Von Johann Melchior Roos, Die Kasseler…
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ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Philippia. Abhandlungen und Berichte aus dem Naturkundemuseum im Ottoneum zu Kassel Jahr/Year: 2009-2010 Band/Volume: 14 Autor(en)/Author(s): Lehmann Evelyn Artikel/Article: Das große Kasseler Tierbild: Das barocke "Thierstück" von Johann Melchior Roos, die Kasseler Menagerien und einiges mehr über Mensch und Tier 219-230 PHILIPPIA 14/3 S. 219-230 11 Abb. Kassel 2010 Evelyn Lehmann Das große Kasseler Tierbild: Das barocke „Thierstück“ von Johann Melchior Roos, die Kasseler Menagerien und einiges mehr über Mensch und Tier Abstract In diesem Kontext werden die Menagerie des The painting by J.M. Roos with the about 80 Landgrafen Karl und auch die seines Enkels mostly exotic animals will be presented to Friedrich II. (1720-1785) von Hessen-Kassel show the multiple impressions of this picture präsentiert, wobei die Rolle des Goethe- in its time. As a large format it has not only the Elefanten auch hervorgehoben wird. assign ment of representation of the baroque prince Karl while he showed his addiction to gigantism in the Herkules project. Furthermore Einleitung the picture should be used for educational Das „große Kasseler Tierbild“ (Abb. 1) ist das purposes in the Collegium Carolinum housed größte in der Kasseler Gemäldegalerie Alte in the Kunsthaus (Ottoneum). Meister im Schloss Wilhelmshöhe und zugleich das größte, das der Maler J.M. Roos in seinem In this context, the menageries of both Land- Leben geschaffen hat. Zudem ist es aber auch graves of Hesse-Kassel Karl I. and Friedrich II., das größte Leinwandbild seiner Zeit, auf dem and the Goethe-Elephant will be presented. ausschließlich Tiere dargestellt sind. Anders als bei anderen Alten Meistern sind die Tiere hier nicht durch Themen wie „Arche Noah“, Zusammenfassung „Adam und Eva im Paradies“ oder „Orpheus Das Gemälde von J.M. Roos (1663-1731) unter den Tieren“ motiviert. Den Ausschlag wird mit den darauf gezeigten ca. 80 zumeist für ein reines Tierbild – ohne Menschen – exotischen Tieren vorgestellt und dabei auf die gab Landgraf Karl, der wünschte, dass seine Wirkung des Bildes zu seiner Zeit aufmerksam Menagerietiere in dieser naturnahen Weise gemacht. Es erfüllte einerseits als Großformat im Bild festgehalten werden. Ob vielleicht die die Aufgabe der Repräsentation des Barock- Naturwissenschaftler am Collegium Carolinum, fürsten Karl (1654-1730), der auch in seinem wie etwa Peter Wolfart, beratenden Einfl uss auf Herkulesprojekt einen Hang zum Gigantischen die Darstellung der Tiere genommen haben, bekundet, zu dienen, andererseits der beleh- bleibt vorerst Vermutung, ist aber wegen ihrer renden Anschauung in der von Landgraf Karl naturnahen Darstellung nicht von der Hand zu 1709 begründeten universitären Lehranstalt weisen (siehe WAITZ VON ESCHEN 2010). Collegium Carolinum im Kunsthaus (Otto- Bei der Komposition haben nieder ländische neum) zu genügen. Paradiesdarstellungen wie zum Beispiel die 220 Evelyn Lehmann Abb. 1: Das große Kasseler „Thierstück“ von Johann Melchior Roos (Museumslandschaft Hessen Kassel). Sämtliche Tiere sind so genau wiedergegeben, dass sie mit Hilfe von Prof. Dr. Lothar Dittrich (Celle) zoologisch bestimmt werden konnten (LEHMANN 2009). Foto: MHK. von Jan Breughel und Roelant Savery offen- Mit der lebendigen, opulenten Darstellung sichtlich Einfl uss genommen. der Tiere gehört das Bild noch in die Spätzeit In den Inventaren wird das Bild „Thierstück“ des Barock – der Löwe als König der Tiere im genannt, nicht etwa Menageriebild, obwohl Zentrum der Komposition ist ein Kennzeichen Johann Melchior Roos hier nachweislich sämt- auch des Feudalzeitalters. Das Bemühen um liche Tiere, die bis dahin in der Menagerie des eine naturnahe, naturwissenschaftlich richtige Landgrafen Karl (1654-1730) gelebt hatten, zu Wiedergabe der Tiere ist aber zugleich auch malen beauftragt war. Auch als Tierstück und ein Hinweis auf die Zeit des frühen 18. Jahr- als Darstellung von Menagerietieren steht das hunderts, für die eine intensive wissenschaft- Gemälde ebenfalls in einer niederländischen liche Erforschung der Natur charakteristisch ist. Tradition. Das ca. 3,40 x 6,65 Meter große Leinwandbild Die dargestellte Landschaft, in welche die ver- entstand als Auftrag des Barockfürsten Land- schiedenartigen Tiere eingebettet sind, zeigt graf Karl an den Maler J.M. Roos in den Jah- nicht den Kasseler Auepark mit den damaligen ren zwischen 1722 und 1729. Wie überliefert Menageriegebäuden. Roos verbindet entspre- (Schmincke, Archiv MHK=Museumslandschaft chend der unterschiedlichen Herkunft der Tiere Hessen-Kassel), sollten alle Tiere, die jemals hiesige und südamerikanische Landschafts- in Karls Menagerie lebten, dargestellt werden. elemente – Laubbäume und eine alte, be- Gemalt ist es auf sechs an einander genähten, mooste Eiche in der linken Bildhälfte, dagegen relativ dünnen Leinwänden. Durch mehrfache hohes Gebirge und eine Palme auf der rech- Transporte und Kriegseinwirkungen hat das ten Seite. Eine ausführliche Beschreibung und Bild während der Jahrhunderte stark gelitten kunsthistorische Einordnung des Gemäldes und wurde bei verschiedenen Gelegenheiten fi ndet sich bei LEHMANN 2009. an den Rändern beschnitten und geknickt. Das große Kasseler Tierbild: Das barocke „Thierstück“ von Johann Melchior Roos 221 Sämtliche Tiere sind so genau wiedergegeben, dass sie mit Hilfe von Prof. Dr. Lothar Dittrich (Celle) zoologisch bestimmt werden konnten. Johann Melchior Roos und das „Thierstück“ Johann Melchior Roos (1663-1731), Sohn von Johann Heinrich Roos (1631-1685), gehört einer Künstlerfamilie an, die bevorzugt Tiere darstellte, ein Thema, das in Fürstenhäusern und beim Adel in der Zeit des Barock sehr beliebt war. Da sich JEDDING (1998) ausführ- lich mit dieser Künstlerfamilie befasst hat, wird hier nur kurz auf die Biografi e von J.M. Roos (Abb. 2) eingegangen: Johann Melchior Roos wurde am 27.12.1663 als Sohn des Tiermalers Johann Heinrich Roos in Heidelberg geboren. Seine drei Brüder waren ebenfalls Maler, bevorzugt Tiermaler. Alle vier erhielten beim Vater ihre erste Aus- bildung. Ab 1684 begab sich J.M. Roos auf Wanderschaft, wobei er zunächst nach Holland und dann, zwecks weiterer Ausbildung, nach Italien zu seinem älteren Bruder Philipp Peter Abb. 3: Königin der Nacht (Selenicereus grandifl oris). Knospe vor einer Allee (3a), Blüte im Morgengrauen (3b). Durch die Luftwurzeln wirkt diese mexikanische Kakteenart schlangenartig. Nur ein einziges Mal in nur einer Nacht entfaltet sie eine prächtige Blüte. Diese Kaktee muss der Stolz des an Kunst und Natur interessierten Landgrafen gewesen sein (Museumslandschaft Hessen Kassel). Foto: MHK. Roos ging. Dieser hatte sich in Tivoli nieder- gelassen. Nach seiner Rückkehr lebte J.M. Roos zuerst in Nürnberg, heiratete dort, zog zunächst weiter nach Heidelberg und lebte ab 1695 in Frankfurt am Main. Hier wurden sie- ben seiner Kinder getauft. Sein Gesuch im Jahr 1707 um Bürgerrecht in Frankfurt wurde abge- lehnt. 1706 hatte er erste Kontakte zum Hof in Kassel, für den schon sein Vater gearbeitet hatte. Dies führte jedoch nicht zu einer Anstel- lung, er malte aber in diesem Jahr für Landgraf Karl die „Königin der Nacht“ in zwei schmalen hohen Bildern (Abb. 3). Beide Gemälde werden 1744 im Inventar des Kunsthauses genannt Abb. 2: Selbstbildnis von J.M. Roos. Standort und Foto: und befi nden sich heute in der Gemäldegalerie Historisches Museum Frankfurt. Alte Meister in Schloss Wilhelmshöhe. 222 Evelyn Lehmann Abb.4: Zwei Varietäten von Feldhühnern, 1726 (Natur- Abb. 5: Zwei Waldschnepfen (Naturkundemuseum im kundemuseum im Ottoneum). Foto: Ryzard Kasiewicz. Ottoneum). Foto: Ryzard Kasiewicz. Für den Zeitraum um 1710 ist belegt, dass Urkundlich nachgewiesen ist, dass Roos in Roos als Hofmaler des Reichskanzlers und Kassel Schwierigkeiten mit der Obrigkeit hatte. Erzbischofs von Mainz und Bamberg, Lothar Hofrat Schmincke, der die Gemälde im Kunst- Franz von Schönborn arbeitete. Der Erzbischof haus (Ottoneum) zu betreuen hatte, schrieb war allerdings mit der Arbeitsweise des Malers in einem immer wieder zitierten Brief, Roos nicht zufrieden – vermutlich, weil Roos bedingt habe drei Jahre nach Auftragerteilung, also durch andere Aufträge nicht immer vor Ort seit 1724, keinen Strich mehr an dem Bild ge- war. 1713 heiratete Roos nach dem Tod seiner macht. Und in der Tat dauerte es nach dieser ersten Frau ein zweites Mal; aus dieser Ehe Unterbrechung noch weitere zwei Jahre, bis gingen zwei Töchter hervor. Bis 1716 blieb das großformatige Bild 1729 vollendet war. In Roos noch in Frankfurt am Main ansässig; Schminckes Brief vom 30.9.1727 an Landgraf zumindest wird er bis zu diesem Jahr dort als Karl heißt es: Steuerzahler geführt. „Underthänigste Anzeige. Ew. Hochf. Durchl. 1723, ein Jahr nachdem Roos den Auftrag für haben vor fünf Jahren den Mahler Roos gndst. das große Menageriebild erhielt, heiratete er anbefehlen lassen, ein groß Stück zu verfer- ein drittes Mal (LEHMANN 2009: 58f), diesmal in tigen, worauff alles frembde Thiere zu sehen, der Kasseler Oberneustadt: Johanna Catharina so jemahlen in der Menagerie allhie gewesen. Luthkenhausen aus Bonn. 1726, drei Jahre Wan nun ein solches über die Hälfte fertig und bevor er das große Tierbild vollendete, malte er gedachter mahler in 3 Jahren keinen Strich da- „Zwei Varietäten von Feldhühnern“ (Abb. 4) und ran gethan, hierbey aber zu befürchten ist, daß etwa zur gleichen Zeit „Zwei Waldschnepfen“ abgedachtes Stück nicht mehr zur perfektion (Abb.