Weimarer Republik Weimarer Republik
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B6897F Informationen zur politischen Bildung / izpb 346 1/2021 Weimarer Republik Weimarer Republik Inhalt 4 44 22 4 Konstituierung der Demokratie 1918/1919 42 Gefährdete Stabilität 1924-1929 4 Kriegsende und Revolution 43 Goldene Zwanziger Jahre 7 Ringen um die künftige Regierungsform 48 Wirtschaftliche Stabilisierung und politische 12 Weimarer Reichsverfassung und Versailler Verschiebung nach rechts Friedensvertrag 52 Von der Konferenz von Locarno bis zur Weltwirtschaftskrise 22 Umkämpfte Republik 1919-1923 24 Doppelte Frontstellung gegen die Demokratie 60 Zerstörung der Demokratie 1930-1933 26 Der Kapp-Lüttwitz-Putsch und seine Folgen 60 Die Ära Brüning 30 Attentate im Reich und ein außenpolitischer Erfolg 69 Das Ende der Weimarer Republik 35 Krisenjahr 1923 74 Machtübergabe an die Nationalsozialisten 2 Informationen zur politischen Bildung Nr. 346/2021 Zu diesem Heft Auch im Abstand von einem Jahrhundert hat die Epoche der Weimarer Republik, der ersten deutschen Demokratie, nicht an Faszination verloren. Ihre politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ver- hältnisse bieten der heutigen Betrachtung interessante und mannigfaltige Bezugspunkte für Analyse und Vergleich – und das gilt nicht nur für die Weimarer Verfassung, an der sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ganz wesentlich orientiert haben. Der Erste Weltkrieg bedeutete eine Zäsur, nach der nichts mehr so war wie zuvor. Die scheinbar so festgefügte monarchi- sche Ordnung des Kaiserreichs mit ihren starren gesellschaft- lichen Zuweisungen gehörte auf einmal der Vergangenheit an. Sie wich der völligen Umwälzung der traditionellen poli- tischen und gesellschaftlichen Verhältnisse – betrauert und zurückersehnt von Generationen und Schichten, die sich in ihr 63 zuhause gefühlt hatten. Für andere, vor allem jüngere Menschen bedeutete der Wan- del den Anbruch einer neuen, hoffnungsvollen Zeit. Neue Kunst, neues Bauen, neues Wohnen, neue Mode, der „Neue Mensch“, Wissenschaft, Technik und das neue Massenmedium Film ver- körperten Aufbruch, Fortschrittsglauben und -gewissheit. Das galt auch in der Politik: Am rechten und linken Rand des politischen Spektrums wuchsen Bewegungen, die eine radi- kale Neuorientierung anstrebten und sich aktiv für ein ideo- logisch fundiertes Gesellschaftsmodell einsetzten. Beide zogen dabei Grenzen: die einen gegen privilegierte Gesellschaftsklas- sen und den Kapitalismus, die anderen gegen alle Menschen, die nicht in ihr völkisches, rassistisches Raster passten. Und wie die Gesellschaftsgruppen, die eine Rückkehr zur Monarchie ersehnten, waren beide erbitterte Feinde des neu- 77 en politischen Systems. Die politischen Führungskräfte, die das System stützten, bemühten sich um gesellschaftlichen Zusammenhalt. Doch angesichts bestehender Konfliktlinien zwischen rückwärtsgewandten und fortschrittlichen Kräften, zwischen Arm und Reich, zwischen ideologisch verhärteten Fronten war dies kein leichtes Unterfangen. Auch die äußeren Verhältnisse waren nicht günstig. Spätes- tens mit Einsetzen der Weltwirtschaftskrise und der Not brei- ter Bevölkerungskreise geriet die deutsche Demokratie unter Druck und wurde von Vertretern der reaktionären Eliten an die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler ausgeliefert. Die Darstellung folgt chronologisch der Entwicklung von 77 Nachbemerkung: die Weimarer Republik der Kriegsniederlage 1918 bis zum Ende der Weimarer Repu- als Ort der Demokratiegeschichte blik 1933. Im Vordergrund stehen die politischen Ereignisse und ihre Protagonisten, Biografien beleuchten den Werdegang ausgewählter Personen, zeitgenössische Dokumente und Ex- 80 Zeittafel kurse vertiefen Einzelaspekte. Bilder, Grafiken, Tabellen und 81 Abkürzungen Landkarten veranschaulichen die Textaussagen. Eine Nachbe- 82 Literaturhinweise merkung reflektiert über die Bedeutung der Weimarer Repu- 82 Internetadressen blik und ihrer Verfassung für das Heute. 83 Der Autor Insgesamt wird eine Epoche lebendig, mit der uns viel ver- 83 Impressum bindet. Sie lädt dazu ein, Parallelen zu ziehen, aber auch Unter- schiede wahrzunehmen – auf jeden Fall aber Erkenntnisse zu gewinnen, die auch für die Bewältigung heutiger Problemla- gen von Bedeutung sind. Christine Hesse Informationen zur politischen Bildung Nr. 346/2021 3 Weimarer Republik ERNST PIPER Konstituierung der Demokratie 1918/1919 Im Sommer 1918 erklärt die Oberste Heeresleitung den Ersten Weltkrieg für verloren und plädiert für Waffenstillstandsverhandlungen. Revolutionäre Unruhen führen das Ende der Monarchie in Deutschland herbei. Durch maßgeblichen Einfluss der SPD wird das Reich eine parlamentarische Demokratie, deren Repräsentanten das Waffenstillstandsabkommen und einen umstrittenen Friedensvertrag unterzeichnen. Kriegsende und Revolution den Russlands aus dem Krieg absehbar. Die kommunistischen Bolschewiki hatten unter Führung Lenins durch einen Staats- Am 28. Juli 1914 hatte der Erste Weltkrieg begonnen, der an der streich die Macht ergriffen und Lenin wollte selbst um den Preis Westfront bald zu einem verlustreichen Stellungskrieg erstarr- sehr harter Friedensbedingungen den Krieg beenden, um die te. In vier Jahren fielen dem Krieg weltweit etwa 15 Millionen Herrschaft der Bolschewiki zu stabilisieren. Diese Entwicklung Menschen zum Opfer, darunter rund neun Millionen Soldaten beflügelte die Hoffnung der kriegsmüden, durch Hungersnöte und über sechs Millionen Zivilisten. Allein in Deutschland wa- geschwächten Bevölkerung, dass es endlich Frieden geben würde. ren zwei Millionen militärische und 700 000 zivile Todesfälle, Am 28. Januar 1918 traten in Berlin rund 400 000 Arbeiter darunter viele Hungertote, zu beklagen. und Arbeiterinnen der kriegswichtigen, metallverarbeitenden Nach der Hungersnot des „Steckrübenwinters“ 1916/17 hatte Industrie in den Streik. Den Vorsitz der Streikleitung übernahm es im Frühjahr 1917 wegen der schlechten Lebensmittelversor- Richard Müller, der eine führende Rolle bei den Revolutionären gung bereits in verschiedenen Orten Arbeitsniederlegungen Obleuten spielte. Diese hatten innerhalb der Gewerkschafts- und Demonstrationen gegeben. Im Januar 1918 erreichten die strukturen in verschiedenen Industriebetrieben ein unab- Streiks dann eine neue Qualität: hängiges Netzwerk frei gewählter Vertrauensleute gebildet, Nach der russischen Oktoberrevolution und dem deutsch-rus- lehnten den Krieg ab und verstanden sich als eine betrieblich sischen Waffenstillstand am 15. Dezember 1917 war das Ausschei- organisierte Arbeiteropposition. Süddeutsche Zeitung Photo / Knorr + Hirth Bereits während des Krieges ist die Lebens- mittelversorgung unzureichend, dies verstärkt auch die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung. Warteschlange vor einem Metzgerei im süd- deutschen Raum 4 Informationen zur politischen Bildung Nr. 346/2021 Konstituierung der Demokratie 1918/1919 Gestreikt wurde Ende Januar 1918 nicht nur in Berlin, sondern formen zu stellen. Angesichts der unabwendbaren deutschen auch in vielen anderen Städten. Insgesamt waren mehr als Niederlage hatten die verbleibenden alliierten Kriegsgegner eine Million Menschen im Ausstand. Der Streik war aber nicht des Deutschen Reiches, die USA, Großbritannien und Frank- nur für das Wilhelminische Kaiserreich eine Herausforderung, reich, inzwischen auch kein Interesse mehr an Verhandlungen, sondern auch eine Gefahr für die SPD. zumal eine wichtige Vorbedingung, der Rücktritt des Kaisers, Die Partei der Arbeiterbewegung hatte sich im Kaiserreich noch immer nicht erfüllt war. gegen alle Widerstände der herrschenden Eliten behauptet In dieser Situation berief Prinz Max mit den Reichstagsab- und seit den Reichstagswahlen 1912 die mit Abstand stärkste geordneten Philipp Scheidemann und Gustav Bauer erstmals Fraktion im Reichstag gestellt. Trotz aller inneren Distanz zur zwei Sozialdemokraten zu Staatssekretären, um sie als Reprä- Monarchie hatte sie unter ihrem Vorsitzenden Friedrich Ebert sentanten der stärksten Reichstagsfraktion in die Regierungs- und (seit 1917) Philipp Scheidemann mehrheitlich die erforder- arbeit einzubinden. lichen Kredite zur Finanzierung des Krieges mit bewilligt, in- nenpolitische Konflikte zurückgestellt, auf Arbeitskämpfe ver- Das Ende der Monarchie zichtet und die Kriegsanstrengungen mitgetragen. Bereits am 7. November 1918 erklärte Kurt Eisner, der Vorsitzen- Diese sogenannte Burgfriedenspolitik geschah allerdings de der bayerischen USPD, den bayerischen König Ludwig III. für um den Preis der Spaltung: Die pazifistischen Kräfte, die diesen abgesetzt. Innerhalb weniger Tage wurden alle 22 gekrönten Kriegskurs nicht mittragen wollten, wurden 1917 aus der Partei Häupter, die in Deutschland bis dahin regiert hatten, abgesetzt ausgeschlossen und gründeten unter Führung von Hugo Haa- oder traten zurück. Der Kaiser hatte Berlin bereits am 28. Okto- se die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands ber verlassen und sich in sein militärisches Hauptquartier im (USPD). Der größere Teil der Mitglieder verblieb in der SPD, die belgischen Spa begeben. deshalb umgangssprachlich auch als Partei der Mehrheitssozi- aldemokraten (MSPD; hier im Weiteren: SPD) bezeichnet wurde. Auch die kleine Gruppe der Linksradikalen um Rosa Luxem- burg und Karl Liebknecht, die seit 1916 die illegalen „Sparta- Im November 1918 verlassen die kaiserlichen Ange- kusbriefe“ herausgab und deshalb „Spartakusgruppe“ genannt stellten das Schloss, nachdem Kaiser Wilhelm II. für wurde, schloss sich der USPD an, ging dann allerdings ab No- abgesetzt erklärt wurde. vember 1918 eigene Wege. Auch alle anderen Fürsten im Deutschen Reich