<<

„Das funktioniert nur im Dialekt“ Dialekt als literarisches Mittel in der österreichischen Populärmusik ab 1970

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

vorgelegt von Christina GAZILJ

am Institut für Germanistik Begutachter: Assoz. Prof. Mag. Dr.phil. Christian Neuhuber

Graz, 23. Jänner 2021

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung ...... 3 2. Theoretische Grundlagen zum österreichischen Dialekt ...... 4 2.1 Linguistische Grundlagen ...... 4 2.1.1 Standard vs. Dialekt...... 4 2.1.2 Österreichisches Deutsch ...... 10 2.1.3 Charakteristika der österreichischen Dialekte ...... 12 2.1.4 Klischees und Konnotationen ...... 17 2.2 Historischer Rückblick: Dialekt in Literatur und Musik ...... 19 3. Populärmusik in Österreich ...... 21 3.1 Begriffsklärungen aus dem Bereich der Populärmusik ...... 21 3.2 Chartplatzierungen ...... 26 3.3 Nationale und internationale Musikindustrie ...... 32 3.3.1 Wie werde ich ein Star? ...... 32 3.3.2 Majors und Independent Labels ...... 36 3.3.3 Die Macht der Radiosender ...... 40 3.3.4 Digitalisierung und neue Chancen ...... 44 4. Analyse der österreichischen dialektalen Populärmusik der letzten 50 Jahre ...... 48 4.1 Das Korpus und die Problematik der Verschriftlichung ...... 48 4.2 1970er Jahre: Der Beginn der Dialektwelle ...... 50 4.3 1980er Jahre: Das Jahrzehnt der inoffiziellen Volkshymnen ...... 62 4.4 1990er Jahre: Erste Anzeichen einer Regression ...... 74 4.5 2000-2010: Dekadenz der dialektalen Populärmusik ...... 86 4.6 2011-2020: Das Comeback des Dialekts ...... 99 5. Fazit ...... 129 6. Quellenverzeichnis ...... 134 6.1 Primärliteratur ...... 134 6.2 Musikvideos ...... 135 6.3 Sekundärliteratur ...... 137 7. Abbildungsverzeichnis ...... 147 8. Anhang ...... 147 8.1 Interview mit Günther Pini (Worried Men Skiffle Group) ...... 147 8.2 Interview mit Marco Blascetta (Coffeeshock Company) ...... 152 8.3 Tabelle Chartanalyse ...... 163 8.4 Das Korpus (chronologisch) ...... 165

1. EINLEITUNG

Das österreichische Erfolgsduo Pizzera & Jaus singt in seinem Lied Dialekt’s mi über den Dialekt, dass er zu den ÖsterreicherInnen gehöre wie „a Eignschoft, a Tal vo dir, a Stück deiner söbst.“1 Seit einigen Jahren entscheiden sich österreichische MusikerInnen wieder vermehrt dazu, diesen Teil ihres Selbst in ihren Songtexten widerzuspiegeln, indem sie sie im Dialekt verfassen – eine Tendenz, die MusikexpertInnen und das Publikum der österreichischen Radiosender bereits von einem Revival der dialektalen Populärmusik wie zu Zeiten von Ambros, Danzer, Fendrich und Co sprechen lässt. Allerdings nehmen die KünstlerInnen damit auch das Risiko in Kauf, möglicherweise eine geringere HörerInnenschaft anzusprechen und weniger Erfolg am deutschen Musikmarkt zu haben. Daher stellen sich die Fragen, weshalb sich manche österreichische MusikerInnen bei der Textierung ihrer Lieder für den Dialekt und gegen die Standardvarietät entscheiden und welche Faktoren die Trendverläufe in der österreichischen Musikbranche beeinflussen. Um den genannten Forschungsfragen auf den Grund zu gehen, soll im Zuge dieser Arbeit ermittelt werden, ob bei dialektalen Texten ein ästhetischer Mehrwert zu erkennen ist bzw. welche Funktionen der Dialekt in literarischen Werken übernimmt. Den Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Fragen bilden zwei Hypothesen: Zum einen wird in dieser Arbeit angenommen, dass der Dialekt Möglichkeiten der Stilisierung bietet, die jene der Standardvarietät überschreiten. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass eben dieser literarische Mehrwert, der durch die Verwendung des Dialekts erzielt wird, für MusikerInnen die ökonomischen Nachteile ausgleicht, die sich aus der bewussten sprachlichen Regionalisierung ergeben könnten. Ziel dieser Diplomarbeit ist es, einen historischen Abriss der österreichischen Dialektmusik der letzten 50 Jahre zu geben, der die Entwicklung der dialektalen Musik seit den Anfängen des Austropops in den 1970er Jahren und den bisherigen Trendverlauf nachzeichnet. Die der Arbeit zugrundeliegenden Annahmen sollen analytisch überprüft und in Folge verifiziert bzw. falsifiziert werden. Dazu werden an exemplarisch ausgewählten Liedern spezifische Tendenzen der jeweiligen Jahrzehnte sowie die verschiedenen Funktionen des Dialekts identifiziert, wodurch die Vielfalt der österreichischen Dialektmusik aufgezeigt werden soll. Persönliche Stellungnahmen österreichischer MusikerInnen bezüglich der Wahl des Dialekts als Ausdrucksform ihrer Musik sollen eine Überprüfung der zweiten Hypothese gewährleisten.

1 Paul Pizzera: Dialekt‘s mi. In: Genius. URL: https://genius.com/Pizzera-and-jaus-dialekts-mi-lyrics [21.03.2020].

3

2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUM ÖSTERREICHISCHEN DIALEKT

Da eine gewisse Basiskenntnis der linguistischen Grundlagen von Sprachvarietäten notwendig ist, um die Transkription der dialektalen Liedtexte nachzuvollziehen sowie den Stellenwert des Dialekts in Österreich und dessen Verwendung in der Literatur und Musik adäquat zu erfassen, werden in diesem Kapitel die sprachwissenschaftlichen Grundlagen des Bairisch- Österreichischen expliziert. Bei den Ausführungen in Kapitel 2.1.1 soll zunächst auf die Relation von Sprache und Varietäten und in weiterer Folge auf die Differenzierung von Standardvarietät und Dialekten eingegangen werden. Des Weiteren wird ein knapper Einblick in die Dialektologie und die Situationsspezifik des Dialekts gegeben. Im Anschluss an einen kurzen Exkurs zum Unterschied zwischen österreichischer und bundesdeutscher Standardvarietät in Kapitel 2.1.2 werden in Kapitel 2.1.3 die Aufteilung der Dialektgebiete Österreichs sowie die bundeslandspezifischen Charakteristika der Dialekte dargelegt. Kapitel 2.1.4 befasst sich anschließend mit Konnotationen und Klischees, mit denen DialektsprecherInnen, AutorInnen und MusikerInnen häufig konfrontiert sind. Im abschließenden Teil wird ein kurzer Abriss der dialektalen Traditionen in der Literatur und Musik geliefert, die die dialektale Populärmusik Österreichs ab den 1970er Jahren beeinflussen.

2.1 Linguistische Grundlagen

2.1.1 Standard vs. Dialekt

Der Begriff Dialekt leitet sich aus dem griechischen Wort διάλεκτος ab und bezeichnet die regionalspezifische Redensart eines Gebiets, also eine regionale gesprochene Sprache.2 Philipp von Zesen, der als Dichter und Reformer der deutschen Sprache durch seine Wortschöpfungen in die Geschichte einging, führte im 17. Jahrhundert den Begriff Mundart als Gegenpol zur Schreibart, also der Schriftsprache, ein.3 Im Folgenden lehne ich mich an die Ausführungen Löfflers und Zehetners an und werde die Wörter Dialekt und Mundart als Synonyme verwenden, wie es für den heutigen Sprachgebrauch üblich ist.4 Wagt man sich an eine Definition des Begriffs Dialekt, so muss zunächst geklärt werden, inwiefern dieser vom Terminus Sprache zu unterscheiden ist. In der

2 Vgl. Heinrich Löffler: Dialektologie. Eine Einführung. Tübingen: Gunter Narr 2003, S. 2; vgl. Ludwig Zehetner: Das bairische Dialektbuch. München: Beck 1985, S. 18; vgl. Norbert Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik. Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben. Tübingen: Niemeyer 1997. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 57.), S. 184. 3 Vgl. Löffler: Dialektologie, S. 2; vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 18. 4 Vgl. ebda, S. 8; vgl. ebda, S. 18. 4

Sprachwissenschaft wird das Verhältnis zwischen Sprache und Dialekt meist als Meronymie, d.h. als Teil-Ganzes-Beziehung, dargestellt. Dabei verkörpert die Sprache ein Sprachsystem – eine Menge, das Ganze, während die einzelnen Dialekte (auch Varietäten genannt) als Teilmengen des Ganzen betrachtet werden.5 Die verschiedenen Varietäten sind als „Subsysteme“6 oder „Subkodes“7 des übergeordneten Sprachsystems aufzufassen. Das Hauptkriterium, um als Varietät einer bestimmten Sprache zugeordnet zu werden, ist die „gegenseitige Verstehbarkeit“8, was bedeutet, dass zwischen der Sprache und der Varietät auf grammatischer, lexikalischer, morphologischer, syntaktischer und/oder phonetischer Ebene ein gewisser Grad an Ähnlichkeit bestehen muss.

Es wird aber nicht verlangt, dass jeder Dialekt einer Sprache gegenüber der Hoch- oder Einheitssprache diese nahe Systemverwandtschaft hat. Auch wenn z.B. Dialekt A mit dem System S nahe verwandt ist, Dialekt B aber nicht, so sind A und B dennoch Dialekte von S, wenn A und B ihrerseits Systemnähe zeigen.9

Die einzelnen österreichischen Dialekte weisen sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede auf grammatischer, lexikalischer, semantischer und phonetischer Ebene zueinander sowie zur deutschen/österreichischen Standardsprache auf, die im Folgenden auch Standardvarietät genannt wird, und sind daher als einzelne Varietäten des Deutschen zu verstehen. Die deutsche Sprache bloß als Menge der dialektalen Varietäten darzustellen, wäre jedoch eine unvollständige Beschreibung dieses komplexen Systems. In Anlehnung an Ammon, der versucht, eine Sprache (La) als Menge von Varietäten (la, lb, …ln) in Form einer Formel zu beschreiben „La = {la, lb, …, ln}“10, wurde die folgende Grafik erstellt, um die deutsche Sprache in Österreich mit ihren Varietäten und deren Beziehungen zueinander abzubilden. Wie in Abb. 1 zu erkennen ist, steht im Zentrum der deutschen Sprache in Österreich die österreichische Standardvarietät (SV), auf die im folgenden Kapitel noch eingegangen werden soll. Weitere Varietäten des Deutschen stellen die jeweiligen Umgangssprachen (U) sowie Dialekte (D) der einzelnen Bundesländer (S, ÖO, NÖ, W, B, St, K, T, V) dar.

5 Vgl. Löffler: Dialektologie., S. 3; vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 171 und 204; vgl. J.K. Chambers/Peter Trudgill: Dialectology. Cambridge: CUP.1980, S. 3. 6 Löffler: Dialektologie, S. 3. 7 Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 171. 8 Löffler: Dialektologie, S. 3; vgl. Chambers/Trudgill: Dialectology, S. 3. 9 Löffler: Dialektologie, S. 3-4. 10 Ulrich Ammon: Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem der nationalen Varietäten. Berlin: de Gruyter 1995, S. 1.

5

Abb. 1: Die Varietäten der deutschen Sprache in Österreich Würde man diese Grafik noch ausführlicher gestalten, so könnte man innerhalb der einzelnen Varietäten erneut kleinere Varietäten einzeichnen, um hervorzuheben, dass sich zum Beispiel die Umgangssprache der Bevölkerung von Graz von jener der Bevölkerung anderer Teile der Steiermark unterscheidet. Ebenso gibt es innerhalb der Bundesländer verschiedene dialektale Varietäten, wobei sich manche Dialekte nur sehr gering, andere jedoch stärker voneinander unterscheiden. Wie aus Abb. 1 hervorgeht, überschneiden sich die einzelnen Varietäten, was zeigt, dass zum Beispiel die Umgangssprache und der Dialekt im Burgenland Ähnlichkeiten zur österreichischen Standardvarietät, zur Wiener Umgangssprache und zum Wiener Dialekt sowie zur steirischen Umgangssprache und zum steirischen Dialekt aufweisen. Eine detaillierte Darstellung aller Beziehungen der einzelnen Dialekte zueinander ist jedoch kaum möglich, möchte man vermeiden, dass die Illustration unübersichtlich wird. Abgeleitet aus dieser Grafik (Abb. 1) ergibt sich nun die folgende Formel nach Ammon für die deutsche Sprache in Österreich: Deutsch in Österreich = {SV, WU, WD, BU, BD, NÖU, NÖD, StU, StD, OÖU, OÖD, KU, KD, SU, SD, TU, TD, VU, VD}. Da nun geklärt ist, was unter den Begriffen Sprache und Varietät zu verstehen ist, soll im nächsten Schritt erläutert werden, inwiefern sich die Standardvarietät von den dialektalen Varietäten unterscheidet: Auch wenn in einzelnen verkürzenden Erläuterungen der Fachliteratur postuliert wird, dass von einer Abgrenzung der Standardvarietät von den Dialekten erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts die Rede sein kann11, wurden bereits im Mittelalter

11 Vgl. Peter Wiesinger: Das Verhältnis von Dialekt und Schriftsprache in Österreich und die literarische Verwendung von Dialekt vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Bairisch-österreichischer Dialekt in Literatur und Musik 1650-1900. Hrsg. von Christian Neuhuber und Elisabeth Zehetner. Graz: Grazer Universitätsverlag; Leykam 2015. (= Allgemeine wissenschaftliche Reihe. 42.), S. 37; vgl. Ortwin Beisbart/Klaus Maiwald: Dialekt in der Literatur. Ein Aspekt von Regionalität im Zeitalter der Globalisierung?. In: Regionalität als Kategorie der Sprach- und Literaturwissenschaft. Hrsg. von Instytut Filologii Germańskiej Uniw. Opolski. Frankfurt am Main: Peter Lang 2002. (= Oppelner Beiträge zur Germanistik. Hrsg. von Maria Katarzyna Lasatowicz und Marek Zybura. 6.), S. 127. 6

überregionale Dichtersprachen im schriftlichen Bereich eingesetzt. Auch im mündlichen Bereich entwickelten sich im Handel und in den kaiserlichen Kanzleien Wiens und Prags bereits im 16. und 17. Jahrhundert nach und nach überregionale Verkehrssprachen wie beispielsweise das Gemeindeutsche.12 Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts allerdings blieb umstritten, woran sich denn eine „einheitliche, allgemein verbindliche Schriftnorm des Deutschen“13 zu orientieren habe. Bei diesem ‚Sprachstreit‘ standen Befürworter der oberdeutschen Schreibsprache, wie „Johann Balthasar Antesperg, Carl Friedrich Aichinger, Janez Žiga Valentin Popovič, Augustin Dornblüth, Ignaz Weitenauer, Heinrich Braun, Franz Joseph Bob, Johann Jakob Hemmer, Johann Nast und Friedrich Carl Fulda“14, den Unterstützern des ostmitteldeutschen Meißnerdeutsch, zum Beispiel „Philipp von Zesen, Johann Christoph Gottsched, Johann Christoph Adelung [und] Joachim Heinrich Campe“15, gegenüber. Freilich ging es dabei nicht nur um die Entscheidung zwischen zwei Varianten mit unterschiedlichem regiolektalen Fokus, sondern auch um eine religiöse und politische Positionierung. Die oberdeutsche Schreibsprache (von den Gegnern auch Jesuitendeutsch genannt), die Elemente des Süddeutschen und Bairisch-Österreichischen aufwies, wurde vom katholischen Klerus, der in diesen Gebieten das Bildungssystem dominierte, gefördert, während die Verwendung eines standardisierten Ostmitteldeutschen (pejorativ auch Lutherdeutsch genannt) in Sachsen, Brandenburg und Preußen von den Protestanten vorangetrieben wurde. Als sich Kaiserin Maria Theresia für die Institutionalisierung der ostmitteldeutschen Variante in den Schulen des Habsburgerreichs entschied, fand diese Diskussion schließlich ein Ende.16 Wie sich zeigt, war die Einführung einer standardisierten Einheitssprache, die im Volksmund oft auch als Schriftsprache oder Hochdeutsch bezeichnet wird, keine Sprachreform, die schnell vonstattenging, sondern ein Entwicklungsprozess über mehrere Jahrhunderte hinweg. Entsprechend konstatiert Löffler:

Das Hochdeutsche ist nicht die unmittelbare Vor- oder Nachstufe eines der lebenden Dialekte. Die Hochsprache ist die gesprochene Form einer ursprünglich schriftlichen Kunstsprache, die ihre Elemente im Sinne einer nationalen Ausgleichsbewegung in unterschiedlichem Maße aus den einzelnen Dialekten nach dem Stand des 15.-18. Jahrhunderts erhalten hat.17

12 Vgl. Dieter Burdorf/Christoph Fasbender/Burkhard Moennighoff: Metzler Lexikon. Literatur. 3. Aufl. Stuttgart: J.B. Metzler 2007, S. 723; vgl. Beisbart/Maiwald: Dialekt in der Literatur, S. 127; vgl. Maria Hornung/Franz Roitinger: Die Österreichischen Mundarten. Eine Einführung. Wien: öbv & hpt 2000, S. 10; vgl. vgl. Wiesinger: Dialekt und Schriftsprache, S. 37. 13 [Anonym]: Jesuitendeutsch. In: Academic. URL: https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/691495 [15.07.2020]. 14 Ebda. 15 Ebda. 16 Vgl. ebda. 17 Löffler: Dialektologie, S. 67. 7

Dialekt lässt sich nicht isoliert von der Standardsprache definieren und kann nur in Abgrenzung zu dieser beschrieben werden.18 Beim Standard handelt es sich um eine normierte und kodifizierte Sprachvarietät, deren Verwendung also klar in Grammatiken und Wörterbüchern geregelt ist. Weiters zeichnet sie sich dadurch aus, dass sie institutionalisiert ist und in Schulen gelehrt, von Behörden verwendet und durch Medien verbreitet wird. Sie verfügt über ein optimal besetztes grammatisches Inventar, ist überregional und weist daher eine große Verständigungsreichweite auf. Die Standardvarietät hat üblicherweise ein hohes Prestige und wird deshalb meist in öffentlichen und formellen Situationen bevorzugt.19 Der Dialekt ist in all diesen Punkten ein Komplement zur Standardvarietät. Zwar gibt es auch Wörterbücher über Dialekte, doch werden diese nicht in Fragen der Rechtschreibung zu Rate gezogen, sondern dienen wissenschaftlichen Zwecken wie der Sicherung des Sprachguts.20 Da Dialekte primär als gesprochene Sprachen aufgefasst werden und überdies auch nicht normiert sind, gibt es keine klaren Regelungen bezüglich der Grammatik oder Verschriftlichung von Dialekten. Schriftlich werden sie „nur eingeschränkt und in besonderer Absicht verwendet.“21 Ihr grammatisches Inventar wird häufig als mangelhaft bzw. fehlerhaft erachtet, sie sind ortsgebunden und haben daher einen geringeren kommunikativen Radius. Da sie allgemein betrachtet über ein niedrigeres Prestige verfügen sowie meist mit dem privaten Bereich assoziiert werden, werden sie offiziell auch nicht durch Schulen institutionalisiert.22 Unter dem Terminus Standardvarietät wird im Folgenden demnach die normierte, kodifizierte und institutionalisierte Varietät des österreichischen Deutschen verstanden, wohingegen die österreichischen Dialekte als nicht-normierte, nicht-kodifizierte und nicht-institutionalisierte Varietäten der deutschen Sprache in Österreich aufzufassen sind. Bei der Definition des Begriffs Umgangssprache beziehe ich mich auf Hornung/Roitinger, Zehetner, Dittmar und Földes, die die Umgangssprache (oder auch Verkehrssprache) als einen nicht genau bestimmbaren Bereich zwischen Standardvarietät und Dialekt beschreiben.23 Von der Auffassung Zehetners und Dittmars, dass auch die Umgangssprache regionalspezifische

18 Vgl. Löffler: Dialektologie, S. 3 und 8; vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 18; vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 187. 19 Vgl. Ammon: Die deutsche Sprache, S. 3; vgl. Wiesinger: Dialekt und Schriftsprache, S. 22; vgl. Löffler: Dialektologie, S. 4- 7; vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 201. 20 Vgl. Ammon: Die deutsche Sprache, S. 3. 21 Wiesinger: Dialekt und Schriftsprache, S. 9. 22 Vgl. Löffler: Dialektologie, S. 4-7 und 109; vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 18; vgl. Chambers/Trudgill: Dialectology, S. 3; vgl. Ammon: Die deutsche Sprache, S. 3. 23 Vgl. Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 12; vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 19; vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 195; vgl. Csaba Földes: Aspekte der Regionalität im System der diatopischen Varietäten der deutschen Sprache. In: Regionalität als Kategorie der Sprach- und Literaturwissenschaft. Hrsg. von Instytut Filologii Germańskiej Uniw. Opolski. Frankfurt am Main: Peter Lang 2002. (= Oppelner Beiträge zur Germanistik. Hrsg. von Maria Katarzyna Lasatowicz und Marek Zybura. 6.), S. 78. 8 dialektale Merkmale aufzeige, nehme ich jedoch Abstand und verweise auf Hornung/Roitinger, die erklären: „Sie tritt besonders dort auf, wo viele Menschen aus verschiedenen Gegenden zusammenkommen und wie von selbst alle besonderen Eigentümlichkeiten der Mundarten durch Anpassung verloren gehen.“24 Die Dialektologie, die die Erforschung der unterschiedlichen Dialekte zur Aufgabe hat, unterscheidet vier Dimensionen, auf denen die Varietäten einer Sprache untersucht werden können. Dabei handelt es sich um die diatopische, die diaphasische, die diachrone und die diastratische Dimension. Bei der diatopischen Ebene werden Dialekte hinsichtlich ihrer lokalen oder regionalen Merkmale räumlich eingeteilt. Die diaphasische Dimension berücksichtigt bei der Untersuchung der Dialekte die situationsspezifische Komponente und soll demnach klären, in welchen Kontexten Dialekte verwendet werden. Die diachrone Erforschung der Dialekte ist auf den Sprachwandel der Varietäten über eine längere Zeit hinweg spezialisiert. Von einer diastratischen Variation wird bei Soziolekten gesprochen – hier wird versucht, die verschiedenen Varietäten anhand der sozialen Merkmale ihrer SprecherInnen einer sozialen Schicht zuzuordnen.25 Für diese Arbeit sind vor allem die diatopische, die diaphasische und die diastratische Dimension von Bedeutung. Zunächst soll auf Aspekte der diaphasischen Variation eingegangen werden, um zu veranschaulichen, in welchen Situationen bzw. Domänen SprecherInnen üblicherweise die Mundart zur Kommunikation nutzen. Elemente der diatopischen Dimension werden sich in Kapitel 2.1.3 wiederfinden, während die diastratische Ebene in Kapitel 2.1.4 bei der Beleuchtung gängiger Konnotationen und Klischees angesprochen wird. Die Kernfrage bei der Erforschung situationsspezifischer Variation lautet: Wann wird Dialekt gesprochen bzw. wer spricht mit wem wie? Wie Zehetner und Wurzinger hervorheben, fungiert die Wahl der sprachlichen Varietät häufig als Ausdruck der eigenen Identität gegenüber den GesprächspartnerInnen, oder größer gefasst, gegenüber der Sprachgemeinschaft und sich selbst.26 Da man sich selbst je nach Kommunikationssituation, GesprächspartnerInnen, Thematik, Redeabsicht und der eigenen Rolle als SprecherIn unterschiedlich darstellen möchte, ist es naheliegend, in jeder Unterhaltung individuell eine situations- und domänenspezifische Sprachform zu wählen.27 Dabei wird der Dialekt allgemein als passende Wahl für den privaten

24 Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 12. 25 Vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 178, 183, 189 und 206; vgl. Benedikt Szmrecsanyi: Variation und Wandel. In: Sprachwissenschaft. Grammatik-Interaktion-Kognition. Hrsg. von Peter Auer. Stuttgart, Weimar: Metzler 2013, S. 270– 276. 26 Vgl. Melanie Wurzinger: Soziophonologische Variation im regionalen Radio. Graz, Univ., MA-Arb. 2019, S. 15-16; vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 21. 27 Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 19-20 und 181. 9 und emotionalen Bereich (unter Bekannten und Familie), den örtlichen Bereich (z.B. in der eigenen Gemeinde), den Arbeitsplatz (unter KollegInnen) sowie für die informelle mündliche Rede erachtet. Die Standardvarietät gilt demgegenüber als adäquat im öffentlichen Bereich (z.B. im Umgang mit Fremden), im überörtlichen Bereich (landesweit, aber auch außerhalb des Landes), in jeglichen Bereichen der Bildung, Kunst und Wissenschaft sowie als schriftliche und mündliche Ausdrucksform in formellen Situationen.28 Obgleich die Mundart für viele ÖsterreicherInnen die bevorzugte Sprechweise ist, gibt es dennoch viele Situationen, in denen sie sich entscheiden, in die Umgangssprache oder die Standardvarietät zu wechseln. Leute vom Land wählen beispielsweise häufig die Umgangssprache oder die Standardvarietät für die Kommunikation mit Menschen aus der Stadt oder dem Ausland, um die Verständigung zu erleichtern.29 Ähnlich sieht es auch in der Medienwelt aus, wenn DialektsprecherInnen im Fernsehen oder Radio standardnäher sprechen, um Verständnisschwierigkeiten für das Publikum zu vermeiden. „Überall dort, wo [jedoch] vertrauenerweckende Stimmen aus dem Volk für günstig erachtet werden, hört man Bairisch.“30 Wie sich zeigt, kann mit dem Dialekt Verschiedenstes assoziiert werden. Wie genau diese Konnotationen aussehen können, soll an späterer Stelle (Kapitel 2.1.4) erläutert werden.

2.1.2 Österreichisches Deutsch

Auch die österreichische Standardvarietät soll an dieser Stelle kurz erwähnt werden, da ihre Selbstständigkeit bzw. Notwendigkeit nicht immer als selbstverständlich erachtet wurde. Obwohl seitens der österreichischen Politik nach 1945 versucht wurde, eine eigenständige österreichische Standardvarietät zu etablieren, um sich somit auch auf sprachlicher Ebene von Deutschland und der gemeinsamen Vergangenheit zu distanzieren, wurde diese Neuerung nicht von allen so rasch akzeptiert, wie angenommen werden könnte.31 Noch in den 1990er Jahren machten es sich SprachwissenschaftlerInnen wie Moosmüller und Ammon zur Aufgabe, die Unterschiede zwischen der österreichischen und der bundesdeutschen Standardvarietät aufzuzeigen, um den autonomen Stellenwert der österreichischen Varietät hervorzuheben. Natürlich war die Profilierung der österreichischen Standardvarietät nicht nur politisch

28 Vgl. Löffler: Dialektologie, S. 5 und 43-44. 29 Vgl. Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 11-12. 30 Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 187-188. 31 Vgl. Ammon: Die deutsche Sprache, S. 126. 10 betrachtet notwendig, um eine eigenständige Identität der österreichischen Nation und ihrer Bevölkerung zu forcieren,32 sie war auch kommunikationstheoretisch betrachtet gerechtfertigt.

Es gibt noch ein weiteres Motiv für die Pflege eines spezifisch österreichischen Standarddeutsch, das jedoch so gut wie immer nur zwischen den Zeilen anklingt und kaum je offen ausgesprochen wird. Es ist die sprachliche Rücksichtnahme auf die breite Mehrheit der Bevölkerung, von deren gesprochenen Varietäten die Standardvarietät nicht zu weit entfernt sein sollte.33

Wie Moosmüllers Studie zu den unterschiedlichen Varietäten der Städte Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck ergeben hat, meint der Großteil der österreichischen ProbandInnen im Jahr 1991 zwar, dass es eine spezifisch österreichische Standardsprache gibt, jedoch können sie nicht angeben, welche der österreichischen Varietäten sie darunter verstehen.34 Weiters zeigt die Studie, dass die ÖsterreicherInnen unbewusst dennoch eine recht eindeutige Vorstellung davon haben, wie ihre Hochsprache auszusehen habe. Als SprecherInnen einer überregionalen Varietät wurden nämlich diejenigen Testpersonen identifiziert, deren Sprachprobe keine dialektalen und/oder regionalen Merkmale aufwies und die den Anschein machten, aus der sozialen Oberschicht zu stammen.35 Darüber hinaus konnte eine Präferenz für die Stadt Wien festgestellt werden, was Ammon aufgrund des kulturellen und wirtschaftlichen Einflusses der Hauptstadt auf eine gängige Tendenz bei der Standardisierung von Varietäten zurückführt.36 Wären die ProbandInnen zu den Unterschieden zur nationalen Varietät Deutschlands befragt worden, wäre die Aussprache (z.B. des Wortes Kaffee) sicherlich eines der erstgenannten Charakteristika gewesen. Bis zur Rechtschreibreform im Jahr 1996 wurde auch hinsichtlich der Orthografie zwischen Österreich, Deutschland und der Schweiz differenziert. Neben einigen grammatikalischen Eigenheiten spielen bei der Abgrenzung der nationalen Varietäten Österreichs und Deutschlands jedoch wohl die Lexik und die Semantik die bedeutendste Rolle. Nicht umsonst ließ Österreich bei den Beitrittsverhandlungen in die EU nicht locker und beharrte auf die Anerkennung von 23 Austriazismen (nur in Österreich gebräuchliche Varianten/Wörter).37 Natürlich gibt es darüber hinaus noch viele weitere Austriazismen, zum Beispiel das typisch österreichische „Sowieso! (dt./schweiz. Ja natürlich!)“38, wie Ammon mit seiner nach Kategorien eingeteilten Auflistung der Austriazismen auf insgesamt vierzehn

32 Vgl. Sylvia Moosmüller: Hochsprache und Dialekt in Österreich. Soziophonologische Untersuchungen zu ihrer Abgrenzung in Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 1991, S. 17; vgl. Ammon: Die deutsche Sprache, S. 128 und 201. 33 Ammon: Die deutsche Sprache, S. 210. 34 Vgl. Moosmüller: Hochsprache und Dialekt in Österreich, S. 22. 35 Vgl. ebda, S. 23-29. 36 Vgl. Ammon: Die deutsche Sprache, S. 134. 37 Vgl. ebda, S. 205. 38 Ebda, S. 177. 11

Seiten und weiteren drei Seiten zu Wortbedeutungsunterschieden beweist.39 Viele dieser Austriazismen finden auch Einzug in die dialektalen Songtexte der österreichischen Populärmusik, denn obgleich sie zur Standardvarietät zählen, sind sie doch spezifisch österreichisch.

2.1.3 Charakteristika der österreichischen Dialekte

Die österreichischen Dialekte lassen sich größtenteils dem bairischen Dialektraum zuordnen, der auf den Stamm der Bajuwaren zurückzuführen ist. Lediglich die Dialekte Vorarlbergs bilden hier die Ausnahme, die den alemannischen Dialekten zugeordnet werden, da dieses Gebiet von den Alemannen besiedelt war.40 Zunächst sollen die Aufteilung und die Charakteristika der bairischen Dialekte dargelegt werden, Ausführungen zum Alemannischen folgen anschließend bei der Behandlung des Vorarlberger Dialekts. Bei den bairischen Dialekten wird unterschieden zwischen dem Nordbairischen, dem Mittelbairischen und dem Südbairischen, wobei jedoch nur die beiden letztgenannten Gruppen das österreichische Sprachgebiet betreffen. Wie die folgende Grafik aus Die Österreichischen Mundarten. Eine Einführung von Hornung/Roitinger zeigt, erstreckt sich das Mittelbairische über die Bundesländer Oberösterreich, Niederösterreich und Wien, während das Südbairische vor allem in Tirol und Kärnten beheimatet ist. Die Bundesländer Salzburg, Steiermark und Burgenland stellen Übergangsgebiete zwischen den mittelbairischen und südbairischen Dialekten dar – in den Mundarten dieser Regionen sind folglich Elemente beider Dialektgruppen zu finden.41

Abb. 2: Mundartliche Gliederung Österreichs (Hornung/Roitinger 2000, S. 16)

39 Vgl. ebda, S. 157-173. 40 Vgl. Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 15; vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 16 und 59. 41 Vgl. Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 15. 12

Das Mittelbairische stellt von den drei zuvor genannten Arten des Bairischen die ‚jüngste‘ Form dar, wohingegen das Südbairische etwas konservativer ist.42 Charakteristisch für die mittelbairischen Dialekte ist unter anderem die Mitlautschwächung der einfachen Starklaute zu Schwachlauten (/p/ → /b/, /t/ → /d/, /k/ vor /l/, /n/, /r/ → /g/) und der Doppellaute zu einfachen Starklauten (/tt/ → /t/, /pp/ → /p/) sowie der Schwund von Schwachlauten (z.B. Bub → Bua) oder ihr Wandel zu Reibelauten (/b/ → /w/). Aufgrund der Mitlautschwächung kommt es im Mittelbairischen auch häufig zur Assimilierung der darauffolgenden Konsonanten (z.B. reden → re(d)n, leben → le(b)m).43 Weitere Spezifika der mittelbairischen Dialekte stellen der Schwund oder die Kürzung der Nebentonsilben und die Vokalisierung der Liquide /r/ und /l/ zu /a/ und /ɪ/ dar (z.B. Garten → Goatn, Wald → Woid).44 Durch diese Vokalisierung kommt es in den Mundarten des Mittelbairischen zu einer großen Anzahl an möglichen Diphthong- Varianten für ein Wort, zum Beispiel bei Wald: „al > ǫö, ǫü, ǫi; ol > oö, öu, oi usw.: Wǫöd (OÖ), Wǫüd (NÖ), Wǫid (Sbg.) […]“45 Das Südbairische zeichnet sich in seiner älteren Form im Gegensatz zum Mittelbairischen durch die Erhaltung der Starklaute sowie der Nebentonsilben aus. Ein weiteres typisches Merkmal der südbairischen Dialekte sind die Diphthonge /ęa/ und /ǫa/, die sich aus den mittelhochdeutschen Langvokalen /ê/ und /ô/ ergeben haben.46 Natürlich darf die Verschiebung des Verschlusslauts von germ. /k/ → südbair. /kch/ bzw. /kh/ nicht unerwähnt bleiben, das wohl bekannteste Charakteristikum des Südbairischen.47 Um die Transkriptionsregeln des Textkorpus nachvollziehbar zu machen, soll kurz auf die wichtigsten Charakteristika der Dialekte der einzelnen Bundesländer eingegangen werden. Obwohl man heute bei den unterschiedlichen Varietäten der deutschen Sprache, die man in Wien hört, nur noch in wenigen Fällen von einer echten Mundart sprechen kann, ist das Wienerische bis dato ein bedeutender Faktor in Bezug auf den Wandel der Varietäten der Landeshauptstädte gewesen. Geschichtlich betrachtet ist der Wiener Dialekt in Altwienerisch (bis ca. 1918), Neuwienerisch (bis ca. 1945) und Jungwienerisch (bis heute) aufzuteilen, wobei man mittlerweile meist den Wiener Jargon (gekennzeichnet durch eine gedehnte Sprachweise) oder die Wiener Umgangssprache mit dem Wienerischen assoziiert.48 Die wenigen SprecherInnen der typischen, ursprünglichen Wiener Mundart sind jedoch klar an einigen Charakteristika zu erkennen. Wie in allen mittelbairischen Dialekten ist auch hier eines der

42 Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 60 und 62-63. 43 Vgl. Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 17. 44 Vgl. Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 17-18; vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 60. 45 Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 19. 46 Vgl. ebda, S. 18-19. 47 Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 63. 48 Vgl. Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 23 und 33. 13

Hauptmerkmale die Mitlautschwächung. Zudem zeichnet sich der Wiener Dialekt durch eine große Zahl an Substitutionen aus, die so in den altbäuerlichen Landmundarten nicht zu finden waren/sind:49 Substitution von durch Beispiel Suffix billig → bülich germ. Schuh → Schuach mhd. und (vor n und m) leid → lād dort → duat (vor m) Baum → bam (jedoch vor f) kaufen → khauffm Nebensilbe / machen → mochn kaufen → khauffm

Darüber hinaus verfügt das Wienerische auch über lexikalische Eigenheiten wie die Verwendung des rückbezüglichen Pronomens sich für den Plural uns und die direktionalen Adverbien „rain, raus rauf, runta, rüwa“50 sowie über grammatikalische Besonderheiten, zum Beispiel die eigenwillige Stellung der Hilfsverben sollen und müssen in Sätzen wie: „Du hędsd miassn a Madl węarn […] ęa hęd schån gesdan soiln khuma.“51 Da das Wienerische in den letzten 50 Jahren einem enormen Wandel unterlegen ist und, wie eingangs erwähnt, heute kaum noch von einem Wiener Dialekt gesprochen werden kann, soll an dieser Stelle auch auf Merkmale des modernen Wienerisch verwiesen werden. Wie Arne Ziegler und sein Forschungsteam im Zuge des Projekts Jugendsprache(n) in Österreich zeigen, eignen sich besonders Jugendsprachen, um Trends im Sprachwandel aufzuzeigen,52 weshalb hier vor allem auf den Sprachgebrauch junger WienerInnen eingegangen wird. Die Forschungsergebnisse des Jugendsprachprojekts legen nahe, dass sich Phänomene wie die Tilgung von Präpositionen und Artikeln, die einst der Sprache der MigrantInnen zugeordnet wurden, nun in der Phase der De-Ethnisierung befinden und somit auch in den mündlichen Sprachgebrauch von SprecherInnen mit Deutsch als L1 aufgenommen wurden.53 „Auch bei der Ankündigung einer direkten Rede übt sich die Jugend gerne in Wortsparsamkeit: So heißt es häufig statt ‚ich habe gesagt‘, ‚dann hat er gesagt‘ schlicht ‚ich so‘, ‚er so‘.“54 Weiters wurde gezeigt, dass der Dialektgebrauch bei Jugendlichen am Land stärker vertreten ist, während sich

49 Vgl. ebda, S. 27-31. 50 Ebda, S. 32. 51 Ebda, S. 32. 52 Vgl. Georg Oberdorfer/Anna Weiß: Sprachliche Mode(n) in der Kommunikation unter österreichischen Jugendlichen. In: LiTheS (2016), H. 13, S. 101–119. URL: http://lithes.uni-graz.at/lithes/16_13.html [15.07.2020], S. 117. 53 Vgl. ebda, S. 114. 54 Doris Griesser: Jugendsprache(n). Studie: So spricht Österreichs Jugend. In: Der Standard vom 19.11.2014. URL: https://www.derstandard.at/story/2000008324167/studie-zur-jugendsprache-in-oesterreich [15.07.2020]. 14 die Sprache Jugendlicher urbaner Gebiete zunehmend an der Standardvarietät orientiert – Jugendliche in Wien neigen zum Beispiel eher dazu, das Präteritum zu verwenden.55 Zu diesem Schluss kam auch Johanna M.M. Fanta, die eine Spracheinstellungsuntersuchung unter SchülerInnen aus Wien, Graz und Klagenfurt durchführte und einen Abbau des Dialektgebrauchs sowie eine „defizitäre passive Dialektkompetenz“56 bei jungen WienerInnen feststellte.57 Ziegler zufolge sind diese Ergebnisse für eine Großstadt nicht verwunderlich.

So gibt es in der Stadt viel stärker die Notwendigkeit sprachlicher Anpassungen, wenn sich Menschen mit unterschiedlicher Herkunft verständigen wollen. Die Sprachwissenschaftler sprechen von Ausgleichsprozessen – der Dialektabbau ist ein Aspekt davon.58

Viele der einstigen Spezifika des Wiener Dialekts haben mittlerweile ihren Weg in die Dialekte und Umgangssprachen anderer Bundesländer gefunden. Davon betroffen sind vor allem Niederösterreich und das Burgenland, deren Varietäten aufgrund ihrer Nähe zur Bundeshauptstadt und der vielen PendlerInnen stark vom Wienerischen geprägt wurden. Im Niederösterreichischen wurde unter anderem das typische /uɪ/ vom wienerischen /ua/ ersetzt und das wienerische /a/ für den mhd. /aɪ/-Laut übernommen. Bei alteingesessenen, lexikalischen Eigenheiten der niederösterreichischen Dialekte sind jedoch immer noch die ursprünglichen Lautkombinationen präsent.59 Obwohl die unverkennbaren Dialekte des Burgenlands heute meist nur noch in kleinen Dörfern und eher von älteren Generationen gesprochen werden, so sollen auch ihre Charakteristika kurz erwähnt werden. Als typisch burgenländisch gelten unter anderem die palatovelaren Diphthongierungen der Laute /a/, /e/ und /o/ (z.B. Schwefel → Schweiwl), die Lautkombination /ul/ (z.B. Holz → Hultss), die weniger stark ausgeprägte Vokalisierung des Liquids /l/ (z.B. alt → old) sowie die Verwendung von statt nach Vokalen (z.B. Käfer → Khaiwa).60 Im Gegensatz zum Burgenland und zu Niederösterreich konnte das Bundesland Oberösterreich seine ursprüngliche, mittelbairische Mundart beinahe vollständig erhalten. Lediglich im Bereich der /ęǫ/-Lautgruppe lässt sich ein Rückgang aufgrund des Näheverhältnisses zu Deutschland erkennen.61

55 Vgl. [Anonym]: Forschung Spezial. Warum städtische Jugendliche nach der Schrift sprechen. In: Der Standard vom 28.05.2016. URL: https://www.derstandard.at/story/2000037577060/warum-staedtische-jugendliche-nach-der-schrift- sprechen [15.07.2020]; vgl. Griesser: Jugendsprachen(n). 56 Johanna M. M. Fanta: Dialekt in Österreich am Beginn des 21. Jahrhunderts aus jugendlich-urbaner Sicht. Eine Spracheinstellungsuntersuchung unter jungen Sprecherinnen und Sprechern aus Wien, Graz und Klagenfurt. Graz, Univ., Dipl.-Arb. 2015, S. 130. 57 Vgl. ebda, S. 130 und 132. 58 [Anonym]: Forschung Spezial. In: Der Standard vom 28.05.2016. 59 Vgl. Hornung/Roitinger: Die Österreichischen Mundarten, S. 36 und 42-43. 60 Vgl. ebda, S. 52 und 57. 61 Vgl. ebda, S. 60-61 und 64. 15

Lässt man die Landeshauptstadt Graz außer Acht, so ist es auch der Steiermark, als Grenzgebiet des Mittel- und Südbairischen, bislang gelungen, seine mundartlichen Charakteristika größtenteils beizubehalten. Wie in den burgenländischen Dialekten zählt auch im Steirischen die Diphthongierung und Triphthongierung zu den markantesten Merkmalen. Da die steirischen Dialekte sowohl unter dem Einfluss des Mittelbairischen als auch des Südbairischen stehen, weisen sie dialektale Elemente aus beiden Sprachgruppierungen auf. Den mittelbairischen Charakteristika des Steirischen kann unter anderem der Schwund von Nasalen (z.B. Mann → Mån) und die Vokalisierung der Nebensilbe (z.B. Vater → Fǫta) zugeordnet werden. Typisch südbairische Merkmale in den steirischen Mundarten sind hingegen der Wandel des germ. /k/ zu /kh/ bzw. /kch/ (z.B. klein → khlǫan) und die Diphthongierung der mhd. Vokale /ê/ und /ô/ zu /ęa/ und /ǫa/, die im Mittelbairischen hingegen als einfache Langvokale realisiert werden.62 Wie bei der steirischen Mundart handelt es sich auch bei den Dialekten Salzburgs um typische Übergangsvarietäten, die sowohl Eigenschaften des Mittelbairischen als auch des Südbairischen aufzeigen.63 Weitaus spezifischer hingegen sind die Dialekte des Bundeslands Kärnten, die im südbairischen Sprachraum anzusiedeln sind. Als charakteristische Merkmale der Kärntner Mundarten gelten unter anderem die Monophthongierung von Frikativen in Kombination mit einer Dehnung des vorausgehenden Vokals (z.B. lassen → lǭsn), die Bewahrung der Vorsilbe vor Plosiven bei Perfekt-Konstruktionen, die Diphthongierung der mhd. Langvokale /ê/ und /ô/ zu /ęa/ und /ǫa/ (wie auch in anderen südbairischen Dialekten) sowie die häufige Verwendung der Diminutive (Verniedlichungsformen)

  • und (z.B. Vogel → Fegele).64 Ebenso dem Südbairischen zugehörig sind die Tiroler Mundarten, die durch die konservative Erhaltung ihrer Dialektmerkmale gekennzeichnet sind. Dazu zählen die Aussprache des /s/- Lauts in den Lautkombinationen /st/, /sp/ und /rs/ als sch-Laut (/ʃ/) – wobei in manchen Teilen Tirols der zweite Konsonant der Lautverbindung schwindet – (z.B. → du bischt/bisch), die Affrizierung des germ. Plosivs /k/ zu /kch/ und der Wandel der mhd. Laute /â/ und /ā/ (vor Nasalen) zu dem Langvokal /ū/ (z.B. ich habe → i hūn). In weiten Teilen Tirols wird außerdem nicht zwischen den Allophonen [ç] und [x] unterschieden, was bedeutet, dass der stimmhafte Frikativ [x] (wie in Kuchen) anstelle des stimmlosen Frikativs [ç] (wie in ich) verwendet wird.65 Der Vorarlberger Dialekt schließlich ist dem Mittelalemannischen zuzuordnen und zählt daher zu einem anderen Dialektgebiet als der Rest der österreichischen Mundarten. Geringe

    62 Vgl. ebda, S. 91-93. 63 Vgl. ebda, S. 79 und 81. 64 Vgl. ebda, S. 101-102. 65 Vgl. ebda, S. 114-115. 16

    Ähnlichkeiten lassen sich lediglich im Vergleich zum Tirolerischen entdecken, zum Beispiel die Aussprache des /s/-Lauts als /ʃ/ in bestimmten Lautverbindungen (z.B. ist → isch). Zu den Eigenheiten der Vorarlberger Mundarten gehören unter anderem eine ausgeprägte Betonung des /r/ (stimmhafter alveolarer Vibrant – auch ‚Zungen-r‘ genannt), der Schwund von /n/ und /m/ vor Frikativen in Kombination mit einer Dehnung und Nasalierung des vorangehenden Vokals (z.B. Gans → Gās), die helle Aussprache des /a/-Lauts, der in den bairischen Dialekten zu /ǫ/ wird (z.B. Garten → Garte statt Gǫrtn/Gǫatn) sowie die Monophthongierung der schriftsprachlichen Laute /aɪ/ und /au/ zu den Langvokalen /ī/ und /ū/ (z.B. Weib → Wīb; Haus → Hūs).66 Ein gängiges Klischee über SprecherInnen eines Vorarlberger Dialekts ist, dass sie eine andere Sprache sprechen und diese für die übrigen ÖsterreicherInnen beinahe unverständlich ist. Welche weiteren Klischees es noch zu Dialekten geben könnte und womit die Mundart üblicherweise assoziiert wird, soll im nächsten Kapitel veranschaulicht werden.

    2.1.4 Klischees und Konnotationen

    Die Etablierung einer gehobenen Kunstsprache durch die oberen Schichten, die ab Mitte des 18. Jahrhunderts auch im Habsburgerreich erfolgte, führte zur Stigmatisierung des Dialekts, der zur Sprache der niederen Schichten (Bauern und Kleinbürgertum) sowie der Ungebildeten abgewertet wurde.67 Obgleich die Mundart bis heute die bevorzugte Sprachvarietät der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung blieb, konnten sich die dialektalen Varietäten seit dem 18. Jahrhundert in vielen Fällen nicht von diesem gängigen Klischee befreien. Wie Soukup 2009 in einer soziolinguistischen Studie zu den österreichischen Dialekten feststellt, wird jedoch neben den vielen negativen Konnotationen auch einiges Positives mit dem Gebrauch von Mundarten assoziiert. So wird die Verwendung von Dialekt in Österreich zum einen zwar als ungebildet, schlampig, als ein Sich gehen lassen oder Sich nicht bemühen beschrieben, andererseits werden Dialekte aber auch als angenehm, entspannt, persönlich und emotional empfunden. Die Standardvarietät hingegen gilt allgemein als deutlich, schön und richtig, aber auch als distanziert, unecht und protzig. Die Einstellung gegenüber der jeweiligen Varietät wirkt sich häufig auch auf die Wahrnehmung ihrer SprecherInnen aus. So werden DialektsprecherInnen als natürlich, ehrlich, emotional, entspannt, sympathisch, witzig und manchmal auch als aggressiv betrachtet, wohingegen SprecherInnen der Standardvarietät als

    66 Vgl. ebda, S. 133-134. 67 Vgl. Wiesinger: Dialekt und Schriftsprache, S. 37; vgl. Jürgen Joachimsthaler: Die Literarisierung einer Region und die Regionalisierung ihrer Literatur. In: Regionalität als Kategorie der Sprach- und Literaturwissenschaft. Hrsg. von Instytut Filologii Germańskiej Uniw. Opolski. Frankfurt am Main: Peter Lang 2002. (= Oppelner Beiträge zur Germanistik. Hrsg. von Maria Katarzyna Lasatowicz und Marek Zybura. 6.), S. 33. 17 ruhig, höflich, intelligent, gebildet, ernst, kultiviert und arrogant aufgefasst werden.68 Weitere Konnotationen, die dem Gebrauch von Dialekt als Kommunikationsmittel zugeordnet werden, stehen in Verbindungen mit der ländlichen Bevölkerung, der Arbeiterklasse bzw. den unteren sozialen Schichten und dem männlichen Geschlecht (unter bestimmten Bedingungen neigen Männer eher zum Dialektgebrauch als Frauen).69 Dass es sich bei diesen Assoziationen aber häufig nur um Klischees handelt, die nicht unbedingt der Wirklichkeit entsprechen, zeigen unter anderem Löffler und Zehetner, die darauf verweisen, dass der Dialekt in Österreich und der Schweiz auch in der Oberschicht und in öffentlichen Situationen als gängige Kommunikationsform auftritt.70 Dennoch ist durch den Symbolwert des Dialekts auch die Wahrnehmung der österreichischen Bevölkerung bezüglich ihrer sprachlichen Varietäten geprägt. „Die Österreicherinnen und Österreicher haben ein sehr ambivalentes Verhältnis zum Dialekt: Er wird gesprochen und gleichzeitig verleugnet, romantisiert und gleichzeitig stigmatisiert.“71 Aus der Dependenz und Unterordnung der Mundart gegenüber der Standardsprache resultiert, dass der Dialekt im Vergleich zur Standardvarietät kein offenes, sondern ein verstecktes Prestige besitzt, das mit dem insgeheimen Stolz auf eine Abgrenzung von der Norm zusammenhängt.72 Da die Dialekte jedoch bis heute oft als sprachlich fehlerhaft und unzureichend erachtet werden, fällt es vielen, insbesondere auch AutorInnen, nicht leicht, gegen die Vorbehalte dem Dialekt gegenüber als Sprache des kulturellen Lebens anzukämpfen und ihren Stolz auf die eigene Varietät auch auf dem Papier zu zeigen.

    Wer dann aber ‚richtig‘ Dialekt spricht, spricht fehlerhaft. Denn immer wieder wird bemängelt, daß Dialektsprecher/innen ‚Fallfehler‘ (= Kasusneutralisierung) machen, daß sie ‚wie und als‘ nicht unterscheiden können, daß sie ‚wegen‘ und ‚trotz‘ mit Dativ verwenden. Hier wird dem Dialekt also kein eigenes System zugestanden, er wird als eine Deformierung des Systems der Hochsprache angesehen. […] Es handelt sich dabei um eine Gleichsetzung von Präzision und Konkretheit mit dem Gebrauch der Hochsprache bzw. unpräziser Ausdrucksweise mit dem Dialekt sowie auch um eine Gleichsetzung von Hochsprache mit Intelligenz, die sich bei diesem Informanten wie ein roter Faden durch das Interview zieht. Des Weiteren wird dem Dialekt (i.e. ‚Mundart‘) die Verantwortung für nichtgeglückte Kommunikation gegeben.73

    68 Vgl. Wurzinger: Soziophonologische Variation, S. 38-39. 69 Vgl. Moosmüller: Hochsprache und Dialekt in Österreich, S. 155; vgl. Chambers/Trudgill: Dialectology, S. 3; vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 169; vgl. Szmrecsanyi: Variation und Wandel, S. 277. 70 Vgl. Löffler: Dialektologie, S.6; vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 20. 71 Moosmüller: Hochsprache und Dialekt in Österreich, S. 149. 72 Vgl. Wurzinger: Soziophonologische Variation, S. 8; vgl. Szmrecsanyi: Variation und Wandel, S. 262. 73 Moosmüller: Hochsprache und Dialekt in Österreich, S. 161-163. 18

    Ziel des nächsten Kapitels, das sich mit der bisherigen Verwendung des Dialekts in Literatur und Musik auseinandersetzt, sowie der im Folgenden durchgeführte Analyse der dialektalen Populärmusik ist es, solche Argumentationsweisen zu entkräften und zu verdeutlichen, dass die Mundart durchaus eine literaturfähige Ausdrucksform darstellt.

    2.2 Historischer Rückblick: Dialekt in Literatur und Musik

    Da Texte vor der Institutionalisierung einer überregionalen Standardsprache entweder auf Latein oder in einer dialektnahen Ausgleichssprache verfasst wurden, kann von Dialektliteratur im eigentlichen Sinn erst ab der Etablierung einer Einheitssprache für schriftliche Zwecke gesprochen werden (siehe Kapitel 2.1.1 und 2.1.4). Fortan galt diese Standardvarietät als adäquate Sprachwahl für literarisches Schaffen, Dialekt dagegen wurde zumeist als eine unzureichende Ausdrucksweise für den kulturellen Bereich gesehen. Selbst die Kategorien Mundart- bzw. Dialektliteratur werden oft für problematisch erachtet, da sie implizieren könnten, dass eine derart am Mündlichen orientierte Literatur nicht der Norm (geschriebene Sprache = Standardvarietät) entspricht und somit auch nicht den ästhetischen Kriterien einer gehobenen Literatur genügen könne und gesondert zu betrachten sei.74 Heutzutage werden Begriffe wie Mundartliteratur oder Dialektmusik vor allem unter KünstlerInnen jedoch wieder vermehrt mit Stolz verwendet, um auf ihre Identität und ihre Individualität in der von der Standardsprache geprägten Branche aufmerksam zu machen. Die Rolle des Dialekts in Literatur und Musik war also nicht immer dieselbe und hing stark vom Stellenwert der Mundart in der jeweiligen Gesellschaft bzw. Epoche ab.75 So wurde der bairische Dialekt im Sturm und Drang und der Romantik auch als ästhetisches Mittel geschätzt, während er in der Weimarer Klassik einen absoluten Ausnahmefall darstellte.76 Wurde er während des Barocks und der Aufklärung primär als Element des Komischen eingesetzt, übernahm er etwa in den Dorfgeschichten des Vormärz eine sozialkritische Funktion.77 Ab Mitte des 19. Jahrhunderts weist die Verwendung des Dialekts in der Literatur ein immer breiteres Spektrum auf. So wurde die Mundart etwa in der volkstümlichen (Trivial- )Literatur des Realismus zur Darstellung idyllischer Szenen und als Komisierungsmittel eingesetzt, im Naturalismus wurde versucht, ein authentisches Bild der verschiedenen sozialen

    74 Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 53 und 228. 75 Vgl. Christian Neuhuber/Stefanie Edler/Elisabeth Zehetner: Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800. Eine andere Literaturgeschichte. Wien: Böhlau 2019, S. 18. 76 Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 231 und 227; vgl. Beisbart/Maiwald: Dialekt in der Literatur, S. 127. 77 Vgl. Joachimsthaler: Die Literarisierung einer Region, S. 33; vgl. Klaus Zeyringer: Österreichische Literatur 1945-1998. Überblicke Einschnitte Wegmarken. Innsbruck: Haymon 1999, S. 314. 19

    Schichten durch die mimetische Abbildung des Sprachstands zu bieten, und in der NS-Zeit wurde sie im Dienste des Blut-und-Boden-Mythos funktionalisiert.78 Viele der literarischen Traditionen wirken bis heute auf die dialektale Populärmusik Österreichs ein, so etwa die Wiener Volkskomödie, in der die Mundart schon im 18. Jahrhundert bei zentralen komischen Figuren wie Hanswurst oder Kasperl humorisierend eingesetzt wurde. Am Höhepunkt steht Nestroy, der das Spiel mit der Sprache forcierte, wofür er phonetische und semantische Besonderheiten des Dialekts nutzte.79 Als Großmeister dieses Sprachspiels entdeckte ihn Jahrzehnte später Karl Kraus wieder, der in seinem quasi- dokumentarischen Monumentaldrama Die letzten Tage der Menschheit dezidiert an diese Schreib- und Spielweisen anknüpfte. Auch Autoren des kritischen Volksstücks wie Ödön von Horvath oder des politischen Kabaretts wie Jura Soyfer führten diese Tradition fort. In den 1950er Jahren etablierten die Pioniere Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner schließlich ein progressives Kabarett, das nicht nur durch ein Faible für Parodien und Satiren gekennzeichnet war, sondern auch neue musikalische Trends in das österreichische Kabarett miteinbrachte.80 Viele dieser Elemente lassen sich bis heute in der dialektalen Populärmusik Österreichs wiederfinden. Einen neuen ästhetischen Stellenwert erlangte Dialektliteratur durch die avantgardistischen Formexperimente der Wiener Gruppe in den 1950er Jahren,81 die dazu beitrugen, dass der Dialekt in der Populärmusik seinen Platz als Sprache der Innovation, der Kritik, des Subjektiven, des Protests, des lautlichen Reichtums und der Unmittelbarkeit in breiten Themengebieten finden konnte.82 Die Wiener Gruppe war somit ein Vorreiter, der den kritischen Liedermachern der 68er-Generation den Weg ebnete, den Dialekt als literarisches Mittel zu nutzen, um alte Traditionen mit neuen Trends wie der angloamerikanischen Pop- und Rockmusik zu vereinen. Wie genau das Genre der dialektalen Populärmusik zu bestimmen ist, soll im folgenden Kapitel durch die Abgrenzung zu anderen musikalischen Traditionen Österreichs geklärt werden.

    78 Vgl. Beisbart/Maiwald: Dialekt in der Literatur, S. 127-128; vgl. Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 314-315. 79 Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 251; vgl. Robert Killinger: Literaturkunde. Entwicklungen Formen Darstellungsweisen. Ein Arbeitsbuch für allgemein bildende höhere Schulen und für berufsbildende mittlere und höhere Schulen. 4. Aufl. Wien: öbv 2006, S. 71-72 und 188. 80 Vgl. Alfred Smudits: I AM FROM . Austropop. Die Karriere eines musikkulturellen Phänomens von der Innovation zur Etablierung. In: Österreich 1945 - 1995: Gesellschaft, Politik, Kultur. 2. Aufl. Hrsg. von Reinhard Sieder. Wien: Verl. für Gesellschaftskritik 1996, S. 384-385. 81 Vgl. Beisbart/Maiwald: Dialekt in der Literatur, S. 128; vgl. Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 316. 82 Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 263; vgl. Beisbart/Maiwald: Dialekt in der Literatur, S. 128; vgl. Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 316-318. 20

    3. POPULÄRMUSIK IN ÖSTERREICH

    Um ein adäquates Bild der österreichischen Musikszene zu zeichnen, werden in diesem Kapitel die bedeutendsten Erfolgsfaktoren für österreichische MusikerInnen behandelt. Kapitel 3.1 beschäftigt sich zunächst mit der Klärung unterschiedlicher Termini aus dem Bereich der Populärmusik, sodass die Verwendung von Begriffen wie Dialektmusik und Austropop für diese Arbeit klar definiert und deren Unterscheidung gewährleistet ist. Einen weiteren Themenbereich bilden die Chartplatzierungen, die einen Hinweis auf den Erfolg heimischer KünstlerInnen im direkten Wettbewerb mit internationalen MusikerInnen geben können. Aus diesem Grund wurden in Kapitel 3.2 die Single-Jahreshitparaden der letzten 50 Jahre in Hinblick auf die Platzierungen österreichischer Dialektmusik unter den Top 20 analysiert. Die erhobenen Daten werden durch die Erkenntnisse des aktuellsten Marktberichts (2019) des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft, IFPI Austria (International Federation of the Phonographic Industry/Landesgruppe Österreich), ergänzt. Abschließend werden in Kapitel 3.3 der nationale sowie internationale Musikmarkt und dessen AkteurInnen beleuchtet. Ein besonderer Fokus soll dabei auf den Online-Musikmarkt und den Stellenwert der Plattenfirmen und Radiosender gelegt werden.

    3.1 Begriffsklärungen aus dem Bereich der Populärmusik

    Weshalb wurde für diese Arbeit der bundesdeutsche Begriff Populärmusik anstelle des österreichischen Pendants Popularmusik gewählt? Diese Entscheidung ist auf die Auslegung der jeweiligen Begriffe im österreichischen Wörterbuch bzw. Duden zurückzuführen. Unter dem Stichwort Popularmusik findet man im ÖWB die Definition „volkstümliche Musik“83, wohingegen der Terminus Populärmusik laut Duden „massenhaft verbreitete populäre Musik bzw. Unterhaltungsmusik unterschiedlicher Stilrichtungen (wie Schlager, Song, Musical, Folklore, Funk u.a.)“84 bezeichnet und das Korpus dieser Arbeit daher passender beschreibt. Wie die Duden-Definition bereits treffend hervorhebt, handelt es sich bei dem Begriff Populärmusik schlicht um eine Bezeichnung für Musik, die bei der breiten Masse beliebt/bekannt ist; er beschränkt die Musik daher nicht auf einen spezifischen Stil oder ein bestimmtes Genre. Deshalb werden in dieser Arbeit, wie auch in musikwissenschaftlichen

    83 ÖWB Online. Österreichisches Wörterbuch. URL: https://www.oewb.at/index.htm [19.07.2020]. Stichwort: Popularmusik. 84 Duden. Wörterbuch. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Populaermusik [12.08.2020]. Stichwort: Populärmusik. [Verweis auf Stichwort Popmusik]. 21

    Arbeiten,85 die Begriffe Populärmusik (oder auch populäre Musik) und Popmusik (kurz Pop) unterschiedlich verwendet. Ersteres stellt den Überbegriff dar, unter dem ein breites Spektrum an Strömungen, Stilrichtungen und Genres aus dem Bereich der U-Musik (Unterhaltungsmusik), meist mit dem Ziel des kommerziellen Erfolgs, subsumiert wird:86

    Zur Populärmusik zählen der Schlager genauso wie der Jazz, die Filmmusik oder die gesamte stilistische Breite populärer Musik von Rock ’n Roll über Pop bis Funk, Disco und New Wave, um nur einige Beispiele zu nennen.87

    Eine genauere Definition der Charakteristika der populären Musik ist nicht möglich, da sich diese immer im Wandel befindet und ihre Bestimmung temporär bedingt variiert und von soziokulturellen Faktoren abhängt.88 Hingegen wird das Genre Popmusik als Teilbereich der Populärmusik verstanden, der sich durch „eine spezifische Sound-Stilistik“89 von anderen Gattungen, die ebenfalls unter den Begriff Populärmusik fallen, abhebt. Der aus den USA stammende Musikstil ist durch „peppige Beats […] und rockige Riffs“90 sowie durch eine scheinbare Simplizität gekennzeichnet und fand seinen Weg nach Ende des Zweiten Weltkriegs dank des großen Interesses seitens der Jugend auch rasch in die österreichische Musikkultur.91 Wie der Marktbericht der IFPI Austria aus dem Jahr 2019 zeigt, handelt es sich bei dem Genre Pop, gemessen an den Verkaufszahlen, sowohl bei den Alben als auch bei den Singles um eine der beliebtesten Musikrichtungen aus dem Bereich der Populärmusik.92

    85 Vgl. Irene Mihatsch: Die Sprache in der Musik. Soziale Identifikation und linguistische Besonderheiten moderner deutschsprachiger Popularmusik. Graz, Univ., Dipl.-Arb. 2010, S. 9. 86 Vgl. Christoph Jacke: Popmusikkulturen. Entwicklung und Verständnis. In: Global Pop. Das Buch zur Weltmusik. Hrsg. von Claus Leggewie/ Erik Meyer. Stuttgart: J.B. Metzler 2017, S. 68; vgl. Raffaela Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik. Perspektiven auf den Handlungsspielraum österreichischer Popmusikerinnen. Wien: Institut für Musiksoziologie 2017. (= Extempore. Hrsg. von Alfred Smudits. 16.), S. 13; vgl. Susanne Zerbs: Amerikanisierung und Austropop. Die Amerikanisierung Österreichischer Populärmusik. Salzburg, Univ., Diss. 2006, S. 105. 87 Zerbs: Amerikanisierung, S. 105. 88 Vgl. Günther Polanz: Popmusik in Österreich. Chancen und Grenzen österreichischer Musiker/innen an der internationalen Pop-Peripherie. Graz, Univ., MA.-Arb. 2009, S. 7; vgl. Mihatsch: Sprache in der Musik, S. 11. 89 Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 13. 90 Christoph Marek: Pop/Schlager. Eine Analyse der Entstehungsprozesse populärer Musik im US-amerikanischen und deutschsprachigen Raum. Wien: Lit 2006, S. 40. 91 Vgl. Jacke: Popmusikkulturen, S. 69; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 101; vgl. Jacke Christoph: Einführung in die populäre Musik und Medien. Berlin: Lit 2009, S. 24 und 31. 92 Vgl. IFPI Austria. Verband der Österreichischen Musikwirtschaft: IFPI Marktbericht 2019. URL: https://ifpi.at/website2018/wp-content/uploads/2020/03/ifpi-musikmarkt2019.pdf [20.08.2020], S. 18-19. 22

    Abb. 3: Popularität der einzelnen Genres gemessen an den Verkaufscharts (IFPI 2019, S. 18-19) Weiters ist hier zu erkennen, dass sich unter den Albumcharts auch der Schlager großer Beliebtheit erfreut. Dem war nicht immer so – war Pop nach dem Zweiten Weltkrieg das Musikgenre der Jugendlichen, so stand der deutschsprachige Schlager als Musik der Eltern- Generation für alles, was die Jugend ablehnte. Obgleich der Begriff Schlager einst alle möglichen Lieder bezeichnen konnte, die unmittelbar nach Erscheinung mit hohen Verkaufszahlen einschlugen, beschreibt er heute ein konkretes Genre, das häufig mit Texten über die Liebe, einer Heile-Welt-Sicht, Heimatliebe, den Klängen des Musikantenstadels und meist mit der Standardsprache assoziiert wird.93 Bekannte SchlagersängerInnen sind zum Beispiel Hansi Hinterseer und Helene Fischer. Da in der Schlagermusik sowie in der volkstümlichen Musik vermehrt Elemente der Volksmusik zu finden sind, ist eine Unterscheidung dieser Begriffe nicht immer einfach. „In der Alltagssprache werden als ‚Volksmusik‘ häufig jene stilisierten Formen der […] populären Unterhaltungsmusik verstanden, die in der Forschung als ‚volkstümliche Musik‘ bezeichnet werden.“94 Volkstümliche Musik ist somit als Populärmusik (kommerzialisierte Unterhaltungsmusik) zu verstehen, die klanglich an der Volksmusik und deren typischen Instrumenten („Geige, Kontrabass, Harfe, Zither, Hackbrett, Ziehharmonika, Klarinette, Horn, Trompete, Gitarre oder Maultrommel“95) orientiert ist.96 In der volkstümlichen Musik sind im Vergleich zum Schlager tendenziell häufiger regiolektale Elemente anzufinden, eine klare Trennung dieser Stilrichtungen ist jedoch nur in wenigen Fällen möglich. Ein österreichischer Interpret, dessen Lieder zur volkstümlichen Musik gezählt werden können, ist Andreas Gabalier. Bei der Volksmusik handelt es sich um die traditionelle Musikpraxis eines Volkes,97

    93 Vgl. Marek: Pop/Schlager, S. 39, 47 und 65-67. 94 Ulrich Morgenstern: Volksmusik und Folklore. In: Global Pop. Das Buch zur Weltmusik. Hrsg. von Claus Leggewie/ Erik Meyer. Stuttgart: J.B. Metzler 2017, S. 26. 95 Zerbs: Amerikanisierung, S. 211. 96 Vgl. Leonie M.H. Groihofer: Raumkonstrukte in der österreichischen volkstümlichen Musik anhand ausgewählter Fallbeispiele. Graz, Univ., MA-Arb. 2020, S. 4; vgl. ÖWB Online. Österreichisches Wörterbuch. URL: https://www.oewb.at/index.htm [19.07.2020]. Stichwort: volkstümlich. 97 Vgl. Morgenstern: Volksmusik und Folklore, S. 26. 23 die von Generation zu Generation weitergegeben wird – ihr liegt somit kein ökonomischer, sondern ein kultureller Antrieb zugrunde. „Volksmusik ist gedächtnismäßig überlieferte Tradition eines Volkes oder Landes. Volksmusik ist nach Landschaften und dem Charakter von Stämmen und Volksgruppen verschieden und hängt von den jeweiligen Gegebenheiten und Bevölkerungskreisen ab.“98 An dieser Stelle sei ebenfalls die Neue Volksmusik erwähnt, eine Stilrichtung, die sich in der österreichischen Dialektmusik der 90er Jahre etablieren konnte und Elemente der Volksmusik mit unterschiedlichen Stilen aus dem Bereich der Populärmusik (Rock, Pop, Punk, Folk, elektronische Musik, Jazz, Blues etc.) vermischt. Zu ihren Vertretern zählen unter anderem Attwenger, HMBC, Hubert von Goisern und Die Ausseer Hardbradler.99 Der Austropop, der Anfang der 1970er Jahre an die neuen Trends der angloamerikanischen Popmusik und der Dialektwelle anknüpfte, hat aus heutiger Sicht einen signifikanten Beitrag zur Akzeptanz und Popularität der Dialektmusik in Österreich geleistet.100 Obgleich bis heute unklar ist, wer den Begriff Austropop eingeführt hat (1973 das Musikmagazin Hit oder 1972 die Ö3-Moderatorin Eva-Maria Kaiser) und welche Nummer nun tatsächlich der erste Austropop-Hit war (Marianne Mendts Wie a Glock’n, die 24 Stunden läut (1970) oder Wolfgang Ambros’ Da Hofa (1971)), so ist doch eines eindeutig: Durch den Austropop und seine ironischen und kritischen Texte fand die österreichische Jugend einen Weg, ein musikalisches Kulturgut zu entwickeln, das die eigenständige kulturelle Identität Österreichs zum Ausdruck bringen konnte.101 In diesen neuen österreichischen Musikstil flossen unter anderem Elemente des Rock, Folk, Soul, Blues und der britischen Pop- und Beatmusik sowie die Traditionen des Wienerlieds, der kritischen Liedermacher und der Volksmusik ein.102 Da es für den Begriff Austropop nie eine einheitliche Definition gab und vor allem in den 1970er und 1980er Jahren von den Medien alles Mögliche als Austropop bezeichnet wurde, was an Musik in Österreich produziert wurde, fällt es schwer, eine Definition auf Merkmale wie die Herkunft der KünstlerInnen oder die verwendete Sprache (nur Dialekt/ Dialekt und Standard/ Dialekt, Englisch und Standard) zu beschränken.103 Viele der

    98 Lilâ Gürmen/Alexander Leitner: Austropop. Wien: Österreichischer Gewerkschaftsbund 1995, S. 140-141. 99 Vgl. Jánez Verdianz: Austropop. Ein Begriff im Wandel. Wien, Univ., Dipl.-Arb. 2013, S. 21; vgl. Florian Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg österreichischer Dialektpopmusik am heimischen Markt. Wien, Univ., Dipl-Arb. 2011, S. 117; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 211-212. 100 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 19; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 221; vgl. Edward Larkey: Popular Music and National Identity in Austria. In: Popular Music 11 (1992), H. 2, S. 154. 101 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 27, 29 und 31; vgl. Larkey: Popular Music, S. 156; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 234; vgl. vgl. Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 386 und 389-390. 102 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 67; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 224-225; vgl. Johannes Rühl: Neue Volksmusik. Alpine Klanglabore in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In: Global Pop. Das Buch zur Weltmusik. Hrsg. von Claus Leggewie/ Erik Meyer. Stuttgart: J.B. Metzler 2017, S. 253. 103 Vgl. Mihatsch: Sprache in der Musik, S. 19; vgl. Ulrike Aldrian/Maria Mileder: „Austropop“ – Eine österreichische Musik in Gefahr? In: Musikszenen und Lebenswelten. Empirische Beiträge zur Musiksoziologie. Hrgs. von Dieter Reicher/ Jürgen 24

    InterpretInnen, die der Kategorie Austropop zugeordnet werden, empfinden die Bezeichnung eher pejorativ und sehen das Konzept Austropop als eine Schubladisierung104, ein von den Medien konstruiertes Einordnungskonzept, von dem sie sich zu distanzieren versuchen, wie auch Günther Pini, Gitarrist der Band Worried Men Skiffle Group, erklärt:

    Ich persönlich sehe den Begriff Austropop als eine Schublade, in die alle möglichen Musiken hineingesteckt wurden. […] Da werden die verschiedensten Musikstile in eine Lade gehauen – man kann nicht einmal sagen, dass es auf die Sprache ankommt. Da waren Englisch-Singende, [im] Dialekt-Singende und in der Schriftsprache-Singende – das ist einfach eine Schublade, wo alles reingesteckt wurde (aus welchen Gründen, kann ich nicht sagen). Und die Worried Men, das Selbstverständnis der Worried Men war nicht, Teil irgendeiner Bewegung zu sein.105

    Da man heute aber vielleicht ein deutlicheres Bild von Austropop vor Augen hat und eine Klärung des Begriffs für dessen Verwendung im Folgenden notwendig erscheint, orientiere ich mich bei meiner Definition an den Ausführungen von Zerbs, Verdianz und Gürmen/Leitner. Demnach ist Austropop in dieser Arbeit als musikalische Strömung im Bereich der österreichischen Populärmusik der 1970er und 1980er Jahre zu verstehen, die sowohl durch sprachliche (Verwendung des Dialekts) und musikalische (Vermischung österreichischer Traditionen und neuer Pop-Trends) als auch inhaltliche (breites Themenspektrum, auch Tabu- Themen) Neuerungen gekennzeichnet ist.106 In dieser Arbeit wurde die Fokussierung auf ein bestimmtes Genre (z.B. Popmusik, Austropop) vermieden, um so die Diversität des Korpus zu gewährleisten und die Chance zu erhöhen, bei der Analyse der Lieder möglichst viele thematische Anwendungsbereiche und literarische Funktionen des Dialekts identifizieren zu können. Daher werden im Folgenden die Begriffe dialektale Populärmusik, Dialektmusik und Dialektlieder verwendet, um die Lieder des Korpus zu bezeichnen, die allesamt dialektale Liedtexte aufweisen und den verschiedensten musikalischen Gattungen angehören. Die Definition des Terminus Dialektmusik übernehme ich für meine Arbeit von Kunz und ersetze lediglich das Wort Dialektpopmusik durch Dialektmusik: „So gilt beispielsweise ein Künstler als Angehöriger der [Dialektmusik], wenn er mehrere [Dialektmusik]-Songs verfasst oder interpretiert hat, ein Song gilt als [Dialektmusik], wenn zumindest einige Worte des Textes in Mundart gehalten sind.“107

    Fleiss/ Franz Hollinger. Wien: Institut für Musiksoziologie 2007, S. 65; vgl. Gürmen/Leitner: Austropo, S. 104; vgl. Verdianz: Austropop, S. 35, 41 und 43-44. 104 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 42 und 46; vgl. Mihatsch: Sprache in der Musik, S. 20; vgl. Gürmen/Leitner: Austropo, S. 9. 105 Interview Günther Pini, 16. 106 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 224 und 234; vgl. Verdianz: Austropop, S. 88; vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 7. 107 Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 12. 25

    3.2 Chartplatzierungen

    Obgleich die Hitparaden üblicherweise nur einen sehr geringen Teil der musikalischen Produktionen einer Nation beinhalten und auch bezüglich der Stilrichtungen eher eintönig erscheinen, geben sie doch Aufschluss darüber, wie sich österreichische MusikerInnen im direkten Vergleich zu internationalen Mega-Acts durchsetzen können. Da die Chartplatzierungen ebenfalls von Plattenfirmen als relevanter Indikator für Nachfrage und Erfolg herangezogen werden, soll an dieser Stelle eine Chartanalyse der Single-Jahreshitparade der letzten 50 Jahre durchgeführt werden, um den ökonomischen Erfolg österreichischer Dialektmusik am heimischen Musikmarkt zu veranschaulichen.108 Der Hauptteil der erhobenen Daten wurde der Homepage Austriancharts.at109 entnommen, auf der die Chartplatzierungen auf Grundlage der Verkaufshitparaden des Branchenmagazins Der Musikmarkt berechnet werden. Da es in den Jahren 1971 und 1972 aufgrund einer Systemumstellung bei Der Musikmarkt zur Einschränkung bzw. zum Wegfall der Jahreshitparaden kam, wurde für die Analyse dieser beiden Jahre Andy Zahradniks Buch Das Leben ist eine Hitparade! herangezogen, das eine von ihm aufgestellte Chartplatzierung für den genannten Zeitraum enthält.110

    Die aufgefundenen Daten der Jahre 71/ 72 basierten in erster Linie auf Erhebungen des Kuriers. Was uns vorlag, war die Anzahl der Wertungswochen sowie die jeweils höchste Platzierung der Titel. Aus diesen beiden Angaben wurde versucht, ein Ranking zu erstellen. […] Die Auswertung der Jahre 1971 und 1972 enthalten weiters ausschließlich Titel, die auch in diesen beiden Jahren veröffentlicht wurden. Wegen der fehlenden Bewertungsmöglichkeiten war es rechnerisch unmöglich, Titel, die Ende des Jahres 1970 erschienen sind, mit in die Wertung für 1971 zu nehmen.111

    Für die Analyse erhoben wurde die Anzahl der Platzierungen dialektaler österreichischer Populärmusik aller Stilrichtungen (auch Schlager und volkstümliche Musik) in den Top-20 der Single-Jahreshitparade im Zeitraum von 1970 bis 2019. Nicht berücksichtigt wurden Dialektlieder aus Deutschland sowie die folgenden Lieder, da sie aufgrund ihres Mangels an dialektalen Elementen nicht der zuvor genannten Definition von Dialektmusik entsprachen:

    108 Vgl. Robert Harauer (Hrsg.): Adieu, Austropop? Die schwindenden Chancen der österreichischen Popmusik auf dem Musikmarkt. Wien: Mediacult 2001, S. 9 und 11; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 69. 109 Vgl. Austriancharts.at. Das österreichische Hitparaden- und Musikportal: Single-Jahreshitparaden. URL: https://austriancharts.at/year_single.asp [18.07.2020]. 110 Vgl. Austriancharts.at: Single-Jahreshitparaden; vgl. Andy Zahradnik: Das Leben ist eine Hitparade! Die Geschichte der österreichischen Hitparade. Von der „Disc-Parade“, den „Großen 10“ und „Hit wähl mit“ bis zur „Ö3 Austria Top 40“. Alle Moderatoren. Die verfügbaren Verkaufs-Jahrescharts und die Daten seit 1967. Starnberg [u. a.]: Keller 2002, S. 143-151. 111 Zahradnik: Das Leben ist eine Hitparade, S. 11. 26

    o DJ Ötzi: Hey Baby (2001/ Platz 17), Burger Dance (2003/ Platz 18), Ein Stern, der deinen Namen trägt (2007/ Platz 1) o EAV: Ding Dong (1990/ Platz 7) o Falco: Rock me Amadeus (1985/ Platz 5), Jeanny (1986/ Platz 4), Titanic (1992/ Platz 17), Mutter, der Mann mit dem Koks ist da (1996/ Platz 12), Out of the Dark (1998/ Platz 20) Für die Untersuchung wurden die Single-Jahreshitparaden anstelle der -Jahreshitparaden gewählt, da Singles gewöhnlich für längere Zeit profitabel sind.112 Eine Beschränkung auf die Top-20 der Charts war notwendig, um eine Verzerrung der Statistiken zu vermeiden, da die Chartlisten bei Austriancharts.at zum Beispiel im Jahr 1970 20 Platzierungen, Mitte der 1980er Jahre bereits 30 Platzierungen und in den 2000ern sogar schon 75 Platzierungen aufweisen. Für die Analyse relevant ist lediglich die Anzahl der Dialektlieder pro Jahr in den Top-20, nicht jedoch die Höhe ihrer Platzierung. Eine Auflistung der erhobenen Daten im Detail (inkl. InterpretInnen, Titel und Platzierung) kann dem Anhang unter Kapitel 8.3 Tabelle Chartanalyse entnommen werden.

    1970er 20 15 10 5 0 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979

    Dialektlieder in den Top-20

    Abb. 4: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (1970-1979) Die Analyse der Single-Jahreshitparaden der 1970er Jahre zeigt, dass die Etablierung der Dialektmusik in der österreichischen Musikszene moderat verläuft. Obwohl dieses Jahrzehnt als Beginn des Austropops mittlerweile mit zahlreichen dialektalen Hits verbunden wird, war die Stellung der Dialektmusik in den Charts zu dieser Zeit noch nicht so gesichert, wie man heute vielleicht glauben möchte. „In den Anfängen der österreichischen Dialektpopmusik zu Beginn der 1970er Jahre war vor allem Schlagermusik mit hochdeutscher Sprache sowie englischsprachige Popmusik am Markt verfügbar“113, konstatiert dementsprechend auch Florian Kunz. Ein Blick auf die Top-20 der 70er Jahre bestätigt, dass vor allem deutsche Schlager und englischer Pop und Rock für die höchsten Verkaufszahlen sorgten. Neben diesen Hits setzten

    112 Vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 31. 113 Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 69. 27 sich Wolfgang Ambros (Da Hofa/1971, Zwickt’s mi/1975), Wilfried (Ziwui Ziwui/1974), (Jö schau/1975) und Peter Alexander (Das kleine Beisl/ 1976) durch.

    1980er 20 15 10 5 0 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989

    Dialektlieder in den Top-20

    Abb. 5: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (1980-1989) In den 80er Jahren sind schließlich verhältnismäßig viele österreichische Acts mit Dialektliedern in der Single-Jahreshitparade zu finden. Die Grafik zeigt, dass Dialektlieder im Jahr 1982 ganze 35% der Top-20 Platzierungen (7 von 20) einnehmen. Solch einen Wert hat es unter den Top-20 der Single-Jahreshitparade seitdem nicht mehr gegeben. Aber auch die Jahre 1984 (4 Platzierungen) und 1986 (5 Platzierungen) sprechen für eine hohe Popularität der Dialektmusik und zeigen Zahlen auf, die in den Single-Charts seither nicht mehr erreicht wurden. Viele der Chartplatzierungen der 1980er Jahre gehen zurück auf Rainhard Fendrich, Peter Cornelius und die EAV. Wie anhand des Diagramms zu erkennen ist, geht der Trend gegen Ende des Jahrzehnts stark zurück.

    1990er 20 15 10 5 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

    Dialektlieder in den Top-20

    Abb. 6: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (1990-1999) Diese Regression spiegelt sich auch in den Chartplatzierungen dialektaler Populärmusik in den 1990er Jahren wider. In sechs der zehn untersuchten Jahre konnte kein einziges Dialektlied eine Platzierung unter den Top-20 der Single-Jahreshitparade erzielen. Den Höchstwert in diesem Jahrzehnt stellen zwei Platzierungen dialektaler Partyhits im Jahr 1999 dar.

    28

    Die Nachfrage nach neuen Künstlern aus dem Bereich der österreichischen Dialektpopmusik konnte bis etwa Anfang der 1990er-Jahre aufrecht erhalten [sic!] werden, nahm danach allerdings rapide ab, vor allem bei jungen Konsumenten. Der Dialekt galt ab etwa Mitte der 1990er-Jahre als nicht mehr modern und als Sprache der Alten, von der man sich abgrenzen wollte.114

    Weiters fiel bei der Erhebung der Daten auf, dass viele der top-platzierten Singles der 90er Jahre aus dem Bereich des neuen Genres der elektronischen Musik stammten und daher häufig über gar keine Texte (weder im Dialekt, noch auf Deutsch oder Englisch) verfügten.

    2000-2009 20 15 10 5 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

    Dialektlieder in den Top-20

    Abb. 7: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (2000-2009) Die 2000er Jahre bringen für die österreichische Dialektmusik in der Single-Jahreshitparade keine Besserung. In sieben von zehn untersuchten Jahren gibt es keine einzige Platzierung eines Dialektliedes unter den Top-20. In den Jahren 2001, 2006 und 2009 kann jeweils eine Platzierung erzielt werden, wobei heute wahrscheinlich nur noch das Lied Kabinenparty von Skero feat. Joyce Muniz bekannt ist, das im Jahr 2009 Platz 13 der Single-Jahreshitparade erreichte. Auf den Top-Plätzen der Charts der Jahre 2000 bis 2009 sind meist englische Songs sowie deutscher Pop/Rock zu finden – Dialektmusik wurde in die Skihütten und auf die Zeltfeste verbannt und war bei der breiten Masse offiziell out.

    114 Ebda, S. 69. 29

    2010-2019 20 15 10 5 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

    Dialektlieder in den Top-20

    Abb. 8: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (2010-2019) Obwohl sich in der österreichischen Musiklandschaft seit 2010 einiges getan hat und nun mit InterpretInnen wie Andreas Gabalier, Pizzera & Jaus, Seiler und Speer sowie Wanda wieder vermehrt österreichische/dialektale Populärmusik im Radio zu hören ist, hält sich der Erfolg der Dialektmusik, gemessen an den Top-20 der Single-Jahreshitparade in Grenzen. Die Analyse hat zwar ergeben, dass es einige Dialektlieder unter die Top-75 geschafft haben, aber im Konkurrenzkampf um die Top-20-Platzierungen konnten sich nur wenige österreichische MusikerInnen gegen die internationalen Stars durchsetzen. Auch Seiler und Speer sowie Pizzera & Jaus, die momentan zu den populärsten österreichischen KünstlerInnen zählen, kämpfen mit ihren Nummern Ham kummst (2015/Platz 3, 2016/Platz 20) und Jedermann (2016/Platz 13) darum, unter die Top-20 zu kommen. Für die Dialektmusik erschwerend kommt hinzu, dass zurzeit vor allem bei jungen HörerInnen der Deutsch-Rap boomt und nur noch wenig Raum für andere deutschsprachige Musik bleibt.

    Durchschnittlicher Prozentanteil der Dialektmusik (1970-2019) 15

    10

    5

    0 1970er 1980er 1990er 2000-2009 2010-2019

    % der Dialektlieder in den Top-20

    Abb. 9: Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (1970-2019) in % Ein Überblick zum durchschnittlichen Prozentanteil der Dialektmusik unter den Top-20 der Single-Jahreshitparaden der jeweiligen Jahrzehnte zeigt, dass der Dialekt in den 1970er Jahren an Beliebtheit gewann (3%) und seinen Höhepunkt in den 1980er Jahren erreichte (14%). In den 1990er Jahren (3%) und 2000er Jahren (1,5%) ist kaum noch dialektale Populärmusik in

    30 den Top-Platzierungen der Charts vertreten. Zwar ist seit 2010 ein ansteigender Trend zu erkennen (4%), doch verläuft dieser eher moderat. Kunz meint im Zuge seiner Analyse der Single-Jahreshitparaden und Album-Jahreshitparaden in den Jahren 1973-2010, ein Muster für die Popularität der Dialektmusik zu erkennen:

    Die Nachfrage nach Dialektpopmusik aus Österreich schnellte ab 1970 in die Höhe, um sich von der vorhandenen deutsch- und englischsprachigen Musik abzugrenzen. Diese Welle dauerte rund 20 Jahre lang bis etwa 1990, danach verlagerten die Konsumenten ihre Nachfrage vor allem zu englischsprachiger Musik, um sich wieder von den gerade dominierenden Dialekt-Produkten abzugrenzen. Derzeit, also etwa weitere 20 Jahre danach, scheint es so, als würde langsam wieder ein Bedürfnis nach Abgrenzung von internationalen Einheitsprodukten entstehen und die Nachfrage nach Dialektpopmusik und einer eigenen Identität neuen Schwung gewinnen.115

    Schenkt man dieser Hypothese Glauben, so sollten die Zahlen der österreichischen Dialektmusik in den kommenden zehn Jahren weiter steigen, bis sie in den Jahren 2030-2050 wieder abnehmen sollten. Am Rande sei noch erwähnt, dass von den 45 österreichischen Dialektliedern, die während der letzten 50 Jahre eine Platzierung unter den Top-20 der Single- Jahreshitparade erzielen konnten, lediglich vier Lieder eine Nummer-1-Platzierung erreichten. Im Vergleich zu den Single-Jahreshitparaden scheint Dialektmusik bei den Album- Jahreshitparaden, vor allem in den letzten Jahren, um einiges besser abzuschneiden. Betrachtet man jedoch den Trendverlauf über mehrere Jahrzehnte hinweg, so ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei den Single-Charts: ein enormer Boom der Dialektmusik in den 1980er Jahren, der von einem rapiden Absturz der Zahlen Ende der 1980er/Anfang der 1990er gefolgt ist, zwischen 1990 und 2010 bewegen sich die Werte im gemäßigten Mittelfeld und steigen seitdem langsam an.116 Wie der IFPI Marktbericht aus dem Jahr 2019 zeigt, scheinen die Album-Charts einen Raum zu bieten, in dem sich die österreichischen MusikerInnen (obgleich nicht immer mit dialektaler Musik) durchaus mit ihren internationalen KollegInnen messen können.

    Auch 2019 sind österreichische Alben in den Charts stark vertreten. Seiler und Speer schaffen mit Für immer Platz 4 der Jahrescharts, DJ Ötzi belegt mit 20 Jahre DJ Ötzi – Party ohne Ende Platz 6, Raf Camora ist gleich mit zwei Alben vertreten: Platz 7 für Zenit und Platz 10 für das gemeinsam mit Bones MC produzierte Album 2. Pizzera & Jaus platzieren sich mit Wer nicht fühlen will, muss hören in die Top 10. Insgesamt schafften es 30 österreichische Alben unter die Top 100.117

    115 Ebda, S. 70. 116 Ebda, S. 91, 95 und 100. 117 Vgl. IFPI Austria, S. 9. 31

    Eine weitere interessante Entwicklung zeigt sich bei der Betrachtung der Album-Charts der letzten 10 Jahre hinsichtlich der Genres:

    Ein Blick zurück auf die erfolgreichsten Songs und Alben der letzten 10 Jahre spiegelt die Entwicklungen der Musikbranche wider: Bei den Songs behaupten sich überwiegend aktuelle – größtenteils über Streaming-Dienste konsumierte – Titel. Die Album-Charts hingegen zeigen eine deutliche Dominanz des Schlagers. Gleich sieben von zehn der erfolgreichsten Alben des letzten Jahrzehnts sind Schlager-Alben. Dabei triumphieren Helene Fischer mit vier und Andreas Gabalier mit drei Alben unter den Top 10.118

    Eine Analyse der Daten des IFPI Marktberichts 2019 ergibt für österreichische Dialektmusik immerhin eine Platzierung unter den Top-40 der Single-Verkaufscharts (Seiler und Speer – Herr Inspektor/ Platz 28) und ganze zehn Platzierungen unter den Top-40 Album- Verkaufscharts:119 o Seiler und Speer – Für immer (Platz 4) o DJ Ötzi – 20 Jahre DJ Ötzi (Platz 6) o Pizzera & Jaus – Wer nicht fühlen will, muss hören (Platz 9) o Die Jungen Zillertaler – Megageil im Juzi-Style (Platz 13) o Melissa Naschenweng – Wirbelwind (Platz 15) o Andreas Gabalier – Best of Volks-Rock’n’Roller (Platz 16) o Rainhard Fendrich – Starkregen (Platz 17) o Pizzera & Jaus – Unerhört solide (Platz 21) o Seer – Analog (Platz 24) o EAV – 1000 Jahre EAV Live (Platz 32) Sowohl die Anzahl als auch die verhältnismäßig höheren Platzierungen der Alben lassen darauf schließen, dass es für österreichische MusikerInnen durchaus Chancen gibt, sich mit Dialektmusik am heimischen Musikmarkt gegen internationale KonkurrentInnen zu behaupten, jedoch eher im Bereich des Verkaufs von Alben als in jenem der Singles.

    3.3 Nationale und internationale Musikindustrie

    3.3.1 Wie werde ich ein Star?

    Wie die Analyse der Charts gezeigt hat, ist es für MusikerInnen in Österreich nicht so einfach, sich gegen die Mega-Acts anderer Länder wie der USA oder England durchzusetzen und Anteile am heimischen Tonträgermarkt für sich zu gewinnen. Erschwerend kommt noch die

    118 Ebda, S. 20. 119 Ebda, S. 28. 32

    Tatsache hinzu, dass der Musikmarkt Österreichs in Relation zu anderen Musikmärkten recht klein ist. Während am österreichischen Musikmarkt im Jahr 2019 166 Millionen Euro erwirtschaftet wurden, erreichte Deutschland einen Umsatz von 1,62 Milliarden Euro und die USA stolze 11,1 Milliarden US-Dollar (umgerechnet ca. 9,37 Milliarden Euro).120 Aus Sicht vieler AkteurInnen im Musikbusiness ist der Musikmarkt Österreichs daher schnell gesättigt, weshalb es sich aus ihrer Sicht nur selten lohnt, ein finanzielles Risiko mit der Förderung/Unterstützung (unbekannter) österreichischer KünstlerInnen einzugehen.121 Deshalb stellt sich nun die Frage, was es braucht, um als MusikerIn in Österreich erfolgreich zu werden. Im Zuge der Recherche und der Interviews mit Günther Pini und Marco Blascetta haben sich einige Merkmale herauskristallisiert, die an dieser Stelle zusammengefasst werden sollen, wobei zu vermerken ist, dass es sicherlich noch viele weitere Faktoren gibt, die für den Erfolg von InterpretInnen relevant sein könnten. Wiederholt wurde darauf verwiesen, wie wichtig es vor allem für noch unbekannte KünstlerInnen ist, möglichst viele Live-Auftritte zu generieren. Das Livegeschäft stellt für die MusikerInnen nicht nur die „lukrativste und direkteste Verdienstmöglichkeit“122 unter den Einnahmequellen (Produktgeschäft, Livegeschäft, Lizenzgeschäft und Musikverlagsgeschäft)123 dar, sondern bietet ihnen auch noch viele weitere Chancen. Das Spielen auf Konzerten, Festivals und bei Wettbewerben dient für neue Acts in erster Linie der Promotion, der Verbreitung der eigenen Musik sowie der Steigerung des Bekanntheitsgrades und ist daher meist der erste Schritt, um Fuß in der Musikszene zu fassen. Bei solchen Events haben die MusikerInnen ferner die Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen und sich durch Gespräche mit anderen KünstlerInnen, ProduzentInnen, Presseleuten und ModeratorInnen ein Netzwerk an AkteurInnen des Musikbusiness aufzubauen.124 Marco Blascetta, Sänger und Gitarrist der Band Coffeeshock Company, sagt hierzu im Interview:

    Das Große war, als wir die Planet Festival Tour gewonnen haben – das ist der größte österreichische Bandwettbewerb. Das war ein richtiges Sprungbrett für uns, wir haben dadurch am Donauinselfest gespielt und haben sehr viele Kontakte geknüpft. […] vor drei Jahren haben wir uns wirklich verbrüdert mit der Band Russkaja und sind seit drei Jahren Vorband bei fast allen Gigs. Da sind wir auch herumgekommen, viel in Deutschland […] mit Russkaja haben wir in echt

    120 Vgl. IFPI Austria, S. 8 und 26. 121 Vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 57; vgl. Verdianz: Austropop, S. 76-77. 122 Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 54. 123 Vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 50, 53-54, 55 und 57. 124 Vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 49 und 51; vgl. Jutta Emes: Unternehmergewinn in der Musikindustrie. Wertschöpfungspotentiale und Veränderung der Branchenstruktur durch die Digitalisierung. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2004, S. 41; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 43 und 84-85. 33

    großen Städten gespielt und da war das Highlight letztes Jahr mit ausverkauften Tausender- Venues in München, in Berlin und Amsterdam.125

    Die neuen Kontakte am Musikmarkt werden schließlich genutzt, um die eigene Musik durch Radio, Fernsehen und Printmedien ans Publikum zu bringen und so eine möglichst große Reichweite zu erzielen. Vor allem dem Airplay im Radio (Abspielen der Lieder im Radio) scheint eine besondere Bedeutung beigemessen zu werden.126 Neben der Präsenz in den klassischen Medien ist der Internetauftritt der MusikerInnen immer wichtiger geworden. Von den KünstlerInnen wird erwartet, auf Internet-Plattformen wie YouTube, Spotify, Instagramm, Twitter etc. aktiv zu sein und ihre Fans auf dem Laufenden zu halten.127 Was die persönlichen Eigenschaften der InterpretInnen betrifft, so scheint das Publikum Wert darauf zu legen, dass seine Idole bodenständig, nahbar und authentisch sind.128 Obwohl sie sich durch ein Alleinstellungsmerkmal von der Masse an Musikschaffenden abheben sollen, ist es für sie ebenfalls wichtig, sich in der Musikszene zu positionieren und ihre Musik einem Genre zuzuordnen, um so ein Marketingkonzept ausarbeiten und verfolgen zu können.129 Vermehrt wurde auch erwähnt, dass es für österreichische MusikerInnen vor allem auf Durchhaltevermögen und ein hohes Engagement ankäme,130 sie aber dennoch ein gewisses „Gespür für die richtigen Themen“131 und „extrem viel Glück“132 haben müssten, um mit einer Nummer in Österreich richtig durchzustarten. Da es für freiberufliche KünstlerInnen in Österreich schwierig sein kann, mit Musik ihren Unterhalt zu verdienen, wenn sie nicht gerade zu den wenigen kommerziell Erfolgreichen zählen, dürfen sie nicht wählerisch sein, was ihre Auftritte betrifft und müssen bereit sein, bis zum großen Durchbruch ein finanzielles Risiko in Kauf zu nehmen. Bookings für Geburtstagsfeiern, Taufen und Trauungen sowie Nebenjobs als StudiomusikerInnen, TontechnikerInnen, SchauspielerInnen und KabarettistInnen sind unter österreichischen MusikerInnen keine Seltenheit.133 Natürlich dürfen die Musik-KonsumentInnen nicht außer Acht gelassen werden, wenn es darum geht, die signifikanten Faktoren für die Erfolgschancen österreichischer InterpretInnen zu bestimmen, denn wie Zerbs hervorhebt, orientiert sich „Populärkultur sehr

    125 Interview Marco Blascetta, 56. 126 Vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 58; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 37 und 39; vgl. Emes: Unternehmergewinn, S. 41; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 43. 127 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 39; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 43. 128 Vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 59. 129 Vgl. Interview Günther Pini, 45-46; vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 58 und 62. 130 Vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 45; Polanz: Popmusik in Österreich, S. 99. 131 Interview Günther Pini, 44. 132 Interview Marco Blascetta, 78. 133 Vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 59 und 99; vgl. Interview Marco Blascetta, 76. 34 stark an den Wünschen der aktuellen Gesellschaft.“134 Welches Lied nun zum Hit oder zum Flop wird, hängt demnach in gewissem Maße von den ÖsterreicherInnen selbst ab. „Letztendlich entscheidet das das Publikum. Wenn etwas beim Publikum eine Saite anschlägt, dann ist ein Erfolg da, und wenn nicht, dann kann man sich auf den Kopf stellen.“135 Um nun den Wünschen und Vorstellungen der HörerInnen zu entsprechen, haben die österreichischen MusikerInnen einiges zu beachten. Die heimischen KünstlerInnen sollten einerseits transkulturelle Musikpraktiken berücksichtigen und ihre Arrangements nach dem vertrauten Vorbild der angloamerikanischen Popsongs gestalten. Andererseits sollten sie sich jedoch auch von der Masse abheben und nicht gleich klingen, wie alle anderen, denn das könnte schnell langweilig werden. Österreichische MusikerInnen befinden sich somit laufend auf einer Gratwanderung zwischen Innovation und Altbewährtem.136

    Die erfolgreichsten Acts sind schließlich jene, die es schaffen, über Genregrenzen hinaus erfolgreich zu werden. Je offener, unbestimmter und vieldeutiger die Botschaft der Musik oder der Künstler/innen ist, desto größer ist auch deren Chance, von einer breiten Bevölkerungsschicht akzeptiert zu werden.137

    Die Signifikanz der Sprachwahl für die Erfolgschancen österreichischer MusikerInnen wird zwar seitens vieler AkteurInnen im Musikgeschäft immer wieder betont, interessanterweise seitens der MusikerInnen selbst jedoch negiert. Während die eine Partei vehement behauptet, man sei mit Dialektmusik auf den österreichischen und bairischen Raum beschränkt und könne keine internationale Karriere anstreben,138 vertritt die andere Partei die Meinung, dass man auch mit dialektaler Populärmusik international erfolgreich sein könne.139 Theoretisch müssten die MusikerInnen damit auch Recht haben, denn ein Blick auf den nationalen und internationalen Musikmarkt zeigt, dass unter anderem auch viele KünstlerInnen mit französischen, italienischen und spanischen Texten weltweit in den Charts landen – als Beispiele seien hier , Eros Ramazotti, Shakira, Luis Fonsi und Camila Cabello genannt, um nur einige wenige zu erwähnen. Als international überaus erfolgreiche deutschsprachige Acts galten bzw. gelten zum Beispiel Tokio Hotel und Rammstein. Es zeigt sich, dass die Verwendung der

    134 Zerbs: Amerikanisierung, S. 102. 135 Interview Günther Pini, 42. 136 Vgl. Alfred Smudits: Die Kleinen und die Großen. Lokale und minoritäre Sounds und der globale Musikmarkt. In: Heimatlose Klänge? Regionale Musiklandschaften heute. Hrsg. von Thomas Phleps. Karben: CODA 2002. S.36-38; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 293; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 11. 137 Reinhard Flender/Hermann Rauhe: Pop-Musik. Aspekte ihrer Geschichte, Funktionen, Wirkung und Ästhetik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1989, S. 65. 138 Vgl. Aldrian/Mileder: Austropop, S. 67; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 232 und 234; vgl. Harauer: Adieu Austropop, S. 19; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 62 und 99. 139 Vgl. Interview Günther Pini, 35-36; vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 126. 35 englischen Sprache, obgleich die Popmusik traditionell mit ihr assoziiert wird, daher nicht zwangsläufig einem Erfolgsindikator gleichzusetzen ist. Auf die Frage, ob man Pizzera & Jaus denn auch im nördlichen Deutschland verstünde, erklärt Otto Jaus im Interview mit Music Austria: „Ich glaub auch, es ist wurscht, ob man dich wirklich versteht. Du kannst dir auch Theater in einer anderen Sprache ansehen, du bist trotzdem fasziniert, weil es wahnsinnig schön ist, was da passiert.“140 Und auch Christopher Seiler (von Seiler und Speer) hebt in einem Interview mit Hallo München hervor, dass die Sprache seines Erachtens für viele HörerInnen gar nicht so wichtig sei. „Schlussendlich ist es aber egal. Wie viele Leute hören englische Lieder und verstehen genau nix.“141 Dem Argument, dass der österreichisch-bairische Dialekt außerhalb dieses Dialektraums nicht verstanden wird, sollte daher keine solch enorme Relevanz zuteilwerden. Die Wahl einer dialektalen Varietät für die Songtexte stellt kein Hindernis für den Erfolg von KünstlerInnen dar, sondern kann, wie im Falle des belgischen Sängers Stromae, sogar für Publicity sorgen.

    3.3.2 Majors und Independent Labels

    Als Plattenfirma oder auch Label wird ein Unternehmen bezeichnet, das „Schallplatten, CDs und dergleichen herstellt und vertreibt“142. Dabei wird zwischen Major Labels (kurz Majors) und Independent Labels (kurz Indies) unterschieden. Bei den Ersteren handelt es sich um jene drei Plattenfirmen (, Warner Music Group und Sony Music), die aufgrund von Fusionierungen und Gründungen von Tochtergesellschaften über ein Oligopol am Weltmarkt der Musikindustrie verfügen.143 Zu den Aufgaben einer Plattenfirma zählen unter anderem die Auswahl von MusikerInnen, verschiedene Bereiche der Produktion (Finanzierung, Organisation, Produktion und Vervielfältigung etc.), das Marketing sowie der Vertrieb der physischen und/oder digitalen Tonträger.144 Da Major Labels global agieren und versuchen, die breite Masse als AbnehmerInnen zu gewinnen, ist ihr Geschäftskonzept an dem Prinzip der

    140 Stefan Niederwieser: „[…] Für mich die österreichische Antwort auf Eminem […]“ Pizzera & Jaus im Mica-Interview. In: Music Austria vom 27.02.2018. URL: https://www.musicaustria.at/fuer-mich-die-oesterreichische-antwort-auf-eminem- pizzera-jaus-im-mica-interview/ [12.06.2020]. 141 Sebastian Obermeir: Seiler und Speer im Gespräch mit Hallo München. Seiler und Speer: „Noch an Wiesn-Hit? Brauchen wir nicht!“. In: Hallo München vom 31.08.2019. URL: https://www.hallo-muenchen.de/interview/muencheninterview- seiler-speer-noch-wiesn-hit-brauchen-nicht-12957685.html [15.06.2020]. 142 Duden. Wörterbuch. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Label [12.08.2020]. Stichwort: Label. 143 Vgl. Smudits: Die Kleinen und die Großen, S. 42-43; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 126; vgl. Alfred Smudits/Andreas Gebesmair: Musik und Globalisierung. Zur Repertoireentwicklung der transnationalen Phonoindustrie unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Musikmarktes. Wien: Mediacult 2000, S. 30-36; vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 63. 144 Vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 62. 36

    „economy of scales“145 (Produktion hoher Stückzahlen, um die Kosten zu senken und die Gewinnspanne zu maximieren) orientiert.146

    Die Majors selbst reduzieren zwar ihren ‚artistic roaster‘ und investieren nur in einige wenige Megastars, die mit riesigen Marketing-Budgets weltweit vertrieben werden und mit denen sie den Großteil ihres Profits einfahren. Gleichzeitig sichern sie sich aber durch ein Netz von Tochtergesellschaften und Vertriebsvereinbarungen einen Pool von Künstlern und Acts, mit denen sie zum einen Nischen bedienen und andererseits flexibel auf Veränderungen von Marktbedingungen reagieren können.147

    An dieser Stelle kommen die Independent Labels, die ‚kleineren‘ Plattenfirmen, die sich meist in Nischenmärkten spezifischer Genres bewegen und eine schwächere Stellung am Tonträgermarkt haben, ins Spiel („Das Verhältnis zwischen Majors und Indies bei Marktanteilen liegt im Jahr 2007 in Österreich bei etwa 75 Prozent zu 25 Prozent“148). Zwar sind die Indies von den Majors unabhängig, jedoch schließen sie sehr häufig Kooperationsverträge mit den Großkonzernen ab, um ihren KünstlerInnen größere Chancen am Musikmarkt zu ermöglichen.149

    Die meisten Independent Labels können nur überleben, indem sie letztendlich über Vertriebsverträge mit den Majors kooperieren. Der übergeordnete Partner hat dann die Option, Bands aus dem Labelprogramm der Independents zu übernehmen. Der Major entscheidet, für welche Band er den Vertrieb übernimmt. Die anderen werden über ihre eigenen Vertriebs- Strukturen betreut. (…) Das ist an und für sich eine sehr gute Konstruktion, weil ja die Independent Labels im Vertriebswesen und auch im Marketingbereich nicht ganz so fit sind. Andererseits haben sie ein ganz anderes Verständnis, für das Entwickeln von Bands. Sie sind viel näher dran.150

    Wie sich zeigt, ergeben sich durch Verträge mit Major Labels und Independent Labels unterschiedliche Vor- und Nachteile für die MusikerInnen. Obgleich bei Major Labels mittlerweile einige Bereiche wie die Tonträgerproduktion im Studio und das Artist- und Repertoire-Management an externe Firmen ausgelagert sind, übernehmen sie doch die Rolle eines Supervisors. Sie koordinieren und überwachen die Auswahl der MusikerInnen, das KünstlerInnenmanagement und musikalische Coaching, die Produktion, das Marketing (Image

    145 Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 73. 146 Vgl. ebda, S. 73. 147 Ebda, S. 75. 148 Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 64. 149 Vgl. Smudits: Die Kleinen und die Großen, S. 48-49; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 129; vgl. Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 43; vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 63-64; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 34-35. 150 Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 77. 37 der MusikerInnen, PR-Material, Werbung, Musikvideos), die Öffentlichkeitsarbeit und Promotion (Medienpräsenz), das Booking (Buchen der KünstlerInnen und Veranstalten von Konzerten) sowie den Vertrieb der Tonträger und die Vermittlung von Lizenz-Rechten.151 Aufgrund der gebotenen Unterstützung und des hohen Budgets, das den KünstlerInnen zur Verfügung gestellt wird, sind die Majors jedoch sehr wählerisch und gehen eher selten ein Risiko mit innovativen MusikerInnen und experimentellen Musikstilen ein.152 Die wenigen Acts, die bei einem Major Label unter Vertrag gestellt werden, schaffen es dank des ausgeprägten Netzwerks des Großkonzerns zwar meist in die Verkaufscharts, jedoch sind sie häufig durch Knebelverträge („[ein] Vertrag, der für einen der Vertragspartner einengend und nur sehr schwer kündbar ist“153) an ihre Unterstützer gebunden und haben nur wenig Handlungsspielraum, was ihr kreatives Schaffen betrifft.154 Independent Labels zeichnen sich hingegen durch ihre Kooperationsbereitschaft mit lokalen, innovativen, alternativen und noch unbekannten InterpretInnen aus.155 Zwar ist es ihnen üblicherweise nicht möglich, den KünstlerInnen besonders hohe Budgets zur Verfügung zu stellen und professionelle Marketing- und Promotion-Unternehmen für die Vermarktung ihrer MusikerInnen anzustellen, jedoch versuchen die Indies dies durch persönliches Engagement und Vereinbarungen mit Majors bestmöglich auszugleichen, wie auch Marco Blascetta berichtet.

    Major Labels sind für uns eigentlich nicht wirklich ein Thema. Wir haben unser Label (Creasy Records), wir haben unseren Label-Chef, den Christian De Lellis, den wir persönlich kennen, der so oft auf unseren Konzerten ist und das echt super macht. Major Label ist also überhaupt kein Thema für uns, wird es glaube ich auch nicht sein, weil uns Knebelverträge und irgendwelche Geschichten, wo ein Label mitschneidet, überhaupt nicht interessieren.156

    War es früher notwendig, eine Plattenfirma von sich zu überzeugen, damit diese für die hohen Kosten der Tonträgerproduktion aufkam,157 so ist heute für viele österreichische MusikerInnen noch eine weitere Option zu einer attraktiven Alternative geworden: Sie gründen ihr eigenes Label.

    Laut WKO (vgl. 2017a) gibt es österreichweit zurzeit etwa 250 Labels mit Gewerbeberechtigung […] Gleichzeitig zeigt sich anhand der LSG-Daten (vgl. LSG, 2017), dass es derzeit über 20 000

    151 Vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 42-43 und 50-51; vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 55; vgl. Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 40-42. 152 Vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 55; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 19. 153 Duden. Wörterbuch. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Label [12.08.2020]. Stichwort: Knebelvertrag. 154 Vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 60; vgl. Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 36-37. vgl. Interview Marco Blascetta, 72. 155 Vgl. Smudits: Die Kleinen und die Großen, S. 49; vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 91. 156 Interview Marco Blascetta, 72. 157 Vgl. Interview Günther Pini, 30 und 33-34. 38

    Labels in Österreich gibt, wobei hier anzumerken ist, dass der Großteil wohl von Einzelpersonen zum Verlegen ihrer eigenen Musik gegründet wurde. Die Gründung eines eigenen Labels in Österreich ist mit einem relativ geringen bürokratischen und finanziellen Aufwand verbunden, was wohl erklärt, warum dermaßen viele Labels bestehen, aber nur wenige davon tatsächlich professionell und gewinnorientiert betrieben werden. Dementsprechend gibt es für Popmusikerinnen zwei Möglichkeiten ihre Musik zu verlegen: Entweder sie kommen bei einem bereits bestehenden Label unter oder sie gründen selbst eines.158

    Das benötigte Equipment für die Tonträgerproduktion ist heutzutage erschwinglich, die Fähigkeiten kann man sich durch YouTube-Tutorials und viele Stunden des Ausprobierens selbst aneignen, die Promotion, das Marketing und der Vertrieb erfolgen kostengünstig online oder direkt bei den Konzerten. Die MusikerInnen von heute werden zu Allround-Talenten, die alle Arbeitsbereiche der Plattenfirmen selbst übernehmen, dabei jedoch sehr viel Zeit und Energie in Arbeit investieren müssen, die nichts mit dem musikalischen Schaffen zu tun hat. Seine persönlichen Erfahrungen als Allrounder und die damit verbundenen Vor- und Nachteile schildert Marco Blascetta im Interview, dessen Band Coffeeshock Company zwar bei einem Independent Label unter Vertrag ist, jedoch vieles selbst übernimmt.

    [V]orher haben wir einfach Geld zusammengespart und sind mit dem ganzen Geld ins Studio – was für uns ein riesiges Investment war. Momentan sind wir so weit, dass wir fast alles alleine aufnehmen können – eigentlich alles, mittlerweile alles, also Schlagzeug, Bass, wir machen alles selbst, wir editieren selbst, wir bearbeiten selbst, arrangieren selbst. Wir sind wirklich selbst Produzenten und lassen das Ganze in Amerika mischen, wo das viel billiger ist, da ist Mix und Master in einem. Davor sind wir die Luxus-Variante gefahren in einem Top-Studio in Wien mit einem super Wiener Mischer. Das war natürlich cool, weil man einen Ansprechpartner hat und einen persönlichen Bezug zu den Leuten, aber es geht sich finanziell für uns leider einfach nicht aus. […] Was sich auch gebessert hat, ist, dass man so viel alleine machen kann, dass man nicht unbedingt in ein Studio gehen muss, um Sachen aufzunehmen, wenn man sich hinsetzt und sich mit den Programmen befasst, was ein großer Zeitaufwand ist. […] – das sind Stunden über Stunden, in denen du herumprobierst und das muss man dann einfach investieren, wenn man das selbst machen will. Es dauert sicher ein paar Jahre, bis man das alles heraußen hat, aber wenn man gut ist, sieht man, es gibt in Österreich eine Plattform, wo man erfolgreich sein kann. […] Man beschäftigt sich dann auch viel mit Algorithmen, Veröffentlichungen und Teasern usw. Es ist wirklich lange nicht mehr nur Musik machen. Es ist so viel zusätzlich … wir haben natürlich auch versucht, ein bisschen mit Promotion zu arbeiten, aber da muss man sich wirklich auskennen. Das sind Faktoren, die momentan sehr wichtig sind … die Vermarktung, die Promotion, wie stellt

    158 Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 53-54. 39

    man sich dar auf Social Media und wie erlangt man Aufmerksamkeit und damit müssen wir uns nun auch viel beschäftigen, aber mein Wunsch wäre eigentlich, dass ich Musiker bin, aber das spielt’s halt einfach nicht.159

    3.3.3 Die Macht der Radiosender

    Wenn die Musik dann einmal aufgenommen ist, gilt es, sie ans Publikum zu bringen. Dabei stellt die Reichweite einen bedeutenden Faktor dar, denn schließlich möchte man als KünstlerIn möglichst viele Menschen mit seinen Werken bewegen. Ein geeignetes Mittel, um dies zu erreichen, stellen die Radiosender dar, die aufgrund ihrer filternden Funktion bei der Musikauswahl auch als Gatekeeper beschrieben werden und darüber entscheiden, welchen Liedern wie viel Zeit für Airplay zur Verfügung steht.160 Lange Zeit hatte der 1967 eingeführte, öffentlich-rechtliche Popsender Ö3 (Österreich 3), der neben dem Kultursender Ö1 und den neun Regionalradios (zusammengefasst unter Ö2) als Unterhaltungsprogramm und Musikradio der Jugend intendiert war, das Monopol als Gatekeeper im Bereich der Populärmusik in Österreich.161 Zur Verdeutlichung seiner Funktion und Bindung der HörerInnenschaft wurde auf Ö3 1968 kurzerhand der sogenannte Schnulzenerlass verfügt, wodurch der deutsche Schlager, die Musik der Eltern-Generation, der jungen angloamerikanischen Populärmusik weichen musste. Der enorme Einfluss des Radiosenders Ö3 zeigte sich bereits zu dieser Zeit, da viele deutsche Schlagerstars aufgrund des Schnulzenerlasses fortan englische Nummern produzierten, um die neuen Regelungen zu umgehen und weiterhin im Radio gespielt zu werden.162 Als 1993 das Regionalradiogesetz verabschiedet wurde, das die Gründung von privaten, regionalen Sendern (wie Radio Melody in Salzburg und Antenne Steiermark) ermöglichte, musste der beliebte Popsender Ö3 das erste Mal um seine Vorherrschaft bangen. Um dem Verlust von Marktanteilen entgegenzuwirken, kam es in den Folgejahren zu einer Programmreform bei Ö3, die alles Experimentelle, Risikoreiche, Heimische und Innovative zugunsten der boomenden englischen Popmusik aus der Musikauswahl strich. Ein weiterer öffentlich-rechtlicher Sender, FM4, wurde ins Leben gerufen, der diese Sparte abdecken sollte – anfangs jedoch nur auf einer geteilten Frequenz mit Blue Danube Radio in der Sendezeit zwischen 19 Uhr und 6 Uhr. Die Orientierung am US-amerikanischen Vorbild und die

    159 Interview Marco Blascetta, 58, 76 und 82. 160 Vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 61; vgl. Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 139; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 13,52 und 65. 161 Vgl. Wurzinger: Soziophonologische Variation, S. 43-44; vgl. Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 387; vgl. Verdianz: Austropop, S. 19. 162 Vgl. Philipp Maurer/Gerald Jatzek: Gegentöne. Kritische Lieder-rebellischer Rock. Wien: Kammer für Arbeiter und Angestellte 1987, S. 34; vgl. Verdianz: Austropop, S. 19; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 136- 137. 40

    Ausrichtung auf den gewinnversprechenden Mainstream verschärfte sich bei dem Popsender nochmals, als die privaten Sender (z.B. Antenne und Kronehit) 2001 durch das Privatradiogesetz bemächtigt wurden, ihre Sendungen österreichweit auszustrahlen.163 Trotz des breiten Angebots an Radiosendern seit der Einführung des Regional- und Privatradiogesetzes mangelt es der österreichischen Radiolandschaft an Vielfalt, da sich die meisten Sender im Bereich der Populärmusik, mit Ausnahme einiger weniger Radios wie FM4 und Soundportal, an den musikalischen Konzepten der Hauptakteure (Hitradio Ö3 und Kronehit Radio) orientieren, die wiederum den internationalen Trends folgen.164 Bei der Musikauswahl heimischer InterpretInnen halten sich die meisten Programme an etablierte KünstlerInnen der Austropop-Generation sowie an eine überschaubare Anzahl an aktuell erfolgreichen österreichischen MusikerInnen. Aufgrund seiner restriktiven Musikauswahl und des Mangels an Airplay für heimische InterpretInnen (im Vergleich zu anderen europäischen Radiosendern) wurde insbesondere der marktbeherrschende Popsender Ö3 wiederholt zur Zielscheibe scharfer Kritik. Vermehrt wurde an dem Sender von Musikschaffenden beanstandet, dass seine Sendereichweite (täglich rund 2,6 Millionen ÖsterreicherInnen165) nicht ausreichend genutzt werde, um heimische und vor allem dialektale Musik zu fördern, weshalb immer wieder die Einführung einer verpflichtenden Airplay-Quote für österreichische Musik diskutiert wurde.166 Obgleich sich der ORF (Österreichischer Rundfunk) 2013 freiwillig dazu verpflichtet hatte, auf Ö3 mindestens 15% heimische Musik zu spielen, zeigen die Statistiken der Initiative SOS- Musikland, dass dieser ohnehin geringe Prozentanteil auch in den darauffolgenden Jahren nicht eingehalten wurde.167

    163 Vgl. Wurzinger: Soziophonologische Variation, S. 44-45; vgl. Verdianz: Austropop, S. 25-26; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 130, 133-134 und 138; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 63. 164 Vgl. Aldrian/Mileder: Austropop, S. 66; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 131; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 63 und 102. 165 Vgl. Hitradio Ö3: Radiotest 2019. Ö3 gewinnt Hörer dazu. URL: https://oe3.orf.at/stories/2997939/#:~:text=Im%20Schnitt%20erreicht%20%C3%963%20damit,7%25%20auf%2039%2C0%2 5 [10.09.2020]. 166 Vgl. Larkey: Popular Music, S. 177-178; vgl. Verdianz: Austropop, S. 78; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 63; vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 60-61; vgl. Aldrian/Mileder: Austropop, S. 70; vgl. Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 146; vgl. Walter Gröbchen: Her mit der Quote. Erstellt am 21.05. 2008. URL: http://www.radioszene.de/9989/walter-grobchen-her-mit-der-quote.html [27.03.2020]. 167 Vgl. SOS-Musikland: Unsere Forderung. Mehr Musik aus Österreich im Rundfunk. URL: https://www.sos-musikland.at/ [20.08.2020]. 41

    Abb. 10: Prozentsatz der österreichischen Musik auf Ö3 (SOS-musikland.at) Seitens des ORF wird den vermehrten Beschwerden über das mangelhafte Airplay österreichischer Acts auf Ö3 entgegnet, dass auf den öffentlich-rechtlichen Regionalradios (Ö2) ausreichend heimische Musik gespielt werde. Zwar werden auf diesen Sendern tatsächlich höhere Prozentanteile erzielt, doch verfügen die einzelnen Regionalradios über eine wesentlich geringere Reichweite und sind überdies für den Bereich der Populärmusik nur mäßig relevant.168 Die unzureichende Förderung der österreichischen Musikszene führt daher auch bei etablierten KünstlerInnen wie Wolfgang Ambros zur Frustration, wie aus einem Interview mit dem Sänger im Musikmagazin Der Musikmarkt von 1994 hervorgeht:

    Wie kann ein Sender, der sich als alleinseligmachende Institution betrachtet und keine Alternativen hat, daraus das Recht ableiten, seinen teilweise extremen Geschmack anderen aufzuzwingen? Denn das, was dort ab 15 Uhr geboten wird, trifft doch nur den Geschmack einer Minderheit. Die vielzitierte Jugend, die angesprochen werden soll, ist in Wahrheit nur ein kleiner Haufen zwischen 12 und 25 Jahren, und selbst längst nicht allen in dieser Altersgruppe gefällt das angebotene Programm.169

    Die enorme Relevanz des Airplays im Allgemeinen, aber insbesondere auf Ö3, verdeutlicht sich, betrachtet man dessen Funktionen. Das Spielen von Liedern im Radio kann von MusikerInnen als Mittel zur Promotion (Vermarktung) ihrer Musik betrachtet werden. Regelmäßiges Airplay steigert nicht nur den Bekanntheitsgrad der KünstlerInnen, sondern vermittelt dem Publikum ferner das Gefühl, dass es sich bei diesen Nummern um Lieder handelt, die musikalisch erstklassig und besonders populär sind. Daher wirkt sich eine hohe Präsenz im Radio häufig auch auf die Verkaufszahlen von Konzerttickets und Tonträgern (physische sowie digitale) aus.170

    168 Vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 65; vgl. Verdianz: Austropop, S. 86. 169 [Anonym]: Wolfgang Ambros. Erstes Album nach Rückkehr zur alten Tonträgerfirma. In: Der Musikmarkt (1994). H.11, S. 72. 170 Vgl. Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 138; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 130; vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 71. 42

    Aus der mangelhaften Unterstützung durch die österreichische Medienlandschaft resultiert nicht nur eine schwierigere Promotion-Arbeit, sie löst beim Publikum vor allem auch den Glauben aus, dass es in Österreich keine hörenswerte, qualitativ hochwertige Dialektpopmusik gibt oder dieses Genre gar nicht mehr existiert.171

    Radiosender haben daher die Macht, Einfluss auf den Geschmack der HörerInnenschaft auszuüben und musikalische Trends mitzubestimmen. Natürlich gibt es auch Beispiele von österreichischen MusikerInnen, die ohne anfängliche Unterstützung von Ö3 oder dergleichen erfolgreich wurden. Und obwohl es keine Erfolgsgarantie ist, lässt sich dennoch nicht leugnen, dass regelmäßiges Airplay auf dem marktführenden Radiosender aufgrund seiner großen Reichweite vor allem für noch unbekannte MusikerInnen ein großes Sprungbrett sein kann. So zeigt sich im Interview mit Marco Blascetta, dessen Band eher im Alternative-Bereich anzusiedeln ist, dass auch sie versuchen, im Radio gespielt zu werden, um eine breitere Masse anzusprechen.

    Also für uns ist es momentan auf jeden Fall ein Thema, weil wir bewusst ins Radio wollen. Und wir haben mit Alte Fotos und Liebe Liebe ganz klar versucht, das musikalisch so zu halten, dass es ins Format Radio passt. Es ist uns gelungen bei Alte Fotos, Alte Fotos wird wirklich auf Ö3 gespielt. Es ist aber trotzdem unserem Stil treu, also es ist sicher näher dem Format und wir haben uns zwar bemüht, dass da irgendwie gewisse Kriterien erfüllt sind, aber es ist trotzdem auch eine fette, bassige, dubige Nummer. […] Man kann natürlich sagen, dass die Radiostationen wegen Corona jetzt ein bisschen gezwungen waren [österreichische MusikerInnen zu unterstützen], aber was man bei 88,6 sagen muss, sie haben das aus Eigeninitiative gemacht, diese 88,6 Coronale. Das muss man ihnen wirklich groß anrechnen, dass sie zwei Stunden lang nur österreichische Acts spielen und sie spielen wirklich auch unbekannte Acts. Das hat sich sicher stark gebessert.172

    Der öffentlich-rechtliche Radiosender FM4 wird häufig als jüngeres Pendant zu Hitradio Ö3 betrachtet, da sich dieser durch ein innovatives Programm, bestehend aus heimischen MusikerInnen, neuen/unbekannten InterpretInnen, Nischenmärkten und experimentellen Musikstilen, auszeichnet. Die Musikauswahl bei FM4 ist demnach eher auf den Alternative- Mainstream ausgerichtet und bezieht vieles mit ein, was auf Sendern wie Ö3 oder Kronehit keine Plattform findet.173 Obwohl sich FM4 als Förderer der österreichischen Musikszene versteht, indem der Sender österreichischen KünstlerInnen regelmäßige Spielzeit einräumt, zieht dessen Positionierung als Alternative-Radiosender nicht nur positive Konsequenzen für

    171 Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 72. 172 Interview Marco Blascetta, 72 und 76. 173 Vgl. Aldrian/Mileder: Austropop, S. 66-67; vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 62; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 138; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 64-65. 43 die MusikerInnen nach sich, denn „Airplay auf einem Sender schließt Airplay auf dem anderen Sender mehr oder weniger aus.“174 Wird ein Lied auf Ö3 gespielt, so ist es für FM4 zu mainstream, während ein auf FM4 gespieltes Lied für die Ö3-HöerInnen meist als zu alternativ erachtet wird. Dabei wäre Spielzeit auf mehreren Radiosendern nicht nur für die Promotion österreichischer MusikerInnen wichtig, sondern auch für die heimische Wirtschaft signifikant. Die Radiostationen haben für die Verwendung der Lieder nämlich Tantiemen (finanzielle Vergütungen) an die Musikschaffenden zu entrichten, die ihre Einnahmen aus dem Lizenzgeschäft wiederum in Österreich versteuern müssen.175

    Abb. 11: Übersicht der Lizenzerträge nach Nutzungsarten (AKM, S. 8) Betrachtet man die 2019 erstellte Statistik der Verwertungsgesellschaft AKM, die mit der Eintreibung der Tantiemen für MusikerInnen beauftragt ist, so zeigt sich zum einen, welche Bedeutung die Lizenzeinnahmen durch die Radiosender für den Gesamtertrag haben, jedoch zum anderen auch, dass in diesem Bereich noch ein ausbaufähiges Potential besteht, das durch erhöhtes Airplay österreichischer Musik im Radio erreicht werden könnte.176

    3.3.4 Digitalisierung und neue Chancen

    Wie die vorangehenden Kapitel anklingen lassen, schufen technologische Neuerungen die Möglichkeit für MusikerInnen, bestimmte Bereiche der Produktion selbst in die Hand zu nehmen, da das Equipment für die Aufnahme und Bearbeitung der Lieder erschwinglicher wurde und man sich das benötigte Knowhow nun selbst aneignen kann. Doch das digitale Zeitalter bringt noch viele weitere Vorteile mit sich. So sind zum Beispiel auch die Kosten für die Reproduktion, vor allem im Bereich der digitalen Tonträger, enorm gesunken.177 „Liegt eine digitale Version, d.h. die Erstkopie, erst einmal vor, so lässt sich diese mit geringem technischen, finanziellen und zeitlichen Aufwand vervielfältigen.“178

    174 Polanz: Popmusik in Österreich, S. 75. 175 Vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 73. 176 Vgl. AKM: AKM Jahresbericht 2019. URL: https://www.akm.at/wp- content/uploads/2020/06/AKM_Jahresbericht19_online.pdf [20.08.2020]. 177 Vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 125; vgl. Emes: Unternehmergewinn, S. 9. 178 Emes: Unternehmergewinn, S. 16. 44

    Auch in den Bereichen der Distribution und Promotion bringt die Digitalisierung neue Chancen mit sich. Dabei spielen insbesondere Streamingdienste (z.B. YouTube, Spotify, iTunes, Amazon Music, SoundCloud etc.) und Social-Media-Plattformen (z.B. Facebook, Twitter, Instagramm, TikTok etc.) eine bedeutende Rolle. Waren die sozialen Netzwerke anfangs vorrangig eine Möglichkeit für junge, noch unbekannte KünstlerInnen und MusikerInnen der Nischenmärkte (Alternative), sich und ihre musikalischen Produkte kostengünstig online zu vermarkten, so sind längst auch die großen Plattenfirmen auf die Vorzüge der Online-Promotion gestoßen und nutzen die Social-Media-Accounts ihrer Stars, um sie zu bewerben und ihre Fanbase zu erweitern. Online-Präsenz ist nicht nur nützlich, um dem Publikum das Gefühl von Nähe zu seinen Idolen zu vermitteln und es so an sich zu binden, auch die dort stattfindende ‚Mundpropaganda‘ stellt sich als bedeutender Faktor heraus. Ein geteiltes Musikvideo, zum Beispiel auf Facebook, kann sich wie ein Lauffeuer verbreiten und für einen Promotion-Boost und die Steigerung des Bekanntheitsgrades eines Acts sorgen.179 Doch Social Media bringt nicht nur Vorteile mit sich – die ständige Arbeit an den diversen Profilen und der damit verbundene Zeitaufwand sowie die Schnelllebigkeit der Trends bezüglich aktuell populärer Plattformen stellen für viele KünstlerInnen eine große Herausforderung dar. Als Beispiel sei hier Myspace genannt, ein soziales Netzwerk, das für MusikerInnen vor ca. zehn Jahren noch ein Must-have unter den Promotion-Tools war – heute wird der Internetseite jedoch kaum noch Beachtung geschenkt. Um immer mit der Zeit zu gehen und Fehler bei der Präsenz im Internet zu vermeiden, ist die Einstellung von Online-Promotion- bzw. Marketing-ExpertInnen mittlerweile für viele MusikerInnen wichtiger geworden als jene von ManagerInnen.180 Im Bereich des Vertriebs hat das digitale Zeitalter zwei neue Alternativen zum Verkauf von physischen Tonträgern mit sich gebracht. Zum einen können digitalisierte Tonträger per Download der MP3-Dateien gekauft und auf beliebigen Geräten (z.B. iPod oder MP3-Player) gespeichert werden und zum anderen kann die Musik auch gestreamt werden, was bedeutet, dass man die Lieder mittels internetfähigem PC/Laptop/Smartphone/Tablet über einen Streamingdienst (z.B. Spotify) kostenlos oder kostenpflichtig anhören, aber nicht extern speichern kann. Insbesondere das Streaming von Musik erfreut sich unter den Musik-KonsumentInnen großer Popularität, weshalb Streamingdienste nunmehr zu einem unverzichtbaren Distributionsweg für MusikerInnen geworden sind. Dies bestätigen auch die Zahlen des IFPI Marktberichts aus dem Jahr 2019, die

    179 Vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 79; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 28 und 107. 180 Vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 80; vgl. Polanz: Popmusik in Österreich, S. 85 und 106. 45 einen Anstieg des Umsatzes von 33,5% im Vergleich zum Vorjahr vermerken – damit belaufen sich die Umsatzzahlen im Bereich des Streaming auf 68,9 Millionen Euro.181

    Abb. 12: Umsatz durch Streaming in Mio Euro und Prozent-Anteil am Gesamtumsatz (IFPI, S. 8-9) Ganze 91% dieser Einnahmen sollen auf Premium-Abos (kostenpflichtige Mitgliedschaften) bei Streamingdiensten zurückzuführen sein, wobei Österreich im Vergleich zu anderen Ländern „noch eine deutlich geringere Dichte von Premium-Abos auf[weist].“182 Der Online- Musikmarkt (Download und Streaming) ist somit zu der bedeutendsten Einnahmequelle am österreichischen Musikmarkt geworden und den Prognosen zufolge steht diesem Sektor auch in den kommenden Jahren noch ein großes Wachstum bevor. Für unbekannte KünstlerInnen stellen die Streamingdienste jedoch keine ausschlaggebende Einnahmequelle dar, da hier sehr hohe Streaming-Zahlen erreicht werden müssen, um wirklich daran zu verdienen – die diversen Streamingdienste zahlen zwischen 0,38 Cent und 6,6 Cent pro gestreamtes Lied an die MusikerInnen aus.183 Was sie dennoch vielen unbekannten InterpretInnen aus sehr spezifischen Genres ermöglichen, ist eine große Reichweite, unabhängig vom Airplay im Radio. Zum Thema Social Media und Streamingdienste sagt Marco Blascetta im Interview: „Wir sind ja im Internet präsent und die Lieder gehen durch die ganze Welt. In allen Dialekten, die wir bedienen, [gilt], je mehr Leute das mitbekommen, desto schöner ist es. […] Durch Spotify geht die Musik halt durch die Welt.“184 Und wie sich zeigt, funktioniert es, denn ein Blick auf die Statistiken im Spotify- Account der Band Coffeeshock Company verrät, dass ihre Musik sowohl bei österreichischen HörerInnen als auch bei UserInnen aus anderen Nationen gefragt ist:

    MB: Ich schau mal rein [in die App], dann haben wir die Statistiken… Da hast du Jetzt erst recht, das sind die Streams, genau …

    181 Vgl. IFPI Austria, S. 11. 182 IFPI Austria, S. 11. 183 Vgl. Christian Erxleben: Musikerin zeigt. So viel Geld zahlen Streaming-Dienste wie Spotify und Co. In: BASIC Thinking vom 18. 04.2018. URL: https://www.basicthinking.de/blog/2018/04/18/bezahlung-streaming-dienste/ [11.09.2020]. 184 Interview Marco Blascetta, 68 und 80. 46

    I: Platz 1: Deutschland, Platz 2: Österreich, Platz 3: USA, Platz 4: Niederlande, Platz 5: Spanien185

    Um nicht in der Masse des Angebots unterzugehen, die Reichweite der Social-Media- Plattformen und der Streamingdienste richtig zu nutzen und die Aufmerksamkeit des Publikums zu erlangen, bedarf es allerdings eines Alleinstellungsmerkmals, wie es der Dialekt als Ausdrucksform sein kann. Da der Dialektmusik sowohl beim Publikum als auch im Bereich der wissenschaftlichen Auseinandersetzung noch viel zu wenig Beachtung zuteilwird, soll die im Folgenden durchgeführte Analyse ein Bewusstsein für die vielfältigen thematischen Einsatzmöglichkeiten und das ästhetische Potential des Dialekts in der Musik schaffen.

    185 Interview Marco Blascetta, 86-87. 47

    4. ANALYSE DER ÖSTERREICHISCHEN DIALEKTALEN POPULÄRMUSIK DER

    LETZTEN 50 JAHRE

    4.1 Das Korpus und die Problematik der Verschriftlichung

    Das der folgenden Analyse zugrundeliegende Korpus besteht aus Dialektliedern im Sinne der in Kapitel 3.1 angeführten Definition von Dialektmusik und beschränkt sich somit auf Lieder österreichischer KünstlerInnen, in denen (zumindest teilweise) einer der in Österreich gesprochenen Dialekte verwendet wird. Zu den Kriterien, die bei der Auswahl der Texte herangezogen wurden, zählen das Genre, die Thematik, regiolektale Merkmale, Popularität, Zeitpunkt der Veröffentlichung sowie die möglichen literarischen und ästhetischen Funktionen, die der Dialekt in den jeweiligen Liedern innehaben könnte. Da meist sehr „viel mehr Kreativität in einem Land vorhanden ist, als sich letztlich kommerziell durchzusetzen vermag“186, wurden dem Korpus auch einige Lieder hinzugefügt, die sich zwar jenseits jeglicher Chartplatzierungen befinden, doch durch ihre originelle und bedeutungsschöpfende Verwendung des Dialekts einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Dialektmusik darstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Korpus das breite Spektrum der Einsatzmöglichkeiten des Dialekts im literarischen Bereich widerspiegelt. Die Zusammenstellung des Korpus brachte zwei schwerwiegende Problematiken mit sich. Zum einen gab es von den ausgewählten Liedtexten nur wenige autorisierte Versionen, weshalb in vielen Fällen auf Liedtexte von Lyrics-Plattformen im Internet wie www.genius.com oder www.musixmatch.com zurückgegriffen werden musste. Zum anderen waren die autorisierten Versionen häufig unbrauchbar für die Analyse, da die Liedtexte nicht dialektal, sondern in der Standardvarietät verschriftlicht wurden – vermutlich, um es dem deutschen Publikum zu erleichtern, die Texte zu verstehen. Die im Internet zu findenden Liedtexte werden von den NutzerInnen der Lyrics-Plattformen selbst geschrieben, weshalb hier viele dialektal verschriftlichte Textgrundlagen zu finden waren, die aufgrund der fehlenden Transkriptionserfahrung oftmals fehlerhaft transkribiert wurden. Aus diesem Grund wurden die zur Verfügung stehenden Texte zwar als Textgrundlage verwendet, jedoch im Rahmen einer Teil-Transkription auf Basis der gesungenen Version der Lieder adaptiert bzw. korrigiert. Die Quellenangaben zu den Ausgangstexten sowie die Links zu den hierfür verwendeten Musikvideos sind im Quellenverzeichnis unter Kapitel 6.1 und 6.2 zu finden. Die an den

    186 Harauer: Adieu Austropop, S. 28. 48

    Ausgangstexten durchgeführten Änderungen sind in den Texten des Korpus durch eckige Klammern [ ] gekennzeichnet. Grundlage für die Teil-Transkription stellen die in Kapitel 2.1.3 angeführten Charakteristika des Mittelbairischen, Südbairischen und Alemannischen sowie die linguistischen Merkmale des jeweiligen verwendeten Dialekts dar. Ein zusätzlicher Orientierungspunkt bei der Adaption der Texte waren die Input-switch-Regeln nach Moosmüller.

    Abb. 13: Input-switch-Regeln nach Moosmüller (Wurzinger 2019, S. 35) Wie aus dieser Grafik hervorgeht, beschreiben die Input-switch-Regeln die bidirektionale Beziehung zwischen den Formen der deutschen Standardvarietät und der dialektalen Varietät. So wurde bei der Transkription zum Beispiel darauf geachtet, dass (Standard) zu (Dialekt) umgeändert wird.187 Die Input-switch-Regeln wurden weitestgehend eingehalten, außer in jenen Fällen, in denen die InterpretInnen in der gesungenen Version explizit die Standardvariante verwenden oder die Variante in der dialektalen Varietät der InterpretInnen von jener der Input-switch-Regeln abweicht. Daher ist zum Beispiel die Standardform in drei verschiedenen dialektalen Formen im Korpus zu finden: und . Zu der Input-switch-Regel /a/ → /ɔ/ ist noch anzumerken, dass der halboffene o-Laut (z.B. Ast - Åst), der in den österreichischen Dialekten häufig vorkommt, im Wienerischen meist nur in unbetonten Silben verwendet wird, während bei betonten Silben vorwiegend die Standardvariante /a/ zum Einsatz kommt.188 In jenen Textstellen, in denen dieser halboffene o- Laut als verschriftlicht worden war, wurde das in dialektalen Texten gängige Graphem <å> für die Transkription verwendet. In Liedtexten, in denen hingegen das Graphem verwendet worden war, wurde diese Schreibweise beibehalten, um das Aufkommen zu vieler Texteingriffe zu vermeiden. Weiters wurde der Austausch des Graphems durch <å> nicht durch eckige Klammern gekennzeichnet, um die Lesbarkeit der Texte nicht weiter zu beeinträchtigen. Ebenso wurde auf eine gesonderte Kennzeichnung von Vokalqualität und Nasalierung verzichtet. Die Einhaltung der Rechtschreibregeln der österreichischen Standardsprache erhielt nur eine sekundäre Priorität, da primär der Versuch im Vordergrund stand, eine möglichst

    187 Vgl. Wurzinger: Soziophonologische Variation, S. 34-35. 188 Vgl. Moosmüller: Hochsprache und Dialekt in Österreich, S. 49. 49 lautgetreue Schreibweise des verwendeten Dialekts zu erzielen. Die teil-transkribierten Liedtexte können dem Anhang unter Kapitel 8.4 entnommen werden.

    4.2 1970er Jahre: Der Beginn der Dialektwelle

    Wie aus Kapitel 2.2 hervorgeht, wurde Dialekt bereits lange vor 1970 in der österreichischen Literatur und Musik eingesetzt. Als jedoch die angloamerikanische Popmusik ihren Weg in die Musikszene Österreichs fand, wurde er erstmals zum Bestandteil der aktuellen Populärmusik, da sich InterpretInnen nach der anfänglichen Phase der Imitation des englischen Pops schließlich dazu entschieden, die populären, internationalen Musikpraktiken mit heimischen Traditionen, zum Beispiel dem Gebrauch des Dialekts, zu verbinden bzw. neue, eigene Traditionen hervorzubringen.189 An die Herangehensweise einiger PionierInnen der österreichischen Dialektliteratur und -musik, wie der Wiener Gruppe und der Kabarettstars Qualtinger und Bronner, schloss Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre die Worried Men Skiffle Group an. Als Teil der 68er-Generation leistete die Band nicht nur durch kritische Lieder einen Beitrag zur österreichischen Musikkultur, sondern etablierte auch durch den Einsatz des Dialekts in vielen ihrer Lieder die Mundart als literatur- und musikfähige Ausdrucksform. Insbesondere in Wien erfreute sich die Dialektmusik zu dieser Zeit großer Popularität und die Worried Men Skiffle Group trug durch die Verwendung des Dialekts in Liedtexten zu dessen Aufwertung und dem Beginn der Dialektwelle in der österreichischen Musik entscheidend bei.190 Zu ihren beliebtesten Hits zählten Vertonungen diverser Texte der Wiener Gruppe, die die Mundart als experimentelles Sprachmaterial verstanden und ihr dadurch eine neue künstlerische Wertigkeit gegeben hatten. Über die Behandlung neuer Themen in der Dialektmusik sagt Günther Pini, Gitarrist der Worried Men Skiffle Group, im Interview:

    Bevor wir angefangen haben wurde der Dialekt in der Populärmusik… war immer mit bestimmten Inhalten verknüpft, zum Beispiel im Wienerlied oder auch im Schlager mit ähnlichen Themen. Die Worried Men haben den Dialekt auch außerhalb dieser gewohnten traditionellen Verknüpfungen angewendet. Beeinflusst von Texten der Wiener Gruppe. […] In neue Bereiche – in den Bereichen, die damals eben von Autoren wie H.C. Artmann, Konrad Bayer oder Gerhard Rühm oder Friedrich Achleitner, die sogenannte Wiener Gruppe, verwendet worden sind.191

    Mit dem Aufkommen neuer Themenbereiche gingen auch neue ästhetische und literarische Funktionen des Dialekts einher. So sorgten beispielsweise die Mundarttexte der Worried Men

    189 Vgl. Smudits: Die Kleinen und die Großen, S. 39; vgl. Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 384. 190 Vgl. Aldrian/Mileder: Austropop, S. 77; vgl. Verdianz: Austropop, S. 19; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 229. 191 Interview Günther Pini, 12 und 14. 50

    Skiffle Group in Kombination mit ihrem musikalischen Stil, der sich an den angloamerikanischen Genres Skiffle, Folk und Blues orientierte, und dem Klang des für sie typischen Hackbretts bei der österreichischen HörerInnenschaft für einen Verfremdungseffekt. Ein Ausschnitt aus ihrem Lied Glaubst i bin bled aus dem Jahr 1970 zeigt, dass nicht nur die Verwendung des Dialekts als Mittel der Provokation diente, sondern auch Konrad Bayers Text selbst für die österreichische Musikszene dieser Zeit, die von Harmonie vermittelnden Schlagertexten dominiert wurde, höchst provokant war:

    Glaubst i bin bled, dass i waas wie spät’s is?/ Glaubst i bin bled, dass i hea wos du sogst?/ Glaubst i bin bled, dass i siech wias du ausschaust?/ Glaubst i bin bled, dass i waas wiri [h]aas?// Glaubst i bin bled, dass i gschbia wos i ångreif?/ Glaubst i bin bled, dass i schmeck wos i friss?/ Glaubst i bin bled, dass i riach wias du stinkst?/ Glaubst i bin bled, dass i waas wos i wü?192

    „Entscheidend war, daß sich der Nonsens am Rand des Absturzes bewegte, daß Trivalität [sic!] und Tragik einander nahe waren“193, so Wolfgang Kos. Der Einsatz der Mundart akzentuiert somit das experimentelle und provokante Potenzial des Lieds und hebt den neuen Handlungsspielraum dessen, was mit dem Dialekt fortan möglich ist, hervor. Wie sehr die Interpreten mit ihrer Dialektmusik, die – im Gegensatz zu den englischen Hits – von der gesamten Bevölkerung verstanden wurde, vor allem beim Establishment aneckten, zeigt zum einen das Sendeverbot ihres Anti-Kriegs-Lieds Karl, wie schaust du aus auf Ö3 und zum anderen die Zensur eines Songs zum Thema Umweltschutz, der eigens für eine Fernsehsendung aufgenommen, dann jedoch nie ausgestrahlt bzw. veröffentlicht wurde.194 Und obgleich die Worried Men Skiffle Group mit Hits wie Glaubst i bin bled (1970), Da Mensch is a Sau (1970), Trottl kannst mi hassn (1970), Kauf a Zeitung (1974) und I bin a Weh (1975) auch kommerziell erfolgreich waren, stand bei ihnen dennoch meist das Künstlerische im Vordergrund, wie Günther Pini berichtet:

    [J]etzt lassen wir das ganze Finanzielle und den messbaren Erfolg, also die Verkaufszahlen und die Hitparadenplätze außer Acht. Was ich als großen Erfolg sehe, was mich immer wieder freut, ist, dass so viele Textzeilen der Gruppe eigentlich in den Sprachgebrauch übergegangen sind, also Punchlines sind und immer wieder zitiert werden – zum Beispiel „Waunst a Weh brauchst“. Das ist wirklich ein Erfolg.195

    192 Konrad Bayer: Glaubst i bin bled. 1970. URL: https://genius.com/Worried-men-skiffle-group-glaubst-i-bin-bled-lyrics [20.03.2020]. 193 Wolfgang Kos: Rock in Wien. Ein Ausländer mit Anpassungsproblemen. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 14. 194 Vgl. Harald Havas: Das Austropop Sammelsurium. Wien: Carl Ueberreuter 2008, S. 148; vgl. Interview Günther Pini, 44. 195 Interview Günther Pini, 28. Anmerkung: „Weh“ wird im Wienerischen als Ausdruck für einen Versager oder Jammerlappen verwendet. 51

    Mit ihren kritischen und dialektalen Texten ebneten die KünstlerInnen der 68er- Generation einem neuen Trend den Weg, der auch noch Jahrzehnte später als das Aushängeschild der österreichischen Musik gilt: Der Austropop trat auf die Bühne. Dialektmusik gab es zwar bereits vor den ersten Austropop-Stars Marianne Mendt und Wolfgang Ambros und auch Elemente der angloamerikanischen Popmusik wurden bereits zuvor in die Musik österreichischer KünstlerInnen integriert. Was die MusikerInnen des Austropops aber von ihren VorgängerInnen unterschied, waren Innovationen, die es so noch nicht gegeben hatte. Eine Schlüsselrolle spielte dabei Wolfgang Ambros’ erste Single Da Hofa, die er mit seinem langjährigen Freund und Texter Joesi Prokopetz und dem Musikproduzenten Peter J. Müller 1971 veröffentlichte und den Start des Austropops einläutete.196 Unter Berücksichtigung heimischer, musikalischer Traditionen (z.B. Wienerlied, kritische Liedermacher) und aktueller, internationaler Musiktrends schufen sie einen Hit, der durch seine Eigenheiten – der morbide Inhalt, der für Prokopetz und Ambros typische musikalische Stil, der merkwürdige Klang des Klaviers (wurde über einen Leslie-Lautsprecher abgespielt) und das Fehlen eines Refrains – den Generationenkonflikt unterstrich.197 Im Wiener Dialekt stellt der sozialkritische Text satirisch die Vorurteile der spießbürgerlichen Eltern- und Großeltern- Generation authentisch dar und prangert sie, wie Prokopetz sagt, „mit einem Augenzwinkern“198 an.199

    Schau då liegt a Leich im Rinns[äu]/ ’s Bluat rinnt in Kann[äu]/ […]/ Wer is[n] des, kennst du den/ Bei dem zerschundnen G’sicht kaun i des net seh’n200

    Als zu Beginn des Liedes eine Leiche gefunden wird, versammeln sich die Schaulustigen und beginnen sogleich zu tratschen und Überlegungen anzustellen, wer denn der Mörder sein könnte. Schnell ist für die ganze Nachbarschaft klar, dass diese Tat nur der Herr Hofer begangen haben kann. Hofer verkörpert den ewigen Außenseiter, der keinen Anschluss an die Gesellschaft findet und dessen Handlungen seinen Mitmenschen prompt suspekt erscheinen, weil er sich durch sein Aussehen, sein Verhalten und seine Denkweisen von den anderen unterscheidet. Er wird von seinen NachbarInnen verurteilt, ohne Stellung beziehen zu können.

    196 Vgl. Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 382-383. 197 Vgl. Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 383; vgl. Rudi Dolezal/Joesi Prokopetz: Austropop – das Buch. Weltberühmt in Österreich. Berlin: Bosworth 2009, S. 15 und 31. 198 Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 10. 199 Vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 111-112. 200 Josef Prokopetz: Da Hofa. 1971. URL: https://genius.com/Wolfgang-ambros-da-hofa-lyrics [20.03.2020]. 52

    Da Hofa war’s vom zwanzg’er Haus/ Der schaut ma so verdächtig aus/ Da Hofa hot an Ånfoi kriagt/ Und hot die Leich do massakriert// Då geht a Raunen durch die Leit’/ Und a jeder hot sei Freid/Da Hofa woa’s da Sündenbock/ Da Hofa den wos kanna mog201

    Als sich jedoch herausstellt, dass es sich bei Hofer nicht um den Täter, sondern um das Opfer handelt, eröffnet sich dem Publikum die Frage, ob es sich bei Hofers Mörder um ein Mitglied der spießbürgerlichen Nachbarschaft handelt. „Der Hörer muß nachdenken: Wie verhalte ich mich dem Hofer gegenüber, wie stehe ich zu den Spießern?“202 Der Text eröffnet einen Raum für eine selbstkritische Reflexion über das eigene Verhalten und die persönliche Stellung in der Gesellschaft und regt an, über die Art nachzudenken, wie man selbst Außenseitern oder schlicht dem Unbekannten bzw. Undogmatischen begegnet. In diesem Kontext ist die Funktion des Dialekts, neben dessen Verwendung als sozialkritisches Ausdrucksmittel im Diskurs des Generationenkonflikts und in der Auseinandersetzung mit dem Spießbürgertum, auch als verstärkendes Authentizitätssignal aufzufassen. Der damals erst 19-jährige Ambros wirkte durch seinen Gesang im Wiener Dialekt aufrichtig und stellte sich seinen Fans gegenüber als ein kritisch-denkender junger Mensch dar, der auch als Künstler und Person des öffentlichen Lebens einfach er selbst war, wodurch er bei der österreichischen HörerInnenschaft an Sympathie und Popularität gewann.203 Mit kritischen und humorvollen Hits wie Da Hofa (1971), Tagwache (1973), Zwickts mi (1975), Es lebe der Zentralfriedhof (1975) und Schifoan (1976) erzielte Wolfgang Ambros im Laufe seiner Karriere nicht nur große Erfolge (enorme Verkaufszahlen in Österreich, Durchbruch in Deutschland, Titel als Austro-Rock-Kaiser und Vater des Austropops, ausverkaufte Konzerte in der Wiener Stadthalle), sondern sorgte auch wiederholt für kontroverse Diskussionen in der Öffentlichkeit, zum Beispiel erhielt er für das Lied Tagwache, das seine Erfahrungen und Frustrationen bezüglich des österreichischen Bundesheers kritisch thematisiert, sogar ein Sendeverbot auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern.204 Zwar ist der Sänger auch heute noch als Musiker aktiv und hat erst im vergangenen Jahr das Lied Servas Du (2019) in einer Austropop-Generationen-Kollaboration mit dem Dialektpop-Duo Seiler und Speer herausgebracht, doch den von seinen frühen Liedern gewohnten Erfolg in den Verkaufscharts und Hitparaden konnte Ambros ab Mitte der 1980er Jahre nicht mehr erzielen.205

    201 Prokopetz: Da Hofa. 202 Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 48. 203 Vgl. Larkey: Popular Music, S. 154-155; vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 24. 204 Vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 148; vgl. Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 382; vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 21-23; vgl. Verdianz: Austropop, S. 54. 205 Vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 24. 53

    Wie Ambros und Prokopetz bediente sich auch der Wiener Dichter, Sänger und „Maler der Wiener Schule des Phantastischen Realismus“206 Arik Brauer des Dialekts als Ausdrucksmittel für eine kritische Auseinandersetzung mit der kontemporären Gesellschaft. In der Tradition der kritischen Liedermacher schrieb er 1971 Sein Köpferl im Sand, „ein beinhartes Protestlied“207, das sich „gegen Jedermann [richtet,] der sich betroffen fühlt – auch gegen mich selbst“208, wie er zu Beginn des Liedes erklärt. Und so zeichnet er musikalisch ein lyrisches Ich, das mit einem schönen Haus, einem gut bezahlten und wenig anstrengenden Job und einer netten Ehefrau den Durschnitts-Österreicher verkörpert, der sich um nichts zu sorgen braucht und nicht weiter über das Übel in der Welt nachdenkt. Die einzelnen Strophen des Liedes wirken wie ein Newsflash im Radio oder Fernsehen und berichten jeweils von Hunger und Armut, Polizeigewalt und Machtmissbrauch sowie von Krieg und Tod. Das lyrische Ich spielt währenddessen stets den Gelassenen, lässt sich von diesen Geschehnissen nicht in seiner Idylle stören und ignoriert sie, als ob ihn der Rest der Welt nichts anginge.

    [Drauf/Do sogt a]: Hinter meiner, [vuada] meiner, links, rechts güts nix/ Ober meiner, unter meiner siach i nix/ [G’spia] nix, hea nix und i riach nix/ Denk i nix und red i nix und tu[a] i nix/ […] Waun da Wind [a] wahd, do steckt a/ Sei K[e]pferl in Sånd209

    Ignorant für all das Leid um sich herum, richtet sich dieses Protestlied nicht gegen die Taten der exemplarischen ÖsterreicherInnen, sondern konträr gegen ihr Nicht-Handeln, ihr fehlendes Engagement im politischen und sozialen Diskurs und ruft das Publikum implizit dazu auf, Stellung zu beziehen und anderen in ihrer Zwangslage (wenn auch nur durch das Erheben der Stimme) beizustehen.

    Als Sohn jüdischer Emigranten in Wien [hat Brauer] selbst erlebt, wie durch Ignorieren, bewußtes Übersehen oder aber durch tatkräftige Mithilfe anderer Menschen viele Mitbürger in den Tod geschickt wurden – als Soldaten im Weltkrieg oder als Juden, Zigeuner, Sozialisten in den Konzentrationslagern. Aus diesem Erleben ist sein rein emotionelles Engagement gegen Unmenschlichkeit und gegen die Haltung „auf die andern hau’i’n Hut drauf“ verständlich.210

    Um die österreichische Bevölkerung gezielt anzusprechen, verwendet Brauer in seinem Liedtext ein typisch österreichisches bzw. wienerisches Vokabular, zum Beispiel Kiwara (Polizei/Polizist), Hefen (Gefängnis) und Kråchn (Gewehr). Der Gebrauch der dialektalen Ausdrücke, die der Alltagssprache des Großteils der ÖsterreicherInnen entsprechen, bringt den

    206 Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 56. 207 Arik Brauer: Sein Köpferl im Sand. 1971. URL: https://genius.com/Arik-brauer-sein-kopferl-im-sand-lyrics [20.03.2020]. 208 Ebda. 209 Ebda. 210 Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 59. 54

    HörerInnen die Botschaft des Textes sowie die einzelnen Szenarien sprachlich und gedanklich näher und trägt somit dazu bei, die Missstände in der Gesellschaft verständlich darzustellen. Dem oberösterreichischen Individualisten Wilfried, bürgerlich Wilfried Scheutz, ging es bei seiner 1973 veröffentlichten Hardrock-Version des Volkslieds Ziwui Ziwui gewiss nicht um die Kreation eines unmissverständlichen Liedes. Bei der Textierung seiner frühen Werke orientierte er sich häufig an Mustern des alpinen Gstanzlgesangs (z.B. durch den Einsatz von Nonsens-Dichtung211) und zeigte somit auf, wie gut sich konventionelle alpenländische Formen mit modernen literarischen und musikalischen Elementen kombinieren lassen. In der Kombination der althergebrachten Strukturen des Gstanzlgesangs mit rockiger Instrumentierung entsteht ein Verfremdungseffekt als Zeichen des experimentellen Charakters seiner Musik.212

    Ziwui, ziwui – ziwui, ziwui/ Ziwui, ziwui, ziwuia/ Ziwal, zawal Zechnkas/ Es schlogt scho hoiwa Druia// […] // Und jetz hot oana gsunga/ Des hot si ned greimt/ Wann er’s n[u] amoi singt/ Oft vajog ma’n hoit gschwind’, woh!213

    Die banalen Zeilen des Refrains verdeutlichen ebenso wie die Textpassage der Bridge das Innovative an Wilfrieds Zugang. Seinen alternativen, alpenländischen Musikstil beschrieb er selbst 1973 in einem Interview mit dem Musikmagazin Hit als „Fusion von österreichischer Volksmusik und progressivem englischen Sound“214, der sich durch die Integration verschiedenster musikalischer Strömungen und Klänge über die Jahre hinweg laufend änderte, jedoch immer experimentell und ausgesprochen individuell blieb.215 Im Laufe seiner Karriere schnupperte der Sänger in alle möglichen Genres (Ballade, Blues, Disco, Funk, Jazz, Pop, Punk, Rock, Volksmusik, Weltmusik etc.) und auch in die Schauspielerei und ins Musikkabarett (als Sänger der EAV) hinein, „weil [er] es leid war, den wiener kritikern den unterschied zwischen volkstümlicher dodl-schlager-musik und volksmusik zu erläutern.“216 Seine musikalischen Crossover-Experimente mit traditioneller Volksmusik und verschiedensten anderen Musikstilen moderner Populärmusik trugen über die Jahre dazu bei, MusikerInnen wie

    211 Vgl. Hans Moser: Das große Wörterbuch der Tiroler Dialekte. Innsbruck: Haymon 2020. URL: https://books.google.at/books?id=- LfVDwAAQBAJ&pg=PT431&dq=Ziwui+Ziwui&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwj64ff64afuAhWptIsKHSu6AiQQ6AEwAHoECAQQAg #v=onepage&q=Ziwui%20Ziwui&f=false [19.01.2020]. Stichwort: zwui, zwoi, ziwoi, fi zwui. 212 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 250. 213 Wilfried Scheutz: Ziwui Ziwui. 1973. URL: https://genius.com/Wilfried-ziwui-ziwui-lyrics [20.03.2020]. 214 Verdianz: Austropop, S. 70. 215 Vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 142. 216 Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 152. 55

    Attwenger oder Hubert von Goisern sowie dem in den 1990er Jahren auftretenden Phänomen der Neuen Volksmusik den Weg zu bereiten.217 Wie Wolfgang Ambros wird auch dessen Wiener Freund und Kollege Georg Danzer von Edward Larkey als einer jener MusikerInnen der Austropop-Szene charakterisiert, dessen Erfolg auf dem Image des authentischen und kritischen Liedermachers basierte.218 Noch bevor Danzer 1975 mit Jö schau seinen ersten Hit als Sänger landete und selbst zum Austropop-Star wurde, hatte er bereits fünf Jahre zuvor Songs für zahlreiche österreichische Musikgrößen wie Marianne Mendt, André Heller, Wolfgang Ambros, Erika Pluhar und Wilfried geschrieben. Eine Karriere als Solokünstler hatte der introvertierte Vollblutmusiker eigentlich nicht geplant, da er nicht gerne im Mittelpunkt des Geschehens stand.219 „Ich habe eigentlich den Beruf des Interpreten nur deshalb gesucht, weil ich irgendwann gemerkt habe: Ich kann – in Österreich zumindest – nicht davon leben, für andere Leute Lieder und Texte zu schreiben.“220 Seine Berufswahl sowie seine Einstellung zur Kunst bzw. Musik wurde letztlich durch eine große Fangemeinde im In- und Ausland sowie durch zahlreiche Auszeichnungen bestätigt. Er selbst verstand sich als Sprachrohr eines kritischen Denkens:

    Wenn ich fest davon überzeugt bin, dass einer Blödsinn redet und alle anderen furchtbar davon überzeugt sind, weil man das einfach aus Respekt ernst zu nehmen hat, dann habe ich als Künstler die Verpflichtung, das künstlerisch offensichtlich zu machen, und das habe ich in sehr vielen Liedern versucht und teilweise auch mit Erfolg.221

    Dies zeigt sich zum Beispiel an Danzers erster Single Jö schau, in der er einen grotesken Besuch eines Exhibitionisten im legendären Wiener Kaffeehaus Hawelka, damals Treffpunkt für KünstlerInnen und Intellektuelle, schildert. Während die Wirtin und ein Teil der Gäste bestürzt reagieren und den Herren zum Gehen auffordern, sind der Wirt und andere BesucherInnen amüsiert bzw. stören sich nicht weiter an der extravaganten Art des Neuankömmlings.

    jö schau, so a sau, jössas na/ wås måcht a nåck[ata] im hawelka/ geh wui, oiso pfui, åndrerseits/ a so a nåck[ata], håt a sein’ reitz/ måch ma h[oi]t a ausnahm’/ san [ma] heit’ ned grausam/ we[il]/ ein bohemienlokal/ pfeift auf spießbürgermoral222

    Zum einen nimmt der Sänger und Komponist die Wiener Künstlerszene mit dem Drang zur Selbstdarstellung, mit ihrem Narzissmus und den Starallüren der selbsternannten Prominenten

    217 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 250. 218 Vgl. Larkey: Popular Music, S. 154-155. 219 Vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 20; vgl. Verdianz: Austropop, S. 50. 220 Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 45. 221 Ebda, S. 63. 222 Georg Danzer: Jö schau. 1975. URL: http://www.georgdanzer.at/lieder/joe-schau/ [20.03.2020]. 56

    („a wånn mi kaner kennt, i bin sehr prominent“223) aufs Korn. Zum anderen kritisiert er aber auch die Spießbürgerlichkeit der Leute, denn immerhin sollten gerade die BesucherInnen eines solchen Lokals einer unkonventionellen Künstlernatur gegenüber toleranter sein. Bedenkt man, dass Danzer die Idee zu diesem Lied hatte, als er als junger Musiker zum ersten Mal als Gast im Kult-Café Hawelka war und sich neben all den Größen der österreichischen Kunst- und Kulturszene „wie nackt“224 fühlte, so erscheint das Lied als Bitte an seine KollegInnen, ihn unbefangen in ihre Kreise aufzunehmen und neuen Talenten nicht engstirnig oder spießig zu begegnen. In diesem Kontext übernimmt die Verwendung des Dialekts eine überaus bedeutende Funktion, da sie komisierend wirkt und der Kritik daher die Schärfe nimmt. Der Text ist, wie bereits im Falle von Ambros’ Da Hofa, mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Durch den Einsatz der Wiener Mundart erscheint das Lied weniger wie ein Anprangern der Bourgeoisie und mehr wie eine humoristische Anekdote. Ein weiteres Beispiel für die humoristische Wirkung des Dialekts bietet Georg Danzers Hupf’ in Gatsch, das 1976 veröffentlicht wurde und rasch Volksliedstatus erreichte. Der Protagonist wird zu Beginn des Liedes als „hackla“225 (Arbeiter) ausgewiesen, der betrunken auf dem Heimweg vom Heurigen einen feinen Herrn im Sportwagen mit Kirschkernen bespuckt. Als der Sportwagenbesitzer seinen Unmut darüber kundtut, erklärt der Betrunkene ihm in typischer Wiener Manier, was er von seiner Beschwerde hält.

    hupf in gatsch, und schlåg a wöhn/ owa tua mi do ned quöhn/ hupf in gatsch, und gib a ruh’/ sonst schließ ich dir die augen zu/ so an oamutschkerl wia dia schenk i[ch] an schülling/ oda na, i gib da zwa, du bisd a zwülling/ weu ana alan kaun do ned so deppert sein/ hupf in gatsch, und gråb di ein!226

    Diese Repräsentation des Typus des Wiener Grantlers zeigt verschiedene Arten auf, wie jemand beleidigt bzw. beschimpft werden kann. Danzer spielt hier mit diversen soziokulturellen Klischees, weshalb der Dialekt nicht nur der Komisierung, sondern auch der Einordnung in das dargestellte soziale Milieu dient. Darüber hinaus veranschaulichen einige Lieder Danzers, zum Beispiel Ruaf mi net an oder Jö schau, dass der österreichische Dialekt im Vergleich zur Standardvarietät aufgrund des Vokalreichtums besser zum Reimen geeignet ist.

    223 Ebda. 224 Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 96. 225 Georg Danzer: Hupf‘ in Gatsch. 1976. URL: https://www.georgdanzer.at/lieder/hupf-in-gatsch/ [27.09.2020]. 226 Ebda. 57

    jö schau, so a sau, jössas na/ wås måcht a nåck[ata] im hawelka/ geh wui, oiso pfui, meiner söh/ h[e]rst i schenierat mi an seiner stöh227

    Dieser Textauszug ist nicht nur beispielhaft für einen gelungenen reinen Reim im Dialekt (söh/stöh; wui/pfui), der phonetisch und auch lexikalisch in der Standardvarietät nicht möglich wäre (Seele/Stelle; kein passendes Pendant/pfui), sondern illustriert ferner, dass der Gleichklang mehrerer Vokale innerhalb einer Strophe (jö, jössas, söh, stöh; wui, pfui) zu einem klanglich abgerundeten Gesamtbild des Liedes beiträgt. Dieser Meinung ist auch der Sänger und Liedtexter Marco Blascetta, der im Interview verrät, weshalb er seine Songs so gerne in der Mundart verfasst:

    [Der Dialekt] hat so viele Vokale, er eignet sich super zum Schreiben von Liedern, es ist für mich auch leichter Reime zu finden. Er ist weicher, er ist nicht so hart und technisch – der deutschen Sprache kann man, glaube ich, schon vorwerfen, dass manche Ausdrücke sehr straight und technisch klingen – da ist dieses weiche Österreichische sehr dankbar zum Texten.228

    Ein österreichischer Musiker, dem es nie um kommerziellen Erfolg ging, sondern nur darum, gehört zu werden und einen Beitrag zum politischen Diskurs leisten zu können, war der kritische Liedermacher Kurt Winterstein.

    Wie mein großes Vorbild Walter Mossmann betrachte ich meine Lieder als „Flugblattlieder“, die mensch nachsingen, umtexten, wegschmeißen kann. Daher bin ich auch nicht bei der AKM bzw. Litera mechana, die ja dafür sorgen, dass Künstler zu ihren Tantiemen kommen.229

    Bekannt wurde der Sänger und Komponist in den Siebzigern durch sein politisches Engagement und sein Mitwirken bei der ersten österreichischen Anti-AKW-Platte und der Psychiatrieplatte sowie mit seinem Kronenzeitungslied, für das er sich sogar vor Gericht verantworten musste.230 Mit dem Song Wienerlied veröffentlichte er 1977 auf der ersten österreichischen Anti-AKW- Platte ein politsatirisches Werk, mit dem er die Inbetriebnahme eines Atomkraftwerks in Zwentendorf zu verhindern versuchte.

    Bereits in den sechziger Jahren faßten SPÖ und ÖVP in ihrem Bestreben, Österreich an die führenden Wirtschaftsnationen des Westens heranzuführen, den Beschluß, auch hierzulande ein Kernkraftwerk zu bauen. Also wurde eine bundesdeutsche Firma beauftragt, in Zwentendorf ein Atomkraftwerk zu errichten.231

    227 Danzer: Jö schau. 228 Interview Marco Blascetta, 90. 229 Kritische Lieder Wiki: Kurt Winterstein. Zuletzt geändert am 03.02.2020. URL: https://www.kritische- lieder.at/w/index.php?title=Kurt_Winterstein [02.11.2020]. 230 Vgl. ebda. 231 Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 84. 58

    Da die Gegenstimmen in der Anti-AKW-Debatte nach Beendigung des Baus immer lauter wurden, konnte die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks durch eine Volksabstimmung am 5. November 1978 unterbunden werden. An der Seite der Kernkraftwerksgegner, die die österreichische Bevölkerung zuvor mit Demonstrationen, Flugblättern und Plakaten auf die Gefahren eines Kernkraftwerks aufmerksam gemacht hatten, kämpften auch kritische LiedermacherInnen wie Kurt Winterstein, Sigi Maron und Eva Pilz.232 Winterstein lehnt sich mit dem Lied Wienerlied an die Tradition des Wienerlieds an, indem er typische Elemente wie den Wiener Dialekt, die Themen Tod und Resignation sowie einen humorvollen Unterton (schwarzer Humor) übernimmt und gepaart mit Politkritik und Spott einsetzt.233

    A klanes Beben, gånz knåpp daneben,/ dånn brauchen wir ka Musi und kan Wein,/ wånn ma die Påtschen streckt,/ glei mitanånd verreckt,/ wird der Zentralfriedhof sog[oa] für uns zu klein.234

    Die humorvolle Tönung erhält das Lied nicht bloß durch den schwarzen Humor, mit dem hier ein möglicher GAU belächelt wird – auch musikalisch verdeutlicht die fröhliche Melodie, die zum Mitsingen und Mitschunkeln einlädt, den harten Kontrast zum düsteren Inhalt des Liedes. Während im zweiten Vers noch von den schönen Dingen des Lebens die Rede ist (Musik und Wein), wird in den darauffolgenden Zeilen der Tod tausender Menschen thematisiert. Dies geschieht, wie es für ein Wienerlied charakteristisch ist, mittels dialektaler Ausdrücke bzw. Redewendungen (die Påtschen strecken, verrecken = sterben), um das Grausame, wie es die Wiener üblicherweise tun, mit Schmäh zu mildern. Trotz des humoristischen Zugangs werden die ZuhörerInnen deutlich gewarnt, die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks ernst zu nehmen und den ExpertInnen der Regierung nicht zu trauen.

    Experten von dem Fach, sång: Måcht’s net so an Krach,/ jå so ein Kernkraftwerk wern wir scho sicher baun,/ doch leider wiss’ ma h[oi]t, die werden hoch bez[oi]t,/ drum sollst Experten lieber a net gånz vertraun.235

    Mit seinem Wienerlied zeigt Kurt Winterstein exemplarisch, wie der Dialekt aufgrund lexikalischer Eigenheiten als Mittel der Politkritik eingesetzt werden kann, weil er dem ‚Volk‘ auf sprachlicher Ebene ein Gemeinsames signalisiert, das gegen die abgehobenen Eliten in Politik und Wissenschaft ausgespielt werden kann.

    232 Vgl. Ebda, S. 84. 233 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 69; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 217. 234 Kurt Winterstein: Wienerlied. In: Erste österreichische Anti-Atomkraftwerksplatte [Schallplatte]. 1977. URL: https://www.youtube.com/watch?v=1uquIQ4Nvg4&feature=youtu.be&t=1170 [20.03.2020]. 235 Ebda. 59

    Des kritischen Gestus des Dialekts bediente sich auch Ludwig Hirsch, der sich in seinem Lied Die Omama 1978 mit der nationalsozialistischen Geschichte Österreichs bzw. mit der (teilweise weiterhin) nationalsozialistisch geprägten Mentalität der Großeltern-Generation auseinandersetzte. „Die Mundart ist hier eine ursprüngliche, persönliche Ausdrucksform, die im Gegensatz zu den Obrigkeits-Konzepten der Hochsprache […] zumindest kritische Fragen ermöglicht: Der Dialekt ‚bringt zur Sprache‘.“236 Im Falle Ludwig Hirschs brachte der Dialekt häufig das Unsagbare oder besser gesagt das „ausschließlich in der Mundart Sagbare“237 zum Ausdruck, denn der aus der Steiermark stammende Schauspieler, Sänger und Komponist war vor allem für seine makabren, morbiden und dunklen Texte bekannt, in denen er Bruchlinien und Problemfelder der Gesellschaft aufzeigte.238 Ausgangspunkt ist dabei das Begräbnis der Großmutter:

    [Do] steh ma [jetzt] am Stammersd[ua]f[a] Friedhof/ regnen tuat’s di Fiaß tuan ma scho weh/ Da Pfårr[a] sogt: „Sie woar a so a herzensguter Mensch“/ und trotzdem f[oi]t ma’s Wanen he[u]t so schwer/ die Omama, die Oma ist nicht mehr239

    Wie verhält man sich, wenn die eigene Familie bzw. die Menschen, die einem am nächsten stehen und zu denen man eigentlich aufblicken sollte, Schreckliches getan haben oder Gedankengut verbreiten, das man bei aller Liebe nicht teilen kann? Wie begegnet man diesen Menschen trotz des Wissens, was sie getan haben, mit Stolz und Zuneigung? Diese Fragen stellen sich den HörerInnen bei dem Lied Die Omama, das die Generation der Großeltern und ihre Rolle in der NS-Vergangenheit Österreichs kritisch betrachtet. Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte Österreichs war lange Zeit auch in der Literatur ein Tabu- Thema, zum einen, weil sich die ÖsterreicherInnen gerne in der Rolle des ersten Opfers des nationalsozialistischen Regimes darstell(t)en, und zum anderen, weil die Wunden noch zu frisch, das Erlebte noch zu nahe erschien. Da die Jungen jedoch die Auffassung vertraten, dass viele der Älteren nicht aus dem Geschehenen gelernt hatten und sich mit ihrer Meinung weiterhin im Recht sahen, entstanden nach und nach literarische und musikalische Werke, in denen ebendies angeklagt wurde.

    236 Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 326. 237 Beisbart/Maiwald: Dialekt in der Literatur, S. 131. 238 Vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 29-30. 239 Ludwig Hirsch: Die Omama. 1978. URL: http://www.phipsi.at/thofi/LiederPDF/Gesamt.pdf [23.09.2020]. 60

    Amoi hob is g’frogt: „Wo is da Opa?“/ Im Himmel auf an Wo[i]kerl spült [a] Geign/ für Führer, Volk und Vaterland, erschossen, aufg’hängt und verbrånnt/ doch das hat sie dem Adolf stets verziehn’/ er håt ihr jå [is] Mutterkre[i]z verliehn’240

    Obgleich der Inhalt des Textes ausgesprochen düster ist, findet Hirsch dennoch Gelegenheit, die Stimmung gegen Ende des Liedes durch humorvolle Anspielungen auf vorherige Verse aufzuheitern und stellt eine Absolution in Aussicht, indem er das mögliche Szenario einer Ankunft der Oma im Himmel schildert.

    Oma, pfiat[i] Gott, mochs drüben besser/ moch kane Kn[e]dln für die Engerl, sei so guat/ tua net die H[äu]ligen sekiern, tua net den Opa denunziern/ und gehst zum Herrgott auf Besuch a guata Tipp: / Omama nimm’s Mutterkre[i]z net mit241

    Mit Texten wie diesem bewegte sich Hirsch immer wieder auf einem schmalen Grat zwischen schwarzem Humor und Tragischem, wobei er versuchte, düstere Geschichten aus dem täglichen Leben zu erzählen und durch den Dialekt erzählbar zu machen.

    Ludwig Hirsch zählt nicht nur zu den ersten Vertretern des Austropop, sondern auch zu den Schöpfern eines ganz eigenen Musikstils innerhalb des Austropopgenres. Seine Lieder bestechen weniger durch Komik als durch den tragischen Humor und die Traurigkeit der Begebenheiten, welche Menschen tagtäglich erleben.242

    Mit seinem unverwechselbaren Stil, der ihm für sein Image als glaubwürdiger Künstler überaus wichtig war, konnte er das Publikum rasch überzeugen. Dank großer Unterstützung von anderen MusikerInnen wie Danzer und Mendt sowie bedeutenden Freunden im Musikbusiness wie Karl Scheibmaier und Ernst Grissemann schaffte es Hirsch bald, einen Plattenvertrag bei dem einstigen Major Label Polygram zu ergattern und den Erfolg seiner Debüt-LP Dunkelgraue Lieder mit zwei goldenen Schallplatten zu feiern.243 „Man muss versuchen, schnell unverwechselbar zu werden. Und man darf nicht kopieren. Das Nicht-austauschbar-Sein ist so wichtig. Bei mir hat’s funktioniert, deshalb feiere ich noch immer Erfolge.“244

    240 Ebda. 241 Ebda. 242 Zerbs: Amerikanisierung, S. 241. 243 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 50-51; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 241; vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 114 und 116; vgl. Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 148-149. 244 Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 149. 61

    4.3 1980er Jahre: Das Jahrzehnt der inoffiziellen Volkshymnen

    Die 1980er Jahre gelten aufgrund der „Dichte der Charterfolge“245 österreichischer Musik allgemein als „das kommerziell erfolgreichste Jahrzehnt in der österreichischen Popularmusik“246, was auch die erhobenen Daten aus der Chartanalyse der Single- Jahreshitparaden in Kapitel 3.2 bestätigen. Insbesondere der Austropop und die Dialektmusik erlebten in diesem Jahrzehnt einen Höhenflug bezüglich der Anzahl der Chartplatzierungen österreichischer KünstlerInnen. Mit einem durchschnittlichen Anteil von 14% weisen die Charts der Single-Jahreshitparaden der 80er Jahre einen bis dato unerreichten Höchstwert an dialektalen Liedern in den Top-20 auf. Unter den 25 Dialektliedern, die in diesem Jahrzehnt eine Platzierung unter den Top-20 erzielen konnten, sind drei Lieder des Wiener Liedermachers und Gitarristen Peter Cornelius, der neben Rainhard Fendrich und den Gruppen STS und EAV als einer der kommerziell erfolgreichsten österreichischen MusikerInnen dieses Jahrzehnts gilt. Auch wenn der Sänger und Gitarrist bereits Mitte der Siebziger durch den Sieg bei dem Fernseh-Musikwettbewerb Show-Chance und dem daraus hervorgegangenen Song Die Wolk’n bekannt geworden war, galt er erst ab Anfang der 80er Jahre als Nachfolger der Wiener Austropop-Stars Ambros und Danzer bzw. als Teil der neuen Austropop-Generation.247 Dieser Karriereaufschwung ging vor allem auf den Durchbruch am deutschen Musikmarkt mit der 1981 veröffentlichten Single Du entschuldige - i kenn’ di und dem darauffolgenden Album Zwei, in dem das Lied ebenfalls enthalten war, zurück.248 Das Lied, dem häufig eine Nähe zum Genre Schlager zugeschrieben wird, erzählt von einer unerwiderten Liebe in der Jugend, die im Erwachsenenalter neu aufflammt und dieses Mal eine Chance erhält, als das männliche lyrische Ich seinen Schwarm aus der Schulzeit 15 Jahre später zufällig in einem Lokal trifft.

    Sie w[oa] in der Schul’ der erklärte Schwarm/ Von mir und von åll meine Freund’, doch dånn/ Am letzten Schu[i]tag da stellte das Leben seine Weich’n/ Wir hå[m] uns sof[ua]t aus die Aug’n verlor’n/ […]/ Und v[ua]gestern sitz i in [an] Lokal/ I schau in zwa Aug’n und waß auf [amoi]/ Es is dieses Blau, des låßt si mit g[oa] nix vergleich’n249

    245 Verdianz: Austropop, S. 64. 246 Ebda, S. 20. 247 Vgl. ebda, S. 50 und 62. 248 Vgl. ebda, S. 54. 249 Peter Cornelius: Du entschuldige – i kenn‘ di. 1981. URL: https://genius.com/Peter-cornelius-du-entschuldige-i-kenn-di- lyrics [20.03.2020]. 62

    In Cornelius’ Lied zeigt sich Sprache als Ausdrucksmittel der Nähe und Emotionen, mit dem ein Bild einer schicksalhaften Liebe gemalt wird, das sich das gefühlsbetonende Element der Nostalgie und die gesellschaftliche Konnotation des Dialekts als Ausdrucksform des Nahbereichs und Intimen zunutze macht.250 Das lyrische Ich berichtet der mittlerweile erwachsenen Frau von seinen Gefühlen und davon, wie er sie damals als Mädchen während ihrer gemeinsamen Schulzeit wahrgenommen hat.

    Du entschu[i]dige i kenn di/ Bist du net die Klane/ Die i scho [oi]s Bua gern g’håbt håb/ […]/ I håb Nächte lång net g’schlåf’n/ Nu[a] wei du im Schu[i]hof/ [Amoi] mit die Aug’n zwinkert håst/ K[u]mm wir streichen f[u]fzehn J[oa]h/ H[u]l’n jetzt ålles nåch/ [Oi]s ob dazwischen [a]fåch nix w[oa]// […] // Sie m[a]nt k[u]mm probier’ [ma]’s h[oi]t jetzt mit[a]nånd’251

    Du entschuldige - i kenn’ di ist Österreichs Antwort auf die Hollywood-Lovestorys, in denen die Liebenden allen Widrigkeiten trotzen und immer wieder zueinander finden. Das Lied wurde unter anderem deshalb so erfolgreich, weil die ProtagonistInnen dem Publikum glaubwürdig erscheinen und ein hohes Identifikationspotential bieten – insbesondere, da sie sich der (Gefühls-)Sprache des Volkes bedienen. Mit Nummern wie Du entschuldige - i kenn’ di (1981), Reif für die Insel (1982), Süchtig (1984) und Segel im Wind (1985) trug der Wiener Sänger und Grammy-Gewinner erheblich zum Erfolg des Austropops und der Dialektmusik in den 1980er Jahren bei und zeigte, dass der Dialekt nicht nur für kritische Lieder, sondern auch für unbeschwerte Texte geeignet ist, die von erfreulichen Ereignissen und glückseligen Empfindungen berichten, die den HörerInnen nahe gehen. Eine gänzlich andere Richtung schlug die „Theaterrockgruppe“252 Drahdiwaberl ein, die unter der Leitung des Frontsängers Stefan Weber zwar bereits 1969 aus der Band Wabbs Crew hervorgegangen war, ihr erstes Album Psychoterror jedoch erst 1981 herausbrachte.253 Neben Weber, der ein fester Bestandteil der Gruppe war, wechselten die Mitglieder der Drahdiwaberl laufend – so waren unter anderem auch Falco, Jazz Gitti und Wolfgang Staribacher eine Zeit lang Mitglieder der Band. Darüber hinaus wirkten bei den aufwendigen Shows der Gruppe häufig auch „genrefremde, aber befreundete Künstler wie etwa Franzi Bilik (ein leider schon verstorbener Liedermacher und Kabarettist) oder Heli Deinboek“254 mit, sodass es des Öfteren zu einer großen Ansammlung von musizierenden oder darstellenden KünstlerInnen (30-40

    250 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 68; vgl. Neuhuber/Edler/Zehetner: Bairisch-österreichische Dialektliteratur, S. 17. 251 Cornelius: Du entschuldige – i kenn‘ di. 252 Larkey: Popular Music, S. 154-155; Zerbs: Amerikanisierung, S. 252. 253 Vgl. Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 103; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 253; vgl. Ernst Weiss: Vom Wiener Blutrausch und Atlantis. Die siebziger Jahre. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 55. 254 Weiss: Vom Wiener Blutrausch, S. 59. 63

    Personen) auf der Bühne kam.255 Ihren Namen Drahdiwaberl wählte die Chaos-Truppe wohl bewusst in deutscher Sprache, um sich von den anderen Bands ihrer Zeit abzuheben und ihre (nicht nur künstlerische) Sonderstellung hervorzuheben. Gedeutet werden kann der Name zum einen als Anspielung auf die dialektale Variante der Aufforderung ‚Dreh dich Barbara‘ (Waberl oder Wabi = Dialektdiminutiv von Barbara256) und zum anderen als Wiener Dialektausdruck für einen Kreisel, was angesichts der wilden Shows der Theaterrockgruppe eine durchaus denkbare und passende Metapher dafür wäre, was einen bei einem Drahdiwaberl-Konzert erwartete.257 Musikalisch bewegte sich die Band im Bereich des Punk Rock, Hard Rock und der New Wave-Musik. Ihre Musik bzw. Bühnenauftritte orientierten sich am Wiener Aktionismus sowie an der US-amerikanischen Band The Tubes und den britischen Bands The Who und Edgar Broughton.258 Bei ihren Konzerten schockierten Drahdiwaberl die ZuschauerInnen gerne mit Nacktheit und ungezügelten bzw. theatralischen Exzessen auf der Bühne, bei denen sie ihre Musikinstrumente zerschlugen und mit allerlei Flüssigkeiten (z.B. Tierblut) um sich warfen, weshalb sie von KritikerInnen als ordinär und vulgär bezeichnet wurden.259 Nicht überraschend kam es für die Band regelmäßig zu Auftrittsverboten und Sendeverboten ihrer Lieder im Rundfunk. Doch auch ohne Airplay schaffte es die Gruppe, von sich zu überzeugen und 17.000 Stück ihres Debüt- Psychoterror zu verkaufen.260 Hinter der wilden Fassade der Rocker standen Texte mit kritischen Inhalten, die aktuell relevante Geschehnisse und Tabu-Themen wie Sex und Pornographie, Gewalt, Rechtsradikalismus, Machtmissbrauch und Korruption parodistisch beleuchteten. Die Zeit- und Gesellschaftskritik der Drahdiwaberl richtete sich in erster Linie gegen den „stumpfsinnigen Trott, [das] brav Ja- und-amen-Sagen“261 und die Gleichgültigkeit ihrer MitbürgerInnen.262 Als Paradebeispiel solch eines Textes gilt das Lied Machomann, das 1981 auf der LP Psychoterror erschien und sich über die regressive bzw. invariante Stellung der Frauen in der österreichischen Gesellschaft, die hierzulande als fortschrittlich betrachtet wurde, mokiert.

    255 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 64; vgl. Weiss: Vom Wiener Blutrausch, S. 59; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 16. 256 Vgl. Barbara Moser: Waberl. URL: http://www.menschenschreibengeschichte.at/index.php?pid=30&kid=1211&wid=11204&abc=22 [19.01.2020]. 257 Vgl. Larkey: Popular Music, S. 184; vgl. Weiss: Vom Wiener Blutrausch, S. 59; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 16. 258 Vgl. Larkey: Popular Music, S. 184; vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 17; vgl. Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 385; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 253. 259 Vgl. Larkey: Popular Music, S. 184; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 252; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 16; vgl. Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 106. 260 Vgl. Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 23 und 103; vgl. Larkey: Popular Music, S. 179. 261 Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 22-23. 262 Vgl. Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 106; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 253-254. 64

    Tua ma bisserl spieli/ (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz)/ Sei sch[e] f[ui]gsam – li[a]b und adrett/ [G]usch i wü jetzt a Hu[a] im Bett// […] // z[a]brich da net dei hübsches Köpferl/ schau li[a]b[a] in dei Suppentöperl// [..] // He Luci!/ jetzt måch ma a neichs Butzi/ (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz)/ Tua net [mödn] – sei brav und st[üü]/ måch sch[ee], wås dei Herr und Gebieter [jetzt] wü// […] // He Rosi!/ då wåsch mei Unterhosi!// […] Ihr Frauen sad’s do wirklich (eh scho) frei,/ dass’d Männer ånschoffen, is do[ch] einerlei263

    Wie diese Textausschnitte illustrieren, wird das konservative Konzept der Frau als Hausfrau und Mutter bzw. die männliche Vorstellung davon, wie eine Frau sein sollte, parodiert. Wie der Text suggeriert, beschränkt sich die Rolle der Frau in der österreichischen Gesellschaft der 80er Jahre darauf, den Haushalt zu führen (kochen und Wäsche waschen), zu gebären, dem Mann zu gefallen, all seine Wünsche zu erfüllen, keine Widerworte zu leisten und immer hübsch auszusehen. Der überaus sarkastische Unterton des Textes wird durch die Vortragsweise gestützt, indem den Aussagen des männlichen Protagonisten Stöhn- und Grunzlaute folgen, die ihn animalisch und primitiv erscheinen lassen, wohingegen der kurze Teil des Textes, in dem eine Frau zu Wort kommt, mit einer Roboter-Stimme gesprochen wird.

    I putz die Wohnung, stopf seine Socken/ wåsch des Gschirr, drah ei mei Lockn/ koch wås Guat’s, bügel die Wäsch/ am Åbnd måch i mi für eam recht fesch/ I erstick in’d Windeln und Unterhosen/ [doch] am Muttertåg schenkt er m[ir] Rosen./ So a Le[m] is fad und net sehr erbaulich/ i bin lieber stad (still) und wie e[a] wü – /fraulich.264

    Die Roboter-Frau arbeitet (wie eine Maschine) unermüdlich, widerspricht dem Mann nicht und gibt sich mit dem zufrieden, was sie bekommt – doch ist sie sich durchaus der Tatsache bewusst, dass sie kein erfülltes Leben führt. Mit Persiflagen auf Alltagsklischees wie diesen erschlossen Drahdiwaberl der Dialektmusik auch neue Aufgabenfelder:

    Eine Besonderheit der ‚Drahdiwaberl‘ ist die Behandlung von Frauenthemen. Auf diesem Gebiet hinken die meisten Texte ja weit hinter der Realität her. In einer Zeit, in der die Frauenarbeit selbstverständlich geworden ist, in der (in Österreich) Frauen bereits mehr als die Hälfte der Studenten stellen, besingen viele Bands noch immer vorwiegend vollbusige und langbeinige Weibchen. ‚Drahdiwaberl‘ treiben die Vorstellung vom Hausmütterchen auf die Spitze und verulken sie damit.265

    Drahdiwaberl nutzten den Dialekt in ihren Texten, um aktuell Relevantes kritisch zu hinterfragen und auf schockierende Weise parodistisch zu kommentieren. Mit ihren

    263 Stefan Weber: Machomann. In: Psychoterror [Schallplatte]. Wien: Gig Records. 1981, Side 1 Nr. 3. 264 Ebda. 265 Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 106. 65 provokanten Liedern und Shows wirkten sie nicht nur auf die musikalische Szene, sondern auch auf die Gesellschaft (z.B. die Frauenbewegung) der 80er Jahre ein. Ebenso wie Drahdiwaberl verwendete auch der Wiener Protestsänger Sigi Maron die Mundart, um gängige Handlungs- und Denkweisen der ÖsterreicherInnen zu kritisieren und Missstände im Umgang mit gesellschaftlichen Minderheiten aufzuzeigen. Seine Karriere begann der kritische Liedermacher bereits Mitte der Siebziger, jedoch ohne dabei kommerziellen Erfolg verbuchen zu können. Im Fokus seiner Musik stand vielmehr der Wunsch, den Unterdrückten und AußenseiterInnen der Gesellschaft seine Stimme zu leihen und seine Wut und Verzweiflung über Ungerechtigkeit im täglichen Leben zu äußern. Die dabei entstandenen Werke Marons, denen teils ein sarkastischer bzw. zynischer Unterton zugrunde liegt, wurden häufig als aggressiv, provokant oder auch obszön bezeichnet, da die sprachlich scharfen Karikaturen trotz der parodistischen Ausrichtung der Texte heftige Kritik an den Verhaltensweisen der österreichischen BürgerInnen übten.266

    Sigi Maron engagiert sich in seinen Liedern für all diejenigen, die auf der Schattenseite unseres Wohlfahrts- und Sozialstaates leben. Er singt vom ägyptischen Zeitungsausträger, der von einem Auto überfahren wird […], von der Verkäuferin im Supermarkt, die auch einmal die Sonne sehen möchte und durchdreht […], von alten Menschen, die im Elend sterben […]. […] Er wendet sich gegen die alten und neuen Faschisten („waun da adi no wa“) und Ausländerfeindlichkeit.267

    Seinen Unmut über die alltägliche Ausländerfeindlichkeit in Österreich gegenüber Mitmenschen mit Migrationshintergrund bekundete er in seinem 1982 erschienenen Lied He Du Bub, das von einer spätabendlichen Begegnung zwischen dem Österreicher Herr Kosinec und dem 12-jährigen Zlatko in einer verrauchten Gaststätte berichtet. Als der Junge das Lokal betritt, pöbelt das lyrische Ich, Herr Kosinec, den Buben in nachgeahmtem Migrantendeutsch an, fragt ihn, was er hier zu suchen habe und unterstellt der Familie des Kindes, alle möglichen Klischees und Vorurteile zu bedienen. Im Refrain kommt es schließlich zum Einsatz des Dialekts, der hier zur Figurencharakterisierung und zur Darstellung des Settings verwendet wird.

    Freitog auf d’Nocht/ Im Beisl um de Eckn/ Durt wo de erstn Fliagn/ Im [Oim]dudler verreckn/ Freitog auf d’Nocht/ Im Beisl um de Eckn/ Durt wo de erstn Fliagn/ Im [Oim]dudler verreckn268

    Wie sein lyrisches Ich greift auch Maron auf Klischees zurück und vermittelt den HörerInnen durch die Kombination des Wiener Dialekts mit den Textzeilen, die ein tristes und nicht mehr

    266 Vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 103; vgl. Verdianz: Austropop, S. 51; vgl. Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 76. 267 Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 78. 268 Sigi Maron: He Du Bub. 1982. URL: https://www.musixmatch.com/de/songtext/Sigi-Maron/He-Du-Bub [20.03.2020]. 66 florierendes Gasthaus beschreiben, dass die Zeit des engstirnigen und mit Vorurteilen behafteten Denkens der österreichischen Bevölkerung dem Ende zugeht – fremdenfeindliche Denkweisen gelten längst als veraltet und sollten einer weltoffeneren Einstellung weichen. Denn wie sich zeigt, handelt es sich bei dem jungen Zlatko um einen überaus freundlichen Buben, der in fließendem Deutsch höflich auf alle Fragen des Herrn Kosinec antwortet, ihm erklärt, dass er „Zlatko Kosinec“269 heiße und sich weiters erkundigt: „Wie heißen sie und warum sprechen/ Sie so komisch“270. Als Herrn Kosinec bewusst wird, dass er und der Junge denselben Familiennamen haben, wird erneut in die Mundart gewechselt, um die Bewusstseinsänderung des Österreichers bzw. den Moment zu illustrieren, in dem ihm klar wird, dass es zwischen ihnen nicht nur Unterschiede, sondern auch Ähnlichkeiten gibt und der kleine Junge, dem er zunächst ablehnend begegnet ist, auch ein Teil der österreichischen Bevölkerung ist: „Der Tschuschnbua haßt Kosinec/ Genau wia i.“271 Wie Zeyringer erklärt, dient die Mundart hier „dem Versuch, eine gesellschaftliche Realität provokant zu vermitteln, in einer Form, über die hochsprachlich gewöhnte Lyrikrezeption zunächst stolpern mag.“272 Anders als Sigi Maron wird die Erste Allgemeine Verunsicherung273, kurz EAV, der Kommerzmusik zugeordnet, da die 1977 von Thomas Spitzer gegründete Pop/Rock-Kabarett- Gruppe immer nach nationalem und internationalem Erfolg strebte, den sie in Österreich, Deutschland und der Schweiz auch durchaus erreichte. In den 80er Jahren zählte die EAV zu den kommerziell erfolgreichsten Acts in Österreich, was sich auch in den hohen Chartplatzierungen ihrer Lieder widerspiegelt.274 Vier ihrer Dialektlieder schafften es in diesem Jahrzehnt unter die Top-20 der Single-Jahreshitparaden. Trotz häufigen Wechsels der Bandmitglieder gelang es der Gruppe, HörerInnen aller Altersklassen und sozialen Schichten von sich zu überzeugen und mit parodistischen, humorvollen, aber auch kritischen und ernsten Texten zu unterhalten. Bei ihren Shows begeisterten sie das Publikum mit der „musikalischen und optischen Umsetzung [ihrer] Texte“275, die sie als extravagantes Musikkabarett, das sich vielfach um eine Rahmenhandlung drehte, auf die Bühne brachten. Sie waren bekannt für „Satire, Klamauk, Revue, Kabarett [und] Science Fiction“276, was sich unter anderem durch die

    269 Ebda. 270 Ebda. 271 Ebda. 272 Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 322-323. 273 Anmerkung: Bei dem Namen der Gruppe handelt es sich um ein Wortspiel mit dem Namen des österreichischen Versicherungsunternehmens Erste Allgemeine Versicherung. (Vgl. Larkey: Popular Music, S. 184.) 274 Vgl. Larkey: Popular Music, S. 154-155 und 184; vgl. Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 107; vgl. Verdianz: Austropop, S. 56- 57; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 254. 275 Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 110. 276 Weiss: Vom Wiener Blutrausch, S. 57. 67

    Verwendung des Dialekts in ihren Texten ausdrückte.277 Dies zeigt sich zum Beispiel in ihrem 1985 veröffentlichten Lied Märchenprinz, einer parodistischen Betrachtung der jungen Disco- Generation der 1980er. Der Protagonist, vermutlich ein junger Wiener, ist an einem Samstagabend in einer ländlichen Dorf-Diskothek unterwegs, um Frauen kennenzulernen. Der Dialekt dient hier unter anderem der regionalen Verortung bzw. der Abgrenzung zwischen Stadt und Land, da sich das lyrische Ich meist in der Standardvarietät bzw. im Wiener Jargon ausdrückt, wohingegen die Ortsansässigen (Damen und Polizisten) in ihrer Mundart sprechen.

    Es ist Samstagabend und die Dinge stehen schlecht./ Ich bin auf der Suche nach dem weiblichen Geschlecht./ Am Wochenende hat man in der Großstadt seine Not:/ Zu viele Jäger sind der Hasen Tod.// Mir bleibt nur noch eine Chance:/ Hinein ins Auto und ab in die Provence.// […] // Da sagt die Pomeranze: „Jå [siachst] net, daß i tanze?/ Und gegen meinen Joschi hast du niemals eine Chance!“/ Drauf såg ich zum Joschi: „Junker der Provinz!/ In diesem Disko-Bunker bin ich der Märchenprinz!“// Drauf haut mir doch der Joschi/ eine auf mein’ Großstadtgoschi.278

    Für den Komisierungseffekt in diesem Text werden nicht bloß die gängigen Stereotype der Stadt- und Landbevölkerung genutzt, sondern auch deren Sprechweisen, wodurch es zu einem Spiel mit der Spannung zwischen den hochsprachlichen und dialektalen Varietäten kommt. SprecherInnen der Standardvarietät und auch teilweise des Wiener Jargons werden in Österreich, wie eingangs erwähnt, oftmals als ernst, distanziert, unecht, protzig und arrogant wahrgenommen, während Dialekt-SprecherInnen als ungebildet und aggressiv gelten können. Diese varietätenbezogenen Klischees macht sich das Lied als Mittel der Komik zunutze und wird dadurch zu einem der witzigsten und bekanntesten österreichischen Hits. Ein unvergesslicher Star, den die österreichische Musikszene zu Beginn der 1980er Jahre hervorbrachte, war Johann Hölzel, alias Falco, der als österreichisches Äquivalent zu Michael Jackson betrachtet wird. Seinen Durchbruch als Solo-Künstler schaffte die Wiener Pop-Ikone 1981 mit der Single Der Kommissar, die in Österreich und Deutschland prompt auf Platz 1 der Hitparaden landete. Mit seinem exzentrischen Auftreten und seinen provokanten und inhaltlich teils düsteren Popsongs schockierte und begeisterte der Wiener nicht nur das Publikum im deutschsprachigen Raum, sondern erzielte neben den zahlreichen Top- Chartplatzierungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz auch bis dahin unvorstellbare, internationale Erfolge. Mit der 1985 veröffentlichten Single Rock me Amadeus, die 1986 als erstes deutschsprachiges Lied auf Platz 1 der US-Billboard-Charts kletterte, erreichte der

    277 Vgl. Larkey: Popular Music, S. 180; vgl. Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 181; vgl. Maurer/Jatzek: Gegentöne, S. 107; vgl. Verdianz: Austropop, S. 56-57; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 254. 278 Thomas Spitzer: Märchenprinz. 1985. URL: http://www.eav.at/texte/m%C3%A4rchenprinz [20.03.2020]. 68

    Österreicher den Status eines Weltstars.279 Die enorme Popularität des Musikers sowie sein Durchbruch im Ausland sind auf mehrere Gründe zurückzuführen. Zum einen gelang es Falco, sich selbst als charismatischen und einzigartigen Star zu inszenieren, dessen Stimme bzw. musikalischer Stil einen Wiedererkennungswert hatte. Der Sänger kombinierte in seinen Liedern Elemente des Disco-Sounds, der New-Wave-Strömung und des vom US- amerikanischen Rap inspirierten Sprechgesangs mit Eigenheiten der österreichischen Musikszene wie der Verwendung des (Wiener) Dialekts, Zynismus, Sarkasmus und schwarzen Humors in tiefgründigen und kritischen Texten, die zum Nachdenken anregen.280 „Die Unterlage war nach internationalem Standard konstruiert, doch auf diese streute Falco jene absurde Schrägheit, die mit Wiener Kleinkunst mehr zu tun hat als mit Pop“281, konstatiert Zerbs zutreffend. Zum anderen schlug der Musiker im Vergleich zum Rest der kommerziell erfolgreichen Austropop-KünstlerInnen auch sprachlich einen neuen Weg ein – in seinen Liedern verband er die deutsche Sprache mit englischsprachigen Textteilen, die häufig im Refrain zu finden sind, um so die internationalen HörerInnen anzusprechen und ihnen zu ermöglichen, „die Hauptaussage des Liedes“282 zu verstehen. Was Falcos Einsatz der deutschen Sprache betrifft, so lassen sich dialektale Sprachelemente oft nur vereinzelt feststellen. In vielen seiner Lieder, die es in die Charts schafften, verwendete der Sänger ausschließlich die Standardvarietät bzw. Englisch. Beispiele dafür sind Rock me Amadeus (1985/ Platz 5), Jeanny (1986/ Platz 4), Titanic (1992/ Platz 17), Mutter, der Mann mit dem Koks ist da (1996/ Platz 12) und Out of the Dark (1998/ Platz 20). Daher ist sein 1985 auf dem Album Falco 3 veröffentlichter Song America für diese Analyse von besonderem Interesse, da in diesem Lied der Wiener Dialekt dominiert. Die Funktion des Dialekts in diesem spezifischen Setting wird deutlich, betrachtet man den Inhalt des Textes. Der Sänger, der bereits seit einigen Jahren weltweit auf Tourneen unterwegs war, verweist in diesem Lied auf Unterschiede zwischen Amerika und Österreich, das er, ganz nach dem Motto „Wien ist anders“, als speziell ausweist, aber auch als seine Heimat kennzeichnet, in der er sich verwurzelt sieht. „Es wår mit Bock und Roll-Musik net immer leicht in diesem Lånd/ Was in mir sitzt is weiß gespritzt, des is ma völlig kloar,/ obgleich ich Whisky [tschechan] tu seitdem in USA ich woar.“283 Obwohl er im Refrain

    279 Vgl. Larkey: Popular Music, S. 154-155; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 260; vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 58; vgl. Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 161. 280 Vgl. Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 391; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 261; vgl. Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 159 und 161. 281 Kos: Rock in Wien, S. 12. 282 Zerbs: Amerikanisierung, S. 236. 283 Johann Hölzel (alias Falco): America. 1985. URL: http://www.falco.at/?page_id=327 [20.03.2020]. 69 singt „America, wenns ihr ma glaubads, wia ma e[i]ch v[a]missen kau“284, so scheint dies doch eher ironisch gemeint zu sein, da er die AmerikanerInnen im nachfolgenden Teil des Liedes belächelt und als naiv und leicht zu täuschen darstellt.

    Der „Spiegel“ sagte: Wien is vurn, wenns der net waß’, wer dånn/ Wånn d[a] Mr. Smith a Glotz’n håt, v[a]kauf’ ma eam an Kåmm// […] I would like to have that wonderful Wiener Schnitzel/ Geh gib eam zehn Deka Polnische in a Wachauer/ Yeah, that’s really great/ Waß’ i eh, des mocht Hundert. Nana, Schilling, net Dollar – üb[a]treibn w[ui] ma’s net285

    America zählt zu den wenigen Liedern Falcos, in denen beinahe der gesamte Text in der Wiener Mundart verfasst ist, was die Frage aufwirft, weshalb es hier zu solch einem intensiven Einsatz des Dialekts kommt. In dem genannten Kontext kann Dialekt als Ausdruck des Heimatgefühls gelesen werden, als Selbstverortungsmittel für den Sänger, der viel Zeit in fremden Ländern verbracht hatte und sich nach seiner Heimat mit ihren Eigenheiten sehnte. Weiters kann der Gebrauch der Wiener Mundart auch als Zielgruppenansprache betrachtet werden, da den österreichischen Fans auf sprachlicher Ebene signalisiert wird, dass ihr Weltstar weiterhin einer von ihnen ist, der die AmerikanerInnen in der typischen Wiener Manier veralbert. Auch die steirische Gruppe STS, bestehend aus Gert Steinbäcker, Günther Timischl und Schiffkowitz (bürgerlich Helmut Röhrling), nutzte den Dialekt unter anderem als Ausdrucksmittel des Heimatgefühls, zum Beispiel in dem Lied Fürstenfeld (1984), das ihnen nach neun Jahren des gemeinsamen Musizierens den lang ersehnten, großen Durchbruch brachte.286 „Nach einer langen Phase der (relativen) Erfolglosigkeit (1975-1984) erreichte die Band anschließend 13-mal Gold, 8-mal Platin, 2-mal Doppel-Platin und 1-mal Vierfach- Platin.“287 Im Laufe der 80er Jahre wurden die drei Vollblutmusiker mit ihren Liedern im steirischen Dialekt zu einem der populärsten Acts Österreichs. Neben ihren eigenen Songs, die von Beziehungen, dem Altern, globalen Problemen wie Krieg, Fremdenhass und Apathie der Gesellschaft, aber auch von Freiheit, Harmonie und Zuversicht handeln, produzierten STS außerdem Cover-Versionen internationaler Popsongs (z.B. der Beatles) in der steirischen Mundart.288 Bei der Wahl der Sprache für seine Songtexte galt für Gert Steinbäcker stets: „Man sollte mit Mitteln arbeiten, die man beherrscht.“289 Was die drei Komponisten und Sänger

    284 Ebda. 285 Ebda. 286 Vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 67; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 247; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 61. 287 Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 61. 288 Vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 67-68; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 247; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 61. 289 Gürmen/Leitner: Austropop, S. 68. 70 beherrschten, war, den Geschmack der ÖsterreicherInnen auf den Punkt zu treffen und den Dialekt als Sprache der Nähe und Emotionen einzusetzen, wie ihr 1986 veröffentlichtes Lied Großvater beweist. Die Hommage an den Großvater, der als das große Vorbild des lyrischen Ichs dargestellt wird, hebt einige Charakterzüge hervor, die in der modernen Gesellschaft zu verschwinden drohen. Der hier beschriebene Großvater ist die Anlaufstelle des lyrischen Ichs bei Problemen und steht mit seinen Lebensweisheiten beratend zur Seite, er ist loyal und hilfsbereit, hält nichts von Materialismus und Gewalt, zeigt Courage und steht zu seiner Meinung.

    Bei jedem Wickel mit d[a] Mutter w[oa] mei erster Weg von dah[a]m zu dir/ […] / Dånn håst du g’m[a]nt, das gånze Le[m] besteht aus Nehmen und v[ü] mehr Ge[m]/ […]/ G[ö]d kånn g[oa] nie so wichtig sein// […] // Und durch die Årt, wie du dei Leben g’lebt håst, håb i a Ahnung kri[a]gt, wi[a] ma’s vielleicht schåfft// […] // Dei Grundsatz w[oa], z’erst überleg’n, a Meinung [håm], dahinterstehn// […] //Niem[oi]s Gew[oi]t, ålles beredn/ [Owa’r] a ka Ångst vor irgendwem290

    Die Repräsentation der Großeltern-Generation stellt sich bei STS als konträr zu jener in Ludwig Hirschs Die Omama (1978) heraus. Insbesondere die Rolle des Großvaters während der Zeit des Nationalsozialismus wird von einem gänzlich anderen Blickwinkel betrachtet. Statt den Mann, der unter dem NS-Regime im Krieg gedient hat, als Täter darzustellen, wird er als Mensch mit nachvollziehbaren Gefühlen portraitiert.

    W[a]nn du vom Kri[a]g erz[ö]ht håst, wie du an’ Russn Aug in Aug gegnüberg’stånden bist/ Ihr håbt’s e[i]ch gegnseitig an Tschik ån’boten, die Hånd am Åbzug håt zittert vo[a] lauter Schiss291

    Was nach dem Rauchen der Zigarette passiert ist, wird nicht ausgeführt – man weiß nicht, ob der Großvater den russischen Soldaten erschossen hat oder sie beide friedlich ihrer Wege gegangen sind. Die Teilnahme am Kriegsgeschehen sowie etwaige Gewalttaten werden nicht angeprangert, sondern bleiben schlicht unerwähnt. Denn für das lyrische Ich ist der Großvater, der, wie im Refrain klar wird, verstorben ist, ein Held, ein Vorbild, ein Freund, eine wichtige Bezugsperson, die nun nicht mehr da ist und um die er, anders als das Enkelkind in Die Omama, tief trauert.

    Großv[oda], kånnst du net owak[u]mm[a]n auf an schn[ö]ll’n Kaffee/ Großv[oda], i m[e]cht d[a] so v[ü] såg’n, wås i erst jetzt v[a]steh’/ Großv[oda], du w[oa]st mei erster Fre[i]nd und d[e]s v[a]g[i]ss i nie/ Großv[oda]292

    290 Gert Steinbäcker: Großvater. 1986. URL: http://www.sts.cc/texte/text.aspx?32 [20.03.2020]. 291 Ebda. 292 Ebda. 71

    Der Dialekt hebt als Sprache der Gefühle die emotionale Komponente des Textes hervor und macht Großvater zu einem Hit, der den HörerInnen nahe ans Herz geht, was wohl auch ein Grund dafür ist, dass dieses Lied hierzulande den Status einer inoffiziellen Nationalhymne erreichte und auch heute noch von einem Großteil der österreichischen Bevölkerung fehlerfrei mitgesungen werden kann. Spricht man von den inoffiziellen Nationalhymnen Österreichs, darf ein Musiker natürlich nicht vergessen werden: Rainhard Fendrich. Der Wiener Liedermacher startete seine Karriere 1978 zunächst als Schauspieler (erste Nebenrolle im Theater an der Wien), trat jedoch schon bald darauf mit seinen selbstgeschriebenen Liedern auf und schaffte 1981 mit der Single Strada del Sole, einem witzigen Lied über einen chaotischen und pannenreichen Urlaub in Italien, den Durchbruch als Komponist und Sänger. Obgleich er mit seinen Liedern kommerziell sehr erfolgreich war, betätigte er sich auch weiterhin als Schauspieler und war ferner als Moderator in diversen TV-Shows wie Herzblatt oder Deal or no Deal zu sehen.293 Die Vermarktung der Kompositionen Fendrichs beschränkte sich hauptsächlich auf den deutschsprachigen Musikmarkt, auf dem er stets hohe Verkaufszahlen erzielte. Mit der Single Macho Macho, die in sechs Sprachen übersetzt wurde (Afrikaans, Englisch, Französisch, Holländisch, Portugiesisch und Spanisch), gelang es ihm 1988 jedoch einmalig auch in den fremdsprachigen Charts aufzuscheinen und über eine halbe Million Tonträger zu verkaufen.294 Weitere bekannte Hits des Wiener Liedermachers sind zum Beispiel Schickeria (1982), Es lebe der Sport (1983), Vü schöner is des G’fühl (1985), Weus’d a Herz hast wia a Bergwerk (1983), Tango Korrupti (1988) und Blond (1997). Wie diese Auswahl zeigt, reicht Fendrichs Repertoire von satirischen und witzigen Texten über selbst- und sozialkritische Protestlieder bis hin zu gefühlvollen Balladen.295 Musikalisch orientierte sich sein Sound an den Einflüssen seines Produzenten Christian Kolonovits und an den Stilrichtungen des Austropops, die Ambros und Danzer bereits ein Jahrzehnt zuvor für die Szene vorgegeben hatten. Gemeinsam mit diesen beiden Musikern schaffte es Rainhard Fendrich im Zuge eines Spendenprojekts Ende der 1990er Jahre, dem Austropop nochmals einen Image-Push zu geben, der zu dieser Zeit bereits als ausgestorben galt. Die drei Sänger schlossen sich unter dem Namen Austria 3 zusammen und interpretierten die größten Hits des jeweils anderen neu. Obgleich andere KünstlerInnen mit dem Austropop im Musikbusiness der 90er Jahre kein Glück mehr hatten, blieben die Fans

    293 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 240; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 147; vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 51. 294 Vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 130 und 147; vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 51. 295 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 240; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 81 und 147; vgl. Larkey: Popular Music, S. 154-155; vgl. Klaus Nüchtern: Rainhard Fendrich. Ein Sänger für alle Österreicher. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 118. 72 der drei größten Austropop-Sternchen ihren Idolen treu.296 Über den Bezug seiner Fans zu seinen Liedern sagte Fendrich:

    Es hat viele Lieder gegeben – Balladen –, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie derartig zeitlos werden und Generationen begleiten würden. Die Lieder gehören einem dann auch nicht mehr. Deswegen muss man sie auch spielen, wenn man’s selbst nicht mehr hören kann. Wenn man sie dann spielt und merkt, was für eine Reaktion vom Publikum kommt, ist das natürlich ein wunderbares Gefühl für einen Künstler. […] Diese Lieder haben die Leute wirklich jahrzehntelang begleitet – sie gehören dem Publikum.297

    Als eines dieser Lieder gilt sicherlich der 1989 geschriebene Hit I am from Austria, der bei vielen ÖsterreicherInnen den Status einer, vielleicht sogar der, inoffiziellen Nationalhymne erlangte. Bei der Nummer handelt es sich um eine musikalische „Liebeserklärung an sein Heimatland“298, für die er den Dialekt als Ausdrucksform des Heimatgefühls und der Verbundenheit wählte. Im Refrain verwendet der Sänger und Komponist, ähnlich wie bereits zuvor Falco, die englische Sprache, um die Hauptaussage des Liedes, nämlich den Stolz auf das Herkunftsland, universell verständlich zu formulieren. Hierzu erklärte Fendrich im Interview: „[D]er englische Text impliziert schon, dass man das im Ausland singt.“299 Wie ein Ausschnitt des Textes zeigt, beschreibt der österreichische Musiker die Liebe zu seiner Heimat nicht als unantastbar oder einfach, sondern verweist auf Probleme und Schattenseiten.

    Dei’ hohe Zeit is lång vorüber/ und a die Höll’ håst hinter dir,/ vo[n] Ruhm und Glånz is weni[ch] über,/ såg’ m[a] wer zi[ag]t no den Hu[a]t v[ua] dir,/ außer mir./ I kenn’ die Le[i]t’,/ i kenn’ die Råtten,/ die Dummheit, die / zum Himmel schreit,/ i steh’ zu dir bei Licht und Schåtten,/ jederzeit.300

    Statt ein idyllisches Bild von einem Land zu malen, das das lyrische Ich liebt, weil es nichts auszusetzen gibt, werden die Gefühle des Sprechers zu seinem Herkunftsort als Dichotomie dargestellt. Einerseits ist das lyrische Ich stolz darauf, aus Österreich zu kommen und steht hinter dem Land, andererseits ist es sich jedoch auch der Mängel bewusst und kritisiert sowohl den Staat als auch dessen Bevölkerung. Das Bekenntnis, stolz auf sein Ursprungsland zu sein, erscheint durch die Offenbarung, dass es die Schwächen (an)erkennt und selbst beanstandet, ehrlich und reflektiert. Die Liebe, die das lyrische Ich trotz der Fehler des Landes für seine Heimat empfindet, wirkt dadurch umso stärker. In den folgenden Zeilen des Refrains entsteht

    296 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 57; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 240; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 130. 297 Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 78. 298 Gürmen/Leitner: Austropop, S. 50. 299 Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 72. 300 Rainhard Fendrich: I am from Austria. 1989. URL: https://www.fendrich.at/lyric/i-am-from-austria/ [20.03.2020]. 73 für die HörerInnen der Eindruck, dass es sich bei dieser Liebe um etwas Übermächtiges handeln muss, auf das das lyrische Ich keinen Einfluss hat.

    Då kånn ma’ måchen wås ma’ w[ü],/ då bin i he[a], då g’h[e]r’ i hin,/ då schm[ü]zt d[e]s Eis vo mein[a] S[ö]l’/ wi[a] von an Gletscher im Apr[ü]./ A wenn [ma]’s scho v[a]gessn [håm],/ i bin dei Åpfel, du mei Ståmm./ So wi[a] dei Wåss[a] tålwärts rinnt,/ unwiderstehlich und so h[öö],/ fåst wi[a] die Tränen von an Kind,/ wird a mei Blu[a]t auf [amoi] schn[ö],/ såg’ i am End’ der W[ö]t voll Stolz/ und wenn ihr wollt’s/ a gånz alla –/ I am from Austria301

    Hierbei greift Fendrich auf die literarischen Stilmittel des Vergleichs und der Metapher zurück, die die Gefühle des lyrischen Ichs illustrieren sollen. Besonders deutlich treten die Motive der Reinheit (Eis, Gletscher, Wasser, Tränen) und Unschuld (Kind) sowie des Ursprungs (Herkunft, Apfel und Stamm) hervor. Die ungestümen Emotionen der Liebe werden anhand des schnell fließenden Blutes veranschaulicht. Wie sich herausstellt, hat das lyrische Ich keine Angst davor, diese Gefühle vor anderen Nationen kundzutun und sie in alle Welt hinauszurufen, was als Appell an die ÖsterreicherInnen interpretiert werden kann, trotz des Wissens um die Vergangenheit ihres Landes, den Mut zu haben, ohne schlechtes Gewissen stolz darauf zu sein, aus Österreich zu kommen. Auch in weiteren seiner Texte überzeugte Rainhard Fendrich auf lyrischer Ebene mit Neologismen, komplexen Reimschemata und virtuosen Reimen,302 doch ist es die Art, wie er sich im Dialekt auszudrücken vermochte, die die HörerInnen bewegte und seine Lieder zu allseits beliebten und bekannten Hymnen machte.

    4.4 1990er Jahre: Erste Anzeichen einer Regression

    Der Beginn der 1990er Jahre leitete das Ende des Austropops und des damit verbundenen kommerziellen Erfolgs der österreichischen Austropop-MusikerInnen ein. „In den 90er-Jahren ist dieser Stil des ‚klassischen Austropop‘ […] stark aus der Mode gekommen und wurde nach Wolfgang Domitner [Musikredakteur bei Ö3] vor allem von internationaler Popmusik verdrängt.“303 Wie aus der Chartanalyse in Kapitel 3.2 hervorgeht, gelang es heimischen KünstlerInnen in diesem Jahrzehnt immer seltener, sich gegen die internationale Konkurrenz durchzusetzen, was auch die schlechten Verkaufszahlen der österreichischen Acts erklärt.304 Die DialektmusikerInnen mussten daher neue Wege finden, um sich einen eigenen Platz am österreichischen Musikmarkt zu schaffen. Dieses Vorhaben hatte das Aufkommen der Neuen

    301 Ebda. 302 Vgl. Nüchtern: Rainhard Fendrich, S. 120-121. 303 Aldrian/Mileder: Austropop, S. 66. 304 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 76 und 81. 74

    Volksmusik (auch bekannt als Alpenrock oder Alpinrock/-punk) zur Folge, ein neues Genre, das sich vor allem im musikalischen Underground, sprich in der Alternativszene, fern von Hitparaden und hohen Chartplatzierungen abspielte.305 Die VertreterInnen der Neuen Volksmusik, zu denen unter anderem Hubert von Goisern, Die Zillertaler Schürzenjäger, Attwenger und Broadlahn gezählt werden, setzten auf die Neuinterpretation und zeitgenössische Kontextualisierung musikalischer Traditionen der Volksmusik aus dem 19. Jahrhundert.306 Weitere Impulse erhielt das Genre der Neuen Volksmusik aus den Bereichen der Elektronischen Musik, des Punks und Rocks sowie des Hip-Hops. Musikalische Elemente der alpinen Volksmusik wurden demnach mit neuen Stilrichtungen, Instrumenten und Sound- Arrangements verknüpft – was dabei entstand, war modern und experimentell, nach Ansicht vieler AkteurInnen im österreichischen Musikbusiness jedoch kaum massentauglich.307 Da die MusikerInnen der Neuen Volksmusik-Szene weder vom Rundfunksender Ö3 noch von den Printmedien Unterstützung erhielten, hatten sie hart zu kämpfen, um ein Publikum zu generieren. „Was geschah, geschah unter Ausschluß einer breiten Öffentlichkeit, aber für ein kleines, kompaktes und interessiertes Publikum“308, so Doris Knecht. Als den KünstlerInnen bewusst wurde, dass sie auf sich selbst gestellt waren, ergriffen sie kurzerhand die Initiative: Sie gründeten eigene Zeitschriften und Piratensender, befassten sich mit der Eröffnung neuer Veranstaltungsorte (z.B. Flex und Chelsea in Wien) und reformierten die „Veranstaltungspolitik in schon bestehenden Räumen wie WUK und Arena“309, um sich einen Platz in der Musikszene Österreichs zu sichern.310 Als Paradebeispiel für den experimentellen Charakter der österreichischen Musik der 90er Jahre gelten die Lieder von Markus Binder (Gesang, Schlagzeug und Maultrommel) und Hans-Peter Falkner (Gesang und Ziehharmonika), die seit 1991 gemeinsam unter dem Namen Attwenger auftreten.311 Obgleich ihr musikalisches Schaffen meist der Neuen Volksmusik zugeordnet wurde, sprach sich das oberösterreichische Duo stets vehement gegen eine solche

    305 Vgl. Doris Knecht: Die Neunziger. Ein Rückblick. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 184. 306 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 21; vgl. Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 392; vgl. Rühl: Neue Volksmusik, S. 254. 307 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 81; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 211, 221-222 und 288; vgl. Rühl: Neue Volksmusik, S. 257. 308 Knecht: Die Neunziger, S. 184. 309 Ebda, S. 186. 310 Vgl. ebda, S. 185-186. 311 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 262; vgl. Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 333; vgl. Christian Seiler: Upper- Austrian Phenomenon. Zu Attwenger und dem Attwengern. In: Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Hrsg. von Christian Seiler. St. Andrä-Wördern: Hannibal 1995, S. 65; vgl. Wikipedia: Attwenger. Zuletzt geändert am 09.01.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Attwenger [24.09.2020]. 75

    Kategorisierung aus:312 „Nur weil da a Ziehharmonika dabei is, san wir ned die neue Volksmusik. […] Wir sehen uns in keiner Weise an ein Konzept oder einen Stil gebunden, und es gibt auch niemand, der uns dabei einschränken könnte.“313 Wie viele andere heimische InterpretInnen der 1990er Jahre bewegten sich auch Attwenger im eher mäßig ertragreichen Bereich der Undergroundszene – hier verbuchten sie jedoch nationalen und internationalen Erfolg mit soliden Verkaufszahlen, Anfragen von bekannten Plattenlabels (z.B. BMG-Ariola), diversen Auszeichnungen (z.B. FM4 Music Award) und österreichweiten Auftritten sowie Shows in ganz Europa, in Vietnam und Pakistan.314 Die Anerkennung, die die zwei Musiker erfuhren, beruhte einerseits auf dem für sie charakteristischen Stilmix, bei dem sie unterschiedlichste musikalische Komponenten des Punks, Rocks, Raps, Hip-Hops und der elektronischen Musik mit Elementen der Speed-Polka und der Volksmusik vermengten. In späteren Werken flossen des Weiteren auch die Genres Blues, Drum and Bass sowie Breakcore in ihre Musik mit ein.315

    Zu sagen, daß die beiden Volksmusik machen, wäre ein Euphemismus. […] Sie entwickelten mit aufgekrempelten Ärmeln eine schräge Mutation von herkömmlicher Volksmusik, eine entschlossene Mischung von Elementen alter und neuer, alpenländischer und angloamerikanischer, akustischer und verstärkter Musik. Das Fundament bestand aus Stücken der oberösterreichischen Folklore, darüber türmten sich Lautstärke, Schepperer [und] Rückkoppelungen.316

    Andererseits lässt sich die Popularität der Attwenger bei anderen KünstlerInnen und dem Undergroundpublikum auf ihre Liedtexte zurückführen, denen, wie Gröbchen postuliert, eine „Lyrik von unerhört tiefsinniger Simplizität“317 zu Grunde liegt. Beim Schreiben ihrer frühen Lieder orientierten sich die Oberösterreicher musikalisch, stilistisch und auch sprachlich an der alpinen Tradition des Gstanzlgesangs und setzten auf repetitive, kurze, prägnante Texte.318 Durch diese Ausrichtung brachten die Attwenger etwas erfrischend Neues in die österreichische Populärmusik ein. Ihre Texte enthalten mitunter Merkmale der Nonsens-Dichtung und sind meist amüsant, mehrdeutig lesbar, originell und unbeschwert, manchmal aber auch derb oder

    312 Vgl. Chris Duller: Geh in Oasch du deppats Bier. Über Attwenger und ihr Album Luft. In: Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Hrsg. von Christian Seiler. St. Andrä-Wördern: Hannibal 1995, S. 59-60. 313 Ebda, S. 61. 314 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 262; vgl. Walter Gröbchen: Mostschädel-Tunken. Attwenger, Goisern & Co. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 171; vgl. Duller: Geh in Oasch du deppats Bier, S. 61; vgl. Seiler: Upper-Austrian Phenomenon, S. 66; vgl. Wikipedia: Attwenger. 315 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 222, 228 und 262; vgl. Rühl: Neue Volksmusik, S. 253; vgl. Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 332; vgl. Wikipedia: Attwenger. 316 Seiler: Upper-Austrian Phenomenon, S. 65. 317 Gröbchen: Mostschädel-Tunken, S. 171. 318 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 228 und 262; vgl. Rühl: Neue Volksmusik, S. 253. 76 sozialkritisch. Thematisch legen sie Schwerpunkte auf ihre Ansichten bezüglich der Unterhaltungsbranche, alltägliche Erlebnisse und Triviales sowie Polit- und Sozialkritik.319 Eine besondere Bedeutung schreibt das Duo der Stimme und dem Dialekt als Mittel der Rhythmisierung und des Sprachspiels zu.320

    Die Sprache ist unser Spielball. […] Wir sehen das Wort als Billardkugel, die man über so und soviel Banden schießen kann, wodurch sich ein Rhythmus ergibt. Im Dialekt gibt’s ja soviel Worte, die sich so schön herausscheiben lassen können, bis sie aussekugeln und zum Rollen anfangen.321

    Als Beispiel für einen der lustigen Gstanzl-Texte der Attwenger sei an dieser Stelle das Lied abersee genannt, das 1991 auf most, dem ersten Album des Duos, erschien und zum Teil schon jahrhundertelang gesungene Strophen in ein neues musikalisches Setting transferiert. Geschildert werden ein heiteres Beisammensein im ländlichen Bereich, das gemeinsame Musizieren, eine ausgelassene und fröhliche Stimmung, typische Handwerksberufe und verlorene Liebe.

    e e e – e e e/ jo mia [hom] de schenan zwe/ e e e – e e e/ jo mei [homd] mia sche.// […] // losts eing die spüleid au/ wias musizian/ i muaß söbm drüba locha/ mei heaz duad si rian./ lusti und kreizfidö/ hoam gemma ned so schnö/ hoam gemma moang in da fria/ oda goa nia.322

    Neben den inhaltlichen Konnotationen und der typischen Melodie machen sich die Attwenger in abersee auch den Klang bzw. den Vokalreichtum des Dialekts für die Rhythmus- und Reimgestaltung zunutze. Besonders häufig setzen sie dabei die dialektalen Diphthonge /ɪa/ und /ǫa/ ein, um Gleichklang innerhalb einer Strophe und somit ein klanglich abgerundetes Gesamtbild zu erzielen. Wie die Attwenger auf der semantischen Ebene mit der Mundart spielen, wird bei der Betrachtung der Titel ihrer Alben deutlich. Hierbei bewegen sie sich auf zwei Sprachebenen (phonetische und semantische), indem sie sowohl den Dialekt als auch die englische Sprache berücksichtigen, da viele der Titel in beiden Sprachen gelesen werden, dabei jedoch Unterschiedliches ausdrücken können. Für ihr Sprachspiel mit dem Dialekt bedienen sich Attwenger der divergierenden Bedeutungen der Worte in den jeweiligen Sprachen, sodass die Titel auf verschiedene Arten interpretiert werden können: most – Dialekt: Most, ein Fruchtgetränk, Englisch: am meisten; song – Dialekt: sagen, Englisch: Lied; sun – Dialekt:

    319 Vgl. Gröbchen: Mostschädel-Tunken, S. 171; vgl. Duller: Geh in Oasch du deppats Bier, S. 59 und 61-62; vgl. Wikipedia: Attwenger. 320 Vgl. Duller: Geh in Oasch du deppats Bier, S. 60 und 62; vgl. Seiler: Upper-Austrian Phenomenon, S. 66; vgl. Wikipedia: Attwenger. 321 Duller: Geh in Oasch du deppats Bier, S. 62. 322 Markus Binder/Hans-Peter Falkner: Abersee. In: Most [CD]. München: Trikont. 1991, Nr. 1. 77

    Sonne, Englisch: ebenfalls Sonne (andere Aussprache); dog – Dialekt: Tag, Englisch: Hund; spot – Dialekt: spät, Englisch: Ort, Punkt.323 Das kreative Dechiffrierspiel der Attwenger mit sprachlichen Interferenzen begeisterte nicht nur ihre Fans, sondern auch KritikerInnen über viele Jahre hinweg. Anders als die Attwenger, ließ sich der aus dem oberösterreichischen Bad Goisern stammende Hubert Achleitner, alias Hubert von Goisern, bereitwilliger dem Genre der Neuen Volksmusik zuordnen. Nach zahlreichen Auslandsaufenthalten (Kanada, Südafrika, Philippinen etc.), teils zum Zwecke eines Musikstudiums, kehrte der Goiserer Liedermacher in den 1980er Jahren als junger Erwachsener, geprägt von den musikalischen Traditionen diverser Länder, zurück nach Österreich, um seine neu erlangten Erfahrungen in seiner eigenen Musik zu verarbeiten:324

    Ich lebte auf den Philippinen vier Monate mit Eingeborenen in einer Pfahlbausiedlung, wo’s weder Strom noch Radio gab. Dort hatte die Volksmusik eine Lebendigkeit, wie ich sie noch nie vorher erlebt hatte. Da kam mir der Gedanke: So müßte die Musik auch bei uns irgendwann einmal gewesen sein.325

    Mit dem Ziel, der Volksmusik neues Leben einzuhauchen, wagte sich der Sänger und Komponist an das Experiment heran, Komponenten der heimischen Volksmusik (spezifische Klänge, Instrumente, Themen) mit Elementen der international florierenden Pop- und Rock- Musik zu verknüpfen und eine neue österreichische Musiktradition zu etablieren. Auch wenn Hubert von Goisern nicht der Erste mit dieser Idee war, so war er doch der Erste, dem es gelang, die Neue Volksmusik massentauglich zu machen und kommerziellen Erfolg mit ihr zu erzielen.326 Die Anerkennung für sein musikalisches Schaffen folgte jedoch erst in den 90er Jahren, nach einer langen Zeit der Misserfolge und Rückschläge, in der er versucht hatte, die Skepsis der AkteurInnen in der Musikbranche seiner Stilrichtung gegenüber zu beseitigen. Ausschlaggebend für seinen Durchbruch war sicherlich, dass seine Band (die Alpinkatzen), zu dieser Zeit noch aus Achleitner und Wolfgang Staribacher bestehend, 1991 bei Wolfgang Ambros’ Watzmann-Tournee auftreten durfte. Den Konzerten in Deutschland folgten „einige wenige wohlwollende Erwähnungen in Zeitungen und TV-Beiträgen“327, die schließlich für die nötige Medienpräsenz sorgten, um auch in Österreich Beachtung und Unterstützung zu

    323 Vgl. Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 332; vgl. Wikipedia: Attwenger. 324 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 265. 325 Christian Seiler: Titanenkampf der Goiserer. Interview mit Hubert von Goisern. In: Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Hrsg. von Christian Seiler. St. Andrä-Wördern: Hannibal 1995, S. 54. 326 Vgl. Rühl: Neue Volksmusik, S. 253; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 227-228; vgl. Seiler: Titanenkampf, S. 55. 327 Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 120. 78 erhalten.328 Nachdem Staribacher die Band verlassen hatte, formierte Hubert von Goisern die Gruppe neu, unter anderem mit Sabine Kapfinger (später als Solokünstlerin Zabine bekannt), und veröffentlichte mit den Alpinkatzen 1992 die Nummer Koa Hiatamadl auf ihrem zweiten Album Aufgeigen statt niederschiassen. Das Lied wurde mit einer Platz-2-Platzierung schlagartig zum Erfolg und hielt sich ganze eineinhalb Jahre in den österreichischen Charts, was wohl auch auf das massive Airplay, zum Beispiel auf Ö3 in der Sendung Das rot-weiß-rote Radio, zurückzuführen ist.329 Als Textgrundlage nutzte Hubert von Goisern, wie bereits zuvor Wilfried, bestehendes Material aus der traditionellen alpenländischen Volksmusik,330 das er mit Elementen der modernen Populärmusik verknüpfte. Intendiert war der lustige Text, in dem es um die physischen Eigenschaften geht, nach denen das lyrische Ich bei der Wahl einer Partnerin Ausschau hält, als zynische Kritik an der Oberflächlichkeit und Intoleranz vieler Menschen.331

    jå mei, jå mei/ w[au]nn i m[a] um a diandl schau/ dånn woaß i scho genau/ rund muaß sei/ und a wengerl resch/ u mei// […] // koa hiatamadl måg i n[e]t/ håt koane dickn wadln n[e]t/ i måg a [madl] aus da stådt/ wås dicke wadln håt/ [Jodeln]332

    Interessanterweise trat die gesellschaftskritische Funktion des Dialekts in diesem Falle aber zugunsten einer weiteren Funktion, nämlich jener der Genrezuweisung, in den Hintergrund. Die Konnotationen, die mit der Verwendung des Dialekts und Jodelns sowie den volksmusikalischen Klangelementen bei diesem Lied evoziert werden, sorgten bei der breiten Masse dafür, dass der Text, zu Achleitners Leidwesen, vermehrt anders gedeutet wurde. Dem Genre der volkstümlichen Musik entsprechend, dem das Lied von vielen HörerInnen fälschlicherweise zugeordnet wurde, wurde der Text in erster Linie als unbeschwert und unterhaltsam wahrgenommen, weniger häufig jedoch als desavouierend.333

    Wenn man nichts anderes von mir hört – was durch den ungeheuren Radioeinsatz vom Hiatamadl ja praktisch passiert ist – kann man schon einen sehr schiefen Eindruck von dem gewinnen, was ich eigentlich mach. […] Aber ich spürte, daß sehr viele Leute in meine Konzerte kamen und sich etwas völlig anderes von mir erwarteten, weil sie nur das Hiatamadl kannten. Zuerst verunsicherte

    328 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 265; vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 118-119 und 123. 329 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 227-228 und 265; vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 118 und 120-121; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 88. 330 Vgl. Gerlinde Haid: Hiatamadl. In: Oesterreichisches Musiklexikon online. Zuletzt geändert am 06.05.2001. URL: https://www.musiklexikon.ac.at/ml?frames=no [20.01.2020]. 331 Vgl. Seiler: Titanenkampf, S. 55. 332 Hubert Achleitner/Wolfgang Staribacher: Koa Hiatamadl. 1992. URL: https://www.hubertvongoisern.com/alpinkatzen/liedtexte_asn.html [21.03.2020]. 333 Vgl. Johann Skocek: Heimat fern der Heimat. Hubert von Goisern und der Pop. In: Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Hrsg. von Christian Seiler. St. Andrä-Wördern: Hannibal 1995, S. 48; vgl. Seiler: Titanenkampf, S. 55. 79

    mich das. Dann begann es mich zu freuen, weil ich die Chance erkannte, Leute zu erreichen, die ich sonst nie erreicht hätte.334

    Diese Genrezuweisung machte sich Hubert von Goisern zunutze, um Menschen außerhalb seiner eigentlichen Zielgruppe anzusprechen und mit seiner Musik zu erreichen. Durch sein Image als Volksmusiker gelang es ihm, seine ZuhörerInnenschaft zu erweitern und Leuten, die sonst nicht an gesellschaftskritischer Musik interessiert gewesen wären, seine Botschaft bei einem Konzertbesuch zu vermitteln.

    Ich musste mich als Volksmusikant mit dem ungesunden Regionalismus auseinandersetzen. Damit habe ich sehr viele Leute vor den Kopf gestoßen. Bei der ersten ausverkauften Tournee habe ich, sagen wir, 20 Prozent der Zuschauer beleidigt. Die wollten meine Musik hören, nicht aber meine Meinung zur Gesellschaftspolitik. Ich hab mir den Mund aber nie verbieten lassen, und die Hälfte der 20 Prozent hat bestimmt zum Nachdenken angefangen. Die andere Hälfte ist in der Pause gegangen.335

    Abseits des neu aufgetretenen Phänomens der Neuen Volksmusik überzeugte mit Liedern im Dialekt auch die Interpretin Marianne Mendt, die sich bereits in den 70er und 80er Jahren als „Mutter“336 des Austropops einen Namen gemacht hatte. Den Durchbruch in ihrer Karriere als Sängerin markierte ihr erster Hit Wie a Glock’n, die 24 Stunden läut, der 1970 veröffentlicht wurde. Das von Gerhard Bronner geschriebene Lied wurde gezielt für seine satirische Primetime-Fernsehshow Die große Glocke produziert und als musikalisches Intro dafür verwendet, wodurch Mendt, die bereits zuvor als Musikerin mit ihrer Gruppe The Internationals im Jazzbereich tätig gewesen war, ihre Fanbase um das Publikum der TV- Sendung erweitern konnte und österreichweit prompt zum ersten (und lange Zeit einzigen) weiblichen Star der Austropop-Szene wurde.337 Obgleich Mendt sich in ihrer Laufbahn auch anderen Projekten wie Musicals, dem Theater und Fernsehen widmete, blieb sie der Musik immer treu. Nach ihrem überaus erfolgreichen Ausflug in die Austropop-Branche kehrte die Künstlerin in den 90er Jahren wieder in die Jazz-Szene zurück, für die sie sich bis heute aktiv einsetzt, zum Beispiel durch die jährliche Veranstaltung des MM Jazz Festivals, das sie im Jahr 2005 erstmals organisierte.338 Der enorme Einfluss, den die Aufträge des ORF auf Mendts Karriere hatten, wird durch ein weiteres ihrer Lieder deutlich, das als Titelmusik für eine

    334 Seiler: Titanenkampf, S. 55. 335 Seiler: Titanenkampf, S. 53. 336 Gürmen/Leitner: Austropop, S. 40. 337 Vgl. Gürmen/Leitner: Austropop, S. 40 und 41; vgl. ORF Radiothek: Marianne Mendt. Ö1 Radiokolleg vom 11.09.2017. URL: https://radiothek.orf.at/archive/lexikon-der-oesterreichischen-popmusik/marianne-mendt [19.11.2020]; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 241-242; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 21. 338 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 51; vgl. Gmeiner: Sie. Macht. Popmusik, S. 27-28. 80

    Fernsehsendung produziert wurde und heute zu einem ihrer bekanntesten Hits zählt. Dabei handelt es sich um den 1994 veröffentlichten Soundtrack Kaisermühlen Blues zu der gleichnamigen Serie, in der es um die BewohnerInnen einer Gemeindebau-Siedlung im Wiener Bezirksteil Kaisermühlen (22. Bezirk, Donaustadt) geht.

    Abgebildet wird das alltägliche Zusammenleben der Bewohner des Gemeindebaus, die vor allem dem Wiener Arbeitermilieu zugehörig sind, und deren Interaktion mit anderen Gesellschaftsschichten. In den Folgen wurden häufig Themen und Probleme des aktuellen politischen und gesellschaftlichen Geschehens wie beispielsweise Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, [Int]oleranz, aber auch Arbeitslosigkeit, Behinderung, Alkoholismus, Ausgrenzung, Korruption sowie Kriminalität aus sozial-ökonomischer Sicht behandelt. Obwohl viele Aspekte einen ernsten Hintergrund haben, wurde schlussendlich ein humanistischer Inhalt humoristisch vermittelt. […] Sprachlich bedient sich die Serie stark des Wiener Dialektes und dessen spezieller Ausdrücke mit oft rustikaler bis vulgärer Wortwahl.339

    Marianne Mendt und Adi Hirschal interpretierten nicht bloß die Titelmelodie der Fernsehsendung, sondern spielten als René Gstettner (Adi Hirschal) und Trafikantin Gitti Schimek (Marianne Mendt) auch selbst in der Serie mit. Ernst Hinterberger, von dem die Idee und das Drehbuch zur TV-Produktion von Kaisermühlen Blues stammt, war es besonders wichtig, das dargestellte Milieu möglichst authentisch zu repräsentieren, wie es ihm bereits zuvor mit der Kultfigur des Mundl in Ein echter Wiener geht nicht unter gelungen war.340

    Mir geht das G’impfte auf, wenn ich zum Beispiel im Fernsehen einen Film sehe, dessen Handlung in einem ganz bestimmten Milieu spielt, sich die Schauspieler aber eines Schriftdeutsch bedienen. […] Es muss natürlich nicht im tiefsten Dialekt geredet werden, aber doch so, dass man auch außerhalb eingeblendeter Wahrzeichen wie Riesenrad, Stephansdom, Uhrturm oder Ähnlichem erkennt, der Film handelt zum Beispiel nicht nur in Wien, Graz oder Tirol, sondern es wird in ihm auch so gesprochen, wie die Leute dort miteinander reden.341

    Diese Auffassung vertrat Hinterberger ebenso bezüglich des Einsatzes von Musik in Film und Fernsehen, weshalb das Erkennungslied zur Serie einen dialektalen Text aufweisen musste, um das illustrierte Wiener Arbeitermilieu auch musikalisch und sprachlich widerzuspiegeln. Das Lied dient dazu, die ZuseherInnen mit dem Inhalt und den Charakteren der Sendung vertraut zu machen.

    339 Wikipedia: Kaisermühlen Blues. Zuletzt geändert am 18.11.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserm%C3%BChlen_Blues [27.11.2020]. 340 Vgl. Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 88. 341 Ebda, S. 88-89. 81

    [Mir] le[m] in an Grätzl am Rånd von d[a] Stådt,/ wo ångeblich a jeder a Go[i]dherzerl håt,/ […] / und meistens s[an] gånz g’w[e]hnliche Le[id] d[ua]t daham,/ ‘s gibt Gu[ad]es und Schlechtes, // […] // [Mir] san ka Big Apple, ka ewige Stådt,/ [mir] [håm] kane Stråßn, wås Pråchtauslågn håt,/ mit uns kånn Wien net direkt brilliern,/ […] /mir k[u]mm[a]n auf d’W[ö]t und rackern uns z’såmm/ zwischen låchn und [wana] und schmusen am Dåmm/ [mir] leben kl[a]-kl[a], [oba] trotzdem [recht] sch[e], // […] // [M]ir [håm] ka Society oder wås si so nennt,/ doch is uns des wurscht,/ w[au]nn d[a] Schmäh nur gu[ad] rennt./ Zu uns k[u]mmt ka Sight-Seeing-Tour zum Gåffn,/ […]/ mir brauchn ka UNO und ka große W[ö]t,/ kan Nåmen, kan Titel und nur wenig G[ö]d342

    Der Dialekt übernimmt in diesem Text die Funktion der Repräsentation des Milieus, indem er durch die Mündlichkeitsfiktion und die soziolektale Figurencharakterisierung sprachlich auf den soziokulturellen Hintergrund und die Milieuzugehörigkeit der ProtagonistInnen in der Serie verweist.343 Das Publikum weiß bereits nach dem Hören des Intros, was es zu erwarten hat und soll dadurch motiviert werden, die Fernsehsendung anzusehen. Weiters dient die Verwendung der Mundart der Zielgruppenansprache. Larkey zufolge wird diese Funktion insbesondere in der Dialektmusik häufig von MusikerInnen berücksichtigt, um die ZuhörerInnen durch die gewählte Varietät direkt anzusprechen und somit ein regionales bzw. nationales Publikum aufzubauen, das sich mit dem Text, nicht bloß aufgrund des Inhalts, sondern auch aufgrund der Art, wie dieser gesungen wird, identifizieren kann.344 Über Marianne Mendt als Sängerin sagte Hinterberger im Interview, dass es ihre Interpretationsweise ist, die „ihren Liedern etwas Unverkennbares und Echtes gibt, sodass jeder Konsument zutiefst fühlt: Das ist […] Wiener Lebensart und Wiener Schmäh.“345 Der kommerzielle Erfolg mit Dialektmusik war in den 90er Jahren für viele österreichische MusikerInnen eine enorme Herausforderung, wie das Beispiel der steirischen Band Ausseer Hardbradler zeigt. Die Formation setzte sich 1993 aus den ehemaligen Mitgliedern der Jungen Ausseer Bradlmusi bzw. der Gruppe Feedback Warriors zusammen, die aus dem Bereich der traditionellen Volksmusik kamen. Als Ausseer Hardbradler verschrieben sich „Florian Randacher (Leadsänger), Ernst Gottschmann (Gesang, Gitarre), Dieter Zand (Gesang, Trompete, Harmonika), Christoph Gerstl (Schlagwerk), Christina Unterlechner

    342 Arthur Lauber/Andreas Radovan: Kaisermühlen Blues. 1994. URL: https://www.lyrix.at/t/marianne-mendt-der- kaisermuhlen-blues-bb4 [21.03.2020]. 343 Vgl. Neuhuber/Edler/Zehetner: Bairisch-österreichische Dialektliteratur, S. 17. 344 Vgl. Edward Larkey: Pungent Sounds. Constructing Identity with popular music in Austria. Vol. 9. New York: Peter Lang Publishing 1993, S. 300-301. 345 Dolezal/Prokopetz: Austropop, S. 89. 82

    (Gesang), Franz Kreimer (Keyboards) [und] Reinhard Babusek (Bass)“346 der Neuen Volksmusik und versuchten es mit Crossovers, bei denen sie Elemente der Genres Volksmusik, Rock, Soul, Blues, Funk, Reggae und Hip-Hop miteinander vermischten.347 Obgleich die Gruppe bereits für die Produktion ihres ersten Albums Hardbradln! das Major Label EMI Music Austria und den renommierten Produzenten Peter J. Müller von einer Zusammenarbeit überzeugen konnten, fiel der erhoffte große Durchbruch eher mäßig aus. Trotz massiver medialer Unterstützung und konstantem Airplay auf Ö3 gelang es den Steirern nicht, sich mit ihrer ersten Single Da Hirsch is auf da Pirsch in den Charts zu platzieren. Etwaige weitere Veröffentlichungen schafften es zwar in die Hitparaden, bewegten sich dort jedoch im Mittelfeld und konnten die Platzierungen nicht lange halten.348 Dank des Vertrags mit EMI Music Austria und deren Verbindungen in der Musikbranche wurden die Ausseer Hardbradler dennoch häufig im Radio gespielt und konnten einen Auftritt am Donauinselfest ergattern, bei dem sie vor 80.000 Leuten performten, wodurch ihr Bekanntheitsgrad auffallend stieg.349 Ein Jahr später veröffentlichten sie ihr zweites Album Bradlfett, mit dem sie Platz 6 in den Albumcharts belegten. Ein gravierender Unterschied ist hier im Vergleich zu den Singlecharts festzustellen, in denen die Single-Auskoppelung Tanz’n tat i gern 1997 lediglich Platz 24 erreichte. Danach wurde es medial trotz Veröffentlichungen lange Zeit ruhig um die Ausseer Hardbradler. Erst nach ihrem Wechsel zum Label edel music gelang es den Steirern 2003 erneut mit der Single Hoamweh nach B.A. (Platz 5) und dem dazugehörigen Album Cuba (Platz 5) ins Radio und in die österreichischen Charts zu kommen und mit ihren Verkaufszahlen Goldstatus zu erzielen.350 Breitenwirksamkeit zu erlangen, war durchaus bedeutend für die Ausseer Hardbradler, denn die Band hatte sich das Ziel gesetzt „Mundartmusik populär zu machen, [durch] einen modernen Sound mit alpenländischen Wurzeln“351. Diese Kombination aus Traditionellem und Modernem spiegelt sich musikalisch sowie sprachlich und auch inhaltlich in ihrem Lied Tanz’n tat i gern wider, das vom Ausgehen und Tanzen mit einem hübschen Mädchen handelt.

    346 Johanna Kohler/Barbara Boisits: Ausseer Hardbradler. In: Oesterreichisches Musiklexikon online. Zuletzt geändert am 27.04.2018. URL: https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_A/Ausseer_Hardbradler.xml [19.11.2020]. 347 Vgl. Kohler/Boisits: Ausseer Hardbradler; vgl. Wikipedia: Ausseer Hardbradler. Zuletzt geändert am 02.01.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Ausseer_Hardbradler [19.11.2020]. 348 Vgl. Wikipedia: Ausseer Hardbradler. 349 Vgl. Kohler/Boisits: Ausseer Hardbradler; vgl. Wikipedia: Ausseer Hardbradler. 350 Vgl. Kohler/Boisits: Ausseer Hardbradler; vgl. Austriancharts.at. Das österreichische Hitparaden- und Musikportal: Ausseer + Hardbradler. URL: https://austriancharts.at/showinterpret.asp?interpret=Ausseer+Hardbradler [19.11.2020].; vgl. Wikipedia: Ausseer Hardbradler. 351 Daniela Toth: Ausseer Hardbradler: „Hoamweh“ nach einem gemeinsamen Konzert. In: Tips vom 10.06.2018. URL: https://www.tips.at/nachrichten/gmunden/kultur/429214-ausseer-hardbradler-hoamweh-nach-einem-gemeinsamen- konzert [19.11.2020]. 83

    Tånzn tat i gern, WADARABARABABEI// […] // [Jå] auf geht’s he[i]t, weil i hiaz des Diandl h[au],/ [i]s’Suserl is h[oi]t mei Fre[i]d, weil’s tånz’n k[au]!// […] // D’Musi sp[ü]t, he[i]t re[i]t mi går koa G[ö]d;// […] // [Jå owa] liaba Bua, hiaz wird glei so lång draht,/ bis da Håhn in da Fruah des ers[ch]temål kraht!// […] // Und dann sama mitanånda/ zu mir hoam g’ånga352

    Die hier eingesetzten phonetischen und lexikalischen Eigenheiten (z.B. die Diphthonge /aɪ/, /au/ und /ǫa/, Begriffe wie Diandl, Musi, reit, Bua) kennzeichnen deutlich die steirische Varietät, die in diesem Lied zum einen der Zuweisung zum Genre der Neuen Volksmusik dient. Zum anderen nutzen die Ausseer Hardbradler den symbolischen Charakter des Dialekts auch als Ausdrucksmittel der regionalen bzw. nationalen Verbundenheit, um durch die identitätsstiftende Funktion der Mundart ihr Publikum auf einer persönlichen Ebene anzusprechen und an sich zu binden.353 „Die Hinwendung zum Dialekt bedeutet gleichzeitig eine Zuwendung zur heimischen Kultur und Musiktradition“354, so Zerbs. Da die Gruppe danach trachtete, die Dialektmusik als Teil des österreichischen Kulturguts an die HörerInnen heranzutragen und die musikalischen Traditionen Österreichs auf moderne Weise weiterzugeben, bediente sie sich des Dialekts als Instrument der Identitäts- und Kulturvermittlung. Gegen die englischsprachigen Hits, die in den 1990er Jahren überaus beliebt waren, kamen die Ausseer Hardbradler mit ihrem noblen Vorhaben jedoch nur schwer an – zumindest was die Chartplatzierungen betraf. Gänzlich anders sieht die Erfolgsgeschichte des Tirolers Gerry Friedle, alias DJ Ötzi, aus, der ohne Unterstützung der österreichischen Radiosender nur durch Auftritte in Diskotheken und auf Après-Ski-Partys 1999 unvermittelt mit seinem ersten Hit Anton aus Tirol an die Spitze der österreichischen Charts kletterte. Das Lied, das stilistisch im Bereich der volkstümlichen Musik und der Dance-Musik einzuordnen ist, blieb für 75 Wochen in den Chartplatzierungen vertreten und erlangte Dreifach-Platin-Status. Die Nummer bescherte DJ Ötzi jedoch nicht bloß in Österreich hohe Verkaufszahlen, sondern belegte in vielen anderen europäischen Ländern wie Deutschland, Belgien, der Schweiz und den Niederlanden ebenfalls Platz 1 der Charts.355 Bei der Figurengestaltung des lyrischen Ichs setzten die Autoren des Textes (Manfred Padinger, Friedrich Schicho und Walter Schachner) auf das „Klischee des

    352 D.P.: Tånzn tat i gern. In: Bradlfett [CD]. Graz: EMI Austria. 1997, Nr. 2. 353 Anmerkung: „Das Identifikationspotenzial ist schließlich auch mit ein Grund, weshalb zu gewissen sprachlichen Varietäten wie Dialekten gegriffen werden kann. Auch wenn sich im deutschsprachigen Raum die Hochsprache doch weitläufig auch im Alltag etabliert hat (vgl. Braun 1993:22), stellt der Dialekt für viele dennoch eine Form der persönlichen Identifikation dar.“ (Mihatsch: Sprache in der Musik, S. 14.) 354 Zerbs: Amerikanisierung, S. 235. 355 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 263; vgl. Harauer: Adieu Austropop, S. 22; vgl. Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 139; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 26. 84 schrulligen Älplers mit seinem sprichwörtlichen Schmäh“356 und stellten Anton als einen Partyhengst dar, der immer nur an Frauen denkt und sich selbst für unfassbar potent, attraktiv und unwiderstehlich hält.

    I bin so schön, i bin so toll/ I bin d[a] Anton aus Tirol/ Meine gigaschlånkn Wadln san a Wahnsinn für die Madln/ Mei Figur a Wunder d[e]r Natur/ I bin so [stårkch] und auch so wild/ Ich treib es heiss und eisgekühlt/ Wippe ich mit dem Gesäß, schrein die Håsen SOS/ Und wolln den Anton aus Tirol// […]// Abends dann im Discostadl/ Zoag i mi mit [fufzehn] Madl/ Denn gewinnen kånn nur i/ Ui, so schön woa i no nie!357

    Sprachlich fällt auf, dass nur wenig dialektale Elemente verwendet werden und der Text stark an der österreichischen Standardvarietät bzw. an einer überregionalen Umgangssprache angelehnt ist. Auf präzise Charakteristika des Tiroler Dialekts wird, mit Ausnahme des südbair. /kch/-Lauts, größtenteils verzichtet. Zwar ist das behandelte Thema sowie der Text des Liedes recht banal, doch war DJ Ötzi damit dermaßen erfolgreich, dass nach ihm immer mehr MusikerInnen versuchten, im Genre der volkstümlichen Musik mit solch simplen dialektalen Liedern kommerziellen Erfolg zu erzielen. Dies gelang zum Beispiel 1999 der Gruppe A klana Indiana mit ihrem gleichnamigen Song, in dem beschrieben wird, wie „sich ein amerikanischer Ureinwohner auf mehrere Arten an den Hoden verletzt“358 – ein trivialer Text, der jedoch schlagartig die Charts eroberte. Zunächst beschränkte sich das Publikum dieser Musikrichtung noch auf die BesucherInnen von Zeltfesten und Après-Ski-Partys, doch bald schon waren die volkstümlichen Dialektlieder derart populär, dass sie überall eingesetzt wurden, wo es etwas zu feiern gab (z.B. in der Diskothek, auf Hochzeiten oder Geburtstagsfeiern). DJ Ötzi verankerte damit einen neuen Trend in der österreichischen Musikszene – er machte die Dialektmusik zur Partymusik, wodurch die Mundart in der Musik einerseits mit Neuem, Modernem und Populärem assoziiert wurde, andererseits jedoch für lange Zeit wieder als stigmatisiert galt und nur in wenigen Fällen in anderen Bereichen als der volkstümlichen Musik bzw. der Partymusik verwendet wurde. Gerry Friedle selbst wandte sich nach seinem ersten Hit vom Dialekt ab und veröffentlichte fortan Lieder auf Englisch und/oder in der Standardvarietät. Besonders seine englischsprachigen, modernen Dancefloor-Covers alter Schlager kamen auch beim internationalen Publikum sagenhaft an. Das Lied Hey Baby schaffte es im Jahr 2000 auf Spitzenplatzierungen der Charts in über 20 Ländern (darunter Österreich, Deutschland, England, Dänemark, Australien, USA und Südafrika). Mit I am the Music Man, das eine

    356 Smudits/Gebesmair: Musik und Globalisierung, S. 84. 357 Manfred Padinger/Friedrich Schicho/Walter Schachner: Anton aus Tirol. 1999. URL: https://genius.com/Dj-otzi-anton- aus-tirol-lyrics [21.03.2020]. 358 Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 83. 85

    Neuinterpretation der Kinderlieder Old MacDonald had a Farm und Ich hab ‘ne Tante in Marokko ist, erreichte DJ Ötzi 2006 sogar Platz 1 in Japan.359 Somit blieb Friedle zwar der Partymusik treu, jedoch nicht dem Dialekt in der Musik, dem er zu einem neuen Handlungsbereich verholfen hatte.

    4.5 2000-2010: Dekadenz der dialektalen Populärmusik

    Wie aus der Analyse der Single-Jahreshitparaden im Zeitraum von 2000 bis 2010 hervorgeht, hatten es heimische MusikerInnen in diesem Jahrzehnt besonders schwer, sich mit ihrem dialektalen Repertoire gegen englisch- sowie deutschsprachige Musik in der Standardvarietät zu behaupten. Bis 2010 schafften es lediglich drei Dialektlieder auf eine der Top-20- Chartplatzierungen. Österreichische KünstlerInnen, die die Mundart als Ausdrucksform ihres musikalischen Schaffens wählten, hatten nicht bloß gegen die omnipräsente „Verhochsprachlichung“360 zu kämpfen, sondern stießen auch aufgrund mangelnder Unterstützung von Plattenfirmen, Printmedien, TV- und Radiosendern auf weitere Hindernisse.361 Der österreichische Produzent und Regisseur Rudi Dolezal, der für zahlreiche Dokumentationen im Musikbereich bekannt ist, äußerte sich bezüglich der fehlenden Förderung österreichischer MusikerInnen in den frühen 2000ern kritisch:

    Der breiten Bevölkerung aber wird der unheimliche Kreativschub in der österreichischen Musikszene vorenthalten. […] Weil 80 Prozent der Österreicher neue Musik entweder im TV sehen oder auf Ö3 hören müssen, um sie auch wahrzunehmen. […] In Österreich fehlt aber die Plattform.362

    Die Situation der DialektmusikerInnen in der österreichischen Musikbranche spiegelt sich auch in der Auswahl des Korpus wider. Die für die Analyse dieses Jahrzehnts herangezogenen Werke wurden allesamt erst zu Ende der 2000er Jahre (ab 2008) veröffentlicht. Diese Tatsache verdeutlicht, welch geringe Beachtung der Dialektmusik am heimischen Musikmarkt in den vorangehenden Jahren zuteilwurde. 2008 war das Jahr, das für eine Kehrtwende sorgte und der Dekadenz der Mundartmusik ein Ende setzte. Neue DialektmusikerInnen aus den unterschiedlichsten Genres traten auf die Bildfläche und forderten, „respektiert und wahrgenommen zu werden“363. Sie erweiterten die dialektale Populärmusik Österreichs durch

    359 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 263; vgl. Havas: Das Austropop Sammelsurium, S. 26. 360 Beisbart/Maiwald: Dialekt in der Literatur, S. 124-125. 361 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 64 und 81; vgl. Lukas Luger: Wachablöse in der Austropop-Szene. In: OÖ Nachrichten vom 07.07.2011. URL: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,665177 [27.03.2020]. 362 Luger: Wachablöse in der Austropop-Szene. 363 Ebda. 86

    Elemente der Genres „Dancefloor, HipHop, Techno und Grunge“364, wodurch sie hervorhoben, dass Mundartmusik nicht automatisch mit Austropop gleichzusetzen ist. Thematisch befanden sich die dialektalen Lieder der 2000er Jahre jedoch weitgehend auf einer Ebene. „Thematik und Einsatzmöglichkeit von Dialekt hängt […] sehr vom Stellenwert des Dialekts im sozialen und kommunikativen Kontext der jeweiligen Sprachgemeinschaft ab.“365 Was in den späten 2000er Jahren genreunabhängig im Dialekt funktionierte, war Partymusik, weshalb die Mundart vorrangig in diesem Bereich eingesetzt und als nicht adäquat für die Behandlung ernster Themen erachtet wurde. Dies hatte zur Folge, dass sich auch die Verwendungsfunktion dialektaler Elemente großteils auf populäre bzw. gängige Ausdrucksformen der Partymusik beschränkte und somit als Klassifikationsmerkmal dieser Strömung diente. Eine der Gruppen, die mit dialektaler Partymusik Ende der 2000er hierzulande erfolgreich wurde, war die Band Die jungen Zillertaler. Das musikalische Trio aus dem Tiroler Zillertal bestand aus Markus Unterladstätter (Gesang, Bass und Trompete), Michael Ringler (Gesang, Akkordeon und Gitarre) und Daniel Prantl (Gesang, Gitarre, Saxophon und Geige).366 Die Band wurde bereits 1993 gegründet, schaffte ihren Durchbruch aber erst 2008 mit ihrer dialektalen Interpretation des Liedes So a schöner Tag (Fliegerlied), das im Original von dem deutschen Musiker Donikkl stammte. Mit ihrer Version des Songs sicherten sich die Tiroler nicht bloß für 53 Wochen eine Platzierung in den österreichischen Charts, sie schafften es sogar unter die Top-10 und erlangten mit ihrem Hit Goldstatus.367 Musikalisch bewegte sich die Gruppe im Bereich der volkstümlichen Musik bzw. des Schlagers, weshalb sie nach ihrem ersten großen Erfolg bald für zahlreiche Auftritte in Fernsehshows wie dem Musikantenstadl sowie auf Schlagerfestivals, Oktoberfesten und der Partymeile in Mallorca gebucht wurden. Anerkennung für ihre rund 150 Live-Performances pro Jahr und die fabelhaften Verkaufszahlen erhielten sie durch diverse Nominierungen und Auszeichnungen (z.B. Amadeus Austrian Music Award, elf Gold- und zwei Platin-Auszeichnungen in Österreich).368 Oberste Priorität hatten

    364 Smudits: I AM FROM AUSTRIA, S. 392. 365 Löffler: Dialektologie, S.44. 366 Vgl. Die jungen Zillertaler: Markus Unterladstätter. URL: https://www.die-jungen-zillertaler.com/markus- unterladstaetter--33451073-de.html [05.12.2020]; vgl. Die jungen Zillertaler: Michael Ringler. URL: https://www.die-jungen- zillertaler.com/michael-ringler--33451082-de.html [05.12.2020]; vgl. Die jungen Zillertaler: Daniel Prantl. URL: https://www.die-jungen-zillertaler.com/daniel-prantl--33451119-de.html [05.12.2020]; vgl. Wikipedia: Die jungen Zillertaler. Zuletzt geändert am 21.05.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_jungen_Zillertaler [05.12.2020]. 367 Vgl. Wikipedia: Die jungen Zillertaler; vgl. Wikipedia: Donikkl. Zuletzt geändert am 13.11.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Donikkl [05.12.2020]; vgl. Schlagerportal: Die jungen Zillertaler. URL: https://www.schlagerportal.com/stars/die-jungen-zillertaler [05.12.2020]; vgl. Murtal Sommer Open Air: Die jungen Zillertaler. 25 und kein bisschen leise. URL: https://www.murtalopenair.at/de/stars/Die_jungen_Zillertaler.asp [05.12.2020]. 368 Vgl. Die jungen Zillertaler: Biografie. MEGAGEIL im JUZI-Style. URL: https://www.die-jungen-zillertaler.com/biografie-- 33451050-de.html [05.12.2020]; vgl. Wikipedia: Die jungen Zillertaler; vgl. Schlagerportal: Die jungen Zillertaler; vgl. Murtal Sommer Open Air: Die jungen Zillertaler. 87 bei ihren Liedern eine gute Stimmung, humoristische Texte und ein hoher Unterhaltungswert; ernste Themen eigneten sich nicht für ein Publikum in Feierlaune und blieben daher unberücksichtigt.369

    Mit ihren Liedern vereinen Die jungen Zillertaler eine Zielgruppe „zwischen 5 und 100 Jahren“, wie Markus Unterladstätter nicht ohne Stolz betont, schließlich „gibt ś doch nichts Schöneres, als das [sic!] Musik Generationen verbindet und man gemeinsam feiert“!370

    Dies gelang ihnen deutlich mit dem Hit So a schöner Tag (Fliegerlied), bei dem üblicherweise das gesamte Publikum lautstark mitfeiert, ob nun bei einem Kinderfasching oder auf einem Zeltfest. Der heitere Klang des Liedes und die Simplizität des Textes laden sowohl Jung als auch Alt zum ausgelassenen Tanzen, Hüpfen und Mitsingen ein.

    Und i fliag fliag fliag wie a Fliega/ Bin so stark stark stark wie a Tig[a]/ Und so groß groß groß wie a Giraffe so hoch/ Und i spring spring spring imma wieda/ Und i schwimm schwimm schwimm zu dir rüba/ Und i nimm nimm nimm die bei da Hånd/ Weil i di mog/ Und i sog .../ Heid is so a sche[a]na tog [Lalalalala]371

    Die zum Text passende Choreografie kennen in Österreich die meisten bereits von Konzerten und Festen oder aus dem YouTube-Video. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch Jugendliche in Österreich beim Feiern in der Diskothek die Arme ausstrecken, um ein Flugzeug zu imitieren, wenn das Fliegerlied über die Musikboxen ertönt. Wie man mit dialektaler Partymusik gänzlich neue Wege in der österreichischen Musikszene beschreiten kann, zeigte die 2006 gegründete Mundart-Rap-Gruppe Die Vamummtn, kurz Vamus. Der Name des Rapper-Kollektivs wurde zum Bestandteil ihres Images als Underground-Künstler, denn durch die Pseudonyme der drei Musiker (Ansa, Zwara und Dreia) und das Tragen von Masken (Vamummtn = die Vermummten) verbargen sie ihre Identität und setzten bei der Selbstinszenierung auf Anonymität und das Interesse am Unbekannten.372 Zusammengefunden hatten sich die Mitglieder Mitte der 2000er Jahre nach eigenen Angaben zufolge aufgrund der „schier unglaublichen Flut an selbstgemachten Möchtegern-Gangsterrap-Videos“373, auf die sie reagieren mussten bzw. wollten, um das Image

    369 Vgl. Die jungen Zillertaler: Biografie; vgl. Wikipedia: Die jungen Zillertaler; vgl. Universal Music Booking: Die Jungen Zillertaler. URL: http://universalmusicbooking.at/die-jungen-zillertaler/ [05.12.2020]. 370 Murtal Sommer Open Air: Die jungen Zillertaler. 371 Andreas Donauer: So a schöner Tag – Fliegerlied. 2008. URL: https://www.musixmatch.com/de/songtext/Die-jungen- Zillertaler/So-a-Sch%C3%B6ner-Tag-Fliegerlied [21.03.2020]. 372 Vgl. Music Austria: Porträt. Die Vamummtn. Erstellt am 27.01.2012. URL: https://www.musicaustria.at/portraet-die- vamummtn/ [01.12.2020]; vgl. Wikipedia: Die Vamummtn. Zuletzt geändert am 26.10.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Vamummtn [05.12.2020]. 373 Music Austria: Porträt. Die Vamummtn. 88 der Hip-Hop/Rap-Subkultur zu verteidigen. Ausschlaggebend für ihren Karrierestart war ein ironischer Disstrack (ein Lied, in dem eine Person oder Gruppe kritisiert, verhöhnt oder denunziert wird) gegen das Salzburger Rap-Kollektiv SBG Hot Boys im Jahr 2007. In dem Lied verspotteten die Vamummtn die Salzburger für Inhalt und Darstellung ihres neu erschienenen Songs, der von enormer Kriminalität und einem Leben als Gangster in der eigentlich pittoresken Stadt Salzburg berichtete. Durch ihre ungezügelte und witzige Antwort auf die Gangster- Attitüde der SBG Hot Boys, die die Wiener Newcomer mit Millionen Klicks auf YouTube rasch zum Internetphänomen werden ließ, fanden sie bald große Beachtung in der heimischen Rap-Szene.374 Musikalisch setzten die Vamummtn, wie auch viele andere Deutsch-Rap- KünstlerInnen, auf altbewährte Oldschool-Beats und ergänzende Elemente aus den Bereichen der elektronischen Musik und des Dub. Was ihre Texte betraf, war der Dialekt-Rap der drei Wiener jedoch undogmatisch. Mit ihren spitzzüngigen Kommentaren gegen andere MusikerInnen, unterhaltsamen dialektalen Cover-Versionen aktueller, internationaler Hits und Persiflagen auf alles, was ihnen lächerlich erschien, wurden die Vamummtn mit viel Schmäh und Ironie zu den bedeutendsten Repräsentanten des neuen Genres Slangsta-Rap, das den Rapgesang in der österreichischen Mundart bezeichnet.375 „Dass die Vamummtn absolut kein Blatt vor den Mund nehmen, hat natürlich auch seine Schattenseiten. So schneiden Tracks wie Blowjob und Mei Schwonz in Sachen Radiotauglichkeit […] recht schlecht ab.“376 Daher bewegte sich die Gruppe trotz großer Fanbase in Österreich und Süddeutschland und zahlreicher Auszeichnungen (z.B. Amadeus Austrian Music Award) auch noch nach vielen Jahren des erfolgreichen Performens im musikalischen Underground.377 Dort beherrschten sie jedoch die österreichische Rap-Szene, seitdem sie 2008 die Krocha Hymne378 auf ihrem YouTube-Kanal veröffentlicht hatten. Mit hunderttausenden Online-Aufrufen sorgte das Lied

    374 Vgl. Music Austria: Porträt. Die Vamummtn; vgl. Laut.de: Die Vamummtn. Porträt. URL: https://www.laut.de/Die- Vamummtn [01.12.2020]; vgl. Wikipedia: Die Vamummtn. 375 Vgl. Music Austria: Porträt. Die Vamummtn; vgl. Music Austria: Die Vamummtn zu Gast in Linz. Erstellt am 12.01.2012. URL: https://www.musicaustria.at/die-vamummtn-zu-gast-in-linz/ [01.12.2020]. 376 Music Austria: Porträt. Die Vamummtn. 377 Vgl. Music Austria: HipHop in Österreich. Erstellt am 25.01.2013. URL: https://www.musicaustria.at/hiphop-in- oesterreich/ [01.12.2020]; vgl. Verdianz: Austropop, S. 47-48. 378 Anmerkung: „Als Krocha […] bezeichnet man Mitglieder einer kurzlebigen, vor allem im Jahre 2008 wahrgenommenen jugendkulturellen Szene in Österreich. Der Begriff leitet sich vom Wienerischen ‚einekrochn‘ (hineinkrachen) ab und wurde nach eigenen Angaben von dem österreichischen DJ Stefan Berndorfer (Stee Wee Bee) geprägt. Diese Jugendkultur vertritt keine expliziten Werte oder Weltanschauungen. […] Krocha hören elektronische Tanzmusik, vor allem Schranz, Hardstyle, Jumpstyle und Dance. […] Der Tanzstil der Krocha lässt sich nicht eindeutig festlegen, die Krocha selbst bezeichnen Ihren Tanzstil als ‚krochn‘. Einerseits lehnt er sich stark an den Melbourne Shuffle und Hardstep an, andererseits ist auch Jumpstyle unter den Krochan weit verbreitet. Die Szene definiert sich durch die Verwendung und Kreation eigener Wörter und eines eigenen Sprachstils, die sich großteils aus der Wiener Umgangssprache und Teilen von Sprachen Eingewanderter ableiten. So steht ‚Kroch’ ma’ eine‘ (Krachen wir hinein) ganz einfach für Spaß haben oder einfach nur für das Betreten einer Diskothek. Zur Betonung und Bejahung ist das Wort ‚fix‘ gebräuchlich. Allgemeiner Ausdruck der Gefühlserregung ist das Wort ‚Bam‘.“ (Wikipedia: Krocha. Zuletzt geändert am 12.02.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Krocha [08.12.2020].) 89 landesweit für Furore, erhielt eine Platzierung unter den Top-50 der österreichischen Charts und verschaffte den Vamummtn einen Single-Vertrag bei dem Major Label Universal Music Austria. Der Hit ist als Parodie der zu dieser Zeit populären Jugendkultur der Krocha zu verstehen und beleuchtet das Verhalten, das Aussehen sowie die Sprache der Subkultur auf satirische Weise.379

    I kroch wurscht wo zum Sound vom Handy!/ Meine Moves die san möada/ Bam i geh o wi[e] a G’stö[a]da// […] // Wenns olle duan donn moch is mit/ Schicht is Pflicht, [M]illenium a/ Und a dass i übao[i] [Ed Hardy trog]/ Es is übao[i] gleich/ Und schnö in [an] Club/ [Krocha krochn] ident im Partnalook!380

    Die Vamummtn beanstanden, dass der Jugendkultur der Krocha eine gemeinsame Wertebasis fehlt und sie kein größeres Ziel verfolgen als möglichst oft in Diskotheken tanzen zu gehen (z.B. Nachtschicht und A-Danceclub in der Millennium City). Weiters üben sie Kritik am Konsumverhalten der Jugendlichen und verurteilen sie für ihren einheitlichen Kleidungsstil, der auf teurer, glitzernder Markenkleidung basiert. Das fehlende Hervorheben der eigenen Individualität sowie die Bereitschaft, den Idealen der Jugendkultur in allen Belangen zu folgen, ohne diese zu hinterfragen, stellt für die Wiener Rapper ein generelles Defizit der Subkultur dar, weshalb wiederholt auf die Homogenität in der Krocha-Szene verwiesen wird.

    Glätt den Voki! Moch e[a]m long!/ Glätt den Voki, BAM OIDA! FIX OIDA!// […] // Ois Krocha brauchst a vabrendes G’sicht/ Und dazua z’große Brün/ Ed Hardy Cap in Neongrün/ Adidas-Bock aufe bis zum Knia/ Ois Krocha brauchst die ned geniern/ I schmink mi und zupf Augenbraun/ Rasier d[i] Fiaß und a mein Flaum/ Schlisslbandl um mein Haxn/ Um[an] Bauch mei Könataschl381

    Im Refrain werden die Sprechweisen der Jugendkultur sarkastisch reproduziert (Bam oida! Fix oida!) und ebenso das einheitliche Erscheinungsbild der Krocha wird im Refrain und der zweiten Strophe durch Verweise darauf, was für den richtigen Style benötigt wird, parodistisch exponiert. Dass auch männliche Mitglieder dieser Bewegung besonderen Wert auf ihr Äußeres legen, wird von Szenen-Externen wie den Vamummtn laufend belächelt, denn bereits bei jungen Krochan (Flaum = erster Bartwuchs, der noch recht spärlich ausfällt) gehören die Körperenthaarung, das Augenbrauenstyling, das Glätten des Vokuhila-Haarschnitts und der Besuch im Solarium zum Usus. Die Wiener Rapper sprechen der Jugendkultur somit jegliche

    379 Vgl. Music Austria: Porträt. Die Vamummtn; vgl. Laut.de: Die Vamummtn. Porträt; vgl. Wikipedia: Die Vamummtn. 380 Die Vamummtn: Krocha Hymne. 2008. URL: https://genius.com/Die-vamummtn-vamummtn-krocha-hymne-lyrics [21.03.2020]. 381 Ebda. 90 tiefergehende Bedeutung für die österreichische Kultur ab und heben durch ihre parodistische Auseinandersetzung mit der Szene die Oberflächlichkeit der Krocha hervor. In dieser Manier nutzten die Vamummtn auch bei späteren Liedern den Dialekt als Mittel der Parodie und Satire, insbesondere bei ihren Disstracks gegen andere MusikerInnen aus der Rap- bzw. Hip-Hop- Szene. Als Beispiele seien hier die Lieder Hawara schleich di (Cover des Songs Barbra Streisand von Duck Sauce) und Gschissn redn (Cover des Flo Rida-Hits Whistle) aus den Jahren 2010 und 2012 genannt, die sich gegen das konkurrierende Mundart-Rap-Duo richteten.382 Darüber hinaus behandelten die Vamummtn in ihren Liedern vorrangig Themen wie Pöbeln, Feiern und exzessiven Alkoholkonsum, weshalb ihre Partyhits mit derben Dialekttexten (z.B. Des Festl gestan und Ana geht no) vor allem von jungen Feierwütigen im Nachtleben mit Begeisterung rezipiert wurden. Für Ansa schien die thematische Ausrichtung der Gruppe zu eingeschränkt zu sein, weshalb er sich ab 2014 neben den Auftritten mit den Vamus auch seiner Solokarriere widmete. 2016 wurde die Auflösung des Rapper-Kollektivs aufgrund unüberwindbarer Differenzen bekanntgegeben.383 Lange Zeit hörte man nichts Neues von den Vamummtn und auch um den Solokünstler Ansa wurde es nach dem Release seines zweiten Solo-Albums medial immer ruhiger. Im März 2020, als die ÖsterreicherInnen im ersten landesweiten Lockdown der Corona-Pandemie zu Hause ausharren mussten und auf einen Rückgang der Infektionszahlen hofften, kamen die Vamummtn nach langer Zeit des Wartens in neuer Konstellation (Ansa, Dreier und MOZ, ein langjähriger Freund und Salzburger Rap- Kollege) zurück und versorgten ihre treuen Fans unter dem Namen Vamus 2.0 reloaded mit fetten Beats und aufmunternden Texten im Dialekt.384 Obwohl sie auch jetzt kein Blatt vor den Mund nehmen, ist doch deutlich zu erkennen, dass die Künstler seit ihrem letzten gemeinsamen Konzert nicht nur musikalisch, sondern auch persönlich gewachsen sind und den Mundart-Rap nun ebenfalls zur Behandlung ernsterer Themen einsetzen wollen. Unangepasst und nicht leicht einzuordnen war auch die Musik des Holstuonarmusigbigbandclubs, kurz HMBC, einer Gruppe, die 2003 gegründet wurde und aus den Vorarlbergern „Andreas Broger (Saxophon, Klarinette, Flöte, Gesang), Bartholomäus Natter (Trompete, Flügelhorn, Gesang), Johannes Bär (Tenorhorn, Tuba, Posaune, Gesang), Philipp Lingg (Akkordeon, Gitarre, Gesang) und Stefan Bär (Tuba, Tenorhorn, Gesang)“385 bestand.

    382 Vgl. Wikipedia: Die Vamummtn. 383 Vgl. ebda. 384 Vgl. ebda. 385 Music Austria: Der HMBC unterwegs. Erstellt am 06.03.2014. URL: https://www.musicaustria.at/der-hmbc-unterwegs/ [01.12.2020]. 91

    Was soll man über eine Formation schreiben, die musikalisch nicht und nicht in die üblichen stilistischen Schubladen hineinpassen will und es dennoch geschafft hat, sich in den österreichischen Charts zu positionieren und zudem auch noch mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurde.386

    Die fünf Mitglieder, die allesamt eine universitäre Musikausbildung genossen hatten, traten bis 2015 gemeinsam auf, bis Philipp Lingg seinen Austritt aus der Band bekannt gab – zwei Jahre später gaben die Vorarlberger Musiker ihr letztes gemeinsames Konzert und lösten sich danach auf.387 In den 15 Jahren ihres Bestehens machten die fünf Vollblutmusiker ihren Namensgebern, den Holstuonar Almbauern, die sich zum abendlichen Musizieren gewöhnlich in einer Stube versammelt hatten, alle Ehre.388 Auf Basis der Vorarlberger Volksmusik-Tradition kreierte der HMBC mit musikalischer Versiertheit virtuose Crossovers, in die die Band im Laufe ihrer Karriere immer weitere Stile und Strömungen wie Pop, Rock, Jazz, Ska, Funk, Hip-Hop, Indie, Reggae, Gypsy-, Balkan- und Dixie-Klänge miteinfließen ließ.389 Zu ihrem unverkennbaren Stil trugen nicht bloß ihre musikalische Progressivität und Unkonventionalität bei, auch die Wahl der „Hinter-Wälderischen [Mundart], einer spezifisch-regionalen Variante des Vorarlbergerischen, [die] offenbar selbst für [VorarlbergerInnen] nicht immer hürdenfrei zu verstehen ist“390, war Teil ihres Alleinstellungsmerkmals und brachte eine erfrischende Neuerung in die österreichische Musikszene der 2000er mit ein. Den Durchbruch schafften sie 2010 mit Vo Mello bis ge Schoppornou, einem ihrer ersten selbstgeschriebenen Lieder, das bereits 2009 veröffentlicht wurde und ihnen durch regelmäßiges Airplay in vorarlbergerischen Regionalradios und anschließender Sendezeit in überregionalen Radiosendern (z.B. Ö3 und Kronehit) zu landesweiter Bekanntheit verhalf. Nachdem ihre erste Single 2010 bis auf Platz 2 der österreichischen Singlecharts klettern konnte, sahen sich die Musiker darin bestärkt, fortan auf die Produktion eigenen Materials zu setzen, statt wie bis dahin bloß Covers bekannter Schlager- oder Pop-Hits zu veröffentlichen.391 „In Bayern wurde das Lied Ende des Jahres von den Hörern der Radiosendung von Moderator Matthias Matuschik auf Bayern 3 zum ‚Liebling des Jahres‘ gewählt. Im Jänner 2011 folgte der Einstieg in die deutschen Singlecharts.“392 Sogar

    386 Ebda. 387 Vgl. Wikipedia: Holstuonarmusigbigbandclub. Zuletzt geändert am 18.11.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Holstuonarmusigbigbandclub [05.12.2020]. 388 Vgl. David Weidinger: Porträt. Holstuonarmusigbigbandclub. In: Music Austria vom 02.04.2014. URL: https://www.musicaustria.at/portraet-holstuonarmusigbigbandclub/ [01.12.2020]. 389 Vgl. Rühl: Neue Volksmusik, S. 256; vgl. Weidinger: Porträt. Holstuonarmusigbigbandclub; vgl. Music Austria: Der HMBC unterwegs; vgl. Wikipedia: Holstuonarmusigbigbandclub. 390 Weidinger: Porträt. Holstuonarmusigbigbandclub. 391 Vgl. Weidinger: Porträt. Holstuonarmusigbigbandclub; vgl. Wikipedia: Holstuonarmusigbigbandclub. 392 Wikipedia: Holstuonarmusigbigbandclub. 92 im Jahr 2012 feierte der HMBC noch große Erfolge mit der Nummer und erhielt zum Beispiel den Amadeus Austrian Music Award in der Kategorie Song des Jahres.393 Vo Mello bis ge Schoppornou (Von Mellau bis nach Schoppernau) handelt von dem Heimweg des lyrischen Ich, das nach einer langen Nacht und starkem Alkoholkonsum versucht, von einem Lokal in Egg nach Hause in den Ort Schoppernau zu gelangen.

    Såmståg Zaubod a dor Egg,/ I beo wiedor amaul hålb varreckt/ Oas, zwo, drü, vier, fünf, seggs, siebo Gläsle sand oas zviel gsin,/ I gloub i ka nix daföar/ No an letschta blick uf mine Rolex Uhr,/ häb oa Oug zua, dass I jau do Zwölfar sea,/ Glück k[h]ea, glück k[h]ea und scho hat ar mi gseah,/ Guni seyt itz züod fädo I toar nämle zuo min Lädo.394

    Wie es in der ländlichen Gegend häufig der Fall ist, fehlt es an der nötigen Infrastruktur, um zu später Stunde noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren zu können. Das lyrische Ich beschließt deshalb per Anhalter zu fahren und hat Glück – ein deutscher Koch bleibt stehen und nimmt ihn bis nach Mellau im Auto mit. Von Mellau bis nach Schoppernau muss der Protagonist jedoch zu Fuß eine Strecke zurücklegen, die nüchtern ca. 2 Stunden 30 Minuten dauert, im betrunkenen Zustand vermutlich länger. Damit beschreibt das Lied ein Szenario, das vielen Jugendlichen am Land durchaus bekannt ist: Ein langer Fußmarsch nach dem Besuch einer Diskothek oder eines Dorffests, bei dem man versucht, auf dem Weg nach Hause nüchtern zu werden und noch vor Sonnenaufgang anzukommen. Auch das Klagen über die weite Entfernung und die schmerzenden Füße ist der ländlichen Jugend vertraut und gehört zu einem typischen Wochenende eines ‚Dorfkindes‘. Die Darstellung des provinziellen Alltags findet in diesem Lied aber nicht lediglich durch die inhaltliche Beschreibung dessen statt, was Jugendliche am Land als ‚Dorfkindmoment‘ bezeichnen, sondern wird des Weiteren durch das sprachliche Bild betont, das hier gemalt wird. Deutlich zu erkennen ist die dialektale Funktion der Mündlichkeitsfiktion, durch die die Alltagssprache der ländlichen Jugend repräsentiert werden soll. Die Mitglieder des HMBC verwenden ihren regionalen Dialekt sowie die bundesdeutsche Varietät des Autofahrers, um die Situation möglichst realitätsgetreu zu schildern.

    393 Vgl. Weidinger: Porträt. Holstuonarmusigbigbandclub. 394 HMBC: Vo Mello bis ge Schoppornou. 2009. URL: https://www.hmbc.at/de/medien/songtexte/vo-mello-bis-ge- schoppornou [21.03.2020]. Übersetzung: „Samstag abends in Egg (der nächst größere Ort)/ bin ich wieder mal halb verreckt./ 1 2 3 4 5 6 7 Gläser sind eines zu viel gewesen,/ ich glaub ich kann nix dafür./ Noch ein letzter Blick auf meine Rolex-Uhr -/ ein Aug zu, dass ich noch den 12er seh’/ Glück gehabt, Glück gehabt, doch schon hat er mich gesehen/Der Guni (der Chef des Lokals) sagt: Jetzt geh endlich nach Hause, ich mach nämlich meinen Laden zu!“ (Ebda.) 93

    Deanna huckt an Dütscha Koch, ar seyt /„Ich kann Dich mitnehmen bis nach Mellau/ von da an musst du schauen wie du selber weiterkommst und jetzt steig ein/ und mach das Fenster auf es stinkt“// […]// Vo Mello bis ge Schoppornou bean I gloufo, d’Füaß h[ea]mmo weh tau395

    Aufgrund seiner Funktion als Mittel der Figurencharakterisierung und Mündlichkeitsfiktion stellt der Dialekt eine passende Wahl dar, um das lyrische Ich seine witzige Anekdote über eine durchzechte Nacht und die damit verbundenen Herausforderungen erzählen zu lassen. Obgleich sicherlich nicht alle HörerInnen den Text des Liedes verstanden haben, war die Nummer dennoch österreichweit ein großer Erfolg, was beweist, dass es bei Musik nicht immer darum geht, jedes Wort zu verstehen, und DialektmusikerInnen nicht zwingend an den österreichischen bzw. deutschsprachigen Musikmarkt gebunden sind. Neben den Vamummtn gab es in den späten 2000er Jahren noch einen weiteren österreichischen Rapper, der mit dialektaler Partymusik überzeugen konnte und sogar den Sommerhit des Jahres 2010 lieferte: Martin Schlager, alias Skero. Der kreative Hip-Hop- und Street-Art-Künstler wurde im Underground des österreichischen Hip-Hops zunächst als Mitglied (1993-2013) der Linzer Gruppe Texta bekannt, die neben den Vamummtn als eine weitere fundamentale Größe der dialektalen Rap-Szene der 2000er galt.396 2009 kam Skeros erstes Soloalbum Memoiren eines Riesen heraus und bereits ein Jahr später folgte der große Erfolg mit der Single Kabinenparty. Der Hit wurde aufgrund einer Fan-Aktion auf Facebook mit dem Titel „Wir manipulieren die Charts – Kabinenparty als Nummer eins!“397 unter die Top-10 der Ö3 Charts katapultiert, weshalb er auf Hitradio Ö3 massives Airplay erfuhr.398 Obwohl das Lied, in dem es um einen Besuch im Schwimmbad geht, von den HörerInnen mit Begeisterung aufgenommen, in der Kategorie Song des Jahres mit einem Amadeus Austrian Music Award ausgezeichnet und nebenbei zu einem der meistgespielten Partyhits des Jahres wurde, waren seither keine weiteren Lieder des Musikers auf Ö3 zu hören. Bis Ende 2019 veröffentlichte der Hip-Hop-Künstler laufend neue Musik, die zwar vom Radiosender FM4 gespielt und durch weitere Amadeus Award Auszeichnungen wertgeschätzt wurde, den Bereich des musikalischen Undergrounds aber nicht mehr verlassen konnte, wodurch für viele Ö3-

    395 Ebda. Übersetzung: „Drinnen sitzt ein deutscher Koch, er sagt:/ ich kann dich mitnehmen bis nach Mellau (der überübernächste Ort),/ von da musst du schauen wie du selber weiterkommst, und jetzt steig ein,/ und mach das Fenster auf, es stinkt! // […]// Von Mellau bis nach Schoppernau bin ich gegangen, die Füße haben mir weh getan“ (Ebda.) 396 Vgl. Music Austria: Skero rappt sich am 7. Mai durch die Grazer Postgarage. Erstellt am 04.05.2010. URL: https://www.musicaustria.at/skero-rappt-sich-am-7-mai-durch-die-grazer-postgarage/ [01.12.2020]; vgl. Skero: About. URL: https://www.skero.at/ABOUT [05.12.2020]; vgl. Wikipedia: Skero. Zuletzt geändert am 16.06.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Skero [05.12.2020]. 397 Music Austria: Skero rappt. 398 Vgl. Music Austria: Skero rappt; vgl. Wikipedia: Skero. 94

    HörerInnen der Eindruck entstand, dass es sich bei dem Interpreten um ein One-Hit-Wonder gehandelt hatte.399 Wiederholt verwies der Musiker in diversen Werken daher auf die Kalamitäten im Umgang mit heimischen KünstlerInnen und forderte ein Umdenken der AkteurInnen in der Musikbranche, das zur Förderung der österreichischen Kunstszene führen sollte.400 Doch nicht all seine Lieder verfügen über eine solche tiefgehende Botschaft. In Kabinenparty, der Adaption des Liedes „Popozuda Rock ’N ’ Roll des brasilianischen Musikers Edu K.“401, die er gemeinsam mit der brasilianisch-österreichischen DJane Joyce Muniz für sein erstes Solo-Album produzierte, ging es in erster Linie um den Sound und die Tanzbarkeit des Liedes sowie um eine humorvolle Textierung, die sich an der Alltagssprache der oberösterreichischen Jugend anlehnt.402 Um diese in seiner Musik adäquat zu repräsentieren, nutzt Skero Elemente des Dialekts, der Jugendsprache sowie der Migrantensprache.

    ‚Migrantendeutsch‘ umschreibt als Sammelbegriff sprachliche Varianten, die sich als Mischformen der deutschen und der Muttersprache zugereister Migrationsgruppen bedienen. Dies kann sowohl grammatische Aspekte als auch den Wortschatz betreffen.403

    In der ersten Strophe wird diese Mischsprache primär durch die Art der Aussprache des Liedtextes (z.B. durch die Imitation des vokalischen, gerollten [ŗ]-Lauts) sowie durch den Artikelschwund (z.B. in Kabine statt in der/da Kabine), der mittlerweile auch als Merkmal der Jugendsprache gilt,404 dargestellt.

    Die anen foan noch Ibiza die ondren noch Udine/ Wir bleiben im Parkbad måchn Party in Kabine/ Hallo geile Biene gemma no a bissal schwimmen/ i brauch nur mei Håndtuch no des in d[a] Kabine drinnen/ Wås du sågst kånn ned stimmen/ i mein das voll ernst mit dir schau in [m]ei Sonnenbrille./ [i waß wirkli ned wos nimm i] Jolly Twinni schicke Bikinis/ [s]unn brennt oba wir san hinig geh ma no a weng in Schottn drom in da/ Restn Chibal brodn405

    Ebenso spiegelt die verwendete Lexik die Vermischung der Kultur Österreichs mit jener der Balkan-Regionen wider. Auf den typisch oberösterreichischen Dialektausdruck a weng (ein

    399 Vgl. Music Austria: Joyce Muniz gibt die Beats an. Erstellt am 28.07.2014. URL: https://www.musicaustria.at/joyce- muniz-gibt-die-beats-an/ [01.12.2020]; vgl. Skero: About; vgl. Wikipedia: Skero. 400 Vgl. Music Austria: Skero rappt. 401 Wikipedia: Skero. 402 Vgl. Music Austria: Joyce Muniz. 403 Judith Stark: Von der Sprache her. Das hätte man früher so nicht sagen können. In: t-online vom 07.04.2018. URL: https://www.t-online.de/nachrichten/wissen/id_83494838/sprachwandel-das-haette-man-frueher-so-nicht-sagen- koennen.html [13.12.2020]. 404 Vgl. Claudia Zehrfeld: Ich bin lost. Kleines Wörterbuch der Jugendsprache. Wissen Sie, was ‚cringe‘ bedeutet?. In: t- online vom 22.10.2020. URL: https://www.t-online.de/leben/familie/schulkind-und-jugendliche/id_18055098/cringe- cornern-und-co-kleines-woerterbuch-der-jugendsprache.html [13.12.2020]. 405 Martin Schlager (alias Skero): Kabinenparty. 2010. URL: https://www.dropbox.com/s/w3jckqp5oy0ap5p/Skero%20%22Memoiren%20eines%20Riesen%22texte.pdf?dl=0 [21.03.2020]. 95 bisschen, etwas) folgt wenige Worte später die Phrase Chibal brodn (Ćevapčići braten), die wortwörtlich oder als Synonym für das Flirten mit bzw. Ansprechen von Mädchen verstanden werden kann. Im übrigen Text wird dieses sprachliche Muster beibehalten, wobei sich in den darauffolgenden Strophen und im Refrain des Liedes lexikalische Spezifika des Dialekts mit jenen der österreichischen Jugendsprache406 abwechseln. Beispiele für typisch jugendsprachliche Wendungen aus den 2000er Jahren, die in diesem Lied aufgegriffen wurden, sind oida und vulgas.

    Shhht Kibarei drom bei da stroßn// […] // [Scheiß au] oida k[u]mm jetzt eina die foan eh scho wieda weida // […] // Kabinenparty getscho gemma vulgas // pockts eich zom s[u]nst wird ois le[t]schad// […] Sogor da Bodewaschl hods scho gschnoid und wü s[i] einadrenga407

    Oida (Alter) wird u.a. zur Ansprache von Personen, insbesondere von FreundInnen und Bekannten verwendet und dient darüber hinaus mit verschiedenen Bedeutungen als vielseitiger Partikel. Das Wort kann zum Beispiel Erstaunen oder eine Drohung ausdrücken. Die Bezeichnung gemma vulgas (auch: vuigas; geben wir alles) wird vor allem im Kontext des Feierns und des Alkoholkonsums eingesetzt und bezeichnet dabei lange Ausdauer und exzessives Verhalten. Der Begriff vulgas (bzw. vuigas) wird außerdem häufig als intensivierender Ausdruck mit der Bedeutung der Wörter besonders oder total verwendet (z.B. Des is vuigas guad. Das ist besonders gut. Des is jo vuigas long. Das ist doch total lang.). Als dialektale Charakteristika der österreichischen Lexik treten den Jugendwörtern Ausdrücke wie Kibarei (Polizei), letschad (schlapp, weich, nass) und Bodewaschl (Bademeister) gegenüber. Durch die Kombination dieser verschiedenen sprachlichen bzw. lexikalischen Eigenheiten gelang es Skero mit Kabinenparty, die Sprache der oberösterreichischen Jugend und MigrantInnen mit der regionalen Mundart der Generation 25 plus zu verbinden und so einen Partyhit zu schaffen, der bei allen ÖsterreicherInnen (unabhängig von Alter und/oder ethnischer Zugehörigkeit) gleichermaßen gut ankam. Bei den österreichischen Jugendlichen war das Lied

    406 Anmerkung: „Unter Jugendsprache wird in der Sprachwissenschaft die Gesamtheit von Sprachstilen Jugendlicher gefasst, wie sie in Jugendgruppen (Peergroups), Szenen, jugendlichen Milieus, Teil- und Subkulturen auftreten. […] Die Funktionen Jugendlicher Sprachstile sind demnach sehr unterschiedlich: Abgrenzung gegenüber der Elterngeneration und anderen Jugendgruppen bis hin zum Protest, eigene Identitätsbildung sowie Selbstinszenierung, Aspekt des Spielerischen/ der Innovation, affektive Entlastung, Kommunikation von Glaubwürdigkeit und Authentizität, Sprachökonomie (Tendenz der Sprache zu Sparsamkeit und Vereinfachung). […] Charakteristisch für Jugendsprache ist unter anderem ein bestimmter Wortschatz. Merkmale jugendlichen Sprechens können überdies zum Beispiel sein: kreative und spielerische Verfremdung von Wörtern, Äußerungen oder Wendungen; ethnolektales Sprechen, also Sprechen in grammatisch fehlerhaftem Deutsch; Bedeutungsverschiebung; Verwendung intensivierender Ausdrücke, Schimpfwörter und Vulgarismen; Anglizismen, aber auch Entlehnungen aus anderen Sprachen (z.B. Mischsprache aus Deutsch und Englisch); Wortneuschöpfungen; szenesprachliche Wörter; Dehnungsphrasen [und] metaphorische, oftmals hyperbolische Sprechweisen.“ (Zehrfeld: Ich bin lost.) 407 Ebda. 96 dermaßen beliebt, dass dessen Titel sogar zum Jugendwort des Jahres 2010 auserkoren wurde.408 Dem Trend der Verwendung des Dialekts zur sprachlichen Gestaltung von Partymusik folgte ab 2010 auch das polarisierende Duo Trackshittaz, das bis 2015 aus den Oberösterreichern Lukas Plöchl (G-Neila) und Manuel Hoffelner (Manix) bestand.409 Ihren musikalischen Stil, der auf Elementen diverser Strömungen und Genres wie Hip-Hop (v.a. Dirty South), Techno, Elektro, Rap und Volksmusik basierte, beschrieben die beiden als „Traktorgängstapartyrap“410, weshalb die Zuordnung ihrer Werke zur Hip-Hop- bzw. Rap- Szene stets umstritten war.411 Neben der stilistischen Einordnung ihrer Lieder als „Bierzeltmusik“412, die von Genre-Insidern wegen der simplen Rap-Parts im Mühlviertler Dialekt geringgeschätzt wurde, sorgten auch das Image der Musiker als ‚Landeier‘ sowie die inhaltliche Beschränkung auf Themen wie „Feiern, chillen, grillen und sich die Sonne auf den Schwanz scheinen lassen“413 wiederholt für scharfe Kritik, wobei beanstandet wurde, dass es den beiden jungen Männern nicht bloß an künstlerischem Talent fehle, sondern auch an Intelligenz.414 KritikerInnen aus der Musikbranche, wie dem Rapper-Kollektiv Die Vamummtn, entgegnete Plöchl mit Humor: „Ich bin kein Hip Hopper. Ich bin auch kein Rapper. Das ist für mich alles schon viel zu imagebehaftet. […] Am Ende kam dieser Partysound raus, über den wir Mundart-Raps legten. Uns gefällt es, wenn manche glauben, wir wären saudumm. Vielleicht sind wir’s auch.“415 Trotz der vielen Stimmen, die sich gegen das musikalische Schaffen der Trackshittaz aussprachen, stieß das Duo auch auf viel positive Resonanz, vor allem bei den jugendlichen HörerInnen und in der Party- und Diskotheken-Szene.416 Als die Oberösterreicher 2010 durch Alloa bam Fraunz, ein parodistisches Cover des im selben Jahr erschienenen Hits Alors on danse des belgischen Sängers Stromae, über den Upload auf ihren YouTube-Kanal innerhalb kürzester Zeit mit hunderttausenden Klicks zu Internet-Stars wurden, waren die beiden ‚Traktorgänster‘ bald landesweites Gesprächsthema unter den

    408 Vgl. Oewort: Das österreichische Wort des Jahres 2010. Jugendwort des Jahres 2010. URL: https://oewort.at/wort-des- jahres/2010/ [13.12.2020]. 409 Vgl. Laut.de: Trackshittaz. Porträt. URL: https://www.laut.de/Trackshittaz [27.03.2020]; vgl. Wikipedia: Trackshittaz. Zuletzt geändert am 22.04.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Trackshittaz [05.12.2020]. 410 Dani Fromm: Trackshittaz. Traktorgängstapartyrap. In: Laut.de vom 06.01.2012. URL: https://www.laut.de/Trackshittaz/Alben/Traktorgaengstapartyrap-73352 [27.03.2020]. 411 Vgl. Laut.de: Trackshittaz. Porträt; vgl. Wikipedia: Trackshittaz. 412 Luger: Wachablöse in der Austropop-Szene. 413 Fromm: Trackshittaz. 414 Vgl. Laut.de: Trackshittaz. Mit dem Traktor nach Baku. Erstellt am 28.02.2012. URL: https://www.laut.de/News/Trackshittaz-Mit-dem-Traktor-nach-Baku-28-02-2012-8692 [27.03.2020]; vgl. Fromm: Trackshittaz. 415 Laut.de: Trackshittaz. Porträt. 416 Vgl. Laut.de: Trackshittaz. Mit dem Traktor nach Baku; vgl. Laut.de: Trackshittaz. Porträt. 97

    Jugendlichen. Kurz darauf meldete sich Lukas Plöchl bei der ORF-Castingshow Helden von Morgen an, was nicht nur eine enorme Steigerung ihres Bekanntheitsgrades zur Folge hatte, sondern den Trackshittaz bereits nach Plöchls erstem Auftritt in der Sendung mit ihrem selbst geschriebenen Lied Oida Taunz einen Plattenvertrag mit dem Major Label Sony Music Austria bescherte.417 Die Nummer handelt von einem Besuch in der Diskothek, in der aufgrund der miserablen Songauswahl des DJs schlechte Stimmung herrscht, bis schließlich ein Lied aufgelegt wird, dessen Harmonika-Klänge (Quetschnsound) die Jugendlichen zum Tanzen verleiten.

    Du stehst im Club (Club)/ Und olle haum vom Taunzn gnua/ Sound hod kann Druck (Druck)/ Jo und desweng schauns nua zua/ DJ spüt Schaß/ Fü z’wach oida, staumpfn muaß // […] // Dau[n] kumt da Quetschnsound/ Olle schaun si deppad au/ W[ei] der fetzt unta d’Haut/ Olle hean zum Meckan auf / Laungsaum kimd da Sta ins roin/ In dera Dreckshittn/ De erstn Kepf nickn/ A wauns nu recht kraumpad dan/ Wir haumd an neichn Taunz am Start // […] Händ’ ind Heh/ Schnipp zum Beat/ Geht scho, oida taunz/ Quetsch de Luftquetschn // […] // Gemma Gas, gemma Gas/ Heast, wie geil de Quetschn klingt/ Gemma Gas, gemma Gas/ Wei sunst bitte glei a Detschn kimd418

    Sprachlich fällt auf, dass die Trackshittaz konträr zu vielen anderen DialektmusikerInnen, die auf eine überregional verständliche Variante der Mundart setzen, regiolektale Spezifika weder vermeiden noch abschwächen. In Oida taunz wird der Mühlviertler Dialekt durch charakteristische Lautkombinationen wie /au/ (z.B. in haum, taunzn, staumpfn, aunschaun, laungsaum, waun etc.) und eine typisch dialektale Lexik (z.B. Quetschn – Harmonika, Dreckshittn – schlechtes/heruntergekommenes Lokal, nu – noch, kraumpad – grob/verkrampft, Detschn – Ohrfeige) explizit hervorgehoben. Die jugendlichen HörerInnen werden nicht bloß auf inhaltlicher, sondern auch auf lexikalischer Ebene durch die Einbindung kennzeichnender Wendungen der Jugendsprache (z.B. oida, gemma Gas – vgl. gemma vulgas/vuigas in Skeros Kabinenparty) angesprochen. Der Hit Oida taunz stieg in Österreich als erstes Download-only- Lied (wurde zunächst nur digital verkauft) sofort nach Veröffentlichung auf Platz 1 der Charts ein, weshalb es trotz mangelnder inhaltlicher Tiefe einen Meilenstein in der österreichischen und dialektalen Musikszene darstellt.419 Auch mit späteren Alben und Liedern wie Guuugarutz (2011), Killalady (2011) und Woki mit deim Popo (2012) erzielten die Trackshittaz weitere

    417 Vgl. Laut.de: Trackshittaz. Porträt; vgl. Wikipedia: Trackshittaz. 418 Lukas Plöchl/Manuel Hoffelner: Oida taunz. 2010. URL: https://genius.com/Trackshittaz-oida-taunz-lyrics [21.03.2020]. 419 Vgl. Laut.de: Trackshittaz. Porträt; vgl. Wikipedia: Trackshittaz. 98

    Platzierungen in den Chartspitzen, doch retrospektiv blieb der Song Oida taunz nach ihrer Niederlage beim 2012 der Höhepunkt ihrer Karriere.420 Die Auseinandersetzung mit der österreichischen Musikszene der 2000er Jahre zeigt, dass manche InterpretInnen dieses Jahrzehnts mit einem ihrer Dialektlieder kommerziellen Erfolg erzielen konnten, danach jedoch als nicht-massentaugliches One-Hit-Wonder wieder in den Underground der österreichischen Musikszene zurückkehrten, wo sie für ihr musikalisches Schaffen auch abseits der Ö3-Charts hoch geschätzt wurden. MusikerInnen wie Skero oder auch die Vamummtn sorgten in den 2000er Jahren dafür, dass der Dialekt bei der österreichischen Jugend wieder an Popularität gewann und als adäquates Ausdrucksmittel moderner Musik akzeptiert wurde. Massentauglich wurde die Mundart in der Populärmusik Österreichs wieder gegen Ende des Jahrzehnts, als die Trackshittaz mit ihrem „Traktorgängstapartyrap“421 die österreichischen Charts stürmten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die KünstlerInnen der 2000er Jahre maßgeblich zur Änderung der Stellung des Dialekts in der heimischen Musikszene beitrugen und nachfolgenden MusikerInnen den Weg ebneten, mit dialektaler Populärmusik wieder in neue Bereiche vorzudringen.

    4.6 2011-2020: Das Comeback des Dialekts

    Die österreichische Dialektmusik der Jahre 2011 bis 2020 war in Bezug auf die Diversität der Genres und Stile, die bedient wurden, sowie die behandelten Themen und funktionalen Handlungsräume des Dialekts von Heterogenität geprägt. Etliche KünstlerInnen griffen auch alte Traditionen auf (z.B. Wienerlied, Elemente des Austropops der 70er/80er Jahre, Dialekt als Sprachrohr im kritischen Diskurs), adaptierten diese für ihre Musik bzw. ihr Genre und erweiterten sie durch kreative Neuerungen. Die Dialektmusik Österreichs schien in diesem Jahrzehnt so bunt und erfolgreich zu sein, wie schon lange nicht mehr. Der Musikjournalist Andy Zahradnik sprach gegen Ende des Jahres 2020 in einem Interview mit dem Musikmagazin Music Austria über die Entwicklung der österreichischen Musikszene und beschrieb die Produktionen heimischer InterpretInnen während der letzten Jahre wie folgt: „Zum einen hast du also heute den Austropop, der erfolgreich ist. Und auf der anderen Seite hast du internationale Musik aus Österreich, die in Märkten erfolgreich ist, an die man nie gedacht

    420 Vgl. Laut.de: Trackshittaz. Mit dem Traktor nach Baku; vgl. Wikipedia: Trackshittaz. 421 Fromm: Trackshittaz. 99 hätte.“422 Sowohl in der Underground-Szene als auch im Mainstream-Bereich ließ sich in den Jahren 2011 bis 2020 ein Revival des Dialekts feststellen. Das Aufblühen der Dialektmusik in diesem Jahrzehnt erinnert stark an die 1980er Jahre, für die Zehetner vermerkt, dass es wegen des boomenden Regionalismus und eines allgemeinen Nostalgiegefühls in der Bevölkerung zu einer sprachlichen Hinwendung zum Dialekt kam (vor allem auch bei jungen Leuten).423 Ein ähnlicher Trend zeichnete sich gegen Ende der 2000er Jahre ab, als man erneut versuchte, sich sprachlich und auch musikalisch stärker von den Vorgaben der internationalen Musikindustrie abzugrenzen und regionale bzw. nationale Besonderheiten hervorzuheben. Ein Musiker, der mit diesem Vorgehen seit 2009 außerordentlichen Erfolg verzeichnen kann, ist der Steirer Andreas Gabalier. Nach seinem ersten Auftritt im Musikantenstadl und der darauffolgenden Teilnahme am Grand Prix der Volksmusik, bei dem er den zweiten Platz belegte, machte sich der junge Musiker in seinem Heimatland rasch einen Namen als erster „Volks-Rock’n’Roller“424. Seine selbst geschriebenen Lieder, zu denen er auf der steirischen Harmonika spielt, sind zwar im Bereich der volkstümlichen Musik bzw. des Schlagers angesiedelt, weisen jedoch auch Komponenten des Pops, Rock’n’Rolls und Austropops auf, wodurch sie peppiger und moderner wirken als andere volkstümliche Werke aktueller InterpretInnen. Als ‚österreichischer Schlager-Elvis‘ präsentierte er sich vor allem zu Beginn seiner Karriere gerne in Lederhosen und im Rockabilly-Style und bediente damit eine gänzlich neue Sparte am Musikmarkt sowie eine erweitere Zielgruppe, die nicht nur an die Szene der volkstümlichen Musik bzw. des Schlagers gebunden war.425 In Österreich war bereits sein erstes Album Da komm’ ich her ein Verkaufshit, der auf Platz vier der Albumcharts kletterte, nach nur wenigen Wochen Goldstatus erreichte, sich über 250 Wochen in den Charts bewährte und schlussendlich Fünffachplatin erhielt. 2011 wurde Gabalier durch einen Auftritt in der Fernsehsendung Willkommen bei Carmen Nebel, bei der er seinen Hit I sing a Liad für di aus dem neuen Album Herzwerk performte, schließlich auch in Deutschland zum Star.426 „Seine Musik gefiel dem Publikum so gut, dass das in Deutschland nicht veröffentlichte Lied I sing a Liad für di als Digitaltrack zum Verkaufsschlager wurde. Nach diesem Erfolg brachte Universal

    422 Jürgen Plank: Der Begriff Austropop hat sich aus sich selbst herausentwickelt. Andy Zahradnik (Austro Podkastl) im Mica- Interview. In: Music Austria vom 13.11.2020. URL: https://www.musicaustria.at/der-begriff-austropop-hat-sich-aus-sich- selbst-herausentwickelt-andy-zahradnik-austro-podkastl-im-mica-interview/ [22.12.2020]. 423 Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 171. 424 Laut.de: Andreas Gabalier. Porträt. URL: https://www.laut.de/Andreas-Gabalier [21.12.2020]. 425 Vgl. Laut.de: Andreas Gabalier. Porträt; vgl. Schlager.de: Andreas Gabalier. URL: https://www.schlager.de/stars/andreas-gabalier/ [21.12.2020]; vgl. Verdianz: Austropop, S. 66; vgl. Wikipedia: Andreas Gabalier. Zuletzt geändert am 17.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Gabalier [21.12.2020]. 426 Vgl. Laut.de: Andreas Gabalier. Porträt; vgl. Schlager.de: Andreas Gabalier. 100 den Titel auch in Deutschland heraus.“427 Einen weiteren Boost erhielt die Karriere des Künstlers durch dessen Teilnahme an der TV-Show Sing meinen Song – Das Tauschkonzert, bei der sich der Österreicher dem deutschen Publikum als sympathischer junger Mann präsentierte, der trotz seines Erfolgs immer bodenständig geblieben ist und seine Musik nutzt, um die familiären Schicksaalschläge zu verarbeiten, die er schon früh erfahren musste. Dadurch konnte Gabalier viele HörerInnen emotional ansprechen, die sich eigentlich nicht für Schlagermusik interessierten, ihn als Mensch und Künstler nun jedoch bewunderten.428 Gabaliers Image ist Teil der Vermarktung seiner Musik, weshalb er sich stets als authentischer und publikumsnaher Musiker gibt, der seine Familie, seine Heimat und die Natur über alles liebt. „Gabalier spielt bewusst den naiven Lausbuben in Lederhosen“429 und stellt sich selbst gerne als ehrlichen Menschen dar, der direkt ist und einfordert, seine Meinung frei äußern zu dürfen.430 In seinen Liedern werden tiefgründige Messages an seine Fans oder kritische Auseinandersetzungen mit ernsten Themen jedoch meist ausgeklammert. Wie in den meisten Schlagerhits geht es auch in Gabaliers Liedern hauptsächlich um Liebe, Liebeleien, Heimat und die Verbundenheit mit der heimischen Natur.431 Grund für disputable Kontroversen und harte Kritik seitens der Medien lieferten regelmäßig fragwürdige Äußerungen des Musikers bei öffentlichen Veranstaltungen oder Interviews sowie diverse bedenkliche Handlungen. So wurde dem österreichischen Sänger unter anderem Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Fremdenfeindlichkeit und Nähe zur rechten Szene nachgesagt. Auch das Cover seines 2011 erschienen Albums Volks-Rock’n’Roller (Gabaliers verrenkte Pose darauf soll einem Hakenkreuz ähneln) und zahlreiche seiner Lieder (z.B. Mein Bergkamerad) wurden bereits in Bezug auf rechtspopulistische Symbolik analysiert und stellten für viele KritikerInnen eine gewollte Provokation dar.432 So resümiert der Wikipedia-Eintrag des Musikers dahingehend:

    Der geschäftsführende Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik der Universität Freiburg, Michael Fischer, analysierte für das Magazin Bento einzelne Liedtexte von Gabalier. Sein Fazit: „In den Liedern von Andreas Gabalier geht es vordergründig um Heimatkitsch, religiöse Gefühle und überholte Rollenbilder. Das findet man so zwar auch bei anderen

    427 Schlager.de: Andreas Gabalier. 428 Vgl. ebda. 429 Marc Röhlig: Was ein Experte für Nazi-Liedgut zu Andreas Gabaliers Texten sagt. Eine gewollte Provokation. In: SPIEGEL Panorama vom 08.02.2019. URL: https://www.spiegel.de/panorama/ist-andreas-gabalier-rechts-experte-fuer-nazi-liedgut- analysiert-seine-texte-a-7c6cbf73-b4f2-4505-95d3-78160bd56e53 [21.12.2020]. 430 Vgl. Schlager.de: Andreas Gabalier. 431 Vgl. Laut.de: Andreas Gabalier. Porträt. 432 Vgl. Wikipedia: Andreas Gabalier; vgl. Röhlig: Was ein Experte sagt. 101

    Schlagerliedern, aber im Politischen geht Gabalier deutlich weiter als andere.“ […] Ein solches „Spiel mit Begriffen“ kenne man auch von rechtspopulistischen Politikern.433

    Gabaliers Auftreten in der Öffentlichkeit mag zwar für hitzige Diskussionen sorgen, doch sind sich die meisten darüber einig, dass der Steirer ein geborener Entertainer und sein Image Teil des Erfolgskonzepts ist, das durch regelmäßige Auszeichnungen (z.B. Bambi-Award, Echo- Award, Amadeus Austrian Music Award, Gold- und Platin-Auszeichnungen) bestätigt wird.434 2016 wurde dem Musiker die Ehre zuteil, als erster Österreicher an der begehrten Konzertreihe MTV-Unplugged teilzunehmen, zu der deutschsprachige KünstlerInnen nur ausgesprochen selten eingeladen werden. Konzerte vor 70.000 Fans und Platzierungen in den Chartspitzen gehören für Gabalier mittlerweile zur Tagesordnung.435 „Das Album Herzwerk hielt sich 74 Wochen lang in den Top 10 der österreichischen Charts – länger schaffte das bisher nur Michael Jackson mit Thriller.“436 Aber auch andere Alben wie Volks-Rock’n’Roller, Home Sweet Home und Mountain Man waren in Österreich, Deutschland und der Schweiz wahre Verkaufshits.437

    In Deutschland zählen Gabaliers Singles I sing a Liad für di, Amoi seg’ ma uns wieder und Hulapalu mit rund 450.000, 300.000 bzw. 800.000 verkauften Einheiten zu den meistverkauften deutschsprachigen Schlagern und Liedern der volkstümlichen Musik seit 1975.438

    Viele seiner beliebtesten Hits handeln von banalen Themen und sollen primär gute Stimmung und Feierlaune vermitteln, weshalb auch die literarische Funktion des Dialekts in Gabaliers Liedern häufig auf jene der Genrezuweisung beschränkt ist. In der 2014 erschienenen Single- Auskoppelung Amoi seg’ ma uns wieder aus seinem ersten Album Da komm’ ich her (2009), tauchte der steirische Musiker thematisch jedoch in einen komplexeren Bereich ein, wodurch es ihm möglich wurde, weitere Funktionen des Dialekts zu nutzen. Das Lied, das vom Tod eines geliebten Menschen handelt, widmete Gabalier seinem Vater und seiner jüngeren Schwester, die im Abstand von zwei Jahren (2006 und 2008) Suizid begangen hatten und ihre Hinterbliebenen in tiefster Trauer und mit ungeklärten Fragen zurückließen.439

    433 Wikipedia: Andreas Gabalier. 434 Vgl. Laut.de: Andreas Gabalier. Porträt; vgl. Schlager.de: Andreas Gabalier. 435 Vgl. Schlager.de: Andreas Gabalier. 436 Ebda. 437 Vgl. Laut.de: Andreas Gabalier. Porträt; vgl. Schlager.de: Andreas Gabalier. 438 Wikipedia: Andreas Gabalier/ Diskografie. Zuletzt geändert am 16.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Gabalier/Diskografie#Singles [21.12.2020]. 439 Vgl. Schlager.de: Andreas Gabalier; vgl. Katja Seeliger: Andreas Gabalier. Suizid-Drama. In: Schlager.de vom 20.12.2020. URL: https://www.schlager.de/news/2020/12/20/andreas-gabalier-suizid-drama/ [21.12.2020]; vgl. Web.de: Andreas Gabalier spricht über das traurige Geheimnis seiner Familie. Zuletzt geändert am 14.07.2013. URL: https://web.de/magazine/unterhaltung/stars/andreas-gabalier-spricht-traurige-geheimnis-familie-17626046 [21.12.2020]. 102

    Uns oin is die Zeit zu gehn’ bestimmt/ Wie a Bla[d]l tro[n]g vom Wind geht’s zum Ursprung zruck ois Kind/ Wenn des Bluat in deine Odern gfriert/ Wei dei Herz aufheat zum schlo[n]g und du aufi zu die Engerl fliagst/ Donn hob ka Ongst und loss di anfoch tro[n]g/ Wei es gibt wos noch dem Lebm, du wirst schon segn440

    In dieser Zeit wurde die Musik zu Gabaliers Ventil, um seine zwiespältigen Gefühle von Schmerz und Wut, Verzweiflung, Ungewissheit und Hoffnung zu verarbeiten und einen Weg zu finden, das Geschehene zu akzeptieren und damit weiterzuleben.441 „Ich dachte damals viel über das Warum nach, über das Leben nach dem Tod und die Frage, ob es ein Wiedersehen gibt. […] So entstand der Text von Amoi seg’ ma uns wieder.“442

    Amoi se[g] ma uns wieder/ Amoi schau i a von obn zua/ Auf meine oi[d]n Tog leg i mi dankend nieder/ Und moch für olle Zeitn meine Augn zua // Ois wos bleibt, is die Erinnerung/ Und sch[e]n långsåm wird da kloa, dass nix mehr is wias woa/ Donn sui die Hoffnung auf a Wiedasehn/ Mir de Kroft in mein Herzschlog le[n]g, um weiter zu lem443

    Gabalier gelingt es mit Amoi seg’ ma uns wieder den belastenden und oft überfordernden Empfindungen Ausdruck zu verleihen, die einen beim Tod einer geliebten Person übermannen. Er nutzt den Dialekt als Sprache der Nähe und Emotionen gekonnt, um die innere Gefühlswelt eines trauernden lyrischen Ichs darzustellen und den unsagbaren Schmerz, der durch den Verlust entstanden ist, zu verbalisieren. Da viele Menschen unabhängig von Alter, Nationalität, Musikgeschmack oder politischer Einstellung die Trauer nach dem Ableben einer Bezugsperson aus eigener Erfahrung kennen und versuchen, in solchen Momenten Hoffnung und Kraft aus Musik zu schöpfen, erreicht der Volks-Rock’n’Roller durch die thematische Erweiterung, die dieses Lied mit sich bringt, ein weitaus größeres Publikum als seine übliche Fan-Gemeinschaft aus der Szene der volkstümlichen Musik bzw. des Schlagers. Damit veranschaulicht Andreas Gabaliers Karriere exemplarisch, dass es selbst bei HörerInnen unterschiedlicher Genres immer eine gemeinsame Komponente gibt – sei es nun der Dialekt, den man spricht, die Musik, die man hört, oder das Gefühl, den Kummer des lyrischen Ichs zu kennen. Ein weiterer Musiker, dessen Lieder zu Beginn dieses Jahrzehnts Aufsehen erregten, war Hubert von Goisern. Nach seinem Erfolgshit Koa Hiatamadl und dem darauffolgenden

    440 Andreas Gabalier: Amoi seg‘ ma uns wieder. 2014. URL: https://genius.com/Andreas-gabalier-amoi-seg-ma-uns-wieder- lyrics [21.03.2020]. 441 Vgl. Laut.de: Andreas Gabalier. Porträt; vgl. Seeliger: Andreas Gabalier. 442 [Anonym]: Das Trinken hat mir geholfen. So verarbeitete Andreas Gabalier die Selbstmorde von Vater und Schwester. In: t-online vom 12.09.2014. URL: https://www.t-online.de/unterhaltung/literatur/id_70984576/so-verarbeitete-andreas- gabalier-die-suizide-von-vater-und-schwester.html [21.12.2020]. 443 Gabalier: Amoi seg‘ ma uns wieder. 103 zweijährigen Dauerstress durch weitere Plattenproduktionen sowie über 2000 Auftritte auf Tourneen, wurde das Leben in der Öffentlichkeit für Hubert von Goisern zu viel, weshalb sich die Alpinkatzen 1995 nach ihrer Abschlusstournee auflösten und sich der Bad Goiserer Hubert Achleitner eine Pause von dem Rummel des Musikbusiness gönnte. Musik produzierte der kritische Liedermacher in dieser Zeit dennoch weiterhin, denn er fühlte sich als Künstler stets verantwortlich, sein Talent zu nutzen, um eine Veränderung im Denken bzw. Handeln der Gesellschaft zu bewirken.444 „Ich glaub an einen Einfluß, den hast du auf olle. Net nur politisch. Des Ohr oder des Hirn is net nur getunt auf Dreiklänge oder Lieder, sondern des Ohr is offen, de Leut’ hör’n da zua. Damit host an Einfluß.“445 Nach der Veröffentlichung seines ersten Hits und der damaligen Interpretation des Werkes, machte sich der Musiker fortan bewusst Gedanken darüber, wie seine Lieder aufgefasst werden könnten. Er versuchte, Missverständnisse und Fehlinterpretationen seiner Lieder durch klare, kritische Stellungnahmen zu politischen Kontroversen zu vermeiden, zum Beispiel bezüglich des ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim, des ehemaligen Vorsitzenden der FPÖ Jörg Haider sowie rechter und faschistischer Gruppierungen in Österreich. Weiters kritisierte Hubert von Goisern in seiner Funktion als Musiker und mehrfacher Preisträger des Amadeus Austrian Music Awards die unzureichende Unterstützung heimischer KünstlerInnen durch Musikbranche und Medien, indem er 2001 in seiner Dankesrede auf diese Vernachlässigung hinwies und der nächsten Verleihung aus Protest fernblieb.446 Um kritische und tiefgründige Überlegungen zur aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation des Landes für das Publikum zugänglicher zu gestalten, bedient sich Hubert von Goisern eines progressiven Volksmusiksounds und des Dialekts, der es ihm ermöglicht, komplexe Themen in der Sprache des Volkes auf das Essentielle herunterzubrechen. Ein fabelhaftes Beispiel für solch ein Lied ist der 2011 veröffentlichte Nummer-1-Hit Brenna tuat’s guad, der auf dem Erfolgsalbum EntwederUndOder erschien. Die Single, mit der sich der Oberösterreicher erstmals in den deutschen Charts platzieren konnte, blieb insgesamt 34 Wochen in den heimischen Charts vertreten (wovon sie fünf Wochen Platz 1 belegte) und erhielt schlussendlich Platinstatus. Das dazugehörige Album war mit Doppelplatin und einer 56-wöchigen Platzierung in den österreichischen Charts sogar noch ertragreicher.447 Bei seinem bereits zwölften

    444 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 228; vgl. Kunz: Der wirtschaftliche Erfolg, S. 121-122; vgl. Seiler: Titanenkampf, S. 53. 445 Skocek: Heimat fern der Heimat, S. 49. 446 Vgl. Skocek: Heimat fern der Heimat, S. 49; vgl. Seiler: Titanenkampf, S. 53; vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 266. 447 Vgl. Wikipedia: Hubert von Goisern. Zuletzt geändert am 19.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Hubert_von_Goisern#Diskografie [27.12.2020]; vgl. Hubert von Goisern: Entwederundoder. Brenna tuats guat. Erstellt am 14.12.2011. URL: https://www.hubertvongoisern.com/entwederundoder/brennatuatsguat.html [21.12.2020]; vgl. Wikipedia: Brenna tuat‘s guat. Zuletzt geändert am 14.07.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Brenna_tuat%E2%80%99s_guat [21.12.2020]. 104

    Studioalbum setzte Hubert von Goisern auf musikalische Reduktion (z.B. was die Anzahl der verwendeten Instrumente betraf) und sprachliche Simplizität.448 Zu dem Schreibprozess bei der Entstehung von EntwederUndOder sagte der Sänger und Komponist: „es ist eine bekannte [T]atsache, dass es einfacher ist, kompliziert zu sein, jedoch kompliziert, sich einfach auszudrücken.“449 Dass dem Bad Goiserer dieser Balanceakt immer wieder gelingt, zeigt sich am Beispiel von Brenna tuat’s guad, das komplexe Themen wie Vergänglichkeit, (Geld-)Gier, die Deckung der Grundbedürfnisse und die Stimmung der Bevölkerung zum aktuellen Zeitgeschehen durch die Einfachheit des Dialekts gekonnt auf den Punkt bringt. Grundlage für die skeptische Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus und dem Stellenwert des Geldes in unserer Gesellschaft war die Weltfinanzkrise, die im Jahr 2007 begonnen hatte und fatale, langjährige Konsequenzen sowohl für die betroffenen Staaten als auch für deren Bevölkerung nach sich zog. Mit seinen kritischen Textzeilen verleiht Hubert von Goisern der Wut und Verzweiflung vieler BürgerInnen über den Umgang der politischen Führungskräfte mit der Finanzkrise Ausdruck.450

    wo is des g[ö]d/ des wås über[oi] f[öh]t/ jå håt [‘n] koana an genierer/ wieso kemman [oi]wei de viara/ de liagn, de die w[oa]rheit verbi[a]g’n/ und wånns nit kriagn wås w[ui]n/ dånn wird’s [hoit] g’st[ui]n,/ [he de sui] der te[if]l h[ui]n451

    Im Refrain des Liedes geht der Musiker auf ein weiteres Thema ein, das Ende der 2000er Jahre in Österreich in aller Munde war: Bioethanol.

    [a] jeder woass, dass [des]/ g[ö]d nit auf da wiesn wåchst/ und essn ka[u]n ma’s a nit/ [owa] brenna tat’s guat/ [owa] hoazn toan ma [in] woazn/ und de ruabn und [i]n ku[ga]ruz/ [und] wånn ma lång so wei[da] hoazn/ brennt da huat452

    Einige Jahre lang glaubte die österreichische Regierung, mit der Herstellung eines Kraftstoffs aus biologisch abbaubaren Anteilen von Pflanzen (z.B. Mais, Weizen), Holz und Stroh eine Wunderlösung für die Bekämpfung des Klimawandels und eine Alternative zur Abhängigkeit vom Import teurer Treibstoffe gefunden zu haben. Als man sich jedoch schließlich darauf besann, dass die Verarbeitung von Lebensmitteln zu einem Kraftstoff, der verbrannt wird, keine

    448 Vgl. Hubert von Goisern: Entwederundoder. Das Album. Erstellt im Juli 2011. URL: https://www.hubertvongoisern.com/entwederundoder/album.html [21.12.2020]; vgl. Daniel Voglhuber: Essen verbrennen ist ungeheuerlich. In: Kurier vom 05.12.2011. URL: https://kurier.at/chronik/oberoesterreich/essen-verbrennen-ist- ungeheuerlich/734.578 [21.12.2020]. 449 Hubert von Goisern: Entwederundoder. Das Album. 450 Vgl. Hubert von Goisern: Entwederundoder. Das Album; vgl. Wikipedia: Brenna tuat‘s guat; vgl. Voglhuber: Essen verbrennen. 451 Achleitner, Hubert (alias Hubert von Goisern): Brenna tuat‘s guat. 2011. URL: https://www.hubertvongoisern.com/entwederundoder/liedtexte.html [21.03.2020]. 452 Ebda. 105 moralisch tragbare Option sein könne, gingen die Produktion und der Verkauf von Bioethanol wieder stark zurück. In einem Interview mit der Nachrichtenwebsite Südtirol Online erklärte Hubert von Goisern, weshalb ihn dieses Thema so sehr berührte:

    Es geht in erste Linie um die sehr bedauerliche und fatale Entwicklung, dass wir Lebensmittel zu Energie machen. Aber nicht zu Energie, die die Menschen nährt und sie am Leben hält, sondern für Maschinen, die wir damit betreiben. In Zeiten wie diesen, wo Menschen an Hunger und Unterernährung sterben, Lebensmittel zu verheizen und zu Treibstoffen zu verarbeiten ist einfach unglaublich. Wir haben als mündige Bürger die Möglichkeit, uns gewissen Dingen zu verweigern. Mein Beitrag ist es, das Bewusstsein auf diese Sachen zu lenken.453

    Dass der Musiker mit diesem Text einen Nerv traf, beweist zum einen das Lob, das dieses Lied von MusikkritikerInnen erfuhr, zum anderen aber auch dessen Boykottierung durch diverse deutsche Radiosender, die sich weigerten, den Song in ihr Programm aufzunehmen.454 Davon unbeirrt setzt sich Hubert von Goisern bis heute mit zahlreichen Projekten im In- und Ausland für Menschenrechte ein und versucht, die Gesellschaft mit seiner Musik im Dialekt zum Nach- und Umdenken anzuregen.455 Den Dialekt als lyrische Waffe im Kampf gegen das Establishment wählt auch der Wiener Rapper Ansa (bürgerlich Martin Kühne), der 2014 mit seinem Debüt-Album Ansa Unta Millionan seine Karriere als Solokünstler neben gemeinsamen Projekten mit den Vamummtn startete.456 Durch sein erstes Solo-Album wollte er beweisen, dass ihn weitaus mehr beschäftigt als jene Themen, die das Rapper-Kollektiv Vamus üblicherweise in ihren Liedern behandelten: „Ich kann auf dem Soloalbum nicht in jeder Nummer übers Saufen und Ficken reden. […] Ich kann mehr. Das wollte ich zeigen.“457 Obgleich auch auf dieser LP Disstracks und Partysongs zu finden sind, tauchte Ansa mit seinem ersten Solo-Album thematisch auch in neue Sphären ein und lieferte seinen Fans persönliche Einblicke in seine Gefühlswelt. Die Texte handeln von der Liebe zu seiner Tochter, seiner Leidenschaft für die Musik, von harter Arbeit und Hingabe, vom Scheitern im beruflichen und privaten Bereich und von seiner Enttäuschung über die fehlende Unterstützung in der österreichischen Musikindustrie.458 Realness, also die

    453 Barbara Raich: Goisern im STOL-Interview. Es groovt wie Sau. In: stol.it vom 08.11.2011. URL: https://www.stol.it/artikel/kultur/musik/goisern-im-stol-interview-es-groovt-wie-sau-video [21.12.2020]. 454 Vgl. Wikipedia: Brenna tuat‘s guat; vgl. Voglhuber: Essen verbrennen. 455 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 266. 456 Vgl. Laut.de: Die Vamummtn. Porträt; vgl. Irievibrations Records: Ansa – Ansa unta Millionan. URL: http://www.irievibrations-rec.com/shop/index.php?route=product/product&product_id=142 [21.12.2020]. 457 Laut.de: Ansa. Porträt. URL: https://www.laut.de/Ansa [21.12.2020]. 458 Vgl. Dani Fromm: Ansa. Jägiritter. Rücksichtslos, ungefiltert, unmittelbar aufs Maul. In: Laut.de vom 27.11.2015. URL: https://www.laut.de/Ansa/Alben/Jaegiritter-98218 [21.12.2020]; vgl. Laut.de: Ansa. Porträt; vgl. Irievibrations Records: Ansa. 106

    Authentizität des Künstlers, wird in der Hip-Hop- und Rap-Szene besonders großgeschrieben und gehört sicherlich auch zu Ansas Erfolgskonzept. Um seinen HörerInnen diese Realness zu vermitteln, nimmt der Rapper in Kauf, mit seinem dialektalen Slangsta-Rap, der im Vergleich zum deutschsprachigen Rap weniger populär ist, nur ein Nischenpublikum zu bedienen.459 Der Dialekt unterstützt jedoch nicht bloß Ansas Image als authentischer Musiker, sondern bietet ihm ferner die Möglichkeit, dem Gesagten bzw. Gerappten mehr Ausdruck zu verleihen, da es persönlicher, unmittelbarer und ehrlicher wirkt.460 In dieser Form richtet er in den 2014 veröffentlichten Liedern Businessplan und LaLaLa Nana (Illusion) seine ungefilterte Kritik gegen das Establishment, die Musikindustrie, die Medien und die selbsternannten FörderInnen der heimischen Kunstszene, die laut Ansa kläglich versagt haben.

    Doch in Österreich gibts für des so gu[a]t wie kane Chancen/ Hier behåndeln di fost ålle gleich, w[eu] sie san blind/ Wos onderes ois Vo[i]ksmusik losst si ned vakaufn/ Im Endeffekt sads olle feig, des konns ned sei/ […]/ W[eu] i bin ma sicher, wenn wer ån di glaubt, warats leicht/ Und Musiker in diesem Lånd a Traumjob// Oba so is’ ned, na, na, na/ Sie legn da nur Stana in den Weg/ Und [ian] Businessplan/ Konn a beim besten W[ü]lln ka Musiker vasteh’/ […] / W[ei] in [ian] Businessplan/ Passt du ned eine, somit bist ned existent// […] // In Österreich, da hüft nur touren und bissl live spühn/ Wei kana mehr wos kauft, sondern auf YouTube MP3s rippt// […] // So schaut’s aus, verkaufst d[ei] Seele ned an Major-Labels/ Wirst vo Radios ausglocht// […] // Wenn di kaner pusht, bist medial ned existent/ Kana nimmt di wo[a]h und merkt somit a ned, dass’d wos drauf host// […] // Scho lustig, wenn ma bedenkt, dass i [fuchzehn] Jo[a]h scho rapp’/ Und medial no immer kan Support hob461

    Im ersten Teil des Liedes beanstandet der Rapper die fehlende Risikobereitschaft der Plattenfirmen, unbekannte KünstlerInnen bzw. MusikerInnen aus Nischenmärkten unter Vertrag zu nehmen und ihnen dadurch die Chance zu geben, sich und ihr Können unter Beweis zu stellen. Weiters geht er darauf ein, dass die Labels blind einem bestimmten Businessplan folgen, ohne sich selbst ein Bild von dem musikalischen Potential der InterpretInnen zu machen. Dies entspricht insbesondere bei Major Labels der Realität, da die österreichischen Tochtergesellschaften meist den Vorgaben der deutschen bzw. internationalen Mutterkonzerne zu folgen haben. In weiterer Folge wird der Konsum von Musik durch HörerInnen kritisiert, die die Lieder illegal im Internet downloaden oder nur Streamen (bei den meisten Streaming- Plattformen verdienen die MusikerInnen nur sehr schlecht an den Klicks), anstatt sie zu erwerben und die SängerInnen dadurch gerecht für ihre Arbeit zu entlohnen. Auch mit den

    459 Vgl. Fromm: Ansa. Jägiritter; vgl. Irievibrations Records: Ansa. 460 Vgl. Fromm: Ansa. Jägiritter; vgl. Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 326. 461 Martin Kühne (alias Ansa): Businessplan. 2014. URL: https://genius.com/Ansa-businessplan-lyrics [21.03.2020]. 107 heimischen Radiosendern und Print- bzw. Online-Medien geht der Rapper hart ins Gericht. Diesen unterstellt er, MusikerInnen ohne Vertrag bei einem Major Label zu ignorieren und ihnen die Unterstützung zu verweigern, die es benötigen würde, um auf dem kleinen österreichischen Musikmarkt bestehen und finanziellen Erfolg erzielen zu können. Mit dem Lied LaLaLa Nana (Illusion) liefert der Rapper prompt eine sarkastische Antwort auf die zuvor bemängelten Zustände in der österreichischen Musikindustrie und parodiert all jene gehaltlosen Pop-Songs, die seiner Meinung nach zu Unrecht gefördert werden.

    In dem Lånd wirst ned g’spüt ohne an Beat wie diesen do/ [O]hne an Text der sinnlos is, wie Kriag und so/ A bissal Message is ok, oba die Leit ned überfordern// […] // In unsere Charts passt ka Mund[oa]t-Hip-Hop/ Billboard Charts; do importier ma do vü liaba/ A poa Liada von Amis, ka Aufwånd und funktioniert a// […] // Und a wenn a kontrovers is, is a englisch, wos sois/ Oiso sing ma a bissl wos/ A bissl wos, wos hängan bleibt/ A bissl lalalala oda nana/ Ohohohoh// […] // I hob glei mit da Hook augfaungan, damits a hänga bleibt/ Vier Akkorde g’spüt in an Loop, prägt si ei// […] // Und wiast sichst, nickst grod mit zu dem Beat/ Und wenns wer finanziert, daun wirds a Hit/ Des geb i da gern schriftlich/ Weu scho all[a] die Hookline so simpl gestrickt is/ Und a jeder mitsingt, ob as wü oda ned/ Dats eam spün drei moi d[i] Stund, liabst a du den Track// […] // Hob mi no ned und werd mi a in Zukunft ned v[a]kaufn für die Industrie/ I moch Musik und wollt nua zagn, dass’ echt easy wa/ A Liad zu schreibn, wos eine geht und jeda singan kau462

    In Lalala Nana (Illusion) konstatiert Ansa, dass es vor allem eines benötigt, um Verträge, Marketing-Aktionen, Medienberichte und Airplay zu erhalten: Simplizität. Ein Lied solle eine einfache Melodie und peppige Beats haben und inhaltlich sowie sprachlich nicht zu anspruchsvoll sein – am besten auf Englisch, denn dann sei es ohnehin belanglos, was gesungen wird, solang es nur in der Trendsprache der internationalen Musikindustrie ist. Auf eine kritische Auseinandersetzung mit ernsten Themen oder auf komplexe musikalische Arrangements werde kein Wert gelegt, es sei nur wichtig, dass das Lied ein Ohrwurm ist und leicht nachgesungen werden kann (lalalala oda nana/ Ohohohoh). KünstlerInnen, die an ihre Musik einen höheren Anspruch stellen, könnten sich Ansa zufolge keine mediale Unterstützung erwarten, denn ihre Werke seien zu anspruchsvoll für das, was die Musikindustrie der Mehrheit der HörerInnen zutraue. Zu Ende des Liedes hebt der Musiker hervor, dass es nicht zwingend an fehlendem Talent läge, wenn österreichische KünstlerInnen nicht im Radio gespielt werden, häufig würde es nur an FörderInnen mangeln. Mit seinem Lied wolle er zeigen, dass es auch für ihn einfach wäre, eine Nummer zu schreiben, die den Vorgaben der Musikindustrie

    462 Martin Kühne (alias Ansa): Lalala Nana (Illusion). 2014. URL: https://genius.com/Ansa-lalala-nana-illusion-lyrics [21.03.2020]. 108 entspricht – sich diesen zu beugen, ginge aber gegen alles, wofür er mit seiner Kunst einstehe. Mit diesem abschließenden Statement verweist Ansa wieder auf sein Image als authentischer Künstler, der sich auch für die Musikindustrie und den kommerziellen Erfolg nicht verbiegen lässt und lieber „Mundoat-Hip-Hop“463 für seine kleine Fanbase produziert. Weitaus erfolgreicher im Bereich der Mainstream-Musik ist das moderne Austropop- Duo Seiler und Speer, das aus dem Schauspieler Christopher Seiler und dem Filmproduzenten Bernhard Speer besteht. Die beiden lernten sich 2014 im Zuge der Dreharbeiten zu der Serie Schichtwechsel kennen, in der Seiler einen grimmigen Misanthropen spielte und Speer neben seiner eigentlichen Aufgabe als Regisseur spontan auch als Gitarrist für die musikalische Begleitung fungierte.464 Daraus ergab sich eine erneute Zusammenarbeit in der in weiterer Folge gemeinsam produzierten, dialektalen Comedyserie, die unter dem Namen Horvathslos zahlreiche ZuseherInnen auf YouTube begeisterte. In den kabarettistisch angelegten Sketches verkörperte Seiler die von ihm geschaffene Kunstfigur Anton Horvath, einen arbeitslosen Alkoholiker, der jedes schlechte Klischee eines Österreichers in sich vereint. Seine Fans brachte der Querulant durch unüberlegte und übertriebene Äußerungen sowie durch zugespitzten Rassismus, Sexismus und einen generellen Hass auf die Menschheit zum Lachen. Aus dem gemeinsamen Musizieren am Set entstand 2014 die Idee, das Band-Projekt Seiler und Speer zu starten.465 Mit großem Erfolg rechneten die beiden nicht, ihnen ging es zunächst nur um den Spaß an der Sache, ganz nach dem Motto: „Wenn wir Spaß haben, hat das Publikum auch Spaß.“466 Auf eine musikalische Ausbildung oder Erfahrungen in der Musikbranche konnten die beiden Künstler nicht zurückgreifen, doch machten sie sich Seilers Hintergrund aus der Kabarett- und Comedy-Szene zunutze, um mit witzigen Songs im Dialekt zu überzeugen.467 2015 veröffentlichten sie ihr Debüt-Album Ham kummst, das mit einem „eingängigen Akustik- Popsound [und] geistreichen und witzigen Texten“468 im Dialekt zum absoluten Verkaufshit wurde – das Album blieb ganze 215 Wochen in den österreichischen Charts und wurde mit Fünffachplatin ausgezeichnet. Auch die gleichnamige Single-Auskoppelung stürmte sofort die und löste Adeles Nummer Hello, die zu dieser Zeit europaweit auf Platz 1 war, von

    463 Ebda. 464 Vgl. Antonia Seierl: Mundart-Pop im Großformat. Seiler und Speer im Mica-Porträt. In: Music Austria vom 10.03.2016. URL: https://www.musicaustria.at/mundart-pop-im-grossformat-seiler-und-speer-im-mica-portraet/ [15.06.2020]; vgl. Marco Weise: Seiler und Speer. „Wir würden uns nie verbiegen“. In: Kurier vom 18.01.2016. URL: https://kurier.at/kultur/seiler-und-speer-wir-wuerden-uns-nie-verbiegen/175.726.563 [15.06.2020]; vgl. Laut.de: Seiler und Speer. Porträt. URL: https://www.laut.de/Seiler-und-Speer [21.12.2020]. 465 Vgl. Seierl: Mundart-Pop im Großformat; vgl. Obermeir: Seiler und Speer im Gespräch mit Hallo München; vgl. Weise: Seiler und Speer; vgl. Laut.de: Seiler und Speer. Porträt. 466 Seierl: Mundart-Pop im Großformat. 467 Vgl. Seierl: Mundart-Pop im Großformat. 468 Laut.de: Seiler und Speer. Porträt. 109 der Spitze der österreichischen Charts ab.469 Ebenfalls für die enorme Popularität dieses Hits spricht, dass Ham kummst das einzige Dialektlied im Zeitraum von 1970 bis 2019 war, das zwei Jahre in Folge eine Platzierung unter den Top-20 der Single-Jahreshitparade erreichen konnte. Die Lieder von Seiler und Speer zeigen eine breite thematische Vielfalt: Einerseits singen sie über persönliche Erlebnisse und Alltagssituationen, die zuweilen lustig, aber auch tragisch sein können, andererseits betreiben sie Polit- und Sozialkritik auf parodistische Weise, denn wie Seiler in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtensender n-tv erklärte, müsse Musik alles behandeln dürfen.470 Der Dialekt kommt in den Texten des österreichischen Erfolgsduos häufig zum Einsatz, um „eine gesellschaftliche Realität provokant zu vermitteln“471, wie der Hit Ham kummst zeigt, der die traurige Geschichte eines lyrischen Ichs wiedergibt, das wegen seines übermäßigen Alkoholkonsums alles Wichtige in seinem Leben verliert.472

    Letzte Nocht wo[a] a schware Partie fia mi/ Dass i ned glei Ham kumm, wo[a] vo Onfong o klo[a]// […] // Olle homs mi eiglondt und do sogt ma ned „Na, na, na!“473

    Die Einsicht des lyrischen Ichs kommt zu spät. Da sich das Verhalten des Mannes trotz aller Bitten und Drohungen seiner Frau nicht ändert und für sie keine Besserung in Sicht ist, zieht sie die Konsequenzen und verlässt ihn. Das lyrische Ich verspielt damit nicht bloß seine Ehe, sondern büßt im Zuge der Scheidung auch das Anrecht ein, weiterhin in seinem Haus zu leben und seine Kinder und den gemeinsamen Hund zu sehen. Auch wenn die beiden Musiker für ihren humoristischen Zugang bei der Textierung ihrer Lieder bekannt sind, liegt es ihnen nicht nahe, tabuisierte Themen wie Alkoholprobleme zu verharmlosen.474 Vielmehr nutzen sie typisch österreichische, komisierende und dialektale Elemente, um ein realistisches Bild einer Alltagsszene zu malen, wie sie in jedem beliebigen Haushalt vorfallen könnte.

    Waunst oamoi n[o] so Ham kummst, host die Scheidung, mei Freind// […] // Wei am Tisch is a Briaf gle[n]g und mei Frau de wo[a] weg, weg, weg!// […] // Jetzt host wos du wuitast, wia san gschiedane Leid/ D[i] Kinda griagst du ned in nächster Zeit/ Den Hund den griagst du a ned und des Haus, des keat mia/Und waunst [a]s ned [glaum] k[au]st, des steht am Scheidungspapier-ier-

    469 Vgl. Seierl: Mundart-Pop im Großformat; vgl. Weise: Seiler und Speer; vgl. Laut.de: Seiler und Speer. Porträt; vgl. Wikipedia: Seiler und Speer. Zuletzt geändert am 23.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Seiler_und_Speer [28.12.2020]. 470 Vgl. Seierl: Mundart-Pop im Großformat; vgl. Michael Bauer: Seiler und Speer im Interview. "Musik auf Hochdeutsch wäre nicht ehrlich". In: n-tv.de vom 15.06.2019. URL: https://www.n-tv.de/leute/Musik-auf-Hochdeutsch-waere-nicht- ehrlich-article21086497.html [15.06.2020]; vgl. Weise: Seiler und Speer. 471 Zeyringer: Österreichische Literatur, S. 322-323. 472 Vgl. Seierl: Mundart-Pop im Großformat; vgl. Weise: Seiler und Speer. 473 Christopher Seiler: Ham kummst. 2015. URL: https://www.seilerundspeer.at/alben/ham-kummst/ [21.03.2020]. 474 Vgl. Weise: Seiler und Speer. 110

    ier!// […] // Waunst oamoi zu mia Ham kummst, ru[a]f i d[i] Polizei// […] // Es geht Tatü Tata/ Wos wü dea Pücha da?

    Auf die Fragen, ob es Verständnisschwierigkeiten beim deutschen Publikum gäbe und ob sich Seiler und Speer vorstellen könnten, Lieder in der Standardvarietät zu singen, antworteten die überzeugten Dialektmusiker, dass die Deutschen zwar schon Probleme mit manchen Begriffen hätten (z.B. Pücha = Gauner), es für sie aber undenkbar wäre, Musik auf Hochdeutsch zu machen. Seiler und Speer ohne Dialekt sei für sie dasselbe wie „Rammstein ohne Flammen“475. Der Dialekt mache ihre Lieder erst aus, da er sie ehrlich und authentisch erscheinen lässt.476 „Wir sagen immer: Sie singen alles mit, wissen aber nicht was. Das ist wie wenn du bei Eros Ramazotti bist, kein Italienisch kannst, aber trotzdem mitsingst. Das funktioniert irgendwie.“477 Auf eine ähnliche Weise gelingt es auch dem Austropop-Duo, Lieder für eine breite HörerInnenschaft zu produzieren, mit denen sie ihr Publikum sowohl zum Mitsingen als auch zum Nachdenken anregen können. In den vergangenen fünf Jahren berichteten die Medien nicht bloß von einer Renaissance des Austropops durch das Aufkommen von InterpretInnen wie Seiler und Speer oder Pizzera & Jaus, auch von einem Revival des Wienerlieds war regelmäßig die Rede. Zu den bekanntesten VertreterInnen des „neuen Wienerlieds“478 zählen unter anderem die Bands Granada und 5/8erl in Ehr’n, das Duo Wiener Blond und der Solokünstler Voodoo Jürgens. Da die Gattung des Wienerlieds schon immer in unterschiedlichsten Formen auftrat479 und auch heute mit diversen anderen Einflüssen gemischt und verschieden ausgelegt wird, sollen die vielfältigen Möglichkeiten der Neuinterpretationen des Wienerlieds anhand zweier Beispiele exemplarisch veranschaulicht werden. Die Mundart-Band Granada aus der steirischen Landeshauptstadt Graz wurde 2015 von Leadsänger Thomas Petritsch ins Leben gerufen, der nach einem Engagement, bei dem er dialektale Lieder für den Film Planet Ottakring schreiben sollte, noch einiges an Songmaterial übrig hatte, das er nicht verwerfen wollte. Daher gründete er kurzerhand die Band Granada und ging mit „Lukacz Custos (Gitarre, Gesang), Alexander Christof (Akkordeon, Gesang), Jürgen Schmidt (Bass, Gesang) [und] Roland Hanslmeier (Schlagzeug)“480 ins Studio, um auch die restlichen Lieder aufzunehmen.481 Das Endprodukt,

    475 Obermeir: Seiler und Speer im Gespräch mit Hallo München. 476 Vgl. Obermeir: Seiler und Speer im Gespräch mit Hallo München; vgl. Bauer: Seiler und Speer im Interview. 477 Bauer: Seiler und Speer im Interview. 478 Music Austria: Szeneporträt. Der deutschsprachige Pop in Österreich. Erstellt am 28.08.2018. URL: https://www.musicaustria.at/szeneportraet-der-deutschsprachige-pop-in-oesterreich/ [22.12.2020]. 479 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 216. 480 Laut.de: Granada. Porträt. URL: https://www.laut.de/Granada [22.12.2020]. 481 Vgl. Laut.de: Granada. Porträt; vgl. Julia Philomena: Es war uns ein großes Anliegen, über Piña Colada zu singen. Thomas Petritsch (Granada) im Mica-Interview. In: Music Austria vom 15.09.2016. URL: https://www.musicaustria.at/thomas- 111 ihr Debüt-Album Granada, stieg 2016 gleich nach Veröffentlichung in die österreichischen Charts ein und auch ihr zweites Album Ge Bitte, das 2018 erschien, war nicht weniger erfolgreich und generierte Millionen Klicks auf den Streaming-Plattformen Spotify und YouTube. Dass Granada mit ihrem Konzept unglaublich gut bei den HörerInnen ankamen, spiegelte sich ebenso auf ihren Konzerten wider – in Österreich sorgten sie bei ihrer Tournee für ausverkaufte Hallen und in Deutschland tingelten sie mit der seit Jahren kommerziell erfolgreichen, deutschsprachigen Indie-Rock-Gruppe Sportfreunde Stiller durchs Land, für die sie als Vorband auftreten durften.482 „Simon Hadler bezeichnete die Gruppe auf Orf.at als ‚etwas wie das Missing Link zwischen Songpoeten wie Voodoo Jürgens, dem Nino aus Wien und Ernst Molden auf der einen und massentauglichen Dialektpopgrößen wie Seiler und Speer auf der anderen Seite‘.“483 Denn musikalisch und inhaltlich bewegen sich die Nummern der fünf Steirer, die häufig mit Klängen des Akkordeons oder der Mundharmonika untermalt werden, zwischen zynischem und humoristisch-fröhlichem Indie-Polka-Pop-Rock. Nicht nur musikalisch, auch thematisch sind Granadas Lieder breit gefächert. Sie reichen von hoffnungsfrohen Liedern, die zum Feiern einladen und Themen wie Liebe, Freundschaft und Leidenschaft behandeln, über tiefsinnige Texte, die die Tristesse des immer gleichbleibenden Alltags und die Suche nach dem Sinn des Lebens verbalisieren, bis hin zu melancholischen und wütenden Nummern über Trennungen und fehlgeschlagene Beziehungen. Obwohl ihre Texte immer apolitisch bleiben, finden sich doch auch zeit- und sozialkritische Betrachtungen, zum Beispiel bezüglich der Stellung des Kapitalismus oder des menschlichen Miteinanders in der aktuellen Gesellschaft.484 Viele ihrer Lieder, wie beispielsweise der Song Ottakring (2015), der als Titelmusik für den Film Planet Ottakring entstanden war, erinnern aufgrund des Inhalts sowie der musikalischen und teilweise auch der sprachlichen Gestaltung an die Tradition des Wienerlieds. Die Stadt Wien, genauer der 16. Gemeindebezirk Ottakring, ist nicht nur

    petritsch-granada-im-mica-interview/ [22.12.2020]; vgl. Wikipedia: Granada (Band). Zuletzt geändert am 03.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Granada_(Band) [22.12.2020]. 482 Vgl. Laut.de: Granada. Porträt; vgl. Julia Philomena: Granada. Ge bitte. In: Music Austria vom 28.06.2018. URL: https://www.musicaustria.at/granada-geh-bitte/ [22.12.2020]; vgl. Wikipedia: Granada (Band). 483 Wikipedia: Granada (Band). 484 Vgl. Laut.de: Granada. Porträt; vgl. Sandra Langmann: Ge bitte. Zu lässig und patzig, um als Austro-Pop durchzugehen. In: Laut.de vom 22.06.2018. URL: https://www.laut.de/Granada/Alben/Ge-bitte-109711 [22.12.2020]; vgl. Philomena: Es war uns ein großes Anliegen; vgl. Philomena: Granada. Ge bitte; vgl. Julia Philomena: Wir sind sowohl musikalisch als auch textlich unserem Sound treu geblieben, haben aber doch an Reife gewonnen. Granada im Mica-Interview. In: Music Austria vom 15.06.2018. URL: https://www.musicaustria.at/wir-sind-sowohl-musikalisch-als-auch-textlich-unserem-sound-treu- geblieben-haben-aber-doch-an-reife-gewonnen-granada-im-mica-interview/ [22.12.2020]; vgl. Antonia Seierl: Nominiert für den österreichischen Musikvideopreis 2017. „Palmen am Balkon“ von Granada. In: Music Austria vom 31.05.2017. URL: https://www.musicaustria.at/nominiert-fuer-den-oesterreichischen-musikvideopreis-2017-palmen-am-balkon-von- granada/ [22.12.2020]. 112

    Schauplatz der Handlung, sondern wird zum Gegenstand der Betrachtung, anhand dessen die Mentalität der Wiener Bevölkerung auf witzige Weise dargestellt werden soll.485

    Und am Bodn w[oa]tet’s Ende, aber auch ein neuer Start/ Also ohne eine Sorge können wir sehr gut gut blei[m]/ Mit allem wås uns lieb is, ja mit allem wås wir sind/ Denn ohne eine Zuversicht gibt’s Lebn n[ed] v[ü] her/ Du frågst ob ich im Regn steh’, na, i bin scho hier// In Ottakring, in Ottakring/ Wo d[e]s Bitter so v[ü] süßer schmeckt [ois] irgendwo in Wien/ In Ottakring, in Ottakring/ Wo d[e]s Streetlife amål gibt und [a] ånd[a]mål a nimmt/ In Ottakring // […] // Is d[e]s Lebn dir gut gesinnt, a wenn[st] pinklst [gengan] [Wind]486

    Der Text hebt die typisch österreichische bzw. wienerische Lebensphilosophie der Gemütlichkeit hervor, der zufolge jede schlechte Situation noch schlimmer sein könnte und es einen daher gar nicht so hart getroffen habe – ganz nach dem Motto, dass mit ein bisschen Optimismus und einer entspannten Haltung alles schon wieder ins Lot kommen werde. Neben der österreichischen Gemütlichkeit werden auch die Vorzüge des Bezirks Ottakring besungen, der als rettender Hafen geschildert wird, der jedes Übel erträglich macht und viel schöner ist als der Rest Wiens, wenn nicht sogar der Rest der Welt. Auch der Einsatz des Akkordeons trägt zur musikalischen Darstellung des Bezirks bei, wie Sänger Thomas Petritsch berichtet: „Ich wollte beispielsweise unbedingt ein Akkordeon dabeihaben, weil das für mich die Multikulti- Atmosphäre in Wien beziehungsweise Ottakring sehr gut einfängt.“487 Was den lexikalischen und phonetischen Aufbau des Liedes betrifft, ist zu erkennen, dass Petritsch auf spezifisch dialektale Redewendungen und Ausdrücke verzichtet und sich eher an einer überregionalen Umgangssprache als an dem Wiener Dialekt orientiert, der für diese Gattung eigentlich typisch wäre.488 „Meine Gesangssprache ist ja auch recht undefiniert. Ich verwende da so eine Mischkulanz aus urbanen Dialekten, die mir zu Ohren gekommen sind.“489 Bedenkt man, wie sich der Gebrauch der Wiener Mundart im Alltag während der letzten 50 Jahre verändert hat, entspricht die Verwendung des Wiener Jargons bzw. einer urbanen Umgangssprache wohl einer realitätsnahen Adaption und stellt eine adäquate Änderung für das neue Wienerlied dar. Bei der Textierung ihres zweiten Albums Ge Bitte griffen Granada dann jedoch auf weitaus mehr dialektale Spezifika zurück. Verständnisschwierigkeiten durch regiolektale Einschübe stellen für die steirischen Musiker, die im Jahr 2020 während der Corona-Pandemie von dem Major Label Sony Music Austria unter Vertrag genommen wurden und bereits an ihrem dritten Album

    485 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 217; vgl. Philomena: Es war uns ein großes Anliegen. 486 Thomas Petritsch: Ottakring. 2015. URL: https://genius.com/Granada-austria-ottakring-lyrics [21.03.2020]. 487 Philomena: Es war uns ein großes Anliegen. 488 Vgl. Verdianz: Austropop, S. 69. 489 Philomena: Es war uns ein großes Anliegen. 113 arbeiteten, aber kein Problem in Bezug auf eine internationale Karriere im deutschsprachigen Raum dar.490

    Was wir bei Konzerten in Deutschland […] doch beobachten, ist, dass wir schon hin und wieder auf Textpassagen angesprochen werden. Manches ist eben einfach wirklich nicht verständlich. Das ist aber nicht weiter schlimm, vieles wird ja sowieso über die Musik transportiert und außerdem reden wir auch sehr gerne mit unserem Publikum.491

    Eine ähnliche Meinung dazu vertritt auch der niederösterreichische Liedermacher Voodoo Jürgens (bürgerlich David Öllerer), der die Stadt Wien nicht nur zu seinem neuen Lebensmittelpunkt gemacht hat, sondern auch als Inspirationsquelle für seine Musik nutzt.492

    Die Musik allein transportiert ja eh schon einiges. Und mir kommt vor, dass die in Deutschland noch mehr in den Vordergrund rückt. […] Es ist ja im Prinzip nix anderes, als wenn eine englische Band im deutschsprachigen Raum spielt. Da verstehen die meisten Leute auch nicht alles. Als ich mit 12 Jahren Nirvana gehört hab, hatte ich von den Texten auch keine Ahnung. Aber ich hab zumindest gespürt, worum es geht.493

    Die traditionelle Wiener Mundart fand Voodoo Jürgens schon immer interessant, weshalb er sich nach mehreren Jahren als Mitglied in einer englischsprachigen Band 2015 entschied, eine Solokarriere als Dialektmusiker zu starten.494 2016 veröffentlichte er sein Debüt-Album Ansa Woar (Einser-Ware) und begeisterte mit seinen morbiden Texten im Stile Ludwig Hirschs nicht nur das junge Publikum auf dem Radiosender FM4 sondern auch die ältere Generation, wodurch die LP rasch auf Platz 1 der österreichischen Albumcharts kletterte. Mittlerweile wird der Liedermacher von der Band Ansa Panier auf seine Konzerte in Österreich, Deutschland und der Schweiz begleitet. Doch sorgt nicht etwa der Sound für die ausverkauften Hallen, sondern Voodoo Jürgens unverkennbarer Stil bei der textlichen Gestaltung seiner schwarzhumorigen Lieder.495 Musikalisch setzt der Künstler auf Reduktion. Die wenigen Instrumente, die verwendet werden (z.B. Gitarre, Schlagzeug, Piano, Akkordeon, Drehorgel oder Mundharmonika), treten bei seiner Musik häufig in den Hintergrund und fungieren als

    490 Vgl. Langmann: Ge bitte; vgl. Wikipedia: Granada (Band). 491 Philomena: Wir sind unserem Sound treu geblieben. 492 Vgl. Christoph Löger: Vorstadt-Hawara. In: ÖAMTC auto touring 2020, H. Jänner, S. 24; vgl. Christoph Löger: Interview. Voodoo Jürgens. In: ÖAMTC auto touring. Zuletzt geändert am 07.01.2020. URL: https://www.oeamtc.at/autotouring/menschen/interview-voodoo-juergens-35783558 [22.12.2020]. 493 Löger: Interview. Voodoo Jürgens. 494 Vgl. Löger: Vorstadt-Hawara, S. 24; vgl. Löger: Interview. Voodoo Jürgens. 495 Vgl. Löger: Vorstadt-Hawara, S. 24; vgl. Löger: Interview. Voodoo Jürgens; vgl. Laut.de: Voodoo Jürgens. Porträt. URL: https://www.laut.de/Voodoo-Juergens [22.12.2020]; vgl. Julia Philomena: Nominiert für den österreichischen Musikvideopreis 2017. Heite grob ma Tote aus von Voodoo Jürgens. In: Music Austria vom 12.05.2017. URL: https://www.musicaustria.at/nominiert-fuer-den-oesterreichischen-musikvideopreis-2017-heite-grob-ma-tote-aus-von- voodoo-juergens/ [22.12.2020]. 114

    Stimmungs-Transmitter, die den Unterton der erzählten Geschichten unterstreichen.496 Den Dialekt nutzt er in seinen Liedern gerne, um sprachliche Bilder zu malen oder den Kern der Aussagen zu verschleiern:497 „Klar, ich könnte meine Texte so formulieren, dass sie jeder versteht, ich verwende aber bewusst Ausdrücke, die sich nicht gleich jedem erschließen. […] [E]s ist doch gut, wenn man ein bissl denken muss!“498 Was die Thematik betrifft, versucht Voodoo Jürgens zeitlose Inhalte darzustellen, die den HörerInnen einen Anstoß geben sollen, um über ihre eigenen Denk- und Handlungsweisen sowie das Leben anderer zu reflektieren. Und so erzählt der Liedermacher von finsteren Gestalten, tragischen Schicksalsschlägen, der Perspektivlosigkeit der sozialen Unterschicht und von AußenseiterInnen, auf die die Gesellschaft herabblickt.499 Bei der Konstruktion seiner Werke orientiert er sich einerseits an der Tradition des Wienerlieds, andererseits sind in manchen seiner Lieder auch Einflüsse der Moritaten500 der Bänkelsänger aus dem 17. bis 20. Jahrhundert zu erkennen. Solch ein Zugang findet sich zum Beispiel in Voodoo Jürgens Lied Heite grob ma Tote aus, das 2016 auf seiner Debüt-LP Ansa Woar erschien. In dem zum Lied dazugehörigen Musikvideo ist zu sehen, dass Voodoo Jürgens von einem Reporter zu Hause abgeholt wird, der sich eine Tour durch das Wiener Nachtleben mit dem Künstler erhofft. Dieser führt den Journalisten jedoch in Begleitung einiger zwielichtiger Gestalten durch die buchstäblichen Schattenseiten Wiens und lädt ihn zu einem Festmahl ins Kanalsystem unterhalb der Stadt ein.501 Ähnlich merkwürdig und makaber sind auch die Textzeilen des Liedes, die an die Tradition des Wienerlieds erinnern, indem Elemente wie schwarzer Humor, die thematische Auseinandersetzung mit dem Tod und der Wiener Mentalität in bekannter Nonchalance aufgegriffen und durch den Einsatz charakteristischer Begriffe aus dem Wiener Dialekt (z.B. Gfrasst) ergänzt werden.502

    496 Vgl. Manuel Berger: Voodoo Jürgens Ansa Woar. Zwischen Normalo-Tom Waits und Schmäh-Leonard Cohen. In: Laut.de vom 30.09.2016. URL: https://www.laut.de/Voodoo-Juergens/Alben/Ansa-Woar-100567 [22.12.2020]; vgl. Philomena: Nominiert; vgl. Anne-Marie Darok: Ein Strizzi macht Austropop. Voodoo Jürgens im Mica-Porträt. In: Music Austria vom 20.06.2016. URL: https://www.musicaustria.at/ein-strizzi-macht-austropop-voodoo-juergens-im-mica-portraet/ [22.12.2020]. 497 Vgl. Löger: Interview. Voodoo Jürgens; vgl. Berger: Voodoo Jürgens Ansa Woar. 498 Löger: Interview. Voodoo Jürgens. 499 Vgl. Löger: Interview. Voodoo Jürgens; vgl. Laut.de: Voodoo Jürgens. Porträt; vgl. Berger: Voodoo Jürgens Ansa Woar; vgl. Giuliano Benassi: Voodoo Jürgens ‘S klane Glücksspiel. Der würdige Nachfolger Ludwig Hirschs. In: Laut.de vom 08.11.2019. URL: https://www.laut.de/Voodoo-Juergens/Alben/S-Klane-Gluecksspiel-113235 [22.12.2020]. 500 Anmerkung: „Moritate [sic!], also Schauerballaden, [waren] eine Form der mündlichen Nachrichtenübertragung im frühen 20. Jahrhundert. Dabei wurde zu der zu erzählenden Geschichte auf einer Drehorgel, einer Violine […] oder einer Gitarre gespielt, während der Sänger sein Publikum mit seinem ausgeklügelten Text in den Bann zog. Es waren kleine Geschichten von Gräueltaten und es wurde auch tief in die Gerüchteküche gegriffen.“ (Anne-Marie Darok: Voodoo Jürgens & Der Nino aus Wien. Hansi da Boxer. In: Music Austria vom 28.12.2016. URL: https://www.musicaustria.at/voodoo- juergens-der-nino-aus-wien-hansi-da-boxer/ [22.12.2020].) 501 Vgl. Darok: Ein Strizzi macht Austropop. 502 Vgl. Zerbs: Amerikanisierung, S. 217; vgl. Verdianz: Austropop, S. 69; vgl. Darok: Ein Strizzi macht Austropop. 115

    Heit fo[a]h ma mit da Geist[a]bauhn/ Heit schau ma si des nücht[a]n aun/ Heit sprech ma olle Sätz v[a]kehrt/ Schau ma wos si duat unta da Erd’// […] // Heit geh ma auf an Leichnschmaus// […] // Jo heite grob ma To[d]e aus/ Heite geh ma friara z’Haus// […] // Und schenkn eana reinen Wein/ Heit gheat uns die gaunze Wöd// […] //Heite sa ma freindlich waun uns wos ned passt/ Und zu de [de] freindlich san sand wi[a] a Gfrasst503

    Obwohl es in dem Lied nie zu einer konkreten oder illustrativen Beschreibung von Gewalttaten oder obskuren Handlungen kommt, sorgt schon die Erwähnung des Ausgrabens einer Leiche und Voodoo Jürgens Art des Vortrags, die während des gesamten Liedes zwischen Melancholie und Wahnsinn schwankt, für eine schaurige Stimmung. Mit morbiden und rätselhaften Liedern wie diesem, die die HörerInnen zum Nachdenken bringen, begeistert Voodoo Jürgens seit 2016 erfolgreich ein Nischenpublikum im Alternative-Bereich. Für den frischen Wind, den er mit seinem außergewöhnlichen Konzept in die österreichische Musikszene gebracht hatte, erhielt der Künstler bereits große mediale Anerkennung und diverse Auszeichnungen (z.B. Amadeus Austrian Music Award 2017 in der Kategorie Alternative).504 Dass man es in Zeiten, in denen der (neue) Austropop wieder populär ist, auch ohne großes Label an seiner Seite mit Dialektmusik an die Spitze der Charts schaffen kann, beweist die Karrierelaufbahn des Musikkabarett-Duos Pizzera & Jaus. Die überzeugten Dialektmusiker Paul Pizzera und Otto Jaus, deren Nummern im Bereich des Pops/Rocks anzusiedeln sind, begeistern mit witzigen, selbstironischen und emotionalen Songs über zwischenmenschliche Beziehungen mit Familie und Freunden, gescheiterte Beziehungen und Liebeskummer. Sie sind bekannt für ihre ehrliche und bodenständige Art, für Pizzeras Wortgewandtheit, die er auch in derber steirischer Mundart zum Ausdruck zu bringen vermag und für Lieder, die die HörerInnen zutiefst berühren.505 Heute sind die beiden Musiker, die bei ihren ausverkauften Konzerten die Hallen der österreichischen Landeshauptstädte füllen und sowohl mit ihren Alben und Singles regelmäßig in den österreichischen Charts landen, mehrfach ausgezeichnete Amadeus Award- Gewinner (2016 Pop/Rock und Song des Jahres, 2018 Album des Jahres, 2019 Liveact des

    503 David Öllerer (alias Voodoo Jürgens): Heite grob ma Tote aus. 2016. URL: https://genius.com/Voodoo-jurgens-heite- grob-ma-tote-aus-lyrics [21.03.2020]. 504 Vgl. Löger: Vorstadt-Hawara, S. 24; Wikipedia: Voodoo Jürgens. Zuletzt geändert am 16.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Voodoo_J%C3%BCrgens [22.12.2020]. 505 Vgl. Niederwieser: Österreichische Antwort auf Eminem; vgl. Nora Bruckmüller: Kabarett-Phänomen Paul Pizzera. Der Dialekt ist seine beste Waffe. In: OÖNachrichten vom 04.02.2014. URL: https://www.nachrichten.at/kultur/Kabarett- Phaenomen-Paul-Pizzera-Der-Dialekt-ist-seine-beste-Waffe;art16,1296887 [12.06.2020]; vgl. Paul Pizzera: Pizzera & Jaus. URL: https://www.paulpizzera.at/pizzera-jaus/ [22.12.2020]; vgl. Paul Pizzera: Presse und Veranstalter. Biografie Pizzera & Jaus 2019. URL: https://www.paulpizzera.at/presse-und-veranstalter/ [22.12.2020]; vgl. Wikipedia: Pizzera & Jaus. Zuletzt geändert am 06.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Pizzera_%26_Jaus [22.12.2020]. 116

    Jahres).506 Ursprünglich kommen die beiden Erfolgsgaranten aber eigentlich aus der Kabarett- Szene, wo sie als Solokünstler ebenfalls recht populär waren. Paul Pizzera sprach in einem Interview mit den OÖNachrichten über das Erfolgskonzept seines Kabarettprogramms: „Ich bin schnell draufgekommen, dass ich weder der beste Sänger noch der beste Gitarrist bin. […] Dann müssen dafür die Texte lustig sein.“507 2013 lernten sich Paul Pizzera und Otto Jaus bei der Langen Nacht des Kabaretts in Leoben kennen und sprachen damals bereits davon, ein gemeinsames Projekt starten zu müssen. Mit dem Wiener Otto Jaus hatte der steirische Kabarettist Pizzera einen Vollblutmusiker gefunden, der seit seinem zehnten Lebensjahr eine ausgezeichnete musikalische Ausbildung genossen hatte (er war Mitglied der Wiener Sängerknaben und studierte später am Wiener Konservatorium). 2015 kam die lang ersehnte Zusammenarbeit schließlich in Form ihrer ersten beiden Singles Wir gewinnt und Absätze > Hauptsätze zustande, die sie auf ihren Band-Account auf YouTube hochluden.508 Ihre Präsenz im Internet weitete sich bald auf eine landesweite Ausstrahlung ihrer Lieder im Radio aus, als sie 2016 ihre dritte Single Jedermann veröffentlichten, mit der ihnen hierzulande der Durchbruch gelang. Der Hit erzielte in Österreich Platinstatus und hielt sich 40 Wochen lang in den Charts, einige davon sogar auf Platz 1.509 Eine ausschlaggebende Komponente für ihren Erfolg war Pizzeras Meinung zufolge das Comeback des Austropops in den Jahren 2014/2015: „Dass Austropop jetzt wieder legitim ist, hat uns auch den Weg bereitet.“510 Den Dialekt nutzen die Künstler bewusst als literarisches Mittel für Reime, Wortspiele und Komisierungseffekte, als Sprache der Ehrlichkeit und der Emotionen sowie als Instrument der Rhythmisierung.511 Einige dieser Elemente sind in ihrem Hit Jedermann zu finden, der die Gefühlswelt des lyrischen Ichs nach einer schmerzhaften Trennung darlegt. Der Protagonist hat während der Beziehung viel Energie in die Partnerschaft investiert und versucht, seiner Freundin alle Wünsche zu erfüllen. Nun reflektiert er das Verhalten seiner ehemaligen Partnerin und stellt fest, dass seine Liebe nicht im gleichen Maße erwidert wurde.

    Und jetzt gspiast, dass du gfrierst, wenn du ned koidn wirst/ Du verbliast und verlierst, weil du niemois kapierst/ Dass du den An[a]n kobt hosd, der die koidn hed/ Der fia di d[i] greßtn Fösn [a]nfoch gspoitn hed// Und ned nur, dass du des niemois v[a]stehn k[au]nnst/ I wa mit dir durch

    506 Vgl. Niederwieser: Österreichische Antwort auf Eminem; vgl. Pizzera & Jaus: Über Pizzera und Jaus. Eine ins Leben. URL: https://pizzerajaus.com/ueber-pizzera-und-jaus/ [22.12.2020]; vgl. Wikipedia: Pizzera & Jaus. 507 Bruckmüller: Kabarett-Phänomen Paul Pizzera. 508 Vgl. Niederwieser: Österreichische Antwort auf Eminem; vgl. Bruckmüller: Kabarett-Phänomen Paul Pizzera; vgl. Paul Pizzera: Presse und Veranstalter; vgl. Pizzera & Jaus: Über Pizzera und Jaus; vgl. Wikipedia: Pizzera & Jaus. 509 Vgl. Pizzera & Jaus: Über Pizzera und Jaus; vgl. Wikipedia: Pizzera & Jaus. 510 Niederwieser: Österreichische Antwort auf Eminem. 511 Vgl. Niederwieser: Österreichische Antwort auf Eminem; vgl. Bruckmüller: Kabarett-Phänomen Paul Pizzera; vgl. Paul Pizzera: Pizzera & Jaus. Dialekt‘s mi. URL: https://www.paulpizzera.at/pizzera-jaus-dialekts-mi/ [22.12.2020]. 117

    ‘n schlimmstn oller Regn t[au]nzt/ Und a w[au]nn du des niemois mehr so sehn k[au]nnst/ I hed olles fia di [daun], damit du schwebn k[au]nnst/ A gonzes Lebn l[au]ng, wär i dei Jederm[au]nn// […] // Liebe mocht ned blind, sondern nur die Au[n]g gschw[u]in/ Wie[r] a storker Wind, den de Staudn ned tro[n]g w[u]in/ Fost wie bei[r] an Kind, wos d[i] Augn ned glaubn w[u]in/ Wie da Kuss von Klimt, den d[i] Fraun ned hom w[u]in512

    Einerseits wird die Mundart in diesem Lied verwendet, um das durch enttäuschte Liebe entstandene Leid des lyrischen Ichs in einer Varietät darzustellen, die die österreichische Bevölkerung als Gefühlsprache empfindet. Den HörerInnen fällt es dadurch leichter, sich mit den Emotionen bzw. mit dem Protagonisten und seiner Situation zu identifizieren. Andererseits setzt Pizzera den Dialekt auch für die Reimgestaltung ein, wie die ausgewählten Textpassagen zeigen. Im ersten Teil fällt eine Anhäufung der Lautkombinationen /ɪa/ und /oɪ/ auf (z.B. gspiast, verbliast, kapierst und koidn, niemois, gspoitn). Im Refrain des Liedes kommt sichtbar häufig der Laut /au/ vor, der für zahlreiche Binnenreime und Endreime genutzt wird (z.B. waunn, kaunnst, daun, laung, Jedermaunn). In der abschließenden Hookline (kurzer, eingängiger Teil des Liedes, dessen Melodie einen hohen Wiedererkennungswert hat) dominiert der dunkel klingende Vokal /u/, der in Form der Lautkombination /uɪ/ zur Reimbildung eingesetzt wird und ein klanglich abgerundetes Gesamtbild erzeugt (Augn, Staudn, Fraun, gschwuin, wuin, Kuss). Pizzera verweist darauf, dass er bei der Textierung seiner Werke besonders auf den Rhythmus achte, weshalb er auch von der dialektalen Varietät abweiche, wenn diese nicht zum „Flow der Musik“513 passe. In solchen Fällen weicht der Musiker auf die Standardvarietät bzw. überregionale Dialekte aus – die Ansprache eines breiten Massenpublikums in Österreich spielt bei der Abschwächung präziser Charakteristika des ‚stoasteirischen‘ Dialekts (wird in Teilen der West- und Südsteiermark gesprochen), den Pizzera privat spricht, jedoch sicherlich auch eine Rolle. Nichtsdestotrotz sind die beiden Künstler überzeugte Dialektmusiker, die sich eine andere Art des Musizierens nicht vorstellen können. Auf die Frage, wie viel Dialekt für einen Popsong akzeptabel sei, antwortete Otto Jaus im Interview mit dem Musikmagazin Music Austria: „Ich finde Dialekt schön, man darf ruhig auch Wörter benutzen, die vielleicht nicht alle kennen.“514 Dass die Mundart in Österreich jedoch nicht von allen KünstlerInnen als adäquates Ausdrucksmittel im Bereich der Literatur und Musik angesehen wird, bekam Paul Pizzera zu Beginn seiner Karriere als Kabarettist zu spüren. Nachdem ihm wiederholt von Wiener KollegInnen gesagt wurde, dass „der Dialekt das

    512 Paul Pizzera: Jedermann. 2016. URL: https://genius.com/Pizzera-and-jaus-jedermann-lyrics [21.03.2020]. 513 Niederwieser: Österreichische Antwort auf Eminem. 514 Niederwieser: Österreichische Antwort auf Eminem. 118

    Kabarett abwerte“515, schrieb er als Antwort auf die Ablehnung gegenüber seiner Sprachwahl das Lied Dialekt’s mi, in dem er den Dialekt als Metasprache nutzt, um über die diversen österreichischen Varietäten zu reflektieren. 2018 veröffentlichten Pizzera & Jaus das Lied mit einem Musikvideo als Single auf ihrem YouTube-Kanal und forderten mit ihrer Hommage an die Mundart, den Dialekt als literatur- und musikfähige Ausdrucksform anzuerkennen und ihn auch in diesem Kontext selbstbewusst einzusetzen.516

    Des is a Eignschoft, a Tal vo dir, a Stück deiner söbst/ Des is a Leidnschoft, du beichtest mit dem, wie du di[ch] füh[l]st/ D[ei] Dialekt, der geht ned weg, egal wie sehrst di bemühst/ So wie a dreckigs Häfnpeckal, wo ka Laser ned hüft// […] // Trog i mit St[ui]z, wie a Medaille am Siegerpodest/ Wonnts’n ned w[u]its, ereilt euch meinerseits massiver Protest// […] // Es is egal, ob du an Osteinschlog host, oder du böllst/ Nur es gibt nix Peinlichers, wie w[au]nnst di v[a]stöllst// […] // So wi[a] a Wiener, der im Buschnschånk a Hoibe bestöht/ So wi[a] a deitscher Schitourist, der si am Töllalift quöt// […] // I bin a Saubauern-Singer/ I a gescheada Prolet/ Hom mehr Talent im klan[a]n Finger/ Ois jeder Hauptstådt-Poet/ Und an klan[a]n Tipp gebn wir eich dringend mit auf’n Weg/ Geil muass’s kling[a]n und si sing[a]n, scheißegal wer’s v[a]steht// Und kloa s[u]it[a]st im bestn F[oi] de schene Sproch a kenna[n]/ Nur a schena Råhm[a]n mocht a schiaches Büd ned schena517

    Diese Kernaussage wird bereits zu Beginn des Liedes durch die Wortwahl unterstrichen, indem Pizzera auf eine typisch dialektale Lexik (z.B. Häfnpeckal = Tattoo) zurückgreift. An späterer Stelle wird auf die Diversität der österreichischen Dialekte verwiesen und den HörerInnen vermittelt, dass jede Mundart wertgeschätzt werden sollte (vgl. ob du an Osteinschlog host, oder du böllst). Der Text hebt hervor, wie wichtig es für das Selbstwertgefühl sein kann, sich nicht zu verstellen oder sich dafür zu schämen, DialektsprecherIn zu sein, denn die eigene Mundart ist nicht bloß eine zusätzliche sprachliche Kompetenz, sondern auch Teil der Persönlichkeit und somit Ausdruck der Identität und Authentizität. Das Fehlen der Authentizität bei Nicht-DialektsprecherInnen wird im darauffolgenden Textausschnitt auf sarkastische Weise bemängelt. Die Persiflage richtet sich nicht nur gegen die Standardvarietät bzw. die Umgangssprache, die oftmals mit Arroganz und Unechtheit konnotiert werden, auch gewisse Handlungen ihrer NutzerInnen werden als affektiertes und peinliches Verhalten belächelt (vgl. Wiener im Buschnschånk, deitscher Schitourist am Töllalift). Die Musiker zeigen mit Dialekt’s mi, dass sie sich gegen Angriffe zu wehren wissen und eine Abwertung oder Stigmatisierung

    515 Facebook: Paul Pizzera. Beitrag vom 09.12.2014. URL: https://www.facebook.com/derpizzera/videos/837429546299702 [30.12.2020]. 516 Vgl. Paul Pizzera: Pizzera & Jaus. Dialekt‘s mi; vgl. Wikipedia: Pizzera & Jaus. 517 Paul Pizzera: Dialekt‘s mi. 2018. URL: https://genius.com/Pizzera-and-jaus-dialekts-mi-lyrics [21.03.2020]. 119 der Mundart bzw. ihrer Dialektkunst nicht tolerieren. Sie sind stolz auf ihren regionalen Dialekt und konstatieren, dass die Wahl der Sprache bzw. Varietät nichts über die Qualität eines literarischen Werkes oder das Talent/die Kompetenz eines/einer KünstlerIn aussagt. Pizzera & Jaus implizieren damit auf provokante Weise, dass ihre dialektalen Texte durchaus besser sein können als jene ihrer Wiener KollegInnen, die sich auf die Standardvarietät beschränken und sich die diversen Funktionen des Dialekts somit nicht zunutze machen können. Einen kreativen Umgang mit der Mundart beweisen auch Turbobier, eine Band aus dem 11. Wiener Gemeindebezirk Simmering. Gegründet wurde die Punk-Formation 2014 von den Mitgliedern Marco Pogo (Sänger), Fredi Füzpappn (Schlagzeug), Doci Doppler (Gitarre) und Baz Promüü (Bass). Heute macht Marco Pogo, Frontmann der Gruppe, vom Texten und Komponieren bis zum Einspielen der Lieder das meiste selbst und tritt live mit wechselnder Besatzung auf. Der junge Wiener spielt seine Rolle als extravagantes Aushängeschild der Band ausgezeichnet und weiß sich selbst gekonnt in Szene zu setzen, indem er sich bewusst als Kunstfigur präsentiert, der es in erster Linie um Spaß, Ehrlichkeit und vor allem um einen niemals endenden Bierkonsum geht.518 Zu der andersartigen Herangehensweise der Band an das Musikgeschäft erklärte Marco Pogo in einem Interview mit Medianet News 2017:

    Wir sehen uns nicht nur als Musiker, sondern als Entertainer, und die Sozialen Medien sind meine Spielwiese. Erst unlängst hatte ich eine Audienz bei Bürgermeister Häupl, das dazugehörige Video ging durch die Decke. Über solche Aktionen erreiche ich auch Menschen, die meine Musik gar nicht kennen, aber unsere Videos witzig finden […].519

    Neben seiner Musik betreibt der Entertainer noch diverse weitere Unternehmungen, die als Spaß-Projekte begannen, überraschenderweise jedoch großen Anklang bei der österreichischen Bevölkerung fanden. Die Band vermarktet zum Beispiel ihr eigenes Bier, das TurboBier, ein „untergäriges Starkbier mit rund 6,5 Prozent Alkoholgehalt“520, das über ihre Website und österreichweit in den Supermarktketten Spar und Interspar gekauft werden kann.521 Des

    518 Vgl. Sabine Miesgang: Song Contest. Nach Wurst kommt Bier. In: meinbezirk.at vom 25.11.2014. URL: https://www.meinbezirk.at/wien/c-lokales/song-contest-nach-wurst-kommt-bier_a1077815 [25.12.2020]; vgl. BurnYourEars: Turbobier - King Of Simmering. Review, Punk Rock. Erstellt am 21.02.2019. URL: https://www.burnyourears.de/reviews/alben/punk-rock/49365-turbobier-king-of-simmering.html [25.12.2020]; vgl. BurnYourEars: Turbobier. Interview mit Dr. Marco Pogo zu King Of Simmering. Erstellt am 04.03.2019. URL: https://www.burnyourears.de/interviews/49394-interview-mit-turbobier-zu-king-of-simmering.html [25.12.2020]; vgl. Wikipedia: Turbobier. Zuletzt geändert am 25.10.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Turbobier [25.12.2020]. 519 Medianet News: Turbobier, das ist Biaschtln mit Stil. Erstellt am 07.12.2017. URL: https://medianet.at/news/retail/turbobier-das-ist-biaschtln-mit-stil-17777.html [25.12.2020]. 520 Sabine Miesgang: Turbobier. Hopfen und Malz für Simmering. In: meinbezirk.at vom 16.02.2015. URL: https://www.meinbezirk.at/simmering/c-lokales/turbobier-hopfen-und-malz-fuer-simmering_a1241999 [25.12.2020]. 521 Vgl. Facebook: Turbobier. Info. Zusätzliche Informationen. URL: https://www.facebook.com/turbobier/about/?ref=page_internal [25.12.2020]; vgl. Medianet News: TurboBier ist jetzt auch 120

    Weiteren rief Leadsänger Marco Pogo die satirische Bekenntnisgemeinschaft Bieristische Glaubensgemeinschaft ins Leben und verfasste zehn Gebote für deren AnhängerInnenschaft. Bekennende BieristInnen dürfen beispielsweise niemals Radler oder alkoholfreies Bier trinken.522 Auch im Bereich der Politik wurden die Wiener Punker aktiv und gründeten 2014 die BPÖ (Bierpartei Österreich), die als Bundespartei ins österreichische Parteienverzeichnis eingetragen wurde. Politisch ernst gemeint ist dieses Projekt nicht wirklich, denn das Parteiprogramm wirbt mit Arbeitslosigkeit für alle, öffentlichen Bierbrunnen und der Abschaffung von Biermischgetränken. 2019 scheiterte die BPÖ daher am Einzug in den Nationalrat, erhielt 2020 bei den Bezirksratswahlen in Wien jedoch elf Mandate, weshalb Marko Pogo als Spitzenkandidat der Partei in den Bezirksrat Simmerings einzog.523 Ebenfalls witzig begann die Karriere der Punk-Band, denn ihren Durchbruch hatten Turbobier mit einer Parodie des Helene Fischer-Hits Atemlos durch die Nacht. Ihre Coverversion Årbeitslos machte sie rasch zu Internet-Stars und bescherte ihnen eine massive Medienpräsenz sowie einen Vertrag für die Produktion ihres erstes Albums Irokesentango (2015) bei dem Major Label Warner Music Central Europe.524 Für ihr Debüt-Album wurden sie in der Kategorie Hard & Heavy 2016 mit dem Amadeus Austrian Music Award ausgezeichnet. Mit ihrem zweiten Album Das Neue Festament, das bereits auf ihrem eigenen Label Pogos Empire veröffentlicht wurde, konnten sie sich 2017 an der Spitze der österreichischen Albumcharts platzieren.525 Bald waren Turbobier europaweit auf Konzerten und Festivals wie dem Nova Rock oder dem Wacken Open Air zu sehen und tourten 2018 sogar durch Japan und China.526 Ihr Erfolgskonzept beruhte lange Zeit darauf, ihre Zielgruppe auf einer Ebene anzusprechen, die Menschen verschiedenster Herkunft und sozialer Schichten miteinander verbindet, wie sie selbst behaupteten – sie setzten auf witzige Texte, eine gute Stimmung und die Liebe des Publikums zum Bier- und Alkoholkonsum.527 Das ehemalige Bandmitglied Baz Prömüü sagte

    Big in Japan. Erstellt am 13.07.2018. URL: https://medianet.at/news/retail/turbobier-ist-jetzt-auch-big-in-japan-21498.html [25.12.2020]; vgl. Wikipedia: Turbobier. 522 Vgl. Amy Mahmoudi: Die zehn Turbo-Gebote. Turbobier im Interview. In: Volume vom 15.02.2017. URL: https://www.volume.at/musik/interviews/die-zehn-turbo-gebote/ [25.12.2020]; vgl. Nadine Schmidt: Turbobier – Das Neue Festament. Review. In: metal.de vom 20.01.2017. URL: https://www.metal.de/reviews/turbobier-das-neue-festament- 200791/ [25.12.2020]; vgl. Wikipedia: Turbobier. 523 Vgl. Mahmoudi: Die zehn Turbo-Gebote; vgl. Nikolai Schöbel: Turbobier. Mit Ideen aus dem Vollrausch in die Charts. In: Musik Marketing. URL: https://musik-marketing.net/turbobier-mit-ideen-aus-dem-vollrausch-in-die-charts/ [25.12.2020]; vgl. Wikipedia: Turbobier; vgl. Naz Kücüktekin: Bierpartei erhält 11 Bezirksmandate. Marco Pogo wird Bezirksrat in Simmering, Mitstreiter werden gesucht. In: meinbezirk.at vom 13.10.2020. URL: https://www.meinbezirk.at/wien/c- politik/marco-pogo-wird-bezirksrat-in-simmering-mitstreiter-werden-gesucht_a4293339 [31.12.2020]. 524 Vgl. Miesgang: Song Contest; vgl. Miesgang: Turbobier; vgl. Schöbel: Turbobier; vgl. Wikipedia: Turbobier. 525 Vgl. Facebook: Turbobier. Info; vgl. Medianet News: Turbobier, das ist Biaschtln mit Stil; vgl. Wikipedia: Turbobier. 526 Vgl. Facebook: Turbobier. Info; vgl. BurnYourEars: Turbobier; vgl. Wikipedia: Turbobier. 527 Vgl. [Anonym]: Interview. Turbobier. In: wienkonzert.de vom 09.08.2015. URL: https://wienkonzert.com/2015/08/09/interview-turbobier/ [25.12.2020]; vgl. Daniel Hadler: Turbobier-Interview. Die fetten Jahre haben gerade erst begonnen. In: Kleine Zeitung vom 17.02.2017. URL: 121

    2015 in einem Interview über ihre Fans: „es sauft ein jeder in [Ö]sterreich“528. Marco Pogo erklärte ferner als Antwort auf die Frage, wie ihre Wiener Mundart im Ausland ankäme: „Die Sprache des Bieres ist eine internationale. Man muss nicht jedes Wort des Wiener Dialekts zerpflügen, um den Inhalt zu verstehen. Musik ist eine Emotion und wenn Rammstein in Russland spielen, versteht sie auch keiner.“529 Um ihre Fanbase zu erweitern, schlug die Mundart-Punk-Band mit ihrem dritten Album King of Simmering 2019 musikalisch sowie thematisch neue Wege ein. Neben den für ihre Lieder charakteristischen Ska-Beats bauten sie auch Pop-Elemente in die Nummern ein und zeigten sich inhaltlich mit Texten über Vergänglichkeit, Fremdenfeindlichkeit und die Herabsetzung von Minderheiten und der sozialen Unterschicht auf einer viel persönlicheren Ebene. Ebenfalls zur Zielscheibe ihrer Kritik wurde die materialistische Haltung der Gesellschaft sowie deren Apathie gegenüber dem Leid anderer. All diese Themen behandelten Turbobier in ihren Texten mit dem für sie typischen Wiener Schmäh, durch den sie die Kernaussage ihrer Musik, nämlich Freude am Leben zu haben und sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, hervorhoben. Die neuen Ansätze der Gruppe waren sicherlich unter anderem ein Grund dafür, dass sie es mit King of Simmering erstmalig, wenn auch nur für kurze Zeit, in die deutschen Albumcharts schafften.530 Dass ohne den Dialekt viel Potential in den Liedern der jungen Punker verloren gehen würde, zeigt beispielsweise der Titeltrack King of Simmering des gleichnamigen Albums. Die Single handelt von Marco Pogos Lokalpatriotismus für seinen Heimatbezirk Simmering, in dem er sich wie eine allseits bekannte Lokalprominenz fühlt. Obwohl der 11. Wiener Gemeindebezirk als tristes Industriegebiet mit glanzlosen Sozialbausiedlungen, viel Verkehr und dem Zentralfriedhof als Hauptattraktion bekannt ist,531 betrachtet ihn der Sänger als „9. Weltwunder.“532 „Wenn man einmal in Simmering war, sieht man sofort, was ich meine. Es ist nämlich wirklich ein toller Bezirk, architektonisch ist das jetzt kein Florenz, aber es hat seine schönen Ecken und da bin ich ganz gerne.“533 Um zu zeigen, wie cool der Arbeiterbezirk sein kann, verfasste Marco Pogo nicht nur eine Lobeshymne auf Simmering, sondern lud auch bekannte Persönlichkeiten wie Arabella Kiesbauer und Roland Düringer für den Dreh des Musikvideos ein.534 Der Kabarettist Roland Düringer synchronisiert zu Beginn des Videos das sprechende Auto K.I.T.T., das aus der

    https://www.kleinezeitung.at/kultur/musik/5168904/TurbobierInterview_Die-fetten-Jahre-haben-gerade-erst-begonnen [25.12.2020]. 528 [Anonym]: Interview. Turbobier. 529 Hadler: Turbobier-Interview. 530 Vgl. BurnYourEars: Turbobier - King Of Simmering; vgl. Schmidt: Turbobier; vgl. Schöbel: Turbobier. 531 Vgl. Facebook: Turbobier. Info; vgl. BurnYourEars: Turbobier. 532 Facebook: Turbobier. Info. 533 BurnYourEars: Turbobier. 534 Vgl. Schöbel: Turbobier. 122

    Fernsehserie Knight Rider (1982-1986) mit David Hasselhoff in der Hauptbesetzung bekannt ist. Mit eben diesem Wagen fährt Marco Pogo im Musikvideo zu King of Simmering durch den 11. Wiener Bezirk und nimmt seine Fans auf eine Tour durch sein Grätzl (Bezirksteil) mit. An den folgenden Textzeilen ist zu erkennen, wie der Dialekt bereits im Intro des Liedes zur Komisierung eingesetzt wird, indem die Band das heldenhafte Auto aus Knight Rider betrunken in der Wiener Mundart sprechen lässt.

    Düringer: (Eich hod owa a a bissl da Blitz peckt od[a]?/ Wos soll i synchronisiern? Ein Auto?/ Pogo: Ein angsoff[a]nes Auto, bitte!/ Düringer: Ein angsoff[a]nes Auto…/ Pogo: Oida KITT, kreu ume/ Düringer: Jo, bin scho do. Wos is? Wo foah ma hi?/ I glaub es is gscheida wonn du foahst. I hob a bissl a restfettn.)535

    Den Dialekt sieht Marco Pogo als Bereicherung seines sprachlichen Repertoires an,536 weshalb er ihn in seinen Texten häufig für Sprachspiele nutzt, wie auch in dem Lied King of Simmering, bei dem er auf die „Dechiffrierlust“537 der HörerInnen abzielt. Das Lied setzt sich sprachlich aus einer Mischung aus Deutsch bzw. Wiener Mundart und Englisch zusammen. Einerseits dient die Verwendung dieser Mischsprache, die in den Medien üblicherweise als Denglisch bezeichnet wird,538 der Ansprache einer jugendlichen Zielgruppe (für deren Sprachstil die Verwendung von Anglizismen und Mischsprachen charakteristisch ist) sowie der sprachlichen Repräsentation des sozialen Milieus im Bezirk Simmering. Andererseits nutzt der Wiener Entertainer das Spiel mit der dialektalen Lexik (z.B. Grätzl und Spezl) und den deutschen Redewendungen, die wortwörtlich ins Englische übertragen werden, auch zur Belustigung der ZuhörerInnen, die Freude am Decodieren des witzigen Textes haben.

    I’m riding on [se] good old Bim durch mei sch[e]nes Grätzl/ Cause I’m meeting Frånz, mein gua[d]n oidn Spezl// […] //Mein Tog, den nutz i effizient, i bin jo echt ka Depp/ I catch always glei zehn Fli[a]gn with one clap// […] // I’m called the King of Simmering/ I bleib’ genau d[ua]t wo i bin/ Cause somewhere else my life would make just no Sinn/ That makes me no one so fast after/ Des mocht mir so schnö kana noch/ Bei mir is everything in butter/ Des is a gaunz klore Soch539

    Bei der Betrachtung der Textausschnitte fällt auf, dass der Sänger häufig mit der Semantik der Worte spielt, zum Beispiel mit den Unterschieden der Homonyme Sinn (dt. der Zweck) und sin

    535 Dominik Wlazny (alias Marco Pogo): King of Simmering. 2019. URL: https://www.musixmatch.com/de/songtext/TURBOBIER/King-of-Simmering [21.03.2020]. 536 Vgl. Hadler: Turbobier-Interview. 537 Neuhuber/Edler/Zehetner: Bairisch-österreichische Dialektliteratur, S. 17. 538 Vgl. BurnYourEars: Turbobier - King Of Simmering. 539 Wlazny (alias Marco Pogo): King of Simmering. 123

    (engl. die Sünde). Auch der phonetischen Ebene schenkt er bei der Textierung seiner Lieder Beachtung, zum Beispiel durch die lautliche Nachahmung der typisch österreichischen, fehlerhaften Aussprache des englischen th-Lauts (on se – on the). Die Mischsprache aus dem Englischen und der Wiener Mundart (wie sie heute nur noch von wenigen gesprochen wird) nutzt Marco Pogo weiters gekonnt zur sprachspielerischen Bildung von Paarreimen und Kreuzreimen (z.B. Depp/ clap und after/ noch/ butter/ Soch). Wie man diverse Varietäten bewusst als literarische Ressourcen einsetzen kann, zeigt auch die Coffeeshock Company, eine 2010 gegründete, mittelburgenländische Band, bestehend aus den sechs Burgenland-Kroaten Manuel Bintinger (Gesang), Marco Blascetta (Gesang und Gitarre), Andreas Karall (Schlagzeug), Rafael Stern (Gitarre), Filip Tyran (Keyboard) und Nikola Zeichmann (Bass).540 Als Sprecher unterschiedlicher Minderheitensprachen (z.B. Burgenland-Kroatisch und Molise-Kroatisch)541 hat es sich Marco Blascetta, Sänger und Gitarrist der Gruppe, zur Aufgabe gemacht, seine Musik zu nutzen, um dialektale Varietäten als Kulturgut an andere weiterzugeben und am Leben zu erhalten:

    […] da wird mir so warm ums Herz, weil ich so bange [um] die Existenz dieser Sprache und sehe, wie das irgendwie so vom Aussterben bedroht ist. Und dann hast du solche großen Momente, wo du in Amsterdam spielst und ich sag ihnen wie der Refrain geht und die Amsterdamer grölen den Refrain mit, das ist einfach ein Wahnsinn, echt cool.542

    Seine deutschen Texte verfasst er, im Gegensatz zu seinem Bandkollegen Manuel Bintinger, der seine Songs in der österreichischen Standardsprache schreibt, immer im Dialekt. Ihre Lieder auf Englisch zu schreiben, war für die burgenländischen Musiker bisher keine Option – sie nutzen lieber jene Sprachen, in denen sie denken und fühlen, um das auszudrücken, was sie beschäftigt.543 Dabei decken die Lieder der Coffeeshock Company thematisch ein breites Spektrum ab und behandeln sowohl gesellschafts- und politkritische Inhalte als auch Themen wie Liebe, Minderheitensprachen, persönliche Niederlagen und Vergänglichkeit. Ebenso zeichnet sich die Gruppe durch ihre musikalische Diversität aus.544 Eigenen Angaben zufolge seien die Songs der Coffeeshock Company dem selbst kreierten Genre „SuperSkunkRockReggea“545 zuzuordnen, bei dem die sechs Musiker, die zuvor mit anderen

    540 Vgl. Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra. Ausgestrahlt am 04.06.2020 um 19:59. Private Aufzeichnung; vgl. Coffeeshock Company: Press. Coffeeshock Company Gewinner der Planet Festival Tour 2013. URL: http://www.coffeeshockcompany.com/press.php [21.12.2020]; vgl. Interview Marco Blascetta, 56. 541 Vgl. Interview Marco Blascetta, 62. 542 Ebda, 66. 543 Vgl. ebda, 62 und 64. 544 Vgl. Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra; vgl. Interview Marco Blascetta, 94. 545 Coffeeshock Company: Press. 124 musikalischen Projekten in unterschiedlichen Genres tätig waren (z.B. Funk, Metal und Grunge), außergewöhnliche Crossovers zusammenstellen, in die sie Elemente aus zahlreichen Strömungen wie Rock, Reggea, Rap, Heavy Metal, Ska, Pop, Blasmusik und Funk miteinbringen.546 Diesen Stilmix setzt die Band bewusst ein, um möglichst viele HörerInnen im Bereich der Nischenmärkte anzusprechen, wie Marco Blascetta erklärt: „[…] wir haben das immer bewusst gemacht, wir wollten immer den Metal-Head mitnehmen, wie auch das Dreadlocks-Girl.“547 Damit waren die sechs Burgenländer bereits zu Beginn ihrer Karriere auch im Ausland durchaus erfolgreich. 2011 erhielten sie beim Suns Wettbewerb in der Schweiz den Jurypreis und beim Musikwettbewerb LIET International in Italien den Publikumspreis. 2013 veröffentlichte die Gruppe ihr Debüt-Album Augen auf und durch und gewannen noch im selben Jahr mit der Planet Festival Tour den größten österreichischen Bandwettbewerb. Mit dem Release ihres zweiten Albums Psychoaktiv (2015) stieg ihr Bekanntheitsgrad in der Szene des Alternatives weiter an, wodurch die Bandmitglieder viele Kontakte in der Musikbranche knüpfen konnten. Seither spielen sie europaweit Konzerte, unter anderem als Vorband für die Wiener Band Russkaja, die für viele internationale Gigs gebucht wird.548 Als ihren bisher größten Erfolg betrachtet Sänger Marco Blascetta die Single Jetzt erst recht, die 2019 als Antwort auf die Ibiza-Affäre rund um Ex-Vizekanzler Heinz Christian Strache und den ehemaligen Bundesparteiobmann der FPÖ Johann Gudenus entstanden war und medial sofort boomte.549

    [S]o viele Aufrufe hatten wir noch nie auf eine Single und das in so kurzer Zeit. […] Wir sind es gewohnt, dass wir auf eine Single-Auskoppelung in den ersten 2, 3 Tagen sagen wir 1.000 Klicks pro Tag generieren (auf YouTube zum Beispiel). Bei Jetzt erst recht waren es innerhalb kürzester Zeit über 40.000. Das ist für unsere Verhältnisse ein Vielfaches. Auf Spotify ebenso: in den ersten zwei Tagen 15.000 Streams, die aber alle natürlich generiert sind, das heißt, ohne bezahlte Werbung.550

    Grund für den Skandal war ein Video, auf dem die beiden Politiker in Ibiza mit einer vermeintlichen Oligarchennichte zu sehen waren und ihre Bereitschaft zur Korruption zur Schau stellten. Mit der jungen Dame unterhielten sie sich über die „Umgehung der Gesetze zur Parteienfinanzierung [und die] Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien [z.B.

    546 Vgl. Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra; vgl. Coffeeshock Company: Press; vgl. Interview Marco Blascetta, 62. 547 Interview Marco Blascetta, 62. 548 Vgl. Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra; vgl. Coffeeshock Company: Press; vgl. Interview Marco Blascetta, 56 und 58. 549 Vgl. Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra; vgl. Interview Marco Blascetta, 73 und 74. 550 Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra. 125 die Kronenzeitung]“551. Als Marco Blascetta die erste Pressekonferenz zur Ibiza-Affäre sah, fiel ihm sofort die Zeile „Heit verscherbl ma die Krone“552 ein und ihm wurde bewusst, welches satirische Potential das Geschehene in sich barg.553 „Es ist eine Blödelei, wir verblödeln das Ganze, aber der Herr Strache hat ja selbst gesagt, dass die Aktion sehr dumm war. Wir geben eigentlich nur wieder, was dort passiert ist, auf eine sehr [humoristische] Art.“554

    Es hot [fünfadreißg] Grad und d[a] Schnee liegt am Tisch/ Des is biza[a] auf Ibiza do drah ma heite no an Fisch// […] // Madl huach zua I bin d[a] große Mocha[ts]check/ An Fernsehsender host [du] noch dem Obnd im Gepäck // […] drei vier Leit servier ma o, den ondern brich ma no is [G]nack // […] // Schau di um bei dir daham, schau da on Orbanistan/ Schau wie ma duat auframt, ich glaub auch, dass ich das kann555

    Den Dialekt nutzt Marco Blascetta, wie bereits Nestroy oder Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner in ihren politsatirischen und -kabarettistischen Texten, um die österreichische Mentalität sprachlich darzustellen (z.B. in Schaumamoi) und Elemente wie Ironie und Sarkasmus miteinzubeziehen (z.B. in Finanzministerman). Dafür sei die Mundart aufgrund des vielfältigen Wortschatzes und der zahlreichen Redewendungen (z.B. do drah ma heite no an Fisch) besonders ergiebig. Die dialektalen Phrasen ermöglichen laut Blascetta ein kreatives Sprachspiel, bei dem die verschiedenen Varietäten genutzt werden können, um treffende Bilder verschiedenster Situationen zu zeichnen und eine kritische Botschaft auf kunstvolle Weise zu verpacken.556

    Es ist für mich immer cooler, wenn man nicht mit der Keule auf solche Missstände, die man in Österreich oder sonst wo hat, losgeht, sondern das satirisch einpackt und mit einer gewissen Ironie und einem gewissen Humor. […] aber was für mich an den satirischen Nummern noch viel wichtiger ist, wie zum Beispiel bei der Ibiza-Geschichte, da denke ich an die ganzen jungen Leute, die vielleicht politisch nicht so interessiert sind und vielleicht durch diese Nummer versuchen, ein bisschen mehr darüber nachzudenken, und dann checken, wie wichtig es ist, dass wir informiert sind und uns nicht von denen verarschen lassen, die an der Macht sind.557

    Der Dialekt findet in den Texten der Coffeeshock Company demnach Verwendung als Mittel der Komik und Sprache der Ehrlichkeit, die zum Lachen aber auch zum Nachdenken anregen

    551 Wikipedia: Ibiza-Affäre. Zuletzt geändert am 22.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Ibiza-Aff%C3%A4re [02.01.2020]. 552 Marco Blascetta: Jetzt erst recht. 2019. URL: https://www.youtube.com/watch?v=tY1-46p6yEE [05.06.2020]. 553 Vgl. Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra. 554 Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra. 555 Blascetta: Jetzt erst recht. 556 Vgl. Interview Marco Blascetta, 64, 70 und 90. 557 Ebda, 70. 126 soll und den HörerInnen auf sprachlicher Ebene etwas Kollektives bietet, mit dem sie sich gegen die politischen MachthaberInnen und ihre Fauxpas zur Wehr setzen können.

    Joschi wos moch ma heit?/ Du sogst on, I übersetz/ Joschi wos moch ma heit?/ Aber alles nach Gesetz/ Joschi wos moch ma heit?/ Des wird unser großer Deal/ Joschi wos moch ma heit?/ Heit v[a]scherbl’ ma die Krone!558

    Der Sänger der Band konstatiert im Interview, dass die österreichischen Dialekte mit ihren weichen Klängen zum einen für die heimischen Fans eine Ausdrucksform darstellen, die ihnen näher liegt als die Standardvarietät, zum anderen auch ihm als Autor die Textierung seiner Werke erleichtern, da es ihm einfacher fällt, in der Mundart zu reimen und seine Gedanken bzw. gewisse Stimmungen präziser zu formulieren, wie der Refrain des Liedes zeigt.559

    Das ist vollkommen ‚aufglegt‘. […] Und wenn man sich die zwei Blindgänger vorstellt, wie die dieser Oligarchennichte alles ‚ondrahn‘ wollen und wie sie sich ‚aufpudeln‘ und die zwei reden ja auch im Dialekt. Das ist einfach im Dialekt perfekt. Da gibt es so viele Phrasen, die musikalisch so gut klingen wie „Joschi wos moch ma heit?“. „Johann was machen wir heute“, das funktioniert nicht, das funktioniert nur im Dialekt. „Heit verscherbel’ ma die Krone!“ – ich bin jetzt mit Russkaja auf der Tour und in Osnabrück und Dresden haben die Leute gefragt, was das heißt, und ich habe so lange gebraucht, um das Wort ‚verscherbeln‘ zu erklären. Eine Zeitung in die Hände einer Oligarchennichte zu geben, das ist ‚verscherbeln‘. Das zu erklären ist schwierig, aber wenn du in Österreich zu jemandem sagst, der hat das ‚verscherbelt‘, da kennt sich sofort jeder aus.560

    Das Fehlverhalten österreichischer PolitikerInnen nutzt die Band immer wieder gerne als Vorlage für ihre dialektalen Politsatiren – 2020 brachte die Coffeeshock Company beispielsweise die Nummer Herbert heraus, in der sie auf die Ausländerpolitik des ehemaligen Innenministers Herbert Kickl und dessen offenkundige Fremdenfeindlichkeit Bezug nahmen. Auch eine Persiflage auf Kickls kostspieliges Projekt einer berittenen Polizei, das nach nur einem Jahr in Folge des Ibiza-Skandals wieder eingestellt wurde, ließen sie sich dabei nicht nehmen. Obwohl sie mit ihren diversen politsatirischen Liedern im Dialekt auch im Ausland (z.B. Deutschland, USA, Niederlande etc.561) erfolgreich waren, wollen sich die Künstler nicht bloß auf eine Thematik bzw. Varietät beschränken:562

    Es ist die Zeit zu schade, dass man sich in seiner Kunst nur mit Politik beschäftigt. Für mich ist klar, auf gewisse Sachen muss man reagieren, aber es ist auch wichtig, andere Themen

    558 Blascetta: Jetzt erst recht. 559 Vgl. Interview Marco Blascetta, 64, 70 und 90. 560 Ebda, 92. 561 Vgl. ebda, 87. 562 Vgl. ebda, 94. 127

    anzuschneiden und anzusprechen, vor allem erfreulichere Themen, wie die Liebe, die wir in verschiedenen Liedern in verschiedenen Sprachen kommentiert haben, oder andere persönliche Themen, […] oder Minderheitensprachen zu ehren.563

    Als KünstlerIn könne man, Marco Blascetta zufolge, in Österreich ohnehin nur bestehen, wenn man nicht das Finanzielle, sondern nur die Leidenschaft an der Kunst im Sinne habe564 und die kommt in den Dialektliedern der heimischen MusikerInnen auf ebenso zahlreiche Arten zum Ausdruck, wie es Dialekte in Österreich gibt.

    563 Ebda, 94. 564 Vgl. Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra. 128

    5. FAZIT

    „Das funktioniert nur im Dialekt“, erklärte Marco Blascetta, Sänger und Gitarrist der Band Coffeeshock Company mit Bezug auf die zahlreichen literarischen und ästhetischen Einsatzmöglichkeiten der österreichischen dialektalen Varietäten in Literatur und Musik. Grundlage der Arbeit war die Frage nach den Beweggründen österreichischer KünstlerInnen, die Mundart als sprachliche Ausdrucksform ihrer Lieder zu wählen, obgleich sie durch die Verwendung regiolektaler Spezifika Gefahr laufen könnten, eine geringere HörerInnenschaft anzusprechen oder auf den österreichischen Musikmarkt bzw. einen Nischenmarkt beschränkt zu werden. Somit galt es, herauszufinden, ob der Dialekt im literarischen bzw. musikalischen Kontext über bestimmte Funktionsweisen verfügt, die mit der Standardvarietät nicht erreicht würden. Aus dieser Forschungsfrage ergaben sich zwei Hypothesen, die im Zuge der Arbeit überprüft werden sollten. Zum einen wurde angenommen, dass der Dialekt Möglichkeiten der ästhetischen Stilisierung bietet, die jene der Standardvarietät überschreiten. Zum anderen wurde davon ausgegangen, dass eben dieser literarische Mehrwert, der durch die Verwendung des Dialekts erzielt wird, für MusikerInnen die ökonomischen Nachteile ausgleicht, die sich aus einer bewussten Regionalisierung ergeben könnten. Ziel der Arbeit war es, diese Hypothesen durch einen historischen Überblick über die österreichische Dialektmusik-Szene der letzten 50 Jahre und durch Interviews mit österreichischen DialektmusikerInnen zu verifizieren bzw. zu falsifizieren. Dabei wurde versucht, unterschiedliche Funktionen des Dialekts zu identifizieren sowie die bisherigen Entwicklungen in der heimischen Musikindustrie darzustellen und zu klären, welche Faktoren die Trendverläufe beeinflussen. Zu Beginn der Arbeit wurden Einblicke in die linguistischen Grundlagen der österreichischen Dialekte gegeben, um ein Verständnis des Stellenwerts der Mundart in der österreichischen Gesellschaft sowie in den Bereichen der Literatur und Musik zu gewährleisten. Dabei konnte der Dialekt als nicht-normierter, nicht-kodifizierter und nicht-institutionalisierter Bestandteil der deutschen Sprache in Österreich ausgewiesen werden, der vorzüglich im örtlichen, privaten und emotionalen Bereich sowie in der informellen mündlichen Rede zum Einsatz kommt. Die Verwendung der österreichischen Standardvarietät sowie der diversen Dialekte dienten in Österreich nach Ende des Zweiten Weltkriegs der Etablierung eines Nationalbewusstseins und der sprachlichen Abgrenzung von Deutschland, um die eigenständige Identität der österreichischen Bevölkerung hervorzuheben. Wie anhand unterschiedlicher Studien gezeigt werden konnte, verbinden ÖsterreicherInnen mit ihrer Mundart jedoch nicht bloß ihre regionale bzw. nationale Identität, sondern assoziieren

    129 dialektale Varietäten auch mit zahlreichen negativen und positiven Eigenschaften, zum Beispiel Aggressivität, Ungebildetheit, Faulheit, fehlerhafter Sprache, aber auch mit Sympathie, Gelassenheit, Ehrlichkeit, Humor, Emotionen und dem persönlichen Nahbereich. In Kapitel 2.2 wurde die historische Verwendung dialektaler Elemente in Literatur und Musik skizziert, um zu veranschaulichen, dass der Gebrauch der Mundart in diesen Bereichen stark von dessen Stellenwert in der jeweiligen Gesellschaft bzw. Epoche abhing. Als wichtige Meilensteine in der dialektalen Literatur und Musik Österreichs konnten unter anderem die humoristische Verwendung der Mundart im Barock und der Aufklärung, die polit- und sozialkritischen Werke des Vormärz, der Einsatz zur sprachlichen Repräsentation eines bestimmten Milieus durch Mündlichkeitsfiktion ab dem 19. Jahrhundert, die Wertschätzung des lautlichen und lexikalischen Reichtums des Dialekts durch die Wiener Gruppe sowie die Traditionen des Kabaretts und der Satire zu gesellschafts- und politkritischen Zwecken (z.B. Ödön von Horvath, Jura Soyfer, Helumt Qualtinger, Gerhard Bronner uvm.) identifiziert werden. In Kapitel 3. wurde die Vielseitigkeit der Dialektmusik in Österreich veranschaulicht und gezeigt, dass die Mundart seit den 1970er Jahren in zunehmend unterschiedlichen Genres und Stilrichtungen wie der Volksmusik, dem Austropop, der volkstümlichen Musik, dem Mundart-Rap und der Partymusik Einzug hält. Eine Analyse der Single-Jahreshitparaden der Jahre 1970 bis 2019 ergab, dass der ökonomische Erfolg österreichischer Dialektmusik am heimischen Musikmarkt einem wechselnden Trendverlauf unterlag, wobei die 1980er Jahre als Blütezeit des Austropops den bisherigen Höhepunkt der österreichischen Dialektmusik kennzeichneten. Es konnte festgestellt werden, dass die Popularität der Dialektmusik in direkter Verbindung zur Einstellung der Jugend des Landes gegenüber der Mundart steht, die sich durch Musik zum Beispiel zu Beginn der 1970er Jahre sowie zu Beginn der 2000er Jahre sprachlich von der Eltern-Generation und ihrem Musikgeschmack abgrenzen wollte. Demzufolge konnten die Präferenzen der aktuellen Jugendkultur als ein trendbestimmender Aspekt identifiziert werden. In Interviews mit Günther Pini und Marco Blascetta konnten darüber hinaus zahlreiche weitere Faktoren ermittelt werden, die musikalische Trends und den kommerziellen Erfolg dialektaler Acts beeinflussen. Zu diesen zählen unter anderem die Vermarktung, der Bekanntheitsgrad und die mediale Reichweite der MusikerInnen, die Präsenz auf Streaming- und Social Media-Plattformen, die Positionierung in der Musikszene (Einordnung durch Genre/Stil, Sound und Sprache in Mainstream- oder Nischenmärkte), die Möglichkeit live aufzutreten und an Wettbewerben und Festivals teilzunehmen, das Knüpfen von Kontakten sowie die Förderung durch AkteurInnen in der Musikbranche (z.B. Radiosender, Labels, andere MusikerInnen, Print- und Online-Medien, ProduzentInnen etc.).

    130

    Die Analyse der österreichischen Dialektmusik der letzten 50 Jahre befasste sich schließlich ausgehend von einem exemplarischen, dennoch heterogenen, Korpus mit der Identifikation der möglichen literarischen und ästhetischen Funktionen des Dialekts. Auch bei dieser Untersuchung konnten bestimmte Trends für einzelne Jahrzehnte festgestellt werden. Beispielsweise dominiert die Verwendung des Dialekts in den Liedern der 1970er Jahre als Medium des kritischen Denkens, in dem sich die Bruchlinien und Problemfeldern der Gesellschaft und des Establishments besonders wirksam herausarbeiten lassen (z.B. Wolfgang Ambros – Da Hofa, Arik Brauer – Sein Köpferl im Sand, Georg Danzer – Jö schau, Kurt Winterstein – Wienerlied, Ludwig Hirsch – Die Omama). Doch auch MusikerInnen späterer Jahrzehnte nutzten die Mundart gerne, um komplexe Themen in der ‚Sprache des Volks‘ darzustellen und Missstände in der Gesellschaft aufzuzeigen (z.B. Drahdiwaberl – Machomann, Sigi Maron – He Du Bub, Hubert von Goisern – Brenna tuat’s guad). Seit Beginn der Austropop-Bewegung wird der Dialekt in den Texten der österreichischen MusikerInnen auch als Authentizitätsmittel und Sprache der Ehrlichkeit eingesetzt, mit der unter anderem die gesellschaftliche Realität provokant dargestellt oder das Image der KünstlerInnen gestützt werden kann (z.B. Wolfgang Ambros – Da Hofa, HMBC – Vo Mello bis ge Schoppornou, Ansa – Businessplan, Seiler und Speer – Ham kummst). Ebenfalls provozieren wollten MusikerInnen wie die Worried Men Skiffle Group, Wilfried oder Voodoo Jürgens, die mit der Verwendung des Dialekts als Kunstsprache in ihren Liedern für einen Verfremdungseffekt bei der österreichischen HörerInnenschaft sorgten und dadurch den experimentellen Charakter ihrer Werke hervorhoben (z.B. Worried Men Skiffle Group – Glaubst i bin bled, Wilfried – Ziwui Ziwui, Voodoo Jürgens – Heite grob ma Tote aus). In Anlehnung an die literarischen und musikalischen Traditionen Österreichs wurde die Mundart beinahe in jedem Jahrzehnt als Mittel der Komisierung, Satire und Parodie genutzt, häufig auch in Verbindung mit schwarzem Humor (z.B. Georg Danzer – Jö schau und Hupf’ in Gatsch, Kurt Winterstein – Wienerlied, Drahdiwaberl – Machomann, EAV – Märchenprinz, Die Vamummtn – Krocha Hymne, Ansa – Lalala Nana, Turbobier – King of Simmering, Coffeeshock Company – Jetzt erst recht). In vielen Dialektliedern der heimischen KünstlerInnen wurde versucht, eine Mündlichkeitsfiktion zu erzeugen und den Dialekt somit zur regionalen Verortung, Figurencharakterisierung oder sprachlichen Repräsentation eines bestimmten (sozialen) Milieus zu nutzen (z.B. Georg Danzer – Hupf’ in Gatsch, Sigi Maron – He Du Bub, EAV – Märchenprinz, Marianne Mendt und Adi Hirschal – Kaisermühlen Blues, DJ Ötzi – Anton aus Tirol, HMBC – Vo Mello bis ge Schoppornou, Skero – Kabinenparty, Granada – Ottakring, Turbobier – King of Simmering). Zahlreiche österreichische MusikerInnen verfassten in den letzten 50 Jahren Texte über

    131

    Heimatgefühle und die Verbundenheit zu ihrem Herkunftsort, wobei sie den Dialekt als Ausdruck der eigenen Identität einsetzten oder als österreichisches Kulturgut auswiesen (z.B. Falco – America, Rainhard Fendrich – I am from Austria, Ausseer Hardbradler – Tanz’n tat i gern). Häufig stand damit auch die Funktion der Zielgruppenansprache in Zusammenhang, bei der das sprachliche Identifikationspotential des Dialekts gezielt eingesetzt wurde, um eine bestimmte HörerInnenschaft (z.B. Jugend) anzusprechen oder ein regionales bzw. nationales Publikum zu generieren und an sich zu binden (z.B. Peter Cornelius – Du entschuldige-i kenn’ di, Falco – America, Marianne Mendt und Adi Hirschal – Kaisermühlen Blues, Skero – Kabinenparty, Trackshittaz – Oida taunz, Turbobier – King of Simmering). Als eigentliche Muttersprache, die mit Nähe und Emotionen verbunden wird, konnten heimische LiedermacherInnen den Dialekt zur Darstellung der inneren Gefühlswelt sowie zur Thematisierung von Liebe, Wut, Kummer, Leid, Verzweiflung, Glückseligkeit aber auch schmerzhaftem Verlust nutzen und somit das Unsagbare verbalisieren (z.B. Ludwig Hirsch – Die Omama, Peter Cornelius – Du entschuldige-i kenn’ di, STS – Großvater, Andreas Gabalier – Amoi seg’ ma uns wieder, Pizzera & Jaus – Jedermann). In manchen Fällen diente der Dialekt primär der Genrezuweisung bzw. dem Ausdruck des aktuell Populären (z.B. Ausseer Hardbradler – Tanz’n tat i gern, DJ Ötzi – Anton aus Tirol, Die jungen Zillertaler – So a schöner Tag), in anderen Liedern wurde er als kreatives Sprachmaterial betrachtet, das sich aufgrund des weichen Klangs und des Vokalreichtums hervorragend zur Reimgestaltung und Rhythmisierung der Stücke instrumentalisieren lässt (z.B. Georg Danzer – Jö schau, Attwenger – abersee, Pizzera & Jaus – Jedermann). Der reiche Wortschatz und die witzigen Redewendungen der Mundart wurden von einigen österreichischen Acts vielfach auch für Sprachspiele auf semantischer und phonetischer Ebene genutzt, bei denen auf die Dechiffrierlust der HörerInnen gesetzt wurde (z.B. Attwenger – abersee, Pizzera & Jaus – Jedermann, Turbobier – King of Simmering, Coffeeshock Company – Jetzt erst recht). Sogar die Verwendung des Dialekts als Metasprache für eine reflektierte Auseinandersetzung mit den österreichischen Varietäten konnte als Einsatzmöglichkeit in einem der Lieder des Korpus identifiziert werden (Pizzera & Jaus – Dialekt’s mi) und zeigt damit auf, dass der Dialekt durchaus als literatur- und musikfähige Ausdrucksform zu betrachten ist, die der Standardvarietät in nichts nachsteht, sondern zahlreiche zusätzliche Funktionen für die Textierung der Werke bietet. Für zukünftige wissenschaftliche Betrachtungen wäre es wünschenswert, insbesondere dem musikalischen Schaffen der heimischen (Dialekt-)KünstlerInnen ab dem Jahr 2000 mehr Beachtung zu schenken, da es bislang keine Nachschlagewerke gibt, die zeitlich über die ersten

    132

    Titel der Attwenger und DJ Ötzis hinausgehen. Einer tiefergehenden Auseinandersetzung bedarf es weiters bezüglich der Rolle weiblicher (Dialekt-)Musikerinnen in der Geschichte der heimischen Musikszene, da österreichische Sängerinnen und Komponistinnen wie Marianne Mendt, Zabine, Jazz Gitti, Stefanie Weger, Goldie Ens und Erika Pluhar in der bestehenden Sekundärliteratur (mit Ausnahme von Raffaela Gmeiners Sie.Macht.Popmusik.) kaum Erwähnung finden. Auch aktuell wirkende, weibliche Musikerinnen (mit Ausnahme von Christina Stürmer und Luttenberger*Klug, die zu Beginn der 2000er Jahre beliebt waren) bleiben scheinbar in der heimischen Musikszene neben ihren männlichen Kollegen tendenziell eher unberücksichtigt. Die Verwaltungsgesellschaft AKM veröffentlichte im Zuge ihres Jahresberichts 2019 zum Geschlechtersplit der UrheberInnen, die sie vertreten, eine Statistik, der zufolge 83,7% ihrer MusikerInnen männlich und nur 16,3% weiblich seien.565 Ein interessanter Ansatz wäre daher sicherlich, zu ergründen, weshalb es weniger (bekannte) weibliche Acts im Bereich der österreichischen, insbesondere der dialektalen, Unterhaltungsmusik gibt. Das Gebiet der Dialektliteratur und -musik bietet jedoch generell noch viel Forschungsbedarf, da dialektalen Werken lange Zeit nur wenig Beachtung und Wertschätzung zuteilwurde. Ich hoffe, mit dieser Arbeit einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht und gezeigt zu haben, dass die dialektale Populärmusik Österreichs musikalisch sowie auch literarisch einiges zu bieten hat.

    565 Vgl. AKM: AKM Jahresbericht 2019. 133

    6. QUELLENVERZEICHNIS

    6.1 Primärliteratur

    Achleitner, Hubert (alias Hubert von Goisern): Brenna tuat’s guat. 2011. URL: https://www.hubertvongoisern.com/entwederundoder/liedtexte.html [21.03.2020]. Achleitner, Hubert/Staribacher, Wolfgang: Koa Hiatamadl. 1992. URL: https://www.hubertvongoisern.com/alpinkatzen/liedtexte_asn.html [21.03.2020]. Bayer, Konrad: Glaubst i bin bled. 1970. URL: https://genius.com/Worried-men-skiffle-group-glaubst- i-bin-bled-lyrics [20.03.2020]. Binder, Markus/Falkner, Hans-Peter: Abersee. In: Most [CD]. München: Trikont. 1991, Nr. 1. Blascetta, Marco: Jetzt erst recht. 2019. URL: https://www.youtube.com/watch?v=tY1-46p6yEE [05.06.2020]. Brauer, Arik: Sein Köpferl im Sand. 1971. URL: https://genius.com/Arik-brauer-sein-kopferl-im-sand- lyrics [20.03.2020]. Cornelius, Peter: Du entschuldige – i kenn’ di. 1981. URL: https://genius.com/Peter-cornelius-du- entschuldige-i-kenn-di-lyrics [20.03.2020]. D.P.: Tånzn tat i gern. In: Bradlfett [CD]. Graz: EMI Austria. 1997, Nr. 2. Danzer, Georg: Hupf’ in Gatsch. 1976. URL: https://www.georgdanzer.at/lieder/hupf-in-gatsch/ [27.09.2020]. Danzer, Georg: Jö schau. 1975. URL: http://www.georgdanzer.at/lieder/joe-schau/ [20.03.2020]. Die Vamummtn: Krocha Hymne. 2008. URL: https://genius.com/Die-vamummtn-vamummtn-krocha- hymne-lyrics [21.03.2020]. Donauer, Andreas: So a schöner Tag – Fliegerlied. 2008. URL: https://www.musixmatch.com/de/songtext/Die-jungen-Zillertaler/So-a-Sch%C3%B6ner-Tag- Fliegerlied [21.03.2020]. Fendrich, Rainhard: I am from Austria. 1989. URL: https://www.fendrich.at/lyric/i-am-from-austria/ [20.03.2020]. Gabalier, Andreas: Amoi seg’ ma uns wieder. 2014. URL: https://genius.com/Andreas-gabalier-amoi- seg-ma-uns-wieder-lyrics [21.03.2020]. Hirsch, Ludwig: Die Omama. 1978. URL: http://www.phipsi.at/thofi/LiederPDF/Gesamt.pdf [23.09.2020]. HMBC: Vo Mello bis ge Schoppornou. 2009. URL: https://www.hmbc.at/de/medien/songtexte/vo- mello-bis-ge-schoppornou [21.03.2020]. Hölzel, Johann (alias Falco): America. 1985. URL: http://www.falco.at/?page_id=327 [20.03.2020]. Kühne, Martin (alias Ansa): Businessplan. 2014. URL: https://genius.com/Ansa-businessplan-lyrics [21.03.2020]. Kühne, Martin (alias Ansa): Lalala Nana (Illusion). 2014. URL: https://genius.com/Ansa-lalala-nana- illusion-lyrics [21.03.2020].

    134

    Lauber, Arthur/Radovan, Andreas: Kaisermühlen Blues. 1994. URL: https://www.lyrix.at/t/marianne- mendt-der-kaisermuhlen-blues-bb4 [21.03.2020]. Maron, Sigi: He Du Bub. 1982. URL: https://www.musixmatch.com/de/songtext/Sigi-Maron/He-Du- Bub [20.03.2020]. Öllerer, David (alias Voodoo Jürgens): Heite grob ma Tote aus. 2016. URL: https://genius.com/Voodoo-jurgens-heite-grob-ma-tote-aus-lyrics [21.03.2020]. Padinger, Manfred/Schicho, Friedrich/Schachner, Walter: Anton aus Tirol. 1999. URL: https://genius.com/Dj-otzi-anton-aus-tirol-lyrics [21.03.2020]. Petritsch, Thomas: Ottakring. 2015. URL: https://genius.com/Granada-austria-ottakring-lyrics [21.03.2020]. Pizzera, Paul: Dialekt’s mi. 2018. URL: https://genius.com/Pizzera-and-jaus-dialekts-mi-lyrics [21.03.2020]. Pizzera, Paul: Jedermann. 2016. URL: https://genius.com/Pizzera-and-jaus-jedermann-lyrics [21.03.2020]. Plöchl, Lukas/Hoffelner, Manuel: Oida taunz. 2010. URL: https://genius.com/Trackshittaz-oida-taunz- lyrics [21.03.2020]. Prokopetz, Josef: Da Hofa. 1971. URL: https://genius.com/Wolfgang-ambros-da-hofa-lyrics [20.03.2020]. Scheutz, Wilfried: Ziwui Ziwui. 1973. URL: https://genius.com/Wilfried-ziwui-ziwui-lyrics [20.03.2020]. Schlager, Martin (alias Skero): Kabinenparty. 2010. URL: https://www.dropbox.com/s/w3jckqp5oy0ap5p/Skero%20%22Memoiren%20eines%20Riesen%22text e.pdf?dl=0 [21.03.2020]. Seiler, Christopher: Ham kummst. 2015. URL: https://www.seilerundspeer.at/alben/ham-kummst/ [21.03.2020]. Spitzer, Thomas: Märchenprinz. 1985. URL: http://www.eav.at/texte/m%C3%A4rchenprinz [20.03.2020]. Steinbäcker, Gert: Großvater. 1986. URL: http://www.sts.cc/texte/text.aspx?32 [20.03.2020]. Weber, Stefan: Machomann. In: Psychoterror [Schallplatte]. Wien: Gig Records. 1981, Side 1 Nr. 3. Winterstein, Kurt: Wienerlied. In: Erste österreichische Anti-Atomkraftwerksplatte [Schallplatte]. 1977. URL: https://www.youtube.com/watch?v=1uquIQ4Nvg4&feature=youtu.be&t=1170 [20.03.2020]. Wlazny, Dominik (alias Marco Pogo): King of Simmering. 2019. URL: https://www.musixmatch.com/de/songtext/TURBOBIER/King-of-Simmering [21.03.2020].

    6.2 Musikvideos

    Ambros, Wolfgang: Da Hofa. URL: https://www.youtube.com/watch?v=JjEX5TyOkWM [27.09.2020]. Ansa: Businessplan. URL: https://www.youtube.com/watch?v=Sg_We231FBQ [03.10.2020].

    135

    Ansa: Lalala Nana (Illusion). URL: https://www.youtube.com/watch?v=TDC5LQ38Coc [03.10.2020]. Attwenger: Abersee. URL: https://www.youtube.com/watch?v=zSzj5iRe0hQ [02.10.2020]. Ausseer Hardbradler: Tånzn tat i gern. URL: https://www.youtube.com/watch?v=3iRBpSV92PE [02.10.2020]. Brauer, Arik: Sein Köpferl im Sand. URL: https://www.youtube.com/watch?v=hDeFYKmgePQ [27.09.2020]. Coffeeshock Company: Jetzt erst recht. URL: https://www.youtube.com/watch?v=tY1-46p6yEE [04.10.2020]. Cornelius, Peter: Du entschuldige – i kenn’ di. URL: https://www.youtube.com/watch?v=vOqQ8w16ZTM [01.10.2020]. Danzer, Georg: Hupf’ in Gatsch. URL: https://www.youtube.com/watch?v=nz0koxHf_E0 [27.09.2020]. Danzer, Georg: Jö schau. URL: https://www.youtube.com/watch?v=AgVVBgTF-eg [27.09.2020]. Die jungen Zillertaler: So a schöner Tag – Fliegerlied. URL: https://www.youtube.com/watch?v=OIncltW9XFU [03.10.2020]. Die Vamummtn: Krocha Hymne. URL: https://www.youtube.com/watch?v=I1ED0P7pG7E [03.10.2020]. DJ Ötzi: Anton aus Tirol. URL: https://www.youtube.com/watch?v=sWOUi0PVTXw [02.10.2020]. Drahdiwaberl: Machomann. URL: https://www.youtube.com/watch?v=-j4lvTNT2T0 [01.10.2020]. EAV: Märchenprinz. URL: https://www.youtube.com/watch?v=-aguFCFbnzE [01.10.2020]. Falco: America. URL: https://www.youtube.com/watch?v=m4p_M9wPkY4 [01.10.2020]. Fendrich, Rainhard: I am from Austria. URL: https://www.youtube.com/watch?v=KMSa_xb2h5U [01.10.2020]. Gabalier, Andreas: Amoi seg’ ma uns wieder. URL: https://www.youtube.com/watch?v=krNL5fnTxJc [04.10.2020]. Granada: Ottakring. URL: https://www.youtube.com/watch?v=PZXndKjXRjU [04.10.2020]. Hirsch, Ludwig: Die Omama. URL: https://www.youtube.com/watch?v=1FC9xT3EGgE [27.09.2020]. HMBC: Vo Mello bis ge Schoppornou. URL: https://www.youtube.com/watch?v=wmI2m06YFfc [03.10.2020]. Maron, Sigi: He du Bub. URL: https://www.youtube.com/watch?v=wM_scPpZAx8 [01.10.2020]. Mendt, Marianne/ Hirschal, Adi: Kaisermühlen Blues. URL: https://www.youtube.com/watch?v=YTSr_o1ER5U [02.10.2020]. Pizzera & Jaus: Dialekt’s mi. URL: https://www.youtube.com/watch?v=8T9eJDFwt3U [04.10.2020]. Pizzera & Jaus: Jedermann. URL: https://www.youtube.com/watch?v=DAtDjqAljzA [04.10.2020]. Seiler und Speer: Ham kummst. URL: https://www.youtube.com/watch?v=GWgisTPKCdk [04.10.2020].

    136

    Skero ft. Joyce Muniz: Kabinenparty. URL: https://www.youtube.com/watch?v=9I-I6yMx23g [03.10.2020]. STS: Großvater. URL: https://www.youtube.com/watch?v=G6muwrZaYGU [01.10.2020]. Trackshittaz: Oida taunz. URL: https://www.youtube.com/watch?v=p8n_kmgvjxk [03.10.2020]. Turbobier: King of Simmering. URL: https://www.youtube.com/watch?v=scUanSmuBqw [04.10.2020]. Von Goisern, Hubert: Brenna tuat’s guat. URL: https://www.youtube.com/watch?v=l-XYBJOKNMg [03.10.2020]. Von Goisern, Hubert/ Die Alpinkatzen: Koa Hiatamadl. URL: https://www.youtube.com/watch?v=SHwDkpewYpo [02.10.2020]. Voodoo Jürgens: Heite grob ma Tote aus. URL: https://www.youtube.com/watch?v=PvJ9L9gmJSs [04.10.2020]. Wilfried: Ziwui Ziwui. URL: https://www.youtube.com/watch?v=kDN5IBiwKJo [27.09.2020]. Winterstein, Kurt: Wienerlied. In: Erste österreichische Anti-Atomkraftwerksplatte [Schallplatte]. URL: https://www.youtube.com/watch?v=1uquIQ4Nvg4&feature=youtu.be&t=1170 [27.09.2020]. Worried Men Skiffle Group: Glaubst i bin bled. URL: https://www.youtube.com/watch?v=w37PQNOLty8 [27.09.2020].

    6.3 Sekundärliteratur

    AKM: AKM Jahresbericht 2019. URL: https://www.akm.at/wp- content/uploads/2020/06/AKM_Jahresbericht19_online.pdf [20.08.2020]. Aldrian, Ulrike/Mileder, Maria: „Austropop“ – Eine österreichische Musik in Gefahr? In: Musikszenen und Lebenswelten. Empirische Beiträge zur Musiksoziologie. Hrgs. von Dieter Reicher; Jürgen Fleiss; Franz Hollinger. Wien: Institut für Musiksoziologie 2007, S. 38-63. Ammon, Ulrich: Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem der nationalen Varietäten. Berlin: de Gruyter 1995. [Anonym]: Das Trinken hat mir geholfen. So verarbeitete Andreas Gabalier die Selbstmorde von Vater und Schwester. In: t-online vom 12.09.2014. URL: https://www.t- online.de/unterhaltung/literatur/id_70984576/so-verarbeitete-andreas-gabalier-die-suizide-von-vater- und-schwester.html [21.12.2020]. [Anonym]: Forschung Spezial. Warum städtische Jugendliche nach der Schrift sprechen. In: Der Standard vom 28.05.2016. URL: https://www.derstandard.at/story/2000037577060/warum- staedtische-jugendliche-nach-der-schrift-sprechen [15.07.2020]. [Anonym]: Interview. Turbobier. In: wienkonzert.de vom 09.08.2015. URL: https://wienkonzert.com/2015/08/09/interview-turbobier/ [25.12.2020]. [Anonym]: Jesuitendeutsch. In: Academic. URL: https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/691495 [15.07.2020]. [Anonym]: Wolfgang Ambros. Erstes Album nach Rückkehr zur alten Tonträgerfirma. In: Der Musikmarkt (1994). H.11.

    137

    Austriancharts.at. Das österreichische Hitparaden- und Musikportal: Ausseer + Hardbradler. URL: https://austriancharts.at/showinterpret.asp?interpret=Ausseer+Hardbradler [19.11.2020]. Austriancharts.at. Das österreichische Hitparaden- und Musikportal: Single-Jahreshitparaden. URL: https://austriancharts.at/year_single.asp [18.07.2020]. Bauer, Michael: Seiler und Speer im Interview. „Musik auf Hochdeutsch wäre nicht ehrlich“. In: n- tv.de vom 15.06.2019. URL: https://www.n-tv.de/leute/Musik-auf-Hochdeutsch-waere-nicht-ehrlich- article21086497.html [15.06.2020]. Beisbart, Ortwin/Maiwald, Klaus: Dialekt in der Literatur. Ein Aspekt von Regionalität im Zeitalter der Globalisierung?. In: Regionalität als Kategorie der Sprach- und Literaturwissenschaft. Hrsg. von Instytut Filologii Germańskiej Uniw. Opolski. Frankfurt am Main: Peter Lang 2002. (= Oppelner Beiträge zur Germanistik. Hrsg. von Maria Katarzyna Lasatowicz und Marek Zybura. 6.) Benassi, Giuliano: Voodoo Jürgens ’S klane Glücksspiel. Der würdige Nachfolger Ludwig Hirschs. In: Laut.de vom 08.11.2019. URL: https://www.laut.de/Voodoo-Juergens/Alben/S-Klane- Gluecksspiel-113235 [22.12.2020]. Berger, Manuel: Voodoo Jürgens Ansa Woar. Zwischen Normalo-Tom Waits und Schmäh-Leonard Cohen. In: Laut.de vom 30.09.2016. URL: https://www.laut.de/Voodoo-Juergens/Alben/Ansa-Woar- 100567 [22.12.2020]. Bruckmüller, Nora: Kabarett-Phänomen Paul Pizzera. Der Dialekt ist seine beste Waffe. In: OÖNachrichten vom 04.02.2014. URL: https://www.nachrichten.at/kultur/Kabarett-Phaenomen-Paul- Pizzera-Der-Dialekt-ist-seine-beste-Waffe;art16,1296887 [12.06.2020]. Burdorf, Dieter/Fasbender, Christoph/Moennighoff, Burkhard: Metzler Lexikon. Literatur. 3. Aufl. Stuttgart: J.B. Metzler 2007. BurnYourEars: Turbobier. Interview mit Dr. Marco Pogo zu King Of Simmering. Erstellt am 04.03.2019. URL: https://www.burnyourears.de/interviews/49394-interview-mit-turbobier-zu-king-of- simmering.html [25.12.2020]. BurnYourEars: Turbobier - King Of Simmering. Review, Punk Rock. Erstellt am 21.02.2019. URL: https://www.burnyourears.de/reviews/alben/punk-rock/49365-turbobier-king-of-simmering.html [25.12.2020]. Chambers, J.K./Trudgill, Peter: Dialectology. Cambridge: CUP.1980. Coffeeshock Company: Press. Coffeeshock Company Gewinner der Planet Festival Tour 2013. URL: http://www.coffeeshockcompany.com/press.php [21.12.2020]. Darok, Anne-Marie: Ein Strizzi macht Austropop. Voodoo Jürgens im Mica-Porträt. In: Music Austria vom 20.06.2016. URL: https://www.musicaustria.at/ein-strizzi-macht-austropop-voodoo-juergens-im- mica-portraet/ [22.12.2020]. Darok, Anne-Marie: Voodoo Jürgens & Der Nino aus Wien. Hansi da Boxer. In: Music Austria vom 28.12.2016. URL: https://www.musicaustria.at/voodoo-juergens-der-nino-aus-wien-hansi-da-boxer/ [22.12.2020]. Die jungen Zillertaler: Biografie. MEGAGEIL im JUZI-Style. URL: https://www.die-jungen- zillertaler.com/biografie--33451050-de.html [05.12.2020]. Die jungen Zillertaler: Daniel Prantl. URL: https://www.die-jungen-zillertaler.com/daniel-prantl-- 33451119-de.html [05.12.2020].

    138

    Die jungen Zillertaler: Markus Unterladstätter. URL: https://www.die-jungen-zillertaler.com/markus- unterladstaetter--33451073-de.html [05.12.2020]. Die jungen Zillertaler: Michael Ringler. URL: https://www.die-jungen-zillertaler.com/michael-ringler- -33451082-de.html [05.12.2020]. Dittmar, Norbert: Grundlagen der Soziolinguistik. Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben. Tübingen: Niemeyer 1997. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 57.) Dolezal, Rudi/Prokopetz, Joesi: Austropop – das Buch. Weltberühmt in Österreich. Berlin: Bosworth 2009. Duden. Wörterbuch. URL: https://www.duden.de/woerterbuch [24.07.2020]. Duller, Chris: Geh in Oasch du deppats Bier. Über Attwenger und ihr Album Luft. In: Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Hrsg. von Christian Seiler. St. Andrä-Wördern: Hannibal 1995, S. 59- 62. Emes, Jutta: Unternehmergewinn in der Musikindustrie. Wertschöpfungspotentiale und Veränderung der Branchenstruktur durch die Digitalisierung. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2004. Erxleben, Christian: Musikerin zeigt. So viel Geld zahlen Streaming-Dienste wie Spotify und Co. In: BASIC Thinking vom 18. 04.2018. URL: https://www.basicthinking.de/blog/2018/04/18/bezahlung- streaming-dienste/ [11.09.2020]. Facebook: Paul Pizzera. Beitrag vom 09.12.2014. URL: https://www.facebook.com/derpizzera/videos/837429546299702 [30.12.2020]. Facebook: Turbobier. Info. Zusätzliche Informationen. URL: https://www.facebook.com/turbobier/about/?ref=page_internal [25.12.2020]. Fanta, Johanna M.M.: Dialekt in Österreich am Beginn des 21. Jahrhunderts aus jugendlich-urbaner Sicht. Eine Spracheinstellungsuntersuchung unter jungen Sprecherinnen und Sprechern aus Wien, Graz und Klagenfurt. Graz, Univ., Dipl.-Arb. 2015. Flender, Reinhard/Rauhe, Hermann: Pop-Musik. Aspekte ihrer Geschichte, Funktionen, Wirkung und Ästhetik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1989. Földes, Csaba: Aspekte der Regionalität im System der diatopischen Varietäten der deutschen Sprache. In: Regionalität als Kategorie der Sprach- und Literaturwissenschaft. Hrsg. von Instytut Filologii Germańskiej Uniw. Opolski. Frankfurt am Main: Peter Lang 2002. (= Oppelner Beiträge zur Germanistik. Hrsg. von Maria Katarzyna Lasatowicz und Marek Zybura. 6.) Fromm, Dani: Ansa. Jägiritter. Rücksichtslos, ungefiltert, unmittelbar aufs Maul. In: Laut.de vom 27.11.2015. URL: https://www.laut.de/Ansa/Alben/Jaegiritter-98218 [21.12.2020]. Fromm, Dani: Trackshittaz. Traktorgängstapartyrap. In: Laut.de vom 06.01.2012. URL: https://www.laut.de/Trackshittaz/Alben/Traktorgaengstapartyrap-73352 [27.03.2020]. Gmeiner, Raffaela: Sie. Macht. Popmusik. Perspektiven auf den Handlungsspielraum österreichischer Popmusikerinnen. Wien: Institut für Musiksoziologie 2017. (= Extempore. Hrsg. von Alfred Smudits. 16.) Griesser, Doris: Jugendsprache(n). Studie: So spricht Österreichs Jugend. In: Der Standard vom 19.11.2014. URL: https://www.derstandard.at/story/2000008324167/studie-zur-jugendsprache-in- oesterreich [15.07.2020]. Gröbchen, Walter: Her mit der Quote. Erstellt am 21.05. 2008. URL: http://www.radioszene.de/9989/walter-grobchen-her-mit-der-quote.html [27.03.2020]. 139

    Gröbchen, Walter: Mostschädel-Tunken. Attwenger, Goisern & Co. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 171-172. Groihofer, Leonie M.H.: Raumkonstrukte in der österreichischen volkstümlichen Musik anhand ausgewählter Fallbeispiele. Graz, Univ., MA-Arb. 2020. Gürmen, Lilâ/Leitner, Alexander: Austropop. Wien: Österreichischer Gewerkschaftsbund 1995. Hadler, Daniel: Turbobier-Interview. Die fetten Jahre haben gerade erst begonnen. In: Kleine Zeitung vom 17.02.2017. URL: https://www.kleinezeitung.at/kultur/musik/5168904/TurbobierInterview_Die- fetten-Jahre-haben-gerade-erst-begonnen [25.12.2020]. Haid, Gerlinde: Hiatamadl. In: Oesterreichisches Musiklexikon online. Zuletzt geändert am 06.05.2001. URL: https://www.musiklexikon.ac.at/ml?frames=no [20.01.2020]. Harauer, Robert (Hrsg.): Adieu, Austropop? Die schwindenden Chancen der österreichischen Popmusik auf dem Musikmarkt. Wien: Mediacult 2001. Havas, Harald: Das Austropop Sammelsurium. Wien: Carl Ueberreuter 2008. Hitradio Ö3: Radiotest 2019. Ö3 gewinnt Hörer dazu. URL: https://oe3.orf.at/stories/2997939/#:~:text=Im%20Schnitt%20erreicht%20%C3%963%20damit,7%25 %20auf%2039%2C0%25 [10.09.2020]. Hornung, Maria/Roitinger, Franz: Die Österreichischen Mundarten. Eine Einführung. Wien: öbv & hpt 2000. Hubert von Goisern: Entwederundoder. Brenna tuats guat. Erstellt am 14.12.2011. URL: https://www.hubertvongoisern.com/entwederundoder/brennatuatsguat.html [21.12.2020]. Hubert von Goisern: Entwederundoder. Das Album. Erstellt im Juli 2011. URL: https://www.hubertvongoisern.com/entwederundoder/album.html [21.12.2020]. IFPI Austria. Verband der Österreichischen Musikwirtschaft: IFPI Marktbericht 2019. URL: https://ifpi.at/website2018/wp-content/uploads/2020/03/ifpi-musikmarkt2019.pdf [20.08.2020]. Irievibrations Records: Ansa – Ansa unta Millionan. URL: http://www.irievibrations- rec.com/shop/index.php?route=product/product&product_id=142 [21.12.2020]. Jacke, Christoph: Einführung in die populäre Musik und Medien. Berlin: Lit 2009. Jacke, Christoph: Popmusikkulturen. Entwicklung und Verständnis. In: Global Pop. Das Buch zur Weltmusik. Hrsg. von Claus Leggewie; Erik Meyer. Stuttgart: J.B. Metzler 2017, S. 67-75. Joachimsthaler, Jürgen: Die Literarisierung einer Region und die Regionalisierung ihrer Literatur. In: Regionalität als Kategorie der Sprach- und Literaturwissenschaft. Hrsg. von Instytut Filologii Germańskiej Uniw. Opolski. Frankfurt am Main: Peter Lang 2002. (= Oppelner Beiträge zur Germanistik. Hrsg. von Maria Katarzyna Lasatowicz und Marek Zybura. 6.) Killinger, Robert: Literaturkunde. Entwicklungen Formen Darstellungsweisen. Ein Arbeitsbuch für allgemein bildende höhere Schulen und für berufsbildende mittlere und höhere Schulen. 4. Aufl. Wien: öbv 2006. Knecht, Doris: Die Neunziger. Ein Rückblick. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 183-189. Kohler, Johanna/Boisits, Barbara: Ausseer Hardbradler. In: Oesterreichisches Musiklexikon online. Zuletzt geändert am 27.04.2018. URL: https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_A/Ausseer_Hardbradler.xml [19.11.2020]. 140

    Kos, Wolfgang: Rock in Wien. Ein Ausländer mit Anpassungsproblemen. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 11-17. Kritische Lieder Wiki: Kurt Winterstein. Zuletzt geändert am 03.02.2020. URL: https://www.kritische-lieder.at/w/index.php?title=Kurt_Winterstein [02.11.2020]. Kücüktekin, Naz : Bierpartei erhält 11 Bezirksmandate. Marco Pogo wird Bezirksrat in Simmering, Mitstreiter werden gesucht. In: meinbezirk.at vom 13.10.2020. URL: https://www.meinbezirk.at/wien/c-politik/marco-pogo-wird-bezirksrat-in-simmering-mitstreiter- werden-gesucht_a4293339 [31.12.2020]. Kunz, Florian: Der wirtschaftliche Erfolg österreichischer Dialektpopmusik am heimischen Markt. Wien, Univ., Dipl-Arb. 2011. Langmann, Sandra: Ge bitte. Zu lässig und patzig, um als Austro-Pop durchzugehen. In: Laut.de vom 22.06.2018. URL: https://www.laut.de/Granada/Alben/Ge-bitte-109711 [22.12.2020]. Larkey, Edward: Popular Music and National Identity in Austria. In: Popular Music 11 (1992), H. 2, S. 151-185. Larkey, Edward: Pungent Sounds. Constructing Identity with popular music in Austria. Vol. 9. New York: Peter Lang Publishing 1993. Laut.de: Andreas Gabalier. Porträt. URL: https://www.laut.de/Andreas-Gabalier [21.12.2020]. Laut.de: Ansa. Porträt. URL: https://www.laut.de/Ansa [21.12.2020]. Laut.de: Die Vamummtn. Porträt. URL: https://www.laut.de/Die-Vamummtn [01.12.2020]. Laut.de: Granada. Porträt. URL: https://www.laut.de/Granada [22.12.2020]. Laut.de: Seiler und Speer. Porträt. URL: https://www.laut.de/Seiler-und-Speer [21.12.2020]. Laut.de: Trackshittaz. Mit dem Traktor nach Baku. Erstellt am 28.02.2012. URL: https://www.laut.de/News/Trackshittaz-Mit-dem-Traktor-nach-Baku-28-02-2012-8692 [27.03.2020]. Laut.de: Trackshittaz. Porträt. URL: https://www.laut.de/Trackshittaz [27.03.2020]. Laut.de: Voodoo Jürgens. Porträt. URL: https://www.laut.de/Voodoo-Juergens [22.12.2020]. Löffler, Heinrich: Dialektologie. Eine Einführung. Tübingen: Gunter Narr 2003. Löger, Christoph: Interview. Voodoo Jürgens. In: ÖAMTC auto touring. Zuletzt geändert am 07.01.2020. URL: https://www.oeamtc.at/autotouring/menschen/interview-voodoo-juergens-35783558 [22.12.2020]. Löger, Christoph: Vorstadt-Hawara. In: ÖAMTC auto touring 2020, H. Jänner, S. 24. Luger, Lukas: Wachablöse in der Austropop-Szene. In: OÖ Nachrichten vom 07.07.2011. URL: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,665177 [27.03.2020]. Mahmoudi, Amy: Die zehn Turbo-Gebote. Turbobier im Interview. In: Volume vom 15.02.2017. URL: https://www.volume.at/musik/interviews/die-zehn-turbo-gebote/ [25.12.2020]. Marek, Christoph: Pop/Schlager. Eine Analyse der Entstehungsprozesse populärer Musik im US- amerikanischen und deutschsprachigen Raum. Wien: Lit 2006. Maurer, Philipp/Jatzek, Gerald: Gegentöne. Kritische Lieder-rebellischer Rock. Wien: Kammer für Arbeiter und Angestellte 1987.

    141

    Medianet News: Turbobier, das ist Biaschtln mit Stil. Erstellt am 07.12.2017. URL: https://medianet.at/news/retail/turbobier-das-ist-biaschtln-mit-stil-17777.html [25.12.2020]. Medianet News: TurboBier ist jetzt auch Big in Japan. Erstellt am 13.07.2018. URL: https://medianet.at/news/retail/turbobier-ist-jetzt-auch-big-in-japan-21498.html [25.12.2020]. Miesgang, Sabine: Song Contest. Nach Wurst kommt Bier. In: meinbezirk.at vom 25.11.2014. URL: https://www.meinbezirk.at/wien/c-lokales/song-contest-nach-wurst-kommt-bier_a1077815 [25.12.2020]. Miesgang, Sabine: Turbobier. Hopfen und Malz für Simmering. In: meinbezirk.at vom 16.02.2015. URL: https://www.meinbezirk.at/simmering/c-lokales/turbobier-hopfen-und-malz-fuer- simmering_a1241999 [25.12.2020]. Mihatsch, Irene: Die Sprache in der Musik. Soziale Identifikation und linguistische Besonderheiten moderner deutschsprachiger Popularmusik. Graz, Univ., Dipl.-Arb. 2010. Moosmüller, Sylvia: Hochsprache und Dialekt in Österreich. Soziophonologische Untersuchungen zu ihrer Abgrenzung in Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 1991. Morgenstern, Ulrich: Volksmusik und Folklore. In: Global Pop. Das Buch zur Weltmusik. Hrsg. von Claus Leggewie; Erik Meyer. Stuttgart: J.B. Metzler 2017, S. 26-34. Moser, Barbara: Waberl. URL: http://www.menschenschreibengeschichte.at/index.php?pid=30&kid=1211&wid=11204&abc=22 [19.01.2020]. Moser, Hans: Das große Wörterbuch der Tiroler Dialekte. Innsbruck: Haymon 2020. URL: https://books.google.at/books?id=- LfVDwAAQBAJ&pg=PT431&dq=Ziwui+Ziwui&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwj64ff64afuAhWptIs KHSu6AiQQ6AEwAHoECAQQAg#v=onepage&q=Ziwui%20Ziwui&f=false [19.01.2020]. Murtal Sommer Open Air: Die jungen Zillertaler. 25 und kein bisschen leise. URL: https://www.murtalopenair.at/de/stars/Die_jungen_Zillertaler.asp [05.12.2020]. Music Austria: Der HMBC unterwegs. Erstellt am 06.03.2014. URL: https://www.musicaustria.at/der- hmbc-unterwegs/ [01.12.2020]. Music Austria: Die Vamummtn zu Gast in Linz. Erstellt am 12.01.2012. URL: https://www.musicaustria.at/die-vamummtn-zu-gast-in-linz/ [01.12.2020]. Music Austria: HipHop in Österreich. Erstellt am 25.01.2013. URL: https://www.musicaustria.at/hiphop-in-oesterreich/ [01.12.2020]. Music Austria: Joyce Muniz gibt die Beats an. Erstellt am 28.07.2014. URL: https://www.musicaustria.at/joyce-muniz-gibt-die-beats-an/ [01.12.2020]. Music Austria: Porträt. Die Vamummtn. Erstellt am 27.01.2012. URL: https://www.musicaustria.at/portraet-die-vamummtn/ [01.12.2020]. Music Austria: Skero rappt sich am 7. Mai durch die Grazer Postgarage. Erstellt am 04.05.2010. URL: https://www.musicaustria.at/skero-rappt-sich-am-7-mai-durch-die-grazer-postgarage/ [01.12.2020]. Music Austria: Szeneporträt. Der deutschsprachige Pop in Österreich. Erstellt am 28.08.2018. URL: https://www.musicaustria.at/szeneportraet-der-deutschsprachige-pop-in-oesterreich/ [22.12.2020]. Neuhuber, Christian/Edler, Stefanie/Zehetner Elisabeth: Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800. Eine andere Literaturgeschichte. Wien: Böhlau 2019.

    142

    Niederwieser, Stefan: „[…] Für mich die österreichische Antwort auf Eminem […]“ Pizzera & Jaus im Mica-Interview. In: Music Austria vom 27.02.2018. URL: https://www.musicaustria.at/fuer-mich-die- oesterreichische-antwort-auf-eminem-pizzera-jaus-im-mica-interview/ [12.06.2020]. Nüchtern, Klaus: Rainhard Fendrich. Ein Sänger für alle Österreicher. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 117-124. Oberdorfer, Georg/Weiß, Anna: Sprachliche Mode(n) in der Kommunikation unter österreichischen Jugendlichen. In: LiTheS. Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie 9 (2016), H. 13, S. 101–119. URL: http://lithes.uni-graz.at/lithes/16_13.html [03.03.2020]. Obermeir, Sebastian: Seiler und Speer im Gespräch mit Hallo München. Seiler und Speer: „Noch an Wiesn-Hit? Brauchen wir nicht!“. In: Hallo München vom 31.08.2019. URL: https://www.hallo- muenchen.de/interview/muencheninterview-seiler-speer-noch-wiesn-hit-brauchen-nicht- 12957685.html [15.06.2020]. Oewort: Das österreichische Wort des Jahres 2010. Jugendwort des Jahres 2010. URL: https://oewort.at/wort-des-jahres/2010/ [13.12.2020]. ORF Radiothek: Marianne Mendt. Ö1 Radiokolleg vom 11.09.2017. URL: https://radiothek.orf.at/archive/lexikon-der-oesterreichischen-popmusik/marianne-mendt [19.11.2020]. ÖWB Online. Österreichisches Wörterbuch. URL: https://www.oewb.at/index.htm [19.07.2020]. Paul Pizzera: Pizzera & Jaus. URL: https://www.paulpizzera.at/pizzera-jaus/ [22.12.2020]. Paul Pizzera: Pizzera & Jaus. Dialekt’s mi. URL: https://www.paulpizzera.at/pizzera-jaus-dialekts-mi/ [22.12.2020]. Paul Pizzera: Presse und Veranstalter. Biografie Pizzera & Jaus 2019. URL: https://www.paulpizzera.at/presse-und-veranstalter/ [22.12.2020]. Philomena, Julia: Es war uns ein großes Anliegen, über Piña Colada zu singen. Thomas Petritsch (Granada) im Mica-Interview. In: Music Austria vom 15.09.2016. URL: https://www.musicaustria.at/thomas-petritsch-granada-im-mica-interview/ [22.12.2020]. Philomena, Julia: Granada. Ge bitte. In: Music Austria vom 28.06.2018. URL: https://www.musicaustria.at/granada-geh-bitte/ [22.12.2020]. Philomena, Julia: Nominiert für den österreichischen Musikvideopreis 2017. Heite grob ma Tote aus von Voodoo Jürgens. In: Music Austria vom 12.05.2017. URL: https://www.musicaustria.at/nominiert-fuer-den-oesterreichischen-musikvideopreis-2017-heite-grob- ma-tote-aus-von-voodoo-juergens/ [22.12.2020]. Philomena, Julia: Wir sind sowohl musikalisch als auch textlich unserem Sound treu geblieben, haben aber doch an Reife gewonnen. Granada im Mica-Interview. In: Music Austria vom 15.06.2018. URL: https://www.musicaustria.at/wir-sind-sowohl-musikalisch-als-auch-textlich-unserem-sound-treu- geblieben-haben-aber-doch-an-reife-gewonnen-granada-im-mica-interview/ [22.12.2020]. Pizzera & Jaus: Über Pizzera und Jaus. Eine ins Leben. URL: https://pizzerajaus.com/ueber-pizzera- und-jaus/ [22.12.2020]. Plank, Jürgen: Der Begriff Austropop hat sich aus sich selbst herausentwickelt. Andy Zahradnik (Austro Podkastl) im Mica-Interview. In: Music Austria vom 13.11.2020. URL: https://www.musicaustria.at/der-begriff-austropop-hat-sich-aus-sich-selbst-herausentwickelt-andy- zahradnik-austro-podkastl-im-mica-interview/ [22.12.2020].

    143

    Polanz, Günther: Popmusik in Österreich. Chancen und Grenzen österreichischer Musiker/innen an der internationalen Pop-Peripherie. Graz, Univ., MA.-Arb. 2009. Radio Burgenland: Radio Burgenland Extra. Ausgestrahlt am 04.06.2020 um 19:59. Private Aufzeichnung. Raich, Barbara: Goisern im STOL-Interview. Es groovt wie Sau. In: stol.it vom 08.11.2011. URL: https://www.stol.it/artikel/kultur/musik/goisern-im-stol-interview-es-groovt-wie-sau-video [21.12.2020]. Röhlig, Marc: Was ein Experte für Nazi-Liedgut zu Andreas Gabaliers Texten sagt. Eine gewollte Provokation. In: SPIEGEL Panorama vom 08.02.2019. URL: https://www.spiegel.de/panorama/ist- andreas-gabalier-rechts-experte-fuer-nazi-liedgut-analysiert-seine-texte-a-7c6cbf73-b4f2-4505-95d3- 78160bd56e53 [21.12.2020]. Rühl, Johannes: Neue Volksmusik. Alpine Klanglabore in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In: Global Pop. Das Buch zur Weltmusik. Hrsg. von Claus Leggewie; Erik Meyer. Stuttgart: J.B. Metzler 2017, S. 251-258. Schlager.de: Andreas Gabalier. URL: https://www.schlager.de/stars/andreas-gabalier/ [21.12.2020]. Schlagerportal: Die jungen Zillertaler. URL: https://www.schlagerportal.com/stars/die-jungen- zillertaler [05.12.2020]. Schmidt, Nadine: Turbobier – Das Neue Festament. Review. In: metal.de vom 20.01.2017. URL: https://www.metal.de/reviews/turbobier-das-neue-festament-200791/ [25.12.2020]. Schöbel, Nikolai: Turbobier. Mit Ideen aus dem Vollrausch in die Charts. In: Musik Marketing. URL: https://musik-marketing.net/turbobier-mit-ideen-aus-dem-vollrausch-in-die-charts/ [25.12.2020]. Seeliger, Katja: Andreas Gabalier. Suizid-Drama. In: Schlager.de vom 20.12.2020. URL: https://www.schlager.de/news/2020/12/20/andreas-gabalier-suizid-drama/ [21.12.2020]. Seierl, Antonia: Mundart-Pop im Großformat. Seiler und Speer im Mica-Porträt. In: Music Austria vom 10.03.2016. URL: https://www.musicaustria.at/mundart-pop-im-grossformat-seiler-und-speer-im- mica-portraet/ [15.06.2020]. Seierl, Antonia: Nominiert für den österreichischen Musikvideopreis 2017. „Palmen am Balkon“ von Granada. In: Music Austria vom 31.05.2017. URL: https://www.musicaustria.at/nominiert-fuer-den- oesterreichischen-musikvideopreis-2017-palmen-am-balkon-von-granada/ [22.12.2020]. Seiler, Christian: Titanenkampf der Goiserer. Interview mit Hubert von Goisern. In: Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Hrsg. von Christian Seiler. St. Andrä-Wördern: Hannibal 1995, S. 53- 57. Seiler, Christian: Upper-Austrian Phenomenon. Zu Attwenger und dem Attwengern. In: Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Hrsg. von Christian Seiler. St. Andrä-Wördern: Hannibal 1995, S. 65-67. Skero: About. URL: https://www.skero.at/ABOUT [05.12.2020]. Skocek, Johann: Heimat fern der Heimat. Hubert von Goisern und der Pop. In: Schräg dahoam. Zur Zukunft der Volksmusik. Hrsg. von Christian Seiler. St. Andrä-Wördern: Hannibal 1995, S. 41-52. Smudits, Alfred: Die Kleinen und die Großen. Lokale und minoritäre Sounds und der globale Musikmarkt. In: Heimatlose Klänge? Regionale Musiklandschaften heute. Hrsg. von Thomas Phleps. Karben: CODA 2002. S.35-56.

    144

    Smudits, Alfred/Gebesmair, Andreas: Musik und Globalisierung. Zur Repertoireentwicklung der transnationalen Phonoindustrie unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Musikmarktes. Wien: Mediacult 2000. Smudits, Alfred: I AM FROM AUSTRIA. Austropop. Die Karriere eines musikkulturellen Phänomens von der Innovation zur Etablierung. In: Österreich 1945 - 1995 : Gesellschaft, Politik, Kultur. 2. Aufl. Hrsg. von Reinhard Sieder. Wien : Verl. für Gesellschaftskritik 1996, S. 382-392. SOS-musikland.at. Unsere Forderung: Mehr Musik aus Österreich im Rundfunk. URL: https://www.sos-musikland.at/ [20.08.2020]. Stark, Judith: Von der Sprache her. Das hätte man früher so nicht sagen können. In: t-online vom 07.04.2018. URL: https://www.t-online.de/nachrichten/wissen/id_83494838/sprachwandel-das-haette- man-frueher-so-nicht-sagen-koennen.html [13.12.2020]. Szmrecsanyi, Benedikt: Variation und Wandel. In: Sprachwissenschaft. Grammatik-Interaktion- Kognition. Hrsg. von Peter Auer. Stuttgart, Weimar: Metzler 2013, S. 261–284. Toth, Daniela: Ausseer Hardbradler: „Hoamweh“ nach einem gemeinsamen Konzert. In: Tips vom 10.06.2018. URL: https://www.tips.at/nachrichten/gmunden/kultur/429214-ausseer-hardbradler- hoamweh-nach-einem-gemeinsamen-konzert [19.11.2020]. Universal Music Booking: Die Jungen Zillertaler. URL: http://universalmusicbooking.at/die-jungen- zillertaler/ [05.12.2020]. Verdianz, Jánez: Austropop. Ein Begriff im Wandel. Wien, Univ., Dipl.-Arb. 2013. Voglhuber, Daniel: Essen verbrennen ist ungeheuerlich. In: Kurier vom 05.12.2011. URL: https://kurier.at/chronik/oberoesterreich/essen-verbrennen-ist-ungeheuerlich/734.578 [21.12.2020]. Web.de: Andreas Gabalier spricht über das traurige Geheimnis seiner Familie. Zuletzt geändert am 14.07.2013. URL: https://web.de/magazine/unterhaltung/stars/andreas-gabalier-spricht-traurige- geheimnis-familie-17626046 [21.12.2020]. Weidinger, David: Porträt: Holstuonarmusigbigbandclub. In: Music Austria vom 02.04.2014. URL: https://www.musicaustria.at/portraet-holstuonarmusigbigbandclub/ [01.12.2020]. Weise, Marco: Seiler und Speer. „Wir würden uns nie verbiegen“. In: Kurier vom 18.01.2016. URL: https://kurier.at/kultur/seiler-und-speer-wir-wuerden-uns-nie-verbiegen/175.726.563 [15.06.2020]. Weiss, Ernst: Vom Wiener Blutrausch und Atlantis. Die siebziger Jahre. In: Heimspiel. Eine Chronik des Austro-Pop. Hrsg. von Walter Gröbchen. St. Andrä Wördern: Hannibal 1995, S. 49-69. Wiesinger, Peter: Das Verhältnis von Dialekt und Schriftsprache in Österreich und die literarische Verwendung von Dialekt vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Bairisch-österreichischer Dialekt in Literatur und Musik 1650-1900. Hrsg. von Christian Neuhuber und Elisabeth Zehetner. Graz: Grazer Universitätsverlag; Leykam 2015. (= Allgemeine wissenschaftliche Reihe. 42.) Wikipedia: Andreas Gabalier. Zuletzt geändert am 17.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Gabalier [21.12.2020]. Wikipedia: Andreas Gabalier/ Diskografie. Zuletzt geändert am 16.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Gabalier/Diskografie#Singles [21.12.2020]. Wikipedia: Attwenger. Zuletzt geändert am 09.01.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Attwenger [24.09.2020]. Wikipedia: Ausseer Hardbradler. Zuletzt geändert am 02.01.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Ausseer_Hardbradler [19.11.2020]. 145

    Wikipedia: Brenna tuat’s guat. Zuletzt geändert am 14.07.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Brenna_tuat%E2%80%99s_guat [21.12.2020]. Wikipedia: Die jungen Zillertaler. Zuletzt geändert am 21.05.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_jungen_Zillertaler [05.12.2020]. Wikipedia: Die Vamummtn. Zuletzt geändert am 26.10.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Vamummtn [05.12.2020]. Wikipedia: Donikkl. Zuletzt geändert am 13.11.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Donikkl [05.12.2020]. Wikipedia: Granada (Band). Zuletzt geändert am 03.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Granada_(Band) [22.12.2020]. Wikipedia: Holstuonarmusigbigbandclub. Zuletzt geändert am 18.11.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Holstuonarmusigbigbandclub [05.12.2020]. Wikipedia: Hubert von Goisern. Zuletzt geändert am 19.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Hubert_von_Goisern#Diskografie [27.12.2020]. Wikipedia: Ibiza-Affäre. Zuletzt geändert am 22.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Ibiza- Aff%C3%A4re [02.01.2020]. Wikipedia: Kaisermühlen Blues. Zuletzt geändert am 18.11.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserm%C3%BChlen_Blues [27.11.2020]. Wikipedia: Krocha. Zuletzt geändert am 12.02.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Krocha [08.12.2020]. Wikipedia: Pizzera & Jaus. Zuletzt geändert am 06.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Pizzera_%26_Jaus [22.12.2020]. Wikipedia: Seiler und Speer. Zuletzt geändert am 23.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Seiler_und_Speer [28.12.2020]. Wikipedia: Skero. Zuletzt geändert am 16.06.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Skero [05.12.2020]. Wikipedia: Trackshittaz. Zuletzt geändert am 22.04.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Trackshittaz [05.12.2020]. Wikipedia: Turbobier. Zuletzt geändert am 25.10.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Turbobier [25.12.2020]. Wikipedia: Voodoo Jürgens. Zuletzt geändert am 16.12.2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Voodoo_J%C3%BCrgens [22.12.2020]. Wurzinger, Melanie: Soziophonologische Variation im regionalen Radio. Graz, Univ., MA-Arb. 2019. Zahradnik, Andy: Das Leben ist eine Hitparade! Die Geschichte der österreichischen Hitparade. Von der „Disc-Parade“, den „Großen 10“ und „Hit wähl mit“ bis zur „Ö3 Austria Top 40“. Alle Moderatoren. Die verfügbaren Verkaufs-Jahrescharts und die Daten seit 1967. Starnberg [u. a.]: Keller 2002. Zehetner, Ludwig: Das bairische Dialektbuch. München: Beck 1985. Zehrfeld, Claudia: Ich bin lost. Kleines Wörterbuch der Jugendsprache. Wissen Sie, was ‚cringe‘ bedeutet?. In: t-online vom 22.10.2020. URL: https://www.t-online.de/leben/familie/schulkind-und-

    146 jugendliche/id_18055098/cringe-cornern-und-co-kleines-woerterbuch-der-jugendsprache.html [13.12.2020]. Zerbs, Susanne: Amerikanisierung und Austropop. Die Amerikanisierung Österreichischer Populärmusik. Salzburg, Univ., Diss. 2006. Zeyringer, Klaus: Österreichische Literatur 1945-1998. Überblicke Einschnitte Wegmarken. Innsbruck: Haymon 1999.

    7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

    Abb. 1: Die Varietäten der deutschen Sprache in Österreich ...... 6 Abb. 2: Mundartliche Gliederung Österreichs (Hornung/Roitinger 2000, S. 16) ...... 12 Abb. 3: Popularität der einzelnen Genres gemessen an den Verkaufscharts (IFPI 2019, S. 18-19) .... 23 Abb. 4: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (1970-1979) ...... 27 Abb. 5: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (1980-1989) ...... 28 Abb. 6: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (1990-1999) ...... 28 Abb. 7: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (2000-2009) ...... 29 Abb. 8: Anzahl der Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (2010-2019) ...... 30 Abb. 9: Dialektlieder in den Top-20 der Single-Jahreshitparade (1970-2019) in % ...... 30 Abb. 10: Prozentsatz der österreichischen Musik auf Ö3 (SOS-musikland.at) ...... 42 Abb. 11: Übersicht der Lizenzerträge nach Nutzungsarten (AKM, S. 8) ...... 44 Abb. 12: Umsatz durch Streaming in Mio Euro und Prozent-Anteil am Gesamtumsatz (IFPI, S. 8-9) 46 Abb. 13: Input-switch-Regeln nach Moosmüller (Wurzinger 2019, S. 35) ...... 49

    8. ANHANG

    8.1 Interview mit Günther Pini (Worried Men Skiffle Group)

    1 Interviewerin/Transkribierende: Christina Gazilj (im Folgenden I) 2 Interviewpartner: Günther Pini (im Folgenden GP) 3 Datum: 29. 07. 2020 4 Dauer: 23 min. 13 sec.

    5 I: Herzlich willkommen zum Interview, Günther Pini. Sie waren Gitarrist bei der Worried Men Skiffle Group, ist das richtig? 6 GP: Das ist richtig. Gitarrist, Mandoline und Mundharmonika habe ich [auch] gespielt.

    147

    7 I: Können Sie mir vielleicht von der Gründung der Worried Men Skiffle Group (im Folgenden WMSG oder Worried Men) und Ihren persönlichen Beweggründen solch einer Band beizutreten erzählen? 8 GP: Also von der Gründung der WMSG kann ich auch nur aus dem Hören-Sagen erzählen. Ich bin erst später in die Gruppe eingetreten, da hat es die Gruppe schon einige Jahre gegeben. Und ich weiß nur so viel, dass sich da zwei Gruppen von Musikern in Wien irgendwie, die alle Skiffle gespielt haben – beeinflusst vom englischen Skiffle, und irgendjemand hat die aufeinander aufmerksam gemacht und die haben dann gemeinsam die WMSG gegründet. Ich selbst habe in der Schule/im Internat mit ein paar Leuten englischen Skiffle gespielt und jemand hat mir dann von den Worried Men erzählt, da war ich nach der Matura schon aus der Schule draußen. Und ich habe dann die Leute von den Worried Men bei Sessions kennengelernt und bin dann 1968 fix in die Gruppe eingetreten. 9 I: Also rechtzeitig zum großen Hit. 10 GP: Ja. 11 I: Würden Sie sagen, dass es damals üblich war Lieder im Dialekt zu singen, oder inwiefern würden Sie sagen, dass sich Ihre Gruppe von anderen österreichischen InterpretInnen abgehoben hat? 12 GP: Bevor wir angefangen haben wurde der Dialekt in der Populärmusik… war immer mit bestimmten Inhalten verknüpft, zum Beispiel im Wienerlied oder auch im Schlager mit ähnlichen Themen. Die Worried Men haben den Dialekt auch außerhalb dieser gewohnten traditionellen Verknüpfungen angewendet. Beeinflusst von Texten der Wiener Gruppe. 13 I: Also eigentlich den Dialekt in neue Bereiche eingeführt. 14 GP: In neue Bereiche – in den Bereichen, die damals eben von Autoren wie H.C. Artmann, Konrad Bayer oder Gerhard Rühm oder Friedrich Achleitner, die sogenannte Wiener Gruppe, verwendet worden sind. 15 I: Wie würden Sie den Begriff Austropop definieren? Hat sich die WMSG denn selbst je als Teil der Austropop-Bewegung gesehen? 16 GP: Ich persönlich sehe den Begriff Austropop als eine Schublade, in die alle möglichen Musiken hineingesteckt wurden. Das reicht von Interpreten, die traditionelle Texte in einen Pop-Kontext gebracht haben bis zu Musikern, die von der Elektronik [unverständlich] Avantgarde beeinflusst Pop gemacht haben. Da werden

    148

    die verschiedensten Musikstile in eine Lade gehauen – man kann nicht einmal sagen, dass es auf die Sprache ankommt. Da waren Englisch-Singende, [im] Dialekt- Singende und in der Schriftsprache-Singende – das ist einfach eine Schublade, wo alles reingesteckt wurde (aus welchen Gründen, kann ich nicht sagen). Und die Worried Men, das Selbstverständnis der Worried Men war nicht, Teil irgendeiner Bewegung zu sein. 17 I: Meinen Informationen zufolge hat die Gruppe ihre Texte nicht selbst geschrieben, ist das korrekt? 18 GP: Teilweise. 19 I: Weshalb hat sich die Band entschieden, gerade dialektale Texte, besonders aus der Wiener Mundart, zu performen und nicht etwa englisch zu singen, was eher mit den Genres Skiffle/Blues/Folk verbunden wird? 20 GP: Wir haben das, was aus den Genres Skiffle/Blues/Folk gekommen ist, auch englisch gesungen. Die Texte, die später dazugekommen sind, da haben wir keine Notwendigkeit gesehen, die zu übersetzen. Das ist ein bisschen schwer. Jeder englische Text, der von einem Nicht-Native-Speaker verfasst wird, da ist sehr viel peinlich. Wir haben das selbst erlebt, dass wir einen unserer Texte von einem Kanadier ins Englische übersetzen lassen haben – die Übersetzung war sehr sehr gut, aber das hätten wir nicht zusammengebracht. 21 I: Also läuft es darauf hinaus, dass man sich so ausdrücken sollte, wie man es selbst auch kann. Man sollte in seiner Sprache singen, damit man auch das ausdrücken kann, was man möchte. 22 GP: Ja. Die meistverbreitete Sprache der Welt: Bad Englisch. 23 I: Die WMSG hat demnach das gemacht, was sie sich selbst auch zugetraut hat. 24 GP: Es sind dann auch eigene Texte dazugekommen, auch Texte von Autoren, die dann nicht speziell für uns geschrieben haben, aber die ihre Texte nicht selbst interpretiert haben und sie sozusagen uns überlassen haben. 25 I: Welchen Stellenwert hat der Dialekt in der Musik der WMSG gehabt? Welchen Bezug hatten Sie selbst zu den Texten? 26 GP: Es war einer der Grundsätze in unserer Gruppe, dass ein Text oder auch ein Musikstück nur in das Repertoire der Gruppe aufgenommen wurde, wenn alle damit einverstanden waren – mehrheitlich dafür waren. Es hat oft Texte gegeben, wo dann

    149

    auch gesagt wurde, das passt nicht so, das passt nicht so zum Image der Gruppe. Das war dann für die anderen zu akzeptieren. 27 I: Was erachten Sie persönlich als den größten Erfolg der WMSG? 28 GP: Ich persönlich, jetzt lassen wir das ganze Finanzielle und den messbaren Erfolg, also die Verkaufszahlen und die Hitparadenplätze außer Acht. Was ich als großen Erfolg sehe, was mich immer wieder freut, ist, dass so viele Textzeilen der Gruppe eigentlich in den Sprachgebrauch übergegangen sind, also Punchlines sind und immer wieder zitiert werden – zum Beispiel „Waunst a Weh brauchst“. Das ist wirklich ein Erfolg. 29 I: Was würden Sie sagen, wie einfach oder schwer war es damals als MusikerIn in Österreich erfolgreich zu werden bzw. erfolgreich zu bleiben? 30 GP: Ich glaube da hat sich nicht viel verändert. Es ist nur, dass man heute vieles anders macht. Die Entwicklung der elektronischen Medien – das hat es ja so, wie wir angefangen haben, nicht gegeben. Wenn man da einen Tonträger machen wollte, musste man das ganze selbst bezahlen, vom Studio angefangen bis zur Herstellung der Schallplatte. Das ist heute durch die elektronischen Medien ganz anders geworden. Man hat andere Möglichkeiten seine Musik publik zu machen. Heute einen digitalen Tonträger herzustellen, das macht man am PC und andere Medien mit Streaming und so weiter und mit diesen ganzen neuen Techniken ist das ganz anders geworden. 31 I: Also würden Sie sagen, dahingehend ist es einfacher seine Musik heute als MusikerIn unter die Leute zu bringen. 32 GP: Ja. Früher war man angewiesen auf kommerziell hergestellte Tonträger oder auf Auftritte. Heute gehen… also ich weiß, manche Gruppen machen das Ganze nur mehr über Streaming und Live-Auftritte und legen gar keinen Wert auf einen physischen Tonträger. 33 I: Also war es damals überaus wichtig eine Plattenfirma von sich zu überzeugen, schon wegen des finanziellen Faktors, weil man es sich nicht leisten konnte, alles zu finanzieren? 34 GP: Richtig. Es war ein Tonträger notwendig, weil er ja im Rundfunk, also in den Medien, gespielt wurde, und die Präsenz in den Medien war damals an Tonträger oder Live-Auftritte gebunden.

    150

    35 I: Würden Sie sagen, dass die Erfolgschancen im österreichischen Musikgeschäft mit der Wahl der Sprache, in der man seine Lieder veröffentlicht, zusammenhing? 36 GP: Glaube ich nicht. Es gab eigentlich wenige österreichische Gruppen, die damals englisch gesungen haben, drei oder vier Gruppen, mehr waren das nicht. 37 I: Wie sehen Sie im Vergleich dazu die Chancen für österreichische MusikerInnen der heutigen Generation, mit Dialektmusik erfolgreich zu werden? 38 GP: Wenn ich mir das heute anschaue, es gibt heute schon Pop-Gruppen, die singen nur im Dialekt, es gibt Pop-Gruppen, die singen in der Schriftsprache. Der Dialekt ist heute, glaube ich, nicht mehr so wichtig für den Austropop. Es gibt jetzt… einerseits wird in der Hochsprache gesungen, andererseits, kommt mir vor, dass manche Interpreten eine Art von Kunstdialekt, einen künstlichen Dialekt, der im Alltag so nicht gesprochen wird, verwenden. Andere wieder singen richtigen Dialekt. 39 I: Also die Chancen für Dialektmusik sind weiterhin gegeben… 40 GP: Ja, die Frage ist nur, wie lange es noch einen Dialekt geben wird, wenn dann, wie schon gesagt, das Fernseh-Teutonisch den Dialekt überschattet. 41 I: Was denken Sie, ist ausschlaggebend dafür, um als MusikerIn in Österreich von seiner Musik leben zu können? 42 GP: Das ist eine gute Frage. Wenn ich boshaft wäre, würde ich sagen der Verdienst. Letztendlich entscheidet das das Publikum. Wenn etwas beim Publikum eine Saite anschlägt, dann ist ein Erfolg da, und wenn nicht, dann kann man sich auf den Kopf stellen, wenn das Publikum das nicht akzeptiert. 43 I: Wahrscheinlich ist es dann recht wichtig, eine große Reichweite zu haben, damit man viele Leute ansprechen kann. 44 GP: Ja eine große Reichweite und man muss auch ein Gespür für die richtigen Themen haben. Um auf die Worried Men zurück zu kommen, wir sind damals angeeckt damit, zu einer Zeit, wo noch keiner von Umweltschutz gesprochen hat, haben wir für eine Fernsehsendung ein Lied zur Umweltverschmutzung aufgenommen, aber das ist dann hängen geblieben. 45 I: Also braucht man ein Alleinstellungsmerkmal, um aus der Masse der InterpretInnen herauszustechen. 46 GP: Ja, mit irgendwas, sei es mit den Texten, sei es mit der Interpretation, sei es mit dem musikalischen Arrangement und so weiter, also irgendwas, was einen vom Mainstream abhebt.

    151

    47 I: Was meinen Sie, könnten die Vorteile vom Dialekt gegenüber der Standardsprache oder dem Englischen sein? 48 GP: Das ist jetzt etwas, was ich mir so zusammenreime, aber jede Sprache hat eine bestimmte Sprachmelodie. Bei jeder Sprache gibt es einen unterschwelligen Subtext, der beim Dialekt ein anderer ist als in der Hochsprache, und daher kann es durchaus nebeneinander bestehen. Man kann im Dialekt manche Inhalte anders vermitteln als in der Hochsprache – das ist keine Wertung, das ist einfach so. Das haben auch genug Autoren z.B. die Wiener Gruppe … H.C. Artmann war ja ein sprachliches Chamäleon, der hat sich von einem in der Hochsprache Schreibenden, in einen im Dialekt Schreibenden zu einem in der Sprache des Barock Schreibenden gewandelt. Er hat so jedes Mal unterschwellig andere Inhalte vermittelt, auch mit der Wortwahl und dem Sprachrhythmus. Also können Dialekt und Hochsprache durchaus nebeneinander bestehen. Vorteile gegenüber dem Englischen sehe ich nicht. 49 I: Warum entscheiden sich momentan wieder so viele Interpreten dafür, Musik im Dialekt zu veröffentlichen? 50 GP: Dass es mehr sind als zu meiner Zeit, das kann ich eigentlich nicht sagen. Wenn es zusammenpasst – Text, Musik und Interpret – und solange der Dialekt noch verstanden wird, wird es wahrscheinlich auch Dialektmusik geben.

    8.2 Interview mit Marco Blascetta (Coffeeshock Company)

    51 Interviewerin/Transkribierende: Christina Gazilj (im Folgenden I) 52 Interviewpartner: Marco Blascetta (im Folgenden MB) 53 Datum: 27. 07. 2020 54 Dauer: 44 min. 25 sec.

    55 I: Herzlich willkommen zum Interview, Marco Blascetta, Sänger und Gitarrist der Band Coffeeshock Company. Wie ich gehört habe, feiert die Coffeeshock Company dieses Jahr ihr 10-jähriges Jubiläum. Kannst du mir einen kurzen Abriss von der Geschichte der Band seit ihrer Gründung geben? 56 MB: Es war so … der Mani (Manuel Bintinger) war im Zivildienst in Portugal und hat mir auf Facebook – daran haben wir uns jetzt im Zuge des Interviews mit dem

    152

    ORF Burgenland wieder erinnert, die haben ein 10-Jahres-Portrait gemacht – hat er mir geschrieben, die allererste Facebook-Nachricht, die ich von ihm habe aus dem Jahr 2010, „Wenn i zruck kumm, moch ma wos fettes!“ Und das waren die Anfänge der Coffeeshock Company und wir haben dann angefangen bei uns im Bezirk, bei allen Sachen, die wir so gekannt haben und es war immer eine super Stimmung eigentlich von Beginn an. Das hat uns sehr getaugt. Das Große war, als wir die Planet Festival Tour gewonnen haben – das ist der größte österreichische Bandwettbewerb. Das war ein richtiges Sprungbrett für uns, wir haben dadurch am Donauinselfest gespielt und haben sehr viele Kontakte geknüpft. Dann haben wir auch einen Bandwettbewerb gewonnen, bei dem es um Minderheitensprachen geht. Dadurch, dass wir alle sechs Burgenland-Kroaten sind, war das für uns logisch, dass wir da mitmachen, weil wir reden eigentlich immer Burgenland-kroatisch untereinander. Mit der Nummer Gusla waren wir dann in der Schweiz und haben dort das Semi-Finale gewonnen und haben uns qualifiziert für das Finale in Udine. Das war sehr cool, weil wir aus der Umgebung Wien und Bezirk Oberpullendorf das erste Mal in die Schweiz und Norditalien gefahren sind – in Norditalien haben wir noch zwei, drei Gigs aufgerissen. Und dann haben wir aufgrund dessen, dass wir den Wettbewerb gewonnen haben, auch noch in Leeuwarden in Holland, also da ist das ganze irgendwie ziemlich cool geworden. Und vor drei Jahren haben wir uns wirklich verbrüdert mit der Band Russkaja und sind seit drei Jahren Vorband bei fast allen Gigs. Da sind wir auch herumgekommen, viel in Deutschland – weil in Deutschland haben wir vorher wirklich sehr wenig gespielt, wir haben eine kleine Exkursion nach Berlin und dann in der Lausitz gemacht – aber mit Russkaja haben wir in echt großen Städten gespielt und da war das Highlight letztes Jahr mit ausverkauften Tausender- Venues in München, in Berlin und Amsterdam, was für uns als Coffeeshock Company – wo unser Name doch angelehnt ist an die Coffeeshops in Amsterdam – ein Wahnsinn war, das ist ja quasi unser Mekka. Was auch ein ganz großes Highlight war, war als die Band Dubioza kolektiv, die große Vorbilder für uns sind, die Bühne im Gasometer gecrasht hat. Wir haben ein Lied, bei dem sie gefeaturet sind, also Coffeeshock featuring Dubioza kolektiv, das heißt Radioaktiv – das haben wir auch gefilmt und als Youtube-Video online. Man sieht es eh [im Video], die Euphorie ist echt, das war wirklich cool. 57 I: Also zusammenfassend kann man sagen, die Geschichte der Band hat für euch lustig begonnen und ist dann immer spannender geworden.

    153

    58 MB: (lacht) Auf jeden Fall. Wir haben jetzt zwei Alben aufgenommen und das dritte ist schon in der Pipeline. Das Album-Aufnehmen hat sich ein bisschen verändert, vorher haben wir einfach Geld zusammengespart und sind mit dem ganzen Geld ins Studio – was für uns ein riesiges Investment war. Momentan sind wir so weit, dass wir fast alles alleine aufnehmen können – eigentlich alles, mittlerweile alles, also Schlagzeug, Bass, wir machen alles selbst, wir editieren selbst, wir bearbeiten selbst, arrangieren selbst. Wir sind wirklich selbst Produzenten und lassen das Ganze in Amerika mischen, wo das viel billiger ist, da ist Mix und Master in einem. Davor sind wir die Luxus-Variante gefahren in einem Top-Studio in Wien mit einem super Wiener Mischer. Das war natürlich cool, weil man einen Ansprechpartner hat und einen persönlichen Bezug zu den Leuten, aber es geht sich finanziell für uns leider einfach nicht aus. Deshalb haben wir diesen neuen Modus, der effizient und viel billiger ist, jetzt gefunden. Momentan [konzentrieren wir uns darauf,] jeden Monat, jede eineinhalb Monate eine neue Single [herauszubringen]. 59 I: Also legt ihr den Fokus eher darauf, laufend neue Singles herauszubringen, als viele Alben zu produzieren. 60 MB: Genau. Aber das Album kommt dieses Jahr noch zum 10-jährigen Jubiläum. 61 I: Was würdest du sagen, wie sich euer Stil in dieser Zeit verändert hat? War für euch von Anfang an klar, dass ihr nicht auf Englisch singen wollt und falls ja, warum? 62 MB: Englisch war klar, das nehmen wir nicht, weil unsere Muttersprachen sind Burgenland-Kroatisch, österreichisches Deutsch, Dialekt. Mein Vater ist Italiener und gehört gleichzeitig einer Minderheit in Italien an, das heißt, ich bin ein Minderheiten- Hybrid – genauso der Rafi Stern, der ist Burgenland-Kroate mütterlicherseits und Kärntner-Slowene väterlicherseits, ist auch ein Minderheiten-Hybrid. Das sind einfach alles Sprachen, die uns lokal und auch persönlich näher sind und es ist natürlich viel einfacher sich in diesen Sprachen auszudrücken, deshalb haben wir das von Anfang an beschlossen. Wir haben natürlich immer wieder ein paar englische Ausdrücke drinnen, weil es einfach cool kling, vor allem für diese Reggae-dubige Musik, die wir machen. Was den Stil anbelangt – wir nennen unseren Stil ja „SuperSkunkRockReggae“, diesen Rock-Reggae-Crossover haben wir wirklich beibehalten. Am Anfang waren das die Hauptelemente, aber dadurch, dass dann auch der Filip Tyran dazugekommen ist und der Rafi auf Funk steht, sind dann noch alle möglichen Funk-Elemente reingekommen. Wir haben auch Heavy-Rock-Sachen dabei – der Andi Karall hat in einer Metal-Band Schlagzeug gespielt. Ich und der

    154

    Nikola (Nikola Zeichmann) haben in einer Grunge-Heavy-Rock-Kroaten-Partie gespielt. Man hört eben von allem ein bisschen was, aber die Elemente Rock und Reggae sind auf jeden Fall noch sehr präsent. Es ist jetzt auch noch Ska dazu gekommen und Tanzmusik – tanzbare Musik war für uns immer sehr wichtig. Momentan kommen immer mehr Bläser zum Einsatz, das ist eigentlich von Anfang an zur Debatte gestanden, war aber immer eine budgetäre Frage, aber das taugt uns sehr und für die Musik passt es echt wie die Faust aufs Auge. Bei Jetzt erst recht, unserer Ibiza-Hymne, haben wir zum ersten Mal Bläser mit dabeigehabt, die Bläser von Russkaja. Und dann haben wir noch ein Lied, das kommt im August heraus – das ist ein Lied über den Herbert Kickl und seine Pferde, über die berittene Polizei – da haben wir auch gesagt, da brauchen wir Bläser. So hat sich das eben immer parallel entwickelt. Das haben wir, glaube ich, mit den letzten Nummern wirklich geschafft, dass wir einen roten Faden gefunden haben, trotz diesen vielen verschiedenen Stilen. Dadurch, dass es immer derselbe Mischer macht und immer dieselben Leute am Werk sind und musikalisch gesehen zirka dieselben Schablonen verwendet werden, ist der rote Faden eher vorhanden als am Anfang [unserer Bandkarriere]. Am Anfang könnte man uns ein bisschen Kraut und Rüben oder Schizophrenie vorwerfen, aber bewusst – wir haben das immer bewusst gemacht, wir wollten immer den Metal-Head mitnehmen, wie auch das Dreadlocks-Girl. 63 I: Du bist ja schon ein bisschen darauf eingegangen, dass ihr sowohl Dialekt, österreichische Standardsprache als auch Burgenland-Kroatisch und Italienisch in euren Liedern verwendet. Wer schreibt denn bei euch die Texte in all diesen Varietäten? 64 MB: Die Texte schreiben der Manuel Bintinger und ich. Burgenland-Kroatische Nummern haben wir drei. Das meiste ist in der österreichischen Standardsprache – der Mani hat das in seiner Rolle als Sänger Mani Banani als seinen Weg gefunden und schreibt in der österreichischen Standardsprache. Ich habe das Molise-Kroatisch eingebracht, also eine Molise-Kroatische Nummer haben wir – das ist die Minderheit in Italien vom Papa. Wir haben ein Lied, das ist Deutsch, Italienisch und Burgenland- Kroatisch, also die komplette Fusion. Und meine Nummern, die auf österreichisch sind, sind immer im Dialekt. Sie sind immer im Dialekt, weil ich ein großer Fan bin von Satire und Kabarett, Ironie und Sarkasmus sind Elemente, die bei mir ganz wichtig sind in allen Texten. Finanzministerman ist zum Beispiel ein [dialektaler] Text über den Finanzminister Grasser. Im österreichischen Dialekt sind halt manche

    155

    Phrasen so treffend und so kreativ und machen so schöne Bilder. Spontan fällt mir jetzt ein: „auf Ibiza do drah ma heite no an Fisch“. So etwas fällt dir nur im Dialekt ein. Ich wüsste auch gar nicht, wie ich das in die Standardsprache übersetzen soll. Wir haben viel überlegt, ob wir auf YouTube Untertitel hinzufügen sollen, aber wie übersetzt du sowas, wie machst du das? Das Spiel mit diesen Metaphern, das Spiel mit den Elementen im Dialekt ist einfach eine riesige Freude. Ich höre auch irrsinnig viel Dialektmusik und steh einfach drauf. 65 I: Ich glaube, das beantwortet schon die nächste Frage, welche Motivation dahintersteckt, in so vielen Varietäten zu singen. Also einfach, um alles auszudrücken, was man sich so denkt, weil es oft der einfachste Weg ist, etwas so niederzuschreiben, wie man es sich denkt? 66 MB: Ja genau. Also was das Konkrete an dieser molise-kroatischen Geschichte ist, ist zum einen, dass diese Minderheit vom Aussterben bedroht ist. Ich weiß nicht, wie viele es sind am Papier, also effektiv, die das wirklich noch sprechen, das sind unter tausend. Es gibt dort überhaupt keine Musik, gar nichts. Dieses Lied, was ich da geschrieben habe, das ist ein Rap, der irrsinnig schnell ist, es ist echt eine Litanei – da kommen so viele Phrasen, die nur in diesem Dialekt funktionieren. Das Faszinierende ist, dass dieser Dialekt so gemischt ist mit dem süditalienischen, neapolitanischen, apulischen Dialekt und ganz alten Wörtern aus Kroatien. Wenn die Kroaten von unten aus Kroatien uns Burgenland-Kroaten zum Beispiel reden hören, sagen sie immer, wir reden wie die Leute im Mittelalter, weil wir manche Ausdrücke einfach behalten haben. Am Anfang des Liedes kommt sogar [eine Textstelle vor, in der es heißt], es ist kein Italienisch, kein Kroatisch und auch kein Neapolitanisch, es ist alles gemeinsam. Mit der Muttersprache – sagen wir mal Vatersprache – zu singen, das ist einfach … also es ist immer das Abschlusslied bei unseren Konzerten, das ist für mich einfach… da wird mir so warm ums Herz, weil ich so bange [um] die Existenz dieser Sprache und sehe, wie das irgendwie so vom Aussterben bedroht ist. Und dann hast du solche großen Momente, wo du in Amsterdam spielst und ich sag ihnen wie der Refrain geht und die Amsterdamer grölen den Refrain mit, das ist einfach ein Wahnsinn, echt cool. 67 I: Also ist es für dich persönlich auch eine Art, um deine eigene Identität auszudrücken und um dieses Kulturgut, diese Sprache weiterzugeben an andere? 68 MB: Auf jeden Fall. Wir sind ja im Internet präsent und die Lieder gehen durch die ganze Welt. In allen Dialekten, die wir bedienen, [gilt], je mehr Leute das

    156

    mitbekommen, desto schöner ist es. Natürlich ist es super, wenn die Leute den österreichischen Dialekt mitsingen. Zum Beispiel in Berlin – wir haben ja das Lied Schaumamoi und da singen sie dann alle „Schaumamoi“ im Refrain. Und noch viel cooler ist es, wenn sie die kroatischen Sachen mitsingen, weil das etwas ist, das ihnen komplett fremd ist. 69 I: Ich nehme an, der Dialekt hat dann in euren Texten einen relativ hohen Stellenwert. Was genau willst du denn damit ausdrücken, wenn du im Dialekt singst, zum Beispiel vor den Berlinern? Was bedeutet das für dich persönlich im Dialekt zu singen? 70 MB: Also ich kann das zum Beispiel mit der Nummer Schaumamoi erklären. Da habe ich oft gesagt „Schaumamoi“ ist in Österreich die Art Konflikte zu lösen. Also wir schauen, aber lösen es sicher nicht. Das ist sehr ausdruckstark, wenn man das den Leuten dann auch irgendwie erklären kann. Man hat auf der Bühne natürlich nicht so viel Zeit und muss das kompakt halten. Genau so haben wir am Donnerstag, als wir am mobilen Donauinselfest gespielt haben, eine Ansage gehabt, bei der wir gesagt haben, das Burgenland ist in aller Munde wegen seiner kreativen Buchführung. Und die Leute haben sich dabei wahrscheinlich auch gedacht, „Schaumamoi wie long des no durchgeht“. Es ist für mich immer cooler, wenn man nicht mit der Keule auf solche Missstände, die man in Österreich oder sonst wo hat, losgeht, sondern das satirisch einpackt und mit einer gewissen Ironie und einem gewissen Humor. Vielleicht hilft das auch denen, die da betroffen sind, aber was für mich an den satirischen Nummern noch viel wichtiger ist, wie zum Beispiel bei der Ibiza-Geschichte, da denke ich an die ganzen jungen Leute, die vielleicht politisch nicht so interessiert sind und vielleicht durch diese Nummer versuchen, ein bisschen mehr darüber nachzudenken, und dann checken, wie wichtig es ist, dass wir informiert sind und uns nicht von denen verarschen lassen, die an der Macht sind. 71 I: Hat es bei euch in der Band je die Sorge gegeben, euch an den Mainstream anpassen zu müssen, sprich Ö3 oder den Major Labels zu entsprechen, um erfolgreich zu werden, oder war das für euch nie ein Thema? 72 MB: Also für uns ist es momentan auf jeden Fall ein Thema, weil wir bewusst ins Radio wollen. Und wir haben mit Alte Fotos und Liebe Liebe ganz klar versucht, das musikalisch so zu halten, dass es ins Format Radio passt. Es ist uns gelungen bei Alte Fotos, Alte Fotos wird wirklich auf Ö3 gespielt. Es ist aber trotzdem unserem Stil treu, also es ist sicher näher dem Format und wir haben uns zwar bemüht, dass da irgendwie gewisse Kriterien erfüllt sind, aber es ist trotzdem auch eine fette, bassige,

    157

    dubige Nummer. Der Thomas Kamenar (Ö3-Moderator) hat sie auch so anmoderiert, was natürlich sehr cool ist, weil er, als er sie zum ersten Mal gespielt hat, gesagt hat, er hat eine sehr fette Nummer, die richtig fett daherkommt. Das ist uns wichtig, dass wir nicht in Richtung Pop-Schnulzen oder Schlager gehen – das machen wir sicher nicht! Sondern, dass unsere Musik, die uns so taugt, mit den ganzen Elementen „SuperSkunkRockReggae“, so wie sie ist, vielleicht ein bisschen angepasst ans Radio, gespielt wird. Major Labels sind für uns eigentlich nicht wirklich ein Thema. Wir haben unser Label (Creasy Records), wir haben unseren Label-Chef, den Christian De Lellis, den wir persönlich kennen, der so oft auf unseren Konzerten ist und das echt super macht. Major Label ist also überhaupt kein Thema für uns, wird es glaube ich auch nicht sein, weil uns Knebelverträge und irgendwelche Geschichten, wo ein Label mitschneidet, überhaupt nicht interessieren. 73 I: Was erachtet ihr als den größten Erfolg der Coffeeshock Company? 74 MB: Wenn man sich die Resonanz im Internet anschaut, dann ist es ganz sicher Jetzt erst recht. Unsere Ibiza-Hymne hat die meisten Aufrufe auf YouTube. Wir haben diese Wirtshaus-Version aufgenommen, gleich wie das passiert ist, und das ist mit den Views wirklich in die Höhe geschossen. Wir haben dasselbe jetzt nochmal im Studio aufgenommen und nochmal veröffentlicht und das ist auch die erfolgreichste Nummer auf Spotify. Das ist sicher, wenn man die Songs betrachtet, der erfolgreichste Song, den wir haben, was mich natürlich irrsinnig freut, weil ich den Text geschrieben habe, der im Dialekt ist, und weil der Song das wichtigste Ereignis, was auch jetzt noch so arge Konsequenzen in Österreich hat seit weiß ich nicht wie vielen Jahren, kommentiert auf eine satirische Art und Weise. Ich hoffe, dass das die Leute zum Nachdenken bringt. Das würde ich von den Nummern her als größten Erfolg sehen. 75 I: Was denkst du, wie einfach oder schwer es heutzutage im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten ist, als MusikerIn in Österreich erfolgreich zu werden bzw. zu bleiben? 76 MB: Mit Bilderbuch, Wanda und Seiler und Speer hat das angefangen, dass die österreichische Musik gepusht wurde. Man kann natürlich sagen, dass die Radiostationen wegen Corona jetzt ein bisschen gezwungen waren [österreichische MusikerInnen zu unterstützen], aber was man bei 88,6 sagen muss, sie haben das aus Eigeninitiative gemacht, diese 88,6 Coronale. Das muss man ihnen wirklich groß anrechnen, dass sie zwei Stunden lang nur österreichische Acts spielen und sie spielen

    158

    wirklich auch unbekannte Acts. Das hat sich sicher stark gebessert. Was sich auch gebessert hat, ist, dass man so viel alleine machen kann, dass man nicht unbedingt in ein Studio gehen muss, um Sachen aufzunehmen, wenn man sich hinsetzt und sich mit den Programmen befasst, was ein großer Zeitaufwand ist. Das war echt ein Prozess, ich und der Andi Karall sind bei uns in der Band die zwei, die sich da reingetigert haben – das sind Stunden über Stunden, in denen du herumprobierst und das muss man dann einfach investieren, wenn man das selbst machen will. Es dauert sicher ein paar Jahre, bis man das alles heraußen hat, aber wenn man gut ist, sieht man, es gibt in Österreich eine Plattform, wo man erfolgreich sein kann. Und mit richtig cooler Musik, wie zum Beispiel Folkshilfe, kann man schon was schaffen. Jetzt ist dann nur die Frage, ob man davon leben kann. Das ist, glaube ich, wirklich schwer. Ich bin seit vier Jahren, seit 2016, selbstständiger Künstler und es ist wirklich sehr schwer, vor allem mit dieser Herzensangelegenheit zu überleben. Natürlich hat man Trauungen/Hochzeiten – ich habe mich lange gewehrt, bei so etwas zu spielen, aber es geht nicht anders, wenn man mit aktivem Musizieren [über] die Runden kommen will, dann muss man so etwas auch machen. 77 I: Zusammenfassend findest du es also wichtig, dass KünstlerInnen durch Radios unterstützt werden und ihre Musik gespielt wird, weil das für österreichische MusikerInnen ein ganz schöner Push sein kann. Es ist gut, dass man heutzutage als MusikerIn viel selbst produzieren kann, weil man so einiges an Kosten einsparen kann. Und als KünstlerIn in Österreich ist es schwierig, ökonomisch betrachtet, so erfolgreich zu sein, dass man davon überleben kann, ohne Nebenjobs/diverse Jobangebote (wie z.B. Hochzeitsfeiern) annehmen zu müssen. 78 MB: Genau. Man braucht natürlich sicher auch extrem viel Glück, damit eine Single explodiert. 79 I: Du hast vorhin YouTube und Spotify erwähnt. Wie wichtig sind diese Plattformen für euch, um eure Musik ans Publikum zu bringen? 80 MB: Was bei uns echt cool ist, ist, dass unser CD-Verkauf bei Live-Auftritten sehr gut läuft – wir verkaufen die CDs aber auch nur bei den Konzerten. Durch Spotify geht die Musik halt durch die Welt. Jetzt erst recht hat lustigerweise viel mehr Views in Deutschland, obwohl der Text im Dialekt ist und kein einfacher Dialekt, und auf der zweiten Stelle ist Österreich und auf der dritten Stelle sind die USA. 81 I: Die USA? Das ist aber interessant.

    159

    82 MB: Ja. Wir haben diese Spotify App und verfolgen das ganz eifrig mit. Man beschäftigt sich dann auch viel mit Algorithmen, Veröffentlichungen und Teasern usw. Es ist wirklich lange nicht mehr nur Musik machen. Es ist so viel zusätzlich … wir haben natürlich auch versucht, ein bisschen mit Promotion zu arbeiten, aber da muss man sich wirklich auskennen. Das sind Faktoren, die momentan sehr wichtig sind … die Vermarktung, die Promotion, wie stellt man sich dar auf Social Media und wie erlangt man Aufmerksamkeit und damit müssen wir uns nun auch viel beschäftigen, aber mein Wunsch wäre eigentlich, dass ich Musiker bin, aber das spielt’s halt einfach nicht. 83 I: Das spiegelt meine Recherche wider. Demnach neigen österreichische KünstlerInnen heutzutage eher dazu, zu kleineren Independent Labels zu gehen und sich um möglichst viel selbst zu kümmern. Statt einen Manager anzustellen, übernehmen sie Bereiche wie die Promotion selbst und werden zu Allround-Talenten. Früher war es anscheinend eher üblich, sich um einen Vertrag bei einem Major Label zu bemühen, die sich um die Betreuung und Vermarkung der MusikerInnen gekümmert haben. 84 MB: Absolut. 85 I: Worauf ich auch gerne noch eingehen würde, sind die Spotify-Statistiken, die du vorhin erwähnt hast. Bei der Single Jetzt erst recht ist Deutschland auf Platz eins der Views und die USA auf Platz drei. Das ist wirklich interessant, weil immer wieder argumentiert wird, dass Dialekt in der Musik nur von ÖsterreicherInnen verstanden wird und Dialektmusik aufgrund der Sprachbarriere nur innerhalb Österreichs und möglicherweise noch in Bayern vermarktet werden kann. Eure Zahlen auf Spotify legen aber eher das Gegenteil nahe, nämlich dass Dialektmusik im Ausland durchaus sehr gut ankommen kann. 86 MB: Ja, es ist bei dieser Nummer wirklich kurios. Ich weiß ja nicht, wie sehr man diese Zahlen bei dieser Nummer als Referenz nehmen kann. Ich habe nur die Statistiken und bin total verblüfft. Ich schau mal rein [in die App], dann haben wir die Statistiken… Da hast du Jetzt erst recht, das sind die Streams, genau … 87 I: Platz 1: Deutschland Platz 2: Österreich Platz 3: USA Platz 4: Niederlande Platz 5: Spanien

    160

    Naja, dann kann Musik anscheinend auch dort beliebt sein, wo sie nicht verstanden wird. 88 MB: Auf jeden Fall! Ich weiß eben nicht, ob es musikalisch ist oder … keine Ahnung, das ist halt relativ undurchsichtig auf Spotify, das wissen wir nicht. Aber wir haben zum Beispiel unserem Mischer in Amerika erklärt, was da passiert ist. Er hat natürlich gesagt, dass er davon nichts mitbekommen hat, hat es aber sehr treffend gefunden, was er so davon mitbekommen hat, wie wir musikalisch mit dieser Situation spielen. Wenns’ musikalisch leiwand ist, dann kann es auch erfolgreich sein. Man hat ja viele Beispiele dafür wie Rammstein und die Toten Hosen, oder Dubioza kolektiv. Das ist eine Band aus Bosnien und die haben überall Tourneen gespielt, überall, und sie haben eigentlich nur ein Album, das auf Englisch ist, und sonst ist das alles BKS (Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch), vielleicht ein bisschen mehr der bosnische Einschlag, aber die spielen überall! 89 I: Was meinst du, könnten die Vorteile vom Dialekt gegenüber der Standardsprache oder dem Englischen sein? Warum entscheiden sich momentan wieder so viele InterpretInnen dafür, Musik im Dialekt zu veröffentlichen? 90 MB: Vielleicht war es einfach jahrelang so, dass sich die Leute mit dem Austropop nicht identifizieren wollten. Es war einfach out. Die Sprache hatte vielleicht auch nicht dieselbe Wertigkeit wie Englisch oder die Standardsprache. Es machen jetzt sicher auch viele Künstler [Dialektmusik] aus marketingtechnischen Gründen, weil das jetzt eben wieder funktioniert. Dialekt können doch noch viele Leute in Österreich – dass man eben genau so eine Musik schreibt, die den Menschen nahe ist. Das ist schon cool, aber was ich noch cooler finde, ist, wenn das Lied auch einen Gehalt hat – vielleicht eine kritische Message, es muss ja nicht immer Politik sein, es kann ja auch eine kunstvolle Art sein, Sachen zu formulieren – da denk ich zum Beispiel an das Lied Alanech fia di vom Willi Resetarits (Text von H.C. Artmann), was ein wunderschönes Liebeslied ist. Mit diesem Charme des österreichischen Dialekts hat der H.C. Artmann halt irrsinnig gut spielen können und das sind sehr schöne Bilder, die da im Kopf entstehen, wenn ich mir dieses Lied anhöre. Und die Vorteile … Na ganz sicher, dass der Dialekt den Leuten hier näher ist, vor allem wenn sie ihn auch sprechen, aber es kommt auch in Deutschland oft vor, dass die Leute auf unseren Dialekt stehen. Sie finden ihn einfach cool und er ist auch cool. Er hat so viele Vokale, er eignet sich super zum Schreiben von Liedern, es ist für mich auch leichter Reime zu finden. Er ist weicher, er ist nicht so hart und technisch – der deutschen Sprache

    161

    kann man, glaube ich, schon vorwerfen, dass manche Ausdrücke sehr straight und technisch klingen – da ist dieses weiche Österreichische sehr dankbar zum Texten. Englisch ist auch super zum Texten, weil man leicht Reime findet und weil man es halt einfach schon so oft gehört hat, wie es funktioniert. Da hat man im Dialekt vielleicht noch nicht so viel gehört, noch nicht so viel Input gehabt. Das ist mein großes Ziel, dass ich mir viel Dialektliteratur und Dialektmusik als Input hole, um meinen Wortschatz und meinen kreativen Horizont, mit der Sprache zu spielen, zu erweitern. 91 I: Warum habt ihr euch bei eurem Lied „Jetzt erst recht“ entschieden, den Text im Dialekt zu verfassen? Siehst du den Dialekt als Sprache, mit der man Politkritik betreiben kann? 92 MB: Absolut. Das ist vollkommen ‚aufglegt‘. Das erste war ja „Joschi wos moch ma heit?“. Und wenn man sich die zwei Blindgänger vorstellt, wie die dieser Oligarchennichte alles ‚ondrahn‘ wollen und wie sie sich ‚aufpudeln‘ und die zwei reden ja auch im Dialekt. Das ist einfach im Dialekt perfekt. Da gibt es so viele Phrasen, die musikalisch so gut klingen wie „Joschi wos moch ma heit?“. „Johann was machen wir heute“, das funktioniert nicht, das funktioniert nur im Dialekt. „Heit verscherbel’ ma die Krone!“ – ich bin jetzt mit Russkaja auf der Tour und in Osnabrück und Dresden haben die Leute gefragt, was das heißt, und ich habe so lange gebraucht, um das Wort ‚verscherbeln‘ zu erklären. Eine Zeitung in die Hände einer Oligarchennichte zu geben, das ist ‚verscherbeln‘. Das zu erklären ist schwierig, aber wenn du in Österreich zu jemandem sagst, der hat das ‚verscherbelt‘, da kennt sich sofort jeder aus. Oder auch „do drah ma heite no an Fisch“ (lacht), ich muss selbst lachen, wenn ich das Lied singe, weil es einfach so coole und lustige Phrasen sind. Der Dialekt bietet so viele kreative Ausformungen. Bei Jetzt erst recht war es klar, weil die ganze Geschichte auch im Dialekt abgelaufen ist, die beiden haben zwischendurch ja auch im Dialekt geredet, in den sieben Minuten, die wir kennen – jetzt kommt ja bald das gesamte Video, das wird auch noch interessant, weil er da ja angeblich den Kurz (Sebastian Kurz, österreichischer Bundeskanzler) so geschimpft hat. Man darf gespannt sein, was da noch so alles kommt. 93 I: Also gibt es vielleicht noch ein Jetzt erst recht 2 für uns zu hören? 94 MB: Das wissen wir noch nicht. Wir wollen uns natürlich nicht nur an die Politik aufhängen. Es ist die Zeit zu schade, dass man sich in seiner Kunst nur mit Politik beschäftigt. Für mich ist klar, auf gewisse Sachen muss man reagieren, aber es ist

    162

    auch wichtig, andere Themen anzuschneiden und anzusprechen, vor allem erfreulichere Themen, wie die Liebe, die wir in verschiedenen Liedern in verschiedenen Sprachen kommentiert haben, oder andere persönliche Themen, wo man irgendwann am Boden gelegen ist und versucht, das in einem Lied zu verarbeiten, oder Minderheitensprachen zu ehren – solche Lieder wollen wir auf jeden Fall schreiben, aber wir werden sicher auch weiterhin politische Aktionen kommentieren, momentan wissen wir ja gar nicht, wo wir anfangen sollen … kreative Buchführung in Mattersburg, Wirecard etc. Jetzt kommen erst mal die Pferde, die nach Serbien „verscherbelt“ wurden – die ganze Aktion hat ja 2 Millionen gekostet für die 12 Pferde, die sind schon in Serbien, zwei sind zurück nach Ungarn gegangen, das waren Geschenke. Ja, die Politik bietet halt wirklich sehr viel.

    8.3 Tabelle Chartanalyse

    Jahr InterpretInnen Titel Platzierung Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1970: 0 1971 Wolfgang Ambros Da Hofa 5 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1971: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1972: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1973: 0 1974 Wilfried Ziwui Ziwui 19 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1974: 1 1975 Wolfgang Ambros Zwickt’s mi 3 1975 Georg Danzer Jö schau 15 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1975: 2 1976 Peter Alexander Das kleine Beisl 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1976: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1977: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1978: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1979: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1980: 0 1981 Reinhard Fendrich Strada del Sole 4 1981 Peter Cornelius Du entschuldige i kenn’ 8 di Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1981: 2 1982 Falco Der Kommissar 3 1982 Reinhard Fendrich Oben ohne 4 1982 Nickerbocker Puppe (Du bist a 5 moderne Hex’) 1982 Reinhard Fendrich Schickeria 8 1982 Relax Weil i di mog 13 1982 Ulli Bäer Der Durscht 19 1982 Peter Cornelius Reif für die Insel 20 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1982: 7 1983 Ludwig Hirsch Gel’, du magst mi 8 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1983: 1 1984 STS Fürstenfeld 3

    163

    1984 Reinhard Fendrich Weus’d a Herz hast wia a 10 Bergwerk 1984 Kurt Gober Band Motorboot 12 1984 Kurt Gober Band Es war nix 15 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1984: 4 1985 Relax Ein weißes Blatt’l Papier 1 1985 Peter Cornelius Segel im Wind 6 1985 Austria für Afrika Warum? 19 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1985: 3 1986 EAV Märchenprinz 5 1986 EAV Ba Ba Banküberfall 13 1986 STS Gö, du bleibst heut Nacht 15 bei mir 1986 EAV Heiße Nächte (in 17 Palermo) 1986 Hans Orsolics Mei potschertes Leb’n 20 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1986: 5 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1987: 0 1988 Reinhard Fendrich Macho Macho 1 1988 EAV Küss’ die Hand, schöne 2 Frau Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1988: 2 1989 Stefanie Werger Flamenco Turistico 19 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1989: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1990: 0 1991 Jazz Gitti & Her Disco Kränk di net 16 Killers Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1991: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1992: 0 1993 Hubert von Goisern und Koa Hiatamadl 13 die Alpinkatzen Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1993: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1994: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1995: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1996: 0 1997 Rainhard Fendrich Blond 8 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1997: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1998: 0 1999 A klana Indiana A klana Indiana 2 1999 A klana Indiana Uiii, is des bled! 8 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 1999: 2 2000 DJ Ötzi Anton aus Tirol 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2000: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2001: 0 2002 Professor Kaiser Was is’ mit du? 15 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2002: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2003: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2004: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2005: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2006: 0 2007 Fritz & The Downhill Genie auf die Ski 4 Gang Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2007: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2008: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2009: 0 2010 Skero feat. Joyce Muniz Kabinenparty 13 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2010: 1 2011 Hubert von Goisern Brenna tuats guad 8 2011 Andreas Gabalier I sing a Liad für di 10 164

    Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2011: 2 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2012: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2013: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2014: 0 2015 Seiler und Speer Ham kummst 3 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2015: 1 2016 Pizzera & Jaus Jedermann 13 2016 Seiler und Speer Ham kummst 20 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2016: 2 2017 Pizzera & Jaus Eine ins Leben 12 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2017: 1 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2018: 0 Anzahl der Dialektlieder in den Top 20 der Single-Jahreshitparade im Jahr 2019: 0

    8.4 Das Korpus (chronologisch)

    Worried Men Skiffle Group – Glaubst i bin bled (1970) Glaubst i bin bled, dass i waas wie spät’s is? Glaubst i bin bled, dass i hea wos du sogst? Glaubst i bin bled, dass i siech wias du ausschaust? Glaubst i bin bled, dass i waas wiri [h]aas?

    Glaubst i bin bled, dass i gschbia wos i ångreif? Glaubst i bin bled, dass i schmeck wos i friss? Glaubst i bin bled, dass i riach wias du stinkst? Glaubst i bin bled, dass i waas wos i wü?

    Glaubst i bin bled, dass i waas wie spät’s is? Glaubst i bin bled, dass i hea wos du sogst? Glaubst i bin bled, dass i siech wias du ausschaust? Glaubst i bin bled, dass i waas wiri [h]aas?

    Glaubst i bin bled, dass i gschbia wos i ångreif? Glaubst i bin bled, dass i schmeck wos i friss? Glaubst i bin bled, dass i riach wias du stinkst? Glaubst i bin bled, dass i waas wos i wü?

    Glaubst i bin bled? Glaubst i bin bled? Glaubst i bin bled? Glaubst i bin bled? Glaubst i bin bled? Glaubst i bin bled? Jo

    Wolfgang Ambros – Da Hofa (1971) „Schau då liegt a Leich im Rinns[äu] ’s Bluat rinnt in Kann[äu] Hearst des is maka[wa] 165

    Do liegt jo a Kadava Wer is[n] des, kennst du den Bei dem zerschundnen G’sicht kaun i des net seh’n“

    „Da Hofa war’s vom zwanzg’er Haus Der schaut ma so verdächtig aus Da Hofa hot an Ånfoi kriagt Und hot die Leich do massakriert“

    Då geht a Raunen durch die Leit’ Und a jeder hot sei Freid’ Da Hofa woa’s da Sündenbock Da Hofa den wos kanna mog

    Und da Haufen bewegt sie fiere Hin zum Hofa seiner Türe Då schrei’n die Leit’: „Kumm aussa Mörder Aus is heit. Geh moch auf die T[ia] He[i]t is aus mit di[a] Weil für dein Verbrechen muasst jetzt z[oi]n Geh kumm aussa do Wir drah’n da d’Gurgel oh Weil du host kane Freind d[e] da d’Stång[a]n hoit’n Me[i]chelmörder, Leitschinder De Justiz wor he[i]te g’schwinder Als wås’d glaubst Also Hofa kumman’s raus!“

    Und sie pumpern ån d[a] T[ia] Und sie mochen ån Krav[äu] [oi]s wia Und sie tret[an’s] [a] glott ei’ Tät die Hausmasterin net sei’ D[e] sogt: „Wos is[n] meine Herrn? Tuan’s ma doch den Hausfrieden ned stören Denn eines wie[ß] ich ganz gewiss Dass die Leich, da Hofa is!“

    Arik Brauer – Sein Köpferl im Sand (1971) Das ist ein beinhartes Protestlied Allerdings richtet sich die Kritik nicht gegen eine bestimmte Gruppe Sondern gegen Jedermann der sich betroffen fühlt – auch gegen mich selbst

    E[a] hod a klanes H[ei]sl in d[a] greanen Au E[a] hod a[n] gu[ad]n Posten und a dicke s[ia]ße Frau E[a] tu[a]t si bei d[a] Åbeit net de Händ verstauchen E[a] kaun an jeden Sundog a Virginia rauchen Do sogt a mi[a] gehts guat, auf de aundan hau[r] i [n’]huat

    Refrain: [Drauf/Do sogt a]: Hinter meiner, [vuada] meiner, links, rechts güts nix 166

    Ober meiner, unter meiner siach i nix [G’spia] nix, hea nix und i riach nix Denk i nix und red i nix und tu[a] i nix Waun da Wind [a] wahd in de Gossn Waun da Wind [a] wahd am Lånd Waun da Wind [a] wahd, do steckt a Sei K[e]pferl in Sånd

    Do z[a]g i eam a Stodt aus lauter Fetzen und Scher[m] An Plotz wo de Krånkn im Rinnsäu sterm Grås in der Sch[i]ssl, im Gsicht de Fli[a]gn De Kinder haum an Wosserbauch und Kretzn am Hirn Sie stinken wi[a] d[a] Mist, damits das net vergißt

    Refrain

    I was an Plotz do traut sie kana wos sogn Und r[ia]n s[a] si a bisserl, sans dawischt beim brotn Do holns de Kiwara um vieri in da fruah Eini ins Hefen, de T[ia] fest zua Sie brechn erna d’Händ und tretns in d[ie] Zähnt

    Refrain

    Es pfeifn de [G]ranatn, es d[u]nnert und kråcht Sie hockn in d[a] Gru[am] de gaunze Nocht Sie schiaßn auf olles wos sie r[ia]t Sie schiaßn das de Kråchn gl[ia]t Da Mu[ada] ihre Buam, f[oi]n um [oi]s wia de Ruam

    Refrain

    Wilfried – Ziwui Ziwui (1973) Owa Buama stehts zomm im Kroas I sog enk, wos i woas Zindts enk a Pfeifal au des rauka kau

    Refrain: Ziwui, ziwui – ziwui, ziwui Ziwui, ziwui, ziwuia Ziwal, zawal Zechnkas Es schlogt scho hoiwa Druia

    Und am Heibodn is a Mensch drobn Wauns a Schene war, war i längst drobn Weis a Schiache is, is ma oiwei gwiss Weis am Heibodn drobn is, hey!

    Refrain

    167

    Und a frische hoib’ Bier und an Foam an weißen Und heit gemmas net Hoam bis uns aussischmeißen

    Refrain (3x)

    Und jetz hot oana gsunga Des hot si ned greimt Wann er’s n[u] amoi singt Oft vajog ma’n hoit gschwind’, woh!

    Refrain (3x)

    Georg Danzer – Jö schau (1975) neilich sitz’ i umma hoiba zwa im hawelka bei a poa wuchtel’n und bei an bier auf amoi gibt’s beim eingång vuan an m[u]rd’s trara weu a nackerter kummt eine bei d[a] t[ia] da oide hawelka sågt: „suach ma an plåtz“ owa sie måcht an påtz’n bahö’ weu sie mant, dass sowas då net geht und er s[ui] si schleich’n, [owa] schnö jö schau, so a sau, jössas na wås måcht a nåck[ata] im hawelka geh wui, oiso pfui, meiner söh h[e]rst i schenierat mi an seiner stöh [ana] ruaft: „[ein] wahnsinn, gebt’s eam wås zum anziehn!“ doch sein freindin mant: „geh fesch, endlich aner ohne wäsch’“ jö schau, so a sau, jössas na wås måcht a nåck[ata] im hawelka der ober fritz sågt: „wir sind hier ein stadtcafé und was sie da måch’n is a schweinerei“ ein [oider] schauspieler meint wiederum: „aber, geh, [oi]so i find’ då gårnix dabei drauf sågt der nåck[a]te: „moment, moment sie wissen wohl nicht wer i[ch] bin, a wånn mi kaner kennt, i bin sehr prominent [oi]s elegantester flitzer von wien.“ jö schau, so a sau, jössas na wås måcht a nåck[ata] im hawelka geh wui, oiso pfui, åndrerseits a so a nåck[ata], håt a sein’ reitz måch ma h[oi]t a ausnahm’ san [ma] heit’ ned grausam

    168 we[il] ein bohemienlokal pfeift auf spießbürgermoral jö schau, so a sau, jössas na wås måcht a nåck[ata] im hawelka jö schau, so a sau

    Georg Danzer – Hupf’ in Gatsch (1976) a hackla f[oah]t min moped vom heurigen nach haus i[ss]t kirschen zwengan mundgeruch und spuckt die kerne aus auf amoi k[u]mmt [a] sp[ua]twåg’n drinn sitz ein feiner herr der kriagt an kern ins äugl und feud natürlich sehr schon bei der nexten kreuzung ho[lt] er das moped ein und schreit in seiner gach’n: „sie sind vielleicht ein schwein! sie ungustl, sie schiacha!“ der hackla kriagt an hå[ss] er spuckt den letztn kern aus und sågt zu eam: „wasd wos?

    Refrain: hupf in gatsch, und schlåg a wöhn owa tua mi do ned quöhn hupf in gatsch, und gib a ruh’ sonst schließ ich dir die augen zu so an oamutschkerl wia dia schenk i[ch] an schülling oda na, i gib da zwa, du bisd a zwülling weu ana alan kaun do ned so deppert sein hupf in gatsch, und gråb di ein!“ wie er dånn spät nach haus kommt liegt seine frau im bett sie måcht a bozzn schnoferl und sågt: „bisd wieda fett? du stinkst scho von da weitn geh stöh di unter d’dusch!“ er ziagt se nua di schuach aus und sågt dann: „bitte gusch!“

    Refrain (3x)

    Kurt Winterstein – Wienerlied (1977) Drunt im Tu[ina]f[ö]d, håms baut für te[i]res G[ö]d ein Kernkraftwerk gar mächtig anzuschaun, Wien wird zum Paradies, wie wird das Leben süß, 169 nur kånnst der Technik leider nie so gånz vertraun.

    (2x) A klanes Beben, gånz knåpp daneben, dånn brauchen wir ka Musi und kan Wein, wånn ma die Påtschen streckt, glei mitanånd verreckt, wird der Zentralfriedhof sog[oa] für uns zu klein.

    Experten von dem Fach, sång: Måcht’s net so an Krach, jå so ein Kernkraftwerk wern wir scho sicher baun, doch leider wiss’ ma h[oi]t, die werden hoch bez[oi]t, drum sollst Experten lieber a net gånz vertraun. (2x) A klanes Beben, gånz knåpp daneben, dånn brauchen wir ka Musi und kan Wein, wånn ma die Påtschen streckt, glei mitanånd verreckt, wird der Zentralfriedhof sog[oa] für uns zu klein.

    Ludwig Hirsch – Die Omama (1978) [Do] steh ma [jetzt] am Stammersd[ua]f[a] Friedhof regnen tuat’s di Fiaß tuan ma scho weh Da Pfårr[a] sogt: „Sie woar a so a herzensguter Mensch“ und trotzdem f[oi]t ma’s Wanen he[u]t so schwer die Omama, die Oma ist nicht mehr

    Wia i kla woa hot’s ma eine g’stopft die Knedl hot’s g’lauert mit’n Praker in d[a] Hånd hot’s m[ir] [a] umdraht [scho] den Mogen, es woa ihr wurscht, sie hot mi g’schlogn so lang, dass i scho angfaungt hob zum Beten: Lieb Jesukind, lass d’ Oma doch verrecken.

    Refrain: Die sieben Råben, des woan nur sechs Die guate Fee, des woa[r] a Hex Da b[e]se Wo[i]f, a klana Dackl Da Märchenprinz, a schiacher Lackl

    In Stammersd[ua]f hot’s g’hobt de klane Wohnung mit Spitzendeckerl[n] unter[n] Hitlerbüd a Glasl Grammelschm[oi]z am Fensterbrett, den Nochtscheam unterm Doppelbett so weiß, so [dick], so [rund] und immer voll vielleicht hätt’ man ins Gråb dazua legn s[ui]n

    Amoi hob is g’frogt: „Wo is da Opa?“ Im Himmel auf an Wo[i]kerl spült [a] Geign für Führer, Volk und Vaterland, erschossen, aufg’hängt und verbrånnt doch das hat sie dem Adolf stets verziehn’ er håt ihr jå [is] Mutterkre[i]z verliehn’

    170

    Refrain

    In letzter Zeit do woas scho a bissal komisch des Grammelschm[oi]z is gstaundn unterm Bett die Spitzendeckerl[n] hot’s verbrånnt, den Hitler hot’s an Bücher g’nånnt den Nochtscheam hot’s plaziert am Fensterbrett ganz Stammersd[ua]f hot [iwa] sie scho g’red

    Am Muttertag do hamas g’f[iaht in Pråt[a] die Oide woa auf amoi wieder jung Beim Gokart foan hot’s g’jodelt, a poa Langos hot’s verdruckt nur beim Sturmboot foan geschah ein Mi[ss]geschick do is an ihre foischen Zähnt dastickt

    Refrain

    Oma, pfiat[i] Gott, mochs drüben besser moch kane Kn[e]dln für die Engerl, sei so guat tua net die H[äu]ligen sekiern, tua net den Opa denunziern und gehst zum Herrgott auf Besuch a guata Tipp: Omama nimm’s Mutterkre[i]z net mit

    Peter Cornelius – Du entschuldige - i kenn’ di (1981) Wånn i oft a bissl ins N[oa]nkastl schau’ Dånn siech i a Madl mit Aug’n so blau A Blau des låßt si’ mit g[oa] nix ånderm vergleich’n Sie w[oa] in der Schul’ der erklärte Schwarm Von mir und von åll meine Freund’, doch dånn Am letzten Schu[i]tag da stellte das Leben seine Weich’n Wir hå[m] uns sof[ua]t aus die Aug’n verlor’n I håb mi oft g’frågt, wås is aus ihr w[ua] ’n Die Wege, die wir beide gångan s[an] Wår’n net die gleichen Und v[ua]gestern sitz i in [an] Lokal I schau in zwa Aug’n und waß auf [amoi] Es is dieses Blau, des låßt si mit g[oa] nix vergleich’n

    Refrain: Du entschu[i]dige i kenn di Bist du net die Klane Die i scho [oi]s Bua gern g’håbt håb Die mit dreizehn scho kokett w[oa] Mehr [oi]s wås erlaubt w[oa] Und die enge Jeans a[u]g’håbt håt I håb Nächte lång net g’schlåf’n Nu[a] wei du im Schu[i]hof [Amoi] mit die Aug’n zwinkert håst K[u]mm wir streichen f[u]fzehn J[oa]h H[u]l’n jetzt ålles nåch [Oi]s ob dazwischen [a]fåch nix w[oa]

    Sie schaut mi a h[oiw]e Minut’n lång ån 171

    Sie schaut, daß i g[oa] nix mehr såg’n kånn I sitz wie gelähmt gegenüber, und kånn’s g[oa] net fåss’n I hör’ ka Musik mehr und w[oa]t’ nur drauf Daß sie endlich sågt, du jetzt wåch i auf D[a] Pe[da], de[a] zehn H[ei]s[a] wei[da] g’wohnt håt in d[a] Gåss’n Sie zwinkert m[a] zu[a] wie v[ua] f[u]fzehn J[oa]h Sie sågt „Na wie geht’s da, mei Pe[da]l na kl[oa] Du håst a scho sehr lång nix mehr von dir hör’n låss’n“ I nick’ nur jå sehr lång jå v[ü] zu lång Sie m[a]nt k[u]mm probier’ [ma] ’s h[oi]t jetzt mit[a]nånd’ Und spä[da] såg i låchend no’ [amoi] zu ihr auf d[a] Stråß’n

    (2x) Refrain

    Drahdiwaberl – Machomann (1981) He Lilli Måch ma killi killi (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz) He Lilli Tua ma bisserl spieli (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz) Sei sch[e] f[ui]gsam – li[a]b und adrett [G]usch i wü jetzt a Hu[a] im Bett Du Lilli Schluck jetzt sofort das Pilli (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz)

    He Mitzi zeig ma do dei Schlitzi (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz) He Mitzi kumm her, i wü jetzt spritzi (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz) z[a]brich da net dei hübsches Köpferl schau li[a]b[a] in dei Suppentöperl

    He Mitzi Måch jå kane bleden Witzi (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz) Mitzi, h[ui] ma a Bier Anni, bring mas Pfanni Mei Frau is a Sau [I] scheiss auf Frau und Kind wichtig is, [da Schülling stimmt]

    I putz die Wohnung, stopf seine Socken wåsch des Gschirr, drah ei mei Lockn koch wås Guat’s, bügel die Wäsch am Åbnd måch i mi für eam recht fesch I erstick in’d Windeln und Unterhosen [doch] am Muttertåg schenkt er m[ir] Rosen. 172

    So a Le[m] is fad und net sehr erbaulich i bin lieber stad und wie e[a] wü - fraulich.

    He Luci! jetzt gibt’s ka kutzi, kutzi! (aah – aah, grunz, grunz) He Luci! jetzt måch ma a neichs Butzi (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz) Tua net [mödn] – sei brav und st[üü] måch sch[ee], wås dei Herr und Gebieter [jetzt] wü Du Luci! fång jå net an zum trutzi! (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz) He Rosi! då wåsch mei Unterhosi! (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz) Du Hasi auf d[a] St[öö] tuast man jetzt blasi (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz) Überlåss mir des Denken – tua Lust mir schenken folg ordentlich oder wüllst mi kränken?! He Schnucki! wannst brav bist, kriagst a Zucki (aah – aah, grunz, grunz, aah – aah, grunz, grunz)

    Der li[a]be Gott håt scho gwusst, was er tut ihr sad’s h[oi]t Frauen, da hülft ka Wut Ihr Frauen sad’s do wirklich (eh scho) frei, dass’d Männer ånschoffen, is do[ch] einerlei und Gott sei Dank, denkt’s eich nix dabei

    Des håt do kann Sinn, des Aufbegehren! seid’s stad, sonst zeig ma e[i]ch den Herrn! Gegen die Natur dürft’s euch [do] net wehren! Gegen n’ Herrgott dürft’s euch do net wehren!

    Sigi Maron – He Du Bub (1982) In einem verrauchten Lokal Freitagabend, Stammtisch Die Eingangstür[e] wird geöffnet

    He du, ja du Bub mit dunkel Haut Kannst nicht machen Türe zu Was machen du da in mein Land, h[ä] Vater Gastarbeiter faules, was Nix arbeiten und viel kassieren Und in Nacht auf Mama liegen, h[ää] Kinderchen machen für Kinderbeihilfe Du nix Schule, h[ä], und wohnen in Zelt 173

    Wie alt du, wie heißen, was dein Name

    Refrain: Freitog auf d’Nocht Im Beisl um de Eckn Durt wo de erstn Fliagn Im [Oim]dudler verreckn Freitog auf d’Nocht Im Beisl um de Eckn Durt wo de erstn Fliagn Im [Oim]dudler verreckn

    Mein Name ist Zlatko Kosinec Ich bin 12 Jahre alt und besuche die Zweite Klasse des Realgymnasiums Mein Vater heißt Zvonko und ist Bademeister, meine Mutter Maria Ist Dolmetsch, meine Schwester Anka ist neun Jahre alt und geht In die vierte Klasse Volksschule Wir wohnen in der Radetzkystraße Nummer Neun, Zweiter Stock, Tür acht und haben Drei Zimmer, wir haben kein Zelt Aber einen Wohnwagen und die Türe Habe ich nicht geschlossen, weil Noch jemand hereinkommen will Aber sagen sie, woher kommen sie Wie heißen sie und warum sprechen Sie so komisch

    Refrain

    Dworschak, Duffek, Doleschal Dalma, Tolar, Opletal Navratil und Bschesina Kovatsch, Tschap, Jedlitschka Lakitsch, Prka, Kubalek Tscherni, Nowak, Matuschek Blaha, Bizan, Adametz Der Tschuschnbua haßt Kosinec Genau wia i

    (2x) Refrain

    EAV – Märchenprinz (1985) Es ist Samstagabend und die Dinge stehen schlecht. Ich bin auf der Suche nach dem weiblichen Geschlecht. Am Wochenende hat man in der Großstadt seine Not: Zu viele Jäger sind der Hasen Tod.

    Mir bleibt nur noch eine Chance: Hinein ins Auto und ab in die Provence.

    174

    Mit meinem Nobelhobel glüh’ ich auf der Autostrada, einmal kurz auf’s Gas und schon bin ich dada. Ich betrete voll Elan den Tanzsalon, eingehüllt in eine Wolke Pitralon.

    Weil es bei den Mädels tilt ist, wenn man riecht als wie ein Iltis.

    Refrain: Ich bin der Märchenprinz, ma-ma-ma-Märchenprinz Ma-ma-ma-ma-ma, ich bin der Märchenprinz. Ich bin der Märchenprinz, ma-ma-ma-Märchenprinz. In der Provinz bin ich der Märchenprinz! Ma-ma-ma-ma-ma, uhu, aha, beim Vogeltanz bin ich die Nummer ans.

    Da im Disco-Stadl regiert der Furchenadel und der Landmann schwingt sein strammes Wadel. Doch die Girls von der Heide sind eine Augenweide und ich frag’ eine Prinzessin: „Na, wie wärs denn mit uns beide?“

    Das kost’ mich fünf Tequilla. Ich bezahl’, und f[ua]t is die Ludmilla.

    Dann geh[e] ich zur Tricksy und såg: „Trink’ ma [schnell] an Whixy?“ Doch leider håt d[a] Norbert die Tricksy gråd in Årbeit. Und auch bei d[a] Babsi, bei d[a] Zenzi und d[a] Greta, hab ich keinen Meter und es wird immer später.

    Då is nur mehr die Dorli! Ich geh zu ihr und hauch ihr zart ins Ohrli:

    Refrain

    Da sagt die Pomeranze: „Jå [siachst] net, daß i tanze? Und gegen meinen Joschi hast du niemals eine Chance!“ Drauf såg ich zum Joschi: „Junker der Provinz! In diesem Disko-Bunker bin ich der Märchenprinz!“

    Drauf haut mir doch der Joschi eine auf mein’ Großstadtgoschi.

    Ich verlasse die Disko, denn der Joschi ist ein Mörder! So ein grober Lackl, also eing’sperrt ‚ghört er. Ich starte den Boliden, da hör ich den Befehl: „Her mit de Papiere und blås’n’s, [oba] schnö[ll]!“

    Wo komm ma denn da hin? Herr Inspektor, wer glaub’n sie, daß ich bin?

    175

    Refrain

    Der Sherif sågt: „Ich bedau’re! Eu’re Promilenz, das kost’ sie [fuchzehn] Blaue!“

    Refrain Ich bin der Märchenprinz, ma-ma-ma-Märchenprinz! Ma-ma-ma-ma-ma ich bin der Märchenprinz.

    Falco – America (1985) Ojso Die G’schicht is a jene, des waß a jeder, weu des liegt doch auf d[a] Hånd Es wår mit Bock und Roll-Musik net immer leicht in diesem Lånd Was in mir sitzt is weiß gespritzt, des is ma völlig kloar, obgleich ich Whisky [tschechan] tu seitdem in USA ich woar. Dort sågn’s „Falco you are wonderful“, kumm håbt’s mi långsåm gern Wenns meine Records trotzdem kaufen tät[ät]s, tät’ des mi net st[e]r’n [Weu] d[e]s Typische an mi[a], i bin untypisch, gånz und goa Amoi hoch und amoi tiaf, amoi g’spritzt, dann wied[a] kloa Ihr werd’s mi nehm[a]n m[ia]ssen, wia[r] i bin, i såg’s e[i]ch lieba glei Z[a]gts ma den nächsten schlånkn Fuaß, dann bin vielleicht live dabei

    Refrain America, wenns ihr ma glaubads, wia ma e[i]ch v[a]missen kau America, wenns ihr ma glaubads, wia ma e[i]ch v[a]missen kau

    [America], Sp[ü] auf Reagan, [na] come on – [America] lalalalala

    Der „Spiegel“ sagte: Wien is vurn, wenns der net waß’, wer dånn Wånn d[a] Mr. Smith a Glotz’n håt, v[a]kauf’ ma eam an Kåmm Der Herr war dick, das Madl slick, sodenn er lallend fragt: „What’s your name?“, „I nehm’ zwatausend“, keisch des Dirndl sagt Ihr werds uns nehman m[ia]ssen, wia ma san, mia såg’ns e[i]ch lieba glei Z[a]gts uns den nächsten Präsidenten und mia san live dabei – oder a net

    Refrain

    I would like to have that wonderful Wiener Schnitzel Geh gib eam zehn Deka Polnische in a Wachauer Yeah, that’s really great Waß’ i eh, des mocht Hundert. Nana, Schilling, net Dollar – üb[a]treibn w[ui] ma’s net America … La la la – la la – la la America … La la la – la la – la la

    (5x) Refrain

    176

    STS – Großvater (1986)

    Bei jedem Wickel mit d[a] Mutter w[oa] mei erster Weg von dah[a]m zu dir Und du håst g’sågt, sie is all[a]n, das mu[a]sst’ v[a]steh’n, [ois] v[a]geht, k[u]mm, trink a Bier Dånn håst du g’m[a]nt, das gånze Le[m] besteht aus Nehmen und v[ü] mehr Ge[m] Worauf i aus dein Kåsten in d[a] Nåcht de p[oa] tausend Sch[ü]lling g’fladert håb Zum Verputzen in der Diskothek, a p[oa] Tåg drauf håst mi danåch g’frågt I håb’s bestritten, hysterisch plärrt Dei Blick w[oa] traurig, dånn håb i g’reat Du håst nur g’sågt, k[u]mm, låss’ ma’s blei[m] G[ö]d kånn g[oa] nie so wichtig sein

    W[a]nn du vom Kri[a]g erz[ö]ht håst, wie du an’ Russn Aug in Aug gegnüberg’stånden bist Ihr håbt’s e[i]ch gegnseitig an Tschik ån’boten, die Hånd am Åbzug håt zittert vo[a] lauter Schiss Od[a] dei’ Frau, die den ga[u]nzen Tåg dir die Ohr’n vollg’sung[a]n håt Du håst nur g’sågt i håb sie gern I mu[a]ss net ålles, wås sie sågt, imm[a] h[ea] ’n

    Refrain: Großv[oda], kånnst du net owak[u]mm[a]n auf an schn[ö]ll’n Kaffee Großv[oda], i m[e]cht d[a] so v[ü] såg’n, wås i erst jetzt v[a]steh’ Großv[oda], du w[oa]st mei erster Fre[i]nd und d[e]s v[a]g[i]ss i nie Großv[oda]

    Du w[oa]st k[a] Übermensch, håst a nie so ta[u]n, gråd deswegn wår då irgendwie a Kråft Und durch die Årt, wie du dei Leben g’lebt håst, håb i a Ahnung kri[a]gt, wi[a] ma’s vielleicht schåfft Dei Grundsatz w[oa], z’erst überleg’n, a Meinung [håm], dahinterstehn Niem[oi]s Gew[oi]t, ålles beredn [Owa’r] a ka Ångst vor irgendwem

    Refrain

    Rainhard Fendrich – I am from Austria (1989) Dei’ hohe Zeit is lång vorüber und a die Höll’ håst hinter dir, vo[n] Ruhm und Glånz is weni[ch] über, såg’ m[a] wer zi[ag]t no den Hu[a]t v[ua] dir, außer mir. I kenn’ die Le[i]t’, i kenn’ die Råtten, die Dummheit, die zum Himmel schreit, i steh’ zu dir bei Licht und Schåtten, jederzeit.

    Refrain: Då kånn ma’ måchen wås ma’ w[ü], då bin i he[a], då g’h[e]r’ i hin, då schm[ü]zt d[e]s Eis vo mein[a] S[ö]l’ wi[a] von an Gletscher im Apr[ü]. 177

    A wenn [ma]’s scho v[a]gessn [håm], i bin dei Åpfel, du mei Ståmm. So wi[a] dei Wåss[a] tålwärts rinnt, unwiderstehlich und so h[öö], fåst wi[a] die Tränen von an Kind, wird a mei Blu[a]t auf [amoi] schn[ö], såg’ i am End’ der W[ö]t voll Stolz und wenn ihr wollt’s a gånz alla – I am from Austria I am from Austria

    Es w[oa]’n die Störche oft zu beneiden, he[i]t’ fli[a]g’ i no v[ü] wei[da] f[ua]t, i s[ich] di’ meist nur von d[a] Wei[d]n, wer kånn v[a]steh’n wi[a] weh das månchm[oi] tu[a]t.

    Refrain I am from Austria

    Attwenger – abersee (1991) Hopopo goi - san dattwenger do es sand lustige leid jo wie sie shoamgeh ned gfreid. e e e – e e e jo mia [hom] de schenan zwe e e e – e e e jo mei [homd] mia sche. buama stehts zaum in kroas i sog eing wos i woaß zünts eing a pfeiffal au jo des rauka kau. hiatz schmeiß i mein huat in bo und spring eam söba no jo wei mi mei oida schotz [jo] a niama mog. losts eing die spüleid au wias musizian i muaß söbm drüba locha mei heaz duad si rian. sche wischarisch ummi sche schleifarisch zua wer zu sein diandl geht 178 is a lustiga bua. [Jauchzer] waun i a adal hed des si ned ria[ra]d oft miaßt i mas aussaschneidn jo daß mi ned iad. [Jauchzer] hobts eing zaum hobts eing zaum jo heid is koa sind und i hobs in kolenda gschaud jo heid geht da wind. [Jauchzer] a schleiniga a schleiniga a schleiniga muaß sei und do taunzt ma ka doikada jagasbua drei. diwehdiwehdiweh diwehdiaraseh seppal loß firageh wistarahe. a lickal a lickal a lickal muaß haum und wo hed denn da zimamau snagal eigschlong. lusti und kreizfidö hoam gemma ned so schnö hoam gemma moang in da fria oda goa nia.

    Hubert von Goisern und die Alpinkatzen – Koa Hiatamadl (1992) jå mei, jå mei w[au]nn i m[a] um a diandl schau dånn woaß i scho genau rund muaß sei und a wengerl resch u mei

    [jå] mei, jå mei de meist’n [weiwa] håm a gst[öö] zaundürr und måger wiadaw[üü] mei, jå mei a s[u]lch’ oane de kunnt’s nia sei

    Refrain: 179

    (2x) koa hiatamadl måg i n[e]t håt koane dickn wadln n[e]t i måg a [madl] aus da stådt wås dicke wadln håt [Jodeln] mei, jå mei die moni mit de [greanan] hoar is schena nu wia vorigs joar håt a gråd n[e]t wenig auf da wååg mei - u mei de annamiarl kenn i sch[au] då renn i liaba glei dav[au] is nix dra[u] [net] hint und [net] vora[u]

    Refrain sche san de landlertanz sche san de ålm[a]kranz drob’n au’fn huat b[o]id’ sche quigizen tuat [Jodeln]

    Marianne Mendt und Adi Hirschal – Kaisermühlen Blues (1994) Refrain: [Mir] le[m] in an Grätzl am Rånd von d[a] Stådt, wo ångeblich a jeder a Go[i]dherzerl håt, ‘s s[an] a p[oa] Gåssn und haufenweis’ Bam und meistens s[an] gånz g’w[e]hnliche Le[id] d[ua]t daham, ‘s gibt Gu[ad]es und Schlechtes, [unsa] Le[m] regiert der Kaisermühln-Blues.

    [Mir] san ka Big Apple, ka ewige Stådt, [mir] [håm] kane Stråßn, wås Pråchtauslågn håt, mit uns kånn Wien net direkt brilliern, mir låssn uns [oba] von niemand’ sekkiern, mir k[u]mm[a]n auf d’W[ö]t und rackern uns z’såmm zwischen låchn und [wana] und schmusen am Dåmm [mir] leben kl[a]-kl[a], [oba] trotzdem [recht] sch[e], es tu[a]t uns [nua] l[a]d, miaß ma irgendwånn gehn, ‘s gibt Gu[ad]es und Schlechtes, [unsa] Le[m] regiert der Kaisermühln-Blues.

    Refrain

    [M]ir [håm] ka Society oder wås si so nennt, doch is uns des wurscht, 180 w[au]nn d[a] Schmäh nur gu[ad] rennt. Zu uns k[u]mmt ka Sight-Seeing-Tour zum Gåffn, då drauf stehn ma eh net, [des san] ja nur Åffn. Mir [håm] an uns [söwa] in d’Haut eine gnua und w[ui]n von die åndern nu[a] uns[a] Ruah, mir brauchn ka UNO und ka große W[ö]t, kan Nåmen, kan Titel und nur wenig G[ö]d, ‘s gibt Gu[ad]es und Schlechtes, [unsa] Le[m] regiert der Kaisermühln-Blues.

    Refrain

    Ausseer Hardbradler – Tånz’n tat i gern (1997) WADARABARABABEI (2x) Tånzn tat i gern, wånn i na des Diandl hätt, [i]s’Suserl is h[oi]t mei Fre[i]d, [i]s’Suserl is nett!

    (2x) [Jå owa] weils nit derf, [no] nit alloan f[ua]tgeh derf.

    [Jå owa] des wa sche! [Do] håb i glei d’Muatter g’frågt: „Du, derf i mit’n Suserl geh?“ [Und] „Jå“, håt sie g’sågt.

    Refrain: (2x) Tånzn tat i gern, WADARABARABABEI

    (2x) [Jå] auf geht’s he[i]t, weil i hiaz des Diandl h[au], [i]s’Suserl is h[oi]t mei Fre[i]d, weil’s tånz’n k[au]!

    (2x) D’Musi sp[ü]t, he[i]t re[i]t mi går koa G[ö]d;

    [Jå owa] liaba Bua, hiaz wird glei so lång draht, bis da Håhn in da Fruah des ers[ch]temål kraht!

    (4x) Tånzn tat i gern, WADARABARABABEI

    Und dann sama mitanånda zu mir hoam g’ånga…

    (4x) Tånzn tat i gern, WADARABARABABEI

    DJ Ötzi – Anton aus Tirol (1999) (Anton, Anton, Anton...)

    Refrain: I bin so schön, i bin so toll I bin d[a] Anton aus Tirol Meine gigaschlånkn Wadln san a Wahnsinn für die Madln Mei Figur a Wunder d[e]r Natur I bin so [stårkch] und auch so wild

    181

    Ich treib es heiss und eisgekühlt Wippe ich mit dem Gesäß, schrein die Håsen SOS Und wolln den Anton aus Tirol

    Blaue Pille, Sellerie Des braucht so a Anton nie K[ch]oa Tattoo und k[ch]oane Schmäh A k[ch]oa Piercing und k[ch]oa Juche

    Bin k[ch]oa Softie, bin [a] Tiger Girls, so an Typ wi[a] mi (Ah, yeah) Des gab’s noch nie

    Refrain

    Anton, Anton, Anton, Anton Anton, Anton, Anton, Anton Anton, Anton, Anton, Anton Anton, Anton, Anton

    Abends dann im Discostadl Zoag i mi mit [fufzehn] Madl Denn gewinnen kånn nur i Ui, so schön woa i no nie!

    Låss ålle Buam im Regn stehn K[ch]oana is so urig sch[e]n Ahhh, bin i sch[e]n (Ah, is der sch[e]n)

    Stoak[ch]a Bua Von dir kriag i net gnua K[u]mm her und schmus mit mia I mech[a]t [noch] zu di[a]

    Refrain

    (Anton, Anton, Anton...)

    Die jungen Zillertaler – So a schöner Tag - Fliegerlied (2008) I lieg gern im Grås Und schau zum Himmel rauf Schaun de gånzn Wolkn ned lustig aus Und fliagt a Fli[a]g[a] v[ua]bei Dånn wink i zu erm rauf (Hallo Flieger) Und bist du a no dabei Dånn bin i supa drauf

    Refrain: (4x) Und i fliag fliag fliag wie a Fliega Bin so stark stark stark wie a Tig[a] Und so groß groß groß wie a Giraffe so hoch Und i spring spring spring imma wieda 182

    Und i schwimm schwimm schwimm zu dir rüba Und i nimm nimm nimm die bei da Hånd Weil i di mog Und i sog ... Heid is so a sche[a]na tog [Lalalalala] Heid is so a sche[a]na tog [Lalalalala] Heid is so a sche[a]na tog [Lalalalala] Heid is so a sche[a]na tog [Lalalalala]

    Die Vamummtn – Krocha Hymne (2008) Oida bam, mei hosn, schau wie’s eng is Schmiegt sie o wie z’klane Leggins Fetten Sound brauch I kan I kroch wurscht wo zum Sound vom Handy! Meine Moves die san möada Bam i geh o wi[e] a G’stö[a]da I kroch bei da Tånkn Kroch in da U-Båhn Kroch in da Schicht und turn die Girls ån [Brauch a] g’scheide [foab], [sollt] soli foahn Käppi brauch i a in Neon-foabn Pali-tiachln, Boxa-shit Wenns olle duan donn moch is mit Schicht is Pflicht, [M]illenium a Und a dass i übao[i] [Ed Hardy trog] Es is übao[i] gleich Und schnö in [an] Club [Krocha krochn] ident im Partnalook!

    Refrain: Glätt den Voki! Moch e[a]m glott! Glätt den Voki! Moch es sonft! Glätt den Voki! Moch e[a]m long! Glätt den Voki, BAM OIDA! FIX OIDA!

    A Krocha krocht mit Fiaß und Händ Olle Patientn fost ident Münzmallorca is a pflicht Ois Krocha brauchst a vabrendes G’sicht Und dazua z’große Brün Ed Hardy Cap in Neongrün Adidas-Bock aufe bis zum Knia Ois Krocha brauchst die ned geniern I schmink mi und zupf Augenbraun Rasier d[i] Fiaß und a mein Flaum Schlisslbandl um mein Haxn Um[an] Bauch mei Könataschl I bin da Hardstyla, Hardstepper Jumpstyla, Shuffletänza Kapplträga, Movemocha Afoch nua a cool[a] Krocha!

    Hast du das Zeug da? Komm nachher, es ist gut 183

    [Echt? Ah]

    Refrain

    (4x) Glätt denn Voki!

    Refrain

    HMBC – Vo Mello bis ge Schoppornou (2009) Såmståg Zaubod a dor Egg, I beo wiedor amaul Samstag abends in Egg (der nächst größere Ort) hålb varreckt bin ich wieder mal halb verreckt. Oas, zwo, drü, vier, fünf, seggs, siebo Gläsle 1 2 3 4 5 6 7 Gläser sind eines zu viel gewesen, sand oas zviel gsin, I gloub i ka nix daföar ich glaub ich kann nix dafür. No an letschta blick uf mine Rolex Uhr, häb oa Noch ein letzter Blick auf meine Rolex-Uhr - Oug zua, dass I jau do Zwölfar sea, ein Aug zu, dass ich noch den 12er seh’ Glück k[h]ea, glück k[h]ea und scho hat ar mi Glück gehabt, Glück gehabt, doch schon hat er gseah, Guni seyt itz züod fädo I toar nämle zuo mich gesehen min Lädo. Der Guni (der Chef des Lokals) sagt: „Jetzt geh endlich nach Hause, ich mach nämlich meinen Laden zu! “

    Refrain: Refrain: Vo Mello bis ge Schoppornou bean I gloufo, Von Mellau bis nach Schoppernau bin ich d’Füaß h[ea]mmo weh tau gegangen, die Füße haben mir weh getan Vo Mello bis ge Schoppornou bean I gloufo, Von Mellau bis nach Schoppernau bin ich d’Füaß h[ea]mmo weh tau gegangen, die Füße haben mir weh getan Weh tau, we tau, we tau, d’Füaß h[ea]mmo weh Weh getan, weh getan, weh getan, die Füße tau haben mir weh getan Weh tau, we tau, we tau, d’Füaß h[ea]mmo weh Weh getan, weh getan, weh getan, die Füße tau haben mir weh getan

    Usse ussom Tritsch - abe vor a Kässtadl - Hond Raus aus dem Tritsch (dem Lokal), runter vor usse - wato bis an K[h]arro k[h]unt den Kässtadl (auch ein Lokal), Oas, zwo, drü, vier, fünf, se[gg]s, siebo Stund[ä] Hand raus, warten bis ein Auto kommt. han I gwat[e]t und zmaul k[h]unt an rota Renault 1 2 3 4 5 6 7 Stunden hab ich gewartet - Clio dauhear auf einmal kommt ein roter Renault Clio daher. Deanna huckt an Dütscha Koch, ar seyt „Ich Drinnen sitzt ein deutscher Koch, er sagt: kann Dich mitnehmen bis nach Mellau von da ich kann dich mitnehmen bis nach Mellau (der an musst du schauen wie du selber überübernächste Ort), weiterkommst und jetzt steig ein und mach das von da musst du schauen wie du selber Fenster auf es stinkt“ weiterkommst, und jetzt steig ein, ja reg di ned uf Zefix!! und mach das Fenster auf, es stinkt! „Ja, reg dich nicht auf zefix“

    Refrain Refrain

    Blausa k[h]ea an Füaßo, Blausa k[h]ea im Kopf, Blasen gehabt an den Füßen, Blasen auch im so bean I ietrolat i üsa Gad[a]schopf Kopf, so bin ich reingestolpert in unseren Oas, zwo, drü, halbeviere wiad as gsin sin Gadoschopf (so eine Art Veranda, üblich bei D’Mama ischt scho ufret gsin, Si seyt „Ey Buo alten Bregenzerwälder Bauernhäusern). wau bischt scho wiedor gsin? Allad 1, 2, 3, halb 4 wird es gewesen sein, die Mama umanandsufo das kann as doch nüd sin, das war schon wach. Sie sagt: „Ach, Junge, wo kann as doch nüd sin, ey Vatr saig ou amaul warst du schon wieder? Immer um die Häuser eatz“ ziehen, das kann es doch nicht sein, geh, Vater, 184

    „Ja lassa macho ar wiat scho weasso wås ar sag doch auch mal was!“ tuot“ „Ja lass ihn machen. Er wird schon wissen was er tut.“

    (2x) Refrain (2x) Refrain

    Skero ft. Joyce Muniz – Kabinenparty (2010) Die anen foan noch Ibiza die ondren noch Udine Wir bleiben im Parkbad måchn Party in Kabine Hallo geile Biene gemma no a bissal schwimmen i brauch nur mei Håndtuch no des in d[a] Kabine drinnen Wås du sågst kånn ned stimmen i mein das voll ernst mit dir schau in [m]ei Sonnenbrille. [i waß wirkli ned wos nimm i] Jolly Twinni schicke Bikinis [s]unn brennt oba wir san hinig geh ma no a weng in Schottn drom in da Restn Chibal brodn Des hets jetzt nie darodn mie sichst ei[n]glich nie in da Hockn wir san schowieda Bodn [Linz liegt net um sunst am hofn] A in der Nocht kenna ma’s ned lossn Shhht Kibarei drom bei da stroßn [heit] wern[s] uns ned v[a]hoftn wi[a] we[a]n die Weiber blosn lossn [Scheiß au] oida k[u]mm jetzt eina die foan eh scho wieda weida Sei ka luschie schwigts en Booty getscho måch dich nackig Mutti

    Refrain: Kabinenparty getscho gemma vulgas Kabinenparty He wos måchst denn du da Kabinenparty mei Kabine is supa Kabinenparty Getscho schwimm[a] ma ans Ufa

    Heast I glaub do kummt a We[da] drom bei de Berg om hots scho gschebat pockts eich zom s[u]nst wird ois le[t]schad wos dadats ihr wons mi ned hedats

    [Rap auf Portugiesisch]

    Es is verraucht laut und eng da Schweiß tropft von de Wend wånn no ana einekamad häts die gånze Hittn gsprengt Wo is [jetzt] de ane klane grod hob is no gseng I bin scho gånz Plem Plem, Die Hormone tånzn Pogo boid is des a Gang Bang Oba wort amoi schnö i kenn wen d[o] mit de flinken Finger is des ned da DJ Dan gwen

    I glaub i pack des nimma länger in dera Kabin’ wird’s imm[a] eng[a] Sogor da Bodewaschl hods scho gschnoid und wü s[i] einadrenga Ruadaleiberl und [bierbauchfrei und] Schnauzbort wir da [Mike] Hammer Sog eam e[a] [soi] s[i] glei schleichn i hob bucht bis September 185

    Refrain

    Trackshittaz – Oida taunz (2010) Du stehst im Club (Club) Und olle haum vom Taunzn gnua Sound hod kann Druck (Druck) Jo und desweng schauns nua zua DJ spüt Schaß Fü z’wach oida, staumpfn muaß D’Weiba wan haß Haß oida, daumpfn duads

    Dau[n] kumt da Quetschnsound Olle schaun si deppad au W[ei] der fetzt unta d’Haut Olle hean zum Meckan auf De Quetschn hod wos drauf Puppn, pock[t] [an] Schlecka aus Geleck do schauns Und glaubm, dass mia an Pecka haum

    De erstn Kepf nickn Höhö, de Depf wippn Laungsaum kimd da Sta ins roin In dera Dreckshittn De erstn Kepf nickn A wauns nu recht kraumpad dan Wir haumd an neichn Taunz am Start

    Höhö, hm hm

    (2x) Refrain: Taunz Links a Schriat Rechts a Schriat Geht scho, oida taunz Händ’ ind Heh Schnipp zum Beat Geht scho, oida taunz Quetsch de Luftquetschn [Geht scho], Quetsch de Luftquetschn (oida taunz) Quetsch de Luftquetschn [Geht scho], Quetsch de Luftquetschn

    Gemma Gas, gemma Gas Heast, wie geil de Quetschn klingt Gemma Gas, gemma Gas Wei sunst bitte glei a Detschn kimd Jeda was, jeda was 186

    Mit da Quetschn host an se[xt]n Sinn Jeda was, jeda was Host an Fetzn, host nur Sex im Sinn

    Und jetzt taunz den Quetschntaunz Daun host an Riss bei de Weiba Aufs gaunze geh Aufs gaunze, leg nu zua a bissal a Scheibal Und jetzt taunz den Quetschntaunz Resultat san z’rissene Kleida Ob do wird hoat zensiert Drum geht do de Gschicht a ned weida

    (2x) Refrain

    Hubert von Goisern – Brenna tuat’s guat (2011) wo is da plåtz wo da te[if]l seine kinda kriagt [wo] is da plåtz wo [ois] z’samm rennt wo is des fe[i]er hey wo geht ’n gråd a blitz nieder wo is ’n [de hitt’n] wo [da stodl] de[r] brennt

    [håm] ma pech od[a] an lauf f[oi] ’n ma um od[a] auf samma dünn od[a] dick [håm] an reim od[a] gl[i]ck teil ma aus, schen[g] ma ein toan ma uns [o]bi od[a] g’frein [san] ma christ hä[d] ma gwisst wo da te[if]l bau[d] in mist

    Refrain: [a] jeder woass, dass [des] g[ö]d nit auf da wiesn wåchst und essn ka[u]n ma’s a nit [owa] brenna tat’s guat [owa] hoazn toan ma [in] woazn und de ruabn und [i]n ku[ga]ruz [und] wånn ma lång so wei[da] hoazn brennt da huat wo is des g[ö]d des wås über[oi] f[öh]t jå håt [’n] koana an genierer wieso kemman [oi]wei de viara de liagn, de die w[oa]rheit verbi[a]g’n und wånns nit kriagn wås w[ui]n 187 dånn wird’s [hoit] g’st[ui]n, [he de sui] der te[if]l h[ui]n wo is da plåtz wo da te[if]l seine kinda kriagt [wo] is da plåtz wo [ois] z’samm rennt wo is des fe[i]er hey wo geht ’n gråd a blitz nieder wo is ’n [de hitt’n] wo [da stodl] de[r] brennt

    (4 x) Refrain [Jodeln und Jauchzen]

    Ansa – Businessplan (2014) Sie [manan], Rapper sein is easy, und a Traumjob Doch so afoch isses ned, du brauchst ständig an Output Du brauchst ständig wos neichs, wos si ohebt von de tausend Ondern Crews, und wennst as gschofft host, host deswegn no long ned ausgsurgt Du musst an di glaubn, egal wos die [o]ndern sågen W[eu] ansonsten wirkst du für die lautlos Egal, wås d[a] Masse taugt, am bestn olles onders mochn Sonst bist du nur aner vo vün in a[n] Riesenhaufn Da miassast scho die Nådel sei, die ma find Doch in Österreich gibts für des so gu[a]t wie kane Chancen Hier behåndeln di fost ålle gleich, w[eu] sie san blind Wos onderes ois Vo[i]ksmusik losst si ned vakaufn Im Endeffekt sads olle feig, des konns ned sei Olle sans bequem und li[e]gn auf d[a] faulen Haut rum Wö i bin ma sicher, wenn wer ån di glaubt, warats leicht Und Musiker in diesem Lånd a Traumjob

    Refrain: Oba so is’ ned, na, na, na Sie legn da nur Stana in den Weg Und [ian] Businessplan Konn a beim besten W[ü]lln ka Musiker vasteh’ Sie zagn da nur Disrespekt Und mochst wos guat, stehst du eahna nur im Weg W[ei] in [ian] Businessplan Passt du ned eine, somit bist ned existent

    Und w[e]nn da kana hüft, od[a] di kana spüht Is a jeder Release, den du mochst, eigentli ums[u]nst W[eu] scho a Monat später, noch Release, frogn di die meisten Wonns denn wieder so weit is, und wos neiches außa kummt In Österreich, da hüft nur touren und bissl live spühn Wei kana mehr wos kauft, sondern auf YouTube MP3s rippt Somit host nur an Support, wennst live am Mic bist 188

    Und natürlich vo de Hardcorefans, [es] sads und bleibt[s] die geilstn Danke an jedn, der mi scho [siebn] Jo[a]h supportet Der si mei Album kauft, obwohl’s im Netz eh umas[u]nst is An olle, di m[a] nach n[a] Show persönlich gratuliern Wei s’as feiern, und wissn, i bin afoch nur wie sie I büd ma nix drauf ei, und moch Musik nur für mi Investier mei[n] letzten Cent in des, a wenn dabei nix rausk[u]mmt Scheiß drauf, i red mas ei, vielleicht wirds [moi] so sei Und Musiker in diesem Sinn a Traumjob

    Refrain

    Traurig, [oba] wo[a]h So schaut’s aus, verkaufst d[ei] Seele ned an Major-Labels Wirst vo Radios ausglocht Spühst ned mit, bist für sie nur a Dorn im Aug Kaner bringt die auße, und *[schnippst mit den Fingern]* is dei Traum plotzt Wenn di kaner pusht, bist medial ned existent Kana nimmt di wo[a]h und merkt somit a ned, dass’d wos drauf host Scho lustig, wenn ma bedenkt, dass i [fuchzehn] Jo[a]h scho rapp’ Und medial no immer kan Support hob Dabei kennt mi fost a jeder, i bin do gor ned so schlecht Im Gegentei, i find sogar, dass i aus der Masse herausrog Kane schlechten Themen und oft an kritischen Text Am[o]l witzig, am[o]l ned, oba immer mit n[a] Aussog Egal, i hob mi schon drån g’wehnt, mein Traum leb i no immer Dabei bin i scho long aufgwocht Vielleicht ändert si mo[i] des System Und Musiker zu sein in diesem Lånd wird si mo[i] auszo[i]n

    Refrain

    Ansa – Lalala Nana (Illusion) (2014) (die Numm[a], oiso die is wirkli a Waunsinn Die hat Potential, des wird a Wöthit, i gspia des Wi[a] wern Kohle noch und nöcher scheffln Des kau echt wos, des foa[h]t, die Numm[a] Moch mas wia i ma des denk und du bist wirklich Des is supa afoch, [ha], mochn ma des so)

    [Ollas Illusion] In dem Lånd wirst ned g’spüt ohne an Beat wie diesen do [O]hne an Text der sinnlos is, wie Kriag und so A bissal Message is ok, oba die Leit ned überfordern Sonst nehmens as ned aun und kana fühlt den Song Schimpfen is ned drinn, des huachn a Kinder Und stått offener zu werden wird ois konservativer Und red ned üba Homosexuelle negativ Des Lånd is voi davo Oiso Them[a]nwechsl, fett[a] Beat! 189

    Do rennt wos schief, na so schoff ma nie wos In unsere Charts passt ka Mund[oa]t-Hip-Hop Billboard Charts; do importier ma do vü liaba A poa Liada von Amis, ka Aufwånd und funktioniert a Heavy Rotation, bis [a] ausglutscht is, d[a] Song Und a wenn a kontrovers is, is a englisch, wos sois Kümmert kan, der is eh scho Platin oda Go[i]d A Wochn vorm Release, a wenn ma ’n söba zoin

    Refrain Oiso sing ma a bissl wos A bissl wos, wos hängan bleibt A bissl lalalala oda nana Ohohohoh Olle singans (lalala nana) Olle sans valiebt (lalala nana) Des Lebn is sche (lalala nana) (ollas Illusion) Olle singans (lalala nana) Olle taunzn (lalala nana) Olle san sche (lalala nana) (ollas Illusion)

    I hob glei mit da Hook augfaungan, damits a hänga bleibt Vier Akkorde g’spüt in an Loop, prägt si ei Des Piano wos glei kummt untamoit und untastreicht Des gånze no a bissl, so nebnbei I was i red do leicht daher, oba es stimmt Und wiast sichst, nickst grod mit zu dem Beat Und wenns wer finanziert, daun wirds a Hit Des geb i da gern schriftlich Weu scho all[a] die Hookline so simpl gestrickt is Und a jeder mitsingt, ob as wü oda ned Dats eam spün drei moi d[i] Stund, liabst a du den Track Nua is die Frog, ob ma des wü Und w[en]n mas wü und dazu steht I persönlich eher ned, doch wenns passiert is ok Wei Sellout woa i nie Hob mi no ned und werd mi a in Zukunft ned v[a]kaufn für die Industrie I moch Musik und wollt nua zagn, dass’ echt easy wa A Liad zu schreibn, wos eine geht und jeda singan kau

    Refrain

    Andreas Gabalier – Amoi seg’ ma uns wieder (2014) Uns oin is die Zeit zu gehn’ bestimmt Wie a Bla[d]l tro[n]g vom Wind geht’s zum Ursprung zruck ois Kind Wenn des Bluat in deine Odern gfriert Wei dei Herz aufheat zum schlo[n]g und du aufi zu die Engerl fliagst Donn hob ka Ongst und loss di anfoch tro[n]g

    190

    Wei es gibt wos noch dem Lebm, du wirst schon segn

    Refrain: Amoi se[g] ma uns wieder Amoi schau i a von obn zua Auf meine oi[d]n Tog leg i mi dankend nieder Und moch für olle Zeitn meine Augn zua

    Ois wos bleibt, is die Erinnerung Und sch[e]n långsåm wird da kloa, dass nix mehr is wias woa Donn sui die Hoffnung auf a Wiedasehn Mir de Kroft in mein Herzschlog le[n]g, um weiter zu lem

    Refrain

    A Liacht sui da leichtn bis in die Ewi[ch]keit Zur Erinnerung ån dei Leb[m]szeit

    Refrain Auf meine oi[d]n Tog leg i mi dankend nieder Und moch für olle Zeitn meine Augn zua

    Seiler und Speer – Ham kummst (2015) Letzte Nocht wo[a] a schware Partie fia mi Dass i ned glei Ham kumm, wo[a] vo Onfong o klo[a] Letzte Nocht wo[a] a schware Partie fia mi I konn mi ned erinnern wos gestan wo[a]

    Refrain: Und sie sogt: Waunst oamoi n[o] so Ham kummst, sa ma gschiedane Leid Waunst oamoi n[o] so Ham kummst, host die Scheidung, mei Freind

    Letzte Nocht wo[a] a schware Partie fia mi Olle homs mi eiglondt und do sogt ma ned „Na, na, na!“ Letzte Nocht wo[a] a schware Partie fia mi Hob mi guad untahoi[d]n – und na, do geht ma ned Ham, Ham, Ham!

    Refrain

    Letzte Nocht wo[a] ka schware Partie fia mi Bin um Ochte Daham gwen mit Bluman und Sekt! Letzte Nocht wo[a] doch schware Partie fia mi Wei am Tisch is a Briaf gle[n]g und mei Frau de wo[a] weg, weg, weg!

    Und sie schreibt: Waunst oamoi n[o] so Ham kummst, donn is ma des Wu[a]scht Waunst oamoi n[o] so Ham kummst, donn fü Spaß, wei I bin fuat

    Jetzt host wos du wuitast, wia san gschiedane Leid D[i] Kinda griagst du ned in nächster Zeit Den Hund den griagst du a ned und des Haus, des keat mia 191

    Und waunst [a]s ned [glaum] k[au]st, des steht am Scheidungspapier-ier-ier! Schwo[a]z auf weiß!

    Waunst oamoi zu mia Ham kummst, ru[a]f i d[i] Polizei Waun du oamoi zu mia Ham kummst, donn speans di ei

    Und es geht: Tatü Tata, Tatü Tata Es geht Tatü Tata Wos wü dea Pücha da? Tatü Tata, es geht Tatü Tata Es geht Tatü Tata Wos wü dea Pücha da?

    Granada – Ottakring (2015) Gelegentlich verlauft man si, dann schaut [man] wieder raus Und an anderen Tagen kennt ma sich gar ni[x] mehr aus Lange Zeiten geht’s [so] auf, dånn wieder ab Und am Bodn w[oa]tet’s Ende, aber auch ein neuer Start Also ohne eine Sorge können wir sehr gut gut blei[m] Mit allem wås uns lieb is, ja mit allem wås wir sind Denn ohne eine Zuversicht gibt’s Lebn n[ed] v[ü] her Du frågst ob ich im Regn steh’, na, i bin scho hier

    Refrain: In Ottakring, in Ottakring Wo d[e]s Bitter so v[ü] süßer schmeckt [ois] irgendwo in Wien In Ottakring, in Ottakring Wo d[e]s Streetlife amål gibt und [a] ånd[a]mål a nimmt In Ottakring

    Ja, manchmal is d[e]s Lebn n[ed] nur leicht sondern schwer Und manchmal is die Liebe so weit weg und will n[ed] her Aber alles was wir brauchn, was uns antreibt unter[m] Strich Ist oft versteckt in Gürtelnächtn unter’m trübn Licht Das was uns gelegentlich [auch] [ein]mal anlacht Ist das was uns gelegentlich auch eine Freude macht Und alles was wir [lieben], oh das lieben wir so sehr Ja, manchmal ist’s der falsche Ort, doch heute sind wir hier

    Refrain Wo d[e]s Lebn einmal berauscht und ein andermål bedingt Oh-oh-oh Oh-oh-oh

    Gelegentlich verlauft man si, dann schaut man einmal ein Ein ewiges Herumirrn, doch am Ende willst nur heim Und ob du wirklich richtig stehst, siehst du wenn das Licht angeht Und blei[m] die Lichter aus bist du z’haus’

    Refrain Wo d[e]s Streetlife amål gibt und [a] ånd[a]mål a nimmt Refrain 192

    Is d[e]s Lebn dir gut gesinnt, a wenn[st] pinklst [gengan] [Wind] [2x] In Ottakring

    Voodoo Jürgens – Heite grob ma Tote aus (2016) Heit fo[a]h ma mit da Geist[a]bauhn Heit schau ma si des nücht[a]n aun Heit sprech ma olle Sätz v[a]kehrt Schau ma wos si duat unta da Erd’

    Heit kräu ma ausn Schnecknhaus Heit loss ma unsre Kinder z’Haus Heit speim ma is Essn aus Heit geh ma auf an Leichnschmaus

    Refrain: Jo heite grob ma To[d]e aus Jo heite grob ma To[d]e aus Jo heite grob ma To[d]e aus Heite geh ma friara z’Haus

    Heit taunz ma mit die greßtn Freind Und schenkn eana reinen Wein Heit gheat uns die gaunze Wöd Heit geb ma den[a]n Sandl[a]n Göd

    Heite sa ma freindlich waun uns wos ned passt Und zu de [de] freindlich san sand wi[a] a Gfrasst Heit schaut des Gaunze aunders aus We[u] heite grob ma To[d]e aus

    Refrain

    Heite sa ma stuiz auf uns Wi[a] findn sicha no an Grund Waun kana klatscht gebn wia Applaus We[u] heite grob ma To[d]e aus

    Heit reiß ma’d Bla[d]ln vo[n] d[e] Bam Heit schau ma si des nücht[a]n au[n] Heit geh ma auf an Leichnschmaus Heite grob ma To[d]e aus

    Refrain

    (3x) Jo heite grob ma To[d]e aus Heit kräu ma ausn Schnecknhaus

    Refrain

    193

    Pizzera & Jaus – Jedermann (2016) Liebe mocht ned blind, sondern nur die Au[n]g gschw[u]in Wie[r] a storker Wind, den de Staudn ned tro[n]g w[u]in

    Meine Freind hom gsogt, du hosd mi ned v[a]dient Du bist unreif, unehrlich, n[o] a klanes Kind I hobs ned hean w[u]in, i hobs ned seng s[u]in Liebe mocht ned blind, sondern nur die Au[n]g gschw[u]in Wei spätestens noch an Joa hobi gseng, dass Du neben dir kan ondern Menschn lebn losst Und nix gebn hos[t] und jeden stehn losst Der ned bedingungslos fia di [a]nfoch sei Lebn losst

    Und jetzt gspiast, dass du gfrierst, wenn du ned koidn wirst Du verbliast und verlierst, weil du niemois kapierst Dass du den An[a]n kobt hosd, der die koidn hed Der fia di d[i] greßtn Fösn [a]nfoch gspoitn hed

    Refrain: Und ned nur, dass du des niemois v[a]stehn k[au]nnst I wa mit dir durch ’n schlimmstn oller Regn t[au]nzt Und a w[au]nn du des niemois mehr so sehn k[au]nnst I hed olles fia di [daun], damit du schwebn k[au]nnst A gonzes Lebn l[au]ng, wär i dei Jederm[au]nn Und hed d[a] jedn Tog aufs neiche zagt, wie weit i fia di gehn Und zu dir stehn k[au]nn A gonzes Lebn l[au]ng, weil du fia mi de ane woasd, ohne de i niemois lebn k[au]nn

    Und deine Freind hom gsogt, des hoda ned v[a]dient Schau zua, dassa di wieda zruck zu si nimmt Oba du hosd nur glocht und dei Sp[ia]glb[üt] kennt Und wos hosd du gmocht? Dir deine Fliagl v[a]brennt!

    Jetzt kumm ma ned mit Föhla gmocht, sog ned es duad da lad Dass i von Onfong on Recht kobt hob, wasi söwa a Und wonn i dir n[o] an klan Tipp auf dein Weg mitgebn darf: Um a Liebe kämpft ma währenddessen ned danach

    Jetzt wanst und zergehst, weil du oll des [ersehnst] Wos grod vor dir verwest und du longsom verstehst Dass du den An[a]n kobt hosd, der die koi[d]n hed Der fia di d[i] greßtn Fösn [a]nfoch gspoitn hed

    Refrain Jeeehh... A gonzes Lebn l[au]ng

    Liebe mocht ned blind, sondern nur die Au[n]g gschw[u]in Wie[r] a storker Wind, den de Staudn ned tro[n]g w[u]in Fost wie bei[r] an Kind, wos d[i] Augn ned glaubn w[u]in Wie da Kuss von Klimt, den d[i] Fraun ned hom w[u]in 194

    Pizzera & Jaus – Dialekt’s mi (2018) Es is a ewige Liebe, de mi niemois v[a]losst Präziser ois de Maschin in de’st beim Kiwara blost Massiver ois jedes Fertigteilhaus, des du dir baust Wer is a? Da Dialekt, der in dir steckt, den du host

    Des is a Eignschoft, a Tal vo dir, a Stück deiner söbst Des is a Leidnschoft, du beichtest mit dem, wie du di[ch] füh[l]st D[ei] Dialekt, der geht ned weg, egal wie sehrst di bemühst So wie a dreckigs Häfnpeckal, wo ka Laser ned hüft

    Trog i mit St[ui]z, wie a Medaille am Siegerpodest Wonnts’n ned w[u]its, ereilt euch meinerseits massiver Protest We[u] wos ihr s[u]its, is sein wi[a] ’s seits, und ned wie irgenda Rest A Schei[d]l H[u]iz, des si ned spoitn losst, nur dass’d mi v[a]stehst

    Und es geht: Jodiodiodiodiodio jodiodiodio, jodiodiodiojodio, jodiodiodio

    Es is egal, ob du an Osteinschlog host, oder du böllst Nur es gibt nix Peinlichers, wie w[au]nnst di v[a]stöllst So wi[a] [a] foischer Freind, der Bledsinn deiner Oidn dazöht So wi[a] a Wiener, der im Buschnschånk a Hoibe bestöht So wi[a] a deitscher Schitourist, der si am Töllalift quöt So wi[a] a Landbua, der am Burgtheater Witze dazöht

    I bin a Saubauern-Singer I a gescheada Prolet Hom mehr Talent im klan[a]n Finger Ois jeder Hauptstådt-Poet Und an klan[a]n Tipp gebn wir eich dringend mit auf’n Weg Geil muass’s kling[a]n und si sing[a]n, scheißegal wer’s v[a]steht

    Und kloa s[u]it[a]st im bestn F[oi] de schene Sproch a kenna[n] Nur a schena Råhm[a]n mocht a schiaches Büd ned schena

    Und es geht: Jodiodiodiodiodio jodiodiodio, jodiodiodiojodio, jodiodiodio

    Jodiodiodiodiodio jodiodiodio, jodiodiodiojodio, jodiodiodio Jodiodiodiodiodio jodiodiodio, jodiodiodiojodio, jodiodiodio

    Turbobier – King of Simmering (2019) (Eich hod owa a a bissl da Blitz peckt od[a]? Wos soll i synchronisiern? Ein Auto? Ein angsoff[a]nes Auto, bitte! Ein angsoff[a]nes Auto… Oida KITT, kreu ume Jo, bin scho do. Wos is? Wo foah ma hi? I glaub es is gscheida wonn du foahst. I hob a bissl a restfettn.) I’m riding on [se] good old Bim durch mei sch[e]nes Grätzl Cause I’m meeting Frånz, mein gua[d]n oidn Spezl In da Bim bin i da Höd, hob a jede Menge Zeit I griaß an jedn, der d[a] sitzt, wia ho[m] a Freid’

    195

    Mein Tog, den nutz i effizient, i bin jo echt ka Depp I catch always glei zehn Fli[a]gn with one clap I’m called the King of Simmering I bleib’ genau d[ua]t wo i bin Cause somewhere else my life would make just no Sinn Refrain: That makes me no one so fast after Des mocht mir so schnö kana noch Bei mir is everything in butter Des is a gaunz klore Soch I want to say it honestly I sog’s eich jetzt gaunz clear I bin hoit gern daham in mein Quartier Is ois relaxed here without Eile Good things need hoit Weile Und Mädl’s gibt’s do gnua, sog[oa] a geile The early bird, so hob i’s g’h[ea]t, der faungt zuerst den Wurm, Jedoch der early bird is bei mir scho laung [g’stuam] I’m called the King of Simmering, i bleib geanu d[ua]t, wo i bin Cause somewhere else my life would make just no Sinn Refrain That makes me no one so fast after Des mocht mir so schnö kana noch Mei Simmering is hoit a hort’s Pflaster Des is a gaunz klore Soch (3x) That makes me no one so fast after Des is a gaunz klore Soch

    Coffeeshock Company - Jetzt erst recht (2019) Es hot [fünfadreißg] Grad und d[a] Schnee liegt am Tisch Des is biza[a] auf Ibiza do drah ma heite no an Fisch Die Kollegin hot a Öl und wir schwimmen olle drin Mitn Strohhoim durch die Nosn I’m the Red Bull King

    Madl huach zua I bin d[a] große Mocha[ts]check An Fernsehsender host [du] noch dem Obnd im Gepäck Mit[’n] G[ui]dschåtz auf’[n] Schädl geht’s dånn: „zack, zack, zack” drei vier Leit servier ma o, den ondern brich ma no is [G]nack

    Refrain: Joschi wos moch ma heit? Du sogst on, I übersetz Joschi wos moch ma heit? Aber alles nach Gesetz Joschi wos moch ma heit? Des wird unser großer Deal Joschi wos moch ma heit? (8x) Heit v[a]scherbl’ ma die Krone!

    Schau di um bei dir daham, schau da on Orbanistan 196

    Schau wie ma duat auframt, ich glaub auch, dass ich das kann Madl vergiss Kalashnikov kennst du Glock bum bum A klane Spende Baby ziag on und dann hacken wir uns um

    Refrain

    Heast die Oide die is schoaf und die hot a geiles Gstö’ Heite drah ma no a Linke, du waßt eh des geht gånz schnö Achtung Falle!! D[i] hot dreckige Fiaß Oba check amoi des Wossa und i privatisiers

    (8x) Heit verscherbel’ ma die Krone!

    [Jetzt erst recht. Genug is genug]

    197