Freitag, 6. Juli 2018 2 schwerpunkt Freiburger Nachrichten

Cuchaules für die Bundesräte Die Bundesratsreise führt die Landesregierung jeweils in den Heimatkanton des Bundespräsidenten. Dieses Mal war das «Fähnlein der sieben Aufrechten» mit im Greyerzerland und in der Broye unterwegs. Heute trifft es sich mit der Bevölkerung in Freiburg.

Jean-Claude Goldschmid

CHARMEY Eine Wandergrup- pe mit Personen mittleren Al- ters steigt einen Hügel neben Charmey hinunter, um vor ei- nem hübschen Chalet Halt zu machen. Die Sonne scheint durch die Wolken, Schmetter- linge fliegen über das duften- de Gras. Die Stimmung ist lo- cker. Man lacht, ist in Jeans oder Hemden ohne Krawatten gekleidet … Da bildet sich plötz- lich eine Traube von Journalis- ten um die Gruppe. Kameras laufen, Mikrofone werden ge- schwenkt, und dann in einigem Abstand stehen Polizisten.

«An allem bin ich schuld, am AHV- Alter, an den Krankenkassen­ prämien und jetzt auch noch am schlechten Wetter.» Alain Berset Bundespräsident

Die Wandergruppe war keine gewöhnliche. Hier war der Bundesrat in corpore im Val- de-Charmey unterwegs – im Rahmen seiner jährlichen «Schulreise», die ihn jeweils in den Heimatkanton des am- tierenden Bundespräsidenten führt. Nach Joseph Deiss (CVP) Bundespräsident Alain Berset, Bundesrat und Bundesrätin unterwegs im Greyerzerland. Bild Charly Rappo 2004 war die Reihe dieses Mal an Alain Berset (SP), und so gastiert die Landesregierung allem «Arbeitskollegen». Nach Nach dem Pressetermin Alain Berset nutzte die Ge- von Bern nach Bulle – wobei kerung auf dem Programm, die noch bis morgen zwei Tage neun Monaten im Amt wisse stand eine Begegnung mit der legenheit, um vor versammel- schon die ersten Cuchaules ab 12 Uhr im Kraftwerk Ölberg lang im Freiburgerland. er nun langsam auch, wie je- Bevölkerung im Zentrum von ter Festgemeinde eine frei probiert wurden. Danach be- neben der Mittleren Brücke der ticke. Simonetta Somma- Charmey auf dem Programm, nach La Fontaine selbst ge- suchte der Bundesrat das Res- über die Bühne geht. Auch eine «Die Menschen im Zentrum» ruga (SP) fand es schön, dass die trotz jäh einsetzendem Re- schriebene Fabel zum Besten taurant «Gare à toi» – eine so- Delegation der Kantonsregie- «Die Stimmung ist sehr gut», «für einmal die Menschen gen von fröhlicher Stimmung zu geben: diejenige vom Bären ziale Einrichtung – sowie das rung wird zugegen sein. sagte Bundesrat Guy Parmelin und nicht die Politiker im Zen­ geprägt war. Dabei gab sich und dem Stier, in Anspielung Kulturzentrum Ebullition, wo Wie hoch das Budget einer (SVP). «Es ist sehr schön, jedes trum stehen». nicht nur der gesamte Freibur- auf die Wappentiere von Bern die Greyerzer «Darius Band» solchen Bundesratsreise ist, Jahr eine andere Region der (CVP) lobte vor allem die «au- ger Staatsrat die Ehre, sondern und Bulle. «Aber als Bundes- die Regierungsmitglieder mit sagte Alain Berset nicht. Mitar- Schweiz zu entdecken.» Sein ssergewöhnliche Naturschön- auch Nationalratspräsident präsident bin ich sowieso an für ihre Ohren eher unge- beiter der Bundeskanzlei ver- Amtskollege (SVP) heit rund um Charmey», und Dominique de Buman (CVP), allem schuld», so Berset wei- wohnten Heavy-Metal-Klän- rieten den FN jedoch, dass sie bekannte, die Gegend sehr gut Johann Schneider-Ammann Nationalrätin Christine Bul­ ter. «Am AHV-Alter, an den gen verwöhnte. Abgeschlos- sich auf mehrere 10 000 Fran- zu kennen. «Ich war oft im Mi- (FDP) schwelgte in Kindheits- liard-Marbach (CVP), der Frei- Krankenkassenprämien und sen wurde der erste Tag im ken belaufen dürfte – haupt- litär hier», meinte er. erinnerungen. «In meiner burger Stadtammann Thierry jetzt auch noch am schlechten Broyebezirk. sächlich wegen der doch be- Für Bundesrat Ignazio Cassis Schulzeit war ich hier öfter im Steiert (SP) sowie der Syndic Wetter.» Begonnen hatte der Heute steht eine Begegnung trächtlichen Sicherheitsmass- (FDP) sind die Bundesräte vor Skilager», sagte er. von Charmey, Yves Page. Tag mit einer Extrazug-Fahrt mit der Stadtfreiburger Bevöl- nahmen.

Bundesgerichtsurteil stützt Ein in kleinem Rahmen produziertes das Freiburger Pflegepersonal Buch mit einer grossen Mission

Das Freiburger Kantons­ en Zeitvergütung im Dezember nehmen können. Das Bundes- Auf die Krebsliga Mithilfe seines Umfelds und gericht hat das rechtliche 2009 im Amtsblatt des Kan- gericht folgt nun dieser Argu- aufmerksam machen und den zwölf Abschiedsbriefen Gehör zweier Pflegefach­ tons Freiburg veröffentlicht, mentation: Die Überlegung des einen Teil des Ertrags des Mädchens überwindet er schrieb das Gericht. Diese hal- Kantonsgericht, dass das Pfle- nach und nach die Trauer. personen verletzt. Das sagt te klar fest, dass eine rückwir- gepersonal eine Einsprache ge- ­spenden: Dies will Autorin «Die Leser haben mir ge- das Bundesgericht. Nun kende Vergütung ausgeschlos- gen die Verordnung hätte ein- Silvie Schafer mit ihrem sagt, die Geschichte habe sie muss wieder das Kantons­ sen sei. Die Angestellten hät- legen müssen, sei «völlig neu Buch «12 Abschiedsbriefe» sehr berührt», meint die Ka- gericht entscheiden. ten im Moment der Publikation und dazu auch unvorherseh- erreichen. techetin, die die gut 200 Aus- gegen die Verordnung Einspra- bar». Dies umso mehr, als das gaben vor allem durch Mund- FREIBURG/LAUSANNE Freibur- che einlegen müssen, und zwar Pflegepersonal in seinem Re- Carine Meier zu-Mund-Werbung verkaufen ger Staatspersonal, das in der innert 30 Tagen beim Bundes- kurs nie auf die Verordnung konnte. «Viele Leute haben mir Nacht arbeitet, hat Anspruch gericht, also noch im Janu- eingegangen sei. Vielmehr ha- MARLY Silvie Schafer aus Mar- danach von ihrem eigenen Le- auf eine Zeitvergütung. Erst ar 2010. Weil das Pflegeperso- be sich der Rekurs gegen kon- ly hat schon immer gerne kurze ben erzählt und wie es auch waren es zehn Prozent der nal erst ein halbes Jahr später krete Entscheide und nicht ge- Texte oder Gedichte geschrie- vom Krebs beeinflusst wurde», Arbeitszeit, seit 2013 sind es bei seinem Arbeitgeber auf die gen einen abstrakten und ge- ben. Mit «12 Abschiedsbriefe» sagt Schafer. 15 Prozent. Dies war aber rund Rückvergütung gepocht habe, nerellen Akt wie eine Verord- hat sie nun ihren ersten Roman Es war allerdings sehr auf- vierzig Angestellten nicht ge- sei dieser Einspruch zu spät nung gerichtet. veröffentlicht, komplett in Ei- wendig, das Cover, ihre Websi- nug: Sie forderten, die finan- und erst noch an falscher Stel- Da die Argumentation des genproduktion. «Ich habe zu- te und die Produktion selbst zu zielle Abgeltung müsse rück- le erfolgt (die FN berichteten). Kantonsgericht daher neu und nächst mehrere Verlage ange- Die Autorin Silvie Schafer. Bild zvg organisieren, obwohl ihre Fa- wirkend bis 2006 angerechnet überraschend gewesen sei, hät- schrieben, aber oft keine Ant- milie dabei geholfen hat. Den- werden. Der Freiburger Staats- «Völlig neu» te das Gericht die Parteien da- wort erhalten», erzählt Scha- noch rät Schafer anderen auf- rat wies dies im Juni 2015 zu- Die beiden Betroffenen zo- zu anhören müssen, schreibt fer. Als dann im Jahr 2016 ihre ihr Umfeld auf die Krebsliga strebenden Autoren, sich von rück. Zwei Angestellte aus dem gen den Entscheid vor das Bun- das Bundesgericht in seinem Cousine und auch eine Jugend- aufmerksam machen. Absagen nicht entmutigen zu Pflegebereich rekurrierten mit desgericht. Sie beklagten, das gestern veröffentlichten Ur- freundin an Krebs starben, er- lassen: «Es ist besser, etwas der Unterstützung der Gewerk- Kantonsgericht habe ihr recht- teil. Es schickt den Fall daher hielt das Buch einen neuen Buch über Tod und Trauer Kleines selbst zu machen, als schaft VPOD (Verband Perso- liches Gehör verletzt. Das Ge- zurück an das Freiburger Kan- Sinn. Schafer beschloss, ihre Der Inhalt des Buches ist da- einfach gar nichts zu machen.» nal öffentlicher Dienste) und richt habe seinen Entscheid tonsgericht. njb Geschichte selbst drucken zu bei sehr passend für die Spen- Und sie fügt hinzu: «Ein Musi- gingen vor das Kantonsgericht. auf ein juristisches Argument Freiburger Kantonsgericht, lassen und jeweils zwei Fran- denaktion: Schafer schreibt ker kann ja auch zuerst auf ei- Dieses wies die Klage vor gut gestützt, das bis dahin nie auf- Entscheide 601 201587/88 ken pro verkauftes Exemplar über einen alleinerziehen- ner kleinen Bühne auftreten. einem Jahr ab: Der Staatsrat gebracht worden sei – ohne Bundesgericht, Entscheide an die Freiburger Krebsliga zu den Vater, der seine elfjährige Wieso also sollte man es als Au- habe die Verordnung zur neu- dass sie dazu hätten Stellung 8C_484/2017, 8D_3/2017 spenden. Damit will sie auch Tochter an den Krebs verliert. tor nicht können?»