen zu zitieren und sich damit explizit zur gedruckten Vorlage zu bekennen. “Jene Kritiker und kommerziellen Künstler, die ihm vorwarfen, er distanziere sich nicht genügend von seiner Bildquelle, übersahen ganz offensichtlich, daß nicht nur der Inhalt der Darstellung, sondern auch das Stilelement wichtig ist. Obwohl Lichtenstein nicht in allen seinen frühen Arbeiten Rasterpunkte verwendete, wurden sie doch zu Synonymen für seine Kunst und bevölkern seine Bilder bis auf den heutigen Tag.”164

Waldman beschreibt Lichtensteins Punktrasterverfahren, welches 1879 entwickelt und nach dem amerikanischen Zeitungsillustrator Benjamin Day (1838-1916) benannt wurde, folgendermaßen: Zuerst fertigte er von seiner Comic-Bildvorlage eine kleine Skizze an, die er solange überarbeitete, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war, und fügte dann die Farbe hinzu. Nach der freihändigen Übertragung des Motivs auf die Leinwand trug er die Ölfarbe anfangs noch mit einer Hundebürste auf eine Aluminiumplatte auf, in die er Löcher gebohrt hatte.165 Das Muster, welches er mit dieser Methode erzielte, war ihm jedoch nicht regelmäßig genug, weshalb er bald zur Frottage-Technik überging. The Kiss (Abb. 53) von 1962 ist ein charakteristisches Beispiel dieser Technik, “wo sich die dunkleren Kreuzungspunkte vor dem helleren Hintergrundton abheben”.166 Lichtenstein machte eine Zeichnung, legte das Papier auf einen feinen Maschendraht und rieb mit einem Stift darüber, wobei ihn jedoch der unregelmäßige Hintergrundton, der durch die Handreibung entstand schon bald störte.167 1962 ging er dazu über, bei größeren Flächen mit Magna, einer mit Öl und Terpentin versetzten Acrylfarbe, zu arbeiten, weil er dadurch erforderliche Änderungen leichter vornehmen konnte. “Er verschob die Punktrasterschablone von einem Bereich der Leinwand zum nächsten, bis er die gesamte Oberfläche überzogen hatte. Anschließend trug er auf die ungrundierte Leinwand seine Primärfarben auf und vollendete mit einer oder mehreren schwarzen Konturlinien das Bild." 168 1963 experimentierte Lichtenstein mit verschiedenen Arten von Maschendraht und benutzte sie sogar als Schablone, indem er sie auf das Papier legte und “mit einer Art Lithokreide betupfte”. Mit dieser Schablonentechnik erzielte er genau jene

164 Hendrickson 2001, S. 41. 165 Waldman 1994, S. 57. 166 Hendrickson 2001, S. 45. 167 Hendrickson 2001, S. 45. 168 Waldman 1994, S. 57.

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mechanisch wirkende Regelmäßigkeit, auf die es ihm ankam, was man am Beispiel von Zwirnspule (Abb. 22) von 1963 gut erkennen kann.169 Ab 1963 griff er auf ein maschinell hergestelltes Sieb zurück und nahm schon bald die Dienste eines Assistenten in Anspruch, der die Punkte einzusetzen hatte: alles andere auf den Bildern stellte er eigenhändig fertig.170

5.6 Die Farben

“Ich verwende die Farbe in gleicher Art wie die Linie. Ich will sie übersimplifiziert: Alles, was irgendwie rot sein könnte, wird effektiv rot. Es ist nur scheinbare Unempfindlichkeit. Die wirkliche Farbordnung ergibt sich nämlich aus der Handhabung von Größe, Gestalt und Nebeneinanderstellung … Auch wollte ich, daß der Bildgegenstand den distanzierten und wohlüberlegten Maltechniken entgegengesetzt sei” 171

Die Comics boten Lichtenstein ein reichhaltiges Arsenal an technischen Möglichkeiten, was auch für die Farbe gilt, welche ja “traditionell das am wenigsten definierte Element der Malerei ist. Lichtenstein behandelt sie wie eine quantifizierbare Größe, als sei es Druckerfarbe. Ein Comic-Zeichner färbt seine skizzierten Umrisse nicht selbst ein; es genügt, den jeweiligen Farbton und seine Dichte zu bestimmen, das kolorierte Comic-Bild entsteht dann erst im Laufe des Druckverfahrens.” Diesen Prozess simuliert Lichtenstein per Hand “und sagt sich damit implizit von der venezianischen und Rubensschen Farbtradition los.”172 Lichtensteins Imitation von Druckfarben kann man auch als eine Kritik an bestimmten Vertretern des Abstrakten Expressionismus verstehen. Während noch viele Maler der ersten Generation der New Yorker Schule einer Farbe eine neue Bedeutung gaben, mit ihr einen bestimmten Gefühlszustand ausdrücken oder eine Stimmung beschwören wollten, neigten die 'Erben' der Bewegung, wie der Kritiker Harold Rosenberg sie nannte, zu einem derart willkürlichen Gebrauch der Farbe, dass ihr zumeist keine Bedeutung mehr zukommt. Laut Waldmann wollte Lichtenstein durch eine sparsame Farbgebung widerspiegeln, “welche immer wichtiger werdende

169 Hendrickson 2001, S. 45. 170 Waldman 1994, S. 57. 171 Lichtenstein zit. in: Osterwold 2003, S. 184. 172 Alloway 1984, S. 13.

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Rolle die Primärfarben und Schwarz und Weiß in unserer Kultur spielen.” Das von ihm in einem “kräftigen, beißenden Ton” zusätzlich verwendete Grün bildet als Sekundärfarbe die einzige Ausnahme und wurde hauptsächlich “als Kontrapunkt zu den anderen Farben eingesetzt.” Weiters dienten Lichtenstein die Farben der Festlegung bestimmter Konnotationen wie ‘Gelb = Haar’ oder ‘Blau = Himmel’.173 In Anknüpfung an die Comic-Strips malte er häufig mehrere verschiedene Gegenstände in einem Bild in der gleichen Farbe, so verwendete er beispielweise in Blonde Waiting (Abb. 39) von 1964 denselben Gelbton für das Haar der Frau, den Wecker und den Bettpfosten aus Messing. “Dadurch, dass er die Farbe - ähnlich wie das Punktraster - als ein reduktives, vereinheitlichendes Bildmittel einsetzte, stellte er nachdrücklich heraus, dass das, was er vorlegt, eine Abstraktion unserer Wirklichkeitserfahrung ist.” 174

5.7 Die Bewegung

Neben dem einfachsten und billigsten, dem Schwarzweiß-Kontrast, ist auch die Bewegung ein gutes Mittel, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Deshalb sind laut Busche die Objekte in Lichtensteins Bildern “stets in irgendeiner Weise in Unruhe, sogar erregt”175, wobei das am häufigsten angewandte Mittel Bewegung darzustellen die agierende Hand ist, die gerade putzt (Sponge II, 1962, Abb. 35), Brot eintütet, eine Spraydose betätigt oder nur mit dem Finger deutet. Auch in den Comic- Strips ist Bewegung, ähnlich wie in den Kleinanzeigen, ein grundlegendes Prinzip. Bereits in den ersten Comic-Adaptionen ist diese heftige Bewegung enthalten, im Faustschlag Popeyes, aber auch in der scheinbar friedlichen Angelszene Look Mickey! (Abb. 19):176 “Auf der Leinwand sind noch die Bleistiftspuren zu erkennen, mit denen Lichtenstein dem ursprünglich sehr viel flacheren Steg die endgültige Kipp-Bewegung zum Betrachter hin gab. Das Ausschnitthafte vieler Szenen, das einem engeren Herangehen an die Person oder Szene, einem stärkeren Einbeziehen des Betrachters entspricht, dient demselben Ziel.” Busche nennt jedoch die seelische Bewegung als stärkste Form, die Lichtenstein entwickelt, “die endlosen Beziehungsprobleme der

173 Waldman 1994, S. 59. 174 Waldman 1994, S. 59f. 175 Busche 1988, S. 14. 176 Busche 1988, S. 14.

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Menschen in unserer städtisch geprägten Gesellschaft des späten Industrie- Zeitalters.”177

5.8 Die Sprechblasen

Schon von seinem ersten Cartoon-Bild Look Mickey! (Abb. 19) an entwickelte sich die Sprechblase zu einem wesentlichen Element der Komposition. Dadurch, dass Lichtenstein den Text als prägendes Merkmal einsetzte, erzielte er einen ungewöhnlichen Effekt, denn anstatt Sprache lediglich als Beiwerk zum Bildmotiv zu verwenden, erzwang er eine direkte Konfrontation des Betrachters mit der in der Bilderzählung enthaltenen Botschaft und provoziert dadurch zu einer Reaktion. Die Gefühlsausbrüche, wie beispielsweise in Drowning Girl (Abb. 58) von 1963:‘I DON’T CARE! I’D RATHER SINK - THAN CALL BRAD FOR HELP!’ stehen in krassem Gegensatz zur Beherrschtheit der Malweise, welchen Lichtenstein noch betont.178 Der Verwendung von Wörtern als Bildmotive begegnet man in unserem Jahrhundert im Kubismus, im Abstrakten Expressionismus, aber auch im Futurismus, Konstruktivismus, Dadaismus und Surrealismus, wobei es sich um eine Tradition handelt, “bei der die symbolischen Assoziationen zwischen Sprache und rein malerischer Bildwelt sich gegenseitig unterstützen. Lichtenstein gab dieses symbiotische Verhältnis auf, um statt dessen die Sprache als Zeichen einzusetzen. Die Schriftart, die in den Comic-strips und in der Werbung Verwendung findet, erwies sich als ideal, um eine ironische, antiästhetische Distanz zum Ausdruck zu bringen und um Wörter zum Subjekt ebenso wie zum Objekt zu machen.”179

177 Busche 1988, S. 14. 178 Waldman 1994, S. 63. 179 Waldman 1994, S. 69.

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5.9 Die Formate

Ebenso, wie er die Rolle des Textes verstärkte, vergrößerte Lichtenstein das einem Comic-Strip entlehnte Einzelbild stark und “machte sich so die dramatische Wirkung des veränderten Maßstabs zunutze.” Besonders charakteristisch ist auch die an den Rändern beschnittene Darstellung, ein Bildmittel, das ihm dazu dient, “die Grundfläche zu vergrößern und Darstellung und Bildfläche zur Deckung zu bringen.” Dieser Eindruck der “Nichtabgeschlossenheit” ging von den Comic-Strip-Bildern aus und durchzieht sein gesamtes Oeuvre, wobei er in vielen eher kleinformatigen Bildern jene Wirkung “nicht durch das Figur-Hintergrund-Verhältnis erzielt, sondern durch eine bildfüllende 'Allover'- Komposition, ein Stilmittel, das zweifellos auf seine Auseinandersetzung mit dem Abstrakten Expressionismus zurückgeht.”180 Gelegentlich griff Lichtenstein auf die Form des Diptychons zurück, welche erstmals 1961 auftaucht und dessen nächstliegender Bezugsrahmen die Ikonographie des Mittelalters und der Renaissance darstellt. Lichtenstein erkannte diese Bildanlage auch als ideal geeignet für seine Comic-Darstellungen, verwendete sie aber zuerst in Bildern nach Werbeanzeigen aus Zeitungen oder Illustrierten. Step-on-Can with Leg (Abb. 55), beispielsweise, zeigt jeweils ein Bilderpaar mit einer Vorher-Nachher- Situation, wobei er das rechte Bild nur ganz leicht gegenüber dem linken modifiziert. Andere Facetten der Bildform des Diptychons erprobte er in Eddie-Diptych (Abb. 40) und in We Rose Up Slowly (Abb. 59), wo jeweils eine Bildhälfte nur für den Text und die andere für die Darstellung verwendet wurde. In Eddie-Diptych klärt uns der Textteil links darüber auf, was die junge Blondine, die Tochter, im rechten Bildteil denkt, doch noch während man ihre Gedanken liest, wird die Aufmerksamkeit auf das Bild von Mutter und Tochter rechts gelenkt. Der melodramatische Text bzw. Dialog finden ihren Niederschlag in der Darstellung der besorgten Mutter und der unglücklichen Tochter.181

180 Waldman 1994, S. 75ff. 181 Waldman 1994, S. 86f.

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6 Die Parodie in den Werken Roy Lichtensteins

“Man wird meine Arbeiten wohl kaum für nicht satirisch halten oder annehmen, sie bezögen keine Stellung. (...) Ich bin nicht ganz sicher, welche soziale Botschaft meine Arbeiten enthalten, wenn überhaupt eine. Ich will eigentlich gar keine vermitteln. An meinen Themen interessiert mich nicht, die Gesellschaft etwas zu lehren oder in irgendeiner Weise unsere Welt zu verbessern.”182

Die Parodie spielt bei Lichtensteins Pop-Art-Gemälden eine große Rolle. Eva Wattolik spricht von der “Parodie im Zentrum seines künstlerischen Konzepts, welche stets auf mehreren Ebenen gleichzeitig stattfindet und eine Tiefe besitzt, die über oberflächlichen Ulk weit hinausreicht.”183 Sie betont weiters Lichtenstein selbst umschreibe den Witz seiner Bilder mit humor oder parody, wobei er den Comic- Bildern und Werbeanzeigen, welche er in seinen Gemälden aufgreift, auch eine besondere Wertschätzung entgegenbringt. Etwas zu bewundern und es dennoch zu parodieren ist für Lichtenstein demnach kein Widerspruch, “denn die meisten Parodisten hegen ein zwiespältiges Gefühl gegenüber ihrer Vorlage.”184 Dadurch, dass Parodien die Erinnerung an das Vorbild durch dessen Wiederholung hervorrufen und zur gleichen Zeit die ursprünglichen Merkmale der Vorlage übertreiben, Teile davon unterschlagen oder unpassende Elemente hinzufügen, werden bestimmte Eigenschaften des Vorbildes bloßgestellt und mit den Mitteln der Komik in Frage gestellt. Der komische Effekt entsteht dabei zumeist durch diese Kombination von normalerweise nicht zu Vereinbarendem.185 Das konservativ geprägte Frauenbild, das damals durch die Massenmedien bestätigt und verstärkt wurde, begann erst während der Bürgerrechtsbewegung zu Beginn der 1960er Jahre zu bröckeln. Lichtenstein parodiert folglich schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt weibliche Rollenmuster.186

182 Lichtenstein zit. in: Hendrickson 2001, S. 49. 183 Wattolik 2005, S. 52. 184 Wattolik 2005, S. 52. 185 Schneider 2005, S. 70. 186 Schneider 2005, S. 71.

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7 Der zeitgeschichtliche Kontext und Frauenbilder in den Massenmedien

7.1 Betty Friedan

Die Journalistin, Autorin und Psychologin Betty Friedan, geboren am 4. Februar 1921 in Peoria (Illinois), gehört zu den Wegbereiterinnen der US-amerikanischen Frauenbewegung. Bevor Frauen begannen, sich auf breiter Ebene zu organisieren, um für Gleichberechtigung zu kämpfen, veröffentlichte sie 1963 'Der Weiblichkeitswahn oder Die Mystifizierung der Frau', in dem sie schildert, wie sie die spezielle 'Frauenproblematik' in den 50er Jahren wahrnahm und welches bis heute als Klassiker der feministischen Literatur gilt. Sie erkannte die Frauen nicht nur als von außen (den Männern) unterdrückt, sondern wunderte sich vor allem darüber, wieso die Frauen sich selbst allzu freiwillig auf das Frau-Sein einschränken ließen. Die Ursache dafür nannte sie den Weiblichkeitswahn als "Name für das, was immer es war, das uns davon abhielt, unsere Rechte wahrzunehmen, das Schuldgefühle bei uns hervorrief bei allem, was wir nicht als Frau unseres Mannes, nicht als Mutter unserer Kinder taten, sondern als eigenständige Personen." 187 Die Tochter eines Juweliers und einer Journalistin studierte Psychologie und arbeitete ab 1944 in New York als Journalistin bei der Tageszeitung Worker's Press. Nach Kriegsende kehrten viele Männer an ihre Arbeitsplätze in den Redaktionen zurück, die Frauen wurden entlassen. Dieses Schicksal ereilte auch Friedan. Ihr als diskriminierend empfundenes Hausfrauendasein bildete den Anlass zu ihrem ersten Buch. Nach dem überraschend großen Erfolg von 'Der Weiblichkeitswahn' gründete sie 1966 zusammen mit anderen Frauen die Vereinigung NOW (National Organization for Women), die bis heute einflussreichste Organisation der US-amerikanischen Frauenlobby.188 'Der Weiblichkeitswahn oder die Selbstbefreiung der Frau' ist die erweiterte Neuauflage ihres Klassikers, mit neuem Vorwort und Epilog, welche anlässlich des zehnten Jahrestages der Erstveröffentlichung erschien.

187 Betty Friedan, Der Weiblichkeitswahn oder die Selbstbefreiung der Frau. Ein Emanzipationskonzept, Reinbeck/Hamburg 1982, S. 9. 188 Harenberg, Das Buch der 1000 Bücher. Autoren, Geschichte, Inhalt und Wirkung, Joachim Kaiser (Hg.), Dortmund 2002, S. 373f.

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7.2 Frauen im Amerika der sechziger Jahre

Im folgenden Kapitel zitiere ich unter anderem aus Friedans Buch 'Der Weiblichkeitswahn oder die Selbstbefreiung der Frau':

Der Wohlstand und der technologische Fortschritt der Nachkriegszeit veränderten das Leben der Menschen und brachten einem Großteil jeden nur denkbaren materiellen Komfort, ohne dass dieser Wandel “mit einer Infragestellung überlieferter Geschlechterklischees einhergegangegen wäre.” Denn die Aufrechterhaltung unterschiedlicher, genau definierter Geschlechterrollen war ein “im amerikanischen Alltag tief verwurzeltes gesellschaftliches Strategem und war nach dem Krieg womöglich sogar noch stärker ausgeprägt als vorher” - in einer Art Abwehrreaktion auf den Rollentausch, der vielerorts im Haus und am Arbeitsplatz stattgefunden hatte, während sich die Männer im Krieg befanden. Frauen hatten in Büros und Fabriken Jobs der abwesenden Männer übernommen und vielfach Gefallen an dieser neuen Rolle gefunden, obwohl sie nach der Rückkehr der Soldaten darauf eingestellt waren, dass wieder die alten Verhältnisse Einzug hielten: die Männer waren wieder für den Broterwerb zuständig und die Frauen kamen wieder ihren Haushaltspflichten nach. Jede Abweichung von dieser Norm erregte allgemeines Missfallen. ”Männer, die sich entschieden, dem männlichen Klischee zu trotzen um einen künstlerischen Beruf wie Schriftsteller, Komponist, Bühnenschauspieler oder Künstler zu werden, taten dies in dem Wissen, dass sie dadurch in eine gesellschaftliche Randposition gedrängt werden würden. Frauen, die sich für eine berufliche Karriere entschieden, nahmen dafür häufig große persönliche Opfer auf sich.” Zu den wenigen Ausnahmen zählten die Schauspielerinnen, die Karrierefrauen darstellten und zu Leitfiguren für viele junge Frauen in den fünfziger Jahren und danach wurden. “Diese resoluten und ehrgeizigen Frauen bewegten sich in Männerkreisen und schlugen die Männer häufig mit deren eigenen Waffen.”189 Doch das Traumbild der jungen Amerikanerinnen blieb scheinbar immer noch die Vorort-Hausfrau, denn sie war dank der Wissenschaft und arbeitssparender Geräte von der täglichen Plackerei erlöst worden. Sie war gesund, schön, gebildet und kümmerte sich nur um ihren Mann, ihre Kinder und ihr Heim. Sie hatte wahre weibliche

189 Friedan 1982, S. 18f.

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Erfüllung gefunden.190 Ursache dieser Einstellung war das Leitbild, welches von der Gesellschaft, sprich: Frauenzeitschriften, Werbung, Fernsehen, Film, Romanen, Zeitungsartikeln und Büchern, von Experten für Ehe und Familie, für Kinderpsychologie und sexuelle Anpassung, von Soziologen und Psychoanalytikern geschaffen wurde, das Leben der Frauen bestimmte und ihre Träume widerspiegelte.191 In der Frauenzeitschrift McCall’s, welche Anfang der sechziger Jahre die am stärksten steigende Auflagenziffer verbuchen konnte, wurde die Amerikanerin als jung und leichtfertig, fast kindlich, anschmiegsam, weiblich und passiv dargestellt, zufrieden in einer Welt, die aus Schlafzimmer, Küche, Kindern und dem schönen Heim besteht, wobei aber der Sex als einzige Leidenschaft dieser Frauen nicht ausgegrenzt wird. Ausgiebig werden darin Essen, Trinken, Kleidung, Kosmetik, Möbel und die Körper junger Frauen in Wort und Bild behandelt, wobei jedoch die Welt des Denkens und der Ideen hingegen nicht vorkommt. “Wenn man dieser Zeitschrift glauben will, haben Frauen weiter nichts im Sinn als Hausarbeit, Körperpflege, sich einen Mann zu angeln und ihn an sich zu fesseln.”192 Die Zeitschrift beschreibt genau jene Frauen, welche Roy Lichtenstein in seinen Comic-Bildern darstellte und widerspiegelte. Und obwohl der Inhalt aus heutiger Sicht veraltet wirkt, ist doch noch vieles davon in den Zeitschriften unserer Tage zu finden. Betty Friedan zitiert dann die Worte des Herausgebers einer anderen großen Frauenzeitschrift, deren Leserinnen hauptberuflich Hausfrauen sind, welche “an den Tagesfragen des öffentlichen Lebens” nicht interessiert sind: “Sie erwärmen sich weder für Innen- noch für Außenpolitik. Nur ihre Familie, ihr Heim und die Erziehung ihrer Kinder ist ihnen wichtig. Wenn man für Frauen schreibt, kann man einfach nicht über Geistesleben und allgemeine politische Fragen schreiben. Das ist der Grund, warum in unserer Zeitschrift jetzt zu 90% Haushaltsprobleme und nur zu 10% Fragen von allgemeinem Interesse behandelt werden.”193 Friedan weist jedoch darauf hin, dass das keineswegs immer so war: 1939 waren die Heldinnen in den Kurzgeschichten und Romanen der Frauenzeitschriften zwar nicht immer jung, aber in gewissem Sinne jünger als ihr Gegenstück der sechziger Jahre.

190 Friedan 1982, S. 18f. 191 Friedan 1982, S. 31. 192 Friedan 1982, S. 32f. 193 Friedan 1982, S. 32f.

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Sie gingen einer Zukunft entgegen, die anders sein sollte als die Vergangenheit. Die Mehrzahl der Heldinnen in den vier größten Frauenzeitschriften waren glückliche, stolze, unternehmungslustige, attraktive berufstätige Frauen. “Beruf schien zu bedeuten, daß man jemand war, daß man nicht einfach in anderen und durch andere lebte.“ Aber ab 1949 geschah eine Rückkehr zum alten Leitbild, propagiert wurde nun der 'Weiblichkeitswahn', welcher besagt, dass “der höchste Wert und die einzige Verpflichtung für Frauen die Erfüllung ihrer Weiblichkeit sei" und Beruf und höhere Bildung zur “Vermännlichung der Frauen führten, was ungeheuer gefährliche Folgen für das Heim, die Kinder und die Fähigkeit der Frau wie auch des Mannes, sexuelle Befriedigung zu finden, haben kann.”194 Die Zahlen sprechen für sich: “Gegen Ende der fünfziger Jahre war das Durchschnittsheiratsalter der Amerikanerinnen auf zwanzig gesunken und fiel noch weiter. Vierzehn Millionen Mädchen waren mit siebzehn verlobt.” Ein Jahrhundert früher hatten die Frauen noch um höhere Bildung gekämpft. Während 1920 noch 47% der Studenten Frauen waren, sank 1958 deren Anteil auf 35% und Mitte der fünfziger Jahre brachen 60% der Studentinnen ihr Studium ab, um zu heiraten oder “weil sie fürchteten, zuviel Bildung würde ein Ehehindernis sein.”195 Das Anwachsen der Kinderzahl bei Akademikerinnen war verblüffend, schließlich überstieg die amerikanische Geburtenziffer gegen Ende der fünfziger Jahre diejenige Indiens. “Statt der früher üblichen zwei oder drei Kinder hatten sie jetzt vier, fünf oder sechs. Frauen die ehemals einen Beruf haben wollten, machten jetzt einen Beruf daraus, Kinder zu bekommen.”196

Blanche Linden-Ward bzw. Carol Hurd Green bringen diesbezüglich ein weiteres Beispiel in ihrem Buch 'American Women in the 1960s':197 In einen Artikel aus dem Jahr 1960 des Time- Magazines The Roots of Home, werden die Hausfrauen der Vorstadt für ihre “Aufrechterhaltung des amerikanischen Traums” in einer Sprache gelobt, welche gleichsam sowohl nach “Gebet als auch nach Verächtlichmachung” klingt: “She is first of all the manager of home and brood, and beyond that a sort of aproned activist. . . . With children on her mind and under her foot, she is breakfast-

194 Friedan 1982, S. 36f. 195 Friedan 1982, S. 36ff. 196 Friedan 1982, S. 36ff. 197 Blanche Linden-Ward/ Carol Hurd Green, American Women in the 1960s. Changing the Future, New York 1993, S. 2ff

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getter, laundress, house cleaner, dishwasher, shopper, gardener, encyclopedia, arbitrator of children's disputes and policeman. If she is not pregnant, she wonders if she is. She takes her peanut-butter sandwich lunch while standing, thinks she looks a fright, watches her weight (periodically) and jabbers over the short-distance telephone with the next-door neighbor.”

Friedan, die selbst als Hausfrau in den fünfziger Jahren mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Vorstadt lebte, wollte sich mit der Leere ihrer Situation nicht zufrieden geben und stellte fest, das das viele andere Frauen bestätigten. Sie initiierte eine Fragebogenaktion, bei der sie das wahre Ausmaß der Frustration der Frauen erfuhr. Als sie jedoch keine Frauenzeitschrift fand, die die Ergebnisse veröffentlichen wollte, entschloss sie sich zu einer Publikation ihrer Studie als Buch, welches erst 1963 gedruckt wurde.198 Friedan stellt darin schließlich die Frage was nun diesem Leitbild fehlt, “welches das Streben der Amerikanerin nach Erfüllung als Frau und Mutter” bestimmt und was dem Bild fehlt, “das die Identität der Frauen im damaligen Amerika widerspiegelt”. Sie spricht dabei vom “Problem ohne Namen”, denn obwohl die Nachkriegsfrauen in Amerika gerne Frau und Mutter waren, waren sie schlussendlich doch nicht so glücklich wie erwartet. Friedan sprach in ihrem Buch aus, was viele Frauen heimlich dachten und fühlten: “Irgendwann kam die Frage auf: 'Soll das alles gewesen sein?'”/”Ich fühle mich irgendwie leer... unvollständig... Mir kommt es vor, als ob ich gar nicht da wäre..."/ "Meine Tage sind ausgefüllt, aber langweilig... Stumpfsinnig"/ “Das Problem ist, daß ich immer die Mammi der Kinder oder die Frau des Pfarrers bin und niemals ich selbst."199 Friedan sieht als eine Ursache für dieses 'Problem ohne Namen', also für die Fehlentwicklung, die zu dieser unbefriedigten Stellung der Frau führt, in frühester Erziehung begründet. “Systematisch werden die Frauen auf ihr Dasein als Hausfrau und Mutte vorbereitet und so in ein 'komfortables Gefängnis' verwiesen.” Die Autorin schließt ihre Untersuchungen mit dem Entwurf eines möglichen Lebensplanes für Frauen, wobei sie ihnen vorschlägt sich eine eigene Identität zu suchen, von der Rolle der Hausfrau zu verabschieden und womöglich einen eigenen Beruf auszuüben oder anderweitig eigene Ziele zu suchen. Viele Frauen fühlten sich durch ihr Buch

198 Harenberg 2002, S. 373f. 199 Friedan 1982, S. 26.

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angesprochen und verstanden und wurden sich ihrer gesellschaftlichen Benachteiligung bewusst. Sie fanden sich erstmals zusammen um für ihre Gleichberechtigung zu kämpfen - die organisierte US-amerikanische Frauenbewegung begann sich zu formieren.200

7.2.1 Frauenbewegungen

Im folgenden Kapitel orientiere ich mich an der Seminararbeit 'Frauenbewegungen der 60er Jahre' von Doris Kirchberger:201

“Zwischen 1967 und 1970 wurde eine neue Art des Feminismus sichtbar. Es entstanden feministische Gruppen, die ein breites Spektrum an politischen Ansichten und organisatorischen Methoden aufwiesen.” Die verschiedenen politischen Ansichten äußerten sich auch in drei verschiedenen Richtungen: die bürgerliche Frauenbewegung, die linke Studentenbewegung und die radikal-feministische Befreiungsbewegung. Die Bürgerliche Frauenbewegung stellte eine neue Form der etablierten feministischen Bewegung dar, deren Hauptziel die Durchsetzung der völligen Gleichberechtigung der Frauen auf legalem Weg war. Beeinflusst wurde diese Bewegung durch liberale und sozialdemokratische Tendenzen. Die linke Studentenbewegung setzte sich aus Frauen zusammen, die sich von den Studentenbewegungen abgespaltet hatten, aber deren Gedankengut übernahmen und ausfeilten. Sie setzt sich für eine klassenlose, aber auch geschlechterlose Gesellschaft ein. Ersichtlich war dies aus den folgenden zwei Zielsetzungen: Die Abwendung vom Kapitalismus hin zu sozialistischem Denken und Produzieren, die Veränderung des menschlichen Bewusstseins und die Befreiung aus der Fixierung auf Autoritäten. Die Mitglieder der radikalen Befreiungsbewegung hatten die psychologische Befreiung der Frau zum Ziel. “Sie wollten eine Art 'weibliche Gegenkultur' zur reinen Männerkultur begründen. Damit verbunden war ein 'radikales' Bekenntnis zum

200 Harenberg 2002, S. 373f. 201 Doris Kirchberger, Frauenbewegungen der 60er Jahre, in: < http://www.aurora -magazin.at/wissenschaft/kirchberger.htm >, in: , Rev. 30.12.2010. Ich orientiere mich ausnahmsweise an dieser Seminararbeit, da ich keine andere geeignete Quelle zu diesem Thema ausfindig machen konnte.

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weiblichen Geschlecht, da Sexualität als wichtigste Dimension des psychologischen Befreiungsprozesses angesehen wurde.” Der Kampf gegen die sexuelle Unterdrückung und die patriarchalischen Verhaltensweisen standen daher auch im Vordergrund.

Man kann feststellen, dass Frauen in den meisten Ländern, in fast denselben Bereichen, im mehr oder weniger selben Ausmaß diskriminiert wurden, wie in der Arbeit, der Bildung, der Gesetzgebung, der Werbung oder im Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper. Kirchberger geht im Folgenden näher auf diese Bereiche ein: Die Arbeit der Frauen wurde seit jeher schlechter bezahlt. Ein Grund dafür liegt in der langsamen Professionalisierung der Arbeit, durch die bestimmte Berufsbereiche für Frauen unzugänglich wurden, da eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt wurde, von der die Frauen jedoch ausgeschlossen waren: Medizin, Rechtswesen, Handel und Gewerbe, also Berufssparten, welche mit einem hohen Prestigewert verbunden waren. Dies führte zu einem Sinken des Status der Frauen, da sie eher in den Bereich der Industrie und des Erziehungswesens verdrängt wurden, welche in Folge auch zu sogenannten Frauenberufszweigen wurden, die schlechter bezahlt waren. “Vor allem im Bereich der Industrie verlor die Frauenarbeit und somit auch die Frauen immer mehr an Ansehen, da die Arbeit wenig niveauvoll war, weil man nur geringe Aufstiegsmöglichkeiten hatte und kaum eine Ausbildung nötig war.”

Bei der Gesetzgebung gibt es rechtliche Diskriminierung unter dem Deckmantel der 'Schutzvorschriften', wo man vorgibt die Frauen zu schützen, indem man ihnen Vorschriften bezüglich der Art der Arbeit, der Arbeitszeit und des Arbeitsortes macht. Außerdem werden die Frauen durch bestimmte Gesetze geradezu vom Mann dadurch abhängig gemacht, dass zum Beispiel “das Einkommen der Frau dem des Mannes zugerechnet wird, wodurch der Mann zum Ernährer der Familie und Familienoberhaupt wird, dem auch die elterliche Gewalt über die Kinder obliegt.”

Auch das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ist zu dieser Zeit in keinem Land ein selbstverständliches Recht der Frauen. “Zwar sind die Regelungen über Verhütungsmittel oder Abtreibung von Land zu Land unterschiedlich, doch nirgends kann die Frau wirklich selbst darüber entscheiden.”

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Es wird den Frauen zunehmend schwerer gemacht aus sexistischen Stereotypen, welche die Werbung transportiert, auszubrechen. Zwar hat die Werbung diese Bilder von Frauen nicht erschaffen, aber sie legitimiert die idealisierten und stereotypen Rollen der Frauen (siehe Kapitel 7.3).

Auch die Bildungsexpansion in den 60er Jahren trug maßgeblich zu Bewusstwerdung der Diskriminierung von Frauen bei. Jene erkannten die ideologische Manipulation, die hinter der Bildungsexpansion steckte.

Kirchberger versucht nun die Frage zu beantworten, warum es erst Ende der 60er Jahre zu so großen Protesten gegen diese Art der Diskriminierung gekommen war: “Der Grund dafür liegt in der Kriegswirtschaft, welche den Frauen neue Arbeitsmöglichkeiten bot. Als der Krieg dann zu Ende war, mussten die Frauen den Männern zwar wieder ihre Arbeitsplätze überlassen, doch hatte es den Anschein, als würden die Frauen freiwillig zu Hause bleiben, um sich um die im Krieg etwas vernachlässigte Mutterschaft zu kümmern.” Betty Friedan bezeichnete diese Zeit, wie in Kapitel 7.1 und 7.2 schon erwähnt, als 'Weiblichkeitswahn'. Somit blieb es also der folgenden weiblichen Generation überlassen, neue feministische Revolten gegen die Diskriminierung der Frauen zu starten. Ein besonders guter Nährboden für die Entstehung von Protesten ist sicherlich die Zeit, in der ein Wertewandel stattfindet. Besonders erkenntlich ist der Wertewandel in der Familie der 60er Jahre. Kirchberger teilt die Geschichte der Familie der Moderne in 2 Perioden ein: 1.) Vom 19. Jahrhundert bis ungefähr 1960 herrschte jenes Idealbild der Familie, in der eine strikte Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau und die aufmerksame Erziehung der Kinder kaum in Frage gestellt wurden. Es galt in allen sozialen Schichten als eine Selbstverständlichkeit, dass der Ehemann die Familie versorgte, und die Ehefrau den Haushalt führte. 2.) Mit Beginn der 60er kam es zu einer Veränderung in der Familienkonstellation. Aus der nun folgenden Charakterisierung dieser Veränderungsprozesse, welche innerhalb der Familie stattgefunden haben, geht der Wertewandel sehr gut hervor: ● Verringerung der Zahl von Eheschließungen und Wiederverheiratungen bzw. Zunahme von Partnerschaften ohne Trauschein ● Anstieg von Scheidungen und Trennungen

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● Anstieg von Einelternfamilien und Sukzessivfamilien ● Abnahme der Geburtenzahl ● Zunahme unehelicher Geburten ● Zunahme der Berufstätigkeit der Frauen, besonders der Mütter, und damit verbunden der Anstieg der Zahl von Paaren, in denen beide Partner berufstätig sind.

Man kann erkennen, daß der Wert der individuellen Autonomie zugenommen hat und man sich nicht mehr damit zufrieden gibt in vorgefertige, soziale Rollenmuster zu schlüpfen. Was den Frauen die Erfüllung des Wunsches nach persönlicher Freiheit erleichterte, war die Berufstätigkeit, wodurch Frauen nicht mehr so sehr von ihren Männern abhängig waren.

Auch im Bezug auf Sexualität hatte ein Wertewandel stattgefunden: Man sprach von der 'sexuellen Revolution', wo das Ausleben der sexuellen Freiheit einen hohen Stellenwert bekam – schließlich kam in dieser Zeit die Pille auf den Markt. Tabus waren gefallen, die Rede ist offener geworden und man begann die "Neue Natürlichkeit" intensiv und bewusst zu leben. Dass bei dieser neuen körperbewussten Lebensweise den Frauen der Abtreibungsparagraph ein Dorn im Auge war, ist nur allzu verständlich, man wollte das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper.

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7.3 Das Frauenbild in der Werbung

(Abb. 41) Es ist kaum verwunderlich, dass die Werbung – ein wichtiger Bestandteil des 'American Way if Life', vor allem in den sechziger Jahren – in den Werken der Pop Künstler reflektiert wird, da sie einen unmittelbaren Ausdruck des Lebensgefühls und -stils dieser Zeit darstellt. “Zu beachten ist außerdem die Tatsache, daß die meisten namhaften Pop-Künstler zu Beginn ihrer Karriere als Grafiker, Designer und Reklamemaler arbeiteten.”202 Die in den Werbeanzeigen präsentierte Welt ist eine idealisierte Welt der Illusionen. “Sie ist frei von Häßlichkeit, von Konflikten, von harter Arbeit. Sie erklärt seltene, vergängliche oder immer nur für kurze Augenblicke menschlichen Lebens verfügbare Güter wie Jugend, Schönheit, Gesundheit, Glück, Wohlstand, Harmonie, Liebe für dauerhaftes, jedermann zugängliches Besitztum.”203 Diese unproblematische Umgebung, in der nur Angenehmes, Erfreuliches und Befriedigendes existiert, bildet die Kulisse des beworbenen Produkts. Die Scheinrealität umfasst alle Lebensbereiche und -räume, wie das Heim, die Natur und auch die Arbeitswelt. “Oft werden Fluchträume inszeniert, die entweder durch arkadische Naturkulissen gebildet werden, wie durch Strände, Wälder, Gebirge oder grüne Wiesen, oder durch den Rückzugsort des eigenen Heims, das idyllische 'heile Zuhause' .”204 Die menschliche Figur spielt in der Werbung meistens die wichtigste Rolle, da sie eine leichte Identifikation ermöglicht und in hohem Maße Aufmerksamkeit erregt. Das Leitbild aus der Vielfalt der Anzeigen, den 'Idealmenschen', mit dem der Betrachter konfrontiert wird, zitiert Tiedke nach Hastenteufels Beschreibung als “jung, schlank, gutaussehend, gepflegt, weiblich oder männlich, gesund, vital, gutsituiert, sympathisch, freundlich, optimistisch, glücklich, heiter, unabhängig und dynamisch. Er tritt entweder einzeln auf oder mit einem Partner des anderen Geschlechts, mit dem er in Freundschaft oder Liebe verbunden ist. Sein Leben wird 202 Lichtenstein war Grafiker, technischer Zeichner und Designer für Fenster und Eisenbleche; Warhol arbeitete für die Mode-Zeitschriften Vogue und Harper's Bazaar, dekorierte Schaufenster beim New Yorker Geschäft Bonwit-Teller und fertigte Werbezeichungen von Schuhen, Wesselmann Wesselmann zeichnete für Zeitungen und Magazine-Cartoons. Tiedke 2008, S. 11.

203 Regina Hastenteufel, Das Bild von Mann und Frau in der Werbung. Eine Inhaltsanalyse zur Geschlechterspezifität der Menschendarstellung in der Anzeigenwerbung ausgewählter Zeitschriften unter besonderer Berücksichtigung des alten Menschen, Univ. Diss., Bonn 1980, zit. in: Tiedtke 2008, S. 12. 204 Tiedtke 2008, S. 13.

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nicht durch ernsthafte Verpflichtungen, durch harte Anstrengung oder sogar durch Kampf um die eigene Existenz beeinträchtigt, stattdessen ist er voll und ganz damit beschäftigt, sich der Freizeit hinzugeben, sein Bedürfnis nach menschlicher Nähe zu befriedigen oder einfach glücklich zu sein. Eine Werbefigur bewegt sich nahezu ausschließlich zwischen den Polen Genuß, Kontakt, Unterhaltung und Konsum, sofern sie nicht lediglich in die Kamera lächelt.”205 Die Darstellungen von Mann und Frau differenzieren sich und erfahren eine ausgeprägte Stereotypisierung. Die Rollen der Geschlechter sind festgelegt, Männer sind meist als Berufstätiger, Experte, Sportler, Geliebter, Vater, Ehemann oder Freund gekennzeichnet und versehen mit den Attributen der Härte, Kraft, Aktivität und Unabhängigkeit. Ihr Aussehen ist betont maskulin und sie werden in Situationen dargestellt, die als spezifisch männlich gelten.206 Bei beiden Geschlechtern dominiert die Altersgruppe zwischen 26 und 35 Jahren.207 Frauen in der Werbung sind mit Attributen wie Jugend, Schönheit, erotischer Ausstrahlung, Weichheit, Zartheit, Passivität und Hilfsbedürftigkeit versehen. Frauenrollen sind die der posierenden Schönheit, Hausfrau, Mutter, Ehefrau, Freundin, Geliebten oder des Sexobjekts.208 Ihr Aussehen ist stets betont feminin. “Zur Stereotypisierung der Frau in der Werbung gehört neben der äußerlichen Festlegung das fehlen [!] von Persönlichkeit und individueller Note, sowie ein Kanon 'typisch weiblicher' Schwächen oder Unarten, z. B. mangelndes technisches Verständnis, Tratschsucht, Launenhaftigkeit, Gehässigkeit gegenüber anderen Frauen, usw..”209 Frauen werden häufiger als Männer in Werbeanzeigen präsentiert, da sie bei beiden Geschlechtern gleichermaßen Interesse hervorrufen: bei weiblichen Betrachtern finden Identifikationsprozesse statt, Männer fühlen sich durch ihre sexuelle Attraktivität angesprochen.210 Tiedtke nennt als eine weitere Stereotypisierung der Frau die Gleichsetzung von Frau

205 Hastenteufel 1980, S. 266f, zit. in: Tiedtke 2008, S. 13. 206 Martina Ward, Tom Wesselmann. Studien zur Matisse-Rezeption in Amerika, (zugleich Univ. Diss. Münster 1990), Münster – Hamburg 1992, S. 259, zit. in: Tiedtke 2008, S. 13f. 207 Tiedtke 2008, S. 14. 208 Lucy Komisar, The Image of Women in Advertising, in: Vivian Gornick/Barbara Moran: Women in Sexist Society, New York-London 1971, S. 207ff. und Christiane Schmerl, Frauenfeindliche Werbung. Sexismus als heimlicher Lehrplan, Reinbeck/Hamburg 1983, S. 13ff, zit. in: Tiedtke 2008, S. 14. 209 Schmerl 1983, S. 22. zit. in: Tiedtke 2008, S. 14. 210 Ward 1992, S. 260. zit. in: Tiedtke 2008, S. 14.

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und Konsumartikel.211 Sexualität wird dabei mit jeder beliebigen Ware kombiniert, egal ob Auto, Zigarette, Kosmetik oder Nahrungsmittel, wobei die Frau “Beigabe zum Produkt wird und durch dessen Kauf sozusagen zum Eigentum des Käufers.” Tiedtke vereinfacht es durch die Formel: Frau = Sexualität = Spielzeug für Männer, da Frauen reduzierbar auf ihre erotische Ausstrahlung sind und ihre Verwendbarkeit als sexueller Anreiz sie zum Gebrauchsgegenstand degradiert.212 Die entindividualisierende Darstellung von Frauen gipfelt häufig in dem Prinzip, dass einzelne Körperteile, wie z. B. Mund, Busen oder Beine, die gesamte Figur ersetzen. Großaufnahmen halb geöffneter, roter Lippen oder Münder, die an Strohhalmen saugen oder Zigaretten anzünden oder etwas essen sind ein gängiges Motiv, daher auch die Kombination von Frauen mit Esswaren, in der sie als “kulinarische Zutat” oder “krönender Appetithappen” serviert werden.213

211 Schmerl 1983, S. 20F, zit. in: Tiedtke 2008, S. 14. 212 Tiedtke 2008, S. 15. 213 Ward 1992, S. 263. zit. in: Tiedtke 2008, S. 15.

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7.4 Pin-up's

(Abb. 42, 42 a, b) Weitere Rezeptionsspuren der Pop-Künstler führen zu den Pin-up's, die ihre größte Popularität zwischen 1930 und 1960 erreichten. Der Begriff Pin-up, geprägt durch die U.S. Army aus der Zeit um 1944/45, meint die hochstilisierte Fotografie eines Stars, Starlets oder Models, welche für ein männliches Massenpublikum produziert wird.214 Etwa ab 1950 begann diese Form der Frauendarstellung die moderne Kunst zu beeinflussen. Das Äußere eines Pin-up Girls zitiert Tiedtke nach Hess' Beschreibung: ”She has to be healthy, American, cheerleader type – button-nosed, wide-eyed, long- legged, ample hips and breasts, and above all with the open, friendly smile that discloses perfect, even white teeth.”215 Weiters beschreibt Tiedtke die festgelegten Schemata der Haltung, welche ansprechend, aber nicht zu verführend sein musste und der Kleidung, welche zwar knapp sein musste, jedoch nicht alles enthüllen dürfte (das Zeigen des Bauchnabels oder einer Brustwarze waren nicht erlaubt). Tiedtke erkennt hierin die “Dialektik der amerikanischen Gesellschaft der Zeit, die einerseits ein voyeuristisches Interesse hat und andererseits soziale und sexuelle Tabus aufstellt.”216 Wie die Frauen in der Werbung sind Pin-up's Stereotypen, die ein Bild idealer Scheinrealität verkörpern, nur ist im Unterschied zu den Werbefrauen ihre Funktion als Sexobjekt sehr viel offensichtlicher, da sie kein Produkt anpreisen, sondern ausschließlich den Zweck haben, die Schaulust des männlichen Betrachters zu befriedigen.217

214 Soldaten hefteten sich solche Fotos an die Wände ihrer Baracken oder Spinde, sie waren (und sind noch heute) besonders auch in Werkstätten, Bars oder Fahrerkabinen von Lastwagen zu finden. Thomas B. Hess, Pin-up and Icon, in: Linda Nochlin/Thomas B. Hess (Hg.), Woman as Sex Object. Studies in Erotic Art 1730-1970, London 1973, S. 223, zit. in: Tiedtke 2008, S. 15. 215 Hess 1973, S. 227. zit. in: Tiedtke 2008, S. 16. 216 Tiedtke 2008, S. 16. 217 Tiedtke 2008, S. 17.

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8 Frauenbilder in der Pop Art

Das Bild der Frau ist ein zentrales Motiv in der amerikanischen Pop Art, ob in Form des sich räkelnden, posierenden Aktes, inspiriert von den Pin-up's und den neu aufkommenden Playboy-Girls, wie es bei Wesselmann und Ramos der Fall ist, als gerasterte Comic-Figur vom Typ des 'netten Mädchens von Nebenan' bei Lichtenstein oder als glorifizierte, gleichzeitig tragische Göttin der Film- und Glamourwelt bei Warhol.

8.1. Frauenbilder bei Tom Wesselmann

Bei Wesselmann, geboren 1931 in Cincinnati/Ohio, bilden die großformatigen Akte der Great American Nude-Serie das Hauptwerk in seinem Œuvre (zwischen 1961 und 1970 stellte er No.1 bis No.100 her). Er präsentiert sie liegend, scheinbar reglos, wie tagträumend, schlafend oder wartend, also passiv. Das einzige, was als Aktivität gewertet werden könnte, ist ihr aufforderndes Lächeln und ihr zur Schau gestelltes, aufreizendes Posieren. Die Aufmerksamkeit wird auf den Mund und die Geschlechtsmerkmale der Frauen gelenkt, indem Wesselmann Gesichtszüge und anatomische Körperdetails auslässt. Wie Great American Nude No.98 (Abb. 43) zeigt, wird die Entindividualisierung und die Reduzierung der Frau von No.1 bis No.100 immer drastischer, bis von ihr nur die Fragmente Haar, Mund und Brust übrig sind. Tiedtke beobachtet dabei eine “zunehmende Sexualisierung des Bildinhalts”: während sich Great American Nude No.1 (Abb. 44) passiv dem Betrachter darbietet, deutet in No.98 alles auf den Geschlechtsakt hin, die Stilllebenbestandteile werden zu erotischen Symbolen.218 Wesselmann interessiert nicht die Persönlichkeit der dargestellten Frau, “er greift sich nur den erotischen Aspekt heraus, monumentalisiert und fetischiert ihn”, wie es Tiedtke beschreibt, sie sieht seine “schematisierten Frauengestalten” als Reaktion auf das Frauenbild in der Werbung oder auf das Pin-up (siehe Kap. 6.2. und 6.3.).219 Wesselmann nimmt mit seinen liegenden Aktfiguren auch Bezug auf die Traditionen der europäischen Kunstgeschichte, wie Henri Matisse' Rosafarbener Akt von 1935,

218 Tiedtke 2008, S. 46f. 219 Tiedtke 2008, S. 46.

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(Abb. 44 a) Jean-Auguste-Dominique Ingres' Odaliske mit Sklave von 1839-40 oder Giorgiones Schlummernde Venus, um 1508 (von Tizian vollendet).220

8.2 Frauenbilder bei Mel Ramos

Das große Thema in Ramos' (geb. 1935 in Sacramento, Kalifornien) Œuvre ist der idealisierende Frauenakt, welchen er in den verschiedensten Varianten malt, ob eingebettet in Früchten (Chiquita, 1964, Abb. 45), aus der Schlüssellochperspektive, beim Posieren mit riesigen Konsumartikeln, beim Spiel mit exotischen Tieren (Hippopotamus, 1967, Abb. 46) oder in Form der berühmtesten Akte der Kunstgeschichte. Ramos setzt seine Bilder aus Motiven und Klischees zusammen, die er aus den Medien übernommen hat, indem er Produkte, Markenlabel, Comic- Figuren, Pin-up's und Schauspielerinnen abmalt. Er stellt ein Frauenbild vor, das einen plakativen Ausdruck seiner Zeit darstellt, den einheitlichen Typ des Playmates bzw. Pin-up-Girls (siehe Kapitel 7.4.), als Massenprodukt für einen riesigen Markt an Konsumenten. Dieser Aspekt der Behandlung der Frau als Ware kommt in seinen Bildern besonders kritisch zum Ausdruck, “indem er diese Tatsache dem Betrachter in übersteigerter, überdeutlicher Form vor Augen führt”. Das heißt, “er greift diese “unterschwellige Sexualisierung der Werbesprache auf und macht sie durch Übertreibung sichtbar.”221 Dass die Kopplung von Frau und Produkt ein gängiges Motiv der Werbung ist, wurde bereits in Kapitel 7.2 erläutert. Ramos nimmt deutlich Bezug auf die Werbung, nicht nur dadurch, dass er real existierende Markennamen (z.B. Chiquita) übernimmt, sondern auch das Kompositionsschema der Produkte in überdimensionaler Größe.222 Auch Ramos nimmt in seinen Bildern gelegentlich Bezug auf die Traditionen der europäischen Kunstgeschichte, was man am Beispiel Manet's von 1973 (Abb. 47, 47 a) gut erkennen kann. Tiedtke beschreibt die Stimmung in seinen Werken als bewusst humorvoll und ironisch, “auf der Schwelle zum Kitsch, was durch die paradoxen und parodistischen Elemente erzeugt wird.” Dazu vereint er scheinbar unvereinbare Motive, wie die

220 Tiedtke 2008, S. 33ff. 221 Tiedtke 2008, S. 59, 70. 222 Tiedtke 2008, S. 59.

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Frau mit dem monumentalen Konsumprodukt oder den exotischen Tieren. Dennoch wirkt es nicht wie zynische Schärfe, sondern hat eher den Charakter einer “augenzwinkernden Zuneigung”.223 Tiedtke betont auch, es wäre, aufgrund der in den 1970er und 80er Jahren geführten Diskussionen, unumgänglich, Ramos' Arbeiten zu sehen, “ohne in feministischen Kategorien zu denken.” Sie stellt auch in seinem Fall die Frage nach dem Status der Frau als bloßes Objekt der Begierde und Ware in den Bildern und ob er “mit seinen grellen Darstellungen auf humoristische Art zu dieser Tradition in der westlichen Kunst Stellung beziehen will.”224

8.3 Frauenbilder bei Andy Warhol

Auch Andy Warhol, geboren 1928 in Pittsburgh/Pennsylvania als Sohn slowakischer Einwanderer, stellt die Frau in seinen Berühmtheiten-Porträts als einen für die Massenmedien produzierten 'Warenartikel' dar: Er fertigt sie in Serialität an und übernimmt offizielle Pressefotos, worauf die idealisierten Gesichter der Stars stereotyp und maskenhaft erscheinen. Dies wird besonders offensichtlich im Fall der Marilyn Monroe-Porträts (Marilyn Diptych, 1962, Abb. 48), bei dem ihre 'Markenzeichen', Augen, Lippen und blondes Haar, durch grelle, knallige Farben hervorgehoben sind, sowie durch die “unnatürliche Überlagerung von Farbe und Foto”. Der entindividualiserte Star wird zur “trivialen Alltags-Ikone, deren Äußeres nur noch einen zeichenhaften Charakter besitzt”225, wie es Tiedtke beschreibt. Mit Marilyn Monroe hat Warhol sich ein Bildthema gewählt, welches bis heute als das “symbolhafteste Motiv seines Werks und vielleicht der ganzen Pop Art”226 gilt. Es ist bekannt, dass er sich “seit seiner Jugend für die Glamour-Welt Hollywoods und für jede Art von Klatsch in den Medien brennend interessierte.” Stars sind für Warhol neben den Leinwandhelden der Filmglamourwelt alle von ihm reproduzierte Konsumprodukte und Gegenstände wie die Coca-Cola-Flasche, die Campbell's Suppendose, der Dollar-Schein, die Atombombe oder der Autounfall.

223 Tiedtke 2008, S. 71. 224 Tiedtke 2008, S. 70. 225 Tiedtke 2008, S. 99. 226 Henry Geldzahler, Der jungfräuliche Voyeur. Andy Warhol, in: Andy Warhol Porträts, Ausst.-Kat. (Museum of Contemporary Art Sidney / Anthony d'Offay Gallery London) München 1993, S. 21. zit. in: Tiedtke 2008, S. 77.

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Durch die Serialität, die wiederholte Vervielfältigung, wie auch bei Blue Liz as Cleopatra von 1963, erreicht Warhol eine größtmögliche Entpersönlichung, wobei die dargestellte Person wie “austauschbar und lediglich als ein 'Star für fünfzehn Minuten' “ erscheint, “der durch jeden beliebigen Durchschnittsmenschen ersetzt werden kann”. Im Falle des Bildes Sixteen Jackies von 1964 (Abb. 49) bewirkt die Serialität sogar eine “Vergleichgültigung von Emotionen: die private Trauer wird zum stilisierten Medienspektakel.”227 Die scheinbar maschinell hergestellten Star-Porträts stellen den Star selbst als Maschine dar, die “ohne Ermüdungs- und Verschleißerscheinungen funktioniert”228, geschaffen von der 'Traumfabrik' Hollywood, eingesetzt und inszeniert, um für das Produkt, den Film, zu werben.229 Das Bild der weiblichen Star-Ikonen bleibt bei Warhol ambivalent: “Obwohl er jeglichen Kommentar ausspart und sich als Künstler weitestgehend zurücknimmt (“Ich bin außerordentlich passiv. Ich nehme die Dinge hin, wie sie sind. Ich schaue bloß zu, ich beobachte die Welt.”230), bedeuten seine Bilder weder vorbehaltlose Bejahung dessen, was er zeigt, noch direkte Kritik.231

227 Tiedtke 2008, S. 100. 228 Siegfried Salzmann, Kultstar – Warhol – Starkult, Heft 2 d. Schriftenreihe „Kunst und Öffentlichkeit“, Museumsverein Duisburg 1972, S. 7. zit. in: Tiedtke 2008, S. 84f. 229 Tiedtke 2008, S. 84f. 230 Janis Hendrickson/ Mario Kramer, Andy Warhol. Eine dokumentarische Zusammenstellung, in: Andy Warhol. 'Ich erkannte, daß alles was ich tue mit dem Tod zusammenhängt', Ausst.-Kat. Hamburg (Kunstverein Hamburg) 1987, S. 52-87. zit. in: Tiedtke 2008, S. 101. 231 Lothar Romain, Andy Warhol, München 1993, S. 101. zit. in: Tiedtke 2008, S. 101.

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8.4 Frauenbilder bei Allen Jones

“Ach, es ist im Grunde keine so große Sache. Manche Frauen regen sich auf, wenn sie mich sehen, weil sie der Meinung sind, daß ich die Bedürfnisse männlicher Chauvinisten befriedige. Meine Werte sind nicht ihre Werte. Ich würde ihre Feindseligkeit vielleicht verstehen, wenn ich eine Frau wäre, aber ich bin keine, ich bin ein Symbol für eine Frau – man kann es auch Kunst nennen.”232

Geboren 1937 in Southampton/England entwickelte Jones, während er 1964-65 in New York lebte, seinen ausgereiften Pop-Stil, wobei er sich von einer malerischen Technik zu einem eher grafischen Stil, und von einer sanften Erotik zu offenen fetischistischen Bildern bewegte.233 Seine Werke thematisieren die Klischees von Sex und körperlicher Verfügbarkeit der Frau. Jones' extremste Aussagen als Pop-Künstler stellen seine 1969 geschaffenen lebensgroßen Frauen-Skulpturen aus Fiberglas dar, spärlich bekleidet mit ledernen Stiefeln, Handschuhen, Höschen und Fesselungen, die als Möbelstücke posieren (Abb. 50). Einerseits schockieren sie durch die atemberaubende Echtheit ihrer aufreizenden Haltung, andererseits stehen diese 'Puppenfrauen' in einem unnatürlichen, künstlichen Feld durch ihr maskenartiges Make-up, faltenlos und ohne jedes Gramm Fett, “eingeschweißt in ewiger Jugend, dem Verfall der Zeit enthoben, durch und durch künstliche Körper, Kunstkörper, die den Vorwand von natürlichem Ideal vortäuschen und gleichzeitig hinterfragen.” Sie repräsentieren nicht nur einen Kunstkörper, sondern die “gleichzeitige überschneidende Vermarktung der Frau in einem florierenden Industriezeitalter und stehen in der selben Norm als Gegenstand und Gebrauchsobjekt. Ein illusionärer Traumkörpergegenstand auf ein obsessives Begehren ausgerichtet.”234

232 Allen Jones zit. in: Reichart 2001, S. 114, zit. in: Osterwold 1989 233 Reichart 2001, S. 116. 234 Reichart 2001, S. 116.

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9 Die Verbildlichung der Frau in den Werken Roy Lichtensteins

Ohne die Motive von Frauen und Mädchen wäre das Werk von Roy Lichtenstein nicht das, was man mit seinem Namen verbindet. Neben Andy Warhol war es Roy Lichtenstein, der unter den amerikanischen Künstlern der Generation, welche dem Abstrakten Expressionismus nachfolgte, das Frauenbild der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft am ausführlichsten untersuchte. Im Unterschied zu den Künstlern der klassischen Moderne lässt sich aus den Bildern kaum eine persönliche Verbindung des Malers zu den Sujets erkennen, denn sie werden genauso distanziert, ironisch und überlegen behandelt wie andere seiner Bildgegenstände, was 'Anti-Sensibilität' genannt wurde.235 Es erscheint zudem schwierig, eine einheitliche Interpretation des Bildes der Frau bei Lichtenstein zu versuchen, denn es lassen sich bereits bei einem flüchtigen Blick auf die entsprechenden Werke der 1960er Jahre erhebliche Unterschiede zu den späteren erkennen:236 Als typisches Beispiel seiner ersten Frauenbilder kann Girl With Ball von 1961 (Abb. 57) angesehen werden, welches auf eine Werbeanzeige in der New York Times zurückgeht. Es entspricht in seiner körperlichen Perfektion, den blendend weißen Zähnen, dem lockigen Haar usw. dem Typ des Pin-up-Girls, das betont spielerisch und gleichzeitig unnatürlich für das Foto posiert. Es folgen Bilder, die vor allem das Klischee der ordentlichen Hausfrau aufgreifen, alles Darstellungen, in denen die Frauen gerade Putztätigkeiten verrichten. Beispielsweise in The Refrigerator von 1962 (Abb. 56), wo die Figur isoliert, in riesenhafte Dimensionen vergrößert wurde und entgegen dem erotisch anmutenden Pin-up-Typ Lichtensteins betont züchtig erscheint, worauf ihre hochgeschlossene Kleidung hinweist. Sie integriert sich in das gesellschaftliche Idealbild der perfekten Hausfrau, die scheinbar glücklich und zufrieden in ihrer Rolle aufgeht und diese auch nicht hinterfragt. In den Gemälden Washing Machine von 1961 (Abb. 31) und Spray von 1962 verbildlichte Lichtenstein weibliche Präsenz durch eine manikürte Hand beim Einschütten von Waschpulver in die Waschmaschine bzw. beim Betätigen einer Spraydose.237 Weitere Motive wie Ring (1962), Bread in Bag (1961) oder Sponge II (1962, Abb. 35) ergeben eine Reihe von

235 Busche 1988, S. 14. 236 Schneider 2005, S. 77. 237 Schneider 2005, S. 142.

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solchen Motiven aus dem Haushalt oder aus der Privatsphäre. Der Betrachter wird Zeuge einer Handlung, die eigentlich nicht fürs Publikum bestimmt ist, jedoch entsteht kaum ein Gefühl des Voyeurismus, was mit der “emotionalen Entleerung”238 zusammenhängt, die durch Lichtensteins bildnerische Behandlung entsteht. Vor allem die Vergrößerung wirkt hier entscheidend mit. “Lichtenstein verführt den Betrachter nicht zur Identifikation mit dem Motiv, sondern zeigt gerade in diesen Ausschnittbildern den bildnerischen Mechanismus, der sonst den Eindruck von Intensität und Intimität entstehen lässt.”239 Die 'Girls' von 1963 bis 1965 gehören einer völlig anderen Sparte an, als die bisherigen. Sein Frauentypus bleibt aber abhängig von den Frauenklischees der zeitgenössischen Comics und Werbung. In einem Interview mit John Coplans 1967 führte er als Grund für die mangelnde Raffinesse der frühen Arbeiten an, dass er nach Jahren des Malens abstrakt-expressionistischer Bilder im Zeichnen von Cartoons ungeübt gewesen sein mochte, wobei er “nach einer billigen Art von Werbung” suchte, wie man sie beispielsweise auf den Gelben Seiten des Telefonbuchs fand, was eine großartige Inspirationsquelle für ihn war. Dann wurde eine andere “archetypische Schönheit”240 interessanter für ihn, womit er das Bild einer glamourös gestylt- und geschminkten Frau meinte und feststellte, dass Frauenfiguren dieser Art offenbar von Werbegrafikern am besten dargestellt wurden. Lichtenstein bewunderte überdies die mechanische Methode, Frauen zu zeichnen, die Teil des Reproduktionsverfahrens für Comic-Hefte war, und die die Bilder von realen Personen so weit entfernte, dass sie fast schon einer abstrakten Darstellung nahe kamen. Die Frauen, die er in den Jahren 1963-65 malte, haben dieses mechanische Aussehen der Comic-Strip-Vorlagen, ohne jegliche Wirklichkeitsnähe. “Im Comic- Strip dienen graphische Elemente wie die Punktrasterung, die Linienführung und die Farbgebung dazu, die Figuren und die Handlung etwas naturalistischer erscheinen zu lassen.”241 Lichtenstein wollte das Gegenteil erreichen, indem er hervorhebt, wie eine Linie auf die andere stößt, die Primärfarben gegenüberstellt und den Punktraster zur Verstärkung der Zweidimensionalität der Bildfläche einsetzt. Dadurch, dass er die weibliche Figur aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herauslöst und sie monumetal vergrößert, unterstreicht Lichtenstein die gesellschaftliche Abstempelung

238 Schneider 2005, S. 78f. 239 Schneider 2005, S. 78f. 240 Lichtenstein zit. in: Waldman 1994, S. 117. 241 Waldman 1994, S. 117f.

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und reduzierte Funktion der Frau als schmückendes Beiwerk und Lustobjekt für den Mann.242 In einigen Bildern Lichtensteins sind die Frauen in eine Reihe sentimentaler, dramatischer Handlungen und Beziehungen verwickelt, in denen sie als Opfer mit passiven, leidenden Gesichtern erscheinen. “Ihre Sprechblasen verdeutlichen durchwegs den Herz-Schmerz der Szenen, in denen es um die meist abwesenden Männer geht.”243 Drowning Girl (Abb. 58) von 1963 , sowie We Rose Up Slowly (Abb. 59) von 1964 handeln von teils unglücklichen Liebesaffären, bei denen die Männer offensichtlich Herr der Lage sind, während die Frauen meistens in mannigfachen Zuständen der Traurigkeit, Verzweiflung, Unruhe, Nervosität oder Angst dargestellt sind, als “das Mädchen von nebenan” oder die unschuldige Verführerin, wie in den 1964 entstandenen Bildern Blonde Waiting (Abb. 39), Oh Jeff…I Love You Too…But..., Good Morning, Darling und Seductive Girl. Die Protagonistinnen dieser Dramen spielen Szenen voller konstruiert-unechter Emotionen. In (Abb. 51) von 1963 herrscht Resignation und Schweigen und die Frau schaut mit versteinertem Blick aus dem Fenster, in We Rose Up Slowly wird spießige Erotik dargestellt.244 Eine der wenigen berufstätigen Frauen in Lichtensteins Bildern ist eine Krankenschwester ( von 1964, Abb. 52), aber auch sie wirkt verängstigt, unterwürfig und ist offensichtlich nicht Herrin der Lage. So unterschiedlich Lichtensteins Frauen auch dargestellt werden, sie haben doch einiges gemeinsam: Sie sind der Prototyp der hübschen jungen Frau, die immer das tut, was man von ihr erwartet. In The Kiss (Abb. 53) von 1961 , zum Beispiel, liegt sie hingebungsvoll in den Armen eines jungen Offiziers, in Masterpiece (Abb. 54) von 1962 spricht sie einem angehenden Künstler Mut zu und im Eddie Diptych (Abb. 40) ebenfalls von 1962 muss sie so sehr an ihren Geliebten denken, dass sie nichts essen mag. Meistens ist sie blond, manchmal brünett, aber ansonsten trägt sie keinerlei individuelle Züge.245 “Viele von Lichtensteins Frauen-Figuren - besonders wartende und weinende Frauen - scheinen in ihrer Perfektion verletzlich zu sein,” was sie auf eine Weise verführerisch macht. Hendrickson vergleicht das Gefühl mit jenem von Andy Warhol, welches er für Marilyn Monroe in den Porträts offenbarte, die er nach

242 Waldman 1994, S. 117f. 243 Schneider 2005, S. 78. 244 Waldman 1994, S. 113. 245 Hendrickson 2001, S. 33.

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ihrem Tod machte.246 Lichtensteins Frauengestalten stammen nun nicht mehr aus witzigen Comic-Strips, sondern aus “völlig humorlosen Kitschvorlagen, die um die Gefühlsextreme des Alltags kreisen.”247 Sie nehmen sich sehr ernst und sind nur auf eine unfreiwillige Weise komisch, was ihnen auch gar nicht bewusst ist. Deshalb eignen sie sich so gut für Lichtensteins Zwecke, denn er “operiert von einer anderen Bewußtseinsebene aus”. Hendrickson vermutet, dass vielleicht gerade dieser “unterschiedliche Grad von Bewußtheit” das eigentliche Thema seiner Comic-Bilder ist.248 Dadurch, dass Lichtenstein die gefühlsmäßige Seite der Frau betont und die Männer sehr 'männlich' darstellt, unterstreicht er einen Unterschied der Geschlechterrollen, der sich ihm aufdrängte. Denn den Menschen, so stellte er fest, wird durch die Kultur um sie herum eingeimpft, dass Tränen bei Frauen statthaft sind, Männer aber keine Gefühle zeigen dürfen, und er war erstaunt zu sehen, in welchem Maße die Herausgeber von Comic-Heften sich an diese geschlechterspezifische Differenzierung hielten.249 “Lichtenstein suchte sich diese vorgefundenen Klischeebilder zu einem Zeitpunkt aus, als sich noch kaum irgend jemand über das verordnete Rollenverständnis von Mann und Frau empörte.”250 So nahm er in seinen Bildern ein bestimmtes kulturelles Phänomen unter die Lupe. Lichtensteins Werk, und auch das der anderen Pop-Künstler, ist zu Unrecht häufig als gesellschaftskritisch interpretiert worden. Tatsächlich aber schätzten diese Künstler die “häßlichen und geschmacklosen Dinge, die sie auf perverse Weise porträtierten”251 und auch Lichtenstein fand einen gewissen Reiz an den trivialen Konsumgütern des amerikanischen Alltags. Er erhebt aber nicht den Anspruch, mit seiner Kunst ein Urteil über die Gesellschaft zu fällen, auch wenn er seine eigene Meinung hatte: “Wie kann man Ausbeutung mögen? Wie kann man Mechanisierung der Arbeit mögen? Wie kann man schlechte Kunst mögen? Ich kann nur antworten, daß ich diese Dinge akzeptiere, weil sie nun einmal in der Welt sind.”252

246 Hendrickson 2001, S. 33f. 247 Hendrickson 2001, S. 34. 248 Hendrickson 2001, S. 34. 249 Waldman 1994, S. 119. 250 Waldman 1994, S. 119. 251 Hendrickson 2001, S. 38. 252 Lichtenstein zit. in: Hendrickson 2001, S. 39.

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10 Bildbeispiele

10.1 Step-On Can with Leg, 1961

Step-On Can with Leg (Abb. 55) stammt möglicherweise von einer grafischen Gebrauchsanleitung, worin ein zierlicher weiblicher Unterschenkel von links diagonal in die Bildfläche hineinragt. Ein karierter Rock bedeckt züchtig das Knie, und der elegante hochhackige Schuh - für die Hausarbeit nicht unbedingt geeignet - streckt sich zum Pedal des Eimers hin. Das Bild ist ein Diptychon, wobei die zweiten Tafel, die auf den ersten Blick lediglich eine Wiederholung der ersten zu sein scheint, die Fortsetzung ist: Ein kaum wahrnehmbarer Druck des Damenfußes bewirkt, dass sich der Treteimer öffnet. “Die dekorativen Blumen auf dem Eimer suggerieren eine industriell erzeugte, hygienische Frische; Hand in Hand damit geht die Vorstellung, dass es nicht mehr erforderlich ist, einen Abfalleimer tatsächlich zu berühren, wenn man ihn öffnen will.”253 Der Protagonist ist nicht etwa die Frau, die zu dem Bein gehört, sondern der Treteimer - die Frau wird lediglich funktionalisiert, um ihn vorzuführen. Da diese Frauen ohnehin wie Objekte dargestellt wurden, bereitete es Lichtenstein keine Schwierigkeiten, mit ihrem Bild ähnlich umzugehen, wie mit den von ihm abgebildeten Konsumgütern. Wie die Haushaltsgeräte, Kleidungsstücke oder Lebensmittel bildeten diese jungen Frauen lediglich eine weitere Gruppe inmitten der kulturellen Klischees, die für die höchste materielle Erfüllung stehen, nach der die amerikanische Gesellschaft strebt. Lichtenstein hebt sie hervor als den herrschenden Frauentyp der Nachkriegsära, die Idealfigur der fünfziger und sechziger Jahre, d.h. die häusliche, domestizierte Frau, deren Leben sich um das Heim dreht und die ihre Existenz nie hinterfragt. Für Lichtenstein sind sie, was Liz Taylor und Marilyn Monroe für Andy Warhol waren: die Klischees ihrer Gesellschaft, ohne eigene Identität. 254

253 Hendrickson 2001, S. 30. 254 Waldman 1994, S. 113ff.

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10.2 The Refrigerator, 1962

Bei The Refrigerator (Abb. 56) greift der Künstler eine schwarz-weiß gedruckte Werbeanzeige auf (Abb. 56 a), welche die Vorzüge eines Putzmittels zum Säubern von Kühlschränken anpreist. Eine adrette Frau jüngeren bis mittleren Alters reinigt scheinbar vergnügt das Kühlschrankinnere. Ihr nach vorne gebeugter Kopf ist im Halbprofil dargestellt und über die rechte Schulter gedreht. In diese Richtung geht auch ihr Blick. In ihrer rechten Hand hält sie ein Putztuch, mit dem sie das Gitter des geöffneten Kühlschranks wischt. Wie Lichtenstein bewusst seine Vorlagen ändert, kann man hier exemplarisch nachvollziehen: Im Original-Bild sind Textzeilen integriert, die das Produkt zum Reinigen des Kühlschrankes benennen und erläutern, bei Lichtenstein fehlen diese Textinformationen. Stattdessen wird die Nahaufnahme der Vorlage übertrieben, indem der Kopf der Frau fast die Hälfte des Bildes einnimmt. Die andere Hälfte des Bildes zeigt die Gitter des Kühlschranks und die Hand mit dem Tuch. Die Vorlage ist in Schwarz-Weiß gedruckt, Lichtenstein ändert diese Farbgebung in kontrastreiches Blau und Rot, wie sie auch oft in der Werbegrafik der Zeitungen oder auf Warenverpackungen zu sehen sind. Durch das Punktraster will er die Dreidimensionalität der Figur und des Kühlschrankinneren neutralisieren. Sein Ziel ,seine Malerei so aussehen zu lassen, “als wäre sie programmiert” und seine Handschrift damit zu verwischen, hat er dadurch erfüllt.255 Er hat seinem Bild den anonymen Effekt des maschinellen Vorgangs verliehen. Die drastische Reduzierung auf Blau und Rot als einzige Farben auf dem weißen Grund wirkt in The Refrigerator kühl, steril und unemotional, was auch dem Bildtitel entspricht, bei dem die Frau nur die Nebenrolle spielt und, wie vorhin schon erwähnt, als verlängertes Haushaltsgerät fungiert: statt Frau mit Kühlschrank heißt das Bild schlicht Der Kühlschrank (The Refrigerator). “Die Bedeutung des Kühlschranks als Objekt im Haushalt scheint auf die Frau überzugehen, beide haben dort anscheinend ihre praktische Funktion zu erfüllen: der Kühlschrank als Bewahrer der Speisen, die Frau zum Bewahren von Ordnung und Sauberkeit. Zudem korrespondiert der äußerst eng gewählte Bildausschnitt mit der Enge und Beschränktheit ihres häuslichen Daseins.”256

255 Lichtenstein zit. in: Waldman 1994, S. 57. 256 Tiedtke 2008, S. 110.

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Lichtenstein karikiert die Anzeige, es geht ihm nicht darum, das realitätsnahe Abbild einer putzenden Frau zu schaffen. Einerseits übernimmt er die Sprache der Gebrauchsgrafik, “deren Anspruch ein vermeintlicher Realismus ist, denn Funktionen und Handlungen sollen möglichst wirklichkeitsnah und prägnant vermittelt werden. Andererseits entlarvt Lichtenstein das Schema durch die parodistische Verfremdung und macht die Realitätsferne der Darstellung offensichtlich.”257 Die Frauenfigur wirkt isoliert und fragmentiert, er hat sie im Vergleich zu der Anzeige am Kopf sowie an Rücken- und Halspartie beschnitten und das in der Anzeige noch fröhliche Gesicht dahin verändert bis es zu einer stereotypen Grimasse erstarrt. Der Hausfrauen-Blick ist ebenso verführerisch wie leer; das Gesicht ist so rein, dass nur wenige Striche Nase und Wange angeben. In beiden Darstellungen ist ihre Rolle die der vorbildlichen Hausfrau, die Idealfigur der 1950er Jahre, die häusliche, domestizierte Frau, deren Leben sich um das Heim dreht und die ihre Existenz nicht hinterfragt und dadurch, dass sie mit einem Lächeln dargestellt ist, vollkommen in dieser Rolle aufzugehen scheint.258 Ihr idealisiertes Äußeres entspricht diesem Klischee der Hausfrau im Amerika der Nachkriegszeit: Die saubere, weiße Kleidung, die Perle im Ohr, das perfekte Make-up und das frisch frisierte gewellte Haar belegen sowohl die Ordentlichkeit der Person als auch das mühelose Säubern des Kühlschrankes. “Es ist ein gegenteiliges Frauenbild zu den erotischen, freizügigen Darstellungen der Pin- up-Girls, denn Sexualität wird hier ausgeklammert um das Bild der sittsamen, mütterlichen Hausfrau nicht zu gefährden.”259 Lichtenstein dokumentiert damit, indem er das Motiv aus einer Zeitung kopiert, die damals gängige Verteilung der Geschlechterrollen, wie sie durch die Medien propagiert wird.260

257 Wattolik 2005, S. 15. 258 Waldman 1994, S. 113. zit. in: Tiedtke 2008, S. 111 259 Tiedtke 2008, S. 112. 260 Tiedtke 2008, S. 112.

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10.3. Girl With Ball, 1961

Eine einspaltige Zeitungsannonce, die für 'Perfekte Flitterwochen' in einem Ferienort der Poconos warb, gab Lichtenstein die Anregung zu Girl With Ball (Abb. 57). Es zeigt eine mit einem schwarz-weißen Badeanzug bekleidete junge Frau, die einen gestreiften Wasserball hoch über ihren Kopf hält. Trotz der wehenden langen Haare ist kaum bzw. nur wenig Bewegung zu spüren, entweder hat sie gerade den Ball gefangen oder sie will ihn werfen. Den Hintergrund bildet ein schmaler, wellenförmiger weißer Streifen im unteren Teil des Bildes. Ein Vergleich des Gemäldes mit der Werbeanzeige (Abb. 57 a) für das Urlaubshotel Mount Airy Lodge im Ausflugsgebiet der Pocono Mountains in Pennsylvania (veröffentlicht in verschiedenen New Yorker Zeitungen, darunter auch in den Daily News und der New York Times), die Lichtenstein als Vorlage diente, zeigt welche signifikanten Änderungen er gegenüber dem Original vornahm: Während die Annonce sehr klein ist, entschied sich Lichtenstein die Figur des Mädchens zu vergrößern, um sie näher an die Bildfläche heranzurücken. Bei der Werbeanzeige ragt uns das fotografische Bild eines Mädchens entgegen, Lichtenstein dagegen macht daraus eine cartoon-ähnliche Figur, die er zudem leicht verzerrte. Er betont ihre Zweidimensionalität mit Hilfe einer harten schwarzen Kontur, einem Raster aus roten Benday-dots, einem leuchtend gelben Hintergrund und einer schwarz umrandeten weißen Welle. Er unterstrich die Flächigkeit der Figur zusätzlich, indem er ihre Silhouette mit der Wellenform verschmolz und sie an den Fingern und unterhalb der Taille beschnitt. Auf den Begleittext des Originals hat der Künstler verzichtet und konzentriert sich nur auf die Person.261 Tatsächlich ist seine Darstellung in diesem Bild vereinfachender denn je: obwohl er mit nur wenigen Pinselstrichen ihre Gestalt und die Form des Strandballs umriß, gelang es ihm trotzdem die in der Anzeige vermittelte Urlaubssituation und -atmosphäre zu erzielen.262 Wie bei einem billig gedruckten Comic, wo wenige Farben verschiedene Funktionen zu erfüllen haben, geht Lichtenstein hier sehr sparsam mit seiner Palette um. So hat das Haar des Mädchens die gleiche blau-schwarze Farbe wie sein Badeanzug, “was an das bei kommerziellen Druckern übliche Verfahren erinnert, eine weitere Kolorierung

261 Tiedtke 2008, S. 112. 262 Waldman 1994, S. 55.

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einzusparen.”263 Auch in einem weiteren Detail wird durch die gemeinsame Farbgebung ein ironischer, humorvoller Zusammenhang hergestellt: Die merkwürdig schiefe Mundhaltung des Mädchens, mit den roten Lippen und den weißen Zähnen, korrespondieren mit den rot-weißen Halbmonden des Wasserballs. Hendrickson betont es gehe Lichtenstein in Girl With Ball nicht allein um die Darstellung eines Klischees, er interessiere sich auch dafür, “wieweit abstrakte Formen sich manipulieren lassen, um bestimmte assoziative Bedeutungen zu signalisieren. Natürlich haben diese Formen ihre Zweideutigkeiten. Einmal sind sie Elemente der Bildflächengestaltung, dann wieder Bedeutungsträger für die tatsächlich dargestellte Figur.” Lichtenstein selbst, fügt sie hinzu, hat immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig der formale Aspekt bei seiner Malerei wäre und “seine Kompositionen waren mindestens genauso sorgfältig überlegt wie die Wahl seiner Sujets.”264 Sowohl die Anzeige, als auch Lichtensteins Girl With Ball repräsentieren das Klischee des hübschen jungen Mädchens mit einer guten Figur, glänzenden, langen Haaren, einem freundlichen Gesicht mit großen Augen, roten vollen Lippen und einem strahlenden Lächeln. Es ist eine amerikanische Standardschönheit und ein Prototyp für seine späteren Schönen. Sie trägt keinerlei individuelle Züge. Durch ihre spielerische, vergnügte Handlung eines Kindes erinnernd, erscheint sie naiv, als müsste sie sich keine ernsthaften Gedanken machen. Daher ist die Betitelung mit 'Mädchen' statt Frau auch treffender, da sie harmlos wie ein Kind auftritt. Sie wirkt, als sei sie völlig in ihre Freizeitbeschäftigung vertieft, jedoch ist dieser ausgelassene und fröhliche Eindruck der Annonce bei Lichtenstein gewichen. Ihr Lächeln ist kein Ausdruck wahrer Freude, sondern eher eine nüchterne, verkrampfte, leere Geste und erinnert eher an ein Schreien oder Sprechen. “Auch ihre Körperhaltung hat Lichtenstein durch die perspektivische Verkürzung zu einer steifen, unbeholfenen Bewegung umformuliert.”265 Mit seiner Aneignung des Motivs war Lichtenstein auf eine der damals gängigsten Darstellungsformen der Frau gestoßen: Die aktualisierte Variante der Pin-up-Girls der 1940er Jahre reizte ihn, weil sie so “undifferenziert und scheinheilig waren.”266 Ursprünglich dazu bestimmt, die Vorzüge von Flitterwochen in den Pocono

263 Hendrickson 2001, S. 31. 264 Hendrickson 2001, S. 32f. 265 Tiedtke 2008, S. 107 266 Waldman 1994, S. 55.

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Mountains zu propagieren, ist sie gleichzeitig zu einem “Wahrzeichen der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft geworden und steht auch wegen ihrer Ähnlichkeit zur Freiheitsstatue für einen Aspekt des großen amerikanischen Traums” der ultimativen Erfolgsstory von Wohlstand und materiellem Wohlbefinden. “Lichtenstein machte sich diese symbolische Bedeutung zunutze und funktionierte die Standartfigur der Werbung um zu einem Leitbild der neuen amerikanischen Figur in der neuen amerikanischen Kunst.”267 Waldman vergleicht sie mit anderen “ikonoklastischen Frauendarstellungen, die mit der Tradition der klassischen weiblichen Figur brachen”, wie Manets Olympia von 1863, Picassos Demoiselles d' Avignon von 1907 oder de Koonings Women der 1940er und 50er Jahre. “Als eine feste Größe in der Werbung, von Lichtenstein durch seine Verwendung populär geworden, trat sie in der Malerei der 1960er Jahre die Nachfolge dieser ihr vorausgegangenen europäischen und amerikanischen Leitbilder an.” 268

10.4 Drowning Girl, 1963

Drowning Girl (Abb. 58) zeigt eine junge Frau, die zu ertrinken droht. Von ihr ragen nur der Kopf, eine Schulter und eine Hand aus den sie umgebenden Wellen heraus. Ihre Körperhaltung wirkt verkrampft, ihr schwarzes, glänzendes kinnlanges Haar umspielt ihr Gesicht, welches im Halbprofil gezeigt ist. Tränen fließen aus den geschlossenen Augen, die Brauen sind leicht gerunzelt und die geöffneten, roten Lippen zeigen das perfekte Weiß der oberen Zahnreihe. Wie wir aus der Denkblase erfahren, möchte sie eher ertrinken als Brad um Hilfe zu rufen. Es handelt sich um die ausschnitthafte Reproduktion einer Einzelszene aus dem Comic-Strip Run for Love!, erschienen in dem Heft Secret Hearts aus dem Jahr 1962. (Abb. 58a) Die Frauenfigur ist aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst und überdimensional vergrößert (171,6 x 169,5 cm). Im Gegensatz zu den vorangegangenen Beispielen hält sich Lichtenstein hier an den “glatten, stärker ausgeführten Zeichenstil der Comics.”269

267 Waldman 1994, S. 57. 268 Waldman 1994, S. 57. zit. in: Tiedtke 2008, S.108. 269 Hendrickson 2001, S. 34.

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Von allen spezifischen Hintergrundinformationen befreit, “setzt das Gemälde zwar Impulse, die sich in der Phantasie des Betrachters zu unscharfen Geschichten zusammensetzen, diese werden jedoch nicht bestätigt.” Man fragt sich automatisch wer wohl Brad sein könnte, ob das Mädchen schwimmen kann oder nicht, wie weit es vom Ufer entfernt ist und ob es tatsächlich ertrinken wird oder ob es doch noch gerettet wird. Drowning Girl impliziert eine dramatisch aufgeladene Situation, der Kontext der Geschichte bleibt jedoch unklar.270 Es scheint als wäre die stolze und verletzte Protagonistin dem Höhepunkt eines Dramas entsprungen: Jeden Moment könnte sie im Strudel des Wasser untergehen. Hendrickson beschreibt das Mädchen im Wasser liegend wie in einem Bett - “eine Mischung aus Lustwiese und letzter Ruhestätte”271, nur ihr leidendes Gesicht, ein Teil ihrer bloßen Schulter und eine manikürte Hand ragen aus dem Wasser. Zudem scheint sie, dem Text zufolge, das Opfer einer unglücklichen Liebesaffäre zu sein. Brad, der Mann, der verschiedene lichtensteinsche 'Girls' umgarnt und u.a. auch in I know...Brad (1963) oder in Masterpiece (1962, Abb. 54) namentlich auftaucht, muss sie sehr verletzt haben.272 Diese Szene erinnert in ihrer Konstruiertheit und den unecht-übertriebenen Empfindungen an einen Hollywood-Film. “Das Mädchen versinkt buchstäblich in Emotion und lässt sich von deren dekonstruktiven Kräften fortreißen.”273 Die starke Nahaufnahme führt zu einer zusätzlichen Spannung und fokussiert die ins Gesicht geschriebenen Gefühle. Doch obwohl Mimik und Gestik pathetisch aufgeladen sind, fällt es dem Betrachter schwer, Ehrfurcht und Mitleid aufzubringen, zu übertrieben banal erscheint die Szene. So wirkt die Geste der Hand angesichts der bedrohlichen Situation völlig gestellt und deplaziert. Die im Vergleich zum riesigen Kopf geringe Größe der, zudem noch elegant geformten, kopfkissenartigen, Welle wandelt die Bedrohung in Albernheit und durchbricht damit das ernsthafte Pathos. Lichtenstein lässt den Text und den Rest der Szene aus dem Comic-Strip weg, wo zu sehen ist, dass Brad sich in unmittelbarer Nähe des Mädchens befindet, wodurch ihre Ausweglosigkeit relativiert wird. Indem Lichtenstein das Mädchen jedoch isoliert, werden ihre Emotionen noch stärker betont.274

270 Waldman 1994, S. 117f. 271 Hendrickson 2001, S. 34. 272 Hendrickson 2001, S. 34. 273 Hendrickson 2001, S. 34 274 Tiedtke 2008, S. 116f.

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Tony Abruzzos Comic-Vorlage liefert dem Leser eine Fülle an Hintergrundinformationen, die ihm eine Vorstellung von dem Thema und der Handlung vermitteln, was dem Betrachter in Drowning Girl vorenthalten wird. Aus der Gedankenblase des Mädchens erfährt der Leser, dass es einen Krampf hat und deshalb kaum noch schwimmen kann. Im Hintergrund hängt Brad am Rumpf eines anscheinend gekenterten Segelbootes und blickt ihr nach. Wahrscheinlich waren beide zusammen segeln und vermutlich hatten sie eine Auseinandersetzung, die mit dem Kentern des Bootes in Zusammenhang steht. Nun stellt sich dem Leser die Frage, ob die Protagonisten über den Streit hinwegkommen werden und ob es dem Jungen noch gelingen wird, das Mädchen vor dem Ertrinken zu bewahren. In der Vorlage erfährt der Leser über den einleitenden Erzählkommentar aus der Perspektive der Protagonistin, dass sie neben vier schönen Schwestern das 'hässliche Entlein' der Familie ist, dass sie eines Tages 'Brad' kennen lernt und sich ihm zugewandt hat, er sie dafür jedoch verachtet. Das Dilemma einer sehnsüchtig erwünschten und gleichzeitig verschmähten Liebe zeichnet sich ab. Kerber schließt durch die Bezeichnung 'hässliches Entlein' auf eine Geschichte nach dem Muster des gleichnamigen Märchens von Hans Christian Andersen. “Mit diesem Wissen und dem positiven Ausgang des Märchens erwartet der Betrachter am Ende den Triumph des armen Mädchens über seine schönen Schwestern. Dem Leser wird es leicht gemacht, sich mit der Hauptperson zu identifizieren.” Sie bezeichnet sich zwar als hässlich und die dunklen kurzen Haare entsprechen nicht dem blonden Schönheitsideal, doch ihr hübsches, gepflegtes Äußeres lässt das Mädchen als eine idealtypische Schönheit erscheinen, makellos glatt und entindividualisiert.275 Lichtenstein stellte hier nicht mehr den “aufgeputzten Typ der Werbezeichnungen” dar, sondern begann sich stärker für die “archetypische Schönheit” zu interessieren.276 Dass er die mechanische Methode von Werbegrafikern und Cartoonisten, Frauen zu zeichnen, wie sie Teil des Reproduktionsverfahrens für Comic-Hefte war, wurde in Kapitel 8 schon erörtert. Diese Standardisierung greift er bei diesem Werk auf. Drowning Girl erscheint wie ein Kommentar zum Frauenklischee der 1960er Jahre, welches die Frau ausschließlich über ihre Beziehung zum Mann definiert und sich besonders durch Sentimentalität, Unmündigkeit und Hilflosogkeit auszeichnet. Sie ist keine Heldin, sondern dem Mann als Bittstellerin ausgeliefert, nicht in der Lage zu 275 Kerber 1970, S. 7f. 276 Lichtenstein zit. in: John Coplans, Interview mit Roy Lichtenstein, 1967, in: Roy Lichtenstein, Ausst.-Kat. Hannover (Kerstner-Gesellschaft) 1968, S. 30-38. zit. in: Tiedtke 2008, S. 117.

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handeln und sich aus ihrer Situation eingenständig zu befreien.277 Zu der Welle, wie Lichtenstein betont, hat er sich von dem berühmten Farbholzschnitt Die große Woge des Japaners Hokusai aus dem Jahr 1834 (Abb. 58 b) anregen lassen, woher sich wohl auch ihr dekorativer Charakter erklären lässt.278

10.5 We Rose Up Slowly, 1964

We Rose Up Slowly (Abb. 59), eine andere Wasserszene von Lichtenstein mit einem glücklicheren Ausgang, ist eine Art Unterwasserfilm-Nahaufnahme. Eine junge, schöne Frau mit blonden langen Haaren liegt hingebungsvoll in den starken Armen eines gutaussehenden, blonden jungen Mannes. Sie scheinen sich wie in Ekstase unter Wasser zu umarmen und schon fast zu küssen. Die Bewegung in ihren langen Haaren wiederholt sich in den blauen und violetten Wellenlinien, welche Meerestiefe symbolisieren. Die Farbgebung, welche geradezu industriellen Charakter hat, beschränkt sich auf die Primärfarben und Schwarz, klare, harte Gelb- und Blautöne dominieren. Durch die Rasterpunkte entsteht eine Wirkung von Halbschattierung. Wie auch in Eddie Diptych handelt es sich hier um ein Diptychon. Der Text, welcher getrennt von der bildlichen Darstellung auf einer eigenen Tafel erscheint, kommentiert die Szene folgendermaßen: “WE ROSE UP SLOWLY...AS IF WE DIDN'T BELONG TO THE OUTSIDE WORLD ANY LONGER...LIKE SWIMMERS IN A SHADOWY DREAM...WHO DIDN'T NEED TO BREATHE.../ WIR ERHOBEN UNS LANGSAM… ALS GEHÖRTEN WIR NICHT MEHR ZUR AUßENWELT…WIE SCHWIMMENDE IN EINER TRAUMWELT…DIE NICHT ZU ATMEN BRAUCHTEN”.279 Die leicht schräg gestellten, dünnen, handgeschriebenen Blockbuchstaben der Wörter, die durch Auslassungspunkte unterbrochen sind “um Atemlosigkeit und Zögern anzudeuten, versetzen den Betrachter in die Lage, stellvertretend an der Szene teilzunehmen” und sind so unpersönlich wie möglich gehalten.280 Die Wirkung des Farb- und Linienspiels ergibt sich zum Teil aus dem tiefen Blauton, in dem die schwarzen Konturlinien fast aufgehen. Dadurch dass Lichtenstein eine

277 Tiedtke 2008, S. 118. 278 Hendrickson 2001, S. 34. 279 Hendrickson 2001, S. 34f. 280 Hendrickson 2001, S. 34f.

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quadratische Bildtafel wählt, schafft er den Raum für eine “üppige, ausgeglichene Komposition, bei der weder das Horizontale noch das Vertikale überwiegt. Die Rasterflächen sind weich und gleichmäßig mit äußerst feinen Farbnuancierungen.”281 Das sinnliche Gefühl eines schwebenden Rauschzustandes, das dieses Bild vermittelt, mag im (weiblichen) Betrachter vielleicht so etwas wie Sehnsucht erwecken. Hendrickson will aber eine ganz andere Absicht Lichtensteins erkennen: Neben Drowning Girl zeigt sich auch an diesem Beispiel, dass er ganz bewusst auf den Kontrast von gefühlsüberladenen Szenen einerseits und seinem reduzierten 'industriellen' Stil andererseits setzte. “Die Folge davon ist, daß das Gefühl nicht mehr echt erscheint bzw. daß es entschieden zu trivial wirkt, als dass man sich zu ihm bekennen könnte.” Lichtenstein hielt die Gefühle in Schach, “doch durfte der Betrachter bei ihm nie vergessen, dass es sie früher einmal gegeben hatte.”282

281 Alloway 1984, S. 9. 282 Hendrickson 2001, S. 34f.

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11 Resumee

Roy Lichtenstein war neben Andy Warhol jener unter den amerikanischen Künstlern der Generation, welche dem Abstrakten Expressionismus nachfolgten, der das Frauenbild der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft am ausführlichsten untersuchte. Es lässt sich jedoch kaum eine persönliche Verbindung des Malers zu den Sujets erkennen, denn sie werden genauso distanziert, ironisch und überlegen behandelt wie andere seiner Bildgegenstände. Zudem erschien es schwierig, eine einheitliche Interpretation des Bildes der Frau bei Lichtenstein zu versuchen, denn es lassen sich bei einem Blick auf die entsprechenden Werke der 1960er Jahre erhebliche Unterschiede zu den späteren erkennen und er präsentiert verschiedene Frauentypen: Die erste ist das Klischee der idealisierten Werbefigur nach dem Schema der frühen Pin-up's, während die zweite die Idealfigur der fünfziger Jahre ist, die häusliche, domestizierte Frau, die als asexuell und mütterlich gekennzeichnet ist. Ein weiteres Klischee wird bei Lichtenstein durch die “Girls” gebildet, die stets in sentimentale, dramatische Handlungen verstrickt scheinen, unglücklich verliebt sind und daher in der Rolle der Leidenden und Liebenden auftreten. Es sind alle stereotype Bilder von Frauen, die ihnen von der Gesellschaft und den Medien im Amerika der fünfziger und sechziger Jahre zugewiesen wurden. Durch die Verwendung der Gestaltungsmechanismen der Werbeanzeigen und der Comics werden die Figuren zudem entindividualisiert und ihre Emotionen und Handlungen nivelliert.

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Abb. 8 Eduardo Paolozzi, I was a Rich Man's Plaything, 1947, Collage auf Papier, 35,5 x 23,5 cm, Tate Gallery, London, Quelle: Osterwold 2003, S. 62.

Abb. 9 Andy Warhol, Green Coca Cola Bottles, 1962, Öl auf Leinwand, 208,9 x 144,8 cm, Collection of Whitney Museum of American Art, New York, erworben durch den Fonds der Freunde des Whitney Museums of American Art, Quelle: Osterwold 2003, S. 31.

Abb. 10 Robert Rauschenberg, Erased de Kooning Drawing, 1959, Tusche und Bleistiftspuren auf Papier, 48,3 x 36,8 cm, Privatsammlung, Quelle: Osterwold 2003, S. 83.

Abb. 11 Robert Rauschenberg, Canyon, 1959, Combine Painting, Mixed Media auf Leinwand mit Assemblage, 219,7 x 179,1 x 57,8 cm, Sonnabend Gallery, New York, Quelle: Osterwold 2003, S. 149.

Abb. 12,12 a Allan Kaprow, 18 Happenings in 6 Parts, 1959, Reuben Gallery, New York, Quelle: Crow 1997, S. 10.

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Abb. 13 Jasper Johns, Flag, 1955, Enkaustik, Öl und Collage auf Leinwand, 107 x 154 cm, Museum of Modern Art, New York, Quelle: Crow 1997, S. 8.

Abb. 14 Jasper Johns, Target with Plaster Casts, 1955, Enkaustik auf Leinwand mit Gipsgussobjekten, 129,5 x 111,8 x 8.9 cm, Leo Castelli Gallery, New York, Quelle: Osterwold 2003, S. 156.

Abb. 15 Roy Lichtenstein in seinem Atelier, 1985, Foto: Grace Sutton Quelle: Hendrickson 2001, S. 96.

Abb. 16 Reginald Marsh, Tattoo and Haircut, 1932, Eitempera auf Holzfaserplatte, 118 x 121,6 cm, The , Geschenk von Mr. und Mrs. Earle Ludgin, Quelle: Osterwold 2003, S. 133.

Abb. 17 Roy Lichtenstein, Ten Dollar Bill, 1956, Lithografie, 14 x 28,6 cm, Privatsammlung, Quelle: Hendrickson 2001, S. 9.

Abb. 18 Roy Lichtenstein, Mickey Mouse II, 1958, Tusche auf Papier, 52,4 x 47,6 cm, Privatsammlung, Quelle: Waldman 1994.

Abb. 19 Roy Lichtenstein, Look Mickey!, 1961, Öl auf Leinwand, 121,9 x 175,3 cm, Privatsammlung, Quelle: Hendrickson 2001, S. 11.

Abb. 20 Roy Lichtenstein, , 1963, Öl und Magna auf Leinwand, 127 x 101,6 cm, Privatsammlung, Quelle: Waldman 1994.

Abb. 20 a Pablo Picasso, Femme au chapeau fleuri, 1939/40, Öl auf Leinwand, 71,1 x 58,4 cm, Morton G. Neumann Family Collection Quelle: Waldman 1994.

Abb. 21 Roy Lichtenstein, Black Flowers, 1961, Öl auf Leinwand, 177,8 x 121,9 cm, Sammlung Walter Netsch, Chicago, Quelle: Busche 1989.

Abb. 22 Roy Lichtenstein, Ball of Twine, 1963, Acrylfarbe auf Nessel, 102 x 91,4 cm, Privatsammlung, Quelle: Hendrickson 2001, S. 47.

Abb. 23 Roy Lichtenstein, Haystack, 1968, Öl und Magna auf Leinwand, 45,7 x 61 cm, Privatsammlung, Quelle: Brugger 2003.

Abb. 23 a Roy Lichtenstein, Haystack # 8, 1969, Öl und Magna auf Leinwand, 45,7 x 61 cm, Privatsammlung, Quelle: Brugger 2003.

Abb. 23 b Claude Monet, Fenils, à la fin d'été, 1884, Öl auf Leinwand, 65 x 92 cm, Sammlung Mr. und Mrs. Rosensaft, New York, Quelle: , Rev. 11.12.2010.

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Abb. 24 Roy Lichtenstein, Rouen Cathedral (Seen at Three Different Times of Day) Set No. 2, 1969, Magna auf Leinwand, 160 x 106,8 cm, Museum Ludwig, Köln, Quelle: Hendrickson 2001, S. 71.

Abb. 24a Claude Monet, La Cathédrale de Rouen – Le Portail et la tour Saint-Romain. Effet du matin – Harmonie blanche, 1892-94, Öl auf Leinwand, 106 x 75 cm, Musée d'Orsay, Paris, Quelle: Brugger 2003.

Abb. 25 Roy Lichtenstein, Yellow and Green Brushstrokes, 1966, Öl und Magna auf Leinwand, 214 x 458 cm, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/Main, Quelle: Hendrickson 2001, S. 45.

Abb. 26 Roy Lichtenstein, Mural with Blue Brushstroke, 1986, 22,3 x 10,8 m, Equitable Tower, New York, Quelle: Hendrickson 2001, S. 91.

Abb. 27 Roy Lichtenstein, The Engagement Ring, 1961, Öl auf Leinwand, 172 x 201,9 cm, Sammlung Ronnie und Samuel Heyman, New York, Quelle: Busche 1989.

Abb. 28 Andy Warhol, Dick Tracy, 1960, Acryl auf Leinwand, 200,7 x 114,3 cm, David Geffen Collection, Quelle: Waldman 1994.

Abb. 29 Jess (Burgess Collins), Tricky Cad, Case I, 1954, Heft mit 12 Collagen, jede Collage 24 x 19 cm, Odyssia Gallery, New York, Quelle: Livingstone 1992, S. 60.

Abb. 30 Roy Lichtenstein, Roto Broil, 1961, Öl auf Leinwand, 174,7 x 174 cm, Sammlung Mr. und Mrs. Melvin Hirsch, Beverly Hills, Quelle: Hendrickson 2001, S. 8.

Abb. 31 Roy Lichtenstein, Washing Machine, 1961, Öl auf Leinwand, 143,5 x 174 cm, Sammlung Richard Brown Baker, New York, Quelle: Livingstone 1992, Abb. 21.

Abb. 32 Roy Lichtenstein, Sock, 1961, Öl auf Leinwand, 121,9 x 91,4 cm, Neue Galerie, Sammlung Ludwig, Aachen, Quelle: Hendrickson 2001, S. 7.

Abb. 33 Roy Lichtenstein, Golf Ball, 1962, Öl auf Leinwand, 81,3 x 81,3 cm, Sammlung Mr. und Mr. Melvin Hirsch, Beverly Hills, Quelle: Hendrickson 2001, S. 26.

Abb. 34 Piet Mondrian, Pier und Ozean, 1915, Öl auf Leinwand, 85 x 108 cm, Rijksmuseum Kröller-Müller, Otterlo, Quelle: Hendrickson 2001, S. 26.

Abb. 35 Roy Lichtenstein, Sponge II, 1962, Öl auf Leinwand, 91,4 x 91,4 cm, Privatsammlung, Quelle: Busche 1989.

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Abb. 36 Roy Lichtenstein, M-Maybe (A Girl's Picture), 1965, Magna auf Leinwand, 150 x 150 cm, Museum Ludwig, Köln, Quelle: Osterwold 2003, S. 187.

Abb. 37 Heftseite aus dem Comic-Heft “Secret Hearts”, 88 (Juni 1963), D.C. Comics, S.5, Quelle: Wattolik 2005.

Abb. 37 a Umschlagbild zum Comic-Heft “Secret Hearts”, 88 (Juni 1963), D.C. Comics, Quelle: Wattolik 2005.

Abb. 37 b Roy Lichtenstein, Crying Girl, 1964, Magna auf Leinwand, 116,8 x 116,8 cm, Quelle: Wattolik 2005.

Abb. 38 Heftseite aus “Semester Composition Book”, Quelle: Wattolik 2005.

Abb. 38 a,b Sammlung von weiblichen Gesten und mimischen Ausdrücken, Heftseite aus “Semester Composition Book”, Quelle: Wattolik 2005.

Abb. 38 c Spülmaschinenwerbung der frühen 1960er Jahre, Heftseite aus “Compositions VR”, Quelle: Wattolik 2005.

Abb. 39 Roy Lichtenstein, Blonde Waiting, 1964, Öl und Magna auf Leinwand, 121,9 x 121,9 cm, Sammlung Larry Gagosian, New York, Quelle: Busche 1989.

Abb. 40 Roy Lichtenstein, Eddie Diptych, 1962, Öl auf Leinwand, zwei Tafeln: 111,8 x 132,1 cm, Sammlung Mr. und Mrs. Michael Sonnabend, Paris, Quelle: Hendrickson 2001, S. 33.

Abb. 41 Aftershave-Werbung aus den 50er/60er Jahren, Quelle: Marshall McLuhan, Die mechanische Braut. Volkskultur des industriellen Menschen, Amsterdam 1996.

Abb. 42 Peter Driben, Hobby Horse, 1949-1951, Öl auf Leinwand, 34.2 x 26,5 cm, Louis K. Meisel Gallery, New York, Quelle: , Rev. 11.12.2010.

Abb. 42 a Gil Elvgren, A Near Miss, 1960, Öl auf Leinwand, 30 x 24 cm, Louis K. Meisel Gallery, New York, Quelle: , Rev. 11.12.2010.

Abb. 42 b Gil Elvgren, Well Built R-Roof, 1961, Öl auf Leinwand, 30 x 24 cm, Louis K. Meisel Gallery, New York, Quelle: , Rev. 11.12.2010.

Abb. 43 Tom Wesselmann, Great American Nude # 98, 1967, Fünf Leinwände, in drei Ebenen hintereinander aufgestellt, 250 x 380 x 130 cm, Museum Ludwig, Köln, Quelle: Osterwold 2003, S. 21.

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Abb. 44 Tom Wesselmann, Great American Nude # 1, 1961, Collage auf Holz, 121,9 x 121,9 cm, Quelle: , Rev. 2010/12/16

Abb. 44 a Henri Matisse, Rosafarbener Akt, 1935, Öl auf Leinwand, 66 x 92 cm, The Baltimore Museum of Art, Baltimore, Quelle: , Rev. 16.12.2010

Abb. 45 Mel Ramos, Chiquita, 1964, Privatsammlung Quelle: , Rev. 16.12.2010

Abb. 46 Mel Ramos, Hippopotamus, 1967, Öl auf Leinwand, 180 x 247 cm, Saarland Museum, Sammlung Ludwig, Saarbrücken, Quelle: Osterwold 2003, S. 104.

Abb. 47 Mel Ramos, Manet' s Olympia, 1973, Öl auf Leinwand, 48 x 70 cm, Sammlung Morton G. Neumann, Quelle: , Rev. 16.12.2010

Abb. 47 a Edouard Manet, Olympia, 1863, Öl auf Leinwand, Musée d' Orsay, Paris, Quelle: , Rev. 16.12.2010

Abb. 48 Andy Warhol, Marilyn Diptych,1962, Siebdruck auf Leinwand, 208,3 x 144,8 cm, Tate Gallery, London, Quelle: Crow 1997, S. 85.

Abb. 49 Andy Warhol, Sixteen Jackies, 1964, Synthetisches Polymer, Siebdruck auf Leinwand, 203,2 x 162,6 cm, Kunstmuseum, Basel, Quelle: , Rev. 16.12.2010

Abb. 50 Allen Jones, Chair und Table, 1969, Fiberglas bemalt, Leder und Haar, Lebensgröße, Neue Galerie, Sammlung Ludwig, Aachen, Quelle: Osterwold 2003, S. 49.

Abb. 51 Roy Lichtenstein, In the Car, 1963, Öl und Magna auf Leinwand, 172,7 x 203,2 cm, Scottish National Gallery of Modern Art, Edinburgh, Quelle: Busche 1989.

Abb. 52 Roy Lichtenstein, Nurse, 1964, Öl und Magna auf Leinwand, 121,9 x 121,9 cm, Privatsammlung, Quelle: Waldman 1994.

Abb. 53 Roy Lichtenstein, The Kiss, 1962, Öl auf Leinwand, 203,2 x 172,7 cm, Sammlung Ralph T. Coe, Kansas City, Quelle: Hendrickson 2001, S. 35.

Abb. 54 Roy Lichtenstein, Masterpiece, 1962, Öl auf Leinwand, 137,2 x 137,2 cm, Sammlung Mr. und Mrs. Melvin Hirsch, Beverly Hills, Quelle: Hendrickson 2001, S. 14.

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Abb. 55 Roy Lichtenstein, Step-On Can With Leg, 1961, Zwei Tafeln, Öl auf Leinwand, 82,5 x 134,6 cm, Sammlung Robert Fraser, London, Quelle: Hendrickson 2001, S. 30.

Abb. 56 Roy Lichtenstein, The Refrigerator, 1962, Öl auf Leinwand, 172,7 x 142,4 cm, Privatsammlung, Quelle: Waldman 1994.

Abb. 56 a Vorlage für The Refrigerator, 1962, Quelle: Waldman 1994.

Abb. 57 Roy Lichtenstein, Girl with Ball, 1961, Öl auf Leinwand, 153,7 x 92,7 cm, The Museum of Modern Art, New York, Quelle: Hendrickson 2001, S. 24.

Abb. 57 a Anzeige für Mount Airy Lodge, Poconos, Pennsylvania, erschienen 1963 im Reiseteil der New York Times, Quelle: Hendrickson 2001, S. 25.

Abb. 58 Roy Lichtenstein, Drowning Girl, 1963, Öl und Magna auf Leinwand, 171,6 x 169,5 cm, The Museum of Modern Art, New York, Quelle: Hendrickson 2001, S. 31.

Abb. 58 a Tony Abruzzo, Einzelbild aus dem Comic-strip Run For Love! im Comic-Heft Secret Hearts, Nr 83 (November 1962), D.C. Comics, Quelle: Wattolik 2005.

Abb. 58 b Katsushika Hokusai, Der Fuji von Kanagawa aus gesehen (Die große Woge), 1834, Farbholzschnitt, 24,6 x 36,2 cm, Victoria and Albert Museum, London, Quelle: Wattolik 2005.

Abb. 59 Roy Lichtenstein, We Rose Up Slowly, 1964, Öl und Magna auf Leinwand, Zwei Tafeln, 173 x 234 cm, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/Main, Quelle: Hendrickson 2001, S. 10.

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