Die Menagerie des Landgrafen Karl

Ein Beitrag zur Einheit von Natur

und Kunst im Barockzeitalter

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) an der Universität im Fachbereich Kunstwissenschaften

vorgelegt von

Petra Werner M. A.

Datum der Disputation: 29. Januar 2013

INHALT

TEIL I: EINLEITUNG...... 5

1. Zum Thema ...... 5

2. Forschungsstand ...... 10

TEIL II: TIERGÄRTEN UND MENAGERIEN VON IHREN URSPRÜNGEN BIS ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS IN EUROPA...... 14

1. Über die Anfänge der Wildtierhaltung bis zum Ende des Mittelalters ...... 14

2. Exotische Tiere an den Höfen der Renaissancefürsten...... 17

3. Barocke Menagerien ...... 20

4. Ausblick: Die Gründung der Zoologischen Gärten im 19. Jahrhundert ...... 26

TEIL III: HÖFISCHE TIERHALTUNG IN KASSEL ...... 29

1. Die Haltung von fremdländischen Tieren in Kassel vom 15. bis Mitte des 17. Jahrhunderts ...... 29 1.1 Landgraf Philipp, der Großmütige (reg. 1518-1562)...... 29 1.2 Landgraf Wilhelm IV., der Weise (reg. 1567-1597) ...... 29 1.3 Landgraf Moritz, der Gelehrte (reg. 1592-1627)...... 31 1.4 Von Wilhelm V. bis zu Wilhelm VI. (1627-77)...... 32

2. Die barocke Menagerie des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel ...... 33 2.1 Topographie ...... 33 Standortbestimmung der Kasseler Menagerie ...... 34 Umzug der Menagerie zwischen 1728 und 1730? ...... 37 2.2 Tierbestand ...... 38 Fazit ...... 42 2.3 Die Wahrnehmung der Menagerie aus Sicht der Besucher ...... 43 Bezug der curiositas zum Sammlungswesen...... 44 Fürstliche Selbstdarstellung ...... 46 2.4 Die Auflösung der Menagerie...... 46 Das Kunsthaus...... 51 Das Collegium Carolinum...... 53

3. Das Kasseler “Tierstück”: „Die Menagerie des Landgrafen Carl“...... 54 3.1 Der Schöpfer des „Tierstücks“: Johann Melchior Roos (1663-1731)...... 54 Biographie ...... 54 Roos als Tiermaler ...... 56 Exotische Raritäten ...... 58 3.2 „Die Menagerie des Landgrafen Carl“ von Johann Melchior Roos...... 60 Bildstruktur ...... 61 Natur als Ware - die ökonomische Dimension...... 62 Grenzüberschreitung...... 64 Das „Tierstück“ als kurioses Objekt...... 66 3.3 Die Unterbringung des Kasseler „Tierstücks“ im Kontext der fürstlichen Sammlung ...... 67 Das „Tierstück“ im Kasseler Kunsthaus ...... 68 Das „Tierstück“ unter Wilhelm VIII...... 71 Das „Tierstück“ unter Friedrich II. im Museum ...... 71 Die Unterbringung bis heute...... 73 3.4 Die Braunschweiger Fassung ...... 73 3.5 Das Sammelbild als frühneuzeitlicher Bildtyp...... 75 3.5.1 Die Bildtradition der Paradieslandschaft...... 76 Die biblische Paradieslandschaft ...... 77 Die mythologische Paradieslandschaft: Orpheus mit den Tieren...... 82 Vögel in der Landschaft ...... 82 3.5.2 Naturhistorisch-enzyklopädische Sammelbilder...... 84 Konchylien ...... 85 Blumenbuketts/-porträts...... 86 3.6 Kunsthistorische Einordnung des Kasseler „Tierstücks“ ...... 89 Friedliches Tierparadies ...... 89 Repräsentationsfunktion...... 90 Kunst und Natur im Wettstreit...... 91 Naturwissenschaftliche Dokumentation oder fiktionale Tiersammlung?...... 92 Die „Königin der Nacht“ ...... 93

4. Die Menagerie Friedrichs II. von Hessen-Kassel ...... 95 4.1 Topographie ...... 96 4.2 Tierbestand ...... 98 4.3 Anatomische Forschungen...... 102 4.4 Die Auflösung der Menagerie...... 105 4.5 Die Menagerie als Bestandteil der Bildungspolitik des Aufgeklärten Absolutismus...... 106

Schlussbemerkung ...... 110

Bibliographie ...... 112

Abbildungen ...... 138

Abbildungsnachweis...... 169

TEIL I: EINLEITUNG

1. Zum Thema

Angeregt wurde die Untersuchung zu der Frage einer höfischen Menagerie im Verhältnis zu den übrigen Sammlungen am Hof der Landgrafen von Hessen- Kassel durch das imposante Gemälde „Die Menagerie des Landgrafen Carl“ von Johann Melchior Roos aus dem Jahre 1728.1

Roos (1663-1731) stammte aus einer prominenten Pfälzer Tiermalerfamilie. Auf dem Gemälde, das wegen seiner großen Ausmaße von ca. 340 x 665 cm als „Höhepunkt der Roos’schen Tiermalerei“2 bezeichnet wird, hat er über 80 fast ausschließlich fremdländische Tiere dargestellt, „[...] so bey Absterben des Landgrafen Karl in dem Thiergarten befindlich gewesen [sind]“.3 Abgebildet ist eine Tiersammlung, die jeder fürstlichen Menagerie dieser Zeit zur größten Ehre gereicht hätte. Die seltenen animalischen Sammlerstücke des hessischen Landgrafen Karl (1654-1730) gehörten zu den vielen Sehenswürdigkeiten, welche die Residenzstadt Kassel ihren Besuchern im 17. und 18. Jahrhundert bot.

Die Menagerie ist eine historische Form der Tierhaltung und als solche der Vorläufer des zoologischen Gartens, der sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte. Die Bezeichnung leitete sich ursprünglich von dem französischen Begriff „Menage“ - Haushaltung - ab, wobei sich im Verlauf des 16./17. Jahrhunderts dessen Gewicht auf den Mastbetrieb für Nutztiere verlagerte.4 Im 17. Jahrhundert erhielt der Begriff mit dem Bau der Menagerie im Zuge der Neuanlage des Schlosses von Versailles unter Ludwig XIV. eine entscheidende Neubedeutung: Im Sinne von höfischer Menagerie bezog sich der Begriff nun in erster Linie auf die Haltung von exotischen Tieren in Verbindung mit höfischer Repräsentation.5 Menagerien konnten im 17. und 18. Jahrhundert an fast allen großen Höfen bestaunt werden.6 Sie waren in dem Grade eine Sehenswürdigkeit, wie sie fremdländische Tiere unter den Kategorien des Ausgefallenen, Ungewöhnlichen und Kuriosen darboten. Aufgrund der großen Faszination, die von den „ausländischen Seltenheiten“7 ausging, verwundert es nicht, dass der Besuch der Kasseler Menagerie ein fester Bestandteil der Besichtigung der Karlsaue war.

1 Das Gemälde lag seit 1939 eingerollt im Depot der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK, ehemals Staatliche Museen Kassel). Im Sommer 2000 wurde das Werk anlässlich der Neueröffnung der Gemäldegalerie Alte Meister restauriert und ist seitdem erstmals wieder nach fast 60 Jahren dem Publikum zugänglich. 2 Jedding 1998, S.253. 3 Holtmeyer 1923, S.551. 4 Diese Intention im landwirtschaftlichem Kontext als Ort ländlichen Lebens und ländlicher Nutztierhaltung behielt ihre Gültigkeit bis ins 19. Jahrhundert bei. 5 Laut Paust verdeutlicht das auch Jean de la Fontaine in seiner Beschreibung des Versailler Parkes: „[...] c’est un lieu rempli de plusieurs sortes de volatiles et de quadrupedes, la plupard très rares et de pays éloignés.“ Vgl. Fontaine 1669, Livre Premier, S.15, sowie Paust 1996, S.17f. 6 Für den deutschsprachigem Raum sind die Menagerien in Karlsruhe, Hildburghausen, Dresden, Weimar, Schwetzingen und Wien zu nennen. Vgl. Paust 1996. 7 Zitiert aus: Uffenbach 1728, S.48.

5

Ausgehend von dem an der Versailler Menagerie festgemachten Bedeutungsinhalt bildete sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts eine allgemeinere Begriffsbestimmung heraus: Unter Menagerie verstand man ein Areal innerhalb einer höfischen Gartenanlage, in dem exotische Tiere gehalten wurden. Demnach beschreiben Publikationen zur Gartenarchitektur die topographische Lage der Menagerie innerhalb des Schloss- oder Gartenkomplexes, in dem sie als eines der traditionellen gartenarchitektonischen Elemente des Barock gleichbedeutend neben Terrassen, Alleen, Grotten, Orangerien, Eremitagen usw. gestellt wird.8 In der Folge wurde die Menagerie dann auch als Einrichtung des Luxus und der „Curiosité“9 charakterisiert, die in der Regel nur wohlhabenden Herrschern vorbehalten war: „Bey grosser Herren Schlösser und Gärten [ist die Menagerie] ein Platz, worin allerhand ausländische Thiere sowohl vierfüßige als Flügelwerck in verschiedenen Behältnissen zur Curiosität gehalten werden“.10 Ähnlich beschreibt das „große Universal Lexicon“ von Johann Heinrich Zedler die Menagerie als „eines derer herrlichsten Stücke von einem prächtigen und ansehnlichen Garten“11. Selbige bestehe, wie weiter zu lesen ist, „[...] in einem weitläufigen Raum, der wiederum verschiedene Abtheilungen mit leeren Plätzen oder Höfen beschließt, darinnen man allerhand fremde und seltsame Thiere und Geflügel aufbehält.“12

Seit 1728 wurde das Tierstück von Roos in einem Raum des Kasseler „Kunsthauses“ (Ottoneum) gemeinsam mit ausgestopften und präparierten Tieren aus der Menagerie präsentiert. Es scheint als Teil der enzyklopädisch gedachten Naturaliensammlung Verwendung gefunden zu haben. In stellvertretender Funktion sollte es dem Besucher die exotische Tiersammlung in der nahegelegenen Karlsaue vor Augen führen, ihn auf deren Besichtigung einstimmen bzw. in Erinnerung rufen. Der Sammlungstyp der Kunstkammer ging aus dem humanistischen Studierzimmer, dem Studiolo, hervor.13 Die üblichen Sammlungskategorien waren Naturalien – aufgeteilt in Animalia, Vegetabilia und Mineralia –, Artificialien als technisch oder künstlerisch bearbeitete Naturalien, Gemälde, Preziosen, Antiken und Scientifica, also wissenschaftliche und mechanische Instrumente. Diese Kategorien vertraten die Grobstruktur zur Ordnung der Dinge, das Problem, den facettenreichen Kosmos zu klassifizieren. Letztlich waren diese Sammlungen, gefüllt mit „Kuriositäten“ und „Wunderdingen“ aller Art, darauf ausgerichtet, den Besuchern ein Staunen zu entlocken.14 Als

8 „Insgeheim pflegt man die Lust=Gärten, wenn man sie zu einer Vollkommenheit bringen will, mit Parterren, Terrassen, Wasser = Künsten, Alleen, [...], Grotten, Orangerien, Theatris, Trianons, Eremitagen, Parcs und Menagerien auszuputzen [...]“. Zitiert aus: Rohr 1716, S.246. 9 Die „Encyclopédie Méthodique“ von 1782 behandelt den Begriff „Ménagerie“ in ihrem Band über Architektur und bezeichnet sie als „Établissement de luxe et de curiosité, entretenu ordinairement par les souverains, et dans le voisinage des parcs ou des jardins de leur palais.“ Vgl. Encyclopédie Méthodique 1782, S.700. 10 Vgl. Penther 1744, S.106. 11 Zedler 1732-50, Bd. 20, Sp. 603. 12 Zedler schließt diesen Ausführungen eine differenziertere Erläuterung über die Beschaffenheit der einzelnen Räume für die verschiedenen Tiere an. Vgl. ebd. Sp.603. 13 Zum Studiolo vgl. Liebenwein 1977. 14 Jedes Objekt konnte für sich genommen als „Kuriosität“ in mindestens einer von drei Bedeutungen des Wortes auftreten: Erstens konnte es ein mit „cura“, Sorgfalt, gearbeitetes Werkstück sein. Zweitens konnte es die Bezeichnung „kurios“ durch auffällige Präsentation

6

„Idealentwurf der Welt im Kleinen“15 gehörten universalistische Kunstkammern „zum festen Bestand absolutistischer Herrschaftsoptik“16: „Die unter dem Protektorat des Fürsten aufgebaute Kunstkammer lässt, je größer, je umfassender, je sorgfältiger geordnet und ausgestattet sie ist, den Hof als selbständigen Kosmos erscheinen, der offenbar in der Lage ist, die Welt in ihren interessantesten Erscheinungen auf sich hin auszurichten und an sich zu ziehen.“17

Betrachtet man die Menagerie im Kontext der „Kunst- und Wunderkammern“, so soll hier der Blick noch auf ein entscheidendes Novum gerichtet werden: Inwieweit die „Kollektion“ der lebenden Geschöpfe diesem universalistischen Systemdenken des Barockzeitalters zuzuordnen ist. Denn das Interesse am „Raren“ und „Kuriosen“ bildet das vorrangige Motiv der höfischen Tierhaltung in Europa. Das lebende Tier ließ sich in der Kunstkammer freilich nicht unterbringen, gehörte aber als wichtiges Element einer Sammlung dazu. Im Jahre 1674 stellte Johann Daniel Major (1634-1693), Medizinprofessor und Inventor des Kieler „Museums Cimbricum18“, fest, dass zur praktischen Anschauung eine Kunst- und Raritätenkammer auch lebende Tiere enthalten solle, doch erkannte er zugleich die mit dieser Forderung verbundenen Schwierigkeiten:

„Und zu itzt = erwehnten Animalibus gehörten zwar auch nun etliche rare Lebendige Thiere: aber die würden eine Raritäten=Kammer gar schlecht zurichten. Item ausländische Bäum= und Kräuter gehörten auch darein; aber will oder kann aus einem beschlossenen Cabinet endlich gar eine Landschafft machen?“19

Als „Spiegel des Universums“20 und der Bemühung um eine möglichst „vollständige Weltabbildung“21 wurden Menagerien seit der Renaissance als lebende Pendants der naturwissenschaftlichen Seite der Kunstkammer angelegt. In diesem Sinne verwies der Philosoph Francis Bacon (1561-1626) 1594 darauf, dass für die Schaffung eines Modells der gesamten Natur im Kleinen22 vier Einrichtungen notwendig seien: Neben einer Kunstkammer mit einer Sammlung von Artificialia und Naturalia, einer universalen Bibliothek und einem Laboratorium führt er auch die Anlage eines Gartens mit exotischen Pflanzen und seltenen Tieren auf, explizit weist er auf seltene Vögel und Teiche

seiner Nutzlosigkeit verdienen. Drittens weckte eine Kuriosität bisweilen das Interesse, Neues über ein Objekt in all seiner seltsamen Eigenartigkeit zu erfahren. Daston/Park 2002, S.324. 15 Braungart 1989, S.124. 16 Ebd. S.111. 17 Zitiert aus ebd., S.124. 18 Cimbrien ist eine lateinische Bezeichnung für Jütland. „Museum Cimbricum“ war der Name des ersten Museums im modernen Sinn in Deutschland. Es wurde in der Kieler Flämischen Straße Nr. 5 im Frühjahr 1689 eröffnet und bestand für etwa 20 Jahre. Das Museum sollte als öffentliche Institution mit Modellen und exemplarischen Belegen zunächst einen allgemeinen Einblick in den Bau der Welt und den Gang der Geschichte geben, um als allgemeines Fundament die spezielle Erforschung und Dokumentation des Landstrichs nördlich von Elbe und Trave zu begründen. Zum Werk des Johann Daniel Major vgl. zusammenfassend Reinbacher 1998. 19 Major 1674,VIII, §12. 20 Zitiert aus: Ausst.-Kat. Bonn 1994, S.139. 21 Zitiert aus ebd., S.140. 22 “And so you may have in small compass a model of universal nature made private.” Vgl. Bacon 1594/1862, hier zitiert nach Anderson 1962, S.247.

7

mit unterschiedlichen Arten von Fischen hin.23 Dieses Modell der „universal nature“24 empfahl Bacon der Königin Elisabeth I. zum Fortschritt der Wissenschaften.

Eine ähnliche Bedeutung nimmt die Menagerie auch in einigen zeitgenössischen sammlungstheoretischen Schriften ein, welche die Ordnung und Kategorisierung von Wissen in der frühen Neuzeit untersucht haben. Es handelt sich um seit dem 16. Jahrhundert entstandene umfassende und theoretisierende Abhandlungen zu Grundlagen, Aufbau und Organisation von Kunstkammer-Sammlungen.25 Diese „wissenschaftstheoretischen“ Auseinandersetzungen um Klassifizierung und Ordnung der Natur gewannen in der wissenschaftlichen Diskussion über die rechte Systematik und Kategorisierung der Dinge im 17. und 18. Jahrhundert immer stärker an Einfluss. Grundsätzliche sammlungstheoretische Überlegungen enthielten neben Ratschlägen für die Sammelpraxis - die Bewahrung und Konservierung der Objekte - häufig auch Forderungen nach zusätzlichen Einrichtungen zur Ergänzung der Objektwelt. Die Erweiterung der Kunstkammer mit Bibliothek, Werkstatt und Archiv bot in der Regel die notwendige Voraussetzung für das Verständnis der ausgestellten Objekte.26

1705 erschien eine Anweisung zum Bau und der Einrichtung eines Raritäten- Hauses des Architekten und Theoretikers Christoph Leonhard Sturm (1669- 1719): „Die geöffnete Raritäten- und Naturalien=Kammer worinnen der galanten Jugend […] gewiesen wird, wie sie Galerien, Kunst- und Raritätenkammern besuchen sollen, wobey eine Anleitung, wie ein vollständiges Raritäten-Haus anzuordenen und einzurichten sey“, Hamburg 1705 (Der geöffnete Ritterplatz III, 1).27 Sturm zeichnet - neben mancherlei Ratschlägen für die Vorbereitung

23 „ And to this purpose I will commend to your Highness four principal works and monuments of yourself. First, the collecting of a most perfect and general library […]. Next, a spacious, wonderful garden, wherein whatsoever plant the sun of divers climates […] either wild or by culture of man, brought forth, may be, with that care that appertaineth to the good prospering thereof, set and cherished; this garden to be built about with rooms to stable in all rare beasts and to cage in all rare birds, with two lakes adjoining, the one of fresh water, the other of salt, for like variety of fishes. [...] The third, a goodly huge cabinet, wherein whatsoever the hand of man by exquisite art or engine hath made rare in stuff, form, or motion; whatsoever singularity, chance, and the shuffle of things hath produces; whatsoever nature hath wrought in things that want life and may kept, shall be sorted and included. The fourth, such a still-house, so furnished with mills, instruments, furnaces, and vessels as may be a palace fit for a philosopher’s stone.” Zitiert aus ebd. S.247. 24 Ebd., S.247. 25 Die Anfänge einer Theorie des Sammelns in Deutschland sind mit dem Namen Samuel Quiccheberg verbunden, der bereits 1565 in einer Art Handbuch das Programm eines idealen Museums entwirft. Vgl. Quiccheberg 1565. Weitere sammlungstheoretische Schriften stammen von Olearius 1674, Major 1674, Happel 1683-1691, Mollerus 1704 und Neickel 1727. 26 Quiccheberg fügt direkt an die Auflistung der Gruppen von Sammlungsgegenständen (den „Inscriptiones“) eine Beschreibung der sogenannten ‘Archive’ bzw. ‘Werkstätten’ an, die ausdrücklich zur Kunstkammer gehören sollen: Neben einer Bibliothek, einer Druckerei, einer Drechslerwerkstatt und einer Apotheke zählt er auch ein Vogelhaus mit seltenen Vogelarten auf, welches er als Ergänzung der Kunstkammer sieht. Dieser gesamte, der Kunstkammer angekoppelte Bereich, sollte dem Forschen und Lernen dienen - also ergänzend zu den Kunstobjekten hinzugezogen werden, um zusätzliches Wissen zu liefern. Vgl. Quiccheberg 1565, II.2.a Musea et Officina. Zum Vogelhaus vgl. ebd. II.3.a Admonitio et Consilium, Zeile 243-251. 27 Der „Geöffnete Ritterplatz“ von Sturm entstand im Zusammenhang mit der 1687 gegründeten Ritterakademie in Wolfenbüttel – dort wirkte Sturm ab 1694 als Mathematiker und Ingenieur. Zur

8

eines Sammlungsbesuches, für das Benehmen in den Museen und für die Verarbeitung des Gesehenen - das Bild eines idealen Museums, dessen Grundriss mit Lageplan beigegeben ist. Den Inhalt bildet eine kultur- und naturgeschichtliche Universalsammlung, die ihre Ergänzung in einem botanischen und einem zoologischen Garten findet. So führt Sturm jenseits des Gartens neben der Orangerie als Wintergarten und dem Geflügelhof auch ein Tiergehege auf:

„Der dritte und vierde Theil geben Anlaß an eine kleine Menagerie zu seltenen ausländischen lebenden Thieren. Denn (n.25.) kann in Gewölben unter den Terrassen Ställe vor das Geflüg haben / und behält noch einen guten Raum unter den freyen Himmel vor dieselbigen. Ebenfals kann in solcher art Ställen und dem davor liegendem Plaz n.26. verschiedene vierfüßige Thiere einschliessen. Es wird aber dienlich seyn, ferner nach Ordnung dieser Classen etlicher Raritäten besonders zu gedencken / welche in einigen Cammern hier und dar gefunden werden / damit eine etwas genauere Eintheilung an die Hand gegeben werde.“28

Auch der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz29 (1646-1716) hat Wesentliches zur Begründung einer Theorie des Museums beigetragen. In seinem Bildungskonzept war die Kunstkammer der Impulsgeber für die Errichtung von Universitäten und Akademien - eines der Ziele, dem er sein ganzes Leben hindurch die größte Aufmerksamkeit widmete30. Leibniz sah für sämtliche der von ihm erdachten wissenschaftlichen Akademien ein angeschlossenes „Theater der Natur und Kunst“ vor. In einer Denkschrift anlässlich der Gründung der Kurfürstlich Brandenburgischen Societät in Berlin, der späteren Akademie der Wissenschaften, plädierte er 1700 für die Verwirklichung entsprechender Einrichtungen wie:

„Bibliotheca, Iconotheca (oder Collection von Kupferstücken, Rißen, Bildungen und Gemählden), Kunst- und Raritätenkammern, Zeug- und Rüsthäuser, Gärten vieler Art, auch Thierbehältnisse und die großen Wercke der Natur und Kunst selbsten, [...] zum Theatro Naturae et Artibus [...].“31

Sein Projekt sollte mit Attraktionen und begleitenden Vergnügungen verbunden werden: Mit Konzerten, Auftritten von Seiltänzern, Theaterspiel und allerlei Spektakel entwarf Leibniz die Vision eines wahren Sammlungs-Theaters.32 Als

Biographie von Sturm vgl. Bauakademie der DDR 1990. Zum „Raritäten-Haus“ vgl. Becker 1996, S.27ff. 28 Sturm 1705, § 12, S. 32. 29 Leibniz wurde 1676 Bibliothekar und Rat des Herzogs Johann Friedrich von Braunschweig- Lüneburg in Hannover. Briefwechsel mit fast allen bedeutenden Gelehrten Europas. 30 Die Kasseler Akademiegründung des Collegium Carolinum, die Landgraf Karl von Hessen- Kassel im Jahre 1709 im Ottoneum ins Leben rief, geht letztendlich auch auf eine Anregung von Leibniz zurück, mit dem der hessische Landgraf in persönlichen Kontakt stand. Vgl. Philippi 1976, S.14. Leibniz regte Wissenschaftsakademien nach englischen und französischen Vorbildern nicht nur in Berlin an, sondern auch in , Dresden, Wien und St. Petersburg. 31 Zitiert bei Harnack 1900, Bd. 2, S.78f. In einer späteren Gedenkschrift über die Verbesserung der Künste und Wissenschaft im Russischen Reich von 1716 (No. 240) nimmt er diesen Gedanken noch einmal auf: „Zum theatro naturae gehören ganze grotten, darin allerhand Sorten der Mineralien und Muschelwerke zu sehen, Garten, darin ungemeine Sorten von Bäumen, Stauden, Wurzeln, Kräuter, Blumen und Früchte zu finden und endlich Thiergarten und vivaria, darin lebende vierfüssige Thiere, Vögel und Fische zu sehen, samt einem theatro Anatomico, darin der Thiere Sceleta zu zeigen.“ Zitiert aus Guerrier 1873, S.351. 32 Leibniz’ Reformprogramm, das er mit „Theatrum naturae et artis“ überschrieb, lieh einer Ausstellung der Humboldt-Universität Berlin 2000/2001 den Titel: Als „Theater der Natur und Kunst: Wunderkammern des Wissens“ wurden dort etwa 100 unterschiedliche

9

„Sammel- und Wissenstheater“33 bildete die Akademie für Leibniz die ideelle Fortsetzung der Kunstkammer, allerdings nicht mehr als fürstlicher Privatbesitz, sondern als didaktisches Element im Dienste eines umfassenden Projekts „Gelehrtenstaat“.

2. Forschungsstand

Betrachtet man die Kunstsammlungen vom 16. bis 18. Jahrhundert im europäischen Raum, so kann man feststellen, wie sehr das gesellschaftliche Umfeld sowie besondere Vorlieben und Interessen der Sammlerpersönlichkeit, dem “Zeitgeist“ verpflichtet, den jeweiligen Charakter der Sammlung bestimmten. Es fällt daher schwer, von der Kunstkammer schlechthin zu sprechen. Der Begriff „Kunst- und Wunderkammer“ ist in dieser Kombination eine Wortschöpfung, die der Kunsthistoriker Julius von Schlosser in seiner Arbeit von 190834 verwendete. Wissenschaftlich avancierte dadurch dieser Begriff zum Fachterminus. Zweifellos einen Meilenstein für die Kunstkammerforschung stellten mehrere internationale Symposien dar, die sich seit den 80er Jahren mit den frühneuzeitlichen Sammlungen beschäftigten. Grundlegend war eine Tagung, die das Ashmolean Museum Oxford, das selbst aus der Tradescant-Sammlung des 17. Jahrhunderts entstanden ist, 1981 veranstaltete. Der dazu 1985 erschienene Band „the Origins of Museums“35 greift verstärkt die Interpretation der „Kunst- und Wunderkammern“ als selbständiger Mikrokosmos auf, der die göttliche Schöpfung - den Makrokosmos - zu spiegeln hatte. In Deutschland veröffentlichte das Institut für Museumskunde in Berlin 1994 einen vergleichbaren Tagungsband unter dem Titel „Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube“.36 Angeregt durch diese Publikationen sind verschiedene Studien entstanden, die sich mit einzelnen Kunstkammern37 oder dem Sammlungstypus allgemein38 beschäftigt haben. Neben der Aufarbeitung des „geordneten Ganzen“39 der Kunstkammern nimmt die Erörterung der Curiositas40 als Auslöser für das naturwissenschaftliche und kulturhistorische Sammlungen der Humboldt-Universität in einer Gesamtschau gezeigt und damit sinnfällig die Bandbreite vor Augen geführt, was „Universität“ bedeuten kann. Wie bei keiner anderen Ausstellung zuvor wurde hier deutlich gemacht, dass am Ende die universitären Sammlungen - ebenso wie die der Akademien, Wissenschaften und Museen - in all ihrer Verschiedenheit doch wieder auf ihren Ursprung zurückweisen: Auf die fürstliche Kunst- und Wunderkammer der Renaissance und des Barock, in der adlige Sammler Gegenstände aus allen Bereichen der Natur, Kunst und Wissenschaft zusammentrugen. Vgl. Ausst.-Kat. Berlin 2001. 33 Ebd. S.78f. 34 Die erste Auflage erschien 1908 in Wien. Verwendet wurde die zweite, verbesserte Ausgabe: Von Schlosser, Julius: Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance. Ein Beitrag zur Geschichte des Sammelwesens, Braunschweig 1978. 35 Vgl. Impey/MacGregor 1985. 36 Vgl. Grote 1994. Zur Mikrokosmos-Makrokosmos-Analogie als Element der Naturphilosophie der frühen Neuzeit vgl. Ausst.-Kat. Braunschweig 2000, S.9-11. 37 Zu den Habsburger Sammlungen, insbesondere der auf Schloss Ambras, vgl. Scheicher 1979. Zur Sammlung von Rudolf II. in Prag vgl. Fuciková 1988. 38 Vgl. Valter 1995; Becker 1996; Minges 1998; Lugli 1983; Braungart 1989. Zum niederländischen Bereich vgl. Ausst.-Kat. 1992. 39 Scheicher 1979, S.12. 40 „Kurios“ hat dabei weniger die Bedeutung von seltsam und merkwürdig, sondern bezeichnet den Wissensdrang und die Neugierde des 16. und frühen 17. Jahrhunderts.

10

Sammelwesen in der Frühen Neuzeit eine zentrale Stellung ein. Es wird festgestellt, dass gerade in der Kunstkammer sich die Neugierde im Studium der Objekte entfalten konnte. Elke Bujok bezeichnet „die Verbindung von Curiositas und Staunen“ als „die entscheidende Geisteshaltung im 17. Jahrhundert, mit der das Seltene, Ungewöhnliche und somit auch das Fremde betrachtet, aber nicht hierarchisiert wurde.“41 Die Kunstkammer erscheint ihr als der ideale Ort für das Staunen und die Wissbegierde. Denn Kostbarkeiten wurden nicht nur angehäuft, sondern ganz gezielt gekauft, in Auftrag gegeben und in eigenen Räumen systematisch aufgestellt. 42 Die oft kritisierte Objektvielfalt gilt als „Konstrukt einer den Makrokosmos nachbildenden mikrokosmischen Welt“43 und als Ausdruck der Neugierde des Menschen auf die sich ständig erweiternde Menge der bestaunens- und wissenswerten Dinge der Welt.

In diesem Zusammenhang gerät auch der Umgang mit den außereuropäischen Exponaten verstärkt in den Blick der Forschung.44 Gerade die exotischen und fremdländischen Erzeugnisse repräsentierten die Existenz fremder Länder, Völker und Kulturen, die dank menschlicher „curiositas“ entdeckt wurden. Als rares, vom Gewohnten abweichendes und kostbares Objekt „symbolisierten sie die Essenz jeden Sammeleifers, den Wunsch, einmalige, seltene Exemplare zu besitzen.“45 In Bezug auf die fürstlichen Sammlungen überrascht es, dass die Thematisierung der Menagerie als Sammlung zoologischer Raritäten lange Zeit nur wenig Beachtung gefunden hat. Als lebendige Kuriositäten aus weit entfernten Erdteilen repräsentierten doch die fremdländischen Tiere die „Wunder der Neuen Welt“46 genau so wie die Ethnographica in den Kunstkammern. Erst seit Ende der 90er Jahre werden im Zusammenspiel von Sammlungsgeschichte, Gartenarchitektur und Zoologie in kultur- wissenschaftlicher Hinsicht die Menagerien als Teil der Kunst- und Wunderkammern verstanden. Während sich ältere Veröffentlichungen auf Seite der Menagerie-Forschung47 noch hauptsächlich mit zoologischen Fragestellungen beschäftigten, wartet die jüngere Forschung mit kulturhistorischen Ansätzen auf, die Sammelleidenschaft bzw. den „enzyklopädischen Wissensdrang“48 auch als vorrangiges Motiv der Tierhaltung

41 Bujok 2004, S.64. 42 So stellt Hoppe 1994, S.244, fest: „Der vielseitige, bunte Inhalt von bemerkenswerten Seltsamkeiten der Kunst- und Naturalienkammern war kein willkürliches Durcheinander, sondern war durchzogen von einem mehr oder minder dichten Gewebe verschiedener Verbindungen der Objekte untereinander.“ In denselbem Sinne Minges 1998, S.7: „Die Struktur der studioli, Kunstkammern und Galerien ist nicht von einem Mangel an Systematik oder geistiger Durchdringung geprägt, sondern von Philosophien, die andere Ausgangspositionen als das heute dominierende historische Bewußtsein bereitstellten. Schon der Ordnungsbegriff selbst unterlag einem Bedeutungswandel, den die heutige Quellenkritik zu berücksichtigen hat.“ 43 Zitiert aus Walz 2000, S.10. 44 Vgl. dazu Collet 2007. Außerdem Mason 1994, S.1-20, und Trnek/Haag 2001. 45 Valter 1995, S.12. 46 Collet 2007, S.86. 47 Bei den Untersuchungen von Zoologen wie Heini Hediger, Werner Kourist oder Heinz-Georg Klös zur Entwicklungsgeschichte zoologischer Einrichtungen standen kulturhistorische und zoologische Aspekte im Mittelpunkt, die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur angedeutet werden können: Vgl. Hediger 1977; Kourist 1967 und Klös 1969. Den bisher zeitlich und räumlich umfassendsten Zugang zum Thema Menagerien bietet nach wie vor Gustave Loisel mit seiner 1912 erschienen dreibändigen Publikation: Vgl. Loisel 1912. 48 Dittrich 2001a, S.9.

11

im 16. bis 18. Jahrhundert zu sehen. Erst neuere, fachübergreifende Veröffentlichungen verweisen auf die Menagerie als Komponente der Kunstkammer im Ensemble von Bibliothek, Observatorium, Laboratorium und botanischem Garten und bezeichnen sie ganz allgemein als eine „Außenstelle“49 oder „Erweiterung der Kunstkammern im Freien“50. Die Aufsätze von Lothar Dittrich51 und Annelore Rieke-Müller52 erweisen sich in diesem Zusammenhang als besonders wertvoll. Der Frage nach gemeinsamen Sammlungskriterien, die die Auswahl der Gegenstände in den Kunstkammern bzw. der Tiere in den Menagerien bestimmten, wird allerdings nicht nachgegangen. Des weiteren fehlt bei diesen Autoren eine Auseinandersetzung mit einem konkreten Fallbeispiel. Eine streng kunstgeschichtliche Fragestellung entwickelte Bettina Paust in ihrer 1996 erschienenen Dissertation53, indem sie an den wichtigsten Menagerien im deutschsprachigen Raum exemplarisch architektonische, garten- architektonische und theoriegeschichtliche Bezüge aufzeigte. Ihre angeschnittenen Überlegungen zum Kosmosgedanken in Zusammenhang mit Menagerie und Kunstkammer sollen in die vorliegende Arbeit einfließen und bieten gleichzeitig Anregungen für weitere Forschungen. Die von Paust aufgeführten Menagerien sind monographisch erfasst, auf Kassel geht die Autorin dabei allerdings nur marginal ein.54 Damit bleibt einer der bedeutendsten Wissenschaftsstandorte des frühneuzeitlichen Europas unberücksichtigt.

Diese Lücke soll hier geschlossen werden. Im Mittelpunkt steht die fürstliche Menagerie des Landgrafen Karl, die den „Höhepunkt“ der exotischen Tierhaltung in Kassel bildet. Es soll aufgezeigt werden, dass sich ihre Gründung als Bestandteil der frühneuzeitlichen Kunst- und Wunderkammer versteht. Der Wirkungsgrad der Sammlungen des Landgrafen Karl beschränkte sich eben nicht nur auf den Kunstkammerkomplex, sondern erfuhr durch die Anlage der Menagerie in der Karlsaue eine räumliche Ausdehnung. Kunstkammer- gegenstände und lebende Menagerietiere waren gewissermaßen einer gemeinsamen universalen Sammlungsidee verpflichtet – so lautet die These.

Um zu klären, inwiefern das Tierstück von Johann Melchior Roos als einmalige Illustration der Sammlung lebender zoologischer Raritäten am fürstlichen Hof verstanden werden kann, sollen zunächst Umstände der Entstehung einer solchen Menagerie geklärt werden. Daher werden zunächst in Teil II unterschiedliche Formen herrschaftlicher Tierhaltung, die sich bis in die Antike zurückverfolgen lassen, als Wurzeln der barocken Menagerie vorgestellt. Daneben sollen die bedeutendsten Menagerieanlagen kurz aufgeführt werden, die, ausgehend von Frankreich, zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert

49 So Dittrich 2007, S.2: „Es entstanden die Kunst- und Wunderkammern, denen auch der botanische Garten und die Menagerie gewissermaßen als „Außenstellen“ hinzuzurechnen sind.“ Vgl. auch Rieke-Müller 1997, S.3. 50 Vgl. Haak, S.116. 51 Dittrich 1986/87, S.86. 52 Rieke-Müller 2008, S.31ff. sowie Rieke-Müller 1997, S.1-26. 53 Paust 1996. 54 Paust beschränkt sich in ihren Ausführungen auf die unausgeführten Menagerieentwürfe für Schloss Weißenstein, die um 1784/85 entstanden sind. Vgl. dazu Paust 1996, S. 154ff., 160, 179, 195. Die bedeutenden Menagerien von Landgraf Karl und Landgraf Friedrich II. werden nicht thematisiert.

12

hauptsächlich in Österreich und Deutschland entstanden sind. Diese Vorarbeit ist unentbehrlich, um später die Kasseler Menagerie in ihrem übergreifenden Kontext einordnen zu können.

Im dritten Teil der Untersuchung wird verdeutlicht, dass in der ehemaligen Residenzstadt Kassel heute nur noch wenig an die jahrhundertelange Haltung von fremdländischen Tieren erinnert.55 So scheint nur wenig bekannt zu sein, dass die Landgrafen von Hessen-Kassel bereits seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Einrichtungen für die Haltung von exotischen Tieren besaßen.56 Ein wesentliches Ziel der vorliegenden Untersuchung besteht darin, anhand von historischen Schriftquellen die Standortbestimmungen der Tierunterkünfte vorzunehmen und den jeweiligen Tierbestand so weit wie möglich zu rekonstruieren. Die Bearbeitung dieses Themas stellt ein deutliches Desiderat in der bisherigen kunsthistorischen Forschung dar, da lediglich die Publikation von Evelyn Lehmann57 einen knappen Abriss dazu liefert.

Ein begleitender Untersuchungsbereich gehört in das Feld der „Sammelbilder“ – diesem Bildtypus ist auch das Menageriegemälde von Johann Melchior Roos zuzuordnen. Es gilt, eine umfassende Analyse des „Tierstücks“ vorzunehmen und dabei den Kontext zur fürstlichen Sammlung herzustellen. Es bleibt in erster Linie zu klären, welche Bedeutung dem Gemälde als „Kunstkammerstück“ zukommt, eine Fragestellung, die Lehmann in ihrer Analyse des „Tierstücks“ noch nicht verfolgte. Ein Strukturvergleich zwischen dem Sammlungstyp Kunst- und Wunderkammer und dem Kasseler Sammelbild soll die Bedeutung der Kasseler Menagerie als „lebende Kunst- und Raritätenkammer“ hervorheben.

55 Dazu zählen die Affenallee und das ehemalige Tiergartenrestaurant in der Karlsaue. Die Affenallee ist eine ca. 500 m lange Kastanienallee am Westufer der Kleinen Fulda. Sie verband in der Barockzeit den Haupteingang der Karlsaue (Marmorbad) mit der Menagerie Friedrichs II. (spätere Hofbleiche) im entlegenen Parkteil unterhalb vom Weinberg. Nach 1981 wurde sie wieder hergestellt. Auf dem Areal des ehemaligen Tiergartenrestaurants in der Karlsaue, dem großen Rondell zwischen Küchengraben und Hauptallee, ließ der Pächter, Otto Eckart, von 1928 bis 1939 die alte Menagerie-Tradition wieder aufleben. Hinter dem Restaurant gehörten Hirsche aller Art, Esel, Kamele, Bären, Löwen, Zebras, Antilopen, Affen und exotische Vögel zum Zoo-Bestand. Heute trägt das Restaurant den Namen „Augarden“. 56 Kassel besitzt heute nur noch einen privaten Kleintierzoo am Rammelsberg (Wahlershausen) mit vielen Haus- und Heimtieren sowie exotischen Vögeln, einigen Affen und Schlangen. Zwischen 1896 und 1898 wurde von dem Menageriebesitzer Karl Krebe aus Gotha der Versuch unternommen, im Park von Schönfeld einen zoologischen Garten einzurichten, der jedoch nicht die Unterstützung der Stadt Kassel fand. 57 Vgl. Lehmann 2009.

13

TEIL II: TIERGÄRTEN UND MENAGERIEN VON IHREN URSPRÜNGEN BIS ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS IN EUROPA

1. Über die Anfänge der Wildtierhaltung bis zum Ende des Mittelalters

„Wildtiere werden in Menschenhand gehalten, solange es dokumentierte Überlieferung gibt, also schon seit dem Neolithikum. Vermutlich gehört die Zähmung und zeitweilige Haltung zahmer Wildtiere als Objekt des persönlichen Vergnügens zu den ureigensten Verhaltensmerkmalen unserer Spezies, seit sie zum Kulturwesen wurde.“58

Tiergärten haben eine lange Tradition. Bereits im Kulturbereich des Alten Orients existierten weiträumig angelegte Terrains für Wildtierhaltung, die wie bei den Ägyptern und in Altpersien profanem Vergnügen und sakralen Zwecken dienten.59 Im asiatischen Raum sind bereits früh Jagdparks bezeugt. Die älteste (bekannte) Sammlung lebender Tiere wurde um 2000 v. Chr. am Hof eines chinesischen Kaisers aus der Hsia–Dynastie angelegt.60 Etwas später ließ Wen-Wang um 1150 v. Chr. den „Park der Intelligenz“ bauen, der bis in die Mitte des vierten vorchristlichen Jahrhunderts bestand. In diesem Garten wurden sowohl exotische Pflanzen angesiedelt, als auch Tiere aus verschiedenen Regionen zusammengetragen. Die mannigfaltigen Säugetier-, Vogel- und Fischarten dienten neben der Betrachtung auch der Jagd.61

Der Typus des orientalischen Jagdparks fand zur Zeit der Eroberungszüge Alexander des Großen (356-323 v. Chr.) in der alten Bezeichnung „Paradies“62 Eingang in die griechische Kultur. In diesen „paradeisoi“ galt das Jagen als königliches Privileg. Der erste, nach orientalischem Vorbild errichtete Jagdpark auf griechischem Boden, war von Xenophon in der der Artemis heiligen Gartenanlage zu Skillous (Peleponnes) angelegt worden.63

Unterhaltung und Belustigung waren zwei bedeutende Faktoren, auf die bereits die Nutztierhaltung in der Form der „pastio villatica“64 im römischen Reich zielte. Die Vogel-, Fisch- und Wildtierarten65, die in weitläufigen, umzäunten Anlagen66 gezüchtet und gehalten wurden, versorgten die Tafel der römischen Aristokratie mit vielfältigen Fleisch- und Fischdelikatessen. Bei den „schwelgerischen Mahlen“67 dienten die Tiere der Prunkentfaltung und dem Vergnügen. Ebenfalls sehr populär in der ausgehenden Republik und der frühen Kaiserzeit war die Errichtung von Vogelhäusern innerhalb des römischen Villenbereichs, in

58 Zitiert aus Dittrich 1986/87, S.82. 59 Vgl. Loisel 1912, Bd.1, S.9f. sowie Paust 1996, S.23. 60 Walter 1999, S.94. 61 In einem der von Konfuzius gesammelten Lieder Schi-King wird der Park besungen. Zur Übersetzung vgl. Rückert, Friedrich: Schi=King, Chinesisches Liederbuch, gesammelt von Confucius, Altona 1833, S.282. Das Lied ist auch abgedruckt bei Stricker 1879, S.9. 62 Mielsch verweist darauf, dass die Bezeichnung „Paradies“ für jeden größeren Park auftaucht, der reich an Obstbaumanpflanzungen war. Vgl. Mielsch 1987, S.22. Vgl ebenso Paust 1996, S.24. 63 Ebd., S.23. 64 Paust 1996, S.24. 65 Dazu zählten unterschiedliche Gattungen von Hirschen, Rehen, Wildschweinen und Hasen sowie manchmal nordafrikanische Gazellen und Antilopen. 66 Diese Anlagen werden als „vivaria“ bezeichnet. Ebd. S.24 und 38. 67 Zitiert aus Stricker 1879, S.10.

14

denen essbare Singvögel gehalten und gemästet wurden. Eine Benutzung der Vogelhäuser als Speiseraum war durchaus üblich.68 Auch diese Form der Nutztierhaltung wurde nicht nur aus ökonomischen Gründen betrieben, sondern diente ebenso der Unterhaltung und der Zerstreuung.69

In Zusammenhang mit großen Tierkampfveranstaltungen entwickelte sich im antiken Rom eine weitere Art der Wildtierhaltung, die nichts gemein hatte mit den weitläufigen Jagdparks.70 Die überwiegend mit exotischen Tieren in den römischen Circusarenen oder Amphitheatern veranstalteten Tierhetzen übten eine große Faszination auf die Betrachter aus. Mit der Expansion des Römischen Reiches gelangten Tiere aus den entlegensten Gebieten nach Rom, von denen man bisher keinerlei Kenntnis hatte. Darunter waren Krokodile, Nilpferde, das afrikanische Rhinozeros oder Giraffen, die großes Aufsehen unter dem Publikum hervorriefen.71 Die fremdländischen Tiere wurden sowohl zur Schau gestellt als auch gehetzt und erlegt. Die erste Veranstaltung dieser Art fand im Jahre 186 v. Chr. im Circus Maximus in Rom statt.72

Höfische Tierhaltung im Mittelalter

Die Wildtierhaltung im Mittelalter beruhte auf den Traditionen antiker Völker. In vielen Städten73 wurden Tiergehege in den Stadtgräben angelegt, die vor allem mit jagdbarem Wild, vorwiegend Hirschen oder Bären, besetzt waren. Daneben zählte es zu den Privilegien des Adels, sich in den Burggräben bzw. Schlossgräben Wildtiere zu halten.

In Mitteleuropa waren exotische Tiere seit der Karolingerzeit Teil höfischer Repräsentation. Gelehrte setzten sich mit ihnen als Zeugnissen der außereuropäischen Welt und der Vielfalt der Schöpfung vor allem seit der Entdeckung der Neuen Welt intensiv in einem gelehrten Diskurs auseinander. Die fremdartige Natur und die Kenntnis zuvor unbekannter Arten ferner Länder stellten für die Europäer ein Wunder dar, waren viel versprechende Herausforderung, abschreckende Gefahr und begehrte Bereicherung des Wissens und der Ästhetik zugleich.74 Fremdländische Tiere waren in Europa seit dem Mittelalter bevorzugte Geschenke von Fürst zu Fürst und begehrte Statussymbole, die ihren Platz in der höfischen Repräsentation innehatten. Bereits an den Höfen frühmittelalterlicher Fürsten gab es gezähmte Wildtiere75, aber erst mit Pippin und seinem Sohn, Karl dem Großen, ist die höfische Tierhaltung verbunden mit der Selbstdarstellung des Herrschers, der Dokumentation seines Machtanspruches der mittelalterlichen Weltordnung. Karl unterhielt in Aachen

68 Bei festlichen Gelagen, die in den Vogelhäusern stattfanden, konnten die Gäste des Hausherrn durch den Anblick und den Gesang der Vögel während des Essens erfreut werden. Vgl. Paust 1996, S.48. 69 Mielsch 1987, S.17. 70 Auf diesen völlig anderen Kontext verweist Paust 1996, S.39. 71 Ebd., S.38f. 72 Vgl. Loisel 1912 sowie Paust 1996, S.38. 73 Beispielsweise in , Solothurn, Bern, Zürich und Luzern. 74 Rieke-Müller 2001, S.8. 75 Gehalten wurden vornehmlich Tiere der heimischen Fauna, wie Rothirsche, Braunbären, evtl. Wisente im Gatter und zum Sprechen und Pfeifen abgerichtete Singvögel. Vgl. Hauck 1963, S.11 und Dittrich 1986/87, S. 82/83.

15

einen eigenen Privatzoo und weitere Menagerien in Ingelheim, Nimwegen und in Frankreich. Für die Gloriole des Königs waren „Königstiere“ ebenso bedeutsam wie anderer materieller Besitz (Edelmetalle, Rüstungen, kostbare Stoffe). Seine politischen Bestrebungen waren darauf ausgerichtet, den Machtanspruch gegenüber dem des Kaisers in Byzanz gleichrangig erscheinen zu lassen. In Byzanz wurden seit dem römischen Gründertagen von den Kaisern Menagerien unterhalten. Im Rahmen dieser Politik ließ sich Karl 802 von dem Kalifen Harun ar-Raschid in Bagdad einen libyschen Löwen, einen Braunbären, einen Affen und einen Elefanten vermitteln, der bei seiner Ankunft in Aachen der erste Elefant in Deutschland war.76 Karl verwandte ihn als Symbol seiner kaiserlichen Macht, setzte ihn nicht nur als Kriegselefant ein, sondern führte ihn auch mit zu Hoftagen und Bischofskonferenzen.77

Auch für andere mittelalterliche Kaiser wurde der Besitz fremdländischer Tiere zur Bezeugung ihrer quasi überirdischen Macht und kündete von ihrem Ruhm. Zu den unterschiedlichsten Anlässen spielten diplomatische Geschenke von Tieren eine große Rolle. Kaiser Heinrich III. erhielt 1054 von dem von den isländischen Gemeinden zum Bischof gewählten Priester Isleiv einen Eisbären zum Geschenk, als Gegenleistung seiner Unterstützung bei dessen Investitur in Rom.

Der Stauferkaiser Friedrich II. unterhielt um 1230 an mehreren seiner zeitweiligen italienischen Residenzen auf Sizilien und in Süditalien Tierhaltungen mit Kranichen, Reihern, Geparden und Luchsen – die ersten in Europa nach der römischen Zeit. Er richtete auch eine Zuchtstation für Dromedare ein. Er war der erste, der seine aus exotischen Tieren bestehende Menagerie bewusst „strategisch“ zu Repräsentationszwecken einsetzte, um die Glorie seiner Herrschaft und seines Ruhmes zu unterstreichen. Die Tiere seiner Wandermenagerie begleiteten ihn auf Reisen und Triumphzügen:78 Kamele, Löwen, Leoparden, Panther, Affen, Eulen, Beizfalken und Habichte.79 Daneben besaß er auch einen Elefanten, der als Geschenk eines islamischen Herrschers ins christlich-abendländische Europa gelangte. Er wurde eingesetzt bei dem triumphalen Einzug des Kaisers in Mailand nach seinem Sieg bei Cortenuova (1237); vier Jahre später trat er beim Empfang Richard von Cornwalls in Cremona in einem nach antikem Vorbild inszenierten Triumphzug auf.80

Ab dem 14. Jahrhundert sind in Italien und Holland, bald auch in Burgund, Frankreich, England und Prag und an Residenzen deutscher Fürsten Menagerien dokumentiert. Bevorzugt wurden Löwen, die in Löwenhöfen, teils

76 So Dittrich 1986/87, S.83. 77 Der Elefant trug den Namen „Abul Abaz“ – er war der einzige in der christlich- abendländischen Geschichte, dem man den Einsatz als „Kriegs-Maschine“ zumutete. Alle anderen diplomatischen Elefanten, die nach ihm nach Europa kamen, wurden ausschließlich als Verkörperung fürstlicher Pracht und Herrschaft dem Volk präsentiert. Vgl. Oettermann 1982, S.38. 78 Nachweisbar ist das Mitführen exotischer Tiere für Ravenna (1231), Cremona (1235 und 1237), dann größtenteils in Deutschland, Padua (1239), Verona (1245), Siena (1247), vor Parma (1248). Vgl. die Auflistung bei Paust 1996, S.40. 79 Sein nach eigenen Bekunden auf dreißigjähriger Beobachtung von Falken und Habichten und auf seinen Beizjagderfahrungen beruhendes Werk „De arte venandi cum avibus“ weist Friedrich II. als einen erfahrenen Tierhalter aus. Vgl. Walz 1994, S.7-10. 80 Oettermann 1982, S.34.

16

mit Innen- und mit Außenanlage, gehalten wurden. Oft stellten sich sogar Zuchterfolge ein, so dass junge Löwen weiterverschenkt werden konnten.

2. Exotische Tiere an den Höfen der Renaissancefürsten

Mit Beginn der Frühen Neuzeit erweiterte sich in Europa die Kenntnis der außereuropäischen Welt. Ab den fünfziger Jahren des 15. Jahrhunderts erreichten portugiesische Seefahrer zunächst die westafrikanischen Küsten. Bartolomeu Dias umsegelte 1478 die Südspitze Afrikas und 1497 erreichte Vasco da Gama Indien. Kolumbus gelangte 1492 im spanischen Auftrag an die Küsten Kubas und Haitis sowie in den nächsten Jahren zu weiteren Inseln in der Karibik, nach Trinidad und die dahinterliegenden Küsten Süd- und Mittelamerikas. Es folgte 1520 die Umsegelung der Südspitze Südamerikas durch Magellan. Ab 1595 begann die Erschließung südostasiatischer Inseln für den Überseehandel durch die Holländer. 1602 bildeten sich in den Generalstaaten die Ostindische Compagnie und 1621 die Westindische Compagnie. Zu den immer umfangreicher und vielseitiger werdenden Transportgütern gehörten auch in zunehmendem Maße fremdländische Tiere, wie Jaguar, Nandu, afrikanischer und asiatischer Elefant, Panzernashorn, Hirschziegenantilope, Giraffe, Leopard, Gepard und Strauß. Man ??? hielt immer mehr Affen verschiedenster Arten als auch die großen Papageienarten der Neuen Welt. 1597 gelangte der erste Helmkasuar auf einem holländischen Handelsschiff aus Java nach Europa – er war der erste seiner Art in Europa und wurde über Umwege in die Menagerie Kaiser Rudolfs II. in Prag überführt.81

Große Bedeutung für die Kulturgeschichte und die Kunst gewannen die großen Menagerien der Gonzaga in Mantua, der Visconti in Pavia und Mailand oder die der Medici in Florenz. Die aufgeschlossene, kultivierte und weltoffene Atmosphäre, die an diesen Höfen herrschte, weckte das Interesse für ein Studium der belebten Natur.82 Die am Hofe arbeitenden Künstler konnten die Menagerietiere als Studienobjekte heranziehen und in Zeichnungen und Skizzen darstellen. Zu den bedeutendsten Vertretern der lombardischen Tiermalerei um 1400 zählen Giovannino de’ Grassi (gest. 1398), Michelino da Besozzo und Antonio Pisanello (1395-1455). Giovannino de’ Grassi hielt sich in Pavia am Hof Galeazzo II. Visconti auf, dessen außergewöhnliche Tierbegeisterung überliefert ist. Er war begeisterter Jäger und besaß zudem einen veritablen zoologischen Park mit vielen exotischen Tieren. Die Panther, Geparden, Affen, Bären, Stachelschweine und Adler seiner Menagerie wurden in den Zeichnungen des Hofmalers um 1398 bildlich festgehalten. Die Tierbegeisterung der Visconti nahm bei Galeazzos II. Sohn Giangaleazzo eine besondere Form an: eine ausgeprägte Affinität zum Leoparden oder Geparden, der wohl als persönliche Impresa diente.83 Bis 1413 scheint die

81 Der Helmkasuar ist auf mehreren Bildern des Prager Hofmalers Roelant Savery (1576-1639) abgebildet, vgl. Orpheus mit den Tieren, 1603, Frankfurt, Städel. Außerdem erscheint er auf einem Aquarell im Bestiarium von Rudolf II., 1601/1602, abgebildet in Dittrich/von Engelhardt/ Rieke-Müller 2001, S.23, Abb.6. 82 List 1993, S.98. 83 1392 notiert ein Chronist den Wurf dreier Leopardenjungen im Tiergarten der Residenz von Pavia, ein bereits damals sensationelles Zeugnis der Domestizierung exotischer Tiere. List 1993, S.98

17

Haltung von Leoparden und Geparden nur am Hof der Visconti gepflegt worden zu sein.84

Aus dem Raum nördlich der Alpen sind ebenfalls bedeutende Menagerien bezeugt. In der von Philipp dem Guten um 1420 in Gent gegründeten Menagerie zeichnete 1521 Albrecht Dürer Berberlöwen, einen Luchs, einen männlichen Mantelpavian und eine junge Gemse.85 Bereits zwischen 1512- 1515 hatte der Künstler für das Gebetbuch Maximilians I. ein Weißbüscheläffchen nach der Natur gezeichnet, vermutlich in Nürnberg.86 Einen großen Tiergarten unterhielten auch die sächsischen Herzöge. Kurfürst August I. (1526-1586) besaß in Dresden unter anderem einen Bärenzwinger und seit 1554 ein Löwenhaus auf der Elbbrücke, in dem neben Löwen auch Leoparden, Paviane und Luchse gehalten wurden.87 Zu nennen sind des Weiteren die Menagerien der Brandenburger88, die der bayrischen Herzöge und die Ottheinrichs von der Pfalz (1502 bis 1559). Die größte Bedeutung erlangte die Menagerie Herzogs Ferdinand von Tirol (1529- 1595) auf Schloss Ambras bei Innsbruck. Zu seiner naturkundlichen Sammlung zählte auch ein angrenzender Garten, in dem Löwen, Leoparden, Bären, Wölfe, Affen, Hirsche, Steinwild und Meerschweinchen gehalten wurden.

Die Motive der Tierhaltung im 15. und 16. Jahrhundert waren vielseitig. Zum einen kam dem lebenden Tier als Mittel der Repräsentation fürstlicher Macht immer noch besondere Wertschätzung zu. Renaissancefürsten bemühten sich um die Bereicherung ihrer Menagerien durch seltene oder schmückende sowie aus der Symbolik bekannte Arten89 und nahmen exotische Tiere gern als diplomatische Geschenke an. Im 16. Jahrhundert zählte der Elefant zu den „höchsten Trümpfen im diplomatischen Spiel“.90 Herausragendes Beispiel für den Erfolg eines „diplomatischen Elefanten“ war die portugiesische Gesandtschaft, die 1514 in Rom Papst Leo X. den Elefanten Hanno überbrachte. Das Tier kniete vor dem Papst nieder, verweigerte aber allen anderen Würdenträgern diese Reverenz. Eine Huldigung von eindringlicherer, sinnfälliger Symbolik ist wohl nicht denkbar: das heidnische Indien unterwarf sich dem Christentum. Dies war eine höchst erfolgreiche Inszenierung des Schenkers König Manuel, der damit die weltliche Herrschaft über Indien dokumentierte.91 Der Habsburger Maximilian II. (1527-1576) - seit 1564 deutscher Kaiser - knüpfte an die Tradition der Prunkumzüge der großen mittelalterlichen

84 1413 ließ, sicher in Konkurrenz zu den Visconti, Niccolo d’Este Jagdleoparden aus dem Orient nach Ferrara bringen. 85 Albrecht Dürer, Studien von Tieren und Landschaft, 1521, Williamstown, Sterling and Francine Clark Art Institute; abgebildet in Luz 1987, S.16, Fig. 24. In der auf denselben Gründer zurückgehenden Menagerie in Brüssel zeichnete später Jan Breughel Affen, Kakadus und andere Papageien. Vgl. Dittrich 1986/87, S.87. 86 Dittrich 1986/87, S.98. 87 1580 trafen zwei Strauße von Venedig über Augsburg kommend in der Menagerie des sächsischen Kurfürsten August I. in Dresden ein. Als das Weibchen während der Rast ein Ei legte, erregte das dort entsprechende Aufmerksamkeit. Vgl. Dittrich 2007, S.11. 88 Zu den Menagerien des Großen Kurfürsten vgl. AK Potsdam 1988, S.100-104. 89 Diese Funktion behielt die Haltung exotischer Wildtiere auch, als mit der tradierten Kosmologie um 1700 auch die kosmologische Einheit der Kunst- und Wunderkammern zerbrach. 90 Oettermann 1982, S.31. 91 Ebd. S.32.

18

Herrscher an, indem er sich bei seinem feierlichen Einzug in Wien 1552 von einem Elefanten92, Dromedaren, Papageien und anderen exotischen Tieren begleiten ließ. Seine stationären Menagerien in bzw. bei Wien (Ebersdorf ab 1552 und Neugebäude93) waren mit Machtanspruch auf die Weltherrschaft gegründet worden und gehörten zu den bedeutendsten auf deutschem Boden.94 Neben Affen, Geiern, Bären, Löwen, Trappen, Fasanen und Mufflons war ein handzahmer Pelikan eine besondere Attraktion.95

Hervorzuheben in der höfischen Kultur der Renaissance ist die Menagerie Kaiser Rudolfs II. (1552-1612) in Prag, die er von seinem Vater, Maximilian II., übernommen hatte und weiter ausbaute.96 Der Kaiser „sammelte“ Wildtiere wie Löwen, Leoparden, Geparden, Bären und Zibetkatzen. Ausgewiesene kostbare Exemplare ließ er von seinen Hofmalern Jacob Hoefnagel und Roelant Savery malen und zeichnen. Das universale Sammeln des Kaisers war ausgerichtet auf alle ihm erreichbaren Tierarten, sei es als lebende Exemplare, als Bälge, Skelette und Präparate oder in Form von Zeichnungen und Enzyklopädien. Seine Gärten mit exotischen Tieren und kostbaren Pflanzen waren Bestandteil eines Universalmuseums und eine Anspielung auf den Garten Eden. Die rudolfinischen Sammlungen97 werden auch als „eine Enzyklopädie der sichtbaren Welt“98 bezeichnet, in denen „Kunstkammer und Gärten einander [ergänzten] und einen Kontext für das Studium dessen [lieferten], was die Welt der Natur und die Welt der Kunst zu bieten hatte. Beide waren auf komplizierte Weise miteinander verbunden, manchmal in einer Art Verschmelzung, manchmal im Widerstreit, wetteifernd um Form, Textur und Schönheit.“99

Durch die Anregungen aus fernen Ländern und durch das verbreitete Interesse an den Naturwissenschaften erlebte die Tiermalerei in Europa eine bis dahin unbekannte Blüte. Ein naturhistorisches Dokument ist das Bild der Dronte (Dodo). Diese interessante Vogelart wurde im 16. Jahrhundert von Ostindienfahrern auf der Insel Mauritius, östlich von Madagaskar, entdeckt und war bereits Mitte des 18. Jahrhunderts ausgerottet. Nachdem die erste Dronte zwischen 1605 und 1610 in Wien eingeführt wurde, erreichten nur noch wenige Exemplare lebendig Europa. Wir kennen diese Vogelart in ihrem Habitus nur 100 von Bildern des 17. Jahrhunderts. Georg Hoefnagel illustrierte vier Bücher mit Beschreibungen der Tierarten: Vierfüßer 1575, Kriechtiere 1576, Vögel 1580 und Fische 1582. Dieses Werk

92 Der indische Elefant kam 1551 aus Spanien und gelangte 1552 nach Ebersdorf, in die erste der Wiener Menagerien. Bereits zwei Jahre später starb er dort. Aus den Knochen des toten Tieres wurde 1554 der Elefantenstuhl angefertigt, der sich seit 1678 in den Sammlungen des Stifts Kremsmünster befindet. Vgl. Lietzmann 1987, S.33. 93 Zum Lustschloss Neugebäude und seinem Garten vgl. Lietzmann 1987. 94 Zur Herrschaft von Maximilian II. und seinen Sammlungen vgl. grundlegend AK Prag 1997. 95 Giese 1976, S.30-44. Dittrich 1986/87, S.86. 96 Auch die bereits bestehenden Menagerien seines Vaters Maximilian am Schloss Neugebäude, unweit Wien, und in Ebersdorf bei Wien wurden weiterbetrieben. 97 Zu Kunst und Kultur am Hofe Rudolfs II. vgl. grundlegend AK Freren 1988, Horejsi 1979, insbesondere S.19-23 sowie Vocelka 1985. 98 Zitiert aus: de Jong 2000/01, S.45. 99 Zitiert ebd. S.45. 100 Vgl. Jacob Hoefnagel, Dronte, um 1600, Aquarell für das Bestiarium von Rudolf II. Vgl. Dittrich 2001a, S.26.

19

galt als die umfangreichste Beschreibung der Tierwelt und wurde zum Preis von 1000 Goldstücken in die kaiserlichen Sammlungen aufgenommen.101 Die von den Künstlern in den Menagerien angefertigten Skizzen, Zeichnungen und ausgeführten Werken von dargestellten Tieren dienten als Abbildungsvorlagen für Tierenzyklopädien, wie dem Tierbuch des Bologneser Gelehrten Ulysses Aldrovandi (1522-1605) und dem Sammelwerk „Historia animalium“ des Züricher Arztes und Naturforschers Conrad Gesner102 (1516- 1565).

3. Barocke Menagerien

Mit der höfischen Barockmenagerie war eine architektonisch überzeugende Lösung für die Haltung von Wildtieren gefunden worden. In der Regel wurde ein Gebäudekomplex zur Unterbringung exotischer Tiere eingerichtet, der gleichzeitig in enge Verbindung zum Lusthaus bzw. Schloss gestellt und darüber hinaus in die Gartenanlage integriert wurde. So dienten barocke Menagerien vornehmlich als Vergnügungsorte einer höfischen Elite und bildeten einen Teil des höfischen „divertissements“. Darüber hinaus wurden die in den Menagerien gestorbenen Tiere vielfach zum Grundstock naturwissenschaftlicher Sammlungen wie in , Wien oder Dresden.

Die Menagerie von Versailles

Das prominenteste Beispiel der nun in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstehenden barocken Menagerien ist die im Garten von Versailles, angelegt zur Regierungszeit Ludwigs XIV. ab 1662.103 Rieke-Müller bezeichnet sie als „die erste als eigenständige, zur Aufnahme einer Sammlung fremdländischer Tiere konzipierte und architektonisch formulierte Menagerie [...]“.104 Mit dem Bau dieser Anlage wurde 1664 erstmalig eine konzentrierte bauliche Lösung für eine in sich geschlossene Unterbringung der Menagerietiere gefunden.

Die königliche Tierhaltung, ab 1662 gebaut und ab 1664 mit Tieren besetzt, lag im hinteren Teil des Gartens und war seinen formalen Strukturen baulich untergeordnet. Der Park selbst repräsentierte die Herrschaftsauffassung Ludwigs XIV., der sich als Mittelpunkt und Herrscher eines hierarchisch geordneten Staates darstellen ließ.. Innerhalb dieses Programms kam der Menagerie, die am Querkanal des Grand Canal lag und so direkt mit dem Parterre des Gartens verbunden war, eine „spezifische, zwischen kosmologischer und anthropologischer Interpretation schwankende Bedeutung“ zu.105 Am anderen Ende des Querkanals stand der Trianon de Porcelaine mit einer Sammlung chinesischen Porzellans, dessen Herstellungsweise damals in Europa noch unbekannt war. Auf dem Kanal konnte sich die Hofgesellschaft somit zu den extravagantesten und seltensten außereuropäischen Produkten von Kunst und Natur fahren lassen. Seit 1670 war die Menagerie vom Schloss

101 Das Werk vermittelt einen Eindruck, welche Tiere am Ende des 16. Jh. in Europa zu sehen gewesen sind. Darunter sind Beutelratte, südamerikanische Affenarten (Totenkopfaffe und Weißbüschelaffen), Zobel, Nasenbär, Ren, nordafrikanische Kuhantilope u.a.m. 102 Vgl. Gesner 1669. 103 Grundlegend zur Menagerie in Versailles vgl. Loisel 1912 sowie Spickernagel 2010, S.29-47. 104 Rieke-Müller 1997, S.5. 105 Rieke-Müller 2001, S.9.

20

aus auf Booten erreichbar und bildete das ideale Ziel der beliebten Kahnpartien auf der größten Wasserfläche des Parks. Durch ihre Einbindung in die gesamte Gartenanlage war die Menagerie ein wichtiger Bestandteil der Sehenswürdigkeiten. Die von dem königlichen Architekten Louis Le Vau erbaute Menagerie bildete eine zentrale Anlage, in der die verschiedenen Tierhöfe radial um einen Mittelpavillon gruppiert wurden (Abb. 2 und 3). Die sieben fächerförmig angeordneten und von Mauern umschlossenen „Tierlogen“ waren von einer Menge seltener Vögel und fremdländischen, wilden Tieren verschiedenster Arten bevölkert (Abb.4). Im ersten Tierhof, dem „Quartier der schönen Hühner“ wurden Störche und Hammel gehalten. Im zweiten Tierhof bildeten drei kleine Pavillons, die durch loggienartige Gänge miteinander verbunden waren, das Vogelhaus. Dem schloss sich ein weiträumiges Gehege an, in dem asiatische und afrikanische Vögel gehalten wurden, darunter zahlreiche Pelikane. Der vierte Tierhof, der „Cour du Rondeau“, war zur Haltung größerer Vögel bestimmt, wie Stelzvögeln, Reiher und Störche. Diesem folgte fünftens ein Straußenhof. Im angrenzenden Tierhof wurde in erster Linie Geflügel gehalten, daneben aber auch einige exotische Tiere, wie ein Elefant106 und Kamele. Im letzten Hof waren Tiere untergebracht, die nicht nur der Schaulust wegen gehalten wurden, sondern auch zum Verzehr dienten. In einem Taubenhaus, das die Mitte des Hofes schmückte, waren die Haustiere für die Tafel des Königs untergebracht. Umgeben war der Hof mit Unterkünften für Schafe, Ziegen und anderen Nutztieren.107

Die Tiergehege umgaben ein kleines Lustschloss und den „Cour des Dés“ bzw. “Cours octogonne“, von dem aus sie durch eiserne Gitter einsehbar und zugänglich waren. Das Schlösschen selbst umfasste einen zweistöckigen Corps de Logis und zwei quadratische Pavillons. Vom Salon im Obergeschoss und von der außen umlaufenden Galerie („Theatrum“) aus konnten die Besucher der Menagerie wie in ein Tableau in die Logen der Tiere blicken. Das davor liegende Zimmer schmückten 50 bis 60 Gemälde, auf denen die Tiere der Menagerie dokumentiert waren.108

Der Corps de Logis bildet wie die Sonne das Zentrum eines geordneten kopernikanischen Kosmos, in dem die Glieder der belebten Welt, verkörpert durch die Tiere, den König als natürlichen Herrscher umgeben. Sieben Logen entsprechen der Zahl der bekannten Planeten, die um die Sonne als Zentrum kreisen.109 Die Tierhäuser und die Gehwegegestaltung war sinnbildlich auf den König bezogen, der sich ihnen vom Innenhof aus zuwendete, ausgerichtet wie die sieben Planeten auf die Sonne. Die Menagerie mit ihren aus möglichst allen Weltteilen stammenden Tierbestand war also ein Objekt der Selbstdarstellung des Königs, ein augenfälliger Beleg für seine weltumspannende Bedeutung sowohl für den Hofstaat wie auch für die Gäste und Besucher des Königshofes.

106 Der Afrikanische Elefant war ein Geschenk König Pedro II. von Portugal nach Versailles und lebte dort bis zu seinem Tod 1681. Vgl. Rieke-Müller 1997, S.8. 107 Zu den Tiergehegen in Versailles vgl. Mabille 1993, S.168-170 sowie Paust 1996, insbesondere S. 61-66. 108 Diese Gemälde, die von dem Tiermaler Nicaise Bernaerts stammten, sind heute größtenteils verschollen. Aus dem Jahre 1673 sind 46 Gemälde von Bernaerts dokumentiert. Vgl. Paust 1996, S.59. 109 Vgl. Tommaso Campanellas Utopie nach Braungart 1989, S.89-91.

21

Für die fürstliche Tierhaltung in der Barockzeit wurde die Menagerie in Versailles nicht nur zum inspirierenden baulichen Vorbild, sondern vor allem in ideeller Hinsicht zum Prototypen für die Darstellung des absolutistischen Rollenverständnisses des Herrschers im Plan der Schöpfung.

Bei den Tieren der Menagerie handelte es sich zunächst vor allem um exotische Huftiere und Schmuckvögel, die an den Menschen gewöhnt waren. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurden auch Raubtiere und Reptilien gehalten, die handzahm waren, da sie vom Menschen aufgezogen worden waren.110 Eine künstlerische Dokumentation über einige Tiere der Menagerie in Versailles zur Zeit Ludwigs XIV. liegt uns durch den Maler Jean-Baptiste Oudry (1686-1755) vor.111 Nach ihrem Tod wurden die Menagerietiere von dem Mediziner Claude Perrault und anderen Naturforschern seziert. Die Sektionsergebnisse wurden in Sitzungen der 1666 gegründeten Akademie der Wissenschaften in Paris vorgetragen und veröffentlicht, Skelette toter Tiere gelangten in die Naturaliensammlung.112 Die Auflösung der fürstlichen Menagerie erfolgte 1792 während der Französischen Revolution nach dem Willen der Jakobiner als Symbol absolutistischer Hofhaltung. Die meisten Tiere wurden in den Jardin du Roi nach Paris überführt, der ab 1793 die Bezeichnung Jardin des Plantes erhielt (vgl. Teil II, Kapitel 4). Dort sollten die Tiere zusammen mit denen anderer Arten und umgeben von Pflanzen ihres Heimatlandes gehalten werden. Die Menagerie war Teil eines Ensembles von Forschungsstätte, naturkundlichen Sammlungen und botanischem Garten. Spickernagel bezeichnet ihn als „ersten modernen Zoo“113, in dem die Weiterentwicklung der Zoologie, die Belehrung der Untertanen breiter Volksschichten und der ökonomische Nutzen Hand in Hand gehen sollten.

Die Menagerie von Versailles war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Vorbild für die Gründung einer Reihe von Tierhaltungen im deutschsprachigen Raum. Nachahmung fand die Form einer als architektonische Einheit gestalteten Menagerie innerhalb eines barocken Gartens.114 Wegweisend erwies sich vor allem die Grundrisskonzeption der Menagerie mit dem als Zentralbau konzipierten Salon.115

Wiener Menagerien

Die Wiener Menagerien von Prinz Eugen von Savoyen (ab 1718/19) und von Kaiser Franz I. Stephan (ab 1752) waren in formale Gärten integriert und orientierten sich baulich am Versailler Vorbild.

110 In dieser Zeit erfuhr die Menagerie auch wesentliche bauliche Erweiterungen und Veränderungen ihrer ursprünglichen Gestalt. 111 Oudry erstellte zwischen 1739 und 1745 eine Folge von zehn großformatigen Gemälden mit exotischen Tieren aus der Menagerie, darunter Hyäne, Antilope, Kasuar, Leopard und verschiedene Arten Vögel. Nach dem Tod des Bestellers, König Ludwig IV., gelangten die Gemälde in die Sammlung des Mecklenburgischen Hofs. Vgl. Spickernagel 2010, S. 96-102. Außerdem AK Schwerin 1996. 112 Spickernagel 2010, S.48 113 Ebd. S.49. 114 Rieke-Müller 1997, S.8. 115 Vgl. Paust 1996, S.79.

22

Prinz Eugens Menagerie war die erste barocke Menagerieanlage im deutschsprachigem Raum und galt als die schönste nach der zu Versailles.116 Die Anlage lag an seinem Sommersitz außerhalb Wiens, direkt angrenzend an die Ostfassade des Oberen Belvedere, von dessen zweiter Etage sie überblickt werden konnte. Der Tiergarten bestand aus sieben fächerförmig angeordneten Logen, die einen Halbkreis bildeten und von dessen Mittelpunkt aus zugänglich und einsehbar waren (Abb.5). Diese radiale Anordnung entsprach dem Versailler Prinzip. Die Tiersammlung umfasste 43 Arten von Säugetieren und 67 Arten von Vögeln.117 Den Hauptteil seiner exotischen Tiere bezog Eugen aus Spanien, andere kamen als diplomatische Geschenke nach Wien. Als Dokumentation der in der Menagerie aufbewahrten Tiere diente neben den Gemälden, Supraporten und Kaminbildern im Oberen Belvedere in erster Linie das Stichwerk von Salomon Kleiner aus den Jahren 1731 bis 1740 (Abb.6 bis 8).118 Die Tiersammlung bildete einen Teil der Sammlungen des Prinzen, die im Unteren und Oberen Belvedere untergebracht waren. Diese standen in der Tradition der Kunst- und Wunderkammern und umfassten einen enzyklopädischen Ansatz: Antikensammlung und kunstvoll ausgestattete Räume wie Grotesken- und Marmorsaal waren im Unteren Belvedere untergebracht. Im Oberen Belvedere befanden sich die Gemälde- und Kupferstichsammlung, naturwissenschaftliche Instrumente und die Bibliothek.119 Gerade in der Nähe zum Oberen Belvedere nahm die Menagerie einen wesentlichen Rang ein. Wie in Versailles war die Tierhaltung Teil eines allegorischen Programms, das den gesamten Garten durchzog. In seinem Mittelpunkt stand Eugen, der als wichtiger Minister des Kaisers, erfolgreicher Heerführer und Gouverneur der österreichischen Niederlande eine bedeutende Stellung am kaiserlichen Hof inne hatte.120 Er ließ sich im Areal des Belvedere als Herkules und Apoll darstellen und repräsentierte sich als Kenner der Künste und Natur. Stattdessen war das Tierreich in erster Linie als Teil der schönen und nützlichen Natur präsent, wenngleich einige zahme Raubtiere gehalten wurden. In unmittelbarer Nähe der Menagerie befand sich der Küchengarten mit vielen nützlichen Pflanzen, und am Unteren Belvedere nahmen eine große Vogelvoliere und eine Orangerie Exemplare einer schmückenden exotischen

116 Ebd. S.96. Zur Menagerie und Orangerie des Prinzen Eugen von Savoyen vgl. auch Gröschel 2008, S.335-354. 117 Fiedler/Giese 1963, S.149. 118 Kleiner hat 32 Arten von Säugetieren und 43 von Vögeln abgebildet. Mal vor fiktiver Ruinenarchitektur, mal in einer Umgebung, die auf die Gebäude und Gartenausstattung der Belvedere-Anlage Bezug nimmt, postierte der Künstler die exotischen Tiere und Pflanzen zwischen skulpturalen Versatzstücken. Doch hatte Kleiner vermutlich nicht alle die von ihm abgebildeten Tiere wirklich lebend gesehen, sondern sie Stopfpräparaten nachempfunden oder zoologischen Nachschlagewerken der Zeit entnommen, von denen sich wichtige Exemplare nachweislich in der Bibliothek des Prinzen Eugen befunden hatten. Vgl. Paust 1996, S.87, sowie den Prachtband über die Menagerie mit Kupferstichen von Salomon Kleiner, hrsg. von 1731 bis 1740 in mehreren Bänden: Kleiner 1734, 11. Theil „Representation des Animaux de la Menagerie de S.A.S. Monseigneur le Prince Eugene Francois de Savoye et de Piemont […] ». 119 Im Stadtpalais in der Himmelpfortgasse waren weitere Teile der Sammlung untergebracht. 120 Nach den Siegen über die Türken und gegen Frankreich beanspruchte er für Kaiser Karl VI. eine gewichtige Rolle in der Weltpolitik auch außerhalb Europas. Der Aufstieg Österreichs zur europäischen Großmacht war durch die europäische Einigung im Utrechter Frieden (1713) gesichert und fand durch Landgewinn machtpolitisch ihren Ausdruck. Zu den neu hinzugewonnenen Ländern gehörten die südlichen Niederlande, von denen lange Zeit ein wichtiger Teil des europäischen Überseehandels ausging.

23

Flora und Fauna auf.121 Als Leitmotiv der Anlage von Belvedere fungierte die Harmonie des Kosmos, die sich in den ewigen Gesetzen des Werdens und Vergehens zeigte. Die Natur unterlag dabei keinen phylogenetischen Veränderungen, sondern blieb statisch. Der Mensch wurde als ihr Beherrscher und als ihr Nachahmer dargestellt. Nach dem Tod des Prinzen Eugen 1736 wurde die Menagerie sukzessive aufgelöst. Seine Erbin, die Nichte Victoria, veräußerte den gesamten Belvedere-Besitz samt der exotischen Tiere der Menagerie. Der Großteil der einstigen Tiersammlung ging an den kaiserlichen Hof zu Wien (Menagerie von Neugebäude im Süden Wiens), nur die friedlichen Tiere verblieben zunächst im Belvedere. Als dann aber 1752 durch Kaiser Franz I. in Schönbrunn eine neue und größere Menagerie errichtet wurde, löste man den Tierbestand in Belvedere ganz auf und überführte den Rest der Tiere nach Schönbrunn.

Im Jahre 1751 gab Franz Stephan von Lothringen den Auftrag zum Bau der Menagerie am Schloss Schönbrunn122, die noch heute als Kern des Tiergartens Wien-Schönbrunn erhalten ist. Noch heute lässt sich die reife Gestaltung einer Barockmenagerie erleben. Mit seinem historischen Teil aus der Mitte des 18. Jahrhunderts ist der Tiergarten Wien-Schönbrunn der älteste unter den zoologischen Gärten der Welt.123 Die Gestaltung der Menagerie war nicht wie Versailles allegorisch- kosmologisch begründet. Stattdessen stellte sie die Herrschaft über eine vielfältige, gleichwohl ewigen mechanischen Gesetzen folgende Natur dar. Der ausdrückliche Verzicht auf bestimmte Tierarten, die das friedliche Tableau von Flora und Fauna im formalen Garten stören konnten, beleuchtet auch die Programmatik der Gartenanlage von Schönbrunn.124 Die Anlage bestand aus zwölf gleichartigen Gehegen mit je einem kleinen Tierhaus, die - um ein dreizehntes Segment mit dem Verwaltungsgebäude ergänzt - kreisförmig um einen weiten Mittelhof lagen (Abb.9). Die Tiergehege waren mit insgesamt 70 bis 150 Säugetieren besetzt. Ein oktogonaler eingeschossiger Pavillon stand leicht erhöht in der Mitte dieser Anlage.125 Dieser war künstlerisch ausgeschmückt mit zwölf Medaillons über seinen Türen mit Tieren aus der Menagerie, das Deckengemälde zeigte Metamorphosen Ovids. Von dort aus ließen sich die ganze Menagerie sowie Teile des umliegenden Gartens überblicken. Dazu zählte auch der 1753 entstandene „Holländische Garten“ mit zahlreichen exotischen Pflanzen sowie die 1754/55 gebaute „Große Orangerie“. Das Areal blieb zunächst nur der Hofgesellschaft zugänglich. Erst nach dem Tod des Kaisers 1765 wurde die Menagerie auch öffentlich und unentgeltlich zugänglich.

121 Prinz Eugens botanische Sammlung war eine der reichhaltigsten zu Beginn des 18. Jahrhunderts und beherbergte auch außerordentliche Raritäten, darunter die Dattelpalme, die Mimose, die fruchtende Banane und der blühende Säulenkaktus. Vgl. dazu Gröschel 2008, S.340f. 122 Zur Menagerie Schönbrunn vgl. Stadelmann 2008, S.53-71. 123 Dittrich 1986/87, S.92. 124 In der 1752 gegründeten Menagerie von Schönbrunn wünschte Kaiser Franz Stephan keine Affen und „reissenden Tiere“. Raubtiere wurden stattdessen in der alten Menagerie des Renaissanceschlosses Neugebäude gehalten. Vgl. Rieke-Müller 2001, S.11. 125 Möglicherweise nahm Franz Stephan bewusst die alte Sonnensymbolik wieder auf, die vor allem die Regierung Josephs I. als „sol austriacus“ begleitet hatte. Rieke-Müller geht davon aus, dass eher Freimaurermotive für die Gestaltung von Bedeutung waren. Vgl. Rieke-Müller 1997, S.15-16.

24

Zur Tierbeschaffung war man auf Aussendung von Expeditionen und auf andere Kaufmöglichkeiten in Europa selbst angewiesen. Insgesamt drei Expeditionen wurden ausgesendet, die jedoch nur von begrenztem Erfolg waren: 1754-59 nach Indien, 1783-85 nach Mittelamerika und 1785-88 nach Südafrika.

Deutscher Raum

Eine bedeutende Menagerie entstand in Dresden am Hof des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. (1670-1733), seit 1697 zugleich polnischer König. Die Anlage war ab 1703 im Schlossareal von Moritzburg vorgesehen, allerdings mussten die ursprünglichen Planungen wegen des Großen Nordischen Krieges verschoben werden und wurden erst in den 1720er Jahren wieder aufgenommen. Die Menagerie in Moritzburg nahm einen Teil der exotischen Tiere aus den alten Unterkünften am Stadtschloss auf, insbesondere Haustiere, Huftiere und Großvögel.126 Für das Jahr 1729 sind ein Straußenhaus127, ein Straußenzwinger und ein Indianisches Vogelhaus128 belegt. 1730 entstand am Teich gegenüber dem Schloss die sogenannte Neue Menagerie mit einem Schwanenhaus und einem Perlhühnerhaus.129 Raubtiere und Affen wurden 1722 aus dem Stadtschlossbereich in eine weitere Dresdner Menagerie, den Jägerhof in der Neustadt130, umgesetzt. 1731 besaß der Jägerhof drei Paare Löwen, fünf Tiger, einen Leoparden, ein Stachelschwein, zwei „indianische Katzen“, zwei Paviane und einige Affen verschiedener Arten. 1733 kamen hierher auch die meisten der von der wissenschaftlichen Expedition des Mediziners Hebenstreit nach Nordafrika (1731-33) mitgebrachten afrikanischen Tiere.131 Die Tierhaltungen standen im Zusammenhang der übrigen kurfürstlichen Sammlungen, wenn auch räumlich separiert, insbesondere mit dem Bau des Zwingers zur Aufnahme mehrerer Spezialsammlungen. Daneben war die Menagerie Bestandteil der Neukonzeption des Zusammenklangs mehrerer Schlösser entlang der Elbe unter exotischen Vorzeichen, die der Hofgesellschaft offenbar eine Reise zu fernen Gestaden ermöglichen sollte: Jägerhof, Japanisches Palais132, Schloss Pillnitz, das „indianische Lustgebäude“ und Schloss Übigau, das „Persianische Schlösschen“.133

126 Darunter Löffelgänse, Reiher, Trappen, schwarze Störche, indianische Perlhühner, Moschusenten, englische Hühner, Kraniche, Fasane und Auerochsen (Wisente). Vgl. Hertel 1980, S.82. 127 Die Straußenhaltung bestand bis zum Siebenjährigen Krieg und endete, nachdem 1757 der letzte Straußenwärter, Johann Voigt, durch einen Tritt eines Straußen an die Brust ums Leben gekommen war. Vgl. dazu Coban-Hensel 2008, S.29. 128 Im Indianischen Vogelhaus, welches beheizt werden konnte, wurden Königsgeier, Papageien, Pelikane, Kormorane und ein Ara untergebracht. Es handelt sich um das heutige Käthe-Kollwitz-Haus. 129 Vgl.Coban-Hensel 2008, S.27f. 130 Die Tiere der Menagerie wurden bis in die vierziger Jahre immer wieder bei Hetzjagden und Schau-Tierkämpfen eingesetzt. 1834 verfiel die Anlage dem Abriss. 131 Darunter Löwen, Zebras, Antilopen, mehrere Affen, Stachelschweine, zwei Geier, ein Jungfernkranich, eine Genette und ein Chamäleon. Im November 1736 erhielt der Jägerhof noch zwei junge Elche aus Litauen. Zum Tierbestand im Jägerhof vgl. Hertel 1980, S.87. 132 Hier fanden die großformatigen Tierplastiken aus Meißner Porzellan ihre Aufstellung. Wittwer führt eine Zahl von ca. 160 Vierfüßlern und 412 Vögeln auf, welche die Porzellanmanufaktur geliefert hat. Vgl. Wittwer 2004, S.66f. 133 Rieke-Müller 1997, S.11. Darüber hinaus wollte der Kurfürst die erworbenen fremdländischen Tiere wohl auch als Modelle für die Künstler seiner Porzellanmanufaktur in

25

Um 1735 – zwei Jahre nach dem Tod des Kurfürsten – wurde die Verlegung des Jägerhofes nach Schloss Moritzburg mit einer Zusammenführung aller Tierarten an einem Ort ins Auge gefasst. Zu diesem Zweck sollten die dortigen Tiergehege zu einer großen Menagerie umgebaut werden, dessen Ausmaß selbst die Menagerie von Versailles übertroffen hätte. Dieses Vorhaben wurde nicht verwirklicht.134 Zu den bedeutendsten Menagerien im deutschsprachigen Raum zählte die Menagerie des Herzogs Ernst August von Sachsen-Weimar am Lustschloss Belvedere bei Weimar. Errichtet ab 1729/30, erstreckte sich die halbkreisförmige Menagerie mit insgesamt 19 Gehegen südlich des Schlosses (Abb.10).135 Die Anlage war direkt an einen dahinter liegenden Tierpark angebunden, in dem jagdbares Wild gehalten wurde. Über den Tierbestand der Menagerie ist nur wenig bekannt. In einer Inventuraufnahme von 1742 werden 114 Tiere aufgeführt, darunter Steinadler, Kraniche, Pfauen, Enten, Gänse, Biber, Meerschweinchen, Murmeltiere und heimisches und exotisches Wild. 136

Zwei weitere barocke Menagerien entstanden am Karlsruher Schloss. Im nördlichen Lustgarten wurden ab ca. 1715-18 mehrere Tierhäuser errichtet, die wohl bis 1746 bestanden. Im südlichen Lustgarten folgten ab den 1730er Jahren weitere Tierunterkünfte und ein beheizbares, vierzehneckiges Vogelhaus mit einem darüber befindlichen Salon (bis ca. 1774).137

Nur noch vereinzelt entstanden in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts Menagerien im deutschsprachigen Raum: Oggersheim 1752, Schwetzingen 1763 und Kassel ab 1765. Meist blieb es bei nur kurzlebigen Einzelfällen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die letzten fürstlichen Menagerien aufgegeben.

Die Bedeutung der Barockmenagerien wird durch kunst- und kulturhistorische sowie sammlungsgeschichtliche und naturwissenschaftliche Aspekte bestimmt. Während des Barock hat sich eine Form der höfischen Tierhaltung entwickelt, die als Vorläufer des heutigen zoologischen Gartens zu bewerten ist.

4. Ausblick: Die Gründung der Zoologischen Gärten im 19. Jahrhundert

Zugleich mit der Verbreitung des Landschaftsgartens in Deutschland, etwa seit den 1760er Jahren, verloren die höfisch-absolutistischen Menagerien in ihrer traditionellen Ausprägung an Bedeutung. Nur wenige Einrichtungen blieben im Verlauf des 18. Jahrhunderts erhalten, meist mit reduziertem Tierbestand. Am Ende des Jahrhunderts zeichnete sich der Rückzug des Fürsten aus der

Meißen genutzt wissen. Zu den großformatigen Tierfiguren aus Meißner Porzellan vgl. auch Rückert 1989/90, S.47-52. 134 Zu diesen Planungen vgl. Wittwer 2004, S.62. 135 In ihrer radialen Grundrisskonzeption mit segmentförmigen Tiergehegen folgte die Weimarer Menagerie einem für barocke Menagerien seit Versailles gebräuchlichem Schema. Vgl. Paust 1994, S.237-247. 136 Die Inventurliste ist abgedruckt bei Kammeyer 1943, S.243. Ab den 1750er Jahren erfolgte die allmähliche Reduzierung des Tierbestandes. Spätestens in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts müssen sämtliche Überreste der Menagerie verschwunden gewesen sein. Paust 1996, S.116. 137 Vgl. Paust 1996, S. 97-107.

26

höfischen Repräsentation in Menagerien in die nur ihm und seinem engsten Hofstaat zugängliche friedliche Natur mit Tieren ab. Dazu zählten die Schäfereien in Versailles, in Schwetzingen (1763-1784) und in Nymphenburg (1778-1826). Im deutschsprachigen Raum gab es, abgesehen von der kaiserlichen Menagerie am Schloss von Schönbrunn bei Wien, im 18. Jahrhundert keine bedeutenden Tierhaltungen für exotische Tiere, die länger als jeweils nur wenige Jahre existiert hätten.138 Einige wenige Menagerien wurden in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts neu gegründet, wie am Schlösschen Retrait nahe Stuttgart (1812- 1816) oder auf der Pfaueninsel bei Potsdam (1820-1844). Diese kurzlebigen Einzelfälle waren mit gewissen Einschränkungen der Allgemeinheit zugänglich.

Der im 18. Jahrhundert eingeleitete Bedeutungsschwund hat seine Ursachen sowohl in der geistigen Bewegung der Aufklärung, als auch in der Tatsache, dass einige der einst so begehrten Königstiere nun auf dem Jahrmarkt oder in wandernden Tiersammlungen zu sehen waren. Diese verfolgten als kommerzielle Unternehmen zunächst ähnliche Ziele wie die ersten öffentlichen Menagerien, verschrieben sich indes im Verlauf des 19. Jahrhunderts im Gegensatz zu den Intentionen der Zoos der Schaulust des Publikums als Beitrag zur Unterhaltungskultur: „Mit ihren zwischen kommerzieller Schaustellung und Popularisierung von Wissenschaft stehenden Unternehmungen verloren die Wandermenagerien im Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr an Akzeptanz.“139

Aus der Abwertung der Menagerien im wissenschaftlichen Kontext des 18. Jahrhunderts erklärt sich ein Teil des Furors, den die Französische Revolution solchen Einrichtungen entgegenbrachte. Aus der Sicht der Perspektive der Jakobiner war die Haltung exotischer Tiere nutzlose aristokratische Verschwendung. Sie betrachteten die fürstlichen Menagerien als luxuriöse, wissenschaftlich und wirtschaftlich nutzlose Einrichtungen, aber vor allem als Symbol der Unterdrückung des Lebens durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, weil sie dort gefangene und daher ihres natürlichen Lebens beraubte Wildtiere sahen.140 Im Zuge dieser Entwicklung wurde die Menagerie in Versailles als Monument königlicher Gewalt 1792 aufgelöst. Zahlreiche Tiere kamen dabei ums Leben, die Überlebenden wurden nach Paris überführt und gelangten in die 1794 gegründete und nach 1800 ausgebaute Menagerie des Museums d’Histoire Naturelle im Jardin des Plantes (Abb.11). Diese Einrichtung wird gemeinhin „als erster moderner Zoologischer Garten“141 eingestuft. Ihr Initiator war der Schriftsteller und damaliger Intendant des Jardin des Plantes, Jacques-Henri Bernardin. Die wichtigsten Prinzipien der Einrichtung bestanden in der naturnahen Haltung vorwiegend exotischer Tiere unter Beachtung ihrer Lebensbedürfnisse, wissenschaftlichen Leitung und öffentlichen Zugänglichkeit zur naturkundlichen und sittlich-moralischen Belehrung der Nation. Die Menagerie entwickelte sich nach ihrer zunächst nur provisorischen Inbetriebnahme in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zur umfangreichsten Haltung exotischer Tiere in Europa. Wissenschaftlich geleitet

138 Rieke-Müller 1997, S.1. Die Menagerie in Schönbrunn wurde 1778 für die Allgemeinheit geöffnet. 139 Zitiert aus: Rieke-Müller/Dittrich 1998, S.16. 140 Rieke-Müller 2001, S.12. 141 Vgl. dazu Rieke-Müller/Dittrich 1998, S.18, sowie Spickernagel 2010, S.49.

27

wurde sie vom Inhaber des Lehrstuhls für Zoologie am Museum, Etienne Geoffroy Saint-Hilaire. Die Menagerie konnte täglich unentgeltlich besucht werden. Ihr Auftrag der Popularisierung von Naturgeschichte wurde von den Forschern am Muséum d’Histoire Naturelle dahingehend verstanden, dass man dem Publikum eine artenreiche Tiersammlung präsentieren solle, die einen Überblick über die Tierarten der Welt gab.142

Mit der Gründung der Menagerie des Jardin des Plantes 1794 begann auch die Geschichte der modernen zoologischen Gärten des 19. Jahrhunderts als wissenschaftlich ausgerichtete und mit öffentlichem Bildungsanspruch arbeitende Institutionen zur Haltung fremdländischer Tiere. Neu war auch die Konzeption derartiger Anlagen. Die Architektur der Tierhäuser orientierte sich, ebenso wie in zeitgenössischen Gartenanlagen, häufig an Bauformen des Heimatlandes der Tierarten (Beispiel Berliner Zoologischer Garten). Die Bezeichnung „Zoologischer Garten“ fand erstmals 1828 beim Londoner Zoo143 Verwendung. Am 1. August 1844 eröffnete der älteste fortbestehende Zoo in Deutschland, der zoologische Garten in Berlin144, seine Pforten. Seit den 1860er Jahren erfolgte eine Welle bürgerlicher Zoogründungen in fast allen großen Städten.145 Dazu zählten auch private Tiergärten: In Stuttgart eröffnete der Cafétier Gustav Werner (1809-70) den ersten privaten Tiergarten im Jahr 1840 im Hof seiner Gastwirtschaft. Große Popularität erreichte auch der Tierpark Hagenbeck in Hamburg. 1907 eröffnet vom Tierhändler Carl Hagenbeck in Hamburg- Stellingen, kam er erstmals ohne Gitter und Käfige aus und die Gestaltung der Umgebung der Tiere war an ihre Lebensräume angelehnt.

142 Rieke-Müller/Dittrich 1998, S.20. Zur Pariser Menagerie vgl. auch Loisel 1912 sowie Burkhardt 2008, S.111-131. 143 Die Gründung des 1828 im Londoner Regent’s Park eröffneten Zoological Gardens beruhte auf dem Vorbild der Menagerie im Jardin des Plantes. 144 Den Grundstock des 1844 eröffneten Berliner Zoos bildete der von König Friedrich Wilhelm IV. überlassene Tierbestand der Menagerie auf der Pfaueninsel. 145 Zur Gründung zoologischer Gärten um die Mitte des 18. Jahrhunderts vgl. Rieke-Müller 2001, S.83-89.

28

TEIL III: HÖFISCHE TIERHALTUNG IN KASSEL

1. Die Haltung von fremdländischen Tieren in Kassel vom 15. bis Mitte des 17. Jahrhunderts

Die Haltung fremdländischer Tiere in Kassel ist erstmals bezeugt in der Regierungszeit Ludwigs II. von Niederhessen (reg. 1438-1471). Eine Melsunger Rechnung von 1471 führt sechzehn Bunt Hammelfleisch zur Verfütterung an zwei Löwen auf.146 Vermutlich hatten die Tiere ihre Unterkunft in den Befestigungsanlagen, die das alte Landgrafenschloss147 umgaben. Der der Aue zugelegene Teil führte die Bezeichnung „Löwengraben“.148 Das Schloss selber war von Ludwig II. zwischen 1462 und 1466 anstelle einer Burg aus dem 13. Jahrhundert errichtet worden, danach wurde es ständig erweitert und verbessert.149

1.1 Landgraf Philipp, der Großmütige (reg. 1518-1562)

Die nächste Nachricht stammt aus dem Jahr 1538, als Landgraf Philipp von dem Herzog von Kleve ein Löwenpaar erwarb.150 Von Albrecht von Baiern erhielt er 1554 noch mal zwei Löwen. 1561 folgte ein weiteres Löwenpaar, das zunächst in Marburg gehalten wurde, nach seiner Ankunft in Kassel dann 1564 zwei Junge warf. Zur Wartung und Pflege der Tiere wurde ab 1561 der Löwenwärter Hans Bierauge bestellt.151

1.2 Landgraf Wilhelm IV., der Weise (reg. 1567-1597)

Aus der Regierungszeit des Landgrafen Wilhelms IV. von Hessen-Kassel, dem ältesten Sohn Philipps des Großmütigen, wird von einem „in den Schloßbefestigungen untergebrachten Löwenzwinger“152 berichtet, den er wohl von seinem Vater übernommen hat. Daneben hielt sich auch ein Bär dort auf: „Auch war es im 16. und 17. Jahrh. Sitte in den fürstlichen Schlössern Bären zu unterhalten. Als 1587 einer der zu Kassel verwahrten Bären einen Knaben erfaßte und unter sich riß, ließ ihn L. Wilhelm sofort erstechen und rettete dadurch den Knaben.“153 Als erster Landgraf in Kassel unterhielt er auch eine kleine Menagerie mit Tiergehegen. Sie befand sich wohl in dem damaligen Lustgarten, auf dem Areal der sogenannten „Voraue“, der nördlichen Inselspitze zwischen großer und kleiner Fulda (Abb.12).154 Der Eingang zum Lustgarten erfolgte vom

146 „XII. Schillinge vor sechezehin Bunt Hamelfleischs [...] die geben wir den zween Leben.“ Zitiert aus: Scherer 1890, Nr.91. 147 Zum Landgrafenschloss vgl. Heppe 1995. 148 „Die Anfänge der fürstlichen zoologischen Gärten haben wir in den „Löwen-", „Hirsch-“ und „Bärengräben“ der Residenzen zu suchen. Auch Kassel hat in den Gräben seines Schlosses an der Fulda solche Tiere gesehen [...].“ Zitiert aus: Jacob 1926. Vgl. auch Scherer, Nr. 91. 149 Zum Landgrafenschloss vgl. Heppe 1995. 150 Scherer 1890, Nr.92. 151 Scherer 1890, Nr.92. 152 Heidelbach 1973, S.97. 153 Landau 1849 (1992), S.213. 154 Das Areal entspricht etwa dem Gebiet der heutigen Hessenkampfbahn.

29

Stadtschloss aus und führte über die Narrenbrücke. Dort hatte der Landgraf ab 1568, kurz nach seinem Regierungsantritt, mit der Errichtung eines botanischen Gartens155, eines Fischbassins und eines Lusthauses156 (1570/71) an der Südseite des Gartens begonnen.157 Einige Jahre später folgte der Bau weiterer Nebengebäude, eines Gewächshauses158 (1578) und eines Schießhauses159 (1575) an der Nordostecke des Gartens (Abb.13) - laut Heidelbach war dieses mit der Menagerie verbunden.160 Dort hielt der Landgraf „ausländische Thiere, die wegen ihrer Seltenheit gehegt und gepflegt wurden und durch ihre Künste zur Belustigung dienten.“161 So besaß er „seltene Singvögel, darunter auch Kanarienvögel, von denen er einmal zur Erheiterung der letzten Stunden seines Vaters ein Paar für drei Taler bestellte.“162 Daneben bezog er Kamele von Kurfürst August von Sachsen und Wolfgang von Braunschweig, einige davon verschenkte er weiter an seinem Bruder Ludwig III. zu Marburg (1537-1604).163 Ein Hauptstück seiner Sammlung war ein Auerochse. Er wurde in einem gesonderten Haus mit Außengehege gehalten.164 Zwei Affen muss der Fürst in kurzen zeitlichen Abständen von Graf Phillip von Hohenlohe erhalten haben. Am 14. März 1591 spricht der Landgraf seinen Dank an Graf Philipp von Hohenlohe für einen Affen aus, der „ihm gahr woll gefeldt“165. Er wurde

155 Dass Wilhelm IV. botanisch höchst interessiert war, manifestierte sich in der ausgesprochenen Vielfalt an seltenen Pflanzen im Lustgarten. Im Pomeranzengarten standen über den Sommer Pomeranzen, Limonen, Apfelsinen, Lorbeerbäume, Granatäpfel und Feigen. Vgl. Löwenstein 1991, S.24. Die Anlage gilt als der erste botanische Garten Deutschlands. Hanschke 1995, S.115–131. 156 Das erste Lusthaus fiel bereits kurz nach seiner Errichtung 1570/71 einem Brand zum Opfer und musste durch einen Neubau in der Südostecke des Gartens ersetzt werden, welcher als vorbildliches Beispiel seiner Gattung galt. Das vielfältige Raumprogramm umfasste einen das gesamte Obergeschoss einnehmenden Saal, dessen vielgerühmte Hauptattraktion eine große Fontäne war. Leider wurde dieser Bau im späten 17. Jahrhundert abgerissen. Zur Ausstattung des Lusthauses vgl. Holtmeyer 1910, S.320-323. 157 „Neben dem oberen Baumgarten bei der Bellevue hatte der Landgraf schon bei seinem Regierungsantritt auf der Landspitze zwischen der großen und kleinen Fulda ein neues „Lustgärtlein“, den sogenannten unteren Baumgarten angelegt; hier wusste er die edelsten Obstsorten und erlesensten Gemüse ebenso zu züchten wie botanische Kräuter und weither verschriebene Sträucher, Kräuter und Blumen. [...] An schönen Sommertagen verweilte er gern mit seinen Gästen in seinem Pomeranzenhäuschen oder zwischen seinen Zitronen, Granaten und Lorbeerbäumen; lustig sprangen zwischen den Beeten die Fontänen, und die ganze, von einer Mauer umgrenzte Anlage überragte, etwa an der Stelle des Orangerieschlosses, ein mit vier Erkertürmchen geziertes Lusthaus [...].“ Heidelbach 1973, S.96/97. 158 Nachdem das auf- und abschlagbare Gewächshaus im Jahre 1583 durch einen Sturm vernichtet worden war, ersetzte man es an selber Stelle durch ein Pomeranzenhaus. 159 Vgl. Holtmeyer 1910, S.323f. 160 „Höchstwahrscheinlich lag auch die Menagerie im unteren Baumgarten [Voraue] und war wohl mit dem dortigen Schießhause verbunden.“ Vgl. Heidelbach 1973, S.97. Scherer 1890, Nr. 92. 161 Scherer 1890, Nr.91 und Nr.92. 162 „Es verdient noch Erwähnung, dass auch die Anfänge der landgräflichen Menagerie in diese Zeit fallen. Landgraf Wilhelm, der schon von seinem Vater einen vermutlich in den Schlossbefestigungen untergebrachten Löwenzwinger übernommen hatte, besaß Kamele, Auerochsen, Affen und seltene Singvögel, darunter auch Kanarienvögel, von denen er einmal zur Erheiterung der letzten Stunden seines Vaters ein Paar für drei Taler bestellte. Höchstwahrscheinlich lag auch die Menagerie im unteren Baumgarten und war wohl mit dem dortigen Schießhause verbunden. [...].“ Zitiert aus Heidelbach 1973, S.96f. 163 Scherer berichtet, dass sein Bruder die Kamele dort zum Lastentragen bei der Jagd einsetzen wolle. Scherer 1890, Nr.92. 164 Heidelbach 1973, S.96f. Scherer 1890, Nr.92. 165 Scherer 1890, Nr.92.

30

vermutlich anlässlich der Hetze bei der Jagd eingesetzt.166 Von einer Reise nach Holland, aus Delft, brachte ihm der Graf im selben Jahr einen weiteren Affen mit.167 Neben dieser Menagerie besaß Landgraf Wilhelm IV. einen Tiergarten am Jagdschloss Zapfenburg im Reinhardswald (heute Sababurg), in dem er gezielt fremdes Wild ansiedelte und züchtete. Er pflegte besonders seltene Hirscharten, ließ sich aus Bayern Gämsen, aus Schweden und Lappland Elche168 und Rentiere kommen.169 Die Anlage der beiden Menageriegehege im Kasseler Lustgarten und auf der Sababurg sind wie seine botanischen Gärten170 als Bestandteile eines umfassenden Wirkens Wilhelms IV. als Renaissance-Fürst zu begreifen. In seiner umfassenden Sammelleidenschaft für damals außergewöhnliche, seltene zoologische Raritäten zeigte sich sein ausgeprägtes naturkundliches Interesse, das mit einer Förderung der Wissenschaften einher ging. Er machte die Residenzstadt Kassel zu einem Zentrum der Astronomie und anderer Naturwissenschaften.171 Wilhelms zoologische Sammlungen können als nur eine Facette des breiten Spektrums naturforschender Aktivitäten am Kasseler Hof begriffen werden. Das Streben nach Wissen und Bildung ging einher mit einer breit angelegten Sammellust, die sich auf alles erstreckte, was die Flora und Fauna zu bieten hatte.

1.3 Landgraf Moritz, der Gelehrte (reg. 1592-1627)

Unter Wilhelms Sohn und Nachfolger Moritz (1592-1627) wurde die Renaissanceanlage zwischen 1592 und 1618 durch umfangreiche Baumaßnahmen weiter ausgestaltet und vergrößert. Nach ihm bekam sie den lange Zeit gültigen Namen „Moritzaue“. Vor allem ist ihm wohl die Einrichtung

166 „Dieser erstübersandte Affe war es vermuthlich auch, der seinen Herrn auf dessen Jagden begleitete und lustig in der Meute mithetzte bis das Wild sich wendete und die Affenseele zu ängstlicher Flucht bestimmte.“ Vgl. Scherer 1890, Nr.92. 167 Brief vom 16. Oktober 1591: Zusammen mit dem Affen wurden Fische und Butter von Delft über Bremen nach Cassel geschickt. Ein Hund wird in Aussicht gestellt. Vgl. Scherer 1890, Nr.92. 168 Zu den Erwerbungen vgl. Landau 1849, S.205f. 169 „Unter den sämtlichen Thiergärten war jedoch der zu Zapfenburg unter L. Wilhelm IV. der interessanteste, indem derselbe außer inländischen Wilde auch Thiere der Fremde enthielt, für deren Herbeischaffung der Landgraf weder Mühe noch Kosten scheute. [...].“ Landau 1849, S.205. Trotz aller Anstrengungen missglückte der Versuch der Ansiedlung fremdländischer Tiere. Neben Schwierigkeiten bei der Aufzucht von Jungtieren vor deren Transport starben die meisten innerhalb eines Jahres an Lungen- und Leberfäule, wohl als Folge der ungewohnten Nahrung (Eicheln) und des anderen Klimas. 169 Allein das Damwild konnte sich den neuen Lebensbedingungen anpassen und sich neben dem heimischen Hoch- und Niederwild weiterhin vermehren. 170 Wilhelm IV. bemühte sich in ganz besonderer Weise um fremde und seltene Gewächse für seine Gärten. Mit bedeutenden Gelehrten und Pflanzenforschern der Zeit stand er in regem Briefwechsel und nahm sich ihrer auch als großzügiger Mäzen an. Mit dem „oberen Lustgarten“ an der Bellevue und dem „unteren Lustgarten“ in der Aue besaß allein Kassel zwei botanische Gärten, die eine Reputation von überregionaler Bedeutung hatten und später als Vorbild für die Errichtung von Gartenanlagen im nördlichen Deutschland sowie in Skandinavien dienten. 171 Im Stadtschloss schuf er um 1560 die erste fest eingerichtete Sternwarte der europäischen Neuzeit. Für seine Kunstkammer baute Wilhelm IV. eine Sammlung kostbarer Uhren und wissenschaftlicher Instrumente aller Art auf, was der Steigerung des politischen Prestiges diente.

31

einer Druckerei172 im Lusthaus zuzuschreiben sowie die Errichtung eines angrenzenden Baumgartens. Der übrige Teil des Gartens wurde mit Lauben und Gängen aus geschnittenen Hecken, einem Brunnenhaus und weiteren Gewächsen bereichert. Ein neu verlegter Kanal verband nun beide Fuldaarme, so dass die Aue mit Schiffen umfahren werden konnte (Abb.14). Zugleich konnte Moritz weitere große Teile der Aue südwestlich des Lusthauses in seinen Besitz bringen und durch Eindeichung der Fuldaarme trocken legen. Eine vierflügelige Hofanlage, die Meierei sowie ein Entenfang und ein Fasaneriegarten sind dort angelegt worden.173 Die Menagerie seines Vaters bestand „im kleineren Maßstab“174 fort. 1595 erhielt er Fasane aus Mainz.175 Ein Jahr darauf - 1596 - wurde die landgräfliche Sammlung um zwei „Gammelthiere“ – gemeint sind Kamele - von seinem Cousin und Gevatter Herzog Friedrich zu Württemberg aufgestockt. Zur Betreuung der Tiere war auch ein Mohr dabei, der als ‚Hofmohr’ des Landgrafen aufgeführt wird.176 Die Tiere wurden wohl gerne bei höfischen Festen, wie Hochzeiten und Taufen, zur politischen Repräsentation eingesetzt, so auch auf dem Tauffest der zweitgeborenen Tochter des Landgrafen, Elisabeth177, im August 1596.178 Eine Darstellung des Einzugs der englischen Gesandten in Kassel von Wilhelm Dilich zeigt im Vordergrund ein Kamel, das vom Hofmohren des Landgrafen geritten wird (Abb.4). 1616 übersandte der Kurfürst von Sachsen dem hessischen Landgrafen einen Löwen als Geschenk.179

1.4 Von Wilhelm V. bis zu Wilhelm VI. (1627-77)

Die Herrschafts- und Regentschaftsperioden Wilhelms V. (1627-1637) und Wilhelms VI., nach dessen Ableben 1663 seine Frau Hedwig Sophie (1663-77) 14 Jahre lang die Regentschaft übernahm, sind geprägt von den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges, der Hessen-Kassel an den Rand der Existenzbedrohung brachte. Für Repräsentationsbauten oder Kultur blieb weniger Raum. Auch die Stadt Kassel wurde durch Belagerung, Pest und Hochwasser getroffen. In der Moritzaue war nach den Verwüstungen nur eine „wilde Waldung von Tannen und Lindenbäumen übrig geblieben“.180 Nach Scherer gingen durch die

172 Das Lusthaus wurde seitdem unter dem Namen „Mauritianum“ geführt. 173 Erweiterungen wie Entenfang und Fasanerie waren geplant, wurden jedoch nicht ausgeführt. Staatspark Karlsaue, S.135. Vgl. Hanschke 1991, S.175-188. 174 „Die Menagerie Wilhelms [...] bestand unter Landgraf Moritz, wenn auch im kleineren Maßstab, fort.“ Scherer 1890, Nr. 92. Vgl. Auch Holtmeyer 1923, Bd. VI, Text, 1. Teil, S.328. 175 Landau 1849, S.285 176 Scherer 1890, Nr.92. 177 Anlass des Festes war die Geburt Elisabeths, der späteren Herzogin von Mecklenburg, am 24. März 1596. 178 Bei dieser Taufe wurden wichtige Verhandlungen geführt, die eine Allianz bestehend aus England, Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und den wichtigsten deutschen protestantischen Landesfürsten gegen Habsburg und vor allem Philipp II. von Spanien zum Ziel hatten. Dem jungen hessischen Landgrafen fiel dabei die Rolle eines Vermittlers zu. Dies war einer der wesentlichen Gründe für den enormen Aufwand bei der Durchführung des Festes mit zahlreichen Turnierspielen, allegorisch aufgeladenem Ritterspiel und einer abschließenden Feuerwerkspantomime. Vgl. dazu Nieder 1997, S.141-162. 179 Scherer 1890, Nr.92. 180 Rommel 1858, S.149f.

32

„hereinbrechenden Kriegsstürme und die sie begleitende Not“181 auch die meisten Tiere der fürstlichen Menagerie ein. Nur noch einzelne Tiere mögen gehalten worden sein, so ein Löwe, der im Jahre 1648 erwähnt wird.182 Erst Landgraf Karl (1677-1730) leistete einen Beitrag zur wirtschaftlichen und kulturellen Belebung seines hessischen Territoriums. Als ein typischer deutscher Fürst der Barockzeit richtete er in größeren Umfang in Kassel eine fürstliche Menagerie ein.

2. Die barocke Menagerie des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel

Landgraf Karl ließ seine Residenz zu einer für die damalige Zeit sehr modernen und kunstträchtigen Stadt ausbauen. Als eine der schönsten Städte Europas war Kassel im 18. Jahrhundert begehrtes Reiseziel und galt als geistig anregendes Lebenszentrum für Gelehrte aus dem In- und Ausland.

Die Anfänge von Karls Menageriegründung erfolgten in den 1680er Jahren. Seine höfische Tiersammlung war damit eine der frühesten zoologischen Anlagen in Europa.

2.1 Topographie

Landgraf Karl legte seine höfische Menagerie „unter dem Schloß zu Cassel auf dieser Insul, die Aue genannt [...]“183 an. Gemeint ist das Areal der heutigen Karlsaue zwischen Großer und Kleiner Fulda. Als älteste Gartenanlage Kassels wurde die Karlsaue seit dem 16. Jahrhundert sukzessive erweitert und umgestaltet.184

Seit Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Lustgarten Wilhelms IV. und seines Sohnes Moritz unter Landgraf Karl in die barocke Gesamtgestaltung der Aue integriert. Der Tradition des Renaissancegartens in der Voraue folgend breitete sich der Aue-Garten unterhalb der Stadt aus und hatte keinerlei axiale Beziehung zum Stadtschloss. Als barocker Bezugspunkt wurde über mehrere Planungsstadien an der Nahtstelle zwischen Voraue und Park ab 1701 das Orangerieschloss185 errichtet, vor dem sich der neue Garten völlig achsensymmetrisch ausbreitete. Nördlich der Orangerie blieb in der Voraue der alte Lustgarten des 16. Jahrhunderts erhalten. Südlich der Orangerie befand sich das große Orangerieparterre zur Aufstellung der Kübelpflanzen. Die Orangerie markiert die Grenze zwischen dem ehemaligen Lustgarten der Landgrafen Wilhelm IV. und Moritz und dem unter Karl planmäßig hinzuerworbenen südlichen Gelände und bildete nun das Kernstück der neuen

181 Scherer 1890, Nr. 92. 182 Ebd., Nr.92. 183 Winckelmann 1697, S.276. 184 Becker 1996a, S.29-58. 185 Der Bau war notwendig geworden, weil im Jahre 1700 das alte Pomeranzenhaus der Aue abgebrannt war. Die Orangerie wurde an Stelle des alten Lusthauses errichtet. Vgl. Philippi 1976, S.591.

33

Gartenanlage186. Der Landgraf nutzte das Orangerieschloss gleichermaßen als Sommerresidenz und Pflanzen-Überwinterungshaus187. Von der Orangerie ausgehend erstreckte sich ein fächerförmiges Alleen- und Kanalsystem in südwestlicher Richtung und bildete das Gerüst für die gesamte Gestaltung. Zentrum war das Große Bassin mit seinen zahlreichen Buchten und der achtpassförmigen Schwaneninsel. Als Annex bildete die Insel Siebenbergen den Abschluss des Parks. Westlich und östlich der Wassergräben lagen der Küchengarten für den Anbau von Gemüse und Kräutern sowie der Holländische Garten, in dem Obst für die Versorgung der landgräflichen Küche gezogen wurde.

Standortbestimmung der Kasseler Menagerie

Den Angaben mehrerer Autoren zufolge habe sich die Menagerie des Landgrafen Karl auf dem Gebiet der „Voraue“, im ehemaligen Lustgarten Wilhelms IV., befunden. Bei der genauen Standortangabe innerhalb dieser Anlage werden ganz unterschiedliche Aussagen getroffen. Bruno Jacob stellt 1926 fest: „In dem Teil der Aue, den heute das Stadion einnimmt, hatte Landgraf Wilhelm IV. den alten Baumgarten des Schlosses zu einem Lustgarten umgewandelt und mit einem Pomeranzenhause versehen, auch ein Lusthaus lag dort. - Und dort richtete Landgraf Karl seinen Tiergarten ein.“188 Auf einen ähnlichen Standort verweist Kramm, der Karls Menagerie ebenfalls „im alten Lustgarten, auf der heutigen Hessenkampfbahn, wohl in der Nähe der Drahtbrücke“189 vermutet.

Einen anderen Bezugspunkt im alten Lustgarten nennen Schmincke und Scherer. Schmincke verortet 1767 das „sogenannte Thierhaus“190 Landgraf Karls an der Stelle „wo vormalen das fürstliche Jägerhaus an der Fulda gewesen, unweit der Orangerie.“191 Ebenso nennt 1890 Scherer die „Stelle, etwas zuvor das von Merian in seinem Casseler Plane angegebene fürstliche Schießhaus einst gestanden hatte [...].“192 Das genannte Gebäude wurde sowohl als fürstliches Schießhaus, Schützenhaus bzw. Jägerhaus193 bezeichnet. Wilhelm IV. ließ es bereits im Jahre 1575 an der Nordostecke des Lustgartens errichten (Abb.14). Es diente den Belustigungen des Hofes, wie

186 Immer wieder stößt man bei den Beschreibungen der Karlsaue auf Irritationen hinsichtlich ihrer Ausrichtung auf die Orangerie. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass der Auegarten als Schlossgarten verstanden werden muss. Dies hebt auch Simone Balsam in ihrer Dissertation hervor. Vgl. Balsam 1989, S. 301. Auch Bergmeyer 1999, S.214. 187 Über die pflanzliche Ausstattung der barocken Orangerie ist leider nichts genaues bekannt. Vgl. Kapitel 3.6 dieser Arbeit. 188 Jacob 1926. 189 Kramm 1936. 190 Schmincke 1767, S.123. Das Werk wurde von Friedrich Groschuf und Johann Balthasar Hundeshagen verfasst, jedoch von Schmincke herausgegeben, unter dessen Name es bei allen späteren Reisenden firmiert. Vgl. außerdem Hahndorf 1870, S.27. 191 Schminke 1767, S.123. 192 Scherer 1890, Nr.92. 193 Später wurde das Gebäude unter Landgraf Moritz erneuert. Bis Ende des 17. Jahrhunderts wurden höfische Lustbarkeiten darin abgehalten: „Montags, Dienstags und Mittwochs hat der Landgraf mit Armbrüsten, in seinem Lustgarten, darein auch ein Schießhaus und Platz, Schießen gehalten, hat viereckige Silberstücke, ein jedes eines Ortsthalers wert, schlagen lassen. Welcher zu jedem Schuß am nächsten gekommen, hat eines erlanget, es ist auch ein großer Becher gemacht; wer auf dem ganzen Schießen das Beste tut, soll denselben erlangen.“ Holtmeyer 1923, S.324.

34

z.B. dem Armbrustschießen. Auch Heidelbach führt es in Zusammenhang mit der Menagerie Landgraf Karls auf: „Die an der Stelle des alten Schießhauses unterhalb des Schlosses gelegene Menagerie Karls hatte dessen Tod nicht überlebt.“194

Einen gänzlich anderen Standort der Menagerie Landgraf Karls nennt Kalbfuss: „Die alte Menagerie des Landgrafen Carl war auf der Fuldaseite gelegen, dort wo sich heute das Restaurant „Tiergarten“ befindet.“195 Er geht fälschlicherweise davon aus, dass sich der Name „Tiergartenrestaurant“ auf die Menagerie des Landgrafen Karl zurückführen lässt. Tatsächlich befand sich in der Gegend des Restaurants vom Ende des 18. Jahrhunderts bis um 1830 die Anlage eines Wildgeheges für Rotwild auf dem zugeschütteten Graben (Hirschgraben).196 Auf diese Tradition griff später der Pächter des Auerestaurants, Otto Eckart, zurück, indem er dort zwischen 1928 und 1939 einen kleinen Zoobestand unterhielt: Hirsche aller Art, Esel, Kamele, Bären, Löwen, Zebras, Antilopen, Affen und weitere exotische Tiere bildeten auf der Wiese hinter dem Restaurant einen Anziehungspunkt für die Besucher. Nach dem Tod des Pächters wurde der Tierbestand aufgelöst.197

Für die Bestimmung des tatsächlichen Standortes von Karls Menagerie liefert der Reisebericht von Johann Friedrich Armand von Uffenbach aus dem Jahr 1728 wertvolle Hinweise. Auf seiner Besichtigung der Karlsaue beschreibt er das „Thierhaus“ als ein „viereckender Hoff mit niedrigen holländischen Häußern umsezet“.198 Er führt einen „Stall“, mehrere „aparte Gehäuße“ und „Behälter“ auf, in denen die Tiere je nach Art gehalten wurden. Mit diesen Begriffen können sowohl Käfige, Ställe, Holzverschläge oder Volieren gemeint sein. Eines der Gebäude wird bereits 1709 als „Löwenhaus“199 bezeichnet. Die Beschreibung von Uffenbach deckt sich mit dem Gebäudekomplex, der auf dem Plan von Leopold200 (Abb.16) östlich des 1701 bis 1711 erbauten Orangerieschlosses eingezeichnet ist. Das Tierhaus war wohl zunächst winkelförmig angelegt und ist im Laufe der Zeit zu einem quadratischen Hof erweitert worden. Ab 1711 hatte der holländische Menagerieverwalter Philipp Hottem (Houttem) die Aufsicht.201 Spätestens 1765, zum Zeitpunkt des Baues des Küchenpavillons als Pendant zum Marmorbad auf der anderen Seite der Orangerie, wurde der Gebäudekomplex abgerissen.202

Somit lagen die Tierunterkünfte wohl nicht mehr direkt im Gebiet des ehemaligen Lustgartens aus dem 16. Jahrhundert, sondern nahe der Fulda an

194 Heidelbach 1973, S.179. 195 Kalbfuss 1972, S.17. 196 Becker 2002, S.14. 197 Hermsdorff 1978, S.52. 198 Uffenbach 1728, S. 47. 199 „Nach dem essen gingen wir nach dem hinter dem Schloß gelegenen sogenannten Löwen- Haus, darinnen aber nicht mehr als folgende Thiere zu sehen waren: [...].“ Zitiert aus: Uffenbach 1709, S.4. 200 Wie bei Stadtplänen des 18. Jahrhunderts üblich, ist die private Bebauung lediglich summarisch durch Angabe der Baublöcke gezeigt. Dagegen werden alle kirchlichen, herrschaftlichen, öffentlichen und militärischen Bauten durch Einzeldarstellung und Farbgebung hervorgehoben. Im Bereich des Aueparks ist Baubestand und Planung nebeneinander zu sehen. 201 Philippi 1976, S.608. 202 Vgl. dazu Holtmeyer 1923, S. 630. Die übrigen Meiereigebäude in der Aue waren verpachtet.

35

dem Ort, an dem sich heute der Parkplatz zwischen Auedamm und Orangerie befindet.203 Dort hatte Landgraf Karl vermutlich nach den Zerstörungen im 30- jährigen Krieg eine Neugründung der Menagerie vorgenommen. Uffenbach beschreibt das Tierhaus als „nicht eben das ziehrlichste noch bequehmste. Man hat es aber so stehen laßen, dieweil es dem Dessein von der Aue nach hat sollen weggebrochen und ein anderes prächtigeres erbauet werden.“204 Wir können davon ausgehen, dass sich das Gebäude 1728 in keinem guten Zustand mehr befand, weil es vermutlich bereits seit längerer Zeit als Menagerie genutzt wurde. Daraus ist zu schließen, dass entweder 1) Landgraf Karl seine Menagerietiere bereits seit Ende des 17. Jahrhunderts dort unterbringen ließ, oder 2) die Menagerie unter der Regierung Landgraf Karls umgesiedelt wurde.

Folgt man den Beschreibungen von Uffenbach, so wurden die Kamele nicht weit von dem Tierhaus entfernt in einem separaten Stall im landgräflichen Meierhof (Wirtschaftshof) untergebracht:

„Nachdem wir uns nun recht müde gelauffen, gingen wir wieder nach Hauß zu und sahen im Vorbeygehen in einem alten Meyerhoff bey dem Orangeriegebäude etliche Camele in einem Stall, die ehedeßen aus Ungarn hierher gebracht worden, welches uns auch an die übrigen wilte Thiere, so nicht weit davon in einem aparten Gebäude erhalten werden, erinnerte.“205

Das Gelände des Meierhofes war südwestlich der Orangerie und des 1722 bis 1730 errichteten Marmorbades angesiedelt.206 Dieses Gelände bestand aus einer Ansammlung verschiedener, um einen Hof und einen Misthof angeordneter Wirtschaftsgebäude. Wie auf dem Merian-Stich von 1646 (Abb.14) zu sehen ist, handelt es sich bei dem alten Meiereigebäude um einen geschlossenen Vierflügelbau, der zum Teil auf Überresten der alten Meierei des 16. Jahrhunderts beruht.207 In einem Bestandsplan der Wirtschaftsgebäude und Stallungen, erstellt etwa 1738-40 von Giovanni Ghezzi208, taucht in der Gebäudebezeichnung ein „Alter Cameelstall“ auf (Abb.17). Gleich daneben sind „Hoffischers Wohnung“ und der große „Fischbehälter“ verzeichnet. Weitere Stallungen sowie „Hofgärtners

203 Zu diesem Schluss kommt auch Lehmann 2009, S.79. 204 Uffenbach 1728, S.48. 205 Ebd., S.47. Philippi verweist ebenfalls auf das Gelände des Meierhofes, geht allerdings davon aus, dass sich dort die gesamte Tiersammlung des Landgrafen Karl befunden habe. Die Angaben der Himmelsrichtungen stimmen bei ihm nicht, wenn er den Meierhof „nordöstlich der Orangerie an der Fulda“ benennt. Vgl. Philippi 1976, S.614. 206 Die Meierei wird bereits 1646 von Merian erwähnt: „Auff der andern seyten deß Gartens ligt ein stattliches Vorwerck / und Meyeren / vnd hinter derselben ein grosses / weites / gantz ebenes / fruchtbares Feld / beynahe einer halben Meylen umbfangen / und zu dieser Meyerey gehörig / alles mit einander wie auch der Lustgarte / ist rings herumb / gleich einer Insel / mit der Fulda umbflossen / daß man mit grossen Schiffen spatziren fahren kan.“ Zitiert aus: Merian 1646, S.13. Von der Meierei berichtet auch Winckelmann: „und hinter demselben ein großes und ganz ebenes zu dieser Meyerey gehöriges fruchtbares Feld / beynahe [...]“. Zitiert aus Winckelmann 1697, S.276. 207 Auf einer Zeichnung des Landgrafen Moritz (Murhardsche Bibliothek, 2° Ms. Hass. 107, Moritzaue 3), entstanden um 1627/30, erscheinen zudem weitere Nebenbauten, darunter ein kleines „fischerhauß“, das vermutlich als „Hoffischerwohnung“ diente. In einer Anweisung zum Bau eines Pferdestalles von 1603 wird das „fischerhauß“ auch als „Hoffischerwohnung“ erwähnt. Vgl. Holtmeyer 1923, S. 324. 208 Inv.Nr. Marb. Dep. 254,6.

36

Bischoffs209 alte baufällige Wohnung, nebst dem Brauhause“ schließen sich an. „Zwischen des Gärtner Bischoffs Brauhaus und dem vormaligen Kameelstalle gelegenen Hofraum“ wurde ab ca. 1734/35 ein langgestrecktes Küchengebäude („Neue Küche“) mit „Herrschaftlicher Küche“ und kleinem „Speisezimmer vor den Hof- und Küchenmeister“ und „Gärtners brau und backhaus“ errichtet. Sämtliche Wirtschaftsgebäude in der Nähe der Orangerie wurden bis 1765 abgerissen. Bei den Fischerhäusern und den benachbarten Kleingebäuden erfolgte der Abriss wegen Baufälligkeit bereits in den Jahren um 1738/40.210 Nach Holtmeyer kaufte Landgraf Wilhelm VIII. 1740 einen Garten unter dem Weinberg zur Anlage einer neuen Meierei „und baute aus dem Material des in der Aue abgebrochenen Viehhofs eine Stallung.“ 211

Umzug der Menagerie zwischen 1728 und 1730?

1727 erwarb Karl von seinem Sohn Maximilian212 dessen Lusthaus mit Garten im Tal des Weinberges.213 Laut Lehmann plante der Landgraf zu diesem Zeitpunkt - drei Jahre vor seinem Tod - eine Verlegung der Menagerie in den Lustgarten des Prinzen Maximilian an die Westseite der Aue: „Der Prinz brauchte dringend Geld, und sein Vater trug sich mit dem Gedanken, seine Menagerie auf dieses Grundstück zu verlegen.“214 Der Stockholmer Plan von 1728 (Abb.18) verzeichnet erstmals den neuen Garten am Weinberg (P), auf dessen Gelände sich heute die Kleingartenanlage „Hofbleiche“ befindet (Abb.). Der Garten legte sich der Südseite des Gebäudes vor und erstreckte sich von der Frankfurter Straße bis zum Küchengarten der Aue. Seine Südgrenze bildete der Lauf der Drusel. Laut den Angaben bei Holtmeyer215, Kluckert216 und Lehmann217 ließ Karl die Menagerie tatsächlich dorthin verlegen. Allerdings wird das in keiner zeitgenössischen Quelle erwähnt. Über Menageriegebäude im Lustgarten zu dieser Zeit gibt es keine Informationen. Träfe die Verlegung zu, dann kann dies nicht vor September 1728 stattgefunden haben, da sich laut Uffenbachs Bericht vom 1. September 1728

209 Johann Heinrich Bischoff war unter Landgraf Friedrich I. „Hof-, Lust- und Orangengärtner“. Vgl. Brunner 1913, S.226. 210 Die betreffenden Gebäude fehlen bereits auf dem Stadtplan von Leopold (GS 14516, um 1755). 211 Holtmeyer 1923, S. 630. Die übrigen Meiereigebäude in der Aue waren verpachtet. 212 Prinz Maximilian (1689-1753) war der sechste Sohn Landgraf Karls. 213 Laut Holtmeyer verkaufte Maximilian 1727 das Schloss seinem Vater für 30.000 Taler. Vgl. Holtmeyer 1910, S. 406. Möglicherweise handelte es sich aber auch um einen Tausch: Denn im Gegenzug überließ der Landgraf seinem Sohn und dessen Familie Güter in Jesberg. Hier ließ Maximilian ebenfalls ein Lustschloss errichten und in den Dreißigerjahren einen zierlichen Rokokogarten im französischen Stil anlegen. Wenige Jahre später begann er mit Planung des Prinzessinnengartens östlich von Jesberg. Vgl. Kluckert 2007, S.141. 214 Lehmann 2009, S.89. 215 „Hier [im Garten des Prinzen Maximilian] schuf Landgraf Karl seine Menagerie, die eine gewisse Bedeutung besessen haben muß [...]“. Zitiert aus: Holtmeyer 1923, S.408. 216 „ [...] ab 1727, ließ Landgraf Karl den von seinem Sohn übernommenen Lustgarten samt einer außerordentlichen und weitberühmten Menagerie anlegen.“ Zitiert aus: Kluckert 2007, S.141. 217 „Nach 1727 wurde die Menagerie in den Lustgarten des Prinzen Maximilian an die Westseite der Aue verlegt, wo später auch Landgraf Friedrich II. seine Menagerietiere unterbrachte.“ Zitiert aus: Lehmann 2009, S.79.

37

die Menagerie auf jeden Fall noch in den alten Tierunterkünften in der Nähe der Orangerie befand.218

Nach Karls Tod im Jahr 1730 kam die Besitzung an den ältesten Sohn und Thronfolger König Friedrich I. von Schweden, der bereits 1732 die Anlage seinem Bruder Maximilian geschenkweise wieder überließ.219 Erst der Enkel Landgraf Karls, Friedrich II., richtete das Lusthaus mit umliegenden Gelände ab 1764 als Menagerie ein. Exotische Tiere in großer Vielfalt wurden hier gehalten (vgl. Teil III, Kapitel 4).

2.2 Tierbestand

Der tatsächliche Tierbestand der Kasseler Menagerie lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Die meisten Tiere hat Landgraf Karl sicherlich über Agenten an den großen Häfen in den Niederlanden beschafft, auf Messen eingekauft oder als Geschenk erhalten. Leider existieren keine Ankaufslisten mehr. Im Staatsarchiv Marburg sind einige Dokumente über einzelne Tiersendungen nach Kassel erhalten, die als Quelle herangezogen werden können. Darüber hinaus lassen zeitgenössische Berichte Reisender, welche die Menagerie in Kassel besuchten, einen bedingten Rückschluss auf den ungefähren Tierbestand zu, auch wenn ihnen kein Anspruch auf Vollständigkeit zukommt.

Mit der Neugründung seiner Menagerie übertraf Landgraf Karl seine Vorgänger, die in Kassel nur kleinere Menagerien unterhalten hatten. Bereits seit den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts wurde der Tierbestand aufgebaut: So gelangten 1683 mehrere Kamele als Beute aus den Türkenkriegen in Wien nach Kassel: „Als Beute brachte Karl den erstaunten Kasselanern einen Türken, einige Kamele, einige türkische Pferde mit.“220 Laut Winckelmann haben sich die Kamele in der fürstlichen Menagerie vermehrt.221 Im Jahr 1688 kamen zwei weibliche Bären von Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg - dem Cousin Landgraf Karls - aus Preußen nach Kassel.222 Diese Tiersendung war Ausdruck des diplomatischen Verkehrs, stand sie doch mit der Allianz zwischen dem Hause Hessen und dem Brandenburgs in Zusammenhang, die am 27. Juli 1688 geschlossen wurde.223 Laut Philippi erwarb der Landgraf im Jahre 1695 einen Elefanten für 6000 Reichstaler: „1695 wurde für die ungeheuere Summe von 6000 Rt. ein Elefant erworben, der mit dem Rüssel „exercitia“ machte und für Kassel eine Sensation darstellte.“224 Allerdings existieren über diese Anschaffung keine Belege mehr

218 Uffenbach 1728, S.47f.. 219 Holtmeyer 1923, S.407. 220 Philippi 1976, S.65. 221 Er erwähnt ein Kamel, das 1687 ein Junges zur Welt gebracht hat. Vgl. Winckelmann 1697, S.277. 222 StAM 4 f Preußen 410: Zusendung zweier Bärinnen seitens des Kurfürsten von Brandenburg, 1688. „Noch im J. 1688 schickte Kurfürst Friedrich von Brandenburg 2 Bärinnen, welche er aus Preußen kommen lassen, dem L. Karl nach Kassel.“ Zitiert aus: Landau 1849, S.213. 223 Zu Karls politischen Geschäften vgl. Vehse 1991, S.62. 224 Philippi 1976, S.614. Er erwähnt die Anschaffung eines weiteren Elefanten im Jahr 1728: „Noch 1728 wurde abermals ein Elefant erhandelt, der zusammen mit 50 Orangenbäumen durch den Gärtner Franz Royer, den Bruder des Hofgärtners David Royer, aus Genua überführt wurde.“ Vgl. ebd. Im Tagebuch des Johann Friedrich Armand von Uffenbach, der am 1.

38

und in keinem der nachfolgend skizzierten zeitgenössischen Reiseberichten wird ein Elefant erwähnt. Die Aussage von Philippi muss also mit Vorbehalt betrachtet werden.

Der früheste zeitgenössische Reisebericht über den Bestand der Menagerietiere stammt von Johann Justus Winckelmann225 aus dem Jahr 1697. Er beschreibt Landgraf Carl als einen „Herr[n]“, [der] unter andern auch an raren Vögeln und frembden Thieren seine besondere Lust = Ergötzlichkeit“226 hat. In seiner Beschreibung der „folgende[n] Arten Vögel und vierfüssige[n] Thiere von [ihm] gesehen“ wird kein Elefant aufgeführt. Winckelmann beeindruckt die Größe eines männlichen Kasuars, der zusammen mit einem kleineren Weibchen von einem hessischen Soldaten aus Ostindien nach Kassel gelangt sein soll: „ein sehr groser Vogel, Casuarius genant [...] Die Höhe des grossen Vogels ist drey Werkschuh und zwen und einen halben Zoll, wan er aber den Kopf empor hebet, ist er 5. Schuh und 2. Zoll hoch [...]“.227 Außerdem erwähnt er ein „Tiegerthier“, worunter eine gefleckte Großkatze wie Leopard oder Gepard zu verstehen ist. Daneben zählt er auf: ein großes Pavianweibchen, das „ein junges allhier gehabt hat [...]“228; einen „indianischen Fuchs“; einen “türkischen Jachthals” (Schakal); „schöne Phasanen“; zwei Aras aus dem Amazonas229, die er gebräuchlich als „indianische Raben, deren eine blau und gelb, die andere roth, blau und grün“230 bezeichnet; eine Löwin; ein Luchspärchen und zwei Meerkatzen (aus Angola und Westindien). Mit dem „indianischen wilden Schwein“, das „den Nabel auf dem Rücken“231 hat, ist ein amerikanisches Nabelschwein gemeint, auch Pekari genannt. Winckelmann zeigt sich überrascht hinsichtlich der zahlreichen Vermehrungen der Menagerietiere:

„Im Jahr 1687 hat ein Camel, im Jahr 1689 ein Renn-Thier und im Jahr 1690 ein Stachelschwein ihres gleichen Art zur Welt gebracht, und es ist zu verwundern, daß solche Orientalische und andere ausländische Tier und Vögel im Hessenland sich so wol sasseln und fortpflanzen [...].“232

Daneben berichtet er von einem „indianischen schwarzen Affen“, der „im Jahr 1679 einen jungen Affen zur Welt gebracht [hat]“233 und einem Meerschweinchenpaar, das 1689 zwei Junge bekam.

Aus dem Jahre 1708 stammt der Bericht eines anonymen Italieners, der auf seiner Reise von Venedig über Tirol mehrere Aufenthalte in Deutschland hatte, bevor er seine Tour weiter nach Skandinavien fortsetzte. In Kassel besichtigte er zunächst das Stadtschloss, danach den „außerordentlich schönen

September 1728 die Menagerie besuchte, wird dieses Tier allerdings nicht erwähnt. Vgl. Uffenbach 1728, S.47f. 225 Johann Justus Winckelmann wurde 1620 in Gießen geboren, befand sich in oldenburgischen Diensten und hat sich später in Bremen niedergelassen. 1699 ist er in Bremen gestorben. Vgl. Winckelmann 1697. 226 Ebd. S.276. 227 Ebd. S.276. 228 Ebd. S.277. 229 Vermutlich sind Ararauna gemeint. 230 Ebd. S.277. 231 Ebd. S.277. 232 Ebd. S.277. 233 Ebd. S.277.

39

Tiergarten“234, womit offensichtlich die landgräfliche Menagerie gemeint ist. In seinem Reisebericht führt er folgenden Tierbestand auf: Zwei „riesengroße Wölfe“, zwei Murmeltiere, zwei „wunderschöne Stachelschweine“, zwei in einem Gehege freilaufende Löwen und einen fischfressenden Otter.235 Dass außerdem Affen in verschiedenen Gattungen vertreten waren, scheint ihm sehr imponiert zu haben: „Weiters sah ich 7 Affen verschiedenster Rasse, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte. Einer war darunter, der war viel größer als ein Hund, mit karmesinrotem Hinterteil [...]“.236 Gemeint ist ein Mandrill. Außerdem „noch andere Vierbeiner“, zudem „viele aschfarbene Papageien mit rotem Schwanz“ und „unzählige Vögel“.237 Die bildhafte Beschreibung eines Kasuars gibt Aufschluss darüber, dass dieses Tier dem Autor wohl namentlich nicht bekannt war:

„Zwei riesige Vögel mit einem der Dogenmütze ähnlichen, eine halbe Handbreit hohen Horn auf dem Kopf. Ihr Haarkleid ist wie das Gefieder des Reiher, der Bart feuerrot, über dem Hals tief violett, der Schnabel wie der eines Truthahns, die Füße wie die eines Straußen, viel größer als ein Kapaun und wunderschön.“238

Zusammenfassend bezeichnet er die Menagerie mit seinem Tierbestand als „sehr selten und extravagant. [...] „kurzum eine Sammlung von Tieren, die es erlaubt, den Landgrafen einen großen Fürsten zu nennen“.239

Einige dieser Tiere werden auch in den Aufzeichnungen des aus einer Frankfurter Juristenfamilie stammenden Zacharias Conrad von Uffenbach240 (1683-1734) erwähnt, der die fürstliche Menagerie ein Jahr später - 1709 - besichtigte (erst 1753 veröffentlicht). Auch er führt die beiden Stachelschweine und den Kasuar auf. Im Löwenhaus beeindruckte ihn ein Löwenpaar: „Löw und Löwin. Sie sind zwar nur drey Jahre alt, aber sonderlich war das Männgen sehr groß [...].“241 Daneben erwähnt er im selben Gebäude ein „Tigerpaar“ - also weitere Großkatzen - „beyde ungemein schön“ und zwei grönländische Gänse.242 In einem „besonderen Ställgen“ sah er sechs Kakadus, die er als „weiße indianische Vögel“ wie folgt beschreibt: „wie Papageyen, [...] ausser daß sie auf dem Kopf viele Federn, wie eine Krone, hatten, die zwar von aussen ganz weiß schienen, inwendig aber, wenn man sie zurück strich, blutroth waren, und in der Mitten eine kleine Platte hatten.“243 Im selben Käfig fiel Uffenbach ein weiterer Vogel auf, der sprechen konnte: ein „Indianischer, kleiner, den Papageyen auch fast ähnlicher, Vogel, so roth,

234 Vgl. Veneziano 1708, S.101. 235 Ebd. S. 103. 236 Zitiert ebd., S.103. 237 Ebd. S.103. 238 Ebd. S.103. 239 Ebd. S.103. 240 Er studierte Jura, von 1698-1700 in Straßburg, anschließend in Halle, wo er 1703 unter dem Vorsitz von Christian Thomasius promovierte. Nach Reisen in Sachsen und Thüringen ließ er sich 1704 in seiner Heimatstadt nieder; Neben seiner kommunalpolitischen Laufbahn widmete er sich dem Sammeln von Büchern, Handschriften, Münzen und Antiquitäten und der Beschäftigung mit Theorie und Praxis des Bibliothekswesens. Vor allem durch Selbststudium wurde er zu einem typischen Polyhistor des 18. Jahrhunderts. Mehrere Reisen führten ihn nach Norddeutschland, England und in die Niederlande. Erst 1721 wurde er Mitglied des Rats, 1727 zweiter Bürgermeister, 1730 Schöffe. 241 Uffenbach 1709, S.5. 242 Ebd. S.4. 243 Ebd. S.5.

40

schwarz und bräunlich aussahe. Dieser war überaus munter, und redete sehr viel, wiewohl etwas undeutlich.“244 Am Ende seines Berichts weist er auf einen jungen Bären hin, der in einem separaten Gehege gehalten wurde.245

Für die Jahre 1709 bis 1727 lässt sich der Bestand der Menagerietiere nicht mehr nachvollziehen. 1719 gelangten noch einmal zwei Kamele in die Menagerie, die der Landgraf von Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach erhalten hat.246 Drei Jahre später – 1722 – erfolgte die Übersendung eines „weißen Bären“ an den Landgrafen seitens des Königs von Preußen, womit wohl ein Eisbär gemeint sein dürfte.247 Laut einem Aktenvermerk aus dem StAM boten ihm die befreundeten Generalstaaten 1727 einen Bären an, dem ein Löwe und ein Tiger nachfolgen sollten - allesamt Geschenke des Dey von Tunis und Algier248 aus Anlass eines erneuten Friedens.249

Eine weitere „Besichtigung dießer ausländischen Seltenheiten“250 in der Kasseler Menagerie unternahm 1728 Johann Friedrich Armand von Uffenbach. In seinem „Tagebuch einer Spazierfahrt durch die Hessische in die Braunschweig-Lüneburgische Lande“251 verwendet er für die einzelnen Tierunterkünfte die Begriffe „Stall“, „Behälter“ oder auch „Gehäuße“. Zwei südamerikanische Königsgeier beschreibt er als „große schöne Vogel, nehmlich sogenannte Könige von Bawow, die sehr hohe Farben an denen Federn hatten“.252 In einem weiteren Käfig waren ein großer Affe, ein „westindischer Geyer“, eine „ostindische wilte Katze“ und eine „Biesamkatze aus Westindien“ (Zibetkatze), die „so wie eine gemeine Katze gestaltet, aber viel größer und angeschloßen, auch von sehr starkem Geruch war“253 untergebracht. In einer Art Voliere beschreibt er: zwei Amazonaspapageien („ostindische Raben von sehr hohen und schönen farbigten Federn“), ein „Luretje“, zwei Kakadus („zwey Cacadoje“) sowie zwei „Monine“ – also kleinere Papageien oder Sittiche - und einen kleinen „Parokit“ (Nordamerikanischer Keilschwanzsittich).254

244 Ebd. S.5. 245 Ebd. S.5. 246 StAM: 4 f Brandenburg (fränk.) 218: Dank des Markgrafen Wilhelm Friedrich von Brandenburg- Ansbach für das für 2 übersandte Kamele gemachte Gegengeschenk (Maultiere), 1719. 247 StAM 4 f Preußen 548. 248 Gemeint ist Abdy Pasha (1724-32), der Janitscharenherrscher Algeriens. 249 StAM: 4 f Niederlande 650: Die Generalstaaten schenkten einen Bären, dem ein Löwe und ein Tiger nachfolgen sollen, 1727. Die Nachlieferung traf 1732 in Lübeck ein und beinhaltete ein Löwenpaar, zwei Leoparden („Tiger“) und eine Zibetkatze („indianische Katze“). Als Geschenk des Königs von Schweden gelangten die Tiere in die Menagerie nach Dresden. 250 Zitiert aus Uffenbach 1728, S.48. 251 J. F. A. von Uffenbach wurde 1687 geboren, studierte Jura, wurde später Bürgermeister zu Frankfurt und starb 1769. 252 Bei dem „König von Bawow“, auch „Wau wau“, genannt, handelt es sich um den südamerikanischen Königsgeier. Beide Bezeichnungen lassen sich wohl aus sächsischen Varianten des englischen Namens Vawows oder Warvorwen ableiten. Vgl. Coban-Hensel 2008, S.39. 253 Uffenbach 1728, S.47. 254 Ebd. S.47.

41

In weiteren Gehegen nennt er zwei Stachelschweine, einen Luchs und „ein überaus schöner ansehnlicher und großer Löwe, der wohl das Schönste Stück von allen hier bewahrten Thieren seyn mogte“.255 Einzeln in separaten Gehegen untergebracht waren zwei Löwinnen, ein Strauß und ein Kasuar sowie mehrere weiße Pfauen. Bei „sechs sehr schöne[n] Tiger[n]“256 handelt es sich um in der Menagerie geborenen Nachwuchs. Uffenbach weist deutlich auf die kostspielige Unterhaltung der Tiere hin:

„Alle dieße Thiere und vor dießem noch eine größere Anzahl werden zur Augenlust alhier mit großen Kosten erhalten und brauchen alle Tage nur an frischem geschlachten [...] Fleische 60 Pfd. [...] und ist also eine Liebhaberey, die große Kosten veruhrsachet.“257

Zwei dänische Ingenieur-Offiziere namens Holger Rosenkranz und Lauritz Thura unternahmen im Jahre 1729 eine Reise nach Deutschland und Italien. Am 9. Juni kamen sie in Kassel an, wo sie einen mehrtägigen Aufenthalt machten. Sie wurden von Landgraf Karl in Audienz empfangen, besuchten die fürstliche Kunstkammer und danach die Karlsaue. Neben Orangerieschloss und Marmorbad besahen sie sich auch die Menagerie und Fasanerie, wo sie

„einen Löwen, ein paar Löwinnen, Leoparden, wilde und Desmer-Katzen258 sahen und allerlei seltene Vögel, unter anderem einen sehr schönen Strauß, der mit hochgerecktem Hals gewiß 8 bis 9 Fuß hoch war. Dann besahen wir die Fasanerie, wo eine große Menge von allerhand weißen und braunen Fasanen sich befanden.“259

Die Tiere werden als Sehenswürdigkeiten beschrieben: als „erfreuliche Dinge“, die ihre „Augen und [...] Neugierde [...] gesättigt hatten.“260

Fazit

Nach den Informationen aus den zeitgenössischen Dokumenten und Reiseberichten weist der Tierbestand des Landgrafen Karl in den Jahren 1683 bis 1728 hohe Schwankungen auf. Grund hierfür waren wohl in erster Linie Akklimatisierung und Schwierigkeiten der Fütterung. Im Jahre 1728 scheint der Tierbestand am artenreichsten gewesen zu sein. Kontinuierlich in den Jahren davor - also zwischen 1683 und 1728 - erwähnt werden Löwen, Affen, Papageien, Stachelschweine, Kamele, Großkatzen („Tiger“) und Kasuare. Gerade diese Tiere gehörten seit Gründung der Menagerie durch Landgraf Karl zum Urbestand.

255 Ebd. S.48. 256 Ebd. S.48. 257 Uffenbach 1728, S. 47/48. 258 „Desmer“ ist der dänische Ausdruck für „Moschus“. Gemeint ist vermutlich eine Zibetkatze. 259 Zitiert aus Weilbach 1922, S.157. 260 Ebd. S.158.

42

2.3 Die Wahrnehmung der Menagerie aus Sicht der Besucher

Bei den Reisenden, welche die Kasseler Menagerie besuchten, handelte es sich um vornehme und gebildete Gelehrte aus ganz Deutschland. In der Regel befand sich diese Klientel in Kassel auf einer Art Sightseeingtour, statteten sie doch (fast) alle vor oder nach der Besichtigung der Menagerie dem Kunsthaus (Ottoneum) mit seiner enzyklopädischen Sammlung und/oder dem Stadtschloss einen Besuch ab. Neben konkurrierenden oder verbündeten Fürsten wandte sich die absolutistische Selbstdarstellung des Fürsten doch eben an diesen Kreis gelehrter Reisender. Doch wie wurde die fürstliche Menagerie aus der Sicht dieser politisch-sozialen Eliten wahrgenommen? In den oben vorgestellten Reiseberichten werden die Menagerietiere nach folgenden Kriterien bewertet:

A. Rarität261

Unvertraute bzw. unbekannte Tiere aus den neuentdeckten Ländern werden herausgestellt als positive Qualität, als Quelle des Vergnügens und der Freude. Da sie in der eigenen Kultur nicht vorkommen, werden sie als bewundernswürdige „Rarität“ empfunden:

„Was nun bey uns am bekanntesten und gemeinsten, ist im Gegentheil bey enen wiederum eine hochgeachtete Rarität. Zum Exempel wir estimieren einen aus Indien zu uns gebrachten also genannten Raben für ein köstliches Thier; warum aber? Zum Theil wegen seiner schönen Federn, am allermeisten aber weil sein Vaterland ein weit von uns entlegenes Indien ist, und folglich wir nur gar selten einen dergleichen Vogel zu sehen bekommen. Wer weiß aber, ob nicht ein bey uns so verachteter schwartzer Rabe eben eine solche Rarität in Indien sein möchte?“262

Als Belegstücke für das Fremde wahrgenommen, hat die exotische Tiersammlung das Bild von der Welt erweitert und in besonderem Maße die Vielfalt der Schöpfung Gottes veranschaulicht. Dabei äußert sich in den Beschreibungen der Tiere eine Aufgeschlossenheit für das Fremde, das global gefasst war.263 Es existierte im europäischen Bewusstsein als eine generalisierte Fremdheit, die en bloc dem Eigenen, Bekannten gegenübergestellt wurde. Ihm wurde in erster Linie Interesse und Neugierde entgegen gebracht, die Lokalisierung war aber zweitrangig. So sind die Herkunftsangaben der Tiere meist unzutreffend. Eine Unterscheidung zwischen Westindien und Ostindien, also Amerika und Asien, wird nur in den seltensten Fällen getroffen. Beides wird unter dem unspezifischen Begriff „indianisch“ gefasst, der sich sowohl auf Amerika als auch auf Asien bezieht. Oft umschreibt er auch die Herkunft aus Afrika und hat ganz generell die Bedeutung von

261 Zedler 1732-1750: (Raritas) Seltenheiten: „etwas ungewöhnliches, oder einen solchen Fall, dergleichen nicht allzu offt, und in hundert Jahren kaum einmal, wo dennoch, vorzukommen pflegt.“ 262 Zitiert aus Neickel 1727, S.417. 263 Der heutige Anspruch der Ethnologie, die Objekte, Kulturen und Ethnien aus sich selbst heraus zu verstehen, kann auf die Frühe Neuzeit nicht übertragen werden. Das Thema des anderen war durch das universalistische Weltverständnis nicht von Bedeutung und das Fremde wurde generalisiert.

43

„fremd“ oder „außereuropäisch“.264 Wird die Herkunft eines Tieres als aus „Indien“ stammend festgelegt, so scheint damit das grundlegende Kriterium der „Rarität“ erfüllt.

B. Kuriosität

Das Augenmerk der Reisenden richtet sich mit besonderem Interesse auf Tiere, die aufgrund ästhetischer Kriterien als auffallend, ungewöhnlich und extravagant wahrgenommen werden. Ihre Form, ihre Größe oder Kleinheit werden als Abweichung von der Regelhaftigkeit der Natur angesehen und gelten daher als „kurios“. Dies war ihr Wert, der sie allen anderen Kuriositäten gleich machte. Adjektive wie „riesengroß“, „wunderschön“ oder „wild“ geben Auskunft über ihre Wertschätzung, auch im ökonomischen Sinne. In der genauen Kenntnis aller Besonderheiten beeindruckt die Körpergröße eines Kasuars oder Löwen, die teilweise mit mehreren Fuß angegeben ist. Bei Papageien und anderen Vogelarten ist es die Schönheit und/oder die Fremdheit ihrer Farben, die mit Faszination beobachtet werden. Die Fähigkeit der Vögel zum Gesang und/oder Sprechen ist ein weiteres Kriterium, das ihren außergewöhnlichen Wert angibt. Bei Zibetkatzen ist es der Geruch nach Moschus, der als Auffälligkeit wahrgenommen wird. Großkatzen und Bären bestechen durch ihre Wildheit, also durch die besondere physische Kraft. Diese ästhetischen Kriterien können ein Tier zu einer bewunderungswürdigen touristischen Attraktion werden lassen, welche auf die „reine Augenlust“ des Betrachters zielt. Als Schauobjekt dient das Tier dem Vergnügen seiner Betrachter. Zedler sieht in der Belustigung die Hauptfunktion der Wissbegierde (curiositas). Er definiert sie als „eine Art der Wollust, da man nach neuen und ungewöhnlichen Sachen begierig ist, um sich dadurch zu belustigen“. 265

Bezug der curiositas zum Sammlungswesen

Der Blick der Reisenden auf die fremdartigen Tiere war geprägt von Staunen und unvoreingenommener Neugierde (curiositas). Der Begriff der „frühneuzeitlichen Neugierde“266 richtete sich auf den Gesamtbestand der Schöpfung und umfasste ein „ebenso facettenreiches, wie heterogenes Spektrum von menschlichen Wissensansprüchen, Erkenntnisinteressen und Erfahrungsbedürfnissen. Angefangen von der schieren Neugierde im umgangssprachlichen Sinn, also dem unstillbaren und nicht selten indiskreten Reiz, sich für alles Fremde, Unbekannte und Geheime und zuletzt für das zu interessieren, was andere betrifft, reicht er bis hin zum elementaren Verlangen, die verborgene Gesetzlichkeit der Welt aufzudecken, von der Lust am Ausgefallenen und Wundersamen und der sinnlichen Verlockbarkeit durch Kuriositäten bis hin zum pragmatisch geleiteten

264 Bujok 2004, S.69. Ähnliches ist bei den Begriffen „türkisch“ und „möhrisch“ zu beobachten, die zwar häufiger zutreffen, hinter denen sich aber ebenfalls Africana und Americana verbergen können. Der Begriff „indisch“ entstand erst im Lauf des 18. Jahrhunderts. 265 Zedler 1732-1750: Curiosität (Neugierigkeit) 266 Daston und Blumenberg haben die frühneuzeitliche Neugierde zu charakterisieren versucht bzw. beschrieben, inwiefern die Wissbegier an der Schwelle zur Neuzeit einen diese Epoche mitbegründenden Bewertungswandel durchmachte. Vgl. Daston 1994 und 2002; Blumenberg 1996. „Die Umwertung von der Neugierde – von der mittelalterlichen Einschätzung als Laster hin zur solchen als Tugend – manifestierte sich zu dieser Zeit greifbar im Entstehen zahlreicher enzyklopädischer Sammlungen als den materialisierten Zeugnissen einer nunmehr aus kirchlicher Restriktion befreiten Wißbegierde, welche sich ungehindert auf den Gesamtbestand der Schöpfung richten konnte“. Zitiert aus: Ganz 2006, S.12.

44

Forscherdrang und sachbestimmten Wissensstreben, von der Begehrlichkeit der Augen (concupiscentia oculorum) und der vermessenen Ausschweifung in unzulässige Erfahrungsfelder bis hin zur kritischen und erkenntnisbewußten Wissenschaft (sientia) und näherhin zum Verlangen nach vernunftbegründeter Aufklärung.“267

Auf Gegenstände und Subjekte, die der Ästhetik der Neugierde entsprachen, richtete sich die Vorliebe der Sammler. In Verbindung mit dem Staunen gilt die Neugierde als ein Auslöser für das gesamte Sammelwesen in der Frühen Neuzeit.268 Beide bestimmten die Auswahl der Objekte für die Kunstkammern und boten die Grundlage dafür, alle gesammelten Gegenstände als gleichwertig zu schätzen. Von Reisen mitgebrachte Gegenstände oder exotische Waren wurden in den Kunstkammern zu sichtbaren Vertretern der unsichtbaren Weltferne. Die Wissbegierde der Frühen Neuzeit ist allerdings nicht zu verwechseln mit einer erst später einsetzenden Verwissenschaftlichung, bei der die Objekte untersucht und systematisiert wurden. Vielmehr wurden die Gegenstände und Erkenntnisse bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts hinein unvoreingenommen gesammelt und betrachtet. Ähnlich den begehbaren Sammlungen erschien dem Konsumenten die Menagerie als ein Ort der Wissbegierde, als zentraler Schauplatz für das verfügbare Wissen und den Drang nach neuen Erkenntnissen: Die erste Konfrontation mit einem seltenem Tier aus der neuen Welt war geprägt durch eine genaue Beobachtung des Aussehens und des Verhaltens. Häufig wurden die noch nie zuvor in eigener Anschauung gesehenen Tiere bildlich beschrieben, was der Integration in das eigene Weltbild diente, das durch die Neugierde erweiterungsfähig war und Platz für Neues bot. Im Falle eines Kasuars oder Kakadus verfügten die Berichterstatter häufig nicht einmal über den Namen des beschriebenen Tieres. Die Menagerietiere wurden ebenso als Sehenswürdigkeiten empfunden wie die musealen Ausstellungsstücke der Kunstkammer. In beiden Sammlungsbereichen - Menagerie und Kunstkammer - wurde der Betrachter zum Zuschauer eines imaginären Welttheaters, in dem der gesamte Makrokosmos in den mikrokosmischen Grenzen einer Stube dargestellt war.269 Als lebende Schauobjekte lösten sie Staunen aus und wurden mit Neugierde betrachtet: „Das Staunen fing die Aufmerksamkeit, die Neugierde fesselte sie.“270 In ihrer zentralen Rolle als Köder und Motivation bildete die staunende Neugierde einen Teil des höfischen „divertissements“, verbunden mit dem wissenschaftlichen Interesse. Diese richtete sich gerade auf rare und kuriose Tiere, konnten diese doch als pure „Augenlust“ den Ausdruck der Bewunderung und der Überraschung hervorrufen und damit Vergnügen und Freude bereiten. Gerade hierin zeigt sich eine enge Verbindung zwischen Menagerien und Kunstkammern. Die Tiersammlung bildete, abgesehen von ihrer reichspolitisch repräsentativen Bedeutung, zugleich einen weiteren Teil der Sammlungen des kunstsinnigen und naturwissenschaftlich interessierten Fürsten, die im

267 Zitiert aus: Krüger 2002, S.9. 268 Ganz 2006, S.12. 269 „Der Traum besteht darin [...]: Die Welt in der Stube, aus -, die Welt in einer Stube einzuschließen. Man erwartet von den einzelnen Sammlungsobjekten, von der für sie charakteristischen Ordnung, von den Bildern, welche sie begleiten, dass sie den Führer abgeben für eine intellektuelle Reise über die weiten Straßen der Welt.“ Zitiert aus: Bolzoni 1994, S. 140. 270 Daston 2002, S.163.

45

Kunsthaus untergebracht waren. Die Menagerie ist im Zusammenhang der höfischen Sammlung zu sehen, jedoch räumlich separiert. Sie muss als Bestandteil der universalistischen Kunstkammer angesehen werden. Beide Sammlungen - Menagerie und Kunsthaus - waren zwar nur wenigen auserwählten Hofmitgliedern und Gästen zugänglich. Dennoch besaßen sie dieselbe politische Ausstrahlungskraft, wandte sich die absolutistische Selbstdarstellung doch eben an diesen höfischen Kreis und an konkurrierende oder verbündete Fürsten.

Fürstliche Selbstdarstellung

Mit einer Sammlung von raren und/oder kuriosen Tieren konnte ein Fürst wie Landgraf Karl Aufsehen erregen, den Beweis einer glanzvollen Hofhaltung erbringen und seinen Herrschaftsstatus entsprechend visualisieren. Seine Menagerie war nicht nur Ort und Schauplatz einer Demonstration der exotischen Tiere; sie war selbst Demonstration: Ausstellung zunächst des naturkundlich-zoologischen Interesses und Vermögens des Besitzers und der klugen Beherrschung der Natur (Züchtung und Überwinterung der Tiere, strenge Ordnung ihrer Unterbringung usw.). Mit dem Ziehen der nicht einheimischen Tiere brachte der Besitzer zum Ausdruck, dass er in der Lage war, entgegen den vorhanden natürlichen Bedingungen, diese Tiere auch in den rauen Gefilden zu züchten. Sie dienten ihm zur Darstellung seines Selbstverständnisses und waren distinktives Instrument der Legitimation seiner sozial angesehenen Position. Als Symbol des Reichtums des Besitzers dienten sie der fürstlichen Repräsentation und gehörten zu den kostspieligen Erfordernissen einer jeden Hofhaltung. In der Ausstellung der seltenen und nur teuer zu beschaffenden Tiere demonstrierten Menagerien also auch Status und Vermögen des Besitzers. Im Rahmen der barocken Gartenanlage, die fast ausschließlich auf die symbolische Repräsentation absoluter fürstlicher Macht ausgelegt war, spielt die Menagerie eine zentrale Rolle.

2.4 Die Auflösung der Menagerie

Die Auflösung der höfischen Menagerie erfolgte 1730, noch im Todesjahr des Landgrafen Karl. Sein Erbe und Nachfolger war sein ältester Sohn, Friedrich I. Da dieser als König von Schweden seit 1720 nicht in Kassel residieren konnte, hatte Karl schon ein Jahr vor seinem Tod, am 21. Januar 1730, seinen zweiten Sohn Wilhelm für die Dauer seiner Krankheit zum Statthalter ernannt. Nach dem Tode Karls führte Wilhelm die Regierung im Namen des abwesenden Friedrich bruchlos weiter – bis zu Friedrichs Tod 1751 als Statthalter, danach als Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel.271 Finanzielle Nöte belasteten die hessische Staatskasse: Der königliche Bruder war in Schweden nur mit einer kleinen Apanage versehen und finanziell so schlecht gestellt, dass er sich auf ständige Geldüberweisungen aus seiner

271 Friedrich seinerseits hatte seinen Bruder Wilhelm bereits 1720 bei seinem Regierungsantritt in Schweden als späteren Statthalter in Kassel vorgesehen. 1726 verpflichtete er Wilhelm förmlich auf diese zukünftige Aufgabe. Die Doppelregierung der beiden Brüder – Friedrich war Landgraf und Wilhelm sein Statthalter in Kassel – bestimmte bis 1751 die Geschichte Hessen- Kassels.

46

Landgrafschaft angewiesen sah. Jährlich bezog er Revenuen von rund 50.000 Talern aus den hessischen Kassen.272 Einen großen Raum in der hessischen Literatur nehmen Friedrichs „verworrene Finanzverhältnisse“273 ein, die Hessen „zu außerordentlichen finanziellen Opfern [zwangen], die bei allgemeiner wirtschaftlicher Depression das Gedeihen des Landes in Frage stellten“.274 Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass ununterbrochen große Geldsummen von Kassel nach Schweden „zum schweren Schaden für das kleine Hessen“275 flossen. In seinem Stammland war Friedrich I. - nicht uneigennützig - auf Sparsamkeit bedacht. Um die kostspielige Hofhaltung des verstorbenen Vaters abzuschaffen, wurde 1731 das stehende hessische Heer beträchtlich vermindert, gigantische Bauprojekte des Vaters endgültig eingestellt, die Hofkapelle aufgelöst und in Übereinstimmung mit seinem Bruder Wilhelm der Kasseler Hof personell erheblich verkleinert. Wilhelm wiederum erlaubte sich aus finanziellen und familiären Gründen, aber auch aus persönlicher Bescheidenheit und Zurückhaltung keine große glänzende Hofhaltung. Stattdessen wurden auf dem Verwaltungswege wirtschaftsfördernde Maßnahmen geschaffen.276

Zu den Sparmaßnahmen nach dem Tod des Landgrafen Karl zählte auch die Abschaffung der kostspieligen Menagerie. „Federvieh, Wildpreths und dergleichen"277 wurde an den Kurfürsten Friedrich August I. von Sachsen278 (genannt August der Starke, 1670-1733), seit 1697 König August II. von Polen, nach Dresden verschenkt.279 Dieser ließ die Tiere in der Menagerie des Jagdschlosses Moritzburg unterbringen, die seit einem Jahr bestand. Sie war am südwestlichen Teichufer angelegt und bestand aus dem Straußenhaus, dem Straußenzwinger und dem beheizbaren „Indianischen Vogelhaus“ (dem heutigen Käthe-Kollwitz-Haus).280 Das langgestreckte Vogelhaus besaß ein massives Erdgeschoss mit einem hölzernen Stockwerk und umfasste neben zwei Stuben für den Vogelwärter vier Vogelbehältnisse. In der Moritzburger Menagerie fanden auch jene afrikanischen Tiere Aufnahme, die von einer Afrika-Expedition im Auftrage Augusts des Starken 1732/33 nach Dresden verschickt wurden. In der Spezialreskrite von 1730281 sind folgende Vögel aus Kassel aufgeführt: ein Kasuar, ein Vogel Strauß, zwei Königsgeier („Wauwaus“), ein Geier

272 Im Laufe der Jahre sind geschätzte 4,5 Millionen Taler aus den hessischen Kassen nach Schweden abgezogen worden. Vgl. Both/Vogel 1973, S.17. 273 Burmeister 2003, S.129. mwn. 274 Zitiert aus: Philippi 2001, S.228. 275 Zitiert aus: Röth 1886, S.390; Vgl. auch Both/Vogel 1973, S.17. 276 Dazu zählte z.B. die Neuordnung des Zunftwesens 1730 und 1754. 277 Sächs HstA, Spezialreskripte 1730 Nr. 233 vom 14.8.1730. 278 Durch Heirat war Hessen-Kassel mit dem Hause Sachsen vielfach versippt und verschwägert. Friedrich August I. von Sachsen war der Cousin von Landgraf Karl. 279 StAM: 4 f Polen 218: Übersendung einer Menagerie an König August II. von Polen und Gegengeschenk in Pferden, 1730-1732. 280 1730 entstand am Schwanenteich gegenüber dem Schlossteich die so genannte Neue Menagerie mit einem Schwanenhaus und einem Perlhühnerhaus. Außerdem übte man die Zucht und Hege von Wisenten aus, die man damals als Auerochsen bezeichnete. 281 Brief des Moritzburger Amtmannes Tüllmann an den König: "E.K.M.u. Ch. D. haben allergnädigst verordnet, daß nachstehendes von [...] Cassel kommendes Federvieh, Wildpreths und dergleichen nacher Moritzburg gebracht und alda verbleiben soll, als 1 Casuarius, 1 Vogel Strauß, 2 Wau waus, 1 Indianischer Geyer, 2 SteinAdler, 2 Indianische Raaben, 3 Papa Geyen,

47

(„indianischer Geyer“), zwei Steinadler, zwei Aras (“Indianische Raaben“), drei Papageien, ein kleinerer Papagei („Monien“), ein Kakadu, ein Sittich („Indianische Parquitgen“) und zwei schwarze Störche. Im November 1732 erhielt August der Starke aus noch mal ein Löwenpaar, zwei Leoparden („Tieger“) und eine Zibetkatze („indianische Katze“) als Geschenk.282 Dabei handelte es sich um die Tiere, die der König von Schweden, der gebürtige Friedrich I. von Hessen-Kassel, ursprünglich vom Dey von Tunis und Algiers als Geschenk erhalten hatte und nun nach Dresden weitergab.283 Nach dem Transport über Lübeck hielt der Löwenwärter der Dresdner Menagerie in einem Schreiben den Zustand der Tiere bei der Ankunft fest. Er berichtet, „daß der Löwe und Löwin, wie auch zwey Tieger recht gut aussehen, außer daß der Löwe nur ein Auge hat.“284 Für die nach Dresden verschenkten Tiere erhielt Friedrich I. von Hessen-Kassel bis 1732 ein Gegengeschenk an Pferden.285

2.5 Landgraf Karl als universeller Sammler

Die Anlage der höfischen Menagerie in direkter Nähe zur Karls-Aue steht sowohl mit dem „universellen Sammlertrieb“286 Landgraf Karls als auch mit seinen Bemühungen um wissenschaftliche Förderung in Zusammenhang.

Wie wenige andere Herrscher hat Landgraf Karl die Stadt Kassel nachhaltig geprägt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg versuchte er seinem Territorium sowohl den wirtschaftlichen als auch den kulturellen Anschluss zu ermöglichen. Als typischer Barockfürst widmete er sich repräsentativen Projekten, die nicht nur dem Ansehen seines Hofes, sondern auch der „Besserung des Landes“ dienen sollten. Sein ausgeprägtes persönliches Engagement auf natur- und geisteswissenschaftlichem Gebiet sowie in der Kunst entsprang dabei einem Verständnis seiner Rolle als Landesherr, die der traditionellen Idee des „Haus- Vaters“ noch eng verhaftet war. Die persönliche Präsenz als Landesvater in allen Bereichen der Verwaltung, Wirtschaftsförderung und Politik wie auch bei militärischen Operationen zeigen einen engagierten Fürsten, der sich als verantwortungsbewusster Regent seines Landes seinen Aufgaben widmete.

1 Monien, 1 Gakathu, 1 Indianische Parquigen und 2 schwarz Storche." Zitiert aus: Sächs HstA, Spezialreskripte 1730 Nr. 233 vom 14.8.1730. 282 Vgl. Wittwer 2004, S.63. Vgl. Ljungström 2007, S.259. Fälschlicherweise führt Coban-Hensel 2008, S.44, auf: 1 Löwe, 2 Löwinnen, 1 Tiger und 1 indianische Katze. 283 “Den 18 Novembr. hat der Königl. Löwenwärter, Herr Naumann, aus Lübeck einen Löwen, eine Löwin, zwei Tieger und eine indianische Katze in Kästen anhero gebracht. Diese Thiere hat der Dey, welches der Ober-Richter und Befehlshaber von denen Africanischen Küsten Tunis und Algier ist, Ihro Königl. Majest. von Schweden zum Praesent übersendet, dieser aber durch einen freygegebenen Sclaven, der ein gebohrner Hollsteiner, und um diese Thiere dergestalt gewohnt gewesen, daß er sie, wohin er gewolt, frey forttragen können, an Ihro Köni(?)gl. Majest. in Pohlen überbringen und schenken lassen. Sie werden im Königl. Löwen-Hause zu Alt-Dresden [...] zugleich aufbehalten.“ Zitiert aus: Sächsischer Hof- und Staats-Calender (1733), n.p. 284 Sächs HstA, loc.589, fol. 6 a/b. 285 StAM: 4 f Polen 218: Übersendung einer Menagerie an König August II. von Polen und Gegengeschenk in Pferden, 1730-1732. 286 „Mit vielen seiner fürstlichen Zeitgenossen teilte Landgraf Karl einen ursprünglichen Hang zu den schönen Künsten und einen universellen Sammlertrieb.“ Zitiert aus: Philippi 1976, S.602.

48

Die Aufnahme von Hugenotten ab 1685 trug ebenso wie in Berlin zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes bei. Für die Réfugiés erweiterte der Landgraf seit 1688 die vom Krieg verschont gebliebene Residenzstadt Kassel um eine regelmäßig angelegte Neustadt, die sich schnell zu einem repräsentativen Stadtteil entwickelte. Karl ließ Manufakturen für Kupfer und Messing, Glas und Porzellan errichten und begünstigte damit die Niederlassung von Handwerkern. Zu seinen städtebaulichen Projekten zählt die Gründung der Hugenottenstadt Karlshafen, in deren Hintergrund das große Kanalprojekt Weser-Main stand. Seit 1680 wurde an den Gartenanlagen am Weißenstein im Habichtswald gearbeitet. Dieses Gebiet mit der bereits bestehenden Anlage eines Jagd- und Sommerschlosses wurde von nun an zum Konzentrationspunkt architektonischer Selbstdarstellung des Kasseler Hofes. Der „Herkules“ kann als treffendes Symbol für fürstlichen Gestaltungswillen und in sich ruhende Stärke gelten. Karl zeigt sich in der Rolle des siegessicheren, vorausschauenden und ausruhenden Landesherrn. In die gleiche Zeit fallen erste Gartenbauten in der Aue. Seit Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Lustgarten Wilhelms IV. und seines Sohnes Moritz in die barocke Gesamtgestaltung der Aue integriert. Als barocker Bezugspunkt ließ Landgraf Karl nach 1700 das Orangerieschloss287 errichten, vor dem sich der neue Garten völlig achsensymmetrisch ausbreitete. Der Garten der Aue mit der Orangerie und dem ab 1721 ergänzten Marmorbad ist eigentlich als Schlossgarten zu interpretieren und erhöhte somit die repräsentativen Qualitäten des Residenzschlosses. Das Orangeriegebäude und seine kostbaren Pflanzensammlungen dienten dem Vergnügen und der Repräsentation ihres Besitzers. Über die pflanzliche Ausstattung der barocken Orangerie ist leider nichts genaues bekannt. Philippi spricht von „häufigen Ankäufen landfremder Gewächse“288. 1722 erhielt die Karlsaue mit David Royer einen Hofgärtner, der zahlreiche Gewächse aus Italien kommen ließ. 1723 zählte man bereits über tausend Pflanzen, die wohl, soweit ausgewachsen, in beiden Hälften des neuen Orangeriegartens aufgestellt waren.289 Eine solche Sammlung bedeutete für einen barocken Fürsten wie Landgraf Karl in erster Linie die Demonstration des eigenen Status.

Als absolutistischer Herrscher verstand sich Landgraf Karl als zentraler Förderer der Künste und Wissenschaften. Um die Jahrhundertwende (1700) hatte sich Kassel zu einem Ort mechanischer Experimentierkunst entwickelt. Die Lust an neuen Erkenntnissen und aufsehenerregenden Experimenten paarte sich mit dem Wissen um die Abhängigkeit vom wissenschaftlichen Fortschritt und moderner, merkantiler Wirtschaftsführung. In der Regierungszeit des Landgrafen wurde ein ganzer Stab von Mechanikern, Optikern und Kunsthandwerkern beschäftigt. So wirkten Johann Andreas Zahn, ab 1701 Ludwig Temme und ab 1705 Henning Huthmann als Optiker. Johann A. Herget und Zacharias Böhling waren als Instrumentenbauer tätig. Als Uhrmacher arbeiteten Johann Wilhelm Schultze und sein Sohn Mathias, ferner der Hofmathematiker und Professor der Optik Heinrich Ludwig Muth.290

287 Landgraf Karl nutzte das Orangerieschloss gleichermaßen als Sommerresidenz und Pflanzen-Überwinterungshaus. 288 Philippi 1976, S.614. 289 Vgl. Rohde/Becker/Langhorst 2004, S.33. 290 Mackensen 1991, S.30.

49

Aus dem Strom der französischen Glaubensflüchtlinge, die nach der Aufhebung des Toleranz-Ediktes von Nantes im Jahre 1685 Frankreich verlassen mussten, gelang es Landgraf Karl, eine weltbedeutende Erfinderpersönlichkeit nach Hessen- Kassel zu ziehen, deren Ideen zur Nutzung der Dampfkraft den Genius der Technik in dieser Stadt für Jahrhunderte beflügelt haben: den Physiker Denis Papin (1647-1712/13). Ab 1695 weilte er ganz am Kasseler Hof, wo er einen grundlegenden Versuch über die Nutzung der Dampfkraft anstellte und 1706 die erste Hochdruckdampfpumpe mit Schwimmkolben erfand.291 Die Berufung Papins nach Kassel zeigt Karls Aufgeschlossenheit gegenüber allen Bereichen der Naturwissenschaften. Der Landgraf selbst besaß Fertigkeiten in der Mechanik und ließ sich aus aller Welt Apparaturen, in denen die zeitgenössische Mechanik dilettierte, zuleiten. Sein besonderes Faible galt Mikroskopen, Fernrohren, Globen, Himmelsuhren, Messgeräten und Uhren. Drei Sternwarten wurden in seiner Regierungszeit errichtet (1696 im Ottoneum, 1707 im Zwehrenturm und 1714 im Palais Bellevue). Immer wieder dilettierte er selber als Wissenschaftler. Er beschäftigte sich mit Meteorologie und konstruierte mit Vorliebe Perpetua Mobilia, also Maschinen, die vorgaben, sich immerwährend zu bewegen und dabei gar noch Energie zu liefern. Er entwarf das Demonstrationsmodell der Windkraft292, dem die Besucher des Kunsthauses großes Interesse entgegenbrachten und machte zu verschiedenen Modellen und Apparaturen eigene Verbesserungsvorschläge. Mit seiner Vorliebe für Mechaniken aller Art stand er in Tradition seines Ururgroßvaters Wilhelm IV.

Über die Physik und Mechanik hinaus war das Interesse des Landgrafen auch auf die Anatomie, die Medizin, die Botanik, die Zoologie und Mineralogie gerichtet. Als selber ausübender Musiker hat er die Hofkapelle aufgebaut und neben der Kammermusik nach 1700 die italienische Oper in Kassel heimisch gemacht.293 Rege Neugier an wissenschaftlichen Neuentwicklungen aus allen Bereichen, der Kontakt mit Gelehrten wie Leibniz und Christian Wolf294 sowie das breitgefächerte Interesse, das auch andere künstlerische Bereiche, wie den der Musik umfasste, zeigen einen Herrscher, der in hohem Maße bemüht war, den aktuellen Fortschritt in möglichst vielen Wissenschaften und Künsten auf internationaler Ebene zu verfolgen. Ein Zitat von Schmincke betont die kulturellen Leistungen des Landgrafen und gibt Aufschluss über die Wertschätzung des Fürsten in seiner Zeit:

„Die Regierung Landgraf Carls ist endlich derjenige Zeitpunkt, in welchem Cassel aus seiner bisherigen Mittelmäßigkeit zu demjenigen Rang gestiegen ist, welchen es itzo unter den vornehmsten Städten Deutschlands bekleidet. [...] Bei dem Antritt seiner Regierung [des Landgrafen Karl] hatte Cassel ein sehr schlechtes Aussehen [...] er sparte nichts, seiner Residenz ein besseres Ansehen zu geben.“295

291 Ebd. S.3f. 292 Uffenbach 1709, S.33f., beschreibt diese Vorrichtung ausführlich: „In diesem war eine besondere Erfindung, die Gewalt des Windes zu zeigen, welche Ihro Durchlaucht der Herr Landgraf selbst erdacht. [...]“. 293 Vgl. Langkabel 1993, S.8f. 294 Der Philosoph Christian Wolf wurde nach seiner Ausweisung aus Halle 1723 von Landgraf Karl an die Universität Marburg berufen, wo er bis 1740 wirkte. 295 Schmincke 1767, S. 49, 50 und 52.

50

Für Karl war vor allem der ökonomische Nutzen der Wissenschaft von Bedeutung. Aufgrund seines Ziels „das Land zu verbessern“, lag ihm die Ausbildung seiner Untertanen besonders am Herzen. 1696 gründete er das Kunsthaus, das als Nachfolger der Ende des 16. Jahrhunderts gegründeten Kunstkammer seinen stets im Wachsen begriffenen Sammlungen einen würdigen räumlichen Rahmen bieten sollte. Das Kunsthaus war aber von Beginn an auch als Ort der Ausbildung vorgesehen. Im November 1709 wurde in seinen Mauern feierlich eine Akademie gegründet, die nach ihrem Gründer den Namen „Collegium Carolinum“ erhielt.

Das Kunsthaus

„Er [Landgraf Karl] gehörte zu den Herren, welche die in der letzten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts nach dem langen Dreißigjährigen Kriege mit aller Stärke wieder auftauchende Neigung, Merkwürdigkeiten und Raritäten aller Art zusammenzubringen, mit einer wahren Leidenschaft zu befriedigen trachte; er stand unter den „curieusen Herren“, wie man sie damals nannte, an der Spitze. Zu Hause und im Ausland ging er der Neigung nach. Er sammelte überall [...].“296

Als „letzter universaler Sammler seines Hauses“297 vereinte Landgraf Karl in seinem Kunsthaus all das, was in der Welt existierte. Nach den zeitgenössischen Beschreibungen298 enthielt das Kunsthaus im Erdgeschoss einen Hörsaal „Auditorium publicum“299, eine Mineralienkammer, ein Skulpturenkabinett und ein mechanisches Zimmer. Im 1. OG. folgte ein mathematisches Zimmer, eine Optik-Kammer, eine Uhrenkammer und ein Gemälde- und Medaillenkabinett. Der Modellsammlung300 im 2. OG. folgte unter dem Dach ein anatomisches Theater. Darüber war auf der Altane des Daches ein Observatorium301 untergebracht. Zudem beherbergte das Gebäude bis 1767 eine „Drehkammer“, in der sich der Landgraf seinem Lieblingshobby, dem Elfenbeindrehen, widmen konnte.302 Als „das Beste und Vollkommenste von allem in dem gantzen Kunsthaus“303 beschreibt der Reisende Zacharias Conrad von Uffenbach 1709 den „unbeschreiblich große[n] und vortreffliche[n] Vorrath von allerhand der neuesten, kostbarsten und herrlichsten Instrumente zur Geometrie, Civil- und Kriegs-Baukunst, ja zu allen Theilen der gantzen Mathematik“.304 Er lobt die Größe der Sammlung, die „schöne Ordnung“305 und die Zusammensetzung von

296 Vehse 1991, S.58. 297 Scheicher 1979, S.198. 298 Der erste gedruckte Bericht im 18. Jahrhundert über die Einrichtung des Kunsthauses findet sich bei Michael Bernhard Valentini im zweiten Band seines „Museum Museorum“. Vgl. Valentini 1704/1714, Bd.2. 299 Das erwähnte „Audiorium Publicum“ war ein Unterrichtsraum des sogenannten Collegium Carolinum. 300 Ab 1711 wurden die Modelle im Modellhaus aufbewahrt. 301 Das Observatorium war mit einem drehbaren Türmchen und als fürstliche Spielerei mit einem durch Pressluft getriebenen Aufzug ausgestattet, der allerdings nicht richtig funktionierte. Eine zweite Sternwarte mit drehbarer Kuppel ließ Karl im Jahre 1707 auf dem Zwehrenturm einrichten. 1714 folgte ein Observatorium auf dem späteren Palais Bellevue an der Schönen Aussicht. Leiter der Sternwarten war Dr. Karl Lothar Zumbach von Coesfeld (1661-1727). 302 Vgl. Holtmeyer 1923, Bd.VI., S.536. Mit Zar Peter hat Landgraf Karl wiederholt Drechslerarbeiten ausgetauscht. Vgl. Vehse 1991, S.59. 303 Uffenbach 1709, S.36. 304 Ebd. S. 36. Tatsächlich umfasst das Inventar auf dem Gebiet der Zeitmesser bereits 122 Uhren, 295 mathematische und 346 optische Apparate. Vgl. Mackensen 1991, S.24f. 305 Uffenbach 1709, S. 37.

51

„Vortrefflichkeit und Kostbarkeit“306. Seiner Wertung nach sei in dem Kunsthaus „alles, was zur ganzen Mathematik, Naturlehre und curieusen Wissenschaften gehöret, beysammen.“307

Das Kunsthaus gehörte dem im 16. Jahrhundert verwurzelten universalistischen Museumstyp an, der Kunstgegenstände aller Gattungen, naturwissenschaftliche Objekte und Kuriosa jeder Art vereinte. Es enthielt die üblichen Sammlungskategorien wie Naturalien (Animalia, Vegetabilia und Mineralia), Artificialien, Gemälde, Preziosen, Antiken, Antiquitas, Ethnographica, Kleider, Musikinstrumente, Mirabilien und Abnormitäten der Natur, Memorabilia, Scientifica und Automaten. Globen waren als Sinnbild für die Einheit der Welt ein bedeutender Bestandteil der Kunstkammern und repräsentierten deren universalistisches Konzept.308 Die enzyklopädische Kunstanschauung des Landgrafen war nachhaltig von seiner Italienreise geprägt, die er in den Jahren 1699-1700 unternommen hatte. Die Reise hatte ihn an die Hauptkunststätten Italiens geführt, wo er bedeutende Ankäufe für seine Kasseler Kunstsammlungen tätigte.309 Dort besuchte er u.a. die privaten Kunstkammern des Ulyssis Aldrovandi und Ferdinando Cospi in Bologna, die des Lodovico Moscardo in Verona, die des Manfredo Settala in Mailand und das berühmte Museum Kirchnerianum in Rom.310

Ingesamt war die fürstliche Sammlung im Kunsthaus stark naturwissenschaftlich konzipiert. Im Jahre 1764 bezeichnete der Schotte James Boswell die Kunstkammer als „Maison des sciences“.311 Der Schwerpunkt der Sammlung lag auf technischen Geräten und naturkundlichen Gegenständen. Die Beschreibung des Kunsthauses von Friedrich Christian Schmincke312, dem damaligen Bibliothekar und Aufseher der Sammlungen, widmet sich in der umfassenden Darstellung der Sammlungen ausführlich dem Uhrenkabinett, dem physikalischen Zimmer, dem mechanischem Zimmer, dem optischen Zimmer und dem mathematischen Zimmer. Eine große Zahl der physikalischen und astronomischen Instrumenten war bereits von Landgraf Wilhelm IV. (1567- 1592) angeschafft worden. Insofern war die Sammlung in ihrem Kernbestand ein Abbild dynastischer Kontinuität. Einen solchen hohen Anteil am gesamten Museumswesen haben die exakten Naturwissenschaften und die Technik später nie wieder in Kassel oder einer anderen deutschen Stadt erlangt.313 Besondere Wertschätzung brachte der Landgraf dem Bereich der lebenden Natur entgegen. Die Naturalienkabinette bildeten gleichsam Archive des Wissens, denen eine große Bedeutung zukam. Bereits 1709 wurden nach einem Bericht von Zacharias Conrad von Uffenbach u.a. folgende Präparate im Kunsthaus aufbewahrt: ein „sehr grosse[r], schwere[r] und wunderlich

306 Ebd. S.37. 307 Ebd. S.43. 308 Uffenbach 1728, S.56, beschreibt mehrere Globen im Kunsthaus: „Verschiedene gemeine von Himmels- und Erdenkugeln von allerley Größe [...], deren allerley Arten vorhanden waren und wohl verdienet hätten, genau untersuchet zu werden.“ 309 „Gesättigt von neuen Eindrücken und Kenntnissen und reich beladen mit kostbaren antiken und modernen Gemmen, Medaillen, „musaischen“ Steinen, mathematischen Instrumenten, Karten, Büchern und den unvermeidlichen Kuriositäten kam Karl am 1. April 1700 wieder in seiner Residenz zurück.“ Zitiert aus: Heidelbach 1973, S.140. 310 Vgl. Klaute (Weinberger) 1700. 311 Danziger/Reuter 1999, S.44. 312 Vgl. Schmincke 1767. 313 Mackensen 1991, S.28.

52

gekrümmte[r] Elephanten-Zahn über zwo Ellen lang“, ein „ausgestopfter Papion, welches eine Art von sehr grossen Affen“, ein „Kopf von einem Hippopotamo, oder Meer=Pferd“, ein „Hirsch=Fuß“, „drey ausgebalgte Casuarii“, „verschiedene Beinkörper von Wolf, Hund und anderen Thieren“, ein „wilder Schweinskopf“, ein „ausgebalgter haas“.314 Daneben berichtet er auch von menschlichen Präparaten in der Anatomiekammer: „zween ausgedörrte Cörper von Indianern“, „zwo ausgestopfte Menschen=Häute“ und einer „sehr merkwürdige zweyköpfige Misgeburt“.315 Seit 1724 wurde das anatomische Kabinett für öffentliche Sezierungen genutzt, die wahrscheinlich sowohl der praktischen Ausbildung von angehenden Chirurgen als auch der praktischen Übung für den angehenden Medizinstudenten dienen sollten.316

Das Collegium Carolinum

Das Kunsthaus diente zugleich einer pädagogischen Institution als Unterkunft. Ausdrücklich stand die Sammlung den Professoren des Collegium Carolinum zur Verfügung. Diese Bildungseinrichtung ging auf die Ritterakademie des Landgrafen Moritz (Collegium Mauritianum) zurück und wurde durch den Beschluss des Landgrafen Karl am 24. Okt. 1710 wieder ins Leben gerufen als ein „Collegium Illustre Carolinum, in welchem die studierende Jugend zu der Physica experimentali curiosa und Anatomia [...] informiret und angeführet werden können.“317 Der Landgraf hatte ursprünglich die Gründung einer Akademie der Wissenschaften beabsichtigt, zu der er wohl auch durch Gottfried Wilhelm Leibniz angeregt wurde.318 Dessen Pläne, die Sozietäten als Einrichtungen mit umfassenden Aufgaben im Bildungsbereich vorsahen, ließen sich in Kassel nicht verwirklichen. Als 1710 das Collegium Illustre Carolinum gegründet wurde, war eine neue Form von Hochschule entstanden. Sie bestand bis 1786 und hatte die Aufgabe, Studenten vor dem Beginn ihres Fachstudiums in die nötigen propädeutischen Disziplinen einzuführen (Mathematik, Physik und Anatomie). Zu diesem Zweck konnten die landgräflichen Sammlungen an Naturalien und Artificialien von der Einrichtung genutzt und in das Unterrichtsprogramm einbezogen werden. In ähnlicher Weise stand die landgräfliche Bibliothek mit den Aufgaben der Institution in Verbindung.319 Das Neue war hierin, dass nicht nur die herkömmlichen humanistischen Standesfächer vertreten waren, sondern auch die modernen Naturwissenschaften, also eine auf die Kultur im weiteren Sinne ausgerichtete Sozietät.320 In seiner Betonung der exakten Naturwissenschaften war die Einrichtung allen anderen vergleichbaren Schulen in Europa voraus.321 Die eingerichteten anatomischen, zoologischen, mineralogischen und botanischen

314 Uffenbach 1709, S.13 /14. 315 Ebd. S.13. 316 Die Chirurgie war nicht Gegenstand des Medizinstudiums, sondern galt als handwerkliche Tätigkeit, die von der Zunft der Barbiere ausgeübt wurde. 1738 wurde für diese Disziplin extra eine weitere Professur eingerichtet und damit ein seminarium medico-chirurgicum geschaffen. Vgl. dazu Holtmeyer 1923, Bd. VI., S.536. 317 Zitiert aus: Becker 1996, S.132. Die Statuten des Collegiums finden sich ausführlich in: Mackensen 1991, S.25 318 Philippi 1976, S.612-14. In der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es in Deutschland zahlreiche Pläne zur Gründung von Akademien, an denen moderne Wissenschaft betrieben werden sollte. Vgl. dazu Mey 1994, S.30f. 319 Zur Bibliothek vgl. Becker 1996, S.135. 320 Schultz 1989, S.119. 321 Ebd. S.119.

53

Kabinette zählten lange zu den Sehenswürdigkeiten Kassels. Gelehrte Besucher aus aller Welt wurden angelockt. Die neue Bildungseinrichtung kam seit 1721 zu einem Stillstand - als die zuerst berufenen Professoren verstarben, wurden ihre Stellen nicht wieder besetzt. Eine wirkliche Förderung erfuhr das Carolinum allerdings erst, als Landgraf Friedrich II. im Jahre 1760 die Regierung in Kassel antrat.322 Festzuhalten bleibt, dass das Kunsthaus eine höfische Institution war, die viele unterschiedliche Funktionen unter einem Dach vereinigte. Es lieferte den räumlichen wie instrumentellen Rahmen für das Collegium Carolinum als Forschungsstätte, Studienraum und aktives Labor. Gleichzeitig war es Aufbewahrungsort der landgräflichen Sammlungen und damit per se Manifestation des fürstlichen Kunstsinnes. Damit richtete es sich nicht primär an die heimische Oberschicht, sondern vor allem an die anderen Fürstenhäuser des Reiches. Wahrgenommen werden konnte das Kunsthaus auch als ein Ort der gelehrten Unterhaltung, worauf die zeitgenössische Bezeichnung „un college de curieux“323 („Schule der Neugierigen“) hinweist. Besonders die öffentliche Sezierung von Leichen galt nicht nur in Kassel, sondern auch andernorts, wo anatomische Kabinette oder Theater bestanden, als kulturelles Ereignis. Meist flossen in solchen öffentlichen Lektionen Aspekte der Bildung und der Unterhaltung, die das Staunen des Publikums erregen wollten, zusammen.

3. Das Kasseler “Tierstück”: „Die Menagerie des Landgrafen Carl“

3.1 Der Schöpfer des „Tierstücks“: Johann Melchior Roos (1663-1731)

Biographie

Johann Melchior Roos stammte aus einer Frankfurter Künstlerfamilie, die im 17. und 18. Jahrhundert über vier Generationen mehrere bedeutende Maler hervorbrachte.324 Er war der zweitälteste Sohn von Johann Heinrich Roos (1631-1685), der schon 1776 von dem Frankfurter Historiker Henrich Sebastian Hüsgen als „Rafael aller Viehmaler“325 gepriesen wurde und in der neuesten Literatur als der „bedeutendste deutsche Tier- und Landschaftsmaler in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“326 bezeichnet wird.

1663 in geboren, seit 1667 aufgewachsen in Frankfurt am Main, wurde Johann Melchior vom 10. oder 12. Lebensjahr an vom Vater im Zeichnen unterwiesen. Spätestens 1684 ging er auf übliche Wanderschaft in die

322 Zum Collegium Carolinum unter Landgraf Friedrich II. vgl. Mey 2000, S.191-211. 323 Haas (Leiter des Kunsthauses) an Leibniz, 22. Januar 1695, in: Gerland 1880, S.52. Der Begriff „Academie des Curieux“ wird ebenfalls verwendet bei Philippi 1976, S.613. 324 Die vier Söhne von Johann Heinrich Roos widmeten sich alle der Malerei: Philipp Peter (auch „Rosa di Tivoli“ genannt, 1657-1706), Johann Melchior (1663-1731), Franz (ca. 1672-?) und Peter (1675-1727). In der dritten Generation waren zwei Söhne des Philipp Peter wieder als Maler tätig: Jakob (geb. 1682) und Cajetan (1690-1770). Mit Cajetans Sohn Joseph (1726- 1805) lebt die Tiermalerei in der vierten Roos-Generation auf. Zur Roos-Familie vgl. Ausst.-Kat. 1985. 325 Hüsgen 1776, Vierter Brief, S.45. 326 Jedding 1998, S.IX.

54

Niederlande und hielt sich zunächst in Holland auf. Als gesichert gilt, dass er 1684 als Mitglied der Zeichenakademie in Den Haag eingeschrieben war. Fast zwei Jahre studierte er dort, bis er 1685 nach dem plötzlichen Tod des Vaters nach Frankfurt zurückkehrte. 1686 bis 1690 hielt er sich mehrere Jahre in Italien auf, vermutlich arbeitete er bei seinem Bruder Philipp Peter327 in Tivoli nahe Rom. Bei seiner Rückkehr nach Deutschland ließ er sich nach kurzen Aufenthalten in Nürnberg328 und Heidelberg ab 1695 in Frankfurt am Main329 nieder. Für die Obere Orangerie von Schloss Weilburg malte Roos 1705 im Auftrag des Grafen Johann Ernst zu Nassau-Weilburg das Deckengemälde sowie die acht Kartuschenbilder, Devisen und Fruchtstücke als Supraporten.330 Spätestens seit 1710 war er Hofmaler für Kurfürst Lothar Franz von Schönborn (Kurfürst von 1695 bis 1729), den Fürstbischof von Bamberg (1694) und Erzbischof von Mainz (1695).331 Dessen persönliches Interesse galt vor allem dem Bauwesen332 und der Kunst. Als leidenschaftlicher Sammler von Gemälden hat er mehrere Tierstücke bei Roos bestellt. Er vermittelte den Maler auch an seinen Neffen, den (Erz-)Vizekanzler Friedrich Karl von Schönborn in Wien, für den Roos zahlreiche Tierbilder vor allem für dessen Schloss Laxenburg lieferte.333 Zu dieser Zeit erwarb sich Roos den weniger ehrenvoll gemeinten Beinamen/Spitznamen „Samstags-Roos“334. Dieser Ausdruck spielt auf seine Malweise an: Er scheint sehr langsam und sehr selten gemalt zu haben, nur gelegentlich kam er seinen Pflichten und Aufträgen nach. Angeblich arbeitete er nur an Samstagen, wenn seine Frau Marktgeld brauchte.335 Oft beschwerte sich Lothar Franz von Schönborn über die Saumseligkeit seines Hofmalers und das Hinauszögern von Terminen.336 Im April 1718 wurde ihm

327 Der älteste Bruder Philipp Peter (1657-1706) war 1677 als Stipendiat des Landgraf Carl von Hessen-Kassel nach Italien gegangen und hatte dort als „Rosa da Tivoli“ europäischen Ruhm erlangt. 328 Dort heiratete er die Tochter eines Dr. Langhans. Nach ihrem Tod 1710 heiratete er 1713 erneut Maria Elisabeth Werner, die jüngste Tochter des Berner Malers Joseph Werner. 329 In Frankfurt ließ er zwischen 1696 und 1710 sieben Kinder taufen. 330 Die Obere Orangerie war 1703 bis 1705 errichtet worden und war in das alltägliche Leben des Hofes einbezogen, diente also nicht allein der Überwinterung von exotischen Pflanzen. 331 Dieser bezeichnet Roos 1710 als seinen „Hofmaler“. Vgl. Jedding 1998, S.236. 332 Er ließ neue Schlösser errichten, so das Schloss Weißenstein bei Pommersfelden, die Neue Residenz in Bamberg, die bambergischen Schlösser Jägerburg und Seehof bei Forchheim sowie die Sommerresidenz Favorite in Mainz. 333 Im Nachlass des Generals Anselm Franz von Schönborn aus Schloss Heusenstamm zählte man nicht weniger als 83 Roos’sche Tierstücke. Vgl. Jedding 1960, S.314. 334 So Hüsgen 1780, S.216ff. 335 „[...] dabey ist er [Roos] ein Schwelger gewesen, der seine Gemählde nur in Zeit der Noth hausiren tragen ließ; weil nun solches gemeiniglich den Samstag hier geschahe, wann die Frau Marktgeld gebrauchte, so erhielte er dadurch den Beynamen Samstags Roos.“ Zitiert aus: Hüsgen 1790, S.257f. 336 Lothar Franz am 4. März 1711: „Was aber die verlangende Stücker von dem mahler Roose angehet, so mögte ich wünschen, dass er sie so balldt haben konde, als er sich einbillden thuet. Aber, [...] er kennet diesen liederlichen kerl noch nicht recht; dann desgleichen ist nicht mehr in der welldt. Er mahlet mir schon anderthalb jahr an einem stück undt dieses werde ich vor dem octobre nich nicht haben konnen. Unterdessen bin ich des maass von den stücken gewärthig undt werde alsdann sehen, wie weith es mit ihm zu bringen sein wirdt. An treiben bei ihm solle es nicht fehlen. Sein grosses fort bestehet in Thieren und jagten, die er dann mit hübschen landtschaften accompagnieren kann. Ich habe ihm allbereiths schreiben lassen, wie balldt er ein stück verfertigen wollte, aber nicht anderst als zueg vor zueg, dann, wann er ansonsten gelldt zum voraus bekommet, so ist nichts von ihm zu haben. – Allenfals solle es ahn hübschen subjectis nicht fehlen undt ist dieser kerl so habil, dass, wann er fleissig sein wollte, er alle 8 bis

55

vom Verwalter des Schönbornschen Hofs in Frankfurt eine Gefängnisstrafe angedroht, wenn er die bestellten Gemälde nicht bald liefere.337 Bereits zwei Monate früher, im Februar 1718, hatte sich Lothar Franz über die Saumseligkeit von Roos sehr verärgert gezeigt.338 Den erwähnten Auftrag führte Roos zwar bis zum 15. Mai aus, doch verlor er schließlich die Position des Hofmalers des Fürstbischofs von Bamberg.

Nach 1718 verließ Roos Frankfurt, danach lässt sich sein Lebensweg nicht mehr genau nachvollziehen. Für die folgenden Jahre lassen sich auch keine datierten Gemälde oder Zeichnungen nachweisen. Erst ab 1721 entstanden wieder Gemälde mit Tier- und Jagdmotiven, darunter auch das Kasseler „Tierstück“. 1728 wurde Roos zum „Cabinet-Maler“ des Fürsten Carl August Friedrich von Waldeck ernannt. Für dessen Schloss Arolsen malte er drei 1729 datierte Tierstücke339. Bis zu seinem Tod 1731 scheint er sich im Bereich um Arolsen und Kassel aufgehalten zu haben.

Roos als Tiermaler

Als Maler von Historien (Deckengemälde und Supraporten) und repräsentativen Porträts340 war Roos sowohl für wohlhabende und angesehene Bürger als auch für den Adel tätig. Seinen bedeutendsten Porträtauftrag erhielt er 1714 von dem Fürsten Wilhelm III. von Nassau-Dillenburg, der für sich und seine Gemahlin überlebensgroße Bildnisse bestellte.341

Die größten Erfolge erzielte er auf dem Gebiet der Tiermalerei. In den frühen Jahren setzte er zunächst die Tradition der Werke seines Vaters und Bruders fort, indem er sich hauptsächlich der sog. Hirtenidylle zuwandte, d.h. der Darstellung von Beschaulichkeit und Ruhe um Hirten und Vieh in einer idealen „klassischen“ oder verwegen wilden Landschaft. Gelegentlich staffierte er auch Landschaften anderer Maler mit Vieh, wie beispielsweise die Werke der

10 tag ein gross stück verfertigen könde.“ Zitiert aus: Hantsch 1931, I/1, S.199. Vgl. auch Jedding 1998, S.247. 337 Der Verwalter berichtet seinem Auftraggeber Schönborn über seinen Besuch bei Roos am 4. April 1718: „[..] dass sofern die Verfertigung sich nit finden wirdt, ich den befehl von Ihro hochgräfl. Excellt. H. Reichsvizekanzler in handen hätte, ihn vom Magistrat ins gefängnis bringen zu laßen, welches einen solchen schreckhen bey Ihme verursachet, dass ihme die drähnen ausgedrungenb; darneben verlangte er in des gewissheit zu vernehmen, zu welcher zeith die lieferung seyn sollte, so hat er abermahl versprochen, in drey wochen damit fertig zu seyn; und habe auch gesagt, dass er gute arbeit machen mögte [...].“ Zitiert aus Jedding 1998, S.255. 338 Brief von Lothar Franz an seinen Vetter Friedrich Karl in Wien, vom 5. Februar 1718, indem er sarkastisch registriert, dass sich Roos wieder von Neuem in Dillenburg aufhielt: „Von dem liederlichen Hundt dem Roos kann hingegen nichts positives versprechen, dieser sitzet deromahlen zu Dillenburg und Gott weiss, wann er wieder zurück kommen wirdt.“ Zitiert aus Jedding 1998, S.238. Schönborn-Archiv Schloss Wiesentheid: Quellen Nr. 554, Bestand Friedrich Carl 20. 339 Löwenfamilie; Leopardenfamilie; Pferd mit Füllen. Alle 1729 datiert, je 51,5 x 59 cm, Stiftung des fürstlichen Hauses Waldeck und Pyrmont. 340 Vgl. Jedding 1960, S.308-316. Die meisten Porträts von Roos sind heute leider verschollen. 341 Bildnisse des Fürsten Wilhelm III. von Nassau-Dillenburg mit Erbprinz Wilhelm und seiner Gemahlin Dorothea Johanette mit Tochter Elisabeth Charlotte, 1714, Schloss Weilburg.

56

Schweizer Maler Conrad und Felix Meyer (1653-1713).342 Daneben porträtierte er sensibel Hunde, andere Haustiere und Weidevieh wie Kühe, Ziegen, Rinder, Schafe und Ochsen. Bei all seinen Tierdarstellungen zeichnete ihn stets eine „sichere Beobachtung der Tierpsyche“343 aus, die ihn auch zu dem neuen Bildthema der Wildhatzen befähigte. Mit der Spezialisierung auf die Darstellung jagdbaren Wildes, Tierkämpfen und exotischen Tieren wie zähnefletschenden Bären und Wildschweinen, Leoparden, Löwen und Tigern passte er sich der Jagdleidenschaft des Adels an. Die fürstlichen Auftraggeber - hauptsächlich der Adel in Hessen und des Rhein-Main-Gebietes - schätzten Roos sehr und haben ihn häufig mit Aufträgen für ihre Tiergalerien in Landsitzen und Jagdschlössern beschäftigt.344

Den ersten Ansatz für die Darstellung exotischer Tiere zeigt das Gemälde „Daniel in der Löwengrube“ von 1685 (Abb.19), das noch in den frühen Studienjahren in Den Haag entstanden ist. Die alttestamentarische Interpretation (Daniel 6, Vers 16-24) zeigt den Propheten Daniel345 umgeben von mehreren Löwen. Ob Roos tatsächlich diese Tiere „in natura“ zu sehen bekam und nach dem Leben zeichnen konnte, lässt sich abschließend nicht klären, ist aber sehr wahrscheinlich. Der Handel mit fremdländischen Tieren war in den Niederlanden weit verbreitet. Das Land verfügte genauso wie England (London, Liverpool und Bristol) über Handelsniederlassungen oder Kolonien in Übersee sowie über enge Handelsverbindungen zu afrikanischen, südostasiatischen und indischen Gebieten und damit auch den Zugang zu Tieren der Faunen dieser Länder. Eines der wichtigsten Herkunftsgebiete für fremdländische Tiere war das südafrikanische Kapland, das zur Hauptanfahrtsstation der niederländischen Ostindienkompanie zählte.346 In den großen Hafenstädten der Niederlande (Rotterdam, Amsterdam) fanden kommerzielle Handels- und Wandermenagerien ihr Publikum. Tierschauen/Wandermenageristen kauften Tiere auf und boten sie zum Weiterverkauf an, betätigten sich also als Zwischenhändler (Ostindische Kompanie 1600 bzw. 1602). Die Prinzen von Oranien und Statthalter von Holland hielten auf ihren Landsitzen schon im 17. Jahrhundert lebende Tiere.

Die späteren Wildhatzen hat Roos meist für die Tiergalerien in Jagdhäusern und -schlössern der Schönborn-Familie gemalt. Diese Aktionsbilder stellen wilde Tiere im grausamen Kampfgeschehen dar. Eine von Franz von Schönborn sehr gelobte Bärenjagd347 (Abb.20) zeigt wildes Kampfgetümmel. Ein Braunbär hat sich gegen acht Hunde zur Wehr zu setzen, die ihm bereits

342 Bis 1696 arbeitete er mit Meyer zusammen. Umgekehrt unterhielt Conrad Meyer als Schüler Merians Beziehungen zu Frankfurt und der Winterthurer Maler Felix Meyer verkehrte der Überlieferung nach freundschaftlich mit Vater Johann Heinrich Roos. Vgl. Jedding 1960, S.310 und 312. 343 Jedding 1960, S.308. 344 Da in den meisten hessischen Schlössern noch heute zahlreiche Tierbilder von Roos hängen, kann man auch hier direkte Beziehungen vermuten. 345 Jedding vermutet in der Darstellung des Daniel ein Selbstporträt von J.M. Roos. Vgl. Jedding 1998, S.233. 346 Die niederländische Ostindienkompanie betrieb seit dem 17. Jahrhundert einen regelmäßigen Linienverkehr zwischen dem Kapland und Holland. Vgl. dazu Rieke- Müller/Dittrich 1999, S.43f. 347 Johann Melchior Roos, Bärenhatz, 1714, 200 x 271 cm, Schloss Weißenstein in Pommersfelden, Gräflich Schönbornsche Kunstsammlung.

57

dicht am Pelz hängen. Mit blitzenden Gebissen, gierigen Blicken und ungestümer Angriffslust stürzen sich die Hunde auf das sich zur Wehr setzende Tier. Sie hängen an seinem Pelz, an der Kehle und in der Flanke. Packend hat Roos das Wilde und Ungestüme, die Spannung in jedem Körper bei einem solchen Angriff erfasst. Durch die Stellung der Hunde ist dennoch eine ausponderierte Komposition gesichert und der Kontrast der unterschiedlich gefärbten Hundeleiber zu dem seidig glänzenden Fell des Braunbären von malerischer Ausgewogenheit.

Roos’ malerisches Talent galt als unbestritten und seine Werke wurden außerordentlich geschätzt. Bezüglich der oben genannten Bärenjagd von 1714 im Schloss Pommersfelden (Gräflich Schönbornsche Kunstsammlung) äußert sich Franz Lothar von Schönborn am 5. August 1714 folgendermaßen lobend:

„Occasione der mahlereien so berichte dem vettern, dass der Rose zu Frankfurth haubtschöne undt grose stück fertig hatt, wovon mit nechstem ein mehreres. [...] und sollen überaus schön gemahlt sein, wie er mir dann jetzt eine bernjagt [Bärenjagd] gemahlt hatt, die dem Schneyders nicht weicht.“348

Gemeint ist hier der berühmte Antwerpener Maler Frans Snyders (1579-1657), einer der führenden Tierspezialisten im 17. Jahrhundert. Die Bärenjagd erwähnt Lothar Franz noch einmal in einem Brief vom 19. August 1714, in dem er Roos in die künstlerische Nähe von Peter Paul Rubens stellt: „[...] und noch kürzlich ein behrenhatz gemachet hatt, dessen stück der Rubens offt figuren gemahlet hatt, nicht weichen thuet.“349

Die Hatz auf Hirsch und Reh findet sich auf zwei Gemälden von 1718 und 1719 (Augusburg350 und Darmstadt). Das Damwild ist in der Regel groß in der Bildmitte wiedergegeben, auf der Flucht vor den anstürmenden Hunden. Als wilde Angreifer sind sie mit scharfen Zähnen und gierig geöffnetem Maul gezeigt. Sie erscheinen als fremde Eindringlinge in eine mit Bäumen, Gebüsch und Pflanzen dem Wild verbundenen Natur.

Exotische Raritäten

Neben Wildhatzen schätzten fürstliche Auftraggeber ebenso Gemälde mit seltenen und außergewöhnlichen Tieren. In Schloss Gaibach (Unterfranken) wollte Lothar Franz von Schönborn 1710 ein Zimmer mit Bildern „von verschiedene raren Tieren“ ausstatten: „Indeme ich von verschiedene raren thieren, so sich in dieser nachbarschaft herumb befunden, zu diesem besonderen absehen habe schillern lasen, umb allhier ein zimmer von allerhand tiergemählen ausstaffieren zu können [...].“351 In diesem Zusammenhang bat Lothar Franz von Schönborn den Grafen Johann Ernst von Nassau-Weilburg um Erlaubnis, seinen Hofmaler Roos das Abbild eines Kamels zeichnen zu lassen:

348 Brief des Lothar Franz vom 5. August 1714. Zitiert aus: Hantsch 1931, I/1, S.326. 349 Brief des Lothar Franz vom 19. August 1714. Zitiert aus: Hantsch 1931, I/1, S.327. 350 Johann Melchior Roos, Hirschhatz, 1718, Augsburg, Städtische Kunstsammlungen. Abb. in: Jedding 1998, S.250, Abb.364. 351 Vgl. Brief des Lothar Franz von Schönborn an den Grafen Johann Ernst von Nassau- Weilburg vom 21. Juni 1710. Zitiert aus Hantsch 1931, I/1, S.179f.

58

„[...] mir inzwischen die Nachricht zukommen, als solen sich zu Weilburg ein baar rare Camel befinden, so habe Überbringern dieses, meinen Hofmalern Johann Melchior Roos zu dem Ende dahin schicken und den h. Grafen anbei ersuchen wollen, Derselbe belieben möchte, erwehnten meinen Hofmalern zu erlauben, damit er sotane beede Camel nach dem Leben entwerfen und abschildern dürfe.“352

Darauf bat Graf Johann Ernst an, das Kamel „oder wie es mir genannt worden, dromedarium“353 in das Compostel nach Frankfurt zu übersenden. Das lehnte Lothar Franz jedoch ab und bat erneut um die Erlaubnis, das Tier abmalen lassen zu dürfen.

Zu den „raren Thieren“ zählten im 17. Jahrhundert neben Kamelen und anderen Exoten vor allem Löwen, Leoparden, Braun- und Eisbären. In einem Gemälde aus Frankfurt354 (Abb.21) lagert eine Gruppe von Löwen friedlich vor einer Felsenhöhle. Die drei männlichen Löwen geben stets dasselbe Tier in verschiedenen Stellungen wieder. Vermutlich hat Roos in einer fürstlichen Menagerie dieses Tier gesehen und genau porträtiert. Auf Werken von 1716 und 1718 tauchen wiederholt Bärenfamilien auf. Die Tiere sind ohne Kampfgetümmel als friedliches Rudel in felsiger Gebirgslandschaft dargestellt. In freier Wildbahn ruhen sie in Felsentälern oder klettern zwischen Baumstämmen umher.355 Manche Gemälde sind als Bildpaare angelegt, die eine Tiergruppe vor jeweils ähnlichem Landschaftspanorama zeigen. Dazu zählen die Pendants „Bären in gebirgiger Landschaft“ (1718, München Kunsthandel) mit dem Gegenstück „Eisbären in gebirgiger Landschaft“ (1718, München Kunsthandel, Abb.22).356 Ein Gemälde im Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum von 1722 zeigt einen Kampf zwischen Löwe und Tiger.357

In die Reihe von „raren Thieren“ gehören auch die ungewöhnlichen Mutationen der Natur, wie weiße Hirsche und Rehe. Diese Tierdarstellungen sind Ausdruck des zeitgenössischen Interesses an zoologischen Kuriositäten. Im Gartensaal von Schloss Gaibach befand sich laut Gemäldeinventar von 1721 ein „orpheus [...] spielend über allerhand raren Tieren, so sämtlich nach dem Leben gemalet worden, wobei ein weissgetigerter Hirsch befindlich, welchen Se. Churfürstl. Gnaden selbsten zu Bamberg in Anno 1710 gefället haben. Von melchior Roos.“358 Um 1729 malte Roos einen weißen Damhirsch mit Hindin359. Ein Gemälde aus dem Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum von 1730360

352 Zitiert aus ebd. S.180. 353 Ebd. S.180. 354 Löwen vor ihrer Höhle, 1716, Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut. 355 Vgl. Bären im Gebirge, 1716, Koblenz, Mittelrhein-Museum. Abb. in Jedding 1998, S.250. 356 Das Zuordnen von Gegenstücken, auch zum Zwecke dekorativer, symmetrischer Hängung in Repräsentationssälen oder Wohnräumen geht auf die italianisierenden Holländer der ersten Jahrhunderthälfte zurück, bei denen es weit verbreitet war. 357 Kampf zwischen Löwe und Tiger, Lwd, 42 x 45 cm, 1722, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Inv.Nr. 1065. Gegenstück zu Inv.Nr. 1066: Kampf zwischen Bär und Hunden. Abb. in Jedding 1998, S.252. 358 Fischer 1927, S.71. Darauf verweist auch Jedding 1998, S.253. 359 Johann Melchior Roos, Weißer Damhirsch mit Hindin, um 1729, Öl auf Leinwand, 46 x 38 cm, Schwerin, Inv.Nr. G 2472. Das Gemälde befand sich schon 1752 im Besitz Herzog Christian Ludwigs II. von Mecklenburg-Schwerin. 360 J. M. Roos, Landschaft mit zwei weißen Rehen, 1730, Lwd., 34 x 38 cm, 1730, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig. In einer französischen (nur teilweise erhaltenen) Beischrift wird

59

zeigt zwei weiße Rehe, eingebettet in eine märchenhafte grüne Waldkulisse, in einer unberührten Natur (Abb.23).

Hauptsächlich seit 1721 entstanden aus der Hand von Roos Gemälde mit Einzelporträts von Tieren. Die Bildmotive stehen in der Tradition des Kunstkammerstücks. Charakteristisch ist ein kleines Bildformat und die Nahsicht auf die Tiere, deren Umgebung vernachlässigt wird. Zu diesem Bildtyp zählt beispielsweise der „weiße Bär“361 von 1729 in Schwerin, der eine ausschnitthafte Konzentration auf das Tier mit seiner seltenen Farbe zeigt. Ähnlich in Szene gesetzt in Form von Tierporträts sind auch die Einzeldarstellungen je eines auf Kupfer gemalten Löwen362 und Leoparden363 in Braunschweig (Herzog Anton Ulrich-Museum). Im Auftrag des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel hielt Roos ebenfalls ausgefallene Tiere in ihrem Porträtcharakter fest. So sind im Kunsthaus-Inv. von 1744 die beiden Pendants „Zwei Waldschnepfen in der Landschaft“364 und „Zwei Varietäten von Feldhühnern“365 aufgeführt (Abb.24 und 25). Für dasselbe Kabinett im Kunsthaus malte Roos ein Jahr später einen weißen Fasan366, für den er vom Landgrafen 12 Reichstaler bekommen haben soll. 367

Insgesamt steht Johann Melchior Roos mit seinen besten Werken, der Schilderung von Tierhatzen, Hunden und exotischen Tieren, in der Nachfolge des in Italien wirkenden Karl Borromäus Andreas Ruthart (geb. 1630, zuletzt erwähnt 1703). In Deutschland leitet er über zum Werk des Johann Elias Ridinger (1695/98-1767).368

3.2 „Die Menagerie des Landgrafen Carl“ von Johann Melchior Roos

Das Kasseler Menageriegemälde (Abb.26) ist mit seinem heutigen Format von ca. 340 x 665 cm das größte bekannte Tierstück seiner Zeit, das auf Leinwand gemalt wurde. Insgesamt sind 62 Wild- und Haustierarten aus allen Regionen der Erde von Europa bis Australien abgebildet. Den größten Teil nehmen die 28 Vogelarten369 ein, gefolgt von dreizehn Raubtierarten, zehn Huftierarten, acht Affenarten und drei Nagetierarten. auf die Unschuld der Tiere und ihr im ganzen glückliches Dasein (heureux en tout) verwiesen. Das Gemälde wurde 1737 für die Galerie in Salzdahlum erworben. In ähnlichem Umfeld hatte Roos bereits 1724 ein weißes Reh gemalt, das von vier Hunden ‚bewacht’ wird. 361 Johann Melchior Roos, Weißer Bär, 1729, Öl auf Leinwand, 36 x 42,5 cm, Staatliches Museum Schwerin, Inv.Nr. G 2471. 362 Roos, Ein Löwe, Kupfer, 19,5 x 25 cm, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Inv.Nr. 1129 (Gegenstück zu Inv.Nr. 1130). Sehr schlechter Erhaltungszustand. 363 Roos, Ein Leopard, Kupfer, 19,5 x 25 cm, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Inv.Nr.1130 (Gegenstück zu Inv.Nr. 1129). 364 Laut Kunstkammer-Inv. 1744 handelt es sich bei Nr.359 um „Ein Stück worauf 2 Schnepfen“. Datiert 1726, Öl auf Lwd., 69 x 78 cm (mit Rahmen), Naturkundemuseum Kassel. 365 Kunstkammer-Inv. 1744, Nr. 361: „Zwey bunde Feldhühner“. Datiert 1726, Öl auf Lwd, 73 x 79 cm (mit Rahmen), Naturkundemuseum Kassel. Gemeint sind Rebhühner, die ungewöhnliche Farbspielarten abbilden. 366 Kunstkammer-Inv. 1744, Nr.360: „Ein weißer Fasan“. Das Gemälde ist heute verschollen. 367 So Philippi 1976, S.604. 368 Zur künstlerischen Wertschätzung von Johann Melchior Roos vgl. Ausst.-Kat. Schwerin 1997; Vgl. auch Jedding 1998, S.188f. 369 Bei den Vogelarten handelt es sich um Laufvögel, Papageien, Stelzvögel, Gänse, Greifvögel, Hühnervögel, Kraniche und Tauben.

60

Das friedliche Tierpanorama ist fast ausschließlich auf einer Vordergrundbühne platziert. Dort sind die unterschiedlichsten Tiere dicht nebeneinander im Stehen, Liegen, Sitzen oder Fliegen arrangiert. In der vorderen Raumzone am unteren Bildrand sind zwischen Steinen, einer Grasfläche und spärlichem Pflanzenbewuchs einige kleinere Land- und Wassertiere abgebildet. Neben dem Haubenentenpaar links erscheinen Nasenbären, Mopshündin, Biber, ein Stachelschweinpaar, Streifenhörnchen, Ginsterkatze, Gazelle, Moschusenten, Steinhühner, Meerkatze, Jagdfasan, Haushund, Großtrappe und ein Helmperlhuhn. Den Mittelgrund bevölkern vor zwei abgestorbenen, mit Moos bewachsenen Eichen und einer Palme rechts außen zahlreiche größere Raubtiere und Vögel. Fast exakt in der Bildmitte posiert ein liegender Löwe. Neben ihm erscheinen in Form von Tierpaaren Leoparden, Helmkasuare, Strauße und Graukraniche. Zwischen ihnen tummeln sich weitere Tiere, zu denen mehrere Affenarten, Axishirsch, Zibetkatze, Trampeltier, Waschbär, Vielfraß, Vierhornschaf, Weißer Rehbock, Schwarzstorch, Eisbär und Braunbär gehören. In der oberen Zone bevölkern die größeren Vögel die kargen Äste der beiden Eichen. Ein Steinadler mit ausgebreiteten Flügeln, ein Gänsegeier, ein Singschwan, ein Königsgeier und zwei Hokkos heben sich vor einem lichtdurchfluteten Landschaftshintergrund ab. Auf der Palme rechts sitzen Weißhaubenkakadu, Grünflügelara und Gelbbrustara neben mehreren Sitticharten. In der Ferne sind weitere Tiere vor einer Waldlichtung zu erkennen. Im Hintergrund rechts wird die Landschaft durch ein Bergmassiv abgeschlossen.

Bildstruktur

Angesichts der dichten Ansammlung von Tieren schweift der Blick des Betrachters umher. Es stellt sich zuerst die Empfindung des Staunens und der Verwunderung ein ob der Fülle der bekannten und unbekannten Tiere. Die Mannigfaltigkeit der Tiere weckt die Neugierde, die curiositas, zur näheren Betrachtung im Einzelnen. Auf Entdeckungssuche hakt sich das Auge immer wieder fest an einzelnen Tierarten, um sich dann wieder loszureißen und auf der Suche nach neuen Blickfängen über das Ganze der Komposition zu schweifen. Im unüberschaubaren Mikrokosmos der über die Fläche verteilten Tiere verliert der Betrachter zunächst den Überblick darüber, welche unterschiedlichen Tierarten hier überhaupt dargestellt sind. Rastlos und neugierig schweift das Auge des Betrachters immer wieder auf der Suche nach einem Blickfang von einer Tierart zur nächsten. Die wimmelbildartige Überfülle stimuliert die Lust zu entdecken. Dabei sind alle Tiere zu gleichartigen Attraktionen einer unersättlichen, sensationslüsternen Neugier nivelliert. Gewissermaßen muss das Auge von isoliertem Blickfänger zu Blickfänger springen, um darüber den Zusammenhang des Ganzen aus den Augen zu verlieren. Der Betrachter kann die Informationsfülle aber dadurch ordnen und zusammenbinden, indem er zugehörige Tiergattungen ausmacht und ihren Wert einschätzt. Die Bildstruktur ist so angelegt, dass zwei konkurrierende Lesarten ineinander greifen: Jedes Tier soll gleichwertig und für sich selbst wahrgenommen werden, muss aber auch in seiner Zugehörigkeit zu einer Gruppe kenntlich werden. Eine Sicht richtet sich auf die verschiedenen Tiere in ihrer Kleinteiligkeit (mit ihren paradigmatischen Details) und eine weitere auf die syntagmatische

61

Gesamtkomposition. In dieser Doppelperspektive werden Verschiedenartigkeit (varietas) und Fülle (copia) wahrgenommen. Der Maler Roos wendet ein Bildprinzip an, in dem der Betrachter in das Geflecht von Ordnung und Unordnung mit einbezogen wird. Er muss sich den Weg durch die Vielzahl der Tierarten bahnen und selber eine Ordnungsleistung vollbringen. Indem er die unterschiedlichen Arten erkennt und identifiziert, wird er als Betrachter bewusst aktiviert. Roos macht sogar Abstriche von der Raumlogik seines Tierreiches, um dem neugierigen Auge totale Sichtbarkeit zu ermöglichen. Die exotische Palme rechts scheint nicht zu den ansonsten kargen Eichen der Landschaft zu passen – Versatzstücke der Tropen und heimische Fauna treffen hier aufeinander. Der Maler vermeidet größere Überschneidungen und überführt die Tiere in die Fläche einer Bestimmungstafel. So entsteht eine bifokale Rezeptionsstruktur: Jedes einzelne Tier wird zum Individuum innerhalb eines Tiergruppenporträts.

Allerdings trägt das große Format dazu bei, den Zusammenhang der Sammlungsstücke untereinander in eine bloße Aufzählung zerfallen zu lassen. Ein collageartiger Charakter ist greifbar, der durch die teilweise nicht ganz stimmigen Größenverhältnisse der Tiere zueinander verstärkt wird. So scheinen die jungen Leopardenkinder im Verhältnis zur Mutter etwas zu klein geraten. Ein ähnliches Missverhältnis trifft auf die Gazelle im Vordergrund zu, die angesichts der Stachelschweine hinter ihr ebenfalls zu klein erscheint. Es entsteht der Eindruck, der Maler habe verschiedene Zeichnungen und Studien nach lebenden und präparierten Tieren zu einem Bildganzen zusammengefügt. Ein eigenhändiges Gemälde von Roos, das eine Mopshündin im Einzelporträt370 zeigt, könnte der Künstler spiegelbildlich verwendet haben (Abb.27). Der Steinadler mit seinen ausgebreiteten Schwingen könnte nach dem Vorbild eines Präparats/Balgs aus der Kunstkammer gemalt sein.371 Schließlich entspricht die in Rückenansicht abgebildete Löwin einem beliebten Darstellungsmodus, der bereits auf Gemälden von Jan Brueghel d. Ä. auftaucht und in dem Gemälde von Peter Paul Rubens „Daniel in der Löwengrube“372 (Abb.28) zum ersten Mal nachweisbar ist.

Natur als Ware - die ökonomische Dimension

Das vorliegende Gemälde lässt sich als Sammelbild mit Tieren definieren, die in den Augen der Zeitgenossen als Kuriositäten oder als typische Objekte der Neugierde (curiositas) angesehen wurden. Diese bezeichnet Ganz als „rastlose Leidenschaft, welche stets das anstrebte, was außer Reichweite lag und nicht auf Befriedigung, sondern auf Perpetuierung des Begehrens abzielte“.373 Ihre Definition richtet sich an dieser Stelle nach Daston, die die frühneuzeitliche Neugierde als eine Art (Hab-)Gier bezeichnet: „die Neugierde erlischt nie, sie kommt nicht zur Ruhe. […] Anders als Lust, die nach Befriedigung strebt, zielt diese Gier auf die Aufrechterhaltung des Verlangens und schnellt von Objekt zu Objekt.”374

370 Roos, Mopshündin, Depot der mhk, undatiert. Genauso gut könnte das Einzelporträt aber auch als autonomes Werk nach dem Vorbild des Menageriegemäldes entstanden sein. 371 Darauf verweist seine steife Haltung. Allerdings gibt es keinen Nachweis darüber. 372 Washington, National Gallery of Art, 1613. 373 Zitiert aus Ganz 2006, S.165. 374 Zitiert aus: Daston 2002, S.168. Mehrere Autoren haben neben dem Merkmal der Unerschöpflichkeit die Nutzlosigkeit als charakteristisch für die frühneuzeitliche Neugierde

62

Die dargestellten Tiere ähneln Luxusobjekten, die als wertvoll im ökonomischen Sinne galten – „rar“, „ungewöhnlich“ und „extravagant“ waren Adjektive, die regelmäßig mit „neugierig“ zusammen auftraten. Einige dieser wertvollen und seltenen Tiere wurden auf dem Markt für enorme Summen gehandelt. Sie waren ein Vermögen wert und sollten den Wunsch nach Berührung und Besitz erwecken. Im 18. Jahrhundert erzielte ein Leopard auf dem Markt einen Spitzenpreis von 2000 Talern375 – das war mehr als das Jahresgehalt eines Hofarchitekten. Ein afrikanischer Strauß war für 2500 holländische Goldgulden zu haben, für einen Kronenkranich zahlte man 1000, für einen amerikanischen Königsgeier 1500 holländische Goldgulden. Der Preis eines Kakadus aus Indonesien belief sich auf 300 Goldgulden376 und der eines afrikanischen Perlhuhns auf 30 Goldgulden.377 Beim Kauf oder Erwerb konnte sich der Besitzer nie sicher sein, wie lange das Tier leben würde. Schwierigkeiten traten in der Regel in Bezug auf Transport, Klimatisierung und Fütterung auf. Gerade das Fehlen der Spezialnahrung brachte vielen Tieren den baldigen Tod. Trotzdem und gerade deshalb wurden astronomisch hohe Summen für seltene Tiere ausgegeben. Zudem verlangte die Unterhaltung einer umfangreichen Tiersammlung enorme Finanzmittel, denn zu den Anschaffungskosten fielen noch hohe Betriebskosten an. Das „Lotteriespiel“ illustriert den Zusammenhang zwischen der Neugierde und einer Art von Konsumverhalten, welches im boomenden Handel mit Luxusgütern eine eigene Dynamik entfaltete. Wegen des hohen Wertes eigneten sich lebende Tiere auch als Geschenke von Fürst zu Fürst. Die Höfe bezogen Tiere und dann auch Bilder von Tieren in ihre zwischenhöfische Kommunikation und den Geschenkverkehr mit ein.

Insgesamt liegt dem Gemälde der Anspruch zugrunde, eine Totalität darzustellen, in der hauptsächlich außereuropäische Tierarten mit hohem Warenwert ihren Platz haben. Der Porträtcharakter unterstreicht ihre Bedeutung und Stellung als lebende Raritäten und Luxusobjekte. Mit der Darstellung der in Australien beheimateten fremdländischen Tierarten wie Helmkasuar und Kakadu zielt das Gemälde auf die Bedürfnisse und den Entdeckerhunger des neugierigen, kennerschaftlichen Sammlerblicks. Insofern ist die gemalte Tiersammlung in ihrer enzyklopädischen Fülle Ausdruck des frühneuzeitlichen Konsumstrebens, wie es sich im Zuge der Globalisierung des Handelsnetzes ausgebreitet hatte. Der Handel mit Luxusgütern war im 17. und 18. Jahrhundert auf eine „open-end-Qualität“ hin ausgerichtet, zudem gediehen sowohl die Neugierde als auch der Markt der Luxusgüter anhand der exotischen Neuheiten, welche aus weiter Ferne Eingang in die europäische Kultur fanden: „Sowohl die Wißbegier als auch der Markt für Luxusgüter waren

herausgestellt. Das verweist auf Marin Mersenne, der im frühen 17. Jahrhundert Kuriositäten als Luxusgüter bezeichnet, die nicht für das alltägliche Leben notwendig seien. Alles Nützliche wurde entsprechend von der frühneuzeitlichen Neugierde vornehm verachtet. Vgl. Mersenne 1985 (1634), (Qu. 1), S.212; Qu. 46, S.399. 375 Coban-Hensel 2008, S.44. Ähnliche Preise nennt Wittwer 2004, S.64. 376 Lehmann 2009, S.71. 377 SächsHStA, loc.380, fol.236 f.: Papiers concernant les emplettes des porcelaines en Hollande [...] 1716-1718. – Die Liste mit den Tierpreisen auf fol.240 r. – Die Liste hat die Niederländische Ostindische Compagnie im Februar 1717 in Amsterdam für den König von Polen und Kurfürsten von Sachsen mit dem dort zur Zeit angebotenen Verkaufsbestand an „Oiseaux rares“ erstellt. Ein Teil der Liste ist abgedruckt in: Rückert 1989/90, S.51.

63

ihrer Natur nach unersättlich, und diese strukturelle Affinität war für die frühmodernen Gegenstände der Wißbegier entscheidend.“378 Das Gemälde ist bildgewordener Ausdruck dieser merkantilen Neugier und illustriert einen Zusammenhang zwischen Konsum, Kunst und Kennerschaft und den Wunsch nach Aneignung.

Grenzüberschreitung

Das Gemälde ist auf ein neugieriges Sehen abgestimmt, welches die wertvollen Tierarten erkennt und den Raritäten zuordnet. Die Kostbarkeit eines Tieres stellte ein Kriterium für seine Sammelwürdigkeit in einer Kunst- und Wunderkammer dar, denn die Neugierde richtete sich mit Vorliebe auf solche Dinge. Die gemalten Tiere werden zu isolierten Blickfängern der Augenlust. Oft gelangten verstorbene Tiere aus der Menagerie als anatomische Objekte in eine Kunst- und Wunderkammer, so auch in Kassel. Die Rezeptionsstruktur des Gemäldes ist abgestimmt auf diese zeittypische Vorliebe der curiositas für das Miniaturhafte und Verborgene und verortet das Gemälde in der höfischen Vorstellungswelt der Kunst- und Wunderkammer.

Eine wichtige Rolle für die Rezeptionsstruktur des Gemäldes spielt die Grenzüberschreitung als ästhetisches Strukturmerkmal der frühneuzeitlichen Neugierde. Der Betrachter wird angeregt, ein Bilderrätsel zu entschlüsseln. Wenn er mit Neugierde das Gemälde durchforstet, entdeckt er eine Überfülle an kuriosen und wertvollen Waren ausgebreitet, die dasselbe Staunen inszenieren, welches zur Ästhetik der Präsentation in den Wunderkammern gehörte. A) Das Straußenei als Zeichenträger

Das Straußenei, das links bei den beiden Straußentieren abgebildet ist, fungiert als Zeichenträger, der auf die Überwindung der Grenze zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren abzielt. Als exotisches Naturprodukt zählte ein Straußenei zum naturalia-Bestand einer jeden Sammlung der Zeit. Gerne ließ man ihm aber auch eine geschnitzte Verzierung oder eine Fassung aus Edelmetall zuteil werden. Als Straußeneipokal konnte es die beiden typischen Hauptbereiche der naturalia als den von der Natur hervorgebrachten Wunderwerken und der artificialia als den von Menschen geformten Schöpfungen in sich vereinen und so zum repräsentativen Kunstkammerstück werden.379 In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erreichte die Kunst, Straußeneier mit Reliefschnitzereien zu versehen oder ihnen eine kunstvolle Fassung aus Edelmetall zu geben, einen letzten Höhepunkt. Ein Meister dieser Flachreliefschnitzerei war Jacob Dobbermann, der seit 1716 am Kasseler Hof von Landgraf Karl tätig war und mehrere Werke für dessen Sammlung lieferte (Abb.29).380 Gerade hier waren die Pokale als Kunstkammerobjekte beliebt, die die Einteilungen in artificialia und naturalia verunklärten.

378 Daston 1994, S.43. 379 Die Steigerung zur Verwendung einer natürlichen Kunstform war ihre Transformierung durch die menschliche Hand. Die ästhetische Faszination entzündete sich also nicht am Straußenei allein, sondern erst dadurch, dass es als Rohstoff für die menschliche Kunstfertigkeit, die „Kunst und Natur miteinander spielen“ ließ, entdeckt wurde. Als typische Kunstkammerstücke ließen Straußeneier die Grenze zwischen Naturwundern und Wundern menschlicher Kunst unscharf werden. 380 Vgl. Mette 1995, S.44.

64

Der zeitgenössische Diskurs um das Verhältnis von Natur und Kunst und ihren kuriosen, grenzüberschreitenden Übergängen spiegelt sich in der Struktur des Gemäldes.

B) Der Löwe als Sinnbild

Ein besonderes Augenmerk gilt dem Löwen, für den der Betrachter selber einen ikonographischen Bezug zum Auftraggeber, Landgraf Karl, herstellen konnte. Majestätisch ist er im Zentrum des Gemäldes platziert, scheint als „König der Tiere“ das bedeutendste Tier in der Sammlung zu sein. Seine Größe hebt ihn aus dem Kreis der anderen Tiere hervor, denen er überlegen scheint. Diese typische Form der Darstellung von Löwen steht in einer langen Bildtradition. Nicolas Reusner veröffentlichte dieselbe Haltung 1581 als Emblem für Bildung und Tugend eines Herrn (Abb.30):

„Wie süß ist die Milde, verbunden mit Einsicht Je gebildeter einer ist, umso menschlicher ist er, und je ungebildeter, um so eigensinniger. Durch die freien Künste wird das Gemüt sanft, die Wildheit der ungebändigten Sitten flieht. Ja, ohne Bildung ist nichts lobenswert, und kein Mann war ohne sie groß. Es heißt, daß der größte Held, Achill, einst aus Mangel an Muttermilch aufgewachsen sei mit Löwenmark als Nahrung. Sein Name macht die Sache glaubhaft. Ist wohl irgendein wildes Tier großmütiger als der Löwe, ist irgendeine Speise süßer als das Mark seiner Knochen? So dürfte wohl niemand zur Hoffnung hoher Tugend aufwachsen ohne eine solche Heldennahrung. Dich, [Streinius], machen die Wissenschaft und die Bildung und die ihr gleiche Humanitas groß. O süße Verbindung einer solchen Tapferkeit und Wissenschaft, o gute Vereinigung!“381

Diesen Topos des edlen Tieres hatte Conrad Gesner 20 Jahre zuvor ebenso in seinem Thierbuch publiziert: „Ein frey, edel, hochgeboren, dapffer, starck, mannhaft thier ist der Loeuw, begirig des sigs, darnebend milt, fromm und grecht, eins treuwen gemuets gegen denen mit welchen er wonet.“382

Der Löwe als Herrschersymbol ist seit der Antike geläufig. Aufgrund seiner emblematischen und heraldischen Bedeutung war der Besitz eines Löwen steter Wunsch für die in der Regel herrschaftlichen Menagerien. Die Verbindung von Tapferkeit und Bildung ist für Landgraf Karl jedoch programmatisch und bezeichnet die Pole Kriegskunst/Friedensfürst und Wissenschaft/Kunst, zwischen denen sich sein Leben abspielte. Diese Botschaft vermittelt auch das Herkules-Image, das sich Landgraf Karl aufbaute. Es fand seinen Höhepunkt in dem 1717 geweihten Herkules-Denkmal am Osthang des Habichtswaldes. Die Figur des Halbgottes diente der Verkörperung von Macht und Tugend des Fürsten und symbolisierte den Aufstieg durch Bildung und Kultur. Setzt man Landgraf Karl in Bezug zur Statue des ruhenden Herkules – mit dem Attribut des Löwenfells über der Keule – ergibt sich hier die doppelte Bedeutung des tugendhaften Helden als Friedensbringer nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges383 (1701-

381 Nicolaus Reusner: Emblemata, Frankfurt 1581, Embl. II, Nr.1, zit. nach: Henkel/Schöne 1996, S.371. 382 Gesner 1563, S.103. 383 Nach mehr als einem Jahrzehnt wurde 1714 der Spanische Erbfolgekrieg zwischen Frankreich und dem Reich beendet. Kassel, das auf der Seite des Kaisers sowie der verbündeten Seemächte gestanden hatte, kam nach Jahren kriegerischer

65

1714). In dem Streben, den eigenen „Ruhm“ wie den des Hauses zu vermehren, hat Landgraf Karl den Löwenbezwinger Herkules zum Vorbild erhoben und zum Teil der fürstlichen Selbstdarstellung gemacht.

In dem „Tierstück“ thront der Löwe als Wächter über die Menagerietiere, in Analogie zum barocken Herrscher, der als tapferer Kriegsfürst über den Frieden seines Territoriums wacht - genauso blickt der olympische Herkules Landgraf Karl in dem Denkmal auf dem Karlsberg milde und ruhend über seine Residenz und deren Umgebung.

Das „Tierstück“ als kurioses Objekt

Insgesamt erfüllt die Struktur des Bildes die ästhetischen Erwartungen, die der frühneuzeitlichen Neugierde (curiositas) entsprechen. Abwechslungsreiche Bildstrukturen, in denen das Auge neugierig umherschweift, lassen sich als „kurios“ und der Erforschung wert bezeichnen. „Dementsprechend handelt es sich denn auch bei dem Begriffe „Kuriositäten“ nicht um Dinge einer blöden Neugier, sondern um Gegenstände, die dem Zeitalter des unablässigen Fragens neue Probleme stellten.“384 Das neugierige Sehen galt im 17. und 18. Jahrhundert als Gegenstand der Bewunderung.385 Gerade die Eigenschaft der seltsamen, zur Entdeckung einladenden, die Aufmerksamkeit eines Betrachters erregenden Erscheinung ist ein wesentliches Element der Kunstkammern und der frühneuzeitlichen Naturalienkabinette. Der gelehrte Historienschreiber Eberhard Werner Happel (1647-1690) stellte 1687 angesichts der damaligen Kunstkammern fest: „In dieser Betrachtung kann uns eine angenehme ‚Confusion’ und Unordnung ohne Zweifel annehmlicher fallen / alß eine nette Ordnung / welche leicht zu erfinden / aber übel zu halten sein möchte.“386

Auch außergewöhnliche handwerkliche Leistungen wurden als „kurios“ oder „merkwürdig“ empfunden. Beide Bezeichnungen wurden im 18. Jahrhundert analog verwendet und werteten einen Gegenstand im heutigen Sinne als „bemerkenswert“ oder „Sehenswürdigkeit“.387 Bei der Betrachtung des Menageriegemäldes im Jahre 1781 im Museum Fridericianum stellt Freiherr Friedrich Justus von Guenderode fest“: [...] Merkwürdig ist ein sehr grosses und schönes Gemälde, welches beynahe eine ganze Wand einnimmt, von Rose, worauf alle Thiere, so bey Absterben des Landgrafen Carl in dem Thiergarten befindlich gewesen, abgebildet zu sehen sind.“388 Der Ausdruck „merkwürdig“

Auseinandersetzungen, hohen Verlusten an hessischen Truppen auf den ausländischen Kriegsschauplätzen und finanziellen Nöten zur Ruhe. 384 Zitiert aus Bujok 2004, S.57. 385 Kunstwerke, in denen eine Handlung wegen vieler deskriptiver Details verunklärt war, galten schon im Mittelalter als kurios. Diese Bewertung bezog sich allerdings in der Regel - aber nicht ausschließlich - auf sakrale Bildgegenstände. Als gefährlich galt an solchen kuriosen Bildstrukturen, dass das Auge hier von der eigentlichen bildlichen Botschaft abgelenkt werde und neugierig herumschweife. Der bilderfeindliche Bernhard von Clairvaux verurteilte derartige Gemälde, brächten sie doch das Auge in haltloses Schweifen. Zur Bewertungsgeschichte kurioser Bilder vgl. Wood 1995, S.332-352. 386 Happel 1687, S.118. 387 Wegner 1991, S.14. 388 Beschreibung des Museum Fridericianum von Guenderode 1781, S.111.

66

bezieht sich hier sowohl auf das ungewöhnlich groß angelegte Format389 bei gleichzeitiger feiner Ausführung sowie die ungeheure Fülle der dargestellten Tierarten. Gerade hierin spiegelt sich die Wurzel des Sinns von Kuriosität (aus dem lateinischen cura) als „sorgfältige“ oder sogar übertriebene Mühe oder Kunstfertigkeit. Zu einem ähnlichen Urteil gelangt Hüsgen 1780: „Kenner-Augen können sich wegen des Fleißes, der guten Ordonanz und Mannigfaltigkeit des vielen schönen Viehes, daran nicht sättigen.“390 Beide Aussagen verweisen auf das große handwerkliche Können des Malers, wodurch das Gemälde als ein höfisches und einer Kunstkammer würdiges Kuriosum ausgewiesen wird.

Mit seiner „kuriosen“ Bildstruktur reiht sich das Gemälde in die Gruppe der Sammelbilder ein, die ein überwältigendes kulturelles Interesse an enzyklopädischen Darstellungen der Naturwelt zeigen. Dieser Bildtypus kam bereits im 17. Jahrhundert in den Niederlanden auf und zeigte sich in vielerlei Gattungen. Als „gemalte Sammlungen“ wurden Sammelbilder in begehbaren Sammlungen einer Kunst- und Wunderkammer präsentiert, so auch das Kasseler Gemälde.

3.3 Die Unterbringung des Kasseler „Tierstücks“ im Kontext der fürstlichen Sammlung

Nach Auftragsvergabe im Jahr 1722 arbeitete Roos fünf Jahre an dem „Tierstück“. 1727 beschwerte sich der Rat Friedrich Christian Schmincke beim Landgrafen darüber, dass Roos an dem Gemälde in den letzten Jahren keinen Strich getan habe. Trotz mehrmaliger mündlicher Ermahnung war das Gemälde am 30.09.1727 nur zur Hälfte vollendet. Auf Veranlassung Schminckes wurde es in das Stadtschloss gebracht, wo es der Künstler unter Aufsicht am Hof vollenden sollte.391 Spätestens zwei Jahre später, 1729, scheint es tatsächlich fertiggestellt gewesen zu sein, da es von zwei dänischen Offizieren - Holger Rosenkranz und Lauritz Thura – dort beschrieben wird:

389 Heute weist das Gemälde die Ausmaße von 340 x 665 cm auf. Nach 1830 wurde es verkleinert. Im Original betrugen die Maße noch 408 x 722 cm (13 x 23 Fuß). Vgl. Schnackenburg 1996, Textband, S.255. 390 Hüsgen 1780, S.109. 391 „Underthänigste Anzeige. Ew. Hochf. Durchl. Haben vor fünf Jahren den Mahler Roos gndst. Anbefehlen lassen, ein groß Stück zu verfertigen, worauff alles frembde Theire zu sehen, so jemahlen in der Menagerie allhie gewesen. Wan nun ein solches über die Hälfte fertig und gedachter mahler in 3 Jahren keinen Strich daran gethan, hierbey aber zu befürchten ist, daß obgedachtes Stück nicht mehr zur perfektion gelange, in dem der Mahler ein alter Man und bald hier und bald da ist: Als hab solches Ew. Hochfürstl. Durchl. Noch mahlen anzuzeigen mich verpflichtet befunden, damit mir, dem die Schildereien im Kunsthaus zur Obsicht anvertraut worden, hinkünftig keine Verantwortung entstehen möge. Übrigens stelle Ew. Hochf. Durchl. Gnädigster Disposition anheimb wie dieser Mahler anzuhalten, sein Stück accordirten maßen zu verfertigen, meine mündlichen erinnerungen bisher fruchtlos geweßen. Auf diese, unterthänigste Anzeige resolviert Serenissimi Hochfürstl. Durchl., daß hier bemahlte Mahlerey heut nachmittag nach Hoff gebracht werden solle. [...]“. Archivnotiz vom 30.09.1727, MHK.

67

„Im Schloss wurde uns unter anderem ein großes Gemälde gezeigt, von einem berühmten Meister gemalt, worauf alle Tiere und Kreaturen, die man eine Zeitlang in der fürstlichen Menagerie gehabt hatte, abgebildet waren, ein Stück, das in gewisser Beziehung und was die leibhaftige Abbildung der Kreaturen anbetrifft, vorzüglich ausgeführt war.“392

Als Kunstkammerstück fand das „Tierstück“ bereits kurz darauf Eingang in das einige Jahre zuvor von Landgraf Karl eröffnete „Kunsthaus“. Dieses beherbergte seit 1696 die damals schon berühmten Sammlungen des Landgrafen und war im Ottoneum393 eröffnet worden (Abb.31). Das Kunsthaus zog über den Kreis der adligen Elite und Gelehrten hinaus ein ausgesprochen breites Publikum an.394

Das „Tierstück“ im Kasseler Kunsthaus

Im Jahr 1744 taucht das Gemälde in dem Inventar des Kunsthauses (Ottoneum) unter Nr. 324 mit der Bezeichnung „Das grose Thier-stück vom Mahler Roose“395 auf. Als Standort wird der große Saal, Kammer No. IV., angegeben.

Die nächste Erwähnung stammt aus dem Jahr 1757 von Carl Bentzmann. Er war Schöffe der Rechte der Stadt Danzig und durchwanderte zwischen 1755 und 1757 Deutschland, die Niederlande und Frankreich. Über Straßburg, Mainz und Frankfurt kam er dann nach Kassel. Seiner Beschreibung nach war das Tierstück in der sogenannten „Tierkammer“ im ersten Obergeschoss präsentiert:

„Von hier gehet man in die Thier Kammer, wo man alle Gattungen von ausgestopften Thiern siehet, die vormals im hiesigen Thiergarten gewesen. Die Insecten sind die vortrefflichsten, die ich in dieser Cammer gesehen, sie sind durch einen Balsam schon seit 40 Jahren conservirt worden, und man hat sich viele Mühe gegeben, diesen Balsam wieder zu erfinden, aber hat es nicht dahin bringen könne. Man findet auch ein Gemälde, auf welchem alle Thiere abgemahlet sind, welches von Rose gemahlet worden, deren 3 Brüder gewesen sind, von denen aber der älteste der beste gewesen.“396

Nähere Angaben zu den ausgestopften Tieren macht der Kasseler Hofbibliothekar Friedrich Christoph Schmincke (1724 – 1795) 1767:

392 Weilbach 1922, S.157f. 393 Dieses war von Landgraf Moritz dem Gelehrten 1603-1606 nach Plänen des holländischen Baumeisters Wilhelm Vernukken als erstes feststehendes Theater in Deutschland für eine englische Schauspielertruppe erbaut worden. Landgraf Moritz benannte es nach seinem früh verstorbenen Lieblingssohn Otto. Als Theater diente es kaum elf Jahre und wurde später als Gießhaus und Garnisonskirche benutzt. Landgraf Karl ließ es von Paul du Ry zum Kunsthaus umbauen, nachdem die Räume im Marstall für seine Sammlungen zu klein geworden waren. 394 Zu den Besuchern zählten Adlige wie Bürgerliche, Männer, Frauen und Kinder, Studenten und Militärpersonen, Juden und ein evangelischer Pfarrer, Engländer und Schweizer, Gelehrte und Dienstboten. Zu den Auswertungen des Besucherbuches des Kunsthauses vgl. Linnebach 2009, S.161-176. 395 Kunsthaus-Inv. 1744: Verzeichnis aller im Kunst=Haus befindlichen Schilderyen. Nr. 1 bis 790. Manuskript MHK. 396 Bentzmann 1991, S. 34-35.

68

„Der daselbst befindliche große Saal ist mit lauter Gemählden bekleidet, darunter das grosse Thierstück des berühmten Maler Rose billig den Vorzug verdienet. Es sind zugleich verschiedene ausgestopfte Thiere, welche vormalen im hiesigen Thierhause am Leben gewesen, hier ausgestellet, als ein Löwe und Löwinn, zwey Tyger397, ein Casuarius, eine Zibethkatze und zween große Paviane [...].“398

Naturalia und Artificialia - Natur und Kunst - bestanden also nicht getrennt voneinander, sondern nebeneinander, wurden in enger Verbindung begriffen.399 Bereits in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts befanden sich im Kunsthaus zahlreiche botanische und zoologische Präparate, die teils aus der Kasseler Menagerie stammten. 1728 zählt Johann Friedrich Armand von Uffenbach im Kunsthaus auf: „zwey große Löwe, 2 Casuarius, ein großer Pavian, ein monstrosdicker hund und zwey Wildschützen, so ehedeßen hier justisicirt worden“400. Ein Jahr später - 1729 - erwähnen die beiden dänischen Ingenieur-Offiziere Holger Rosenkranz und Lauritz Thura neben den beiden Löwen-Präparaten auch einen Leoparden, der zusammen mit in Spiritus konservierten Missgeburten in der Anatomiekammer aufbewahrt wurde.401 Neben diesen Naturalia führt das Kunsthaus-Inventar von 1744 insgesamt 894 Gemälde auf, die in verschiedenen Räumen untergebracht waren, also noch keine zusammenhängende Galerie bildeten. Diese Zuordnung von Artificialien zu den Naturalien, aus deren Material sie hergestellt wurden, geht auf die Systematik der Naturalis Historia von Plinius d. Ä. (23/24-79) zurück.402

Die raren und kostbaren Tiere aus der entlegenen Menagerie fanden sowohl als naturwissenschaftliches Präparat als auch in malerischer Präzision ihre Fortsetzung in der fürstlichen Kunstkammer. Das „Tierstück“ fand als Bestandteil der enzyklopädisch gedachten Naturaliensammlung Verwendung, zu der die drei Reiche Animalia, Vegetabilia und Mineralia zählten. Innerhalb dieser Rubrik war es mit der Unterbringung in der Tierkammer gemeinsam mit ausgestopften Tierpräparaten dem Bereich der Animalia zugeordnet. In den

397 Gemeint sind Leoparden. 398 Schmincke 1767, S.187. 399 Zu dieser Zeit wurde bereits in einigen sammlungstheoretischen Schriften vor der Vermischung von Naturalien und Artificialien gewarnt. Das oberste Ordnungskriterium Johann Daniel Majors ist das Material: „So muß auch in Naturalien-Museis selbst / an Artificial-Sachen / die etwan aus Europa, aus Ost- und West-Indien zusammen gebracht / kein Überfluß nicht seyn / und entweder dergleichen Dinge gantz ausgelassen / und in absondere Gemächer gethan / oder die Sachen mehr Ratione Materix, als Ratione Artificii ac Usus, zu andern Natural-Sachen sortirt / oder / wo gleichwol in einem absonderlichen Schranck und Orth unterschiedliche Artificialia gethan / und in einem special Catalogo registriret.“ Zitiert aus: Major 1674, unpaginiert, Kap. 7, §6. 400 Uffenbach 1728, S.52. 401 „[...] dort [in der Anatomiekammer] waren auch mehrere ausgestopfte Tiere, Löwen, Leoparden usw. zu sehen, ebenfalls einige Mißgeburten in Spiritus konserviert, unter diesen ein Kind mit zwei Gesichtern im Kopf. Auch war hier ein großer Überfluß an Insekten, die in ihren natürlichen Farben sehr wohl konserviert und in einem Schrank in Schubfächer ordentlich gelegt und aufgehoben waren.“ Zitiert aus: Weilbach 1922, S.139. 402 Nach seinem Prinzip konnten auch die bislang unbekannten, außereuropäischen Objekte in die Ordnung einbezogen werden, ohne eine gesonderte Kategorie zu bilden. Paula Findlen sieht in Plinius' Schrift sogar die Inspiration für das Sammeln mit universalistischem Anspruch im 16. und frühen 17. Jahrhundert: “While Aristotle provided a formal structure and philosophical purpose for the collecting of nature, Pliny's Natural History inspired naturalists to extend their curiosity to the farthest reaches of the known world in order to catalogue its wonders. [...] Reading Pliny reminded naturalists just how vast and expansive the rubric of natural history could be in its ability to encompass all the things in the universe.” Vgl. Findlen 1996, S.61.

69

Nebenräumen wurde der Bestand der Naturalia ergänzt durch „Mineralien, Steine, Erden und Salze [...] Konchylien (Muscheln) und Meeresgegenstände; [...] Bäume, Gräser und was sonst noch zur Botanik gehört.“403 Als Kunstkammerobjekt entfaltete das „Tierstück“ seinen Symbolcharakter aus dem Ensemble, zu dem es gehörte. Naturalie und Artefakt rangierten nebeneinander und erhielten ihre inhaltliche Bedeutung im Zusammenspiel miteinander. Die räumliche Ausstattung - die „Aura“ des Objektes404 - bildete ein dichtes Beziehungsnetz, das eine Vielzahl von Verknüpfungen zwischen ‚drinnen und draußen’, zwischen Natur und Kunst ermöglichte. In seiner kontextuellen Beziehung verwies das Gemälde als Einzelstück auf das übergeordnete naturwissenschaftliche Gesamtkonzept. Ähnlich den übrigen Gemälden fungierte es als Teil eines universalistischen Bildprogramms, das auf die räumlich entlegene reale Menagerie als kostbare Sammlung lebender Kuriositäten verwies. Ihm kam die Funktion zu, diesen Kontext zu illustrieren, ihn zu „belegen“ und zu „symbolisieren“. Grote wendet den Begriff des „Paradigmatischen“ an und bezeichnet damit die inhaltliche Absicht (das Paradigma) hinter der Ausstellung, die das Objekt in einen bewusst hergestellten übergeordneten Kontext stellt. Dieser sollte im Betrachter zunächst Assoziationen und Assoziationsketten in Gang setzen, welche ihrerseits auf den Kontext hinführen sollten. Diese Assoziationen wirkten summativ und führten auf jenen übergeordneten Sinn-Zusammenhang hin, der mit Hilfe des Objektes dann auch illustriert werden sollte. Nach Wahrnehmung und Aneignung des beabsichtigten Kontextes sollte der Betrachter wieder zurück zum Objekt selbst kommen, welchem in einem nächsten Schritt eine Art „Beweis“- oder „Beleg“-Funktion zugewiesen war.

Neben seiner Rolle als wirkungsvoller Bedeutungsträger innerhalb der höfischen Repräsentation kam dem „Tierstück“ auch eine nicht zu unterschätzende Rolle als wissenschaftliches Lehrmittel zu: Den Schülern des Collegium Carolinum (vgl. Teil III, Kapitel 2.5) diente das „Tierstück“ als Anschauungsmaterial für die Erforschung der ausländischen Tierwelt. Insofern es naturwissenschaftliche Kenntnisse über seltene Tierarten vermittelte, kam ihm eine belehrende Wirkung zu. Gerade diese konkrete Nutzbarmachung für die Wissenschaften war Teil der fürstlichen Strategie, die Grundlagen der Landesentwicklung zu verbessern.

403 Der Bibliothekar und Kustos der Kunstkammer in St. Petersburg, Johann Daniel Schumacher, wurde 1721 vom russischen Zaren Peter I. auf Auslandreise geschickt. Er äußert sich begeistert über das Kasseler Museum: „In Kassel befindet sich die Kunst- und Naturalienkammer in einem extra dafür hergerichteten Haus: Die naturkundlichen Gegenstände sind unten und die künstlerischen oben. Von diesen nehmen die Mineralien, Steine, Erden und Salze ein besonderes Zimmer ein. In einem weiteren sind Animalia (Tiere). Drittens gibt es Konchylien (Muscheln) und Meeresgegenstände; viertens Bäume, Gräser und was sonst noch zur Botanik gehört. Auf ähnliche Weise sind die künstlerischen Gegenstände angeordnet. Die mathematischen Instrumente liegen gesondert, die physikalischen gesondert, genauso Maschinen und Modelle.“ Zitat der deutschen Übersetzung aus: Ausst-Kat. München 2003, Band 2, Beiträge, S.158. 404 Grote 1994, S.14.

70

Das „Tierstück“ unter Wilhelm VIII.

1749 bis 1751 entstand unter Karls Sohn, Landgraf Wilhelm VIII. (1730/51- 1760), ein neuer Galerietrakt405 an der Fünffensterstraße, der auch einige Gemälde aus dem „Kunsthaus“ aufnahm. Dass der Landgraf sich auf Gemälde spezialisierte und den überkommenen Kasseler Sammlungen einen neuen Glanzpunkt hinzufügen wollte, ist aus der Zeit heraus verständlich. In der Epoche um 1700 wurden in ganz Europa die Gemälde aus den Kunstkammern herausgenommen und dafür eigene Galerien gegründet, so in Stuttgart 1670, in Wien bereits 1659. In der um 1710 aufgebauten Salzdahlumer Kunstkammer hingen die Gemälde von Anfang an in einer gesonderten Galerie. Die Anlage von Gemäldegalerien ist einerseits ein typisches Phänomen des einsetzenden Absolutismus und seinem Repräsentationsbedürfnis. Andererseits verweist die Ausgliederung von Sammlungskategorien auf das neue Ordnungsbestreben und die Systematisierung seit 1670, die das universalistische Prinzip der Kunst- und Wunderkammern ablösten.406 Das „Tierstück“ ist damals nicht aus dem Kunsthaus in die neue Gemäldegalerie überführt worden. Es verblieb an seinem Platz im Kunsthaus. Dort lässt sich in der Anordnung der Sammlungsbestände keine grundlegende Veränderung feststellen. Das „Tierstück“ zählte weiterhin zu den besonderen Curiositäten, wie uns der schottische Reisende James Boswell am 26. Oktober 1764 berichtet:

„Um acht besuchte ich das ‚Kunsthaus’, in welchem in etlichen Räumen Sehenswürdigkeiten gezeigt werden; [...] Ferner gibt es ein ausgezeichnetes Gemälde der Menagerie des großen Landgrafen von Rosa407. Es ist sehr groß und ungeheuer voll, ohne den Eindruck irgendeiner Unordnung zu erzeugen. Rosa lebte drei Jahre hier, um dieses Bild zu malen, für das er 1300 Dukaten bekommen haben soll.“408

Das „Tierstück“ unter Friedrich II. im Museum Fridericianum

Landgraf Friedrich II. griff die naturwissenschaftlichen und antiquarischen Interessen seines Großvaters auf und ließ seit 1768 durch Simon Louis du Ry ein neues Gebäude für die fürstlichen Sammlungen errichten und dem allgemeinen Publikum öffnen: das 1779 bezugsfertige Museum Fridericianum. Das Gebäude war für die Aufnahme der Kabinette für Naturgeschichte, Mathematik, Physik, Altertümer, Mechanik und Medaillen sowie der öffentlichen Bibliothek409 bestimmt. Neben den Räumlichkeiten für diese Sammlungsbestände verfügte es über ein theatrum anatomicum und nicht zuletzt über eine Sternwarte. Das Museum Fridericianum war das erste öffentliche Museum auf dem Kontinent.

405 Gemeint ist das Gebäude neben dem Palais Bellevue an der Fünffensterstraße, das 1943 zerstört wurde. 406 Vgl. Schnackenburg 2000, S. 71ff. 407 Roos wurde auch Rose genannt, vgl. Schmincke 1767, S.187. 408 Zitiert aus Danziger/Reuter 1999, S.29. 409 Die Bibliothek im 1. Obergeschoss, die vorher im Marstall untergebracht gewesen war, war das Rückgrat der gesamten Anlage und bildete auch die Grundlage für die Arbeit des Collegium Carolinum. Der große Saal mit einer Galerie bot Platz für 100.000 Bände. Als die Bibliothek den Neubau 1779 bezog, umfasste sie rund 30.000 Bände und 600 Handschriften. Der Landgraf selbst gehörte zu den regelmäßigen Bibliotheksbenutzern.Vgl. dazu Becker 1996, S. 155f, sowie Both/Vogel 1973, S.82 f.

71

Spätestens ab 1781 wurde dort das „Tierstück“ präsentiert.410 Über die Unterbringung innerhalb der Sammlung unterrichtet uns der badische Kammerherr und Schriftsteller Friedrich Justinian von Guenderode. Er beschreibt das Gemälde im Erdgeschoss des Nordwestflügels (Säulensaal „Q“, Abb.32)411:

„Aus diesem kommt man in ein anderes Zimmer, welches mit Seltenheiten aus dem Thierreich angefüllt ist; und da ist alles unter Glas; welches denn zur langen Erhaltung derjenigen Sachen [...] dennoch ohnumgänglich nöthig ist. [...] Merkwürdig ist ein sehr grosses und schönes Gemälde, welches beynahe eine ganze Wand einnimmt, von Rose, worauf alle Thiere, so bey Absterben des Landgrafen Carl in dem Thiergarten befindlich gewesen, abgebildet zu sehen sind.“412

Zu den Naturalien, die oben als „Seltenheiten aus dem Thierreich“ bezeichnet werden, gibt uns ein Bericht des Kasseler Ober-Kammerrats David August von Apell Aufschluss:

„[...] enthält eine schöne Sammlung von ausgestopften, getrockneten und in Weingeist aufbewahrten Thieren, worunter manche Seltenheit vorkommt. Darunter sind vorzüglich: Ein ausgestopfter Elephant, welcher von dem Jahre 1773 – 1780 in der Menagerie bey Cassel lebend unterhalten wurde [...]. Das Skelett ist besonders aufgestellt. Ein junges Kameel, welches in der Menagerie bey Cassel geworfen ist. Ein Löwe und eine Löwin, Zwey junge Leoparden, welche ebenfalls in der gedachten Menagerie geworfen sind, aber nur wenige Wochen gelebt haben. Ein paar große Paviane. Mehrere Affenarten. Ein Kasuar. Verschiedene merkwürdige Mißgeburten von vierfüssigen Thieren. Eine Zibetkatze [...].“413

Die größeren Tierpräparate waren wohl freistehend vor den Wänden aufgebaut. Kleinere Präparate bewahrte man in Schränken auf, darunter „viele sehr schöne und gut konservierte Paradiesvögel“414. Daneben war in der Mitte des Raumes ein Ensemble aus „mit Glasplatten belegten und luftdicht abgeschlossenen Kästen“415 untergebracht, in denen unter anderem „Vögel sowohl aus fernen Ländern als auch aus Hessen“416 zu sehen waren. Oben an den Wänden des Saals hingen Köpfe von Hirschen mit ihrem Geweih. Scheinbar war das Tierstück nicht das einzige Gemälde innerhalb dieses Kabinetts. Du Ry erwähnt weitere „Bilder seltener Tiere, sowohl Vier= als auch Zweifüßler.“417 Die meisten der hier genannten präparierten Tiere stammten aus der Menagerie Friedrichs II. am Weinberg. In den Nebenzimmern des Säulensaals folgten unter anderem eine Mineraliensammlung („P“), Seegewächse und Muscheln („R“) und ein Kabinett mit einer Sammlung von Schmetterlingen und Insekten („S“).

Das Tierstück behielt seine Funktion im direkten Kontext des naturwissenschaftlichen Bereichs der fürstlichen Sammlung bei. Becker bezeichnet die Präsentation insgesamt als „eine eigentümliche Mischung aus

410 Lehmann geht fälschlicherweise davon aus, dass sich das Tierstück 1781 noch im Kunsthaus befand. Dem war nicht so. Vgl. Lehmann 2009, S.33. 411 So Holtmeyer 1923, S.551. 412 Guenderode 1781, S.111 413 Apell 1805, S.179 und 180. 414 Boehlke 1963, S.101. 415 Ebd., S.101. 416 Ebd., S.101. 417 Ebd., S.101.

72

einer wissenschaftlichen Lehrsammlung für die Zwecke des Carolinums und den konservativen Präsentationsformen einer fürstlichen Raritätenkammer.“418 Eine neue Konzeption gegenüber dem älteren Kunsthaus lässt sich nicht erkennen. Für eine Entkoppelung des Einzelstücks von den übergeordneten thematischen Leitlinien des Sammelns gab es noch keine Anzeichen.

Die Unterbringung bis heute

Zu welchem Zeitpunkt das Tierstück aus dem Museum Fridericianum entfernt wurde, lässt sich nicht mehr klären. Spätestens 1816 muss es sich im Depot der Gemäldegalerie Wilhelms VIII. befunden haben: im „Inventarium der Gemälde Gallerie zu Kassel“ wird es unter der Nummer 1762 aufgeführt: „Melchior Roos. Ein Thierstück oder die Menagerie wie sie zu Landgraf Carl Zeit hier bestanden“419. Als Verwahrungsort wird der Vorrat [Depot] angeführt. 1830 scheitert ein erster Restaurierungsversuch an den hohen Kosten. 1936 erfolgte eine Restaurierung durch Josef Leiß. Danach konnte das Tierstück drei Jahre lang im Landgrafenmuseum gezeigt werden. Kurz vor dem 2. Weltkrieg, 1939, wurde es erneut auf einer Rolle im Depot des Hessischen Landesmuseums eingelagert. 1975 erfolgte die Überführung in das neu eingerichtete Gemäldedepot in Schloss Wilhelmshöhe. 1999/2000 fanden Restaurierungsarbeiten statt, um das Gemälde wieder ‚ausstellungsfähig’ zu machen.420 Im Anschluss daran wurde es in der Berliner Ausstellung „7 Hügel: Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts“421 präsentiert. Unter der „Sektion II, Dschungel. Sammeln, Ordnen, Bewahren: Von der Vielfalt des Lebens zur Kultur der Natur“ stand es dort unter dem kulturellen Aspekt „Mensch-Tier“. Seit 2001 ist das „Tierstück“ wieder in der Gemäldegalerie Alte Meister Kassel (Schloss Wilhelmshöhe) ausgestellt.

3.4 Die Braunschweiger Fassung

Eine zweite Fassung oder Version aus der Hand von Johann Melchior Roos im kleineren Format befindet sich im Braunschweiger Herzog Anton Ulrich- Museum (Abb.33).422 Es lässt sich nicht mehr feststellen, zu welchem Zeitpunkt Roos mit dem Malen des Bildes begonnen hat. Die Datierung führt das Jahr 1728 auf.423 Es scheint also ein Jahr früher vollendet worden zu sein als das großformatige Kasseler „Tierstück“, zu dem es teilweise parallel entstanden sein muss. 1776 wird das Gemälde im „Verzeichnis der herzoglichen Bilder-Gallerie zu Salzthalen“ aufgeführt.424 Gemeint ist das Schloss Salzdahlum, die seit 1688 errichtete Residenz Anton Ulrichs (1633-1714, Regentschaft ab 1685, Alleinherrschaft ab 1704). Dorthin gelangt sein könnte das Gemälde direkt nach

418 Becker 1996, S.159. 419 Inventar 1816: Inventarium der Gemälde-Gallerie zu Cassel mit Supplements I-VI. 1816ff. Nr. 1-2178. Manuskript mhk. 420 Eine endgültige Restaurierung steht jedoch noch aus. 421 Ausstellung vom 14. Mai bis 29. Oktober 2000 im Martin-Gropius Bau, Berlin. 422 Johann Melchior Roos, Das Reich der Tiere, Lwd., 104 x 168 cm, 1728, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Inv.Nr. 1064. 423 Bezeichnet in rot unten in der Mitte: Roos fecit 1728. Diese Signatur wurde erst 1976 freigelegt. 424 Jacoby 1989, S.200.

73

seiner Fertigstellung, da es im Kasseler Kunsthaus nicht erwähnt wird. Denkbar ist auch, dass es erst nach 1735 unter der Regentschaft von Herzog Carl I. (1713-1780) nach Braunschweig gelangte, der ein großer Kunstförderer war und als Gründer des Braunschweiger Museums gilt. Von ihm ist überliefert, dass er seine Gemäldesammlung um die Bildgattungen Landschaft, Stillleben und Tierbild wesentlich erweiterte. Darüber hinaus geht aus seinen Ankäufen hervor, dass er besonderen Wert auf den Ausbau der Naturaliensammlung legte.425 Zur Zeit der französischen Besetzung (1806 bis 1815) ist das Braunschweiger Gemälde nach Kassel überführt worden, um es vor dem Zugriff der Franzosen zu schützen. Das genaue Datum der Überführung ist leider nicht bekannt. Spätestens 1814, nach dem Ende des „Königreichs Westphalen“, gelangte es zurück in die Braunschweiger Gemäldesammlung.

Aufgrund des kleinen Formats wurde das Braunschweiger Gemälde in der Forschungsliteratur häufig als „modello“426 für das Kasseler „Tierstück“ bezeichnet.427 In dieser Funktion könnte es - so die Vermutungen - dem Auftraggeber in einem ersten künstlerischen Entwurf zur Abnahme vorgeführt worden sein. Andere Autoren bezeichnen das Braunschweiger Stück wiederum als „verkleinerte Replik“428, worunter eine authentische Wiederholung der Erstfassung durch den Hersteller zu verstehen ist. Feststellbar ist, dass sich beide Gemälde nicht nur im Format unterscheiden, sondern auch in Ausführungsgrad, der Anordnung der Motive und der Farbigkeit429. Insgesamt weist das Braunschweiger Gemälde einen besseren Erhaltungszustand auf.430 Im direkten Vergleich mit dem Kasseler „Tierstück“ zeigen sich in der Anordnung der Motive im Bildraum einige Abweichungen. In erheblicher Weise fallen Unterscheide am unteren Bildrand ins Auge: Die Darstellung der Flora ist gänzlich unterschiedlich, zeigt sich doch auf der linken Seite ein kleiner Tümpel mit einigen Wasserpflanzen. Ein Saum von grünen Pflanzen zieht sich am gesamten unteren Bildrand von links nach rechts hinüber, der auf dem Kasseler Stück nicht so artenreich und detailliert dargestellt ist. Auf der linken Seite erscheint ein Vogel zwischen den beiden Enten, der auf dem Kasseler Tierstück ganz fehlt. Der Steinbrocken mit dem Streifenhörnchen am unteren Bildrand erscheint weiter links im Bild, direkt unterhalb des Mopses. Im Kasseler „Tierstück“ ist er weiter rechts dargestellt, in unmittelbarer Nähe zu den beiden Stachelschweinen und der Gazelle.

425 Vgl. dazu Müsch 2004, S.61-69. 426 Nach Zedler versteht man unter einem „modello“ ein „Modell, Typus, Exemplar, ein Vorbild, Form, Muster, Richtschnur oder Vorschrift, nach der man etwas machet [...].“ Vgl. Zedler 1732- 1750. 427 Laut Jacoby 1989, S.200, ist das Braunschweiger Gemälde als „modello für dieses [das Kasseler Gemälde] anzusehen“. Vgl. auch Jedding 1998, S.253. 428 „Eine verkleinerte Replik mit Datum 1728 befindet sich in Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum.“ Zitiert aus: Schnackenburg 1996, S.255. In Danziger/Reuter 1999, S.33., wird das Braunschweiger Gemälde ebenfalls als „verkleinerte Replik“ bezeichnet. 429 Im Braunschweiger Werk dominieren Blau-Grüntöne, im Kasseler Werk eher Brauntöne. 430 Das Kasseler Tierstück wurde lange im gerollten Zustand im Depot gelagert, was seinen schlechten Zustand erklärt.

74

Einige Tiere erscheinen körperlich weiter voneinander abgerückt: Beispielsweise die Stachelschweine im Vordergrund, die beiden Kraniche rechts an der Palme und die Taube auf dem Zweig unterhalb des liegenden Leoparden. Das Vierhornschaf neben dem Stein mit den Weißbüschelaffen erscheint weiter nach oben versetzt, so dass sein Körper nicht mehr direkt den Strauß davor berührt. Hinter dem stehenden Strauß verläuft der kahle Zweig des Baumes in etwas anderer Richtung und streckt sich mehr nach oben. Um das Verhältnis der beiden Stücke zueinander zu benennen, erscheinen mir die Bezeichnungen Fassungen oder Varianten geeignet.431 Es ist zu vermuten, dass die Braunschweiger Fassung ähnlich der Kasseler Fassung ebenfalls im höfischen Bereich als enzyklopädisch gedachte Naturaliensammlung exotischer Tiere Verwendung gefunden hat.

3.5 Das Sammelbild als frühneuzeitlicher Bildtyp

Das Sammelbild ist eine um 1600 entstandene Bildform, die speziell für begehbare Sammlungen gemalt ist und auf damals neuartige Weise seinen Kontext mit seinen Betrachtern reflektiert.432 Es handelt sich um komprimierte gemalte Sammlungen, dessen Merkmal die komponierte Gesamtschau ist. In Struktur und Funktion unterscheidet sich das Sammelbild grundlegend vom mittelalterlichen Gemälde. Die Entstehung des Sammelbildes ist verbunden mit der Neugierde als Wahrnehmungs- und Erkenntnisform sowie mit dem Aufkommen der internationalen Sammelbewegung. Die Blütezeit der Sammelbilder liegt zwischen 1550 und 1650 und fällt damit entsprechend mit dem vorherrschenden Sammlungstyp der Kunst- und Wunderkammern zusammen. Gemalte (Naturalien-)Sammlungen lassen sich definieren als Gruppenporträts von Gegenständen, Tieren, Pflanzen etc.433 und zeigen solche bildwürdigen Sammlungsobjekte, die der Ästhetik der Neugierde entsprachen. Als Luxusobjekte erfreuten sie sich besonderer Wertschätzung, so dass sie als reales Sammelgut unverzichtbar waren. Das Aufkommen dieser Dinge im Sammlungsbild hängt also eng mit der Sammelleidenschaft der Zeit zusammen.

Als Entstehungsursache des Sammelbildes nennt Ulrike Dorothea Ganz das „neugierige Auge“434 bzw. die frühneuzeitliche Neugierde. Diese manifestiere sich „im Entstehen zahlreicher enzyklopädischer Sammlungen als den materialisierten Zeugnissen einer nunmehr aus kirchlicher Restriktion befreiten Wissbegierde, welche sich ungehindert auf den Gesamtbestand der Schöpfung richten konnte“435. Neugier und Sammlung standen in engem Verhältnis. Die frühneuzeitliche Neugierde vertrat einen Anspruch auf Universalität, richtete sich aber nur auf Gegenstände, welche die Bezeichnung „curieux“ vertraten, also der Vorliebe nach dem Seltenen, Absonderlichen, Winzigen, Kleinteiligen,

431 Lehmann 2009, S.52, spricht von „zwei Fassungen“. 432 Dadurch unterscheidet sich das frühneuzeitliche Sammelbild von mittelalterlichen Erzählformen. 433 Ganz 2006, S.14. Sie weist auch darauf hin, dass im Holländischen sprachlich nicht unterschieden wird zwischen den Begriffen „sammeln“ und „versammeln“: „Verzamelen“ steht für beide Tätigkeiten. 434 Ebd. S.11. 435 Ebd. S.12.

75

Verborgenen, Künstlichen, Komplizierten, der Fülle und Verschiedenheit entgegenkamen. Dinge mit dieser Ästhetik trug man in der Kunstkammer zusammen. Die curiositas war also das tragende Wissenschaftsprinzip. Dieselben Strukturmerkmale kommen auch in den Sammlungsbildern vor. Sammelbilder sind also im kulturellen Zusammenhang mit den Sammlungen der Kunst- und Wunderkammern zu verorten. Hans Holländer bezeichnet diese Bildgattung als „gedachte Inventare dessen, was die ganze Sammlung zu repräsentieren beanspruchte.“436

An der Wende zum 17. Jahrhundert entstanden in den nördlichen und südlichen Niederlanden viele neue Bildgattungen, die man als gemalte Sammlungen bezeichnen kann. Zunächst soll die Gruppe der Paradiesbilder mit ihrer wimmelbildhaften Repräsentation des Tierreichs vorgestellt werden. Die Darstellung solcher „Sammlungen“ ist in der Regel über den Kontext einer Erzählung motiviert. Dem folgen die naturhistorisch-enzyklopädischen Stillleben als Sammelbilder solcher Naturdinge, die in den Augen der Zeitgenossen als Kuriositäten bzw. als typische Objekte der Neugierde angesehen wurden. Beide Sammelbildgattungen listen bestimmungstafelartig möglichst viele Aspekte dessen auf, was zum entsprechenden Themenkreis gehört, wodurch sie den neugierigen Blick anziehen und führen.437 Sammelbilder hingen in begehbaren Sammlungen. Für all die gemalten Sammlungen ist die Kunstkammer der gemeinsame Ort, wo eine Verbindung zwischen ihnen geschaffen wird.

3.5.1 Die Bildtradition der Paradieslandschaft

Hinsichtlich seines Kompositionsmodells bedient sich der Maler Roos des Bildtypus der Paradieslandschaft. Auf diesen Zusammenhang verweist zum erstmalig Kramm 1936: „Dies Tierreich ist ganz bestimmt vom Paradiesgarten, der zeigt, wie viele Tiere es gibt, welche Fülle der einzelnen Arten die Erde zu fassen weiß.“438 Traditionell sind Paradieslandschaften jedoch mit erzählerischem Kontext aus Bibel oder antiker Mythologie ausgestattet, der hier bei Roos fehlt.439 Vor allem für die flämischen und holländischen Maler des 17. Jahrhunderts spielt das klassische Paradiesthema eine zentrale Rolle. Motivisch bevorzugt wurden „Das Paradies vor dem Sündenfall“, der „Einzug der Tiere in die Arche Noah“ und mythologische Themen wie das „goldene Zeitalter“ und „Orpheus bezähmt wilde Tiere durch seinen Gesang“. Die Einsiedlerlandschaften mit Tierattributen - Elias, Hieronymus, auch Franziskus in einem minderen Umfange - ergänzten dies.440 Diese literarischen Themen der „Paradieslandschaft“ lieferten die Begründung, eine möglichst große Vielzahl von Tieren aller Gattungen in charakteristischen Ansichten und Haltungen vor einem Landschaftshintergrund zu versammeln. Kompositorisch zeigen die meisten Bildthemen eine enge

436 Holländer 1994a, S.39. 437 Dazu gehören auch Gemälde wie das Sprichwörterbild Pieter Brueghels d. Ä. mit seinen rund hundert sprachlichen Volksweisheiten, wie auch Marktbilder. 438 Kramm 1936. 439 Das erste Viertel des 17. Jahrhunderts gilt als Blütezeit der Paradieslandschaften in der Malerei. 440 Vgl. dazu Müllenmeister 1988, S.151f.

76

Verwandtschaft, gehen ineinander über und sind nur schwer voneinander abzugrenzen. In einer bemerkenswerten Variationsbreite tauchen im 17. Jahrhundert immer neue Abwandlungen des altvertrauten Themas auf.

Die biblische Paradieslandschaft

Mittelalterliche Bildformen als Vorstufe der Sammelbilder

In den Darstellungen der frühchristlichen Zeit bis ins 16. Jahrhundert hinein fungierte das Tier als Motiv zunächst hauptsächlich als Staffage oder Beiwerk einer biblischen Erzählung, der stets das Hauptinteresse galt. Das friedliche Miteinander von Mensch und Tier in bukolischer Idylle vor dem Sündenfall ist Thema mittelalterlicher enzyklopädischer Bildformen, die dem Sammelbild vorausgehen. Zu den bevorzugten ikonographischen Bildtypen zählt die „Benennung der Tiere“ durch Adam („vocatio animalium“), welche die Unterbringung einer Fülle von Tierarten in einem einzigen Bild ermöglicht: Nachdem Gott das Paradies geschaffen und Adam hineingesetzt hat, bringt er die Tiere zu ihm, „[...] dass er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch allerlei lebendige Tiere nennen würde, so sollten sie heissen. So sagte der Mensch die Namen allem Vieh und den Vögeln des Himmels und allem Getiere des Feldes [...]“441. Der Schöpfer ruft alle Tiere herbei und übergibt Adam damit die Herrschaft über sie. Mit der Benennung soll Adam auch das Wesen der einzelnen Kreatur bestimmen. Bildliche Darstellungen der Benennungsszene tauchen vermehrt im 12. und 13. Jahrhundert auf. Eine besondere Rolle fällt der Thematik in den abendländischen Bestiarien zu.442 Als Illustration zum zweiten Schöpfungsbericht (Genesis 2, 19-20) entstanden gedrängte Bildkomplexe von nahezu enzyklopädischem Charakter. Den üblichen ikonographischen Typ vertritt das Titelblatt eines englischen Bestiariums in St. Petersburg (Abb.34). Dabei wird Adam bekleidet443 wiedergegeben, mit einer leeren Schriftrolle in der Hand, die auf den Auftrag Gottes an den Menschen, die Tierwelt zu beherrschen, zu ordnen und zu erforschen, hinweist. Die unterschiedlichsten Tiere sind rechts vom sitzenden Adam in fünf horizontalen Ebenen übereinander angeordnet444: die erste Gruppe (oben) zeigt mehrere Vogelarten, in der Gruppe darunter erscheinen Esel, Hirsch, Raubkatze, Bär und Affe, dicht gefolgt von wilden, exotischen Tieren wie Kamel und Elefant. In den unteren beiden Ebenen sind die domestizierten Tiere untergebracht, darunter Bulle, Pferd, Ziege, Schaf und Schwein. Sie alle sind Adam zugewandt, um durch seine Benennung einen Platz im Universum und eine Aufgabe zugeordnet zu bekommen. Der direkt vor Adam sitzende Affe, einen Apfel haltend, verweist auf den bevorstehenden Sündenfall.445

441 Genesis 2, 19-20. 442 Deren Entstehung ist im anglo-normannischen Bereich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zu suchen. Aus dieser Zeit und aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts sind einige Dutzend Handschriften aus England, Frankreich und Deutschland bekannt. Vgl. dazu Erffa 1989, S.142. 443 Durch die Darstellung des bekleideten Adam soll seine Sonderstellung in der Schöpfung betont werden. Vgl. ebd. S.142. 444 Die Staffelung der Tierarten auf einzelnen Ebenen verweist auf die mittelalterliche Ordnungsform des Rasters, von der nach Werner Hofmann eine Linie unmittelbar zu den Sammelbildern führt. Vgl. Hofmann 1998, S.49. 445 Vgl. Erffa 1989, S.142.

77

Eine stilistisch verwandte Bildform mit einem noch größerem Kompendium an Tierarten zeigt das Bestiarium aus Alnwick (Abb.35). Es ist als typisch mittelalterliches Mehrfeldbild angeordnet: Im oberen Bildfeld erscheint Adam zwischen zwei bekrönten weiblichen Figuren, die als Personifikationen der Vernunft und der Natur identifiziert wurden.446 Alle drei Figuren halten ebenfalls leere Schriftrollen in den Händen. Durch eine Binnenrahmung entsteht ein äußeres, autonomes Bildfeld, in dem über die Fläche verteilt eine Vielzahl von Tieren vor neutralem Grund gruppiert sind, als lägen sie auf der Bildoberfläche. Es handelt sich um 14 Arten Säugetiere, mindestens 11 Arten von Vögeln, drei Reptilien und einen Greif. Da der Bibeltext keine Tiergattungen benennt, schien die Wahl der darzustellenden Tierarten dem Künstler freizustehen. Üblicherweise sind dabei Fabeltiere wie Einhorn und Greif den zoologischen Tieren gleichgestellt, die nur zum Teil aus eigener Anschauung bekannt waren.447 Seit dem 14. Jahrhundert verliert sich das Interesse an dem Motiv der „vocatio animalium“, das dann im wesentlichen nur noch in der Bibel- und Psalterillustration fortlebt.

Auch bei den im 16. Jahrhundert entstandenen Paradieslandschaften ist die Darstellung der „Tiersammlung“ noch ausschließlich über den Kontext einer Erzählung motiviert. So liegt auch bei dem 1530 entstandenen „Paradies“ von Lucas Cranach (Abb.36) der motivische Schwerpunkt noch ganz im biblischen Geschehen. Das Gemälde versammelt in frühmittelalterlicher Manier und in bewusstem Rückgriff auf ältere Traditionen temporär getrennte Ereignisse, die sich aber zu einer zeitlichen Abfolge zusammenfügen lassen, auf einem Bild: 1) Erschaffung Adams 2) Erschaffung der Eva 3) Ermahnung durch Gottvater 4) Sündenfall 5) Entdeckung 6) Austreibung durch den Engel. Die zeitlich aufeinanderfolgenden Episoden des biblischen Geschehens erscheinen nebeneinander, ohne erkennbares Ordnungsprinzip. Die Bestandteile des mittelalterliches Rasters haben sich verselbständigt, die Binnenrahmungen sind entfallen. Für den Vordergrund wählte Cranach die Kompositionsform additiv einander zugesellter Tiere im harmonischen Miteinander: Wie Fuchs, Hase, Pferde, Rehe, Hirsche, Fasanen, Rebhühner, Störche, Pfauen, Reiher und Schwäne gehören auch wilde Raubtiere wie Löwen und zwei kämpfende Bären zur Artenvielfalt der Paradiesfauna.

Der Typus des „reinen Paradiesbildes“ im 17. Jahrhundert

Erst in den Paradiesdarstellungen des 17. Jahrhunderts ist das künstlerische Interesse primär auf die Schilderung der artenreichen Tierwelt gerichtet. Zum größten Teil ist nur wenig erzählerischer Kontext zugelassen, die biblische thematische Begründung wird in den Hintergrund verdrängt und ist kaum mehr auszumachen. Die Landschaft verschwindet jetzt fast unter der Fülle von exotischen Tieren.

446 So gedeutet von Hassig 1995, S.15. 447 Zu den Quellen, aus denen die Künstler schöpften, zählten die naturkundlichen und enzyklopädischen Werke wie die Naturgeschichte des Plinius d.Ä., der „Physiologus“ oder die „Etymologiae“ des Isidor von Sevilla.

78

Der Bildtypus des „reinen“ Paradiesbildes448 wird ikonographisch vor allem über Jan Brueghel d. Ä. (1568-1625) neu in der Landschaftsmalerei auf den Weg gebracht.449 In der „Paradieslandschaft mit Arche Noah“450 (um 1613-15, Budapest451, Abb.37) stellt Jan Breughel d.Ä.452 den Einzug der Tiere in die Arche Noah (Gen. 6,5–9,17)453 dar, um sie vor der Sintflut zu retten. Die Arche selbst ist weit in den Hintergrund gerückt und bedarf des genaueren Hinblickens, um sie überhaupt zu entdecken. Einen genrehaften Zug bringt die figürliche Staffage Noahs mit zweien seiner Töchter, die sich mit Packesel und Hündchen anschicken, auf dem Weg zur Arche Rast zu machen. Ein typisches Gestaltungsprinzip Jan Breughels ist das Motiv des kahlen Vogelbaumes im Vordergrund. Er ist ein häufig nachgeahmtes Versatzstück454 und für diese Gruppe von Gemälden charakteristisch. Er dient verschiedenen Tieren, insbesondere den Vögeln, als Aufenthaltsort und prägt formal die gesamte Komposition. Im Bild kommt ihm eine zweifache Funktion zu: Einerseits betont er in seiner durchlaufenden Schräglage den Vordergrund und verspannt gleichzeitig die zweidimensionale Bildfläche. Zugleich wirkt er als Repoussoirmotiv, das die Tiefe des Bildraumes formelartig verdeutlicht. Der Vordergrund der Komposition bildet die Bühne, die zum Posieren für Tiere aller Arten einlädt: Pferd, Löwenpaar455, Tigerpaar usw. Gemäß der biblischen Geschichte sind einige Tiere vertreten durch ein Männchen und ein Weibchen, wie z.B. die Stachelschweine und das Schildkrötenpaar im Vordergrund.

Zu den wichtigsten Vertretern des Paradies-Genres gehören die Brüder Jacob und Roelant Savery, bei denen die Paradieslandschaft eine eigenständige Ausprägung erfährt. In ihren Werken bestimmen die Tiere den Inhalt der Darstellung und treten als tragendes Motiv in den Vordergrund. Das eigentliche Ziel der Darstellung ist das Vorzeigen vielfältiger zoologischer Erscheinungsformen, die Präsentation sorgfältig gemalter einheimischer und fremdländischer Tiere.

448 Nicht zu klären ist heute, ob sich die Idee der Paradieslandschaftsdarstellung aus dem biblischen Thema ergab, oder ob zuerst der Wunsch vorhanden war, eine Landschaft mit vielen Tieren zu malen und für diese dann eine thematisch sinnvolle Begründung zu finden. Vgl. dazu Ausst.-Kat. Essen 1997, S.163. 449 Ausst.-Kat. Köln 1985, S.20. 450 Das Gemälde ist eine eigenhändige Replik nach einem Urgemälde von 1613, Privatbesitz. Eine weitere, freie Variante befindet sich in London (1615), Wellington Museum, allerdings um etwa die Hälfte verkleinert. Vgl. dazu Ertz 1979, S. 236ff. 451 Zwei ähnliche Paradieslandschaften, ähnliche Ausführung: Malibu, Paul Getty Museum; London, Wellington Museum, Apsley House, 1615. 452 Jan Brueghel d. Ä. schuf ab 1613 über 100 Paradieslandschaften. Diesen Bildern verdankt er den Beinamen „Paradiesbrueghel“. Da er die Gemälde wegen der großen Nachfrage „im Fließbandverfahren“ anfertigte, zeigen sie sehr ähnliche Motive mit geringer Variationsbreite. Jan Brueghel I war primär für den Brüsseler Erzherzog tätig. Vgl. dazu Ertz 1979. 453 Der Einzug in die Arche vollzieht sich in Erfüllung von Gottes Gebot. Die Genesis nennt viermal die Rettung der Tiere, in den zwei Fassungen des Befehls (Gn 6,19–20; Gn 7, 2-3) und in den zwei Fassungen von dessen Ausführung (Gn 7, 8-9; 14-16). 454 Vgl. Jan van Kessel, Das Vogelkonzert, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig / Frans Snyders, Vogelkonzert, Staatliche Eremitage, St. Petersburg. 455 Das Löwen- und Tigerpaar geht auf den engen Kontakt mit Rubens zurück. Vgl. dazu ausführlich Ertz 1979, S.240.

79

In Jacob Saverys456 “Paradies”457 (Abb.38) wird eine Waldlichtung im Vorder- und Mittelgrund des Bildes von einer großen Zahl verschiedener Tiere belebt, die auch entlang eines Gewässers, das in einem weiten Bogen die Landschaft durchzieht, verteilt sind. Allein der Titel verleitet den Betrachter, nach der biblischen Szene zu suchen, die er dann nach einiger Zeit ziemlich weit hinten findet: Auf dem Wiesenstück in der Nähe der beiden Eichen in der Mitte stehen Adam und Eva beim Sündenfall unter dem Baum der Erkenntnis (Genesis 2, 16f.). Die über die ganze Bildfläche verteilten Tiere lassen sich wie folgt bezeichnen: Hahn, Dromedar, Papagei, Wachteln, Elstern, Spechte, Wölfe, Hunde, Strauß, Reiher, Truthahn, weiterhin Enten und Gänse, Frösche, Fuchs und Murmeltier, Ameisenbär und Ziegen, ein Windspiel, Kühe, Pferde, ein Igel, Marabu, Affe, Schafe, Kamel und ein Bär. Im Mittelgrund halten sich die exotischen Tiere auf, wie Löwen, indische Elefanten458, Nashorn, Gürteltier, Leopard, Wildschwein und Pfau. Es ist ein „wahrhaft babylonisches Aufgebot an Tierarten“459, das der paradiesischen Stimmung entspricht. Die Anordnungen der Tiere sind dicht, wobei jedoch jedes Detail seinen Platz hat und kein Eindruck von Gedränge entsteht.

In Werken des Bruders Roelant Savery460 (1576–1639) werden exotische Raritäten immer wieder neu mit einheimischen Tieren kombiniert, so dass sich phantastisch-poetische Zustände ergeben. In manchen Waldlandschaften stellt R. Savery nicht weniger als sechzig verschiedene Tierarten dar. Von der Zahl her haben Löwen und Hirsche absoluten Vorrang, es folgen Leoparden und Reiher. Die dritte Gruppe bilden Pferde, Ziegen, Gänse, Rinder und Papageien, eine weitere Gruppe Adler, Bären, Pelikane, Dromedare, Strauße und Salamander. Daneben findet sich eine Anzahl ausgefallener Neuheiten, welche als Folge der Entdeckungen aus Übersee nach Europa gebracht wurden. Gelegentlich tauchen auf den Gemälden Saverys Seltenheiten auf, wie die in Indien beheimateten Saruskraniche, wilde Truthähne, Kasuare461, die wilden Bezoarziegen oder die Dodos462 von Mauritius und Reunion.463 Viele dieser

456 Ehemals als Roelant Savery geführt, wird das Bild jetzt seinem älteren Bruder Jacob zugeschrieben. Vgl. Müllenmeister 1988. 457 Öl auf Kupfer, 47 x 72,5 cm, 1601, Kettwig, Sammlung Girardet. 458 Auf allen Bildern Saverys erscheint fast ausschließlich der indische Elefant, der in Burma, Siam, Sumatra und Ceylon vorkommt und zur Art des „Elephas maximus“ gehört. 459 Zitiert aus Ausst.-Kat. Köln 1985, S.183. 460 Er war ab 1619 in den nördlichen Niederlanden tätig und gründete eine eigene Schule (Utrecht). Ihn setzt man an den Beginn des holländischen Tierstücks, das sich danach glanzvoll entfalten sollte. Vgl.ebd., S.27. 461 Den ersten Kasuar in Europa hat Rudolf 1601 geschenkt bekommen. 462 Der flugunfähige Vogel Dodo, auch Dronte genannt, wurde 1598 auf der Insel Mauritius entdeckt und von holländischen Seefahrern nach Europa importiert. Als Kuriosum der Vorgeschichte erregte er zoologisches und ornithologisches Aufsehen, war aber bereits 1681 endgültig ausgestorben. Der Vogel kommt mehrfach auf Bildern Saverys, vor allem zwischen 1626 und 1628, vor. Das Britische Museum besitzt ein Tafelbild Saverys, das den Vogel einzelfigurig in ganzer Größe zeigt (Maße 80 x 105 cm). Gemälde und Zeichnungen wie zum Beispiel jene in der Crocker Art Gallery in Sacramento belegen, dass Savery seine Studien nach einem lebenden oder toten Exemplar angefertigt haben dürfte, wiewohl der Dodo sehr unterschiedlich überliefert ist, durchaus auch karikiert. 463 Vgl. R. Savery, Landschaft mit Vögeln, 1622, Prag, Nationalgalerie, 54 x 108 cm. Gegenstück zum Prager Paradies. Hier tauchen eine Fülle von Land- und Wasservögeln auf, darunter auch auffällige exotische Raritäten wie Kasuare, Dodos, Strauße und Kronenkraniche.

80

exotischen Tiere waren bis dahin völlig unbekannt. Diese fremdländischen, nicht in Europa beheimateten Lebewesen, waren sowohl für die Künstler als auch für die Auftraggeber wegen ihres seltenen Vorkommens von besonderem Reiz.

Bei freier Phantasie in der Kombinatorik der vielfältigsten Tiergattungen zeigen seine Gemälde eine naturwissenschaftliche Präzision in der Einzeldarstellung der Tierfiguren. In seinem „Prager Paradies“464 von 1618 (Abb.39) erscheinen in der Landschaft vereint Löwen (links), Hirsche, Kamel, Hunde, Fuchs und Leoparden, Wildschwein, Pferd, Bär und Strauß neben einer liegenden Kuh, einem Pelikan-Paar in der Mitte, einem Kronenkranich, Fasanen, Ochsen, Kamel und Hühnern rechts. Paare von Hunden, Leoparden, Hirschen, Wildschweinen und Löwen werden vorgeführt. Am oberen Rand des Hügels steht ein Wisent. Rechts am Rand eines Eichenhaines steht ein Dromedar, etwas tiefer ein Bergziegenpaar. In der Luft schweben allerhand verschiedene Vögel, wie Kraniche, Adler, Papageien und Störche. Hinter der Senke bricht der Mittelgrund hell auf - dort spielt sich auf der Lichtung die Staffageszene ab: Fast miniaturmäßig gestaltet ist Adam zu erkennen, wie er den Tieren mit erhobener Hand einen Namen zuteilt („vocatio animalium“, Genesis 2, 19-20). Der Vordergrund ist durch eine Zahl sehr exakt wiedergegebenen Pflanzen und Blumen abgesetzt: u.a. Wein-Rose, Weiße Rose, Schwertlilien, Tulpe, Sommer- Knotenblume, Rote Türkenbund-Lilie, Silberdisteln, Akelei, Stockrose, Cyclamen, Weiße Narzisse und Nelke.

Mit der Konzentration auf die detaillierte, zoologisch und botanisch genaue Darstellung einzelner Tierarten zählt dieses Werk zu den reichsten und schönsten Paradieslandschaften überhaupt. Zum tierischen Repertoire R. Saverys lässt sich feststellen, dass die gleichen Tier- und Vogeltypen vielfach wiederkehren. Quelle künstlerischer Inspiration waren vermutlich die Kaiserlichen Tiergärten Rudolf II. in Prag auf dem Hradschin, wo Savery manche exotischen Tierarten studieren konnte.465 Weitere Kenntnisse der Tierarten dürften durch Tapisserien, Stiche, Zeichnungen und Gemälde von Zeitgenossen vermittelt worden sein. Auf welche Quellen seine gemalten Tiere zurückgehen, muss offen bleiben. Eine Zuordnung ist nur bei wenigen Werken möglich.466 Ohne Zweifel kann das wissenschaftliche Interesse, das sich in seinen Gemälde widerspiegelt, mit dem enzyklopädischen Sammlergeist, wissenschaftlichem Universalismus und Experimentierdrang am Prager Hof in Verbindung gebracht werden. Dort war Savery im Dienste des kunstliebenden Kaiser Rudolfs II. tätig. Den Zusammenhang zwischen Saverys Bildern mit Sammelcharakter und den begehbaren Sammlungen der Zeit stellt bereits Klaus Minges fest:

464 Vgl. Roelant Savery, Das Paradies, 1618, Prag, Nationalgalerie, Eichenholz, 35 x 107 cm. Seinem Entstehungsdatum zufolge steht das „Prager Paradies“ am Anfang einer Reihe von zahlreichen Arbeiten Saverys, deren Thema die Paradieslandschaft mit einer großen Zahl mannigfacher Tiere ist. 465 Roelant Savery hielt sich von 1604 bis 1612 in Prag auf. Das konzentrierte Studium der freien Natur oder in der Kaiserlichen Menagerie können zeichnerische Studien belegen: vgl. Darstellung eines Elefanten im Kunsthistorischen Museum in Wien; eines Dromedars im Museum Boyman van Beuningen; eines Kranichs in Kortrijk. 466 Ausst.-Kat. Köln 1985, S.119.

81

„Wie van Kessels Erdteilzyklus, sind die Tierbilder eines Roelant Savery (...) als gemalte Sammlungen aufzufassen, auch wenn sie, ohne Sammlungsräume abzubilden, die lebende Natur zum Gegenstand haben. In gesuchter Vielfalt und Genauigkeit werden Pflanzen und Tiere des jeweiligen Elements gezeigt, wie dies die Naturaliensammlungen ebenfalls zum Ziel hatten.“467

Die mythologische Paradieslandschaft: Orpheus mit den Tieren

Kompositorisch zeigen biblische Paradiesbilder eine enge Verwandtschaft zum mythologischen Bildthema Orpheus468, dem Sänger und Dichter, der durch sein Spiel auf der Leier oder Harfe selbst Bäume, Felsen und wilde Tiere bezaubern konnte (Ovid, Metamorphosen 10, 86-105). Das Thema war im byzantinischen Kulturkreis des frühen und hohen Mittelalters beliebt und erfuhr im 17. Jahrhundert eine auffallende Verbreitung in den Niederlanden, weil es der in jener Zeit überaus beliebten Vorstellung vom „Goldenen Zeitalter“ entsprach. Traditionsgemäß bildet die Tierwelt Leitmotiv und Blickpunkt der Werke, während Orpheus selbst zur Bedeutungslosigkeit zurückgedrängt ist. Der mythische Dichter Orpheus inspirierte vor allem Roelant Savery zu zahlreichen Darstellungen des beliebten Themas. Die Fülle seiner mit Dutzenden zahmer und wilder Tiere und Vögel bevölkerten Phantasielandschaften ist einmalig. Auf diesen Darstellungen wirkt Orpheus’ von der Lyra begleiteter Gesang so verzaubernd, dass sich die wilden und zahmen Tiere um ihn in einem paradiesischen Friedenszustand versammeln. Der mythologischen Sage nach änderten die Flüsse ihren Lauf und sogar die Götter der Unterwelt lauschten Orpheus Spiel wie gebannt.469

Abb.40 zeigt eine von vielen Orpheus-Darstellungen aus der Hand Saverys. Orpheus sitzt unter einem Baum und spielt auf einer Geige. Die Tiere sind durch einen Teich und einen weiten Landschaftsgrund in der Tiefe auf zwei Bildhälften voneinander getrennt. Unterschiedlichste Tiergruppen sind dargestellt: Links erscheinen Eber, Ziege, Hirsch, Löwe, Leopard und Pferd neben Fischreihern. Rechts hingegen Hunde, ein weißes Pferd, Bison, Strauß, Kamel, Elefant, Papageien und sogar ein Einhorn.

Vögel in der Landschaft

Die Paradiesthemen mit reicher Tierstaffage stehen formal in Zusammenhang mit Vogelbildern, die Land- und Wasservögel in Fülle zeigen.470 Im 17. Jahrhundert ist als populärstes Motiv das Vogelkonzert mit der Eule als Dirigent aufgekommen. Das Thema hat vermutlich in Fabeln und Volksmärchen seinen

467 Minges 1998, S. 99-100. 468 Orpheus ist der Sohn des Apollon und der Muse Kalliope, einer Tochter des Zeus und der Mnemosyne. Wie sehr das Orpheusthema damals geschätzt worden ist, zeigen musikalische Werke, wie z.B. die Oper Euridice von O. Rinucci und G. Peri (1600 aufgeführt) sowie der Orfeo von Striggio und Monteverdi (1607). Eine inhaltliche Analogie zu biblischen David-Darstellungen ist nachweisbar. Vgl. den Bericht des 1. Buches Samuel (16,14-23) über die Berufung Davids an den Hof des Königs Saul, dessen „böser Geist“ durch das Harfenspiel des bethlehemitischen Hirten besänftigt werden soll. Zur David-Orpheus-Ikonographie vgl. List 1993, S.78f. 469 Orpheus’ Spiel war so bezwingend, dass es ihm gelang, seine Gattin Eurydike aus dem Hades zurückzuholen. Vgl. Ovid, Metamorphosen 10, 1ff. Zum Orpheus-Mythos in der Kunst vgl. Semmelrath 1994. 470 Angeregt wurden solche Darstellungen von der persischen Buchmalerei des 15. Jahrhunderts. Vgl. Müllenmeister 1988, S.132.

82

Ursprung.471 Auf diesen Bildern haben sich Vögel verschiedener Art zum gemeinsamen Gesang versammelt, dirigiert von einer Eule oder einem Kauz über einem aufgeschlagenen Lieder- oder Textbuch. Das Thema kann auf die bis in die Antike zurückreichenden Tierparodien zurückgeführt werden, in denen Tiere als Musikanten auftreten.472 Da auch hier die Tierwelt Leitmotiv und Blickpunkt bildet, ist es nicht abzugrenzen von traditionellen Paradiesbildern. Möglicherweise war der flämische Maler Frans Snyders der erste, der das Vogelkonzert als selbständiges Thema in der Tafelmalerei behandelte.473 Auf seinem Gemälde in der Eremitage St. Petersburg (Abb.41) haben sich auf zwei Bäumen (Eichen?) mit nahezu abgestorbenen Ästen ein Pfauenpaar, ein Ara, ein Reiher, ein Adler, ein Falke, ein Schwan, zwei Elstern, zwei Wiedehopfe, zwei Kernbeißer, zwei Rohrdommeln, ein Tukan, ein Eichelhäher, Rotbugamazonen, Tauben, Singvögel und andere zum gemeinsamen Gesang versammelt. Auch eine Fledermaus hat sich eingefunden. An einem Ast ist ein aufgeschlagenes Notenbuch aufgehängt, auf dem ein Käuzchen als Dirigent sitzt. Weitere Vögel, darunter eine Bekassine und ein Pirol, fliegen herbei. Manche Vögel zeigen eine intensive Körpersprache durch weit aufgerissene Schnäbel. Jeder Vogel kommt in seiner Art zur Geltung, zeigt die typischen Verhaltensweisen und ist artgerecht erfasst. Insgesamt zeichnet sich das Gemälde durch die Vielfältigkeit der Vogelarten und die Genauigkeit der Naturbeobachtung aus. Das Gemälde wurde später von Jan van Kessel474 kopiert und durch eine weite Buschlandschaft mit Herrenhaus, Pferd und Jäger erweitert (Abb.42). Im 17. Jahrhundert beschäftigten sich noch weitere Künstler mit dem beliebten Sujet der Vogelversammlungen, aus dem sich dann ein selbständiges Genre entwickelte. Spezialisten für Tierstücke mit diesem Thema waren neben Frans Snyders dessen Schwager Paul de Vos und Melchior de Hondecoeter (1636– 1695). Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts konzentrierten sich die niederländischen Maler verstärkt auf die Schwerpunkte, die für das niederländische Tierbild charakteristisch geworden sind: das „Viehstück“475, das Nutztiere auf der Weide zeigt, das „Jagdstück“476, das den Kampf von Hunden mit Beutetieren schildert, und den „Geflügelhof“477.

471 In Äsops Fabel vom Statthalter der Vögel ist die Eule lange Zeit wegen ihrer Redlichkeit Amtsinhaberin, bis die Vögel, ihrer überdrüssig, den Habicht wählten und zu spät seine Grausamkeit und Habgier erkannten. Vgl. Esopus von Burchard Waldis, hrsg. von Julius Tittmann, 1.-2. Teil, Leipzig 1882, Nr. 85 des 2. Buches, Bd. 1, S. 270f. 472 Robels 1989, S.114. 473Ausst.-Kat. Köln 1992, S.476 sowie Robels 1989, S.114. 474 Hella Robels betrachtet die Zuschreibung an Jan van Kessel als unglaubwürdig. Vgl. Robels 1989, S. 465. 475 Der Sammelname „Viehstück“ ist eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts. Im 17. Jahrhundert werden die Bilder in der für „niedere“ Sujets und kleinere Formate gebräuchlichen Diminutivform als „koeitje“, „Stukje met koeijen en schaapjes“ u.ä. bezeichnet. erfand in seinen Künstlerbiographien 1715-1721 die Bezeichnungen „zahmes Vieh“ und „Schlachttiere“ zur Unterscheidung von „wilde dieren“ und „Jachtdieren“. Vgl. Raupp 2004, S.31. 476 Bilder von Tierkämpfen, jagenden Raubtieren, vor allem aber Darstellungen von Hunden auf der Jagd und beim Bewachen der Beute gehörten zu den erfolgreichen neuen Schöpfungen der flämischen Maler um Peter Paul Rubens, Frans Snyders und Jan Fyt. Diese Bilder bedienen zweifellos die Interessen der Sammler an den elitären Jagdprivilegien. 477 In die flämische Malerei wird das Thema des Hahnenkampfes 1615, das Thema des Geflügelhofes um 1630 durch Frans Snyders eingeführt und hat sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts auch in den nördlichen Niederlanden verbreitet. Der führende Spezialist auf diesem Gebiet wurde Melchior de Hondecoeter, dem sogar der Ehrentitel „Raffael der Tiere“

83

Neben dem Paradiesthema wurde im Zeichen der „Vier Elemente“ die Artenvielfalt der Fische und der Reptilien, der vierfüßigen Tiere und der Vögel geschildert. Ein verwandtes Thema waren die „vier Erdteile“478, in dessen Darstellung immer wieder seltene und exotische Tiere auftauchen.

3.5.2 Naturhistorisch-enzyklopädische Sammelbilder

Zu den Bildgattungen mit Sammlungscharakter zählen auch die im 17. Jahrhundert entstandenen naturhistorisch-enzyklopädischen Stillleben. Sie führen eine Fülle verschiedener botanischer oder zoologischer Arten vor und laden den Betrachter zu einer genauen Bestimmungsarbeit ein. Jede Kontextualisierung der dargestellten Sammlung fehlt. Erstmals lösen sie das Thema aus anderen funktionalen Zusammenhängen und machen es zu einem selbständigen Bildthema. Aus größeren Arrangements werden Teilbereiche isoliert, um zu eigenen Stillleben zu kommen. Menschliches Personal wird verdrängt und Teilbereiche der Kunstkammerstücke werden quasi ausgeschnitten. Die Gemälde repräsentieren Sammlungen im Kleinen, die selber wieder Sammlungsgegenstand werden können.

Der Bildmodus des streumusterartig angelegten Sammelbildes wurde um 1560 erstmals von Ludger tom Ring D.J. und Tobias Stimmer verwendet. In tom Rings „Tierbild mit Ginsterkatze“479 (Abb.43) sind ohne erkennbaren kontextuellen Zusammenhang und in der Art farbiger Studien einzelne, aus verschiedenen Augpunkten gesehene Vögel oder seltene Tierkuriositäten in bzw. vor monochromem Grund zusammengruppiert.480 Neben Igel, Hund, Großem Kohlweißling, Haselmaus, Hauskaninchen, Tagpfauenauge, Maikäfer, Heuschrecke, Libelle, Baumfrosch, Indischem Mungo, Fliege und Fledermaus erscheinen auch die aus Nordafrika und Südwesteuropa stammende Genettkatze und die sog. Pharaoratte (Herpestes ichneumon), das heilige Tier der alten Ägypter.481 Streumusterartige Sammelbilder wie diese zeigen eine neue lkonographie, die eindeutig der beschriebenen Sammlungspraxis ihrer Zeit entstammt. Gleiches gilt für die Sammlungsbilder Joris Hoefnagels, die ebenfalls konkrete Wurzeln in der Sammlungspraxis haben, wie Thomas DaCosta Kaufmann nachweisen konnte.482 Der Streumuster-Typus fand weite Verbreitung und langanhaltende Nachahmung. So malte Jan van Kessel noch um 1660 bilderbogenartige Schautafeln mit einer Fülle von bis zu 40 Insekten (Abb. 44).

Mit seinem Gemälde konnte sich der Sammler einen Naturausschnitt in seine Kunstkammer holen. Hans Holländer zufolge kam den naturhistorisch- enzyklopädischen Bildern in den Kunstkammern ein wichtiger Stellenwert zu: Indem sie primär außereuropäische Objekte zeigen, unterstützen sie gleichsam

zuerkannt wurde. Seine Hühnerhöfe mit prächtigem exotischen Ziergeflügel wurden zu Statussymbolen und dienten als Ersatz für den nur wenigen vorbehaltenen Besitz. 478 Vgl. Haak 1984, S.147f. 479 Öl/Holz, Münster, Westfälisches Landesmuseum, um 1560. 480 Lorenz 1996, Bd. II, Katalognummern 90–95. 481 Zur Tierbestimmung vgl. Lorenz 1996, S. 422. Die Tiere sind teilweise nach präparierten Exemplaren oder nach anderen Kunstwerken gemalt und zeigen manche Ungenauigkeit. 482 Vgl. DaCosta Kaufmann 1993, S.36ff.

84

den enzyklopädischen Totalitätsanspruch der Sammlung und deren Ordnung.483 Während in den realen Sammlungen heterogene Dinge zusammen arrangiert wurden, blieben im Sammelbild in der Regel gleichartige Gegenstände unter sich. Zu den konkreten Bildgegenständen, die sich mit dem neugierigen Blick in Verbindung bringen lassen, zählen in erster Linie Muscheln (Konchylien, also Muscheln und Meeresschnecken) und Blumen.

Konchylien

Unter den bevorzugten Sammlungsgegenständen des 17. Jahrhunderts rangierten Muscheln und Schnecken sehr weit oben. Mit ihren bizarren Formen und abwechslungsreichen Zeichnungen galten sie als Wunderwerke der Natur und als Beleg für deren unerschöpflichen Formenreichtum. Besonders schöne oder auffällige Exponate traten so in den fürstlichen Kunstkammern in Konkurrenz zu Zeugnissen menschlicher Kunstfertigkeit. Die Bedeutung der Muschel für das Sammlungswesen beruhte auf mehreren Faktoren. Zum einen faszinierte das „Wunder“, dass ein Weichtier aus nichts als Wasser eine harte Schale hervorbringen kann, die sich dann wiederum als Muschelkalk in der Erde findet. Konchylien galten damit als Beweis für die Transformationslehre des Aristoteles, nach der sich jedes Element in ein anderes umwandeln lässt. Die Schale selbst zeichnet sich bei Muscheln durch schillerndes Perlmutt und bei Schnecken durch einen luziden Glanz aus, den man auch am chinesischen Porzellan bewunderte und nachzuahmen suchte. Neben ihrer stofflichen Schönheit zeigt der spiralige Aufbau des Schneckengehäuses auch theoretische Perfektion, denn er lässt sich mathematisch durch die Fibonacci-Folge genau beschreiben und lieferte so einen Zusammenhang zwischen den artes liberales und der Natur. Für Sammler ein hinreichender Grund, Höchstpreise für fehlerfreie Exemplare zu zahlen. Dazu trat die Überlieferung aus Mythologie und Christentum. Bereits in der antiken Sage galt die mythische Geburt der Venus aus der Muschelschale als Zeichen von Fruchtbarkeit und Liebe. Diese heidnische Symbolik setzte sich auch in der christlichen Ikonographie fort: Da Johannes der Täufer eine Muschel als Instrument benutzte, um Wasser über das Haupt Christi zu gießen, galt das Gehäuse als Symbol für Taufe und Erlösung.484 Die Fähigkeit mancher Muscheln, im Inneren eine Perle scheinbar aus dem Nichts entstehen zu lassen, ließ sie zum Sinnbild der unbefleckten Empfängnis Mariae werden. Darüber hinaus waren Konchylien auch als Zeichen zeitloser Beständigkeit beliebt, da die Schale nach dem Verenden ihres Bewohners überdauert und so dem menschlichen Wunsch nach Ruhm über den Tod hinaus entsprach. Die Vielzahl möglicher Bedeutungen verlieh Muscheln und Schnecken eine besondere Wertschätzung und machte sie als Sammelgut unverzichtbar.485

Ein „gemaltes Inventar“ des Teilbereichs einer Kunstkammer präsentiert Jan Davidsz. de Heem (Abb.45). Eventuell lag hier der Auftrag eines Schneckensammlers vor, der seinen kleinen Schatz im Bild festzuhalten wünschte.486 Es handelt sich um zum Teil äußerst kostspielige Raritäten, die

483 Holländer 2000, S.20. 484 Vgl. dazu auch Minges 1998, S.102f. 485 Vgl. Dance 1985, S. 14-17. 486 Ausst.-Kat. Essen 2002, S. 106.

85

wie Preziosen gehandelt und gesammelt wurden. Dieser Absicht folgt auch der Bildaufbau: Um alle Stücke möglichst deutlich sehen zu lassen - freilich ohne zoologische Systematik -, wählte der Maler ein Arrangement treppenförmig angelegter Steinblöcke (z.T. sind es alte Gesimsteile), auf denen die Stücke wie auf Etageren ausgebreitet sind. Anstatt an ihrem üblichen Aufbewahrungsort in einer Kunst- und Wunderkammer, wo sie gelegentlich, wenn auch in viel kleinerem Umfang, zu sehen sind, wurden diese Naturalia im Freien porträtiert, ihrem Ursprungselement gemäß am Meer, auf das ein Weißstirn-Amazonaspapagei (aus Mittelamerika) hinauszukrächzen scheint. Seine Heimat ist weit, ebenso wie die der toten Konchylien, deren Lebensraum bis auf wenige Ausnahmen der Indopazifik (holländische Kolonie) ist. Auch die Bälge der Paradiesvögel487 aus Neuguinea und den benachbarten Inseln sind wertvolle Exotica.

Ein weiterer Beleg für das Sammeln teurer Meeresmuscheln in den Niederlanden ist das Muschelstillleben von Balthasar van der Ast (Abb.46). Es war vermutlich eine Auftragsarbeit für einen Muschelsammler.488 Die abgebildeten Muscheln sind exotischen Ursprungs. Bergström hat als Herkunftsländer der Exemplare Ostindien, Westafrika, Südafrika, Florida und Cuba aufgeführt.489 Trotz der scheinbar zufälligen Anordnung auf einem Tisch hat das Ensemble den Charakter eines Kataloges, denn jede Muschelgattung ist nur einmal vertreten.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die beiden Gemälde einen realen Sammlungsbestand abbilden, da diese an einem fiktiven Ort - zum Teil ergänzt durch weitere Exotica - außerhalb der Kunstkammer angeordnet sind. Vermutlich handelt es sich eher um „imaginäre Sammlungsbilder“, durch die der jeweilige Auftraggeber oder Käufer eventuell an seine weiten Reisen erinnert werden wollte, oder aber seine eigene Kollektion durch weitere gemalte Stücke ergänzen wollte. Ohne Zweifel illustrieren die Gemälde den individuellen Stolz des Sammlers und sein Bedürfnis, den Ruhm seiner persönlichen Sammlung zu mehren.

Blumenbuketts/-porträts

In den Kunstkammern der Zeit waren Blumenbuketts als gemalte Sammlungen besonders beliebt. Ihre Entstehung lässt sich von den Interessen der Fürsten herleiten, denn in deren Gärten wurden Pflanzen unter anderem wegen ihrer Seltenheit oder Kostbarkeit gesammelt. Blumen, vor allem kostbare Tulpen, nahmen dabei wie Seeschnecken und Edelsteine als Naturalia den gleichen Rang ein wie Gemälde und Skulpturen. Dass in den Blumenstilleben häufig seltene Muscheln und wertvolle Münzen dargestellt wurden, verweist darauf, dass diese Motive ihre Darstellung den zeitgenössischen Kunstkammern verdanken.

487 Bei den drei Bälgen handelt es sich um den Großen Paradiesvogel, den Königsparadiesvogel und den Kleinen Paradiesvogel. 488 So Haak 1984, S.206. 489 Bergström zählt folgende Muschelarten auf: Mitra episcopalis (Ostindien), Pusionella nifat (Westafrika), Turbo sarmaticus (Südafrika), Liguus fasciatus (Florida) und Polymita picta (Kuba). Vgl. Bergström 1983, S. 70.

86

Die enzyklopädischen Darstellungen wertvoller und seltener Blumen, die auf dem Markt für enorme Summen gehandelt wurden, sind auf ein neugieriges Sehen abgestimmt, welches die wertvollen Blüten erkennt und einschätzt. Sie bestechen durch ihre präzise Formulierung aller Einzelheiten.

Das „Blumenstück“490 von Bosschaert (1573–1621) zeigt ein reiches Blumenbukett mit einer großen Zahl von Blumen der verschiedensten Sorten (Abb.47). Die Blüten sind deutlich unterscheidbar nebeneinandergesetzt und in kalligraphischer Akribie dargestellt. Zu identifizieren sind gelbe Iris, verschiedene Tulpen, Akelei, die Traubenhyazinthe, Blaustern, die mehrblütige Narzisse, die weiße Narzisse, Vergissmeinnicht, Hornveilchen, Alpenveilchen, Maiglöckchen, Tagetes, Heckenrosen, Ringelblumen, Rosen, die Schachblume, Teufelsauge, Anemonen und breitblättrige Kaiserkronen. Hier erscheint die Vase in einer rundbogigen Fensternische, die den Blick in eine weit gedehnte Landschaft öffnet. Das Bild erscheint als Fensterersatz, das den imaginäre Blick nach draußen freigibt und damit das Draußen in den Raum hineinholt. Der gemalte Steinbogen ist ein dekoratives Rahmenwerk, das den Gegenstand ausgrenzt aus der Nachbarschaft und den Standort des Betrachters als Innenraum bestimmt. In Bezug auf italienische Porträts, die den Dargestellten oft in einem Fensterrahmen zeigen, hat Langemeyer das Gemälde als „Blumen-Porträt“ bezeichnet.491 Das Bild ist kein Abbild eines realen Arrangements, eher ein „gemalter Katalog, ein gemaltes Inventar eines botanischen Gartens“492. Manche Blumenarten waren kostbare Raritäten, aus der Ferne neu eingeführt, gehegte und gepflegte Spekulationsobjekte. Insbesondere die im frühen 16. Jh. aus der Türkei eingeführte Tulpe erfreute sich in den Niederlanden großer Beliebtheit. Zwischen 1610 und 1620 wurde die Tulpe zu einer teuren, modischen und hochbegehrten Pflanze.493 Um 1633 begann die sogenannte „Tulpomania“, die etwa vier Jahre später ihren Höhepunkt erreichte. Ständig wurden neue Sorten entwickelt und zu unglaublichen Preisen gehandelt.494 Im Jahre 1637, bevor der spekulative Börsenhandel mit Tulpenzwiebeln zusammenbrach, sollte eine Zwiebel der Sorte Semper Augustus 10000 Gulden kosten - eine Summe, mit der sich ein Einfamilienhaus samt Garten und Remise an Amsterdams vornehmster Gracht erwerben ließ.495 Dabei richtete sich die Sammelwut nicht einfach auf einfarbige Tulpen, sondern primär auf solche, die eine geflammte oder gesprengte Zeichnung aufwiesen, und die sich nicht züchten ließen.496

490 Öl auf Holz, 64 x 46 cm , um 1620, Den Haag, Mauritshuis. 491 Langemeyer 1979, S.22. Zum Vergleich verweist er auf das Titelblatt des Herbariums von John Gerarde, 1636, das ebenfalls Blumen in einer Fensternische zeigt, die mit kalligraphischer Akribie gezeichnet sind. 492 Ebd. S.20. 493 In den gemalten Sträußen tauchen immer wieder Tulpen in den verschiedenen Farben und Sorten auf. Manche Darstellungen zeigen eine einzelne Tulpe in einer Vase. Vgl. Dirck van Delen, Tulpe in einer Porzellanvase, 1637, 38,5 x 29 cm, Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam. 494 Vermutlich war es Clusius, der bei der Einführung dieser exotischen Pflanze die Hauptrolle spielte. Er war Leiter des kaiserlichen Heilkräutergartens in Wien gewesen, wo man Tulpen früher als in Holland gezogen hatte. Als er 1593 nach Leiden kam, brachte er einige Zwiebeln mit. Um 1630 war die Verbreitung der Tulpe soweit gediehen, dass man über 140 Arten kannte. 495 So Dash 1999. 496 Die Flammung der Tulpen beruhte, wie man heute weiß, auf einem Virus, mit dem die Zwiebeln befallen waren.

87

Für die Darstellungswürdigkeit der Blume war ihr Warenwert entscheidend. Der hohe Wert der Blume und der hohe Wert des Bildes entsprechen sich. Sie waren gleichzeitig Objekte für Forscher, Sammler und Spekulanten.497 Man darf annehmen, dass diese teilweise auch Auftraggeber und Käufer dieser Bildgattung gewesen sind. Die Gattung der Blumenstillleben illustriert das Ausmaß der Gewinnsucht, welches die curiositas im 17. Jahrhundert angenommen hatte. Auf den Zusammenhang der Entdeckungsreisen verweisen die beiden Schnecken im Vordergrund rechts. Nach Bergström498 handelt es sich um Nerita versicolor (Gmelin) aus der Karibik und Murex endivia (Lamarck) aus Indonesien. Sie stammen also nicht von der niederländischen Küste, sondern sind als Importe Zeugnisse für den überseeischen Handel, geschätzte Souvenirs und begehrte Sammelobjekte.

Das neugierige Auge des Betrachters kann entdecken, dass die dargestellten Blumen in der Natur nicht gleichzeitig blühen. Indem die Blumen nicht nur einer Jahreszeit entstammen, wird eine fiktive Situation dargestellt, die überzeitlich ist. Der Maler verdichtet den floralen Makrokosmos in den Mikrokosmos einer Vase.499

Blumenstillleben bilden auch eine eigene Gattung im Werk Jan Brueghels d. Ä.. Seine Blumenstücke zeichnen sich durch die hochgestaffelte, dichte und regelmäßige Anordnung einer Vielzahl von Blumen aus, die mit ihren korrekt wiedergegebenen Blüten aus verschiedenen Jahreszeiten stammen. In seinem Wiener Kaiserkronenstrauß (Abb.48), finden sich 130 verschiedene Blumenarten.500 Sie stellen sich dem Betrachter zunächst als unentwirrbares Gefüge dar. Die Isolierung der Blumen vor einem dunklen Hintergrund unterstreicht den Porträtcharakter und ihre Stellung in der Kunstkammer. Der Reiz solcher Blumenbuketts liegt in ihrer naiven, exemplarischen Zusammenstellung verschiedener Blumenarten gleichsam zu einem Idealbukett von bunter Leuchtkraft. Kostbar waren sie nicht nur ihrer dargestellten Kuriositäten wegen, sondern darüber hinaus auch noch ihrer technisch-handwerklichen Finesse halber. Die künstlerischen Mittel waren wertsteigernd. Sie bestechen durch ihre kunstfertige Natürlichkeit, ihren feinmalerischen Realismus und hingebender Genauigkeit - sie stellen eine ungeheuere Kuriosität dar. Zugleich aber durchkreuzen sie - wohl zum Genuss des Betrachters - diese Suggestion unmittelbar wieder mit der Zusammenstellung ungleichzeitiger blühender Pflanzen. In begehbaren und gemalten Sammlungen gab es eine Vorliebe für Übergänge zwischen Kunst und Natur: Gerade der ornamentalen Künstlichkeit ihrer Komposition wegen, welche eine die Natur übertreffende menschliche Ordnung betonen, galten Breughels „Blütentürme“ als kurios und staunenswert. Ihre „überbietende Natursimulation“501 macht sie zu einem begehrten

497 Auf die aktive Rolle der Sammler beim Tulpenhandel wurde häufig aufmerksam gemacht. Gerade die Sammler gehörten in erheblichem Maße zu den Kreisen, in denen schließlich die Tulpomanie ihren Höhepunkt erreichte. Vgl. dazu Ausst.-Kat. Dresden 2004, S.161. 498 Bergström 1983, S. 64-65. 499 Vgl. Markt- und Küchenstillleben, die häufig ein verschwenderisches Angebot an Kuriositäten zeigen. Deren Ernte entstammt auch nicht nur einer Jahreszeit, sondern sie ist überzeitlich. 500 Ertz 1979 zeigt eine Skizze, auf der alle Arten verzeichnet sind. Die seltenen Pflanzen hat Jan Breughel d. Ä. vermutlich im botanischen Garten Erzherzogs Albrechts VII. studiert. 501 Welzel 2000, S.556.

88

Kunstkammerstück. Laut Stoichita ist der Blumenstrauß „zugleich ein typisches Sammlungsbild und Schild der Sammlung“502.

Blumenbilder wurden immer wieder in ihrer symbolischen Bedeutung als Demonstrationen der Vergänglichkeit bzw. der Mahnung an die Vergänglichkeit verstanden.503 Allerdings konnte der Maler mit ihnen auch beweisen, dass es möglich ist, Vergängliches mit Hilfe der Kunst festzuhalten.504 Die zeitliche Begrenztheit, der die natürlichen Blumen unterliegen, weil sie immer wieder vergehen, ist in den gemalten Blumenstilleben aufgehoben. Die Vergänglichkeit des Daseins wird durch die Malerei überwunden und beweist so den herausragenden Rang, der ihr unter den Künsten zukommt.

3.6 Kunsthistorische Einordnung des Kasseler „Tierstücks“

Als reines Tierstück bedarf das Kasseler Menageriegemälde der ikonographischen Einordnung. Zu seiner Entstehungszeit zwischen 1722 und 1729 erfreute sich das Tierbild in ganz Europa einer großen Beliebtheit und konnte auf eine lange malerische Tradition zurückblicken. Mit dem Merkmal einer komponierten Gesamtschau steht das „Tierstück“ in der Tradition der niederländischen Sammelbilder des 17. Jahrhunderts. Der Maler Roos hat zwei Arten der Sammelbildgattungen miteinander kombiniert und damit ein einzigartiges Zeugnis hinterlassen. Doch schon auf Grund seiner Größe nimmt das Kasseler „Tierstück“ eine Sonderstellung ein. Sein wandfüllendes Format war möglicherweise schon im Hinblick auf die Präsentation im Kasseler Kunsthaus konzipiert worden. Es steht also unmittelbar im Zusammenhang mit der begehbaren Sammlung der fürstlichen Kunstkammer.

Friedliches Tierparadies

Das Kasseler Gemälde bildet eine Vielfalt domestizierter und exotischer Tiere und Vögel friedlich vereint in ihrem natürlichen Lebensraum ab, wie sie kaum in Menagerien gehalten worden sind. Die harmonische Darstellung der unterschiedlichen Tiergattungen ohne Zaun, Gitter oder Mauer einer Menagerie erscheint als Vision eines irdischen Tierparadieses, entrückt in eine Zeit ohne Menschen. Es entspricht nicht dem Abbild einer realen Menagerie mit der Haltung von Tieren in Käfigen, Tierhäusern oder Volieren, sondern steht ikonographisch den traditionellen Paradiesdarstellungen des 17. Jahrhunderts nahe, welche die Utopie von der friedlichen Koexistenz aller Lebewesen zum Thema haben. In Kapitel 3.5.1 konnte die enge Verwandtschaft zu den Paradiesdarstellungen eines Roelant Savery oder Breughel herausgestellt

502 Stoichita 1998, S.426f. 503 Paulußen 1997, S.151, weist darauf hin, dass die Vanitasdeutung vielfach zu einer leeren Interpretationsformel geworden ist. 504 Vgl. das Zitat des Kardinals zu den Blumenbildern Jan Brueghels: „Wenn der Winter naht und alles mit Eis überzieht, hat mich der Anblick – und ich imaginierte sogar den Geruch – wenn auch nicht von echten, so doch von künstlichen Blumen [..] erfreut, wie er sich in Malerei ausdrückt, [...] und in diesen Blumen wollte ich die Vielfalt der Farben sehen, die nicht verfliegen wie bei einigen Blumen, die [in der Natur] angetroffen werden, sondern beständig sind.“ Zitiert aus Welzel 2000, S.555.

89

werden, die ähnliche „Harmoniebilder der Natur“505 geschaffen haben. Die enzyklopädische Bandbreite dieser Tierdarstellungen, die Dominanz des Exotischen gaben möglicherweise Anregungen für Roos. Die Übereinstimmung zeigt sich mit dominierender idyllischer Komponente – der Chiffre himmlischen Friedens. Roos befreit sich vom ikonographischen Gerüst der Bibelillustration und zeigt sich unabhängig von literarischen Vorbildern. Er scheint Tier- und Landschaftsgemälde von Savery und Jan Brueghel d. Ä. gekannt zu haben.506 Möglicherweise ist er ihnen in seiner Studienzeit 1684 – 1685 in Holland begegnet. Neben der Vorstellung von dem Reichtum der Tierwelt ist die ähnliche kompositionelle Gestaltung von Vorder-, Mittel- und Hintergrund vergleichbar. Ähnlich Breughel benutzt Roos kahle Bäume zur Gliederung der Bildfläche.507 Damit steht das Kasseler „Tierstück“ in einer niederländischen Tradition

Repräsentationsfunktion

Als Sammelbild wertvoller gemalter Raritäten steht das Kasseler „Tierstück“ anderen zoologischen Stillleben nahe, die bevorzugt Muscheln und Blumenbuketts zeigen. Vergleichbar ist die fast collageartige Auffassung, die der Komposition zugrunde liegt. Grundfunktion dieser Gemälde ist die Repräsentation508, die Abwesendes im Bild anwesend macht. Innerhalb des enzyklopädischen Charakters der fürstlichen Kunstsammlung haben die abgebildeten Tiere eine Stellvertreterfunktion als „natura“. Sie verweisen auf die reale Menagerie im nahegelegenen Park, in der die wertvollen Tiere zur Unterbringung in Tierhäusern und Freigehegen gehalten wurden. Das Gemälde ist Ausdruck des Bedarfs, gerade die Lebewesen (oder Gegenstände) durch Abbildungen zu ersetzen, die man aus praktischen Gründen nicht in seiner Sammlung aufbewahren konnte: „Sammler brauchten Abbildungen, die so einzigartig waren, dass sie das betreffende Objekt ersetzen, und so genau, dass sie als Zertifikate für den Besitz gelten konnten.“509 Kurfürst Otto Heinrich von der Pfalz (1502 - 1559) zum Beispiel ließ 1541 einen großen Ochsen abmalen, um seine Sammlung dadurch zu komplettieren: „dieswil wir nun bisher und noch mit allerley seltzamen tiern versehen und dieselben all abconterfecten oder malen laßen und solche ochsen auch gern darbey haben wollten“.510 Die Auffassung von Bildern als Realitätsersatz klingt hier an und lässt dem Gemälde eine Stellvertreterfunktion zukommen – es soll die auf ihm abgebildete Wirklichkeit vertreten und dauerhaft der Sammlung eingliedern.

505 Vgl. Ausst.-Kat. Köln 1985, S.146. 506 Davon geht auch Lehmann aus. Vgl. Lehmann 2009, S.36. 507 Vgl. ebd. S.36. 508 Auf diese anthropologische Grundfunktion der Malerei verweist Alberti (1404-1472) in „De Pictura“. Im zweiten Teil seines Traktates gibt Alberti auf die Frage, wozu Menschen malen, ausführlich Antwort. Unter der Bedingung, dass gemalte Bilder beim Betrachter die Vorstellung von Wirklichkeit hervorrufen, können sie die folgenden Funktionen haben. „In der Tat, sie [die Malerei] birgt eine geradezu göttliche Kraft in sich und leistet nicht nur, was man der Freundschaft nachsagt - dass sie Abwesende vergegenwärtigt - ; vielmehr stellt sie auch Verstorbene vor Augen, sogar noch denen, die viele Jahrhunderte später leben. Das aber trägt dem Künstler Bewunderung ein und verschafft den Betrachtern Lust.“ Zitiert aus: Alberti 2000, § 25. Vgl. dazu auch Kruse 2003. 509 Zitiert nach Daston/Park 2002, S.335. 510 Zitiert aus Büttner 2000, S.148.

90

Mit Hilfe des Abbildes kann sich der Auftraggeber einen Naturausschnitt in seine Kunstkammer holen, damit seine Sammlung vervollständigen und der Forderung nach universalem Wissen nachkommen. Der bekannte Topos einer Identität des Kunstwerks mit dem Naturding führt zur Überwindung der Bildgrenze: Da das Bild selbst das „Leben“ ist, gleicht das Betrachten dieses Bildes dem direkten Besuch einer Menagerie511:

„Mit der Darstellung der Tiere [...] wurde ein nützlicher Aspekt verbunden: Mit Hilfe eines gemalten oder gezeichneten Tieres konnte man ganz friedlich im Lehnstuhl verreisen, konnte gefahrlos fremde Länder besuchen oder seltene Tier- und Pflanzenarten dokumentieren.“ 512

In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis in vielen Traktaten über das Sammlungswesen zu verstehen, dass der Besuch einer Kunstkammer eine gefährliche Reise ersetzen könne.513 Im gleichen Sinne wurden Kunstkammern in den Niederlanden gelegentlich als gekomprimeerde wereld bezeichnet.514 Das Verhältnis von Abbild und Wirklichkeit verweist auf die Vergleichbarkeit der begehbaren mit den gemalten Sammlungen der Naturwelt. Damit vermittelt das Gemälde die gleichen Aussagen wie eine reale Menagerie und ist darüber hinaus selbst ein Kunstwerk, das seinen festen Platz in einer Kunstkammer einnimmt.

Kunst und Natur im Wettstreit

Die gemalte Tiersammlung visualisiert den paragone zwischen Natur und Kunst. Denn anders als artificialia und die meisten naturalia waren Menagerietiere wegen ihrer begrenzten Lebensdauer und fehlender Nachzuchten Besitztümer ohne Ewigkeitswert. Im Medium der Malerei konnten die lebenden Raritäten der Anschauung dauerhaft verfügbar gemacht werden. Vor dem Hintergrund der unvergänglichen Malerei können die Vorzüge eines künstlichen Tieres mit denen eines natürlichen verglichen werden. Die zeitliche Begrenztheit, der die natürlichen Tiere unterliegen, ist im gemalten Sammelbild aufgehoben: „Hier übertrifft die Kunst die Natur, weil sie das Paradies imaginierend vergegenwärtigen kann.“515 Die Fähigkeit der Malerei, dauerhaft „lebende“ Bilder zu schaffen, bewahrt ihre Geschöpfe vor dem Untergang. Innerhalb des paragone triumphiert die Kunst über die Natur: in der Unvergänglichkeit des Kunstwerke überwindet der Maler den Lauf der Vergänglichkeit und der Zeit. Dieses Verfahren entspricht der Wunderkammerästhetik. Das Gemälde zählt zu den Kunstkammerstücken, die die Grenze zwischen Naturwundern und Wundern menschlicher Kunst unscharf werden ließen. Als Knotenpunkt der Sammlung markierte es den Bereich der naturalia und artificialia. Gerade das galt als kurios und staunenswert.

511 Man spricht auch von der „Verlebendigung des Bildes“. Vgl. Weber 1991. 512 Büttner 2000, S.190. 513 Vgl. ebd. S.166ff. Bei Adam Olearius heißt es: „Solchen Liebhabern aber kann gutes theils geholffen werden, wenn sie an gewisse Oerter kommen, da man solche herzliche, rare, wunderbare und frembde Sachen in den Cabinetten, Musaeis, und Kunst-kammern zusammen getragen, findet, da man ohne Gefahr solche Dinge in Augenschein bekommen kan, die man sonst ausser dem auff weiten Reysen unmüglich alle antreffen wird.“ Zitiert aus Olearius 1674, Vorrede, unpaginiert. 514 Ganz 2006, S.174. 515 Welzel 2000, S.35.

91

Naturwissenschaftliche Dokumentation oder fiktionale Tiersammlung?

Als einzig erhaltenes Bildwerk einer fürstlichen Menagerie in Kassel kommt dem Gemälde ein besonders hoher kulturhistorischer Stellenwert zu. Die Frage nach der Authentizität der dargestellten Tiersammlung liegt nahe. Ist das Gemälde als naturwissenschaftliche Dokumentation der fürstlichen Tiersammlung anzusehen, oder eher ein fiktionales Abbild einer Tiersammlung, die der Landgraf so nie besessen hat?

In der neueren Forschungsliteratur wird es in der Regel als naturwissenschaftliche Dokumentation verstanden. Als Begründung dafür wird auf die Auftragsvergabe durch Landgraf Karl im Jahre 1722 hingewiesen, der „ein groß Stück worauff alle frembde Thiere zu sehen, so jemahlen in der Menagerie alhie gewesen“516 bei Roos bestellte. In der 2009 erschienenen Publikation von E. Lehmann wird das Gemälde als „eine informative Dokumentation der Tiere einer fürstlichen Menagerie in der späten Barockzeit“517 bezeichnet. Sie sieht „[...] die Menagerie des hessischen Barockfürsten für die Nachwelt verewigt.“518

Da das Gemälde in der Tradition der niederländischen Sammelbilder steht, liegt es eher fern, in der gemalten Tiersammlung eine reale Darstellung der in der abgebildeten Weise gehaltener Tiere sehen. In ihrer Mannigfaltigkeit zeigen typische Kunstkammerbilder das, was nicht real vorhanden war. Um die Charakteristik der Kollektion zu betonen, bildete ein Maler gerne sorgfältig ausgewählte Hauptwerke des Bestandes ab, auch wenn diese gar nicht in der eigenen Sammlung oder der des Auftraggebers aufbewahrt wurden.519 So konnte den Besuchern eine Bandbreite präsentiert werden, eine fiktionale Totalität. Die Zusammenstellung der Tiere muss nicht zwangsläufig die tatsächlichen Schätze des Sammlers dokumentieren, sondern kann auch seiner Fantasie oder der des Malers entsprungen sein. Der Maler Roos scheint seinen Auftrag mehr als erfüllt zu haben, da die Anzahl der dargestellten Tiere die aus den verfügbaren Dokumenten ermittelte Menge noch weit überschreitet. Es vermag uns durch den Schein der Authentizität zu täuschen. Die Darstellung wirkt wie ein Abbild einer existenten Sammlung, ist aber inszeniert und entspringt idealen Vorstellungen einer perfekten Kollektion. Der Maler hat mit seiner Bildkompilation einen idealen Zustand erzeugt. Es ist nicht als Katalogisierung der Kasseler Sammlung zu verstehen, sondern eher eine additive Montage mit dem Ziel des fiktiven Zusammenstellens. Mit der gemalten Tiersammlung konnte ein universaler Sammler wie Landgraf Karl im Bild Ersatz für nicht Erreichbares finden. Mit der Überbietung der realen Sammlung im Medium des Bildes kommt dem Gemälde die Funktion der imaginären Inbesitznahme zu. Der Maler übertrifft im Medium des Bildes nicht nur die Natur, sondern auch die tatsächliche Sammlung des Landgrafen. Als imaginäre Sammlung verbindet das Gemälde die Funktion des Bildberichts mit

516 Archiv MHK, Vermerk vom 30.9.1727. 517 Lehmann 2009, S.44. 518 Ebd. S.28. 519 Auf diese übliche Praxis hinsichtlich der Sammlungsbilder verweist Minges 1993, S.99: „Nur bedingten Aufschluß allerdings dürfen wir von ihnen über das reale Aussehen der Sammlungen erhoffen, denn eine Kritik dieser Gattung macht deutlich, dass den Malern nicht allein der Augenschein realer Kollektionen Modell stand.“ Vgl. ebenfalls ebd. S.101f.

92

dem der Repräsentation. Der Besitzer des Gemäldes kann seinen Besuchern die Bandbreite seiner naturkundlichen Kenntnisse und Interessen verdeutlichen und damit seinen Ruhm erhöhen. Auf diese Weise wurde selbst in den Tieren die Machtfülle des Herrschers versinnbildlicht.

Auf ein erfundenes Tierparadies weist auch die gemalte Hintergrundlandschaft hin, die eben nicht den Kasseler Auepark mit Tierhäusern zeigt, sondern eine kombinierte Fantasielandschaft. Die Signatur des Malers520 mit dem Zusatz „ad vivum“ an der unteren Bildkante bedeutet „Nach dem Leben“ gemalt. Nach damaliger Auffassung konnten damit auch ausgestopfte Tiere, Zeichnungen und Werke der Druckgraphik gemeint sein. Damit hängt auch zusammen, dass die Maler dieser Bilder nicht direkt nach dem lebenden Modell, sondern nach Präparaten gearbeitet haben. Das „Tierstück“ kann keinen Aufschluss über das reale Aussehen der Menagerie des Landgrafen Karl geben. Als typisches Sammlungsbild ist es eher als Metonymie der Sammlung wahrzunehmen, das seinen Verweiszusammenhang innerhalb der als Mikrokosmos organisierten Sammlung entfaltet.

Die „Königin der Nacht“

Eine dem „Tierstück“ vergleichbare Strukturparallele zeigen zwei ältere Sammelbilder von Roos, die er bereits 1706 vermutlich ebenfalls im Auftrag Landgraf Karls gemalt hat. Die als Pendants angelegten Werke zeigen ein fremdländisches Gewächs in Knospe und Blüte (Abb.49). Es handelt sich um die „Königin der Nacht“521 (Cereus serpens; Selenicereus grandiflorus) - auch Schlangenkaktus genannt -, eine amerikanische Kakteenart, die zu den botanischen Attraktionen des 18. Jahrhunderts zählte, weil ihre Blüte in einer einzigen Nacht stattfindet. Nach Zedler kann sie „[...] mit guten Recht für die allerschönste unter denen Blumen geachtet werden. Mit angehendem Tage aber verliert sie auf einmal alle Pracht und Herrlichkeit.“522

Die beiden Gemälde werden im Kunsthaus-Inventar von 1730 und 1744 als „Zwey lange stücke, eine gattung aloe in pötten dabei eine blühend“ aufgeführt.523 Innerhalb der begehbaren Sammlung der Kunstkammer spiegeln sie das Interesse am Exotischen und die Vorliebe für Übergänge zwischen Natur und Kunst. Als Kunstkammerbilder erweckten sie Neugier und lösten Assoziationen mit dem Fremdartigen und Wunderbaren aus. Darüber hinaus verwiesen sie auf die botanischen Gärten, in denen die höfische Aristokratie ihren Besuchern die pflanzlichen „Wunder“, die zahlreichen erlesenen und fremdartigen Gewächse aus der gerade entdeckten Neuen Welt, die man in Europa zu akklimatisieren versuchte, vor Augen führte. Den Gärten kam im „theatrum“ höfischer Sammlungen eine überschätzende Bedeutung zu, wurden sie doch „zu Mikrokosmen der Natur und zu Kosmen der Kunst.“524

520 Die Signatur befindet sich an der unteren Bildkante, links neben dem großen Stein, direkt unter einem Lorbeerzweig. Die Inschrift endet mit der lateinischen Bemerkung „Finis coronat opus“. 521 Verbreitungsgebiet: Mittelamerika und nördliche Karibik (Veracruz, Kuba, Jamaica, Dom. Republik, Haiti) 522 Zedler 1732-1750, Cereus Americanus serpens, S.1880f. 523 Kunsthaus-Inv. 1730 und 1744, Nr. 773 und 774; Inv. 1875, Nr. 1607 und 1608. 524 Welzel 2000, S.41.

93

Gemälde von raren Pflanzen zeigen, dass das Interesse an den Einzeldingen in ein umfassendes Weltverständnis eingebunden war. Das abgebildete Arrangement verweist auf die ästhetischen Interessen der höfischen Aristokratie, die die Bestände ihrer botanischen Gärten abgebildet sehen wollte, welche ihrerseits ein Konzentrat der damals bekannten Pflanzen aus aller Welt verkörperten. Die botanische Sammelleidenschaft des Landgrafen Karl hatte ihren Ursprung in der universell angelegten Geisteshaltung. Ob der Fürst die „Königin der Nacht“ tatsächlich in einem seiner Gärten besessen hat, lässt sich nicht mehr nachweisen, da das früheste botanische Inventar der Orangerie erst aus dem Jahre 1800 stammt. Darin ist die „Königin der Nacht“ unter Nr. 26 mit der Stückzahl vier aufgeführt.525 Das lässt allerdings nur einen bedingten Rückschluss auf die barocke Pflanzensammlung unter Landgraf Karl zu. Als Roos 1706 die beiden Bilder malte, war die Orangerie noch nicht vorhanden. Da das alte Pomeranzenhaus 1700 abgebrannt war, hatte man 1701 mit der Bau der Orangerie als Sommerresidenz und Pflanzen-Überwinterungshaus begonnen. Die Quellen berichten, dass um 1709 der Rohbau fertiggestellt war. Selbst wenn der Kasseler Landgraf stolzer Besitzer dieser fremdländischen Pflanze gewesen sein sollte, kam sie vermutlich nicht in Kassel zur Blüte. Bisher konnte aufgrund historischer Quellen nur nachgewiesen werden, dass die „Königin der Nacht“ kurz vor 1700 über Holland nach Deutschland gelangte. 1698 tauchte die Pflanze in Leiden auf und gelangte 1705 erstmals in Nürnberg, 1728 in Stuttgart und 1745 in Helmstedt zur Blüte, was jedes Mal ein großes Ereignis war, an dem die Gartenbesitzer mit ihren Gästen persönlich teilnahmen.526 Es ist davon auszugehen, dass der Maler Roos die Pflanze entweder in Nürnberg im Blütezustand erlebt hat, oder aber seine Gemälde nach Kupferstichen angefertigt hat. Auf jeden Fall gehören sie zum Typus der Sammelbilder und haben die Funktion, die auf Universalismus angelegte fürstliche Sammlung um eine botanische Rarität zu ergänzen. Den beiden Gemälden kam ein hoher Repräsentationswert zu, konnten sie doch das umfassende naturwissenschaftliche Interesse des Landgrafen dokumentieren und eine dynastische Kontinuität mit seinen Vorgängern aufzeigen.527 Die „Königin der Nacht“ war wegen ihrer auf weite Entfernung verweisende Provenienz und ihrer Seltenheit nicht nur Zeichen von herrschaftlichen Privilegien, sondern symbolisierte auch den Radius dieser Herrschaft selbst. Auf diese Weise konnte die Machtfülle des Fürsten versinnbildlicht werden, denn er konnte in ihr eine Manifestation der geographischen Ausbreitung seines Herrschaftsbereichs oder der von ihm protegierten Handelsbeziehungen im Zuge der Entdeckungen und Eroberungen erkennen. Im Sinne des Kunstkammergedankens ist die Funktion der Statusrepräsentanz vorrangig. Die Gemälde entfalteten ihre vielfältigen Bedeutungen im Wechselspiel mit den übrigen Sammlungen bei Hofe und mit dem höfischen Leben insgesamt.

525 Vgl. StaM Bestand 6a Nr.60: Verzeichniss derer Treib und Glaß Hauß Pflanzen, welche sich dermalen in der Herrschaftlichen Orangerie zu Cassell befinden – sämtlich in Scherben, specificat Cassel den 12ten Janius 1800. 526 Wimmer 2001, S.79. 527 Landgraf Wilhelm IV. (1532-1592) hatte 1568 den ersten botanischen Garten in Kassel gegründet – einen der ersten Gärten Europas. Sein Sohn, Landgraf Moritz, betätigte sich ebenfalls im botanischen Garten, pflegte Baumschulen und stellte u.a. ein Herbarium mit über 1000 Pflanzen zusammen. Vgl. (Teil II, Kapitel 2) dieser Arbeit sowie Roos 1929-36, S.177-198.

94

4. Die Menagerie Friedrichs II. von Hessen-Kassel

Nach dem Tod des Landgrafen Karl im Jahre 1730 ist bis 1763 keine höfische Menagerie in Kassel nachweisbar. Eine Neugründung unternahm erst der Enkel Karls, Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, im Jahr 1764. In seiner Regierungszeit (reg. 1760-1785) galt die Haupt- und Residenzstadt Kassel als eine der schönsten Städte Europas und wurde daher von Fremden gern besucht. Dabei übten die damals vollendeten „Stadtverschönerungen“, die landgräflichen Kunstsammlungen und die großen Gartenanlagen mit ihren Schlössern und architektonischen Parkkulissen einen ganz besonderen Reiz aus. Die Gemäldegalerie und das Museum Fridericianum waren als erste Einrichtungen dieser Art auf dem Kontinent unter Friedrich II. dem allgemeinen Publikum geöffnet worden und zogen die Bildungswilligen aus ganz Europa an. Kassel war stets eine beliebte Raststätte für prominente Durchreisende, die nicht selten ihren Aufenthalt zu Kontakten mit dem Hof und der Besichtigung der Sammlungen verwandten. Zu den berühmtesten Bildungsreisenden in Kassel gehörte Johann Wolfgang von Goethe. Er hielt sich insgesamt vier Mal in Kassel auf.528 Zum seinem Besichtigungsprogramm gehörte auch ein Besuch der Kasseler Menagerie. Als er vom 13. bis zum 16. September 1779 Kassel besuchte, um dem jungen Herzog Carl August von Sachsen-Weimar die Stadt zu zeigen, notierte er in seinem Tagebuch:

„Nachts um 1 Uhr in Cassel den 14. früh die Parade, Orangerie, Augarten, Menagerie, Modellhaus p.p., Nachmittags: die Galerie, Abends zu Forstern, ihn zu Tische mitgenommen. 15.9.: Auf Weißenstein, den Winterkasten erstiegen, die übrigen Anlagen besehen, Abends zurück. 16.9.: früh das Kunstkabinett, die Antiken, die Statue des Landgrafen unter Nahls Händen. Gegessen. Weggefahren um 12 Uhr nach Wabern [...].“529

Das Interesse der Fremden an Kassel wurde durch eine für die Zeit beachtliche „Guiden-Literatur“ gefördert, die dem Besucher die Schönheiten Kassels erschloss. Der Besuch der Menagerie war ein fester Bestandteil innerhalb dieses breit angelegten Bildungsangebotes.530 Sehr häufig benutzt wurden die „Briefe eines Reisenden über den gegenwärtigen Zustand von Cassel mit aller Freiheit geschildert“, erschienen 1781. Darin empfiehlt der hessische Kammerherr Friedrich Justinian von Günderode jedem Fremden einen Besuch der Menagerie:

„Ich führe Sie, mein Freund, nun wieder der Stadt näher, um Ihnen einige Worte von dem schönen Thier-Garten zu sagen, welcher gleich an dem Fuße des Abhangs liegt, so von der Terrasse an dem Belle-vue-Garten heruntergeht; und auf der andern Seite von der kleinen Fulda eingeschlossen ist. Dessen Anlage ist schön und angenehm; er ist in verschiedene Häuschen, worinnen vile Gattungen von seltenen Thieren bewahret werden [...], in allen findet man vielerley Gattungen

528 Viermal besuchte Goethe die damalige landgräfliche Residenzstadt: 1779, 1783, 1792 und 1801. Quartier nahm er jeweils im "Posthaus" am Königsplatz. Vgl. Wegner 1991, S.11. 529 Zitiert aus Wegner 1991, S.11. Dieses Besichtigungsprogramm der Kasseler Sehenswürdigkeiten wiederholte Goethe im Oktober 1783 für den ältesten Sohn Fritz seiner Freundin Charlotte von Stein. 530 Das großartige Bildungsangebot Kassels wirkte auch auf benachbarte Universitätsstädte wie Marburg und Göttingen. Da eine Bildungsreise nach Kassel ein Teil des Studiums war, entwickelte sich Ende des 18. Jahrhunderts die Tradition, dass die Studenten Göttingens zu Pfingsten nach Kassel kamen. Vgl. Wegner 1991, S.9f..

95

von Federvieh, auch sonst viele seltene Vögel, die denn darinnen meist wiederum ihre besonderen Behälter haben [...].“531

Die hier beschriebene Menagerie war von Friedrich II. ab 1764 in der Aue angelegt worden und bestand bis zu seinem Tode 1785. Wahrscheinlich geht die Gründung der Menagerie auf englische Vorbilder zurück. Landgraf Friedrich II. besaß durch die Heirat mit Prinzessin Marie von Großbritannien (1723-1772), einer Tochter des englischen Königs Georgs II., politische Verbindungen an den dortigen Hof. In England breitete sich um diese Zeit geradezu eine entsprechende Modewelle unter wohlhabenden Adligen aus. Tierhaltungen entstanden im Rahmen von großen Landschaftsgärten, in denen Großgrundbesitzer aus der gentry die sensualistische Auseinandersetzung mit der Natur suchten. Die Betrachtung von lebender Natur diente dem gentleman zur Stärkung seiner eigenen Tugend, die der virtuoso auch durch die Beherrschung der Naturgesetze gewinnen wollte. Friedrichs Menagerie ist in erster Linie als Zeuge seiner verwandschaftlichen und pekuniär lohnenden Verbindungen zum englischen Königshaus zu betrachten.532 Er dürfte außerdem in Holland, wo sein Vater zeitweise in Militärdiensten gewesen war, solche höfischen Tierhaltungen kennengelernt haben.

4.1 Topographie

Der Landgraf benutzte zu der Anlage seiner Menagerie den vor dem Weinberger Thor gelegenen ehemaligen Prinz-Maximilians-Garten, der bereits in der Barockzeit angelegt worden war und mehrere Besitzerwechsel hinter sich hatte.533 Der Stadtplan von Friedrich Wilhelm Selig von 1781 zeigt das gesamte Gartengelände zwischen Bellevue-Garten und Kleiner Fulda/Drusel (Abb.50). Zur Anlage gehörten zwei langgestreckte Bauten im östlichen Bereich des Gartens und ein außerhalb an der Drusel gelegenes Haus. Ein in Rokokoformen gehaltenes Lusthaus bildete den Prachtbau und diente zur Aufnahme einer Orangerie. „Im oberen Theile der Menagerie steht ein nach italienischem Geschmack erbautes Lusthaus, worin sich ein sehr großer und schöner Saal besonders auszeichnet.“534 Während der östliche Teil des Gartens mit gärtnerischen Anlagen geziert war, waren der westliche Teil vor dem Hauptgebäude sowie der Bergabhang für die Menagerie bestimmt.

Bei der Einrichtung der Menagerie durch Friedrich II. wurde die barocke Gestalt des maximilianischen Gartens beibehalten. Die erkennbare Aufteilung des Geländes in zwei ungefähr gleich große Kompartimente findet sich bereits auf älteren Stadtplänen aus der Zeit vor dem Siebenjährigen Krieg (1757-1762).535

531 Günderode 1781, S.69. 532 Zu den englischen Menagerien in Landschaftsgärten vgl. Rieke-Müller 2001, S.12. 533 Vgl. Teil III, Kapitel 2.1 dieser Arbeit. Nach Karls Tod kam der Garten des Prinzen Maximilian an den ältesten Sohn und Thronfolger, König Friedrich I. von Schweden, der 1732 die Anlage wieder seinem Bruder Maximilian überließ. 1757 scheint das Gebäude als Lazarett für die Franzosen gedient zu haben. Ab 1825 diente das Areal als „Hofbleiche“/Hofwäscherei. 1866 ging das Lusthaus mit Zubehör in den Besitz des preußischen Staates über. Zum größten Teil wurde die Anlage im 2. Weltkrieg zerstört. 534 Apell 1805, S.392. 535 Vgl. den Umgestaltungsplan der Karlsaue, sog. „Stockholmer Plan“ von 1728 (Abb.) oder den Stadtplan von Leopold in der revidierten Fassung von 1757 (GS 12466, abgebildet in:

96

Im wesentlichen scheint der Garten nur durch Erstellung einiger Kleinbauten für die neue Nutzung als Menagerie hergerichtet worden zu sein. Das Gelände bestand aus Vogelvolieren und Stallgebäuden mit vorgelagertem Freigehege für Säugetiere.

Der Lageplan von Simon Louis du Ry zeigt die Gesamtanlage im Jahr 1793 (Abb.51).536 Er lässt eine Umarbeitung eines zu einem früheren Zeitpunkt angefertigten Planes aus der Zeit Friedrichs II. erkennen.537 Fast alle ehemaligen Tierunterkünfte sind noch verzeichnet, nur an drei Stellen wurden Gebäudeteile rasiert.538 Der etwas höher gelegene westliche Abschnitt ist mit seiner Anordnung der Parterrefelder und einem Wasserbecken auf das ehemalige Lusthaus des Prinzen Maximilian (A; hier als "Orangerie" bezeichnet) bezogen. Von der Menagerie sind in den jeweils viergeteilten äußeren Rasenflächen die "Hühner häuser" (G) sowie bei den das Becken viertelkreisförmig umfassenden Hecken die "alte[n] Adler Häuser" (H) und schließlich die Taubenhäuschen des breiten Mittelwegs gezeigt. Im Westen ist das Gelände durch eine halbkreisförmig umschließende Hecke mit vorgelagerten Gebäudeteilen abgeschlossen. In den schraffierten Flächen könnten sich der Vermutung Lehmanns nach große Volieren befunden haben.539 Die grau lavierte Böschung vermittelt zum höherliegenden Gelände der Landstraße. Auch innerhalb des Gartens musste das zum Auepark hin abfallende Niveau durch eine weitere Böschung ausgeglichen werden. In der Mitte des Gartenareals liegt quer zur Mittelachse ein von einer Hecke umschlossenes vertieftes Parterre mit kleinem Wasserbecken. Richtung Osten folgen zwei kleine, von Diagonalwegen durchzogene Boskette und ein größeres Wasserbecken, die von Baumreihen flankiert werden. Die beiden Viertelsegmente des Ostabschlusses zeigen Boskette mit geschlängelten Wegen. Weiterhin ist das erst nach 1781 erbaute „Treibhaus“ (D) eindeutig nachträglich einskizziert. Beschreibungen der Tierunterkünfte (Tierbehälter) existieren heute nicht mehr. Allerdings liegt für das Vogel- bzw. Straußenhaus ein Entwurf von Simon Louis

Holtmeyer 1923, Taf. 13). Die Zweiteilung des Gartens lässt auch der Plan von Selig, 1781, erkennen. 536 Der Nachfolger Friedrichs II., Landgraf Wilhelm IX., versuchte 1794 erfolglos, das Gelände zu verkaufen. Schließlich wurde es an eine Privatperson verpachtet und in eine große Wiese, die spätere Hofbleiche, umgewandelt. Möglicherweise war die Verkaufsabsicht, zu der am 27.2.1794 eine Resolution erlassen wurde, der Anlass, den Bestand des Menageriegartens noch einmal zeichnerisch im oben genannten Plan festzuhalten. Die rote Markierung in der Gartenmitte könnte mit einer geplanten Grenzziehung beim vorgesehenen Verkauf in Zusammenhang stehen. Vgl. Fenner 2004, Nr.1.84.9.1. 537 1793 lautet ein Vermerk im Inhaltsverzeichnis des Klebebands. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass du Ry auf einen bereits zu einem früheren Zeitpunkt angefertigten Plan zurückgriff und diesen aktualisierte und ergänzend beschriftete. So fällt auf, dass an drei Stellen Gebäudedarstellungen rasiert und die Flächen anschließend neu laviert wurden, wie sich leicht an den unterschiedlichen Farbwerten erkennen lässt. Die Umrisslinien dieser Baulichkeiten sind an diesen Stellen noch in Resten sichtbar. 538 Es fehlen zwei Gebäude am Fuße des Hanges unter der Frankfurter Straße sowie ein weiteres auf der Grünfläche des „Thier Behälters“ C. 539 So Lehmann 2009, S.86.

97

du Ry aus der Zeit 1764-85 vor (Abb.52).540 Das Blatt zeigt in perspektivischer Ansicht und im Grundriss ein zweigeteiltes Vogelhaus mit umzäunten Auslaufflächen. Der Typus des Gebäudes entspricht kleinen Gartenhäusern mit Walmdach und Lukarne, wie sie im 18. Jahrhundert vielfach in Bürgergärten entstanden.541 Vor den Tierhäusern sind zwei Rampen vor den Zugängen vorgesehen und eine von außen zu bedienende Heiznische an einer Längsseite. Die zwei dargestellten Strauße veranschaulichen mit den anderen beiden Vögeln die Größenverhältnisse. Im Aufriss legen Bäume und eine hohe gerundete Hecke mit ausgeschnittenen Arkaden das westliche Halbrund des Gartens als geplanten Standort nahe. Anders als in diesem Entwurf wurden die vier Vogelhäuser jedoch auf quadratischem Grundriss ausgeführt, so wie es im Lageplan von du Ry von 1793 unter „G“ erkennbar ist.

4.2 Tierbestand

Die Leitung der pflegerischen Betreuung der in den fürstlichen Menagerien gehaltenen Tiere lag in der Regel in den Händen von Hofgärtnern, nicht von Stallmeistern oder anderen auf die Versorgung von Tieren spezialisierten Personen.542 Während der Zeit ihres Bestehens stand der Kasseler Menagerie Johann Wagner als Inspector543 vor. Seit 1771 war Carl Schildbach544 zunächst als Aufseher, später als Menagerieverwalter tätig (bis 1785). Darüber hinaus waren weitere zwei oder drei Wärter angestellt. Tierärzte wurden entweder im Bedarfsfall zugezogen oder vertraglich zu Dienstleistungen verpflichtet. Der Kasseler Tierbestand wurde von Johann Adolph Kersting tierärztlich betreut.545

Noch im Gründungsjahr der Kasseler Menagerie, am 24. Oktober 1764, besuchte der schottische Schriftsteller und Rechtsanwalt James Boswell (1740- 1795) die Tiersammlung. Er befand sich auf einer Reise durch Deutschland, die Schweiz, Italien und Frankreich, die insgesamt von 1763 bis 1766 andauern sollte. Seine Eindrücke hielt er lobend in einem Tagebuch fest:

„Darauf besuchten wir die Menagerie, die sich sehen lassen kann. In einem Käfig bemerkte ich zehn oder zwölf Menschenaffen, in einem andern die verschiedenen Arten von Papageien. Schliesslich ergingen wir uns noch auf den Hängen, auf geschmackvoll angelegten Wandelwegen.“546

An den hohen Bestand an Affen in der Menagerie erinnert heute noch der Name der Affenallee.547 Im Sommer wurden die Tiere an Pfählen gebunden

540 Dieser Entwurf wird von Modrow noch Cuvilliés zugeschrieben und mit den Entenhäusern im Bereich des Ententeiches im Schlosspark Wilhelmsthal in Verbindung gebracht, was aber nicht wahrscheinlich ist. Vgl. Modrow 1998, S.64. 541 Fenner 2004a, Nr. 1.84.9.2. 542 Dittrich 2001, S.76. 543 So Scherer 1890, Nr. 98. 544 Carl Schildbach (1730-1817) schuf auch die berühmte „Holzbibliothek“, die noch heute im Kasseler Naturkundemuseum aufbewahrt wird. 545 Kersting wurde später der erste Lehrer an der hannoverschen Vieharzneischule. Vgl. Dittrich/Rieke-Müller 1996, S.152. 546 Zitiert aus Ruhl 1991, S.39. 547 Die Affenallee ist heute eine ca. 500 m lange Kastanienallee am Westufer der Kleinen Fulda. Sie verband in der Barockzeit den Haupteingang der Karlsaue (Marmorbad) mit der Menagerie

98

gehalten. Auf diesen war eine kleine Hütte als Unterschlupf für die Affen während schlechten Wetters angebracht: „Auf einem schönen grünen Platz sieht man in angenehmen Tagen des Frühjahrs viele Affen an Pfäler angekettet, die, wie Hunde kleine Häuschen dabey haben, worinnen sie sich Nachts und bei übelem Wetter verbergen können [...].“548

Seit der Gründung im Jahre 1764 vergrößerte sich der Tierbestand ständig: Zum exotischen Bestand der Menagerie zählte Schmincke im Jahr 1767 „[...] verschiedene Papageyen, indianische Raben [Ara], einen Sonnenvogel, chinesische Fasanen, Gänse von dem Camp und von Astrakan, türkische und andere fremde Enten, Kraniche, Pfauen und Steinadler, Affen und mehrere dergleichen Thiere.“549

Am 14. Nov. 1768 meldete der Gesandte in Berlin, Graf Oeynhausen, die Ankunft von zwei Tiroler Gämsen für die Menagerie.550 1771 gelangte weißes Edelwild aus dem Tiergarten Sababurg in die Kasseler Menagerie.551 Die Lieferung von zwei Leoparden, zwei Caroliner Enten und vier Vögeln wurden in Briefen vom 16. und 23. Mai 1771 bestätigt.552 Die Leoparden vermehrten sich zusehends in der Menagerie, was von Tischbein überraschend zur Kenntnis genommen wurde: „diese [Leopardin] bekam in selbiger Zeit zwei Junge; sie hatte schon einigemal geworfen, was selten in Europa ist.“553 Am 30. Mai 1772 kündigte der hessische Geschäftsträger in Genua ein Mufflon aus Korsika an.554

Im Jahr 1778 führt der hessische Kriegsrat Regnerus Engelhard neben „schöne[m] Federvieh“ auch „eine Menge von seltenen fremden Thieren und Vögeln“555 auf. Er nennt

„Löwen, Leoparden, Trampelthiere oder sogenannte Dromedare, eine Art Kameele mit duppeltem Buckel, ein weißes Kameel, Büffelochsen und Kühe, ein schön gezeichnetes Rehe von der Insel Ceylon, Rennthiere, Gemsen, Stachelschweine, Seehunde und andere kleine Thiere; Und von Vögeln ein Kasuarius, Pelikan, König Wauwau [Königsgeier], Adler, Kraniche, Pfauen, Flaminko, Papageyen von mancherley Gattung, indianische Raben, Sonnenvögel, chinesische Fasane, Gänse vom Kap und aus Astraban, türkische und andere fremde Enten, und dergleichen.“556

Zum ersten Mal wird in seinem Bericht ein Elefant erwähnt, der die Hauptsehenswürdigkeit unter den Menagerietieren darstellte: „Insbesondere ist

(spätere Hofbleiche) im entlegenen Parkteil unterhalb vom Weinberg. Nach 1981 wieder hergestellt. 548 Günderode 1781, S.69. 549 Schmincke 1767, S.403. 550 StAM, Friedrich II., 4 f., Genua. 551 „Reichlich versehen mit weißem Edelwild waren vorzüglich die fürstlichen Thiergärten unter L. Friedrich II. Im September 1771 wurde das sämtliche weiße Wild im Thiergarten zu Sababurg eingefangen und 4 der besten Hirsche mit 16 Thieren in den Thiergarten zu Weissenstein, 2 andere Hirsche und alle Thiere in die Menagerie zu Kassel, die übrigen Hirsche nebst 16 rothen Thieren aber in die Aue zum Jagen gesetzt.“ Zitiert aus: Landau 1849, S.260. 552 Uni-Bibliothek Handschriftenabteilung. Vgl. Lehmann 2009, S.88. 553 Zitiert aus: Tischbein 1861, S.127. 554 StAM Friedrich II, 4 f., Genua. 555 Engelhard 1778-1781, S.135, § 128. 556 Ebd. S.136, § 128.

99

darinnen seit 1773 ein junger Elephant, eine für hiesige Gegend gar seltene Erscheinung, zu sehen, der in solcher Zeit sehr gewachsen, aber auch wilder geworden ist.“557 Zwei Jahre später, 1780, berichtet Günderode von der Unterbringung des Elefanten in einem eigens für ihn errichteten Gebäude:

„Unter denen mancherley Thieren so daselbst aufbehalten werden, ist ohnstreitig der schöne Elephant das merkwürdigste, welcher erst 8 Jahre alt und beynahe 10 Schuhe hoch ist. Er bewohnet einen grossen Saal in einem eigenen Hause, der geplättet und gut erleuchtet ist, auch sehr reinlich gehalten wird: worinnen er denn an die hintern Füsse mit sehr starken Ketten angeschlossen ist; vor seinem gewöhnlichen saal hat es ein mit starken Palisaden umgebenes Vorzimmer im Freyen, und bey schönem Wetter wird seine Kette so lang gelassen, daß er da hinaus und frische Luft schöpfen kann, allemal geht er ungern in seinen Saal zurück; [...] Täglich bekommt er 50 Pfund Brot, zwey Mesten gelbe Rüben und sonstige Wurzeln, 24 Pfund Heu und starke Streue, die er meist auch verzehrt; mit dem Trunk hält er es ganz nach seinem Gutdüncken, zu Zeiten geschieht es, daß er bis 20 Eimer Wasser hintereinander und auch bisweilen einen ganzen Tag hindurch gar nichts trinket. [...].558

In dem Elefantenhaus befand sich auch ein Zimmer für seinen Wärter namens Döring. Beide mussten sich im Winter die Ofenheizung teilen: „[...] gleich neben diesem [Haus des Elefanten] ist das Zimmer seines Verpflegers, ein Ofen heizt beyde.“559 Bei dem Tier handelte es sich um einen jungen indischen Elefanten560, der im September 1773 aus den Niederlanden561 nach Kassel gelangte. Transportiert wurde er vermutlich über die Wasserwege - gängige Routen aus Holland waren Rhein und Main ab Rotterdam bis Hanau und dann der Landweg sowie Nordsee, Weser und Fulda. Die genauen Umstände seines Erwerbes sind nicht bekannt. In den Rechnungslisten des Kasseler Hofes sind im Monat September 1773 „Transport Kosten von dem Elephanten von Haag bis Cassell“ mit 354 Rthlr (Reichsthaler) 25 Alb (Albus) 8 Hr (Heller) verbucht.562 Diese Summe entspricht fast dem Jahresgehalt von 400 Talern, das Soemmering bei seiner Anstellung in Kassel gewährt wurde.563 Für den Elefanten selbst sind keine Ausgaben ausgewiesen, er scheint also ein fürstliches Geschenk gewesen zu sein.564

557 Ebd. S.135-136, §128. 558 Günderode 1781, S.70-71. 559 Ebd. S.70. 560 Laut Wenzel handelte es sich um ein Exemplar der biologischen Spezies Elephas maximus L. (=Elephas indicus, Indischer Elefant), der aus Südasien (Indien oder Sri Lanka/Ceylon) importiert worden ist. Das Alter des Elefanten bzw. sein Geburtsjahr lassen sich aus den vorliegenden Quellen nicht eindeutig ermitteln. Soemmering bezeichnet den von ihm sezierten Elefanten als neunjährig. Vgl. dazu Wenzel 1988, S.74. 561 Bei der Tierbeschaffung wurde der Gesandte Conrad Friedrich Ludwig von Wülkenitz als Gesandter eingesetzt. In einem Schreiben vom 17. August 1773 berichtet er dem Landgrafen aus der königlichen Sommerresidenz „Het Loo“, dass er „alle Anweisungen hinsichtlich des Elefanten genau beachten wolle.“ Zitiert aus: StAM 5, 12260, Bl.7. Vgl. auch Wenzel 1988, S.75 sowie Wegner 1991, S.52. Andere Autoren behaupten, der Elefant sei aus London bezogen worden: So z.B. Dittrich 2001, S.72., sowie Rieke-Müller 1997, S.18. 562 StAM, Rechnungen II, 655, Kassel 1773, Bl. 130. 563 Vgl. Wenzel 1994, S.271. 564 Das war nicht unüblich. Der Prinz von Oranien schenkte 1770 einen Elefanten für die Menagerie in Wien-Schönbrunn. Vgl. Wenzel 1988, S.76 und Wenzel 1994, S.271. Bereits zwei Jahre zuvor, 1771, hatte der Londoner Tierhändler Thomas Tennant dem Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel einen erst zwei Jahre alten weiblichen indischen Elefanten zum Kauf

100

Der großzügige Schenker ist in den Quellen nicht überliefert. Nach Schaffrath/Ruhnau handelte es sich um ein Geschenk des Prinzen Friedrich (1747-1837) an seinen Vater Landgraf Friedrich II..565 Andere Autoren führen Prinz Wilhelm V. von Oranien, den Statthalter in den Niederlanden (1748-1806), als Schenker auf, was durchaus wahrscheinlicher ist.566 Dieser unterhielt eine gut ausgestattete Menagerie bei seinem Sommerschloss „Het Kleine Loo“, nahe bei Apeldoorn in der niederländischen Provinz Geldern. Die Beschaffung neuer Tiere aus den ostindischen Kolonien bereitete ihm keinerlei Probleme. So lebte von 1769 bis 1774 ebenfalls ein männlicher indischer Elefant in seiner Menagerie.567 Bereits 1770 hatte Wilhelm V. einen weiteren Elefanten nach Wien für die Menagerie in Schönbrunn verschenkt. Es kann vermutet werden, dass der holländische Statthalter zur Pflege guter diplomatischer Beziehungen den Elefanten nach Kassel verschenkte. Nach Wenzel könnte der konkrete Anlass auch die Anfang 1773 vollzogene zweite Eheschließung von Friedrich II. gewesen sein.568

Elefanten waren selten, die wenigsten Menschen konnten sich rühmen, einen lebendigen Elefanten gesehen zu haben: „Elephanten gehören unstreitig zu den größten Seltenheiten in den Menagerien, und zwar nicht sowohl rücksichtlich der Seltenheit in ihrem Vaterlande, als vielmehr wegen der Kostspieligkeit ihres Unterhaltes.“569 Allein der Unterhalt des Kasseler Elefanten kostete jährlich 100 Louis d’or (umgerechnet etwa 500 Goldtaler).570 Trotz dieser immensen Betriebskosten war es Ziel eines jeden Besitzers, sich solch ein Tier anzuschaffen. Der Wert lag in seiner „Publikumstauglichkeit“, solch ein seltenes Tier war ein großer Publikumsmagnet, eine touristische Attraktion für jede Menagerie und konnte die Schaulust der Besucher befriedigen.571 So beschreibt Günderode das Tier als „das merkwürdigste“572 in der Kasseler Menagerie, womit er es unter die absoluten „Sehenswürdigkeiten“ zählt.

Für die Unterhaltung der gut ausgestatteten Menagerie musste Friedrich II. enorme Finanzmittel aufbringen, die sich aus Anschaffungs- und Betriebskosten zusammensetzten. Zur Neuanschaffung von Tieren stellte er aus seiner angeboten. Der Handel kam jedoch nicht zustande, was auf die immense Summe von 1600 Louis d’or zurückgeführt wird, die der Verkäufer forderte. Vgl. StAM 5, 12260, Bl.5. Auf diese Quelle beziehen sich auch Oettermann 1982, S.143f. sowie Wenzel 1988, S.75. 565 Schaffrath/Ruhnau 1988, S.3. Diese These ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Dem Landgrafen Friedrich II. war aufgrund seines Übertritts zum katholischen Glauben von seinem Vater Wilhelm VIII. in der Assekurationsakte von 1755 jeglicher Einfluss auf die Erziehung seiner Söhne abgesprochen worden. Die Versöhnung zwischen Vater und Sohn erfolgte erst am 27. Oktober 1782. Es scheint daher zweifelhaft, dass der Prinz bereits neun Jahre zuvor dem Vater ein derart wertvolles Geschenk gemacht haben soll. 566 So Rieke-Müller 1997, S.19; Wegner 1991, S.52; Lehmann 2009, S.92. 567 Dieses Tier wurde nach seinem Tod von dem holländischen Anatomen Pieter Camper seziert. Der Verlust in der Menagerie wurde durch das neue Elefantenpaar „Hans und Margarete“ ersetzt. 1795 wurde das Elefantenpaar nach dem siegreichen niederländischen Feldzug der französischen Armee nach Paris verschleppt. Der Elefantenbulle „Hans“ ging 1801 ein. „Grete“ soll bis 1825 in Paris gelebt haben. Vgl. dazu Oettermann 1982, S.148f. 568 Wenzel 1988, S.76. 569 Zitiert aus: Oettermann 1982, S.90. 570 Diesen Betrag nennt Günderode 1781, S.71. 571 Die ersten indischen, d.h. gezähmten und als „Haustiere“ abgerichteten Elefanten gelangten nicht vor 1513 nach Europa. Afrikanische, d.h. ungezähmte Elefanten, kamen seit ca. 1470 aus den portugiesischen Besitzungen am Kongo nach Europa. Vgl. dazu Oettermann 1982, S.35. 572 Günderode 1781, S.70.

101

Privatschatulle noch bis in die Mitte der 70er Jahre jährlich große Summen zur Verfügung: Im Jahre 1772 waren es 1817 Taler und im Jahre 1774 insgesamt 939 Taler. Bis zu seinem Tode sank der Zuschuss niemals unter 100 Taler.573

Der Elefant stand auch im Mittelpunkt des künstlerischen Interesses. Neben Besichtigung durch Einheimische und Reisende war er Gegenstand bildnerischer Darstellungen: Am 18. Oktober 1779 zeichnete ihn Pieter Camper bei seinem Besuch Soemmerings in Kassel. Der Maler Johann Georg Pforr (1745-1798) stellte ihn auf einem Gemälde dar, das im 2. Weltkrieg zerstört wurde.574 Auch Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) und dessen Bruder Johann Heinrich Tischbein jun. (1742-1808) stand er Modell.575 Der Grenadier und Schulmeister Johann Tobias Dick dichtete Verse auf den Elefanten und andere Tiere der Menagerie: „Der weisere Elefant, ein beweglicher Hügel, Unterstützt von vier Füßen, wie Säulen gestaltet.“576

Nachdem das Palais des Prinzen Maximilian zwischen 1766 und 1769 zum Opernhaus umgebaut worden war, kam der Elefant zusammen mit Kamelen zunächst bei Aufführungen im Triumphzug auf die Bühne.577 Diese Einsätze in der Oper gehörten gewissermaßen zu den „Dienstpflichten“ des Tieres. 578 Später diente der Elefant als Arbeitstier im Auegarten. Dabei stürzte er im August 1780 am steilen Auehang und starb an den Folgen eines Schädelbruches.579

4.3 Anatomische Forschungen

Die in der fürstlichen Menagerie eingegangenen Tiere wurden im Auftrag des Landgrafen für wissenschaftliche Untersuchungen in der Anatomie verwendet.580 Von 1779 bis 1784 lehrte Samuel Thomas Soemmering (1755- 1833) als Anatomieprofessor der Hochschule. In dem neu errichteten Anatomiegebäude am Leipziger Platz581 hatte er vorzügliche

573 StAM Rechnungen, II, 655; Cabinettskasse, II, 96; Chatoullrechnungen. Mit dem Zuschuss aus seiner Privatkasse konnte Friedrich II. 1781 einen Papagei für 45 Taler erwerben. Allein der Transport eines Löwen und einiger „Kronenvögel“ kostete ihn 1772 69 Taler 23 Albus. Vgl. hierzu auch Both/Vogel 1973, S.81-82. 574 Das Gemälde von Johann Georg Pforr ist ein Kriegsverlust. Vgl. Wenzel 1988, S.87. Im Katalog der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel von 1888 ist es unter Nr. 711 aufgeführt: „Ein Tierstück. In einer italienischen Landschaft [...] steht in der Mitte [...] ein Elephant mit dem Rüssel einen [...] Bären bedrohend.“ Vgl. Eisenmann 1888, S. 399. 575 „Auch malte ich für den Landgrafen Thiere aus der Menagerie, worunter einige seltene und schöne waren, ein Elefant, ein Löwe, ein Leopard und eine Leopardin.“ Zitiert aus: Tischbein 1861, S.127. 576 Dick 1789, S.161f.. 577 Bei einer Opernaufführung wurde vergebens versucht, den Elefanten zusammen mit mehreren Kamelen im Triumphzug auf die Bühne zu bringen: „Denn während die Kameele geduldig mitwandelten, geberdete er [der Elefant] sich so trotzig und widerspenstig, daß man auf seine Mitwirkung beim Spiel verzichten mußte und ihn auch fernerhin ungeschoren ließ.“ Zitiert aus: Scherer 1890, Nr.97; Vgl. auch den Bericht bei Engelhard 1778-1781, S.108. 578 Oettermann nennt weitere Beispiele für Auftritte von Elefanten auf Theaterbühnen Europas. Vgl. Oettermann 1982, S.42. 579 Sander 1784, S. 235. 580 Both/Vogel 1973, S.78. 581 Das neue Theatrum anatomicum für das Collegium Carolinum am Leipziger Platz wurde ab 1777 nach Plänen von Simon Louis du Ry gebaut und 1779 eingeweiht. Als das Collegium

102

Forschungsmöglichkeiten, um grundlegende anthropologische Untersuchungen durchzuführen.582 Darüber hinaus diente das Gebäude auch der öffentlichen Anatomie und besaß daher Schaubühne und Zuschauerränge. Zusammen mit Georg Forster (1754-1794) und weiteren Lehrern der Naturwissenschaften betreute Soemmering auch das Landgräfliche Naturalienkabinett im Museum Fridericianum.583 Dort fanden die verstorbenen Tiere der Menagerie als zoologische Präparate Aufnahme und dienten somit zugleich als Studienobjekte für Gelehrte des Collegium Carolinum.584

Der Bestand der Menagerie war bereits 1780 durch mehrere aufeinanderfolgende Todesfälle geschrumpft: „Alle fleischfressenden Thiere sind gestorben und stehen im Naturalienkabinett ausgestopft.“585 Im Jahr 1779 zergliederte und präparierte Soemmering einen Leoparden, einen Tiger, ein Kamel, einen Seehund und einen Kasuar.586 Letzterer war das erste anatomische Präparat eines außereuropäischen Vogels in Europa.587 Ein Auszug aus einem Brief Soemmerings an seinen Vater aus dem Jahr 1779 belegt den damaligen Stelllenwert der Hochschule:

„Ich ziehe Kassel allen Universitäten, selbst Göttingen [...] in Deutschland, Berlin ausgenommen, vor, theils der Größe des Ortes, theils der Zeit, die ich zum Studiren übrig habe, theils der großen Menagerie, die der Landgraf unterhält, theils der Sauberkeit des ganz neuen Theaters wegen.“588

Die wissenschaftliche Bearbeitung des Tierbestandes dürfte sich ganz auf anatomische Untersuchungen beschränkt haben, von denen aber nur wenige veröffentlicht wurden. Darüber hinausgehende Beobachtungen der lebenden Tiere wurden wohl angestellt, aber nicht dokumentiert. So vermerkte der Paläontologe Johann Heinrich Merck in einem Brief an die Herzogin von Hessen-Darmstadt 1780 nach dem Besuch von Kassel: „Die Menagerie der wilden Thiere war wirklich in Cassell wichtiger, als die von den gelehrten zahmen in Göttingen, und wir haben verschiedene Beobachtungen gemacht, die nicht in den Büchern stehen, und die nicht wegzuwerffen sind.“589

Im Auftrag des Landgrafen wurde der Elefant 1780 von Soemmering für das Naturalienkabinett im Museum Fridericianum seziert. Elefantensektionen sind in der Geschichte der vergleichenden Anatomie seit den 1770er Jahren bekannt –

Carolinum 1787 nach Marburg verlegt wurde, ließ Wilhelm IX. im Herbst 1787 das Gebäude abtragen und in Marburg wieder aufrichten. Zur Geschichte des anatomischen Theaters vgl. Wenzel 1988, S.20-28. 582 Soemmering entdeckte die Sehnervenkreuzung bei den Säugetieren und experimentierte mit Freiballons. 583 Forster verließ Kassel 1784, Soemmering 1786. 584 Both/Vogel 1973, S.81. 585 Sander 1784, S.235. „Der Elephant, der hier noch 7. Jahr lebte, starb, als er 13. Jahr war, schnell, vermuthlich aus Geilheit, oder weil er sich nicht baden konnte. Man hat ein Skelet davon, und die Haut mit kleinen Hautstücken ausgestopft. Sie wog 1200 Pfund und nach der Gare 702. Pfund.“ Zitiert aus ebd. S.235. 586 Der Kasuar war während Soemmerings Reise nach Thorn im Spätsommer 1779 gestorben. Vgl. Wenzel 1988, S.27. 587 Follmann/Kuster-Wendenburg 1979, S.131. 588 Zitiert aus: ebd. S.134. 589 Zitiert aus Merck 1968, S.16.

103

vor diesem Hintergrund ist die Kasseler Elefantensektion als ein seltener Ausnahmefall zu sehen.590 Soemmerings eigene Schilderung der Elefantenpräparation findet sich in einem Brief an einen nicht bekannten Empfänger:

„Kaum war das Kamel seciert, so crepirte der Elephant; leider war die Hitze so groß, daß die Weichtheile nicht benutzt werden konnten. Der Landgraf ließ Hülfsleute, Hebebäume usw. aus dem Arsenal zur Zergliederung bewilligen. Aber es heißt etwas, einen Körper von 80 Zentnern regieren, der täglich 65 Pfund Brod und 30 Pfund gelbe Rüben fraß. Der Elephant hatte 9 Jahre in Cassel gelebt und war in dieser Zeit ziemlich gewachsen. Das Skelett soll hoffentlich gut gerathen und das Theater zieren. Leider war die Fäulnis durch die Wärme so entsetzlich, daß das Gehirn ausfloß und so heiß war, dass es rauchte. Der Leib und Magen zersprang nach den eingeschnittenen Integumenten mit furchtbarem Getöse.“591

Ein Sektionsbericht von Soemmering oder eine andere Arbeit zur Elefantenanatomie ist nicht bekannt. Nach der Sektion wurden zwei Präparate fertiggestellt: ein von Soemmering hergestelltes Skelett und die von Schildbach ausgestopfte Haut.592 Beide Präparate wurden 1780 im ein Jahr zuvor fertiggestellten Museum Fridericianum ausgestellt. Die Kasseler Sammlung erhielt damit als erste Mitteleuropas ein Ganzpräparat eines Großsäugers.593 Der ausgestopfte Elefant war im Museum Fridericianum eine Sehenswürdigkeit, der das Interesse der Reisenden weckte: „Ich will nur das nennen, was mir am merkwürdigsten schien. [...] 3) Der Saal mit den ausgestopften Thieren, worunter ein Elephant in LebensGröße, u. sehr viele ausländische Ungeheuer das merkwürdigste war.“594 Der ausgestopfte Elefant existierte bis 1943, als er im zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff verbrannte. Das Skelett des sogenannten „Goethe-Elefanten“ ist noch heute eine bekannte Sehenswürdigkeit der zoowissenschaftlichen Abteilung des Kasseler Ottoneums. Als Objekt der Knochenlehre erregte der Elefant das Interesse von Johann Wolfgang von Goethe. Zeugnis dafür ist ein langer Briefwechsel mit Soemmering über die Ausleihe des Elefantenschädels nach Eisenach und 595 Weimar. Neben diesem fordert er auch einen Nilpferdschädel an , der aber nicht eintraf. Im Sommer 1784 erbat er weitere Schädel von Ameisenbär, Schuppen- und Gürteltier.596 Goethe benutzte den Schädel des Elefanten für seine vergleichend-morphologischen Studien über den Zwischenkieferknochen, das „os intermaxillare“ (1784), womit er einen wichtigen Beitrag zur Evolutionstheorie lieferte.597

590 Die Sektion des Elefanten aus der Menagerie Het Kleine Loo des Erbstatthalters der Niederlande, Wilhelm V, die 1774 von Soemmerings Lehrer und Mentor Pieter Camper durchgeführt wurde, gilt als die erste wissenschaftliche Sektion eines solchen Großsäugers. Vgl. Wenzel 1994, S.280. 591 Zitiert aus: Follmann/Kuster-Wendenburg 1979, S.134. 592 Wenzel 1994, S.283. 593 Ebd., S. 134. 594 Der Reisende Johann Just Oldekop (1772-1811) war 1791-1795 Student der Rechtswissenschaft in Göttingen und reiste 1793 über Pfingsten mit Kommilitonen nach Kassel. In zwei Briefen an seine Eltern schildert er seine Eindrücke, die er während seiner beiden „Lustreisen“ in Kassel 1793 und 1794 gewonnen hat. Die Briefe sind ediert, transkribiert und erläutert von Wegner 1991, S.52. 595 Goethe an Soemmering, Weimarer Sophienausgabe IV 6, S.277f. 596 Goethe an Soemmering, 5. August 1784, Weimarer Sophienausgabe IV 6, S. 328-330. 597 Wegner 1991, S.52. An dem Schädel des Elefanten betrieb Goethe seine Studien zum Zwischenkieferknochen, den er 1784 auch am Menschen nachweisen konnte.

104

Soemmering zergliederte auch menschliche Leichen, darunter Verstorbene der „Mohrenkolonie“ Mulang am Bergpark Wilhelmshöhe.598 Dort hatte Friedrich II. eine kleine Kolonie von Afrikanern errichten lassen. Diese „Mohren“ stammten meist aus Amerika, wo sie von hessischen Offizieren, die dort im Zuge der amerikanischen Befreiungskriege auf englischer Seite kämpften, nach Kassel überschickt wurden bzw. mit den hessischen Truppen aus Amerika 599 zurückkamen.

4.4 Die Auflösung der Menagerie

Noch im Todesjahr Friedrichs II., 1785, kurz nach dem Regierungsantritt seines Sohnes Wilhelm IX., wurde die Menagerie aufgelöst. Nicht Desinteresse an fremdländischen Tieren oder finanzielle Zwänge dürften dafür entscheidend gewesen sein. Die Auflösung der kostspieligen Menagerie seines Vorgängers durch Wilhelm IX. ist wohl eher als Reaktion auf die schweren Hungersnöte in der deutschen Bevölkerung zu sehen.600 Dass gerade in Perioden der Hungersnot die Verpflegung der „nutzlosen“ Menagerietiere des Fürsten mit Fleisch, Fisch, Brot und Obst gesichert war, konnte Unmut und Proteste in der Öffentlichkeit auslösen und mag unter der Bevölkerung mit Erbitterung registriert worden sein.601 Die Schaffung eines positiven Klimas in der Bevölkerung scheint die Auflösung der Menagerie initiiert zu haben.602

Nach der Auflösung der Kasseler Menagerie wurde das weiße Edelwild in den Tiergarten an der Aue verlegt.603 Die übrigen überlebenden Tiere wurden an Herzog Karl II. August von Pfalz-Zweibrücken, den designierten Erbe des Großherzogtums Bayern, verkauft.604 Er besaß seit 1778 eine Tiersammlung in der weitläufigen Park-Gartenanlage seines Schlosses Karlsberg bei Homburg. Das Schloss des passionierten Sammlers barg eine wertvolle Gemäldesammlung und eine umfangreiche Naturaliensammlung. In einem Wintergarten, in dem exotische Pflanzen standen, wurden auch Vögel in kleinen Volieren und zwischen den Bäumen an Ketten gegurtete Äffchen gehalten. Seine Menagerie bestand bis 1793 und befand sich fern vom Schloss im Englischen Garten, versteckt in einem Wäldchen. Eine genaue Beschreibung

598 Die Dorfanlage Mulang ist bis heute eines der außergewöhnlichsten Beispiele für die Chinoiseriemode des 18. Jahrhunderts. Vgl. dazu Steinhauer 2003. 599 Während der Kasseler Jahre sezierte Soemmering vier männliche Schwarze. Vgl. Enke 1994, S.116. Vgl. auch: Samuel Thomas Soemmering: Über die körperliche Verschiedenheit des Mohren vom Europäer, Mainz 1784. Auf diese Schrift beriefen sich Naturforscher und Anthropologen noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, um entweder Detailkenntnisse zur Kritik oder Zustimmung zu liefern oder um die Unterdrückung der Schwarzen zu rechtfertigen. 600 Dittrich 2001, S.77. 601 1815 war die Menagerie Thema während revolutionärer Unruhen an der Universität Tübingen: Eine Flugschrift von 1815 rechnete König Friedrich vor, er habe für seine Affenmenagerie mehr als für die Universität ausgegeben. Vgl. Wandel 1987, S.364. Vgl. auch Dittrich 2001, S.77. 602 Auch Wilhelm I. von Württemberg ließ als eine seiner ersten Amtshandlungen 1816 die Menagerie seines Vorgängers König Friedrich I. vor den Toren Stuttgarts auflösen. Dies ist ein Hinweis auf die negative Bedeutung, die er der Menagerie für die Öffentlichkeit während der Hungerperiode dieses Jahres zumaß. 603 „Als nach L. Friedrich II. Tode die Menagerie aufgehoben wurde, kam das darin befindliche weiße Edelwild in den Thiergarten der Aue. Später ging es jedoch sehr ab und 1806 waren daselbst nur noch 4 Stück weißes Edelwildpret vorhanden.“ Zitiert aus: Landau 1849, S.260. 604 StAM 5, Nr. 19821, fol.9. Vgl auch Scherer 1890, Nr. 98, sowie Rieke-Müller 1997, S.21.

105

der Anlage fehlt. Zum Tierbestand zählten „kanadische Füchse“, Hunde, Gänse aller Art605, Auerhähne, Wasserraben, Schwäne, Pelikane, Störche, Uhus, Seidenhasen in einem eigenen Hasenhaus und anderes Kleingetier, darunter Meerschweinchen. Die Katzensammlung bestand aus Perserkatzen und „alle Sorten ausländischer Katzen“. Die größeren Tiere, wie Bären, Jaguare und Wölfe, waren hinter Eisengittern untergebracht.606 Fremde Besucher wurden nicht geduldet, sogar Angehörigen des Hofstaates war der Besuch verboten. Es handelte sich um ein „privates Paradies des Zweibrücker Herzogs“607, also eine als höfische Einrichtung unzeitgemäße Liebhaberei eines Fürsten in der Zeit der Spätaufklärung. Nachdem das Schloss 1793 von französischen Truppen besetzt und in Brand gesteckt worden war, wurden die Menagerietiere von den Soldaten abgeführt.608 In der Schadensliste vom 3. September 1793 werden als Verlust aufgeführt: ein „afrikanischer Königsvogel“ (1100 Gulden), fünf „ausländische Adler“ (250 Gulden pro Vogel) und zwei Affen.609 Teils mögen sie verzehrt worden sein, die wertvolleren gelangten möglicherweise nach Paris in die Menagerie im Jardin des Plantes.

4.5 Die Menagerie als Bestandteil der Bildungspolitik des Aufgeklärten Absolutismus

Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel fühlte sich den Ideen des aufgeklärten Absolutismus verpflichtet. Es war sein Ziel, die Residenzstadt Kassel mit einer neuen Blüte der Künste, Musik und Theater zu einem beachteten Mittelpunkt kulturellen Lebens zu machen. Seine Reformbestrebungen erstreckten sich auch auf alle Gebiete der Verwaltung und Wirtschaft. Er förderte die Entwicklung der Wissenschaften durch die Gründung von Akademien und Universitäten sowie durch den Aufbau von wissenschaftlichen Sammlungen. Im Vertrauen auf eine postulierte naturgegebene Bildungsfähigkeit des Menschen versuchte er, seine Untertanen zum Nutzen des Staates durch Belehrung zu von Vernunft beherrschten Menschen zu entwickeln. In diesem Zusammenhang sind auch die volksbildenden Bemühungen des Landesherrn zu sehen, wie die Zulassung öffentlicher Schaustellungen von Sammlungsobjekten, die Öffnung der eigenen Sammlungen im Museum Fridericianum, die Neuorganisation des Collegium Carolinum610, die Förderung der allgemeinen Schulbildung etc. Die pädagogischen und kulturellen Bemühungen seiner Regierung beriefen sich auf die These der Aufklärung, nach der sich der Mensch durch Bildung veredeln

605 Darunter „rarste Kobelgänse, ägyptische, ostindische Gänse und Astrachan-, Kanada- und Kap-Gänse.“ Vgl. Weber 1987, S.343. 606 Zum Tierbestand vgl. ebd., S.343-345. 607 Ausst.Kat. Saarbrücken 1989, S.30. 608 Die Zerstörung geschah vor dem Hintergrund der Auflösung der Menagerie in Versailles durch jakobinische Kräfte. Sie galt diesen seit der entsprechenden Stellungnahme der Enzyklopädisten nur noch als Ausdruck von Fürstenherrschaft und Luxus sowie Verschwendung von Geldern und Nahrungsmitteln an nutzlose Tiere, während das Volk hungerte. In Deutschland hatte sich auch schon 1788 Adolf Freiherr von Knigge gegen die Haltung von Wildtieren ausgesprochen – dies war die erste grundsätzliche Kritik an Menagerien überhaupt. Vgl. dazu Rieke-Müller 1997, S.23. 609 Weber 1987, S.343. 610 Aus einer Vorschule für die Universität mit propädeutischen Lehrkursen wurde in der Regierungszeit Friedrichs II. eine Art Hochschule mit drei Fakultäten und einem Lehrplan, der auch neuere Sprachen, schöne Künste und Leibesübungen berücksichtigte.

106

und glücklich werden könne. Die Kulturpolitik mit den zentralen Aufgaben der Erziehung und Bildung richtete sich an ein bildungsfreudiges Bürgertum und sollte das Wohl des Volkes fördern.

Friedrich II. legte großen Wert auf die wissenschaftliche Nutzung der Menagerie. Ähnlich anderen Fürsten hatte er Interesse an der Zoologie, die sich in erster Linie mit der Artenerkenntnis als Grundlage der zoologischen Spezies- Klassifizierung befasste. Neben der bereits erwähnten Beziehungen zu England ist die Kasseler Menagerie im Zusammenhang mit der Förderung naturhistorischer und physiologischer Untersuchungen durch den Landgrafen zu sehen. Aus dieser Sicht interessierten sich der Weltreisende Georg Forster und der Mediziner Soemmering für die Tiere der Menagerie. Ihr Interesse galt nicht nur systematischen und vergleichend-anatomischen Fragen, sondern auch den Regeln des Lebens und Empfindens, mithin dem Zusammenhang der Dinge in der Natur.611 Welche Beobachtungen die beiden Naturforscher in der Kasseler Menagerie machten, ist nicht dokumentiert. Aufgrund ihrer physiologischen und chemischen Herangehensweise dürften sie Interesse an der Ergründung der Möglichkeiten zur körperlichen und geistigen Perfektionierung von Lebewesen und vor allem an Fragen der Vererbung von Eigenschaften gehabt haben.612

Als Fürst des aufgeklärten Absolutismus machte Friedrich II. die Menagerie unentgeltlich und unter Aufsicht öffentlich zugänglich.613 Die Anlage diente also nicht nur der Repräsentation des Landgrafen und der Wissenschaft, sondern in erster Linie der Anschauung und Belehrung der Untertanen. Damit stand Friedrichs Menagerie in einer Reihe mit drei anderen höfischen Anlagen in Europa: der Menagerie in Wien-Schönbrunn614 (1752 bis heute), der am Schlösschen Retrait vor den Toren Stuttgarts615 (1812-1816), und der auf der Pfaueninsel bei Potsdam616 (1820-1844).

611 Beide jungen Naturforscher waren Freimaurer und pflegten Kontakte zum Orden der Rosenkreuzer. Die Menagerie war also auch als Bestandteil einer esoterischen Annäherung an die Natur zu betrachten. Vgl. dazu: Sahmland 1994, S.353-422. 612 Rieke-Müller 2001, S.12. 613 Rieke-Müller 1997, S.19. Scherer 1890, Nr.97. 614 Um einen artenreichen Tierbestand zu erzielen, sandte Kaiser Joseph II. mehrere Expeditionen nach Nord-, Süd- und Mittelamerika, Südafrika, Madagaskar und Mauritius aus, die Pflanzen und Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken sammeln sollten. In der Menagerie gestorbene Tiere wurden der Wiener Tierarzneischule zur Ermittlung der Todesursachen überwiesen. Sie dienten damit der Vertiefung vergleichender pathologisch-anatomischer Kenntnisse. Zoologisch interessante Tierkadaver gelangten in das Wiener Naturalienkabinett, wo sie als Skelett- und Stopfpräparate aufgestellt wurden. Vgl. Dittrich /Rieke-Müller 1996, S.150f. Die Menagerie war seit ihrer Gründung für ausgewählte Persönlichkeiten, die Hofgesellschaft und Gäste bei Hofe zugänglich. Nach dem Tod Franz Stephans konnte man sie seit 1765 öffentlich und unentgeltlich besichtigen. Mit dem Druck eines Kataloges der vorhandenen Tiere von 1799 erschien ein erster bekannter Menagerieführer durch eine stationäre Tierhaltung. Vgl. Rieke-Müller/Dittrich 1998, S.11. 615 Die Stuttgarter Menagerie war vom Umfang her die bedeutendste in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Sammlung umfasste beim Tod des Königs Friedrichs I. 1816 etwa 220 Tiere in 109 Arten. Auch hier wurden die gestorbenen Tiere zur Präparation an das Naturalienkabinett des Hofes und an das der Landesuniversität Tübingen überwiesen. Bei der Auflösung der Menagerie wurden einige Tiere für das Naturalienkabinett eingeschläfert, darunter einer der drei asiatischen Elefanten, was den hohen Wert der musealen zoologischen Sammlung zeigt. 616 Gehalten wurden auf der Pfaueninsel graue Riesenkängurus, Affen, exotische Hirsch- und Rinderarten, Wildschweine, Wölfe, Braunbären, ab 1831 ein Löwe, Greifvögel, Fasanen,

107

Die übrigen Menagerien im deutschsprachigen Raum von Schwetzingen (1763- 1784), Nymphenburg (1778-1826), Karlslust (Karlsberg, nach 1778-1793), Ludwigsburg (nach 1790-1816), Wien-Hofburg (1805-1835), Karlsruhe (1812- 1818) und Putbus (Rügen, 1830-1860) waren nur dem jeweiligen Fürsten und seiner Familie, der Hofgesellschaft und ausgewählten Gästen zugänglich.617

In einer Verordnung aus dem Jahre 1766 zur Regelung der Ordnung in der Aue-Menagerie erklärte Landgraf Friedrich II., er sehe es gerne, „daß Jedermann von der Promenade in Unserem großen Auegarten profitieren möge [...].“618 Wie andere absolutistisch aufgeklärte Fürsten ging er davon aus,

„daß die Berührung ihrer Landeskinder mit einer ästhetisch gestalteten und gepflegten Garten- und Parklandschaft und mit den gehaltenen, d. h. gezähmten Wildtieren einen günstigen Einfluß auf die Herzens- und Gemütsbildung hätte und den Wunsch auslöse, sich selbst durch Erziehung zu vervollkommnen.“619

Aufgrund von Schwierigkeiten, wie der zunehmenden Zerstörung von Wegen und Hecken, wurde die Nutzung der Aue-Anlage allerdings durch eine strengere Parkordnung geregelt.620 In sämtlichen Parkordnungen zur Aue finden sich „Fremde“ immer ausdrücklich erwähnt und stets privilegiert. Reisende und Gäste waren also fest als Nutzer und Konsumenten in das Konzept einbezogen. Die Resonanz auf die Menagerie lässt erkennen, wie ein tiefer Eindruck in der Öffentlichkeit durch die Konfrontation mit lebenden Exoten erzielt wurde. Dabei ist die Wirkung des lebenden exotischen Tieres als Anschauungsobjekt auf das allgemeine Tierverständnis nicht zu unterschätzen. Dem Fürsten ging es nicht mehr primär um die Präsentation der Tierwelt fremder Faunen als Beleg für den Reichtum der Schöpfung. Vielmehr bargen Menagerien eine gute Möglichkeit, die Untertanen aus einer Welt der Mythen und Fabelwesen durch Vermittlung realer Naturobjekte zu lösen. Damit hatten sie einen Anteil daran, dass ihre Besucher einen Eindruck von Tieren gewinnen konnten und unterscheiden lernten zwischen diesen und einem durch Literatur und mündliche Überlieferung

Tauben, Entenvögel, darunter schwarze Schwäne aus Australien, und Papageien. Anlagen für Großsäuger gab es nicht. Ab 1837 wurden alle gestorbenen Tiere an der Berliner Tierarzneischule seziert. Dort gab es auch eine Sammlung anatomischer Präparate, zoologisch interessante Objekte wurden dem Zoologischen Museum zugeführt. Der Tierbestand auf der Pfaueninsel bildete nach dem Tode des Königs Friedrich Wilhelm III. den Grundstock für den 1844 eröffneten Berliner Zoo, den ersten deutschen bürgerlichen Tierpark. Vgl. Dittrich /Rieke- Müller 1996, S.154f.. 617 Dittrich 2001, S.68. 618 Verordnung vom 21. November 1766, die Promenade in dem hiesigen fürstlichen Auegarten betreffend, in: Landesordnungen 1785, S. 388. Auch zitiert in: Both/Vogel 1973, S.175/176. 619 Zitiert aus: Dittrich 2001, S.78. 620 Nach dem Dekret des Landgrafen blieb es „[...] denen von Adel, Räthen, Standespersonen, Handels-Kauff- und andern reputirlichen Bürgers-Leuten Einheimisch und Fremden“ gestattet, „unbenommen und frey in besagtem Unserm Aue-Garten ohne jemand Hinderung spazieren zu fahren, zu reiten und zu gehen.“ Es sollten aber „keine gemeine Soldaten, geringe Handwercks- Pursche, Tagelöhner, Knechte und Mägde ohne ihren Herrn, vielweniger Jungens, Kinder oder andere liederliches Gesindel und Bettler passiret, sondern zurück gewiesen werden.“ Zitiert aus: Verordnung vom 21. November 1766, die Promenade in dem hiesigen fürstlichen Auegarten betreffend, in: Landesordnungen 1785, S. 388. Das Dekret bezieht sich auf den gesamten Auebezirk. Der Besuch der seitlich vom Hauptweg gelegenen Menagerie wurde durch weitere restriktive Maßnahmen – nur für Standespersonen („fremde Personen von Stand“), man hatte sich anzumelden und wurde vom Menagerie-Inspektor geführt – darüber hinaus noch eingeschränkt. StAM 5, Nr. 12540, fol. 5-10. Vgl. auch Dittrich 2001, S.79.

108

vermittelten poetisch-literarischen oder phantastischen bzw. mythologischen Tierbild.621 Die Bedeutung der Menagerie als Ort der Anschauung des lebenden Tieres lag Ende des 18. Jahrhunderts im vorwissenschaftlichen Bereich als Ergänzung der Kenntnisse von Skeletten, Präparaten und Bälgen. Der Betrachtung lebender und damit realer exotischer Tiere kam ein hoher Stellenwert für ein rational begründetes Weltbild zu. Die Kasseler Menagerie unter Friedrich II. lieferte damit also einen Baustein für die Grundlage eines objektivierten Bildes vom Tier für das sich im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts allmählich herausbildende, naturwissenschaftlich begründete Weltbild.

Obwohl die Kasseler Menagerie noch der Schaulust der Besucher diente, hatte sie die repräsentative Bedeutung für die Hofhaltung des Fürsten - vergleichbar mit der davor liegenden Epoche des Barock - verloren.

621 Vgl. dazu Dittrich/Rieke-Müller 1996, S.150.

109

Schlussbemerkung

Die vorliegende Studie verfolgte zwei übergreifende Ziele. Erstens wird die Haltung fremdländischer Tiere seitens der Landgrafen von Hessen-Kassel untersucht. So kommt es besonders darauf an, die einzelnen historischen Sammler-Persönlichkeiten zu umreißen und ihre Antriebe zum Sammeln in die richtige zeitgeschichtliche Situation zu stellen. Obwohl die hessischen Landgrafen bereits seit dem 15. Jahrhundert Einrichtungen für exotische Tiere besaßen, kann von einer systematisch aufgebauten Menagerie erst im barocken Zeitalter des Landgrafen Karl gesprochen werden. Hier muss von einer Einheit von Menagerie und Kunst- und Wunderkammer ausgegangen werden. Als wesentliche Ergänzung der enzyklopädischen Sammlung im Kunsthaus ermöglichte die Menagerie als abgeschlossener Gebäude- und Gartenkomplex die Zusammenführung und Haltung aller bekannten ausländischen Tierarten an einem Ort. Trotz räumlicher Trennung waren Kunstkammergegenstände und lebende Menagerietiere Bestandteil einer gemeinsamen universalen Sammlungsidee. In einem anderen Kontext muss die spätere Menagerie des Landgrafen Friedrich II. gesehen werden. Im Zeitalter der Aufklärung stand die Bestrebung im Vordergrund, die Sammlung zum Nutzen eines erweiterten Publikums zu institutionalisieren, wobei es zum Verlust des konzeptionellen Gerüsts frühneuzeitlicher Sammlungstätigkeit kam. So kann dargelegt werden, dass die Motivation zur Gründung seiner Menagerie als Bestandteil der Ideen des Aufgeklärten Absolutismus zu bewerten ist. Im Verlauf der Untersuchung wurde deutlich, dass unter den Zeugnissen für den Besuch von Menagerien die Berichte Reisender eine eigene Quellenkategorie darstellen. Ihre Schilderungen zeigen, dass die beiden großen Kasseler Menagerien von ihnen als Sehenswürdigkeit aufgesucht wurden. Da sie fremdländische Tiere unter den Kategorien des Ausgefallenen und Ungewöhnlichen darboten, kamen sie dem Bedürfnis nach dem „Curieusen“ in besonderer Weise entgegen. Die Reiseberichte gestatten daher in besonderer Weise einen Blick durch die zeitgenössische Brille auf die Menagerie als Raritätenkabinett. Der Motivation der Reisenden zum Besuch der Menagerien lag derselbe neugierige Blick zugrunde, der auch zum Besuch der Kunstkammer anregte und die Auswahl der Gegenstände dort bestimmte.

Zweitens wurde das Tierstück des Hofmalers Johann Melchior Roos einer eingehenden Analyse unterzogen. In Teil III, Kapitel 3.5, gilt der Schwerpunkt der Untersuchung der Einordnung des Kasseler „Tierstücks“ in den Bildtypus des frühneuzeitlichen Sammelbildes. Die Untersuchung zielte auf einen Strukturvergleich zwischen dem Sammlungstyp Kunst- und Wunderkammer und dem Kasseler Sammelbild. Es kann nunmher dargelegt werden, dass dessen Rezeptionsstruktur auf neugieriges Sehen abgestimmt ist, das Fülle, Verschiedenheit und Miniaturhaftigkeit liebte. Staunen machende Überfülle und gezielte Unübersichtlichkeit des visuellen Angebotes wurde auch in manchen Kunstkammern inszeniert (z.B. in München). Schließlich relativiert bzw. korrigiert das Ergebnis der Untersuchung die verbreitete Forschungsannahme, in dem Gemälde eine Dokumentation einer „realen“ Menagerie zu sehen.

110

Zusammenfassend sei festgehalten, dass der Kasseler Sammlungskomplex die Symbiose von Kunst, Natur und Wissenschaft bildhaft vor Augen führt. Indem in dem Kasseler „Tierstück“ das lebende Tier selbst zum Kunstobjekt wird, zeigt sich das Vorhandensein der Kunst in der Natur und umgekehrt, wird die wechselseitige Durchdringung beider Pole erlebbar. Der Anspruch der barocken Kunst- und Wunderkammer auf enzyklopädische Vollständigkeit verweist auf die Zusammengehörigkeit aller Wissenschaften und Künste und lässt die Grenzen zwischen den Disziplinen aufbrechen.622

Letztlich versteht sich die vorliegende Untersuchung als Beitrag zur Rekonstruktion der ehemaligen Residenzstadt Kassel. Die „Hochphase“ der Menagerie des Landgrafen Karl fällt genau in die Zeitspanne, in der in Deutschland auch die meisten übrigen barocken Menagerieanlagen geplant (ab 1700) und entstanden sind (zwischen 1715 und 1763). Damit steht die Kasseler Tiersammlung in einer Reihe mit den wichtigsten Menagerien im deutschsprachigen Raum, wie den Anlagen von Wien, Karlsruhe, Oranienburg, Dresden und Weimar. Das „Tierstück“ von Roos ist ein einzigartiges Dokument für diese frühe Form der höfischen Tierhaltung in Kassel und in seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen.

622 Heute ist die Schau auf dieses historische Ensemble weitgehend verlorengegangen. Nach Durchbruch des vorwiegend naturwissenschaftlich orientierten Denkens in der Aufklärung wurde ein großer Teil der landgräflichen Sammlung aus der früheren Einheit der „Kunstkammer“ herausgelöst. Die Sammlung ist zerschlagen und aufgeteilt worden in die entsprechenden Spezialsammlungen. Heute präsentiert allein die MHK neun fachlich unterschiedliche Sammlungen in sechs Gebäuden. Hinzu tritt das Städtische Naturkundemuseum im Ottoneum mit seinen botanischen, geologischen und zoologischen Sammlungen.

111

Bibliographie

Archivalien

Hessisches Staatsarchiv Marburg (StAM):

Bestand 4f: Staatenabteilung

4 f Brandenburg (fränk.) 218 Dank des Markgrafen Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach für das für 2 übersandte Kamele gemachte Gegengeschenk, 1719.

4 f Niederlande 650 Die Generalstaaten schenkten einen Bären, dem ein Löwe und ein Tiger nachfolgen sollen, 1727.

4 f Polen 218 Übersendung einer Menagerie an König August II. von Polen und Gegengeschenk in Pferden, 1730-1732.

4 f Preußen 410 Zusendung zweier Bärinnen seitens des Kurfürsten von Brandenburg, 1688.

4 f Preußen 548 Übersendung eines weißen Bären an den Landgrafen seitens des Königs von Preußen, 1722.

Bestand 4 b: Hofhaltung

4 b 674 „Verzeichnis aller im Kunsthaus befindlichen Schildereyen“. Inventar der Kasseler Galerie aus dem Nachlass Landgraf Carls von 1730.

Bestand 5: Geheimer Rat

5, 12260, Bl.5-7.

5, 12540, fol.5-10.

5, Nr. 19821, fol.9.

Bestand 6a: Hessisches Geheimes Kabinett

6a, Nr.60 Verzeichniss derer Treib und Glaß Hauß Pflanzen, welche sich dermalen in der Herrschaftlichen Orangerie zu Cassell befinden – sämtlich in Scherben, specificat Cassel den 12ten Janius 1800.

112

Bestand R: Rechnungen

(R) II, 655, Kassel 1773, Bl. 130.

(R), II, 655; Cabinettskasse, II, 96; Chatoullrechnungen

Inventare MHK

Kunsthaus–Inv. 1744 Verzeichnis aller im Kunst=Haus befindlichen Schilderyen. Nr. 1 bis 790. Manuskript MHK.

Inventar 1816 Inventarium der Gemälde-Gallerie zu Cassel mit Supplements I-VI. 1816ff. Nr. 1-2178. Manuskript MHK.

Sächsisches Hauptstaatsarchiv (Sächs HstA)

loc.380, fol.236f. Papiers concernant les emplettes des porcelaines en Hollande […] 1716- 1718.

loc. 589. fol.6 a/b Verschiedene in Hamburg auch sonst erkaufte wilde Thiere, 1718.

Spezialreskripte 1730 Nr. 233 vom 14.8.1730 Brief des Moritzburger Amtmannes Tüllmann an den König

113

Gedruckte Quellen und Schriften vor 1810

Apell 1805 Apell, David August von: Cassel in historisch-topographischer Hinsicht, Marburg 1805. Bacon 1594/1862 Bacon, Francis: Gesta Grayorum 1594, in: Collected Works, ed. Spedding et al. Vol. 8, London 1862, S.332-342. Calzolari 1622 Calzolari, F.: Museum Calceolarium, Verona 1622. Camillo 1550 Camillo, Giulio: L’ Idea del Theatro, Florenz 1550. Dilich 1605/1961 Dilich, Wilhelm: Heßische Chronica, Cassel, 1605, Reprint Kassel 1961. Engelhard 1778-1781 Engelhard, Regnerus: Erdbeschreibung der Hessischen Lande Casselischen Antheiles mit Anmerkungen aus der Geschichte und aus Urkunden erläutert, welcher Oberhessen und die übrigen fürstlichen Länder enthält, 3 Bde., Kassel 1778-1781, Reprint: 2004. Fontaine 1669 Fontaine, Jean de la: Les Amours de Psyché et de Cupidon, Paris 1669. Edition Stéréotype d’après le procédé de Firmin Didot, Paris 1803, Livre Premier. Furttenbach 1640 Furttenbach, Joseph: Architectura Recreationis. Das ist: Von Allerhand Nutzlich = und Erfrewlichen Civilischen Gebaewen [...], Augsburg 1640, Reprint: Hildesheim 1971. Gesner 1669 Gesner, Conrad: Historia Animalium oder Allgemeines Thier-Buch: Abbildungen aller vierfuessigen, sowohl zahmer als wilder Thiere, welche in allen 4 Theilen der Welt auf dem Erdboden und [...], Frankfurt a.M. 1669, Reprint: Hannover 1995. Guenderode 1781 Guenderode, Freiherr Friedrich Justus von: Briefe eines Reisenden über den gegenwärtigen Zustand von Cassel, 1781. Happel 1683-1691 Happel, Eberhard Werner: Größte Denkwürdigkeiten dieser Welt oder sogenannte Relationes Curiosae, Hamburg 1683-1691, Reprint bearbeitet von Jürgen Westphal und Uwe Hübner, Berlin 1990. Hirschfeld 1779-85 Hirschfeld, Christian Cayus Lorenz: Theorie der Gartenkunst, 5 Bde., Leipzig 1779-85, Reprint: Hildesheim 1973. Hüsgen 1776 Hüsgen, Henrich Sebastian: Verrätherische Briefe von Historie und Kunst, Frankfurt am Main, 1776. Hüsgen 1780 Hüsgen, Henrich Sebastian: Nachrichten von Frankfurter Künstlern und Kunst=Sachen enthaltend das Leben und die Wercke, aller hiesigen Mahler, Bildhauer [...], Frankfurt am Main 1780.

114

Hüsgen 1790 Hüsgen, Henrich Sebastian: Artistisches Magazin. Enthaltend das Leben und die Verzeichnisse der Werke hiesiger und anderer Künstler [...], Frankfurt a. M., 1790. Klaute (Weinberger) 1700 Klaute, Johann Balthasar: Diarium italicum. Die Reise Landgraf Karls von Hessen-Kassel nach Italien, 5. Dezember 1699 bis 1. April 1700, neu herausgegeben von Cornelia Weinberger, Kassel 2006. Kleiner 1731-40 Kleiner, Salomon: Wunderwürdiges Kriegs- und Sieges-Lager deß unvergleichlichen Heldens unserer Zeiten oder eigentliche Vor- und Abbildungen der Hoff-, Lust- und Garten Gebäude des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn Eugenii Francisci Hertzogen zu Savoyen und Piemont, Augsburg 1731-40. Major 1674 Major, Johann Daniel: Unvorgreiffliches Bedencken von Kunst- und Naturalienkammern ins gemein, Kiel 1674. Merian 1655 Merian, Matthäus: Topographia Hassiae et Regionum Vicinarum, Das ist: Beschreibung vnnd eygentliche Abbildung der vornehmsten Stätte vnd Plätze in Hessen, vnnd denen benachbarten Landschafften, als Buchen, Wetteraw, Westerwaldt, Löhngaw, Nassaw, Solms, Hanaw, Witgenstein, vnd andern, Frankfurt a. M., 1655. Mersenne 1634 Mersenne, Marin: Questions inouyés, Paris 1634/1985. Mollerus 1704 Mollerus, Daniel Guilielmus: Commentatio de technophysiotameis sive Germanice: Von Kunst- und Naturalienkammmern, Altdorf 1704. Neickel 1727 Neickel, Caspar Friedrich: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museoren oder Raritäten-Kammern [...], Leipzig 1727. Olearius 1674 Olearius, Adam: Gottorfische Kunstkamer, worinnen Allerhand ungemeine Sachen, so theils die Natur, theils künstliche Hände hervorgebracht und bereitet, o. O., 1674. Penther 1744 Penther, Johann Friedrich: Erster Theil einer ausführlichen Anleitung zur Bürgerlichen Bau=Kunst / enthaltend ein Lexicon Architectonicum oder Erklärung der üblichen Deutschen/Französischen/Italienischen Kunst = Wörter der Bürgerlichen Bau=Kunst [...], Augsburg 1744. Plinius d.Ä. Plinius Secundus d.Ä.: Naturalis Historia. Texte établi, traduit et commenté par A. Paris Ernout, Paris 1952. Quiccheberg 1565 Quiccheberg, Samuel: Inscriptiones vel tituli. Theatri amplissimi, complectentis rerum universitatis singulas materias et imagines eximias [...], München 1565. Rohr 1716 Rohr, Julius Bernhard von: Compendieuse Haußhaltungs Bibliothek, Leipzig 1716.

115

Sander 1784 Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien; in Beziehung auf Menschenkenntnis, Industrie, Literatur und Naturkunde in Sonderheit, Teil 2, Leipzig 1784. Schmincke 1767 Schmincke, Friedrich Christoph: Versuch einer genauen und umständlichen Beschreibung der hochfürstlich = hessischen Residenz = und Hauptstadt Cassel nebst den nahe gelegenen Lustschlössern, Gärten und andern sehenswürdigen Sachen, Cassel 1767. Sturm 1705 Sturm, Leonhard Christoph: Der Geöffnete Ritter-Platz. Worinnen Die vornehmsten Ritterlichen Wissenschafften und Ubungen, Sonderlich, was bey der Fortification, Civil-Bau-Kunst, Schiff-Fahrt, Fechten, Reiten, Jagen, Antiquen so wol als Modernen-Müntzen und Medaillen, Hauptsächliches und Merckwürdiges zu beobachten, In Erörterung der nohtwendigsten und gewöhnlichsten Kunst-Wörter, wie auch einer kurtzgefasten Beschreibung, und zierlichen Kupffer-Figuren Denen Liebhabern zum Vergnügen [...] an das Licht gestellet werden, Hamburg 1715. Uffenbach 1728 Uffenbach, Johann Friedrich Armand von: Tagebuch einer Spazierfahrt durch die hessische in die Braunschweig-Lüneburgischen Lande, welche anno 1728 im August obhabender Geschäften wegen gethan, hrsg. von Max Arnim, Nachdruck Göttingen 1928. Uffenbach 1754 Uffenbach, Zacharias Konrad von: Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen, Holland und England, Bd. II, Frankfurt/Leipzig 1754. Valentini 1704/1714 Valentini, Bernhard Michael: Museum Museorum oder vollständige Schaubühne aller Materialien und Specereyen, nebst deren natürlichen Beschreibung, Election, Nutzen und Gebrauch aus andern Material = Kunst und Naturalien = Kammern, 2 Bände, Frankfurt 1704 und 1714. Veneziano 1708 Veneziano, Anonimo: Eine Deutsche Reise anno 1708, hrsg. und übersetzt von Irene Schrattenecker, Innsbruck 1999. Winckelmann 1697 Winckelmann, Johann-Just: Gründliche und wahrhafte Beschreibung der Fürstentümer Hessen und Hersfeld, samt deren einverleibten Graf- und Herrschaften mit den benachbarten Landschaften, 1697, Nachdruck Meiningen 1995. Worm 1655 Worm, O.: Museum Wormianum, Leiden 1655. Zedler 1732-50 Zedler, Johann Heinrich: Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, 64 Bde., Halle und Leipzig 1732-1750, Reprint: Graz 1961.

116

Forschungsliteratur

Alberti 2000 Alberti, Leon Battista: Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei, lat.-dt., hrsg. u. übers. von O. Bätschmann u. C. Schäublin, Darmstadt 2000. Anderson 1962: Anderson, Fulton H.: Francis Bacon. His Career and his Thought, 2. überarbeitete Auflage, New York 1962. Ash 2008 Ash, Mitchell G. (Hg.): Mensch, Tier und Zoo. Der Tiergarten Schönbrunn im internationalen Vergleich, Wien 2008. Assmann/Gomille/Rippl 1998 Assmann, Aleida, Gomille, Monika und Rippl, Gabriele (Hg.): Sammler - Bibliophile - Exzentriker (Literatur und Anthropologie, Bd. 1), Tübingen 1998. Auböck, 2003 Auböck, Maria (Hg.): Das Belvedere. Der Garten des Prinzen Eugen in Wien, Wien 2003. Auerbach 2002 Auerbach, Inge: Lebende Tiere als fürstliche Geschenke im 16. und 17. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Volkskunde 25, 2002, S.161-199. Ausst.-Kat.: Ausstellungskataloge Ausst.-Kat. Amsterdam 1992 De wereld binnen handbereik. Nederlands kunst- en rariteitenverzamelingen, 1585-1735, hrsg. von R. Kistemaker u.a., Amsterdams Historisch Museum, 2 Bde., Amsterdam 1992. Ausst.-Kat. Berlin 1966 Barock in Deutschland. Residenzen. Museumsgebäude Berlin-Charlottenburg, Berlin 1966. Ausst.-Kat. Berlin 2000 7 Hügel. Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts. Martin-Gropius-Bau Berlin, Berlin 2000. Ausst.-Kat. Berlin 2001 Theater der Natur und Kunst. Wunderkammern des Wissens, hrsg. von Horst Bredekamp, Humboldt-Universität, Berlin 2001. Ausst.-Kat. Bonn 1994 Wunderkammer des Abendlandes. Museum und Sammlung im Spiegel der Zeit. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1994. Ausst.-Kat. Braunschweig 1976/77 Künstler sehen Tiere. Tierdarstellungen aus eigenem Besitz. Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig 1976/77. Ausst.-Kat. Braunschweig 2000 Weltenharmonie: Die Kunstkammer und die Ordnung des Wissens. Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Braunschweig 2000. Ausst.-Kat. Darmstadt 1981 Sammeln, Eine Ausstellung zur Geschichte und zu den Formen der Sammeltätigkeit. Hessisches Landesmuseum Darmstadt, 1981. Ausst.-Kat. Dortmund 2003 Palast des Wissens. Die Kunst- und Wunderkammer Zar Peters des Großen. Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, München 2003.

117

Ausst.-Kat. Dresden 2004 Tulpomanie. Die Tulpe in der Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. Hrsg. von André van der Goes. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kunstgewerbemuseum, Dresden 2004. Ausst.-Kat. Essen 2002 Sinn und Sinnlichkeit. Das Flämische Stillleben 1550-1680, Kulturstiftung Ruhr Essen, Villa Hügel, Lingen 2002. Ausst.-Kat. Freren 1988 Prag um 1600. Kunst und Kultur am Hofe Rudolfs II. Kulturstiftung Ruhr, Villa Hügel, Freren 1988. Ausst.-Kat. Hamm 2001 Gärten und Höfe der Rubenszeit im Spiegel der Malerfamilie Brueghel und der Künstler um Peter Paul Rubens, hrsg. von Ursula Härting, Hamm 2001. Ausst.-Kat. Hannover 1991 The Age of the Marvelous. Hood Museum of Art, Dartmouth College, Hanover (New Hampshire) 1991, Chicago 1991. Ausst.-Kat. Hannover 1994 Die Erfindung der Natur. Max Ernst, Paul Klee, Wols und das surreale Universum, hrsg. von Orchard, Karin und Zimmermann, Jörg, Hannover 1994. Ausst.-Kat. Kaiserslautern 1985 Der Tiermaler Johann Heinrich Roos, Pfalzgalerie und Theodor-Zink-Museum, Kaiserslautern 1985. Ausst.-Kat. Kassel 1979 Aufklärung und Klassizismus in Hessen-Kassel unter Landgraf Friedrich II.: 1760-1785, hrsg. von den Staatlichen Museen Kassel, Kassel 1979. Ausst.-Kat. Kassel 1997 Moritz der Gelehrte: ein Renaissancefürst in Europa, hrsg. von Heiner Borggrefe, Eurasburg 1997. Ausst.-Kat. Köln 1985 Roelant Savery in seiner Zeit: 1576-1639, Wallraff-Richartz-Museum, Köln und Utrecht, Centraal Museum, Köln 1985. Ausst.-Kat. Kopenhagen 1980 Etnografiske genstande i det kongelige danske Kunstkammer 1650-1800. Ethnographic objects in the royal danish kunstkammer 1650-1800, Nationalmuseum Kopenhagen 1980. Ausst.-Kat. London 1997 Rudolf II. and Prague. The Court and the city, hrsg. von Fucíková, Eliska, London 1997. Ausst.-Kat. München 1997 Deep Storage - Arsenale der Erinnerung. Sammeln, Speichern, Archivieren in der Kunst. Hrsg. von Ingrid Schaffner und Matthias Winzen, Haus der Kunst, München/New York 1997. Ausst.-Kat. München 2003 Barocke Sammellust. Die Sammlung des Baron Samuel von Brukenthal, Haus der Kunst, München 2003. Ausst.-Kat. Münster, Baden-Baden 1979/80: Stilleben in Europa. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster und Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, Münster 1979/80.

118

Ausst.-Kat. Nürnberg 1989 Die Grafen von Schönborn. Kirchenfürsten, Sammler, Mäzene. Hrsg. von Hermann Maué, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, 1989. Ausst.-Kat. Nürnberg 1992 Focus Behaim Globus, hrsg. von Gerhart Bott, 2 Bd., Nürnberg 1992. Ausst.-Kat. Potsdam 1988 Der grosse Kurfürst 1620-1688. Sammler, Bauherr, Mäzen, Neues Palais in Sanssouci, Potsdam 1988. Ausst.-Kat. Saarbrücken 1989 Kunstschätze aus Schloss Carlsberg, die Sammlungen der Herzöge von Pfalz- Zweibrücken, hrsg. von Ernst-Gerhard Güse, Saarland Museum Saarbrücken, Saarbrücken 1989. Ausst.-Kat. Schwerin 1997 Die Malerfamilie Roos in Deutschland, hrsg. von Kornelia Berswordt-Wallrabe, Staatliches Museum Schwerin 1997. Ausst.-Kat. Schwerin 2008 Oudrys gemalte Menagerie. Porträts von exotischen Tieren im Europa des 18. Jahrhunderts, hrsg. von Kornelia von Berswordt-Wallrabe, München, Berlin 2008. Ausst.-Kat. Stuttgart 1987 Exotische Welten, europäische Phantasien, Ausstellung d. Inst. für Auslandsbeziehungen u. d. Württemberg. Kunstvereins, Stuttgart 1987. Ausst.-Kat. Washington 1998 Arthur K. Wheelock Jr.. A collector’s cabinet. National Gallery of Art, Washington 1998. Ausst.-Kat. Wien 1963 Prinz Eugen und sein Belvedere, Wien 1963. Ausst.-Kat. Wien 1987 Zauber der Medusa. Europäische Manierismen, bearbeitet von Werner Hofmann, Wiener Festwochen, Künstlerhaus Wien 1987. Ausst.-Kat. Wien 1998 Spielwelten der Kunst. Kunstkammerspiele, hrsg. von Wilfried Seipel, Kunsthistorisches Museum, Wien 1998. Ausst.-Kat. Zürich 1985 Die Muschel in der Kunst: Von der Renaissance bis zur Gegenwart, Museum Bellerive, Zürich 1985. Balsam 1989 Balsam, Simone: Orangerien – Bauten im Spannungsfeld zwischen Architektur und Natur: Studien zur Typologie hessischer Orangerien (zugl. Univ. Diss.), Marburg (Lahn) 1989. Balsam 2001 Balsam, Simone (Hg.): Allerley Sorten Orangerie (Schriftenreihe des Arbeitskreises Orangerien in Deutschland e.V.; 3), Potsdam 2001. Balsiger 1970 Balsiger, Barbara Jeanne: The Kunst- und Wunderkammern: A Catalogue Raisonné of Collecting in , and England, 1565-1750, Phil. Diss University of Pittsburgh, 1970. Baratay/Hardouin-Fugier 2000 Baratay, Eric und Hardouin-Fugier, Elisabeth: Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark, Berlin 2000.

119

Bauakademie der DDR 1990 Große Baumeister. Hinrich Brunsberg, Elias Holl, Leonhard Christoph Sturm, Leo von Klenze, Gotthilf Ludwig Möckel, Ludwig Hoffmann, Richard Paulick, Schriften des Instituts für Städtebau und Architektur, Berlin 1990. Becker 1996 Becker, Christoph: Vom Raritäten-Kabinett zur Sammlung als Institution. Sammeln und Ordnen im Zeitalter der Aufklärung (Deutsche Hochschulschriften; Bd. 1103), Egelsbach, Frankfurt 1996. Becker 1996a Becker, Horst: Die Geschichte der Karlsaue in Kassel. Planungsgeschichte und Bestandserfassung. Teil 1: Vom Renaissancegarten zum Barock- und Rokokopark, in: Die Gartenkunst, hrsg. von H. A. Elfgang u.a., Heft 1, 1996, S. 29-58. Becker 2002 Becker, Horst: Staatspark Karlsaue, Kassel: bedeutender Landschaftsgarten mit Insel Siebenbergen – begründet in der Renaissance mit Elementen der barocken Parkanlage, Regensburg 2002. Benedict 2001 Benedict, Barbara M.: Curiosity. A cultural history of early modern inquiry, Chicago 2001. Bennett 1995 Bennett, Tony: The birth of museum: history, theory, politics, London 1995. Bentzmann 1991 Bentzmann, Carl: Man findet hir auch superbe Gemälde, 1757, in: Ruhl 1991, S. 34-35. Bergmeyer 1999 Bergmeyer, Winfried: Landgraf Karl von Hessen-Kassel als Bauherr - Funktionen von Architektur zwischen Vision und Wirklichkeit, Münster 1999. Bergströn 1983 Bergströn, Ingvar: Dutch still-life painting in the seventeenth century, New York 1983. Berliner 1928 Berliner, Rudolf: Zur älteren Geschichte der allgemeinen Museumslehre in Deutschland, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, Band V, München 1928, S.327-352. Biehn 1963 Biehn, Heinz: Die Karlsaue in Kassel, Kassel 1963. Bischoff 1977 Bischoff, Ulrich: Kunstkammerstücke: Bildnisse und Sinnbilder, in: Der Mensch um 1500, Werke aus Kirchen und Kunstkammern, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Skulpturengalerie, Berlin 1977. Blair 1997 Blair, A.: The Theater of Nature: Jean Bodin and Renaissance Science, Princeton 1997. Blumenberg 1951 Blumenberg, Hans: Das Verhältnis von Natur und Technik als philosophisches Problem, in: Studium Generale 4, 1951, S. 461-467. Blumenberg 1966 Blumenberg, Hans: Zur Geschichte der wissenschaftlichen Neugier: Zur Legitimität der Neuzeit, Frankfurt a.M. 1966.

120

Boehlke 1963 Boehlke, Hans-Kurt: Das Museum Fridericianum. Eine Beschreibung der Architektur und ihrer Verwendung durch seinen Baumeister Simon Louis du Ry, in: ZHG 74, 1963. Böger 1997 Böger, Ines: Ein seculum [...] da man zu Societäten Lust hat. Darstellung und Analyse der Leibnizschen Sozietätspläne vor dem Hintergrund der europäischen Akademiebewegung im 17. und frühen 18. Jahrhundert, 2 Bde., München 1997. Bolzoni 1994 Bolzoni, Lina: Das Sammeln und die ars memoriae, in: Grote 1994, S.129-168. Both/Vogel 1973 Von Both, Wolf und Vogel, Hans: Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel: ein Fürst der Zopfzeit (Schriften zur hessischen Kulturgeschichte; 27,2), München 1973. Braungart 1988 Braungart, Wolfgang: Kunst-Besitzindividualismus. Das Amerbachsche Kunstkabinett und die Entstehung der frühneuzeitlichen Kunstkammer, in: Unsere Kunstdenkmäler, H. 39, 1988. Braungart 1989 Braungart, Wolfgang: Die Kunst der Utopie: Vom Späthumanismus zur frühen Aufklärung, Stuttgart 1989. Bräunlein 1992 Bräunlein, Peter J.(Hg.): Theatrum Mundi. Zur Geschichte des Sammelns im Zeitalter der Entdeckungen, in: Ausst-Kat. Nürnberg 1992, S.355-375. Bredekamp 1993 Bredekamp, Horst: Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte, Berlin 1993. Brown 1994 Brown, Jonathan: Kings and connoisseurs: collecting art in seventeenth-century europe. The A. W. Mellon Lectures in the Fine Arts, Princeton, New Jersey 1994. Brunner 1913 Brunner, Hugo: Geschichte der Residenzstadt Cassel: 913-1913, Zur Feier des tausendjährigen Bestehens der Stadt, Kassel 1913. Bühl 1984 Bühl, Walter-L.: Die Ordnung des Wissens (Sozialwissenschaftliche Abhandlung der Görres-Gesellschaft), Berlin 1984. Bujok 2004 Bujok, Elke: Neue Welten in europäischen Sammlungen: Africana und Americana in Kunstkammern bis 1670 (zugl. Berlin, Freie Univ. Diss, 2002), Berlin 2004. Bukovinska 1997 Bukovinska, Beket: Die Kunstkammer Rudolfs II., in: Fuciková 1997, S.199-208. Burkhardt 2008 Burkhardt, Richard W. jr: Akteure und Interessen in der Pariser Menagerie, in: Ash 2008, S. 111-131. Burmeister 2003 Burmeister, Helmut (Hg.): Friedrich, König von Schweden, Landgraf von Hessen-Kassel. Studien zu Leben und Wirken eines umstrittenen Fürsten (1676-1751), Hofgeismar 2003.

121

Büttner 2000 Büttner, Nils: Die Erfindung der Landschaft. Kosmographie und Landschaftskunst im Zeitalter Brueghels, Göttingen 2000. Cassidy-Geiger 2007 Cassidy-Geiger, Maureen (Hg.): Fragile Diplomacy. Meissen Porcelain for European Courts ca. 1710-63, New York 2007. Coban-Hensel 2008 Coban-Hensel, Margitta: Barocke Tiergärten. Die Menagerien Augusts des Starken, in: Passepartout, Ausstellungsjournal des Schlösserlandes Sachsen, Ausgabe 1/2008. Collet 2007 Collet, Dominik: Die Welt in der Stube. Begegnungen mit Außereuropa in Kunstkammern der Frühen Neuzeit (Veröffentlichungen des Max-Planck-Institut für Geschichte; 232), zugl. Hamburg, Univ. Diss, 2006, Göttingen 2007. DaCosta Kaufmann 1993 DaCosta Kaufmann, Thomas: The Mastery of Nature. Aspects of Art, Science and Humanism in the Renaissance, Princeton N.J. 1993. Dance 1985 Dance, S. Peter: Zur Geschichte des Muschelsammelns, in: Ausst.-Kat. Zürich 1985, S. 14-17. Danziger/Reuter 1999 Danziger, Marlies K.; Reuter, Hans-Joachim (Hg.): Ein Schotte in Kassel im Jahre 1764: James Boswell bei Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (Quellen und Perspektiven zur Entwicklung Kassels; 5), Kassel 1999. Dash 1999 Dash, Mike: Tulpenwahn: die verrückteste Spekulation der Geschichte, München 1999. Daston 1994 Daston, Lorraine: Neugierde als Empfindung und Epistemologie in der frühmodernen Wissenschaft, in: Grote 1994, S.35-59. Daston 2002 Daston, Lorraine: Die Lust an der Neugierde in der frühneuzeitlichen Wissenschaft, in: Krüger 2002, S.147-177. Daston/Park 1998 Daston, Lorraine and Park, Katherine: Wonders and the Order of Nature: 1150- 1750, New York 1998. Daston/Park 2002 Daston, Lorraine and Park, Katherine: Wunder und die Ordnung der Natur, 1150–1750, Frankfurt am Main 2002. Defaux 1982 Defaux, Gérard: Le Curieux, le glorieux et la sagesse du monde dans la première moitié du XVIe siècle, Lexington 1982. De Jong 2000/01 De Jong, Erik A.: Vredeman de Vries und sein "Hortorvm Viridariorumqve elegantes & multiplicis formae" von 1583, in: Härting 2000, S. 37-47. Demandt 1980 Demandt, Karl E.: Geschichte des Landes Hessen, Kassel 1980. Dick 1789 Dick, Johann Tobias: Deß Heßischen Grenadiers Tobias Dick Gedichte. Nach seinem Tod hrsg. von Carl Samuel Wigand, Cassel 1789.

122

Dittrich 1986/87 Dittrich, Lothar: Wildtiere in der Obhut des Menschen - in der Zeit vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, in: Studium generale. Vorträge zum Thema Mensch und Tier, Band V, Tierärztliche Hochschule Hannover 1986/87, S.81- 108. Dittrich 1993 Dittrich, Lothar und Sigrid: Tiere in Höfen und Gärten von Palästen auf Bildern von Hans und Paul Vredemann de Vries, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, Band 32, 1993, S.90-107. Dittrich 2001 Dittrich, Lothar: Fürstliche Menagerien im deutschsprachigen Raum ab den 1760er Jahren bis zur Gründung der Zoologischen Gärten Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Dittrich/Engelhardt/Rieke-Müller 2001, S.67-81. Dittrich 2001a Dittrich, Sigrid: Exoten an den Höfen der Renaissancefürsten und ihre Darstellung in der Malerei, in: Die Kulturgeschichte des Zoos 2001, S.9-29. Dittrich 2007 Dittrich, Lothar: Der Import von Wildtieren nach Europa – Einfuhren von der Frühen Neuzeit bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, in: Schratter 2007, S.1-21. Dittrich/Engelhardt/Rieke-Müller 2001 Dittrich, Lothar; Engelhardt, Dietrich v. und Rieke-Müller, Annelore (Hg.): Die Kulturgeschichte des Zoos (Ernst-Haeckel-Haus-Studien; Bd. 3), Berlin 2001. Dittrich/Rieke-Müller 1996 Dittrich, Lothar und Rieke-Müller, Annelore: Von Zoos, Menagerien und Wandermenagerien – exotische Tiere in menschlicher Obhut, in: Studium generale. Vorträge zum Thema Mensch und Tier, Bd. XI, Tierärztliche Hochschule Hannover 1992/93 bis 1994/95, Hannover 1996, S.149-167. Dreier 1961 Dreier, Franz-Adrian: Zur Geschichte der Kasseler Kunstkammer, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, Bd. 72, 1961, S.123- 143. Drost 1938 Drost, W.: Danziger Malerei. Vom Mittelalter bis zum Ende des Barock, Berlin und Leipzig 1938. Ebert-Schifferer 1998 Ebert-Schifferer, Sybille: Die Geschichte des Stillebens, München 1998. Eibl 1988 Eibl, Karl (Hg.): Johann Wolfgang Goethe. Gedichte 1800-1832, Frankfurt am Main 1988. Eisenmann 1888 Eisenmann, Oskar: Katalog der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel, Cassel 1888. Encyclopédie Méthodique 1782 Encyclopédie Méthodique: Ou Par Ordre De Matière; „Architecture“, par Quatremere De Quincy, Bd. 2, N°18, Paris 1782. Enke 1994 Enke, Ulrike: Soemmerings erste Professur am Collegium Carolinum zu Kassel, in: Wenzel 1994, S. 75-141. Ennenbach 1978 Ennenbach, Wilhelm: Gottfried Wilhelm Leibniz’ Bemühungen zu Museen und Sammlungen, in: Schriftenreihe, H. 10, Berlin 1978, S. 1-76.

123

Erffa 1989 Erffa, Hans Martin von: Ikonologie der Genesis. Die christlichen Bildthemen aus dem Alten Testament und ihre Quellen, 1. Teil, München 1989. Ertz 1979 Ertz, Klaus: Jan Brueghel der Ältere (1568-1625). Die Gemälde mit kritischem Oeuvre-Katalog, Köln 1979. Ertz 1984 Ertz, Klaus: Jan Brueghel der Jüngere (1601-1678). Die Gemälde mit kritischem Oeuvrekatalog (Flämische Maler im Umkreis der großen Meister, Band 1), Freren 1984. Fechner 1977 Fechner, Jörg-Ulrich: Die Einheit von Bibliothek und Kunstkammer im 17. und 18. Jahrhundert, Bremen und Wolfenbüttel 1977. Fenner 2004 Fenner, Gerd: Nr. 1.84.9.1, in: Online-Katalog der MHK: Bestandskatalog der Architekturzeichnungen des 17.-20. Jahrhunderts in der Graphischen Sammlung. Fenner 2004a Fenner, Gerd: Nr. 1.84.9.2, in: Online-Katalog der MHK: Bestandskatalog der Architekturzeichnungen des 17.-20. Jahrhunderts in der Graphischen Sammlung. Fiedler/Giese 1963 Fiedler, Walter und Giese, Ursula: Die Menagerie und der botanische Garten des Prinzen Eugen, in: Ausst.-Kat. Wien 1963, S. 143-179. Findlen 1994 Findlen, Paula: Possessing Nature. Museums, Collecting, and Scientific Culture in Early Modern Italy, Berkeley/Los Angeles/London 1994. Fischer 1927 Fischer, Hanns, Der graefl. Schoenborn-Wiesentheid’sche Bilderbesitz, Phil. Diss. Freiberg (Schweiz) ,1927 (Maschinenschrift). Fleckenstein 1958 Fleckenstein, Joachim Otto: Gottfried Wilhelm Leibniz. Barock und Universalismus, München 1958. Follmann/Kuster-Wendenburg 1979 Follmann, Gerhard und Kuster-Wendenburg, Elisabeth: Pflanze und Tier im Fürstlichen Kunsthaus zu Kassel/Ein geologisches Profil für das Museum Fridericianum, in: Ausst.Kat. Kassel 1979, S.131-136. Friedrich 1995 Friedrich, Udo: Naturgeschichte zwischen artes liberales und frühneuzeitlicher Wissenschaft: Conrad Gessners „Historia animalum“ und ihre volkssprachliche Rezeption (Frühe Neuzeit; Bd. 21), Tübingen 1995. Frieß/Langenstein 1996 Frieß, Peter und Langenstein, Eva (Hg.): Mechanik aus der Wunderkammer - Die Vorläufer der Computer, München 1996. Frosien 1985 Frosien, Leinz, Heike: Das studiolo und seine Ausstattung, in: Natur und Antike in der Renaissance, Frankfurt a. M. 1985. Fuciková 1988 Fuciková, Eliska: Die Sammlungen Rudolfs II., in: Die Kunst am Hofe Rudolfs II., Prag 1988.

124

Fuciková 1997 Fuciková, Eliska (Hg.): Rudolf II. und Prag. Kaiserlicher Hof und Residenzstadt als kulturelles und geistiges Zentrum Mitteleuropas, Prag 1997. Ganz 2002 Ganz, Ulrike: Kunstkammer und Sammelbild: Ein Medienvergleich, in: Wolfgang E. J. Weber (Hg.): Wissenswelten. Perspektiven der Neuzeitlichen Informationskultur (Mitteilungen des Instituts für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg: Sonderheft), Augsburg 2002, S.201-225. Ganz 2006 Ganz, Ulrike Dorothea: Neugier und Sammelbild. Rezeptionsästhetische Studien zu gemalten Sammlungen in der niederländischen Malerei, ca. 1550- 1650, Weimar 2006. George/Yapp 1991 George, Wilma und Yapp, Brunsdon: The naming of the beast. Natural history in the medieval bestiary, London 1991. Gerland 1880 Gerland, Ernst: Ein bisher noch ungedruckter Brief Leibnizens über eine in Cassel zu gründende Academie der Wissenschaften, in: Bericht des Vereins für Naturkunde zu Cassel, Bd.26/27, 1878/80, S.50-56. Giese 1962 Giese, Ursula: Wiener Menagerien. Ebersdorf/Neugebäude/Belvedere/ Schönbrunn, Österreichische Reihe, Bd. 165/167, Wien 1962. Gorgas 1986 Gorgas, Michael (Hg.): Tiere, Kaiser, Anekdoten. Von Fuggers Menagerie zum Großstadtzoo, Gersthofen 1986. Graczyk 2008 Graczyk, Annette: Der Zoo als Tableau, in: Ash 2008, S.97-110. Graham 1991 Graham, C. Adams: Das Ottoneum als Theater, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 96, 1991. Grimm 1988 Grimm, Claus: Stillleben. Die niederländischen und deutschen Meister, Stuttgart/Zürich 1988. Grimm/Mader 1980 Grimm, Wernt und Mader, Richard E.: Kasseler Gartenkunst vom Mittelalter bis in unsere Zeit, Bremen 1980. Gröschel 2008 Gröschel, Claudia: „Ausländische Thiere und frembde Gewächse“. Menagerie und Orangerie des Prinzen Eugen von Savoyen in seinem Sommerpalais am Rennweg in Wien, in: Die Gartenkunst, 20. Jg., Heft 2, 2008, S.335-354. Grote 1994 Grote, Andreas (Hg.): Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800, (Berliner Schriften zur Museumskunde; Bd.10), Opladen 1994. Guerrier 1873 Guerrier, Waldemar: Leibniz in seinen Beziehungen zu Russland und Peter dem Grossen. Eine geschichtliche Darstellung dieses Verhältnisses nebst den darauf bezüglichen Briefen und Denkschriften, Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, St. Petersburg/Leipzig 1873. Haak 1984 Haak, Bob: Das goldene Zeitalter der holländischen Malerei, Köln 1984.

125

Habsburg 1997 Habsburg, Géza von: Fürstliche Kunstkammern in Europa, Stuttgart - Berlin - Köln 1997. Hahndorf 1870 Hahndorf, Salomon G.: Was die Carlsaue erzählt. Eine geschichtliche Darstellung der in und mit derselben in Verbindung stehenden Ereignisse, von der Zeit ihrer Entstehung an (1308) bis auf die gegenwärtige Zeit, Cassel 1870. Hajos 1975 Hajos, Géza: Schönbrunn (Wiener Geschichtsbücher; Bd.18), Wien, Hamburg 1975. Hanschke 1991 Hanschke, Ulrike: Die Gartenanlagen der Landgrafen Wilhelm IV. und Moritz in Kassel im Spiegel handschriftlicher Quellen, in: Die Gartenkunst, 3. Jg., Heft 2, 1991, S.175-188. Hanschke 1995 Hanschke, Ulrike: “Welsche Beumlein” – Landgraf Wilhelm IV. und der Lustgarten in Kassel, in: AKK 1995, Heft 4, S.115–131. Hantsch 1931 Hantsch, P. Hugo: Quellen zur Geschichte des Barocks in Franken unter dem Einfluss des Hauses Schönborn, 1. Teil, Die Zeit des Erzbischofs Lothar Franz und des Bischofs Johann Philipp Franz von Schönborn (bis 1716) (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VIII. Reihe, I. Band), Augsburg 1931. Harnack 1900 Harnack, Adolf: Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin, Bd. 2, Berlin 1900. Hassig 1995 Hassig, Debra: Medieval bestiaries. Text, image, ideology, Cambridge 1995. Hediger 1977 Hediger, Heini: Zoologische Gärten - gestern, heute, morgen, Bern, Stuttgart 1977. Henkel/Schöne 1996 Arthur Henkel, Albrecht Schöne: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, 2. erweiterte Auflage, Stuttgart 1996. Heesen/Spary 2001 Heesen, Anke und Spary, Emma C. (Hg.): Sammeln als Wissen. Das Sammeln und seine wissenschaftliche Bedeutung, Göttingen 2001. Heidelbach 1957 Heidelbach, Paul: Kassel. Ein Jahrtausend hessischer Stadtkultur, hrsg. von Karl Kaltwasser, 2. erweiterte Ausgabe, Kassel 1957. Heppe 1995 Heppe, Dorothea: Das Schloss der Landgrafen von Hessen in Kassel von 1557 bis 1811 (Materialien zur Kunst- und Kulturgeschichte in Nord- und Westdeutschland, Bd.17), Marburg 1995. Hermsdorff 1978: Hermsdorff, Wolfgang: Ein Blick zurück aufs alte Kassel: 50 ausgewählte Themen der HNA-Serie, Kassel 1978. Hertel 1980 Hertel, R.: Historische tiergärtnerische Anlagen in Dresden, in: Der Zoologische Garten N.F. 50, 1980, S.82-88.

126

Hofmann 1998 Hofmann, Werner: Die Moderne im Rückspiegel. Hauptwege der Kunstgeschichte, München 1998. Holländer 1994 Holländer, Hans: Kunst- und Wunderkammern: Konturen eines unvollendbaren Projektes, in: Ausst.-Kat. Bonn 1994, S.136-145. Holländer 1994a Holländer, Hans: Denkwürdigkeiten der Welt oder sogenannte Relationes Curiosae. Über Kunst- und Wunderkammern, in: Ausst.-Kat. Hannover 1994, S. 34-52. Holtmeyer 1923 Holtmeyer, A.: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd.VI., Kreis Cassel-Stadt, 2. Teil, Marburg 1923. Horejsi 1979 Horejsi, Jirina: Die Kunst der Renaissance und des Manierismus in Böhmen, Prag 1979. Hoppe 1994 Hoppe, Brigitte: Kunstkammern der Spätrenaissance zwischen Kuriosität und Wissenschaft, in: Grote 1994, S.243-263. Kourist 1967 Kourist, Werner: Zur Geschichte der Wildtierhaltung unter besonderer Berücksichtigung Mittel- und Westeuropas, Bad Kissingen 1967. Impey/MacGregor 1985 Impey, Oliver und MacGregor, Arthur (Hrsg.): The origins of museums. The cabinet of curiosities in sixteenth and seventeenth-century europe, Oxford 1985. Jacob 1926 Bruno Jacob: Ein zoologischer Garten in Cassel? Erinnerungen aus früherer Zeit, in: Casseler Tageblatt vom 24.10.1926. Jacoby 1989 Jacoby, Joachim: Die deutschen Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts sowie die englischen und skandinavischen Werke, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Braunschweig 1989. Jahn 2001 Jahn, Ilse: Frühe Forschung an Zootieren im 17. Jahrhundert in Paris, in: Kulturgeschichte des Zoos 2001, S.97-108. Janson 1952 Janson, H.W.: Apes and ape lore in the middle ages and the renaissance (Studies of the Warburg Institute; vol.20), London 1952. Jante 1985 Jante, Peter R.: Willibald Imhoff: Kunstfreund und Sammler (zugl. Phil. Diss. Göttingen), Göttingen 1985. Jarchow 1986 Jarchow, Margarete: Roos. Eine deutsche Künstlerfamilie des 17. Jahrhunderts. Verzeichnisse sämtlicher Zeichnungen und Radierungen von Johann Heinrich, Theodor, Philipp Peter, Johann Melchior, Franz und Peter Roos im Besitz des Berliner Kupferstichkabinetts, Berlin 1986. Jedding 1960 Jedding, Hermann: Bildnisse von Johann Melchior Roos (1663-1731), in: Festschrift des Historischen Museums der Pfalz in Speyer (Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 58), Speyer 1960, S.308-316.

127

Jedding 1998 Jedding, Hermann: Johann Heinrich Roos. Werke einer Pfälzer Tiermalerfamilie in den Galerien Europas, Mainz am Rhein 1998. Kalbfuss 1972 Kalbfuss, Hans Werner: Die Karlsaue und Park Schönfeld in Kassel, Kassel 1972. Kammeyer 1938/39 Kammeyer, Hans F.: Der Tiergarten des Prinzen Eugen, in: Der Zoologische Garten, Bd. 10, Leipzig 1938/39. Kaufmann 1993 Kaufmann, Thomas da Costa: The Mastery of Nature. Aspects of Art, Science and Humanism in the Renaissance, Princeton 1993. Kenseth 1991 Kenseth, Joy (Hg): The Age of the Marvelous. Ausst. Kat. Hood Museum of Art, Dartmouth College, Hanover (New Hampshire) 1991, Chicago 1991. Kistemaker 1992 Kistemaker, R. (Hg.): De wereld binnen handbereik. Nederlands kunst- en rariteitenverzamelingen, 1585-1735, Amsterdams Historisch Museum, 2 Bde., Amsterdam 1992. Klös 1969 Klös, Heinz-Georg: Von der Menagerie zum Tierparadies. 125 Jahre Zoo Berlin, Berlin 1969. Kluckert 2007 Kluckert, Ehrenfried: Die Kasseler Gärten: raffinierte Perspektiven, München 2007. Knetsch 1925 Knetsch, Carl: Hessisches aus alten Reisebeschreibungen, in: Hessenland. Illustrierte Monatsblätter für Heimatforschung, Kunst und Literatur, Bd. 37, 1925, S.69-73. König-Lein 1997 König-Lein, Susanne: Simile alla Natura. Die Darstellung exotischer Tiere in der Florentiner Malerei des Quattrocento, Weimar 1997. Kopplin 1987 Kopplin, Monika: „Was frembd und seltsam ist“: Exotica in Kunst- und Wunderkammern, in: Ausst.-Kat. Stuttgart 1987, S. 296-303. Kourist 1967 Kourist, Werner: Zur Geschichte der Wildtierhaltung unter besonderer Berücksichtigung Mittel- und Westeuropas, Bad Kissingen 1967. Kourist 1976 Kourist, Werner: 400 Jahre Zoo. Im Spiegel der Sammlung Werner Kourist/Bonn, Bonn 1976. Kramm 1936 Kramm, H.: Die Kasseler landgräflichen Menagerien, in: Der blinde Hesse, Nr.5. Beilage zur Kurhessischen Landeszeitung vom 05.02.1936. Krempel 1973 Krempel, Ulla: Jan van Kessel. Die vier Erdteile, München 1973. Krüger 2002 Krüger, Klaus (Hg): Curiositas. Welterfahrung und ästhetische Neugierde im Mittelalter und früher Neuzeit, Göttingen 2002.

128

Kruse 2003 Christiane Kruse: Wozu Menschen malen: historische Begründungen eines Bildmediums, München 2003. Laufhütte 2000 Laufhütte, Hartmut (Hg.): Künste und Natur in Diskursen der Frühen Neuzeit, 2 Bd., (Wolfenbüttler Barockkongress) Wiesbaden 2000. Landau 1849 Landau, Georg: Die Geschichte der Jagd und der Falknerei in beiden Hessen (Beiträge zur Geschichte der Jagd und der Falknerei in Deutschland), Kassel 1849, Nachdruck 1992. Landesordnungen 1785 Sammlung Fürstlich-Hessischer Landes-Ordnungen und Ausschreibungen, 5. Theil, 1752-1775, Kassel 1785. Langemeyer 1979 Langemeyer, Gerhard: Die Nähe und die Ferne, in: Ausst.-Kat. Münster 1979, S.20-31. Langkabel 1993 Langkabel, Hermann: Musik in Hessen – Ausstellung der Hessischen Staatsarchive zum Hessentag 1993 in Lich, Marburg 1993. Lehmann 2009 Lehmann, Evelyn: Das große Kasseler Tierbild. Das barocke „Thierstück“ von Johann Melchior Roos, die Kasseler Menagerien und einiges mehr über Mensch und Tier, Petersberg 2009. Leibniz 1923 Leibniz, Gottfried Wilhelm: Sämtliche Schriften und Briefe. Hrsg. von der Preußischen (1950ff.: Deutschen) Akademie der Wissenschaften (1950ff.: zu Berlin. 1976: der DDR). R. 1-6; Darmstadt, Leipzig, Berlin 1923 ff. Liebenwein 1977 Liebenwein, Wolfgang: Studiolo. Die Entstehung eines Raumtyps und seine Entwicklung bis um 1600 (Frankfurter Forschungen zur Kunst; Bd. 6), Berlin 1977. Lietzmann 1987 Lietzmann, Hilda: Das Neugebäude in Wien. Sultan Süleymans Zelt – Kaiser Maximilians II. Lustschloss, München, Berlin 1987. Link 1975 Link, Eva: Die landgräfliche Schatzkammer Kassel, hrsg. von der hessischen Brandversicherungsanstalt, Kassel 1975. Linnebach 2009 Linnebach, Andrea: Das Besucherbuch von Kunsthaus und Museum Fridericianum in Kassel, 1769-1796. Mr. Chaplin le Londres a vu avec le plus plaisir (Ein Editionsprojekt der DFG), in: ZHGL, Band 114, 2009, S.161-176. Ljungström 2007 Ljungström, Lars: Sweden, Hesse-Cassel, and Meissen. The Fragile Peace, in: Cassidy-Geiger 2007, 257-273. Loisel 1912 Loisel, Gustave: L’ histoire des ménageries de l’ antiquité á nos jours, 3 Bde., Paris 1912. Lorenz 1996 Lorenz, Angelika (Hg.): Die Maler tom Ring. 2 Bde., Münster 1996.

129

Löwenstein 1991 Löwenstein, Uta: Gartenkunst und Gartenlust, Historische Parks und Gärten in Hessen, in: Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg 7, 1991, S.22-28. Lugli 1998 Lugli, Adalgisa: Naturalia et mirabilia: les cabinets de curiosités en Europe, Paris 1998. Luz 1987 Luz, Christiane: Das exotische Tier in der europäischen Kunst, Stuttgart 1987. Mabille 1974 Mabille, Gérard: La Ménagerie de Versailles, in: Gazette des Beaux-Arts, janv. 1974, S.5-36. Mabille 1993 Mabille, Gérard: Die Menagerie von Versailles, in: Mosser/Teyssot 1993, S.168- 170. Mackensen 1983 Mackensen, Ludolf von: Die naturwissenschaftlich-technische Sammlung in Kassel. Geschichte, Bedeutung und Ausstellung in der Kasseler Orangerie, (Schriften zur Naturwissenschafts- und Technikgeschichte; 3) Kassel 1983. Marie 1976 Marie, Alfred et Jeanne: La Ménagerie, in: Versailles au temps de Louis XIV., Bd. 3, Paris 1976, S.189-238. Martin 1878 Martin, Philipp Leopold: Naturstudien. Die botanischen, zoologischen und Akklimatisationsgärten, Menagerien, Aquarien und Terrarien in ihrer gegenwärtigen Entwicklung, nebst Vorschlägen und Entwürfen für die Anlegung von Naturgärten in kleineren Verhältnissen und grösseren Centralgärten für Natur- und Völkerkunde, Weimar 1878. Mason 1994 Mason, Peter: From Presentation to Representation. Americana in Europe, in: JHC (Journal of the history of collection) 6.1994, S. 1-20. Mayr 1987 Mayr, Otto: Uhrwerk und Waage. Autorität, Freiheit und technische Systeme in der frühen Neuzeit, München 1987. MacGregor 1994 MacGregor, Arthur: Die besonderen Eigenschaften der „Kunstkammer“, in: Grote 1994, S. 61-106. Meadow 2001 Meadow, Mark A.: Merchants and Marvels. Hans Jacob Fugger and the Origins of the Wunderkammer, in: Smith 2001, S.182-200. Merck 1968 Merck, Johann .Heinrich: Briefe, hrsg. von Herbert Kraft, Frankfurt a.M. 1968. Mette 1995 Mette, Hans Ulrich: Der Nautiluspokal. Wie Kunst und Natur miteinander spielen, München 1995. Mey 1994 Mey, Eberhard: Die Medizinische Fakultät des Collegium Carolinum in Kassel, 1709-1791, in: Wenzel 1994a, S.25-73. Mey 2000 Mey, Eberhard: Der zukünftige Gelehrte und der Hofmann. Lehrangebot und Studenten am Collegium Carolinum in der Regierungszeit Friedrichs II., in: Wunder/Vanja/Wegner 2000, S.191-211.

130

Mielsch 1987 Mielsch, Harald: Die römische Villa. Architektur und Lebensform, München 1987. Minges 1998 Minges, Klaus: Das Sammlungswesen der frühen Neuzeit. Kriterien der Ordnung und Spezialisierung (Museen - Geschichte und Gegenwart; 3), zugl.: Freiburg i. Br., Univ., Diss., 1993, Münster 1998. Modrow 1998 Modrow, Bernd: Gartenkunst in Hessen. Historische Gärten und Parkanlagen, Worms 1998. Modrow/Gröschel 2002 Modrow, Bernd und Gröschel, Claudia: Fürstliches Vergnügen. 400 Jahre Gartenkultur in Hessen, Regensburg 2002. Mosser/Teyssot 1993 Mosser, Monique und Teyssot, Georges: Die Gartenkunst des Abendlandes: Von der Renaissance bis zur Gegenwart, Stuttgart 1993. Müllenmeister 1988 Müllenmeister, Kurt J.: Roelant Savery. Kortrijk 1576-1639 Utrecht. Hofmaler Kaiser Rudolf II. in Prag. Die Gemälde mit kritischem Oeuvrekatalog, Freren 1988. Müsch 2004 Müsch, Irmgard: “nicht nur der Neugier allein, sondern auch der Natur Lehre nützlich”. Die Naturaliensammlung im Braunschweiger Kabinett, in: Ausst.-Kat. Braunschweig 2004, S.61-69. Museumsverein Kassel 1979 Museumsverein Kassel e.V. (Hg.): Museum Fridericianum 1779-1979. Ein Blick in Geschichte und Gegenwart des ersten deutschen Museumsbaues, Kassel 1979. Mraz 1985 Mraz, Gerda: Prinz Eugen. Sein Leben. Sein Wirken. Seine Zeit, Wien/München 1985. Nieder 1997 Nieder, Horst: Höfisches Fest und internationale Politik, in: Ausst.-Kat. Kassel 1997, S.141-162. Nowak 1999 Nowak, Kurt und Poser, Hans (Hg.): Wissenschaft und Weltgestaltung. Internationales Symposion zum 350. Geburtstag von Gottfried Wilhelm Leibniz vom 9. bis 22. April 1996 in Leipzig, Hildesheim 1999. Oettermann 1982 Oettermann, Stephan: Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia Curiosa, Frankfurt a. M., 1982. Paust 1994 Paust, Bettina: Die Menagerie des Lustschlosses Belvedere bei Weimar, in: Die Gartenkunst, 6. Jhg., Heft 2/1994, S. 237-247. Paust 1996 Paust, Bettina: Studien zur barocken Menagerie im deutschsprachigen Raum, Worms am Rhein 1996. Philippi 1976 Philippi, Hans: Landgraf Karl von Hessen-Kassel. Ein deutscher Fürst der Barockzeit (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen; Bd. 34), Marburg 1976.

131

Philippi 2001 Philippi, Hans: Karl, Landgraf von Hessen-Kassel, in: Neue Deutsche Biographie, hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Bayerischen Staatsbibliothek, München 2001. Pochat 1970 Pochat, Götz: Der Exotismus während des Mittelalters und der Renaissance. Voraussetzungen, Entwicklung und Wandel eines bildnerischen Vokabulars, Uppsala 1970. Poeschel 1985 Poeschel, Sabine: Studien zur Ikonographie der Erdteile in der Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts (Beiträge zur Kunstwissenschaft; Bd. 3), München 1985. Pomian 1990 Pomian, Krzysztof: Collectors and Curiosities. Paris and Venice, 1500-1800, Cambridge 1990. Raabe 1977 Raabe, Paul (Hg.): Öffentliche und private Bibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert. Raritätenkammern, Forschungsinstrumente oder Bildungsstätten? (Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 2), Bremen und Wolfenbüttel 1977. Raupp 2004 Raupp, Hans-Joachim (Hg): Stilleben und Tierstücke, Münster 2004. Reinbacher 1998 Reinbacher, Rudolph W.: Leben, Arbeit und Umwelt des Arztes Johann Daniel Major (1634-1670). Eine Biographie aus dem 17. Jahrhundert, mit neuen Erkenntnissen, Linsengericht 1998. Reuther 1975 Reuther, Hans: Die Karlsaue in Kassel. Ein Beitrag zur ungebauten Gartenarchitektur, in: Beiträge zur Problematik der Beziehungen zwischen Freiraum und Bauwerk, Festschrift für Herta Hammerbacher zum 75. Geburtstag, hrsg. von Axel Jacobshagen und Karin Sommer-Kempf, Berlin 1975. Rieke-Müller 1997 Rieke-Müller, Annelore: Von der lebendigen Kunstkammer zur fürstlichen Liebhaberei. Fürstliche Menagerien im deutschsprachigen Raum während des 18. Jahrhunderts (Preprint. Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte 74), Berlin 1997. Rieke-Müller 2001 Rieke-Müller, Annelore: Kosmologie, Mechanistik, Erbauung. Exotische Tiere in der höfischen Kultur der Frühen Neuzeit, in: Archithese 5, 2001, S.8-13. Rieke-Müller 2008 Rieke-Müller, Annelore: Menagerien zwischen Privatheit und Wissenschaft vom Menschen. Die Haltung exotischer Wildtiere in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Ash 2008, S.31-51. Rieke-Müller/Dittrich 1998 Rieke-Müller, Annelore und Dittrich, Lothar: Der Löwe brüllt nebenan: die Gründung Zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833-1869, Köln, Weimar, Wien 1998. Rieke-Müller/Dittrich 1999 Rieke-Müller, Annelore und Dittrich, Lothar: Unterwegs mit wilden Tieren. Wandermenagerien zwischen Belehrung und Kommerz; 1750-1850 (Acta biohistorica; 5), Marburg/Lahn 1999.

132

Robels 1989 Robels, Hella: Frans Snyders. Stilleben- und Tiermaler 1579-1657, München 1989. Rohde/Becker/Langhorst 2004 Rohde, Michael; Becker, Horst; Langhorst, Jörn u.a.: Staatspark Karlsaue Kassel: Historische Analyse, Dokumentation, Denkmalpflegerische Zielsetzung (Monographien, Bd.7), Regensburg 2004. Rommel 1820-58 Rommel, Christan von: Geschichte von Hessen, 10. Bd., 1820–58. Roos 1929-36 Roos, Chr.: Die naturwissenschaftliche Forschung in Kassel. Ein Beitrag zur Geschichte des Städtischen Naturkunde-Museums, in: Festschrift des Vereins für Naturkunde zu Kassel, 94.-100. Jg., 1929-36, S.177-198. Röth 1886 Röth, Christian: Geschichte von Hessen. Vom Tode Landgraf Philipps des Grossmütigen an mit Ausschluss der abgetrennten Lande. Bearbeitet und bis zum Ende des Kurfürstenthums im Jahre 1866 fortgesetzt von Carl von Stamford. Kassel 1886. Roth 1998 Roth, Harriet: Die Bibliothek als Spiegel der Kunstkammer, in: Assmann/Gomille/Rippl 1998, S.193-210. Rückert 1989/1990 Rückert, Rainer: Christian Reinow und die großformatigen Tierfiguren aus Meißner Porzellan, in: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Jahrbuch 1989/1990, Bd.21, S.47-52. Ruhl 1991 Ruhl, Klaus-Jörg: Kassel in alten und neuen Reisebeschreibungen, Düsseldorf 1991. Sachs 1971 Sachs, Hannelore: Sammler und Mäzene. Zur Entwicklung des Kunstsammelns von der Antike bis zur Gegenwart, Leipzig 1971. Sahmland 1994 Sahmland, I.: Soemmering als Freimaurer und Rosenkreuzer in Kassel, in: Wenzel 1994, S.353-422. Scheicher 1979 Scheicher, Elisabeth: Die Kunst- und Wunderkammern der Habsburger, Wien – München, Zürich 1979. Scheicher 1995 Scheicher, Elisabeth: Zur Ikonographie von Naturalien im Zusammenhang der enzyklopädischen Kunstkammer, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1995. Schepelern 1971 Schepelern, H. D.: Museum Wormianum, Odense 1971. Scherer 1890 Scherer, Carl: Die landgräflichen Menagerien in und um Cassel, in: Casseler Tageblatt Nr.91 (2.4.1890), 92 (3.4.1890), 94 (6.4.1890), 97 (10.4.1890) und 98 (11.4.1890). Schlosser 1978 Schlosser, Julius von: Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance. Ein Beitrag zur Geschichte des Sammelwesens, 2. überarbeitete Auflage, Braunschweig 1978.

133

Schmidt-Biggemann 1983 Schmidt-Biggemann, Wilhelm: Topica Universalis. Eine Modellgeschichte humanistischer und barocker Wissenschaft, Hamburg 1983. Schmidt-Linsenhoff 1988 Schmidt-Linsenhoff, Viktoria und Wettengl, Kurt: Katalog zu der Abteilung Bürgerliche Sammlungen in Frankfurt 1700-1830, Historisches Museum, Frankfurt am Main 1988. Schnackenburg 1996 Schnackenburg, Bernhard, Gesamtkatalog Gemäldegalerie Alte Meister Kassel, 2 Bände, Mainz am Rhein 1996. Schnackenburg 2000 Schnackenburg, Bernhard: Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, Gründer der Kasseler Gemäldegalerie, in: Wunder/Vanja/Wegner 2000, S.47-70. Schnapper 1998 Schnapper, Antoine: Le Géant, la Licorne et la Tulipe. Collections et Collectionneurs dans la France du XVIIe siècle, Paris 1998. Schneider 1989 Schneider, Norbert: Stilleben. Realität und Symbolik der Dinge. Die Stillebenmalerei der frühen Neuzeit, Köln 1989. Schramm/Schwarte/Lazardzig 2003 Schramm, Helmer; Schwarte, Ludger; Lazardzig, Jan (Hg.): Kunstkammer - Laboratorium - Bühne. Schauplätze des Wissens im 17. Jahrhundert (Theatrum Scientiarum; Bd.1), Berlin 2003. Schratter 2007 Schratter, Dagmar (Hg.): Tiere unterwegs: Historisches und Aktuelles über Tiererwerb und Tiertransporte, Wien 2007. Schultz 1983 Schultz, Uwe (Hg.): Die Geschichte Hessens, Stuttgart 1983. Semmelrath 1994 Semmelrath, Hannelore: Der Orpheus Mythos in der Kunst der italienischen Renaissance: eine Studie zur Interpretationsgeschichte und zur Ikonologie, zugl. Diss. Univ. Köln 1994, Köln 1994. Sheehan 2000 Sheehan, James J.: Museums in the german art world. From the end of the old regime to the rise of modernism, New York 2000. Sip 1969 Sip, Jaromir: Die Paradieses-Vision in den Gemälden Roelandt Saverys, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, Bd. 65, 1969, S.29-38. Smith 2001 Smith, Pamela H.: Merchants and marvels: commerce and the representation of nature in early modern Europe, Routledge 2001. Sömmering 1785/1998 Sömmerring, Samuel Thomas von: Über die körperliche Verschiedenheit des Negers vom Europäer (1785), hrsg. und bearbeitet von Sigrid Oehler-Klein, Stuttgart 1998. Spickernagel 2010 Spickernagel, Ellen: Der Fortgang der Tiere. Darstellungen in Menagerien und in der Kunst des 17.-19. Jahrhunderts (Studien zur Kunst 16), Köln, Weimar, Wien 2010.

134

Stadelmann 2008 Stadelmann, Christian: Als der Kaiser die Bürger entdeckte. Die Menagerie Schönbrunn im 18. Jahrhundert, in: Ash 2008, S.54-71. Steiner 2000 Steiner, Jürg: Von der Kunst, Wunderkammern zu gestalten, in: Ausst.-Kat. Braunschweig 2000, S. 376-381. Steinhauer 2003 Steinhauer, Isabell M.: Dorf Mulang im Schlosspark Wilhelmshöhe. Ein Kleinod der Chinoiserie- und Dörfchenmode in der Gartenkunst des späten 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts (Edition der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen 20), Regensburg 2003. Stichweh 1984 Stichweh, Rudolf: Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinierung, Frankfurt a. M. 1984. Stoichita 1998 Stoichita, Victor I.: Das selbstbewußte Bild. Vom Ursprung der Metamalerei (zugl. Paris Univ. Diss. 1998), München 1998. Stricker 1879 Stricker, Wilhelm: Geschichte der Menagerien und der zoologischen Gärten, Berlin 1879. Syndram 1991 Syndram, Dirk (Hg.): Naturschätze - Kunstschätze. Vom organischen und mineralischen Naturprodukt zum Kunstobjekt, (Bild- und Studienheft Nr. 1 zur Kunstgewerbesammlung der Stadt Bielefeld), Bielefeld 1991. Te Heesen/Spary 2001 Te Heesen, Anke und Spary, E.C.: Sammeln als Wissen. Das Sammeln und seine wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung, Göttingen 2001. Theuerkauff 1966 Theuerkauff, Christian: Zum Bild der „Kunst- und Wunderkammer“ des Barock, in: Alte und Moderne Kunst, Jg. 11, Nr. 88, 1966, S.2-18. Tischbein 1861 Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm: Aus meinem Leben, hrsg. von Carl G.W. Schiller, 2 Bd., Schwetschke 1861. Tongerloo 1964 Tongerloo, Louise van: Beziehungen zwischen Hessen-Kassel und den Vereinigten Niederlanden während des 30jährigen Krieges, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 14, 1964, S. 199-270. Trnek/Haag 2001 Trnek, Helmut und Haag, Sabine (Hg.): Exotica. Portugals Entdeckungen im Spiegel fürstlicher Kunst- und Wunderkammern der Renaissance, Wien 2001. Trunz 1992 Trunz, Erich (Hg.): Wissenschaft und Kunst im Kreise Kaiser Rudolfs II., 1576- 1612, (Kieler Studien zur Deutschen Literaturgeschichte, Bd.18), Neumünster 1992. Valter 1995 Valter, Claudia: Studien zu bürgerlichen Kunst- und Naturaliensammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts in Deutschland, Aachen 1995. Vehse 1991 Vehse, Carl Eduard: Die Höfe zu Hessen, Leipzig und Weimar 1991.

135

Völkel 2001 Völkel, Michaela: Das Bild vom Schloss. Darstellung und Selbstdarstellung deutscher Höfe in Architekturstichserien 1600-1800, zugl. Diss. Marburg, (Kunstwissenschaftliche Studien; Bd. 92), München 2001. Vocelka 1985 Vocelka, Karl: Rudolf II. und seine Zeit, Wien, Köln, Graz 1985. Walz 2000 Walz, Alfred: Weltenharmonie. Die Kunstkammer und die Ordnung des Wissens. Eine Einführung, in: Ausst.-Kat. Braunschweig 2000, S. 9-20. Wandel 1987 Wandel, Uwe Jens: Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons, Bd.2 (Aufsätze), Stuttgart 1987. Weber 1987 Weber, Wilhelm: Schloss Karlsberg. Legende und Wirklichkeit. Die Wittelsbacher Schloßbauten im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, Hamburg 1987. Wegner 1991 Wegner, Karl-Hermann (Hg.): Lust-Reisen nach Cassel: ein Göttinger Student berichtet aus Kassel zur Zeit der Französischen Revolution, (Quellen und Perspektiven zur Entwicklung Kassels ; 2), Kassel 1991. Welzel 2000 Welzel, Barbara: Kunstvolle Inszenierung von Natürlichkeit. Anmerkungen zu den Blumenstilleben Jan Brueghels d. Ä., in: Laufhütte 2000, S.549-559. Welzel 2002 Welzel, Barbara: Wettstreit zwischen Kunst und Natur. Die Blumenstilleben von Jan Brueghel d. Ä. als Triumph des Bildes, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Bd. 65, 2002, S.325-342. Welzel 2002a Welzel, Barbara: Gärten als höfische Sammlungen. Pracht-Repräsentation- Wissenschaft-Kunst, in: Die Gartenkunst, 14 Jg., 2002/1, S.35-41. Wenzel 1988 Wenzel, Manfred: „Eine für hiesige Gegend gar seltene Erscheinung [...]“. Goethe, Soemmering und der Elefant aus der Menagerie von Friedrich II. von Hessen-Kassel, in: Samuel Thomas Soemmering: Naturforscher der Goethezeit in Kassel, hrsg. von der Stadtsparkasse Kassel, Kassel 1988, S.74-89. Wenzel 1994 Wenzel, Manfred (Hg.): Samuel Thomas Soemmering in Kassel (1779-1784), Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte der Goethezeit, (Soemmerring- Forschungen; Bd. 9), Stuttgart/Jena/New York 1994. Wenzel 1994a Wenzel, Manfred: Der „Goethe-Elefant“ in Kassel, 1773-1993, in: Wenzel 1994, S. 267-306. Weilbach 1922 Weilbach, Fr.: Kassel im Jahre 1729, in: Hessenland Nr. 10, 36. Jg., 1922. Werner 2011 Werner, Petra: Die Natur überbieten, in: Über Bilder sprechen. Bildpredigten, theologische und kunsthistorische Betrachtungen, Kassel 2011, S.45-46. Wimmer 2001 Wimmer, Clemens Alexander: „Von denen Lust- und Blumen-Bäumen“. Das Kübelpflanzensortiment in Renaissance und Barock, in: Balsam 2001, S.72-87.

136

Wittwer 2004 Wittwer, Samuel: Die Galerie der Meißener Tiere, Die Menagerie Augusts des Starken für das Japanische Palais in Dresden (Schriftenreihe der Gesellschaft für Keramikfreunde e.V. Düsseldorf), München 2004. Wolpert 1981 Wolpert, Klaus: Die Kunst- und Wunderkammer. Ein Sammlungstyp zwischen Mythos und Wissenschaft, in: AUSST.-KAT. Darmstadt, 1981, S.9-31. Wood 1995 Wood, Christopher: Curious pictures and the art of description, in: Word and Image 11, 1995, S.332-352. Wunder/Vanja/Wegner 2000 Wunder, Heide; Vanja, Christina; Wegner, Karl-Hermann (Hg.): Kassel im 18. Jahrhundert. Residenz und Stadt, Kassel 2000. Zahlten 1979 Zahlten, Johannes: Creatio mundi. Darstellungen der sechs Schöpfungstage und naturwissenschaftliches Weltbild im Mittelalter (Stuttgarter Beiträge zur Geschichte und Politik, Bd. 13), Stuttgart 1979. Zanten (1700) 1998 Zanten, Huub Veldhuijzen van (Hg.): Wonderen der Natuur in de Menagerie van Blauw Jan te Amsterdam, zoals gezien door Jan Velten rond 1700, Amsterdam 1998.

137

Abbildungen

138

Abb. 1: Antonio Pisanello, Grüne Meerkatzen, um 1430, Skizzenbuch des British Museum, London

Abb.2: Menagerie von Versailles, Ansicht von Südosten, Kupferstich von Antoine Aveline, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

139

Abb.3: Menagerie von Versailles, Ansicht von Nordwesten, Kupferstich von André Pérelle, 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Paris, Bibliothèque Nationale

Abb.4: Menagerie von Versailles, Hof der Kraniche, Kupferstich von Gérard Scotin, 2. Hälfte 17. Jahrhundert

140

Abb. 5: Salomon Kleiner, Menagerie des Prinzen Eugen von Savoyen und Piemont, Kupferstich aus „Wunderwürdiges Kriegs- und Siegs-Lager deß unvergleichlichen Heldens unserer Zeiten [...]“, Teil 6, Blatt 5, 1736

Abb.6: Salomon Kleiner, aquarellierte Federzeichnungen ausländischer Tiere der Menagerie des Feldmarschalls Prinzen Eugen von Savoyen in Wien: VII., Steppenvögel, 1732, Graphische Sammlung, Albertina, Wien

141

Abb.7: Salomon Kleiner, aquarellierte Federzeichnungen ausländischer Tiere der Menagerie des Feldmarschalls Prinzen Eugen von Savoyen in Wien: III., Kleinere Raubtiere und Wiederkäuer, 1732, Graphische Sammlung, Albertina, Wien

Abb.8: Salomon Kleiner, aquarellierte Federzeichnungen ausländischer Tiere der Menagerie des Feldmarschalls Prinzen Eugen von Savoyen in Wien: VI., Größere Raubtiere und Affen, 1732, Graphische Sammlung, Albertina, Wien

142

Abb.9: Entwurf für die Menagerie in Schönbrunn, Grundriss der Anlage und Aufriss der Gebäude, lavierte Federzeichnung von Nicolas Jadot de Ville-Issey, um 1751, Albertina Wien

Abb.10: Lustschloss Belvedere bei Weimar, Ansicht von Norden, im Hintergrund die Menagerie, kolorierte Zeichnung von Johann Adolph Richter, um 1750, Kunstsammlungen Weimar

143

Abb.11 : James Forbes, Jardin des Plantes, Valeé Suisses, 1816

Abb.12: Ansicht des ersten Lustgartens auf der Voraue von Süden, kolorierter Kupferstich aus: Braun-Hogenberg, Civitates orbis terrarum, 1572, MHK, Graphische Sammlung, Kassel

144

Abb.13: Der Garten Wilhelms IV., Bestandsplan von Joist Moers, um 1597, Staatsarchiv Marburg R III 7

Abb.14: Ansicht des Lustgartens nach den Veränderungen unter Landgraf Moritz; am Nordwestrand der Moritzaue die neu erbaute Meierei, aus: Matthäus Merian, Topographia Hassiae, 1646

145

Abb.15: Einzug der englischen Gesandten im Jahre 1596. Stich von Wilhelm Dilich aus: Ritterspiel am Fürstlichen Hoff zu Cassel, 1601, Universitätsbibliothek, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek, Kassel

Abb.16: Philipp Wilhelm Leopold, Stadtplan von 1751 (Ausschnitt der Karlsaue), Zeichnung, Graphit, Feder in schwarz, braun und rot, laviert, MHK, Graphische Sammlung, Kassel. Das eingezeichnete Quadrat verweist auf die Tierunterkünfte in der Regierungszeit des Landgrafen Karl (1654-1730, reg. ab 1670)

146

Abb.17: Giovanni Ghezzi, Karlsaue, Bestandsplan der Wirtschaftsgebäude und Stallungen an der Orangerie, 1738-40, Graphit, Feder in schwarz, grau laviert, MHK, Graphische Sammlung, Kassel

147

Abb.18: Umgestaltungsplan der Karlsaue, sog. „Stockholmer Plan“, 1728, Nationalmuseum Stockholm. Westlich der Karlsaue, am Fuße des Weinbergs, befindet sich der Garten des Prinzen Maximilian.

148

Abb.19: Johann Melchior Roos, Daniel in der Löwengrube, 1685, 66,5 x 95,5 cm, Saarbrücken, Saarlandmuseum

Abb.20: Johann Melchior Roos, Bärenhatz, 1714, 200 x 271 cm, Pommersfelden, Gräflich Schönbornsche Kunstsammlung

149

Abb. 21: Johann Melchior Roos, Löwen vor ihrer Höhle, 1716, 62,5 x 51 cm, Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut

Abb.22: Johann Melchior Roos, Eisbären in gebirgiger Landschaft, 1718, 87 x 68,5 cm, München, Kunsthandel

150

Abb. 23: Johann Melchior Roos, Landschaft mit zwei weißen Rehen, 1730, 34 x 38 cm, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig

151

Abb.24: Johann Melchior Roos, Zwei Waldschnepfen in der Landschaft, um 1726, 69 x 78 cm (mit Rahmen), Naturkundemuseum Kassel

Abb.25: Johann Melchior Roos, Zwei Varietäten von Feldhühnern, 1726, 73 x 79 cm (mit Rahmen), Naturkundemuseum Kassel

152

Abb.26: Johann Melchior Roos, Die Menagerie des Landgrafen Carl, 1722-28, ca. 340 x 665 cm, MHK, Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel

153

Abb.27: Johann Melchior Roos, Mopshündin, um 1722, 90 x 74 cm, MHK, Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel

Abb.28: Peter Paul Rubens, Daniel in der Löwengrube, um 1613 (?), 224 x 330 cm, Washington, National Gallery of Art

154

Abb.29: Jacob Dobbermann, Orpheus spielt mit den Tieren, um 1715, Straußenei, beschnitzt, Gesamthöhe 23,2 cm, MHK, Sammlung Angewandte Kunst, Kassel

Abb.30: Nicolas Reusner (1545-1602), Emblemata II, Nr.1, M.D. LXXXI

155

Abb.31: Das „Kunsthaus“ (Ottoneum) zur Zeit Landgraf Karls (1654-1730, reg. ab 1670), Rekonstruktionszeichnung von Christian Presche unter Bearbeitung einer Zeichnung von Alois Holtmeyer

Abb.32: Simon Louis du Ry, Museum Fridericianum. Ansicht und Grundriss des Erdgeschosses nach Kupferstich von J. C. Müller und G. W. Weise, MHK, Graphische Sammlung, Kassel

156

Abb.33: Johann Melchior Roos, Das Reich der Tiere, 1728, Öl auf Lwd., 104 x 168 cm, Herzog Anton Ulrich–Museum, Braunschweig

157

Abb.34: Naming the Beasts, Englisches Bestiarium, 12. Jh., St. Petersburg, Staatliche Bibliothek

Abb.35: Adam naming the animals, 12. Jh., Private Collection (Northumberland Bestiary), Alnwick

158

Abb.36: Lucas Cranach d.Ä., Das Paradies, 1530, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Abb.37: Jan Breughel d. Ä., Paradieslandschaft mit Arche Noah, um 1613-15, 61 x 90,2 cm, Budapest, Szépmüvészeti Museum

159

Abb.38: Jacob Savery, Das Paradies, Öl auf Kupfer, 1601, 47 x 72,5 cm, Kettwig, Sammlung Girardet

Abb.39: Roelant Savery, Das Paradies, 1618, 35 x 107 cm, Prag, Nationalgalerie

160

Abb.40: Roelant Savery, Orpheus spielt vor den Tieren, Öl auf Holz, 55 x 100 cm, deutscher Privatbesitz

Abb.41: Frans Snyders, Das Vogelkonzert, um 1630-40, Öl auf Leinwand, 136,5 x 240 cm, Eremitage St. Petersburg

161

Abb.42: Jan van Kessel, Vogelkonzert, 170 x 234 cm, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen

Abb.43: Ludger tom Ring, Tierbild mit Ginsterkatze, um 1560, 37,5 x 58 cm, Münster, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

162

Abb.44: Jan van Kessel d.Ä., Insekten und Kriechtiere, Öl auf Kupfer, 39,3 x 56,2 cm, Bonn, Rheinisches Landesmuseum

Abb.45: Jan D. de Heem zugeschrieben, Stillleben mit Muscheln und Schnecken, um 1640/50, 88,5 x 136 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum

163

Abb.46: Balthasar van der Ast, Muschelstillleben, um 1635, 30 x 47 cm, Öl auf Holz, Rotterdam, Museum Boymans–van Beuningen

Abb.47: Ambrosius Bosschaert, Blumenvase in einer Wandnische, um 1620, Öl auf Holz, 64 x 46 cm, Den Haag, Mauritshuis

164

Abb.48: Jan Brueghel d. Ä., Großer Blumenstrauß in einem Holzgefäß (Wiener Kaiserkronenstrauß), um 1606/07, Wien, Kunsthistorisches Museum

165

Abb.49: Johann Melchior Roos, Die Königin der Nacht in Knospe (links) und Blüte (rechts), 1706, je 230 x 72,5 cm, MHK, Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel

166

Abb.50: Friedrich Wilhelm Selig, Plan der Fürstlich Hessischen Residenz und Haupt Stadt Cassel (Ausschnitt der Karlsaue), Kupferstich von Gotthelf Wilhelm Weise, 73 x 51,5 cm, 1781, Stadtarchiv Kassel

Abb. 51: Simon Louis du Ry, Lageplan der ehemaligen Menagerie Landgraf Friedrichs II. vor dem Frankfurter Tor, um 1793, MHK, Graphische Sammlung, Kassel

167

Abb.52: Simon Louis du Ry, Straußenhaus, Ansicht und Grundriss, um 1764-85, MHK, Graphische Sammlung, Kassel

168

Abbildungsnachweis

Dittrich 1986/87: Abb.1

Paust 1996: Abb.2 bis 4, 9, 10

Gröschel 2008: Abb. 5 bis 8

Kourist 1976: Abb.11

Rohde/Becker/Langhorst 2004: Abb.12 bis 14, 50

Heppe 1995: Abb.15

Lehmann 2009: Abb.16, 17, 24, 25, 27 bis 29, 31, 32, 51, 52

Becker 1996a: Abb.18

Jedding 1998: Abb.19 bis 23, 33, 49

Werner 2011: Abb.26

Henkel/Schöne 1996: Abb.30

Janson 1952: Abb.34

Hassig 1995: Abb.35

Friedländer 1989: Abb.36

Ertz 1979: Abb.37

Ausst.-Kat. Köln 1985: Abb.38 bis 40

Robels 1989: Abb.41, 42

Lorenz 1996: Abb.43

Ausst.-Kat. Essen 2002: Abb.44, 45

Grimm 1988: Abb.46

Ausst.-Kat. Münster/Baden-Baden 1979: Abb.47

Welzel 2000: Abb.48

169

Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt und andere als die in der Dissertation angegebenen Hilfsmittel nicht benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder unveröffentlichten Schriften entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Kein Teil dieser Arbeit ist in einem anderen Promotions- oder Habilitationsverfahren verwendet worden.

Petra Werner

Fuldabrück, den 22.02.2014

170