DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND NIEDERSACHSEN-MITTE Ausgabe 2016 |
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DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND NIEDERSACHSEN-MITTE Ausgabe 2016 | www.hannover.dgb.de EDITORIAL Zeit für mehr Solidarität Angesichts schockierender Bilder aus den von Das kann nur gelingen, wenn auch die hier Krieg, Bürgerkrieg und Terror betroffenen lebenden Menschen spüren, dass sie sozial Ländern und der so entstandenen Situation an verankert sind. Der Kampf gegen Armut, den Grenzen der Europäischen Union (EU) Arbeitslosigkeit und fehlende soziale Absiche- bekommt unser diesjähriges Maimotto eine rung erfordert energische Maßnahmen. Zwar existentielle Dimension. Hunderttausende wurden mit der Einführung des Mindestlohns Menschen suchen auf der Flucht vor Krieg und und der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren Verfolgung Schutz und Hilfe im Zentrum Euro- Teilziele erreicht. Das aber reicht bei weitem pas. Die Position der Gewerkschaften ist klar: nicht, um soziale Mindeststandards zu errei- Menschen auf der Flucht müssen in der EU chen. Die Beschäftigten sollen mehr privat und Deutschland Aufnahme finden können. fürs Alter vorsorgen, doch viele wissen nicht Geflüchtete müssen Asyl beantragen und in wovon. Die gesetzliche Rente muss deshalb einem zügigen fairen Verfahren anerkannt wieder wie früher den Lebensstandard im Seit 2014: Maikundgebung werden können. Humanität und Solidarität Alter sichern. Der Mindestlohn muss dringend Asylsuchende gleichermaßen. Statt Hartz IV auf dem Trammplatz. sind besonders gefordert. Viele haupt- und steigen, damit das Geld tatsächlich zum Leben brauchen wir nachhaltige Beschäftigungspro- Foto: Steffen Holz Liebe Leserinnen, ehrenamtliche Mitarbeiter/innen in Behörden, reicht und später keine Hartz-IV-Rente droht. gramme für Langzeitarbeitslose. Für Geflüchtete liebe Leser, Hilfs- und Wohlfahrtsorganisationen leisten Die Politik muss prekäre Arbeitsverhältnisse und Asylsuchende muss die Politik Behinderun- die Bilder von Menschen, die vor Krieg und Beeindruckendes. Tausende Bürgerinnen und wie Leiharbeit und Werkverträge massiv ein- gen bei der Qualifizierung abbauen und ihnen Zerstörung fliehen und zu uns kommen, sind Bürger helfen und unterstützen in den Aufnah- den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. natürlich auch nicht spurlos an dieser elften meeinrichtungen, leisten Geld- und Sachspen- Reiche zur Kasse Ausgabe der MAIZEITUNG vorbeigegangen. den oder stellen Wohnraum zur Verfügung. Wir greifen das Thema und damit die gesell- Dieses Engagement steht für gesellschaftli- Um alles bezahlen zu können, sind ausrei- schaftlichen Herausforderungen in einer Rei- chen Zusammenhalt. Die ungebrochene Hilfs- chende staatliche Einnahmen notwendig. he von Beiträgen auf. Und wir schauen auch bereitschaft zeugt davon, dass Solidarität und Mit einer »schwarzen Null« lassen sich diese denen auf die Finger, die versuchen, daraus Mitmenschlichkeit zu den dominierenden Wer- gesellschaftlichen Herausforderungen nicht Kapital zu schlagen, indem sie die einheimi- ten unserer Gesellschaft gehören. finanzieren. Große Einkommen, Erbschaften sche Bevölkerung gegen Geflüchtete in Stel- und Vermögen dürfen nicht weiter von einer Neue Sozialpolitik erforderlich lung bringen. In einem Interview mit dem gerechten Besteuerung verschont bleiben. renommierten Rechtsextremismusforscher Diese Werte sind aber nicht überall anzutref- Gerade in Krisenzeiten müssen wir die DER 1. MAI Hajo Funke gehen wir der Frage nach, wofür fen. Rechtspopulisten und rechte Demago- rechtsstaatlichen sozialen und humanitären IN HANNOVER die AfD jenseits ihrer bürgerlichen Fassade gen schüren Ressentiments und versuchen, Errungenschaften unserer Gesellschaft immer Nur noch ein Demozug! tatsächlich steht. die einheimische Bevölkerung gegen wieder auch verteidigen. Keiner darf weg- Abmarsch 10.00 Uhr In einem Interview mit dem bekannten Geflüchtete in Stellung zu bringen. Dabei schauen, wenn rechtspopulistische und rechts- Freizeitheim Linden alternativen Wirtschaftswissenschaftler docken die Rechten an eine diffuse Angst dämmen, Bildungsprogramme auflegen, den extreme Gruppen das Thema Flucht und Migra- Kundgebung Rudolf Hickel beleuchten wir die wirtschaftli- eines Teils der Bevölkerung an, der den Zuzug sozialen Wohnungsbau vorantreiben und in tion missbrauchen und unsere freiheitlich- 11.00 Uhr Trammplatz chen Auswirkungen der Flüchtlingssituation von Flüchtlingen und Migrant(innen)en als die öffentliche Infrastruktur investieren. Wer demokratische Ordnung infrage stellen. Als Fest für Demokratie und werfen einen Blick auf die nach wie vor Gefahr sieht. Es ist die Angst einer alternden das nicht oder nur halbherzig tut, der heizt die Gewerkschaften treten wir jeder Form von 12.00 Uhr schwelende Krise im Euroraum. Breiten Raum Gesellschaft vor zu vielen jungen Muslimen. Verunsicherung weiter an. Hass, Rassismus, Beleidigung oder Gewalt ent- Das volle Programm nimmt auch die Tarifrunde ein, der vor dem Es ist die Angst von Menschen, die den sozi- Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist schieden entgegen. Wir engagieren uns auch auf Seite VII Hintergrund der schwächelnden Weltwirt- alen Abstieg fürchten, neue Konkurrenz um wichtig, um soziale Ausgrenzung zu vermeiden weiterhin für ein weltoffenes demokratisches schaft dieses Jahr eine besondere Bedeutung Arbeitsplätze und Wohnraum. Dieser Angst und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Deutschland und Europa. Wir sagen in aller für die wirtschaftliche Entwicklung hierzulan- muss die Politik die Grundlage entziehen. Das gilt für Langzeitarbeitslose, Geflüchtete und Deutlichkeit: Es ist Zeit für mehr Solidarität! de zukommt. In einem Beitrag über das geplante Frei- handelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) haben wir Fakten zusammenge- »Mitbestimmen, mitgestalten, tragen, die zeigen, warum der neue Freihan- delsentwurf kaum besser ist als der alte. mitverantworten« Die nahende Kommunalwahl am 11. Sep- IG BCE-Bundesvize Edeltraud Glänzer spricht am 1. Mai auf dem Trammplatz in Hannover tember wirft ihre Schatten voraus. In zwei Beiträgen formulieren wir unsere Forderun- Die Gewerkschaft müsse man in den Betrie- sie einen Skandal. Doch Tarifverträge und star- 1997 war sie stellvertretende gen an die Politikerinnen und Politiker mit ben erleben, anfassen und mitgestalten kön- ke Betriebsräte sorgen dafür, dass der Einkom- Leiterin des IG BCE-Landesbe- Blick auf den sozialen Wohnungsbau und die nen, sagt Edeltraud Glänzer, stellvertretende mensunterschied deutlich geringer wird – in zirks Rheinland-Pfalz/Saar- Zukunft der Abfallwirtschaft in Hannover und Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft der chemischen Industrie zum Beispiel liegt er land. Acht Jahre später wurde im Umland. Bergbau – Chemie – Energie (IG BCE). »Mit- zwischen 0,6 und 1,8 Prozent. sie in den geschäftsführenden Weitere Beiträge kreisen wie jedes Jahr bestimmen, mitgestalten und mitverantwor- Nach Realschule und Ausbildung zur Indu- Hauptvorstand der IG BCE gewählt das Thema Arbeit ein. Lesen Sie zur digitalen ten« sind deshalb ihre Leitlinien für die striekauffrau bei Riedel-de-Haen in Seelze, und startete sogleich eine Kampagne Revolution in den Betrieben ein Interview mit gewerkschaftliche Arbeit. »Das zeichnet uns war Edeltraud Glänzer dort als Verkaufssach- für »familienbewusste und chancengleiche Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG aus, und so sind wir auch erfolgreich.« Als Bei- bearbeiterin tätig und trat 1975 in die IG Che- Personalpolitik«. Seit drei Jahren ist sie stell- EDELTRAUD GLÄNZER Metall, über die gewerkschaftlichen Antwor- spiel nennt sie den sehr hohen Organisations- mie-Papier-Keramik ein. Anfang der 1980er vertretende Vorsitzende. Foto:Franz Bischof ten. Wir berichten über Jobben im Alter, weil grad von Auszubildenden in der IG BCE. Jahre wechselte sie als Sekretärin und Sachbe- In ihrer knapp bemessenen Freizeit holt die Rente nicht reicht, über unsichere Arbeit Durchschnittlich fast 70 Prozent eines Jahr- arbeiterin für Jugendfragen zum Evangelischen sich Edeltraud Glänzer beim Lesen, Kochen und niedriges Einkommen, was junge gangs treten in die Gewerkschaft ein. Trotz Stadtjugenddienst nach Hannover. Sie hatte oder bei der Gartenarbeit die nötige Erholung Beschäftigte um ihre Rente fürchten lässt, dieses Erfolgs bleibt Edeltraud Glänzer auf zahlreiche ehrenamtliche gewerkschaftliche und Ausdauer für ihre Arbeit. Im Urlaub zieht und über den kirchlichen und gewerkschaftli- dem Boden und betont: »Das ist immer eine Funktionen inne: etwa als Vertrauensfrau, sie es gemeinsam mit ihrem Mann nach Grie- chen Widerstand gegen die ausufernden Teamleistung. Insbesondere unsere jungen Betriebsrätin, Referentin im Jugendbildungs- chenland. Beide lieben die griechische Kultur »verkaufsoffenen Sonntage«. Kolleginnen und Kollegen vor Ort nehmen die bereich und Mitarbeiterin in der Bildungskom- und die »aufgeschlossenen« Menschen. Der 1. Mai ist das Fest für die, die nicht jungen Menschen mit und überzeugen sie von mission Frauen. Nach Immaturenprüfung und Vor dem Hintergrund des geplanten wollen, dass alles so bleibt wie es ist. Besu- unseren guten Leistungen.« Den Jugendbe- Studium der Diplompädagogik arbeitete sie ab Gesetzes zur Regulierung von Leiharbeit und chen Sie uns, informieren Sie sich, feiern Sie reich übernahm die heute 60-Jährige in der IG 1991 als hauptamtliche Gewerkschaftssekre- Werkverträgen will Edeltraud Glänzer in ihrer mit uns! BCE vor rund sieben Jahren. Weitere Schwer- tärin in der Bezirksleitung Rheinland-Pfalz/ Mairede auf dieses Thema eingehen. Mit dem punkte ihrer Arbeit sind Mitbestimmung, Sozi- Saarland in Mainz. Schon ein Jahr zuvor trat sie Missbrauch von Leiharbeit