Wirtschaft

Banker Ackermann

Banken Der Getriebene kein Wirtschaftsführer in Deutschland ist mächtiger – und keiner zieht so viel Häme und Hass auf sich wie Josef ackermann. aber der Chef der Deutschen Bank macht unbeirrt weiter. er kann gar nicht anders. Von Jan Fleischhauer

58 der spiegel 14/2010 ski war vor längerem zu einem abend in der russischen Botschaft in Berlin einge - laden, an ihrem Tisch saß auch der Deut - sche-Bank-Chef. Weil Schipanski Ge - burtstag hatte, beschloss die Runde, ihr zu ehren ein Lied anzustimmen. Die Wahl fiel, passend zum Ort, auf „Die Gedanken sind frei“. Bald schon folg - te ein weiteres Lied, so sang man sich in Fahrt, vorneweg ackermann, der über eine volle Stimme verfügt. Wenige Wo - chen nach dem ausgelassenen abend in der Botschaft meldete sich ackermann bei der Professorin und ihrem Mann in Il - menau, um sie an das beim abschied et - was leichtfertig ausgesprochene angebot zu erinnern, ihm ihre Heimat zu zeigen. Man verabredete sich für den Sommer, und als es so weit war, kam der Banker mit seiner Frau vorbei und ließ sich von dem ostdeutschen Paar drei Tage durch Thüringen führen. Schipanski erzählt nur selten von dieser neuen Bekanntschaft, sie ist nicht sicher, wie andere sie auffas - sen würden. außerdem will sie nicht in - diskret erscheinen. Unter normalen Umständen wäre es nicht weiter bemerkenswert, dass auch ein Mann aus der Spitze der deutschen Wirtschaft zu dann offenbar doch sehr zi - vilen Umgangsformen in der Lage ist und sich im näheren kontakt als umgänglicher kerl entpuppt. Im Fall ackermann liegen die Dinge etwas anders. Zu sagen, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank sei umstritten, wäre eine kolossale Untertreibung. es lässt sich mit gutem Gewissen sagen, dass es keinen anderen Wirtschaftsführer in Deutsch - land gibt, der so viel Häme, Spott und auch Verachtung auf sich zieht wie der Mann aus . Man muss nicht besonders tief im Presse archiv graben, um auf Zuschreibun - gen wie „unbelehrbarer Ignorant“ und „sozialer autist“ zu stoßen. Und es sind nicht nur verbohrte Linke, die in ihm die „arroganz der Macht“ verkörpert sehen. L

E Der ehemalige SPD-Parteivorsitzende G E I

P Franz Müntefering, ein eher verständiger S

R E Mann, sprach nur noch von den „acker - D

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S männern“, wenn er deutlich machen woll - S I E W

te, was in Deutschland falsch läuft. E C I

R Dass ihn die kanzlerin anlässlich seines U A

M 60. Geburtstags ins kanzleramt eingela - den hatte, war ein Politikum und für viele ie meisten Menschen, die Josef Im Gespräch hört er aufmerksam zu ein Skandal. Die affäre versandete dann, ackermann zum ersten Mal be - und lässt andere ausreden. Seine ange - auch weil Gerhard Schröder in seiner Zeit Dgegnen, finden ihn überraschend wohnheit, den Gesprächspartner beim Re - im kanzleramt noch ganz andere Partys sympathisch. Für einen Mann in seiner den direkt anzusehen, verstärkt den ein - geschmissen hatte, aber sie zeigt, was sich Position ist der Vorstandschef der Deut - druck, er sei an der Meinung seines Ge - mit dem namen ackermann politisch an - schen Bank im gesellschaftlichen Umgang genübers wirklich interessiert. Viele sind fangen lässt. es ist nicht ganz ungefähr - erstaunlich zurückhaltend. er drängt sich nach einem Treffen erstaunt, wie höflich lich, mit ihm näher bekannt zu sein, wenn nicht in den Vordergrund oder denkt, der mächtigste Mann Deutschlands auf - man ein öffentliches amt bekleidet. dass sich alle aufmerksamkeit sofort ihm tritt. Dabei wirft niemand ackermann vor, zuwenden müsste, wenn er irgendwo auf - es gibt Leute, die von verblüffenden ein Betrüger zu sein. Oder ein Trottel. er taucht, eine erwartung, die das Leben an erlebnissen mit ackermann berichten. gilt im Gegenteil als einigermaßen fähiger der Spitze eines Großunternehmens na - Die Physikerin und ehemalige Bundes - Manager. er zahlt auch weiterhin seine hezu unweigerlich mit sich bringt. präsidentenkandidatin Dagmar Schipan - Steuern in Frankfurt, obwohl es ihm ein

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Leichtes wäre, sein Geld außer Landes Ohne eine gewisse Rücksichtslosigkeit schäfte mit amerika. er ist schon lange zu transferieren. lässt sich ein Unternehmen ab einer be - nicht mehr selbst Herr seiner Zeit. Die Vorwürfe zielen nicht auf seine stimmten Größenordnung im Wettbe - Die Wohnung hat vier Zimmer in einer Leistung als Banker. es geht um die art, werb nicht erfolgreich verteidigen, das ist alten Frankfurter Patriziervilla, aus der wie er für seine Sache eintritt, inwieweit den meisten klar. Dass am Wachstum und Garage gelangt man ohne Umweg ins er bereit ist, Verantwortung zu überneh - damit auch am ehrgeiz der in der Wirt - Treppenhaus, das ist wichtig wegen der men für die krise, in die seine Zunft die schaft Verantwortlichen ein beträchtlicher Sicherheit. Die einrichtung hat seine Frau gesamte Weltwirtschaft gestürzt hat. Teil des allgemeinen Wohlstands hängt, ausgesucht, zusammen mit den Bildern, Der SPIeGeL schrieb kürzlich, wenn darüber besteht ebenfalls weitgehend nichts Repräsentatives, man soll sich irgendwo in der Wüste ein Fettnäpfchen einigkeit. wohlfühlen, also dominieren helle, war - stünde, ackermann würde es finden. Das Insofern ist nicht ganz unerheblich, was me Töne, den Wohnraum füllt eine ist mehr als eine Haltungsnote: Wer über genau den Chef der Deutschen Bank Couchgruppe. eine Bilanzsumme von 1,5 Billionen euro zu einer solchen Hassfigur macht. Man Vorher wohnte hier, verfügt und damit das nahezu Fünf fache kann auch sagen: zu einem solchen der damalige aufsichtsratschef der Deut - des Bundeshaushalts, muss sich an an - Feindbild. schen Bank, ackermann war gleich ne - deren Maßstäben messen lassen als der benan, in einem ausgebauten Dachge - Mittelständler, dessen Schuld er in den in Montag in Frankfurt, an der schoss. er dachte, das reicht, die meiste Büchern führt. Bockenheimer Landstraße türmen Zeit ist er eh unterwegs, aber so richtig Sein Verhalten entscheidet auch dar- esich die letzten Schneereste. acker - hat er sich in der alten Wohnung nie wohl über, wie die Bürger über Staat und Wirt - mann empfängt den Besucher an der gefühlt, also war er dankbar, als kopper schaft denken. es beeinflusst, ob es nach Haustür. es ist kurz nach 18 Uhr, vor we - ihn als nachmieter vorschlug. ihrem empfinden einigermaßen gerecht ackermann hat den Tag zugeht im Lande oder die Dinge ausein- 2,20 mit Sitzungen verbracht, am anderlaufen. Das wiederum hat erheb - Ära Ackermann 1,93 nächsten Tag kommt der en - liche auswirkungen auf politische ent - Bilanzsumme in Billionen € gere Führungskreis zusam - 1,52 1,50 scheidungen, beispielsweise über Steuern, bis 2005 nach US Gaap, ab 2006 IFRS men, dann ist er erst einmal und damit am ende wiederum auf das wieder für zwei Wochen weg, 0,99 Geschäftsergebnis der Deutschen Bank. 0,84 erst Tokio, danach Sydney, So schließt sich der kreis. 0,76 0,80 Mumbai und Singapur, ganz anfang Februar hat die Bank in Frank - genau weiß er die Reihenfolge furt ihre Bilanz für 2009 vorgestellt. Der auch nicht. Gewinn lag nach Steuern bei fünf Mil - er versucht, jeden Morgen liarden euro, am stärksten hat das Invest - 2002 03 04 05 06 07 08 09 um acht Uhr am arbeitsplatz mentbanking zugelegt und dort vor allem zu sein, egal, wo er gerade ist, der Handel mit anleihen. ackermann Gewinn/Verlust vor Steuern, in Milliarden € 10,0 so erhält er sich eine Form der war entsprechend stolz auf diese Leistung, !"#$%&"'!"()*# Routine. Wenn er irgendwo er sprach von der „beachtlichen Profita - 8,3 8,7 ankommt, geht er nach Mög - bilität“ seines Hauses, aber hier beginnt 6,1 5,2 lichkeit noch einmal um den 4,0 für viele schon das Problem. 3,5 2,8 Block, damit er wenigstens Sind die Gewinne nicht gerade der Be - einmal am Tag Tageslicht zu weis, dass sich im Prinzip nicht viel geän - sehen bekommen hat. €‚ƒ„ dert hat, fragen sie sich. Dass die Finanz - –5,7 2011 eigentlich könnte es ihm branche einfach weitermacht wie vor der egal sein, was andere über ihn krise, mit ihren riskanten Wetten auf al - )+' *)-"#&%")&($).*)! 7,6 schreiben. er hat in seinem Le - les, was sich an einer Börse handeln lässt, ben so viel Geld verdient, dass von Weizenpreisen bis kreditausfällen? 6,1 5,1 er sofort alles hinter sich las - 0,8 4,3 4,3 Wäre es nicht vielmehr angemessen, sich 3,5 2,8 sen könnte, wenn er wollte. In zu beschränken und durch eigene Regu - drei Jahren ist es eh vorbei, lierungsvorschläge zu zeigen, dass man nigen Minuten ist er mit dem Wa - dann endet sein Vertrag. aber es ist ihm auch in den Bankenvierteln aus den Feh - gen in die Tiefgarage gerollt. er –7,4 nicht egal. er sagt, dass die Menschen lern gelernt hat? hat sich noch schnell umgezogen eine ganz falsche Vorstellung von ihm Bevor Lehren gezogen werden können, und den anzug gegen einen roten hätten. er will, dass sie ihn sehen, wie er müsste zuerst einigkeit darüber beste- Pullover getauscht, es ist schließlich kein sich selbst sieht. hen, was falsch gelaufen ist, wer Schuld Geschäftstermin. Zwischen diesen beiden Sichtweisen hat an der krise – ob einzelne versagt er bittet ins Wohnzimmer, jemand hat klafft eine riesige Lücke. haben, wie der Banker glaubt, oder das ein Tablett mit Schnittchen angerichtet, Die Leute haben ein Bild im kopf, wie System als Ganzes. ackermann hat sein daneben steht eine auswahl von Säften. der Chef der Deutschen Bank lebt, sagt Unternehmen vergleichsweise gut durch „es hat bestimmt auch Wein und Bier“, ackermann, aber das Bild entspreche die schwere Zeit gebracht, das gestehen sagt er und bietet sich an, in der küche nicht der Wirklichkeit. Sie würden sich ihm selbst seine ärgsten kritiker zu, nachzusehen; ganz sicher scheint er sich ihn in einer kleinen, abgekapselten Welt aber zuvor hat die ge- nicht zu sein, was er im kühlschrank hat, des Geldes vorstellen, wo diejenigen mit nau jene Spekulationsgeschäfte befördert, also bleibt man lieber beim Saft. Zugang sich gegenseitig bewunderten die schließlich das System ins Wanken er hat sich überlegt, ob er einen Re - und zelebrierten, dabei sei dies das Letz - brachten. porter in seine Wohnung lassen soll. te, was ihn interessiere. an der auseinandersetzung um acker - nachher heißt es noch, er habe sich an - er erzählt von seiner Tochter, die an mann lässt sich auch ablesen, was die Ge - gebiedert, andererseits will er auch nicht der Filmakademie in Ludwigsburg stu - sellschaft von ihrer Wirtschaftselite er - kneifen. er hatte ursprünglich einen diert und gerade in einem brandenburgi - wartet, welches Betragen sie noch akzep - abendtermin vorgeschlagen, aber nun schen kaff namens Wiesenburg einen tieren will und welches eben nicht mehr. muss er später noch telefonieren, Ge - Film dreht. „Wenn die Leute erfahren,

60 der spiegel 14/2010 dass sie meine Tochter ist, dann heißt es, über das reine Profitstreben hinausgehen. len, die unter ihren Verlusten begraben was machst du hier, du musst doch in ei - Die Frage ist jetzt nur, wie das alles zu - wurden. Dass selbst auf die wildesten nem Schloss leben, mit Helikopter und sammenpasst. Fehlspekulationen in vielen Fällen keine so.“ Die meisten könnten sich offenbar „Ich sehe da eigentlich kein Problem“, Strafe folgte, findet auch ackermann un - nicht vorstellen, dass man ganz normale sagt ackermann. möglich, da ist er ausnahmsweise einmal Wünsche und Ziele im Leben habe. er sieht für sich auch kein Problem ganz nah bei der Meinung der Straße. ackermann macht eine Pause und durch die Finanzkrise, jedenfalls kein schaut etwas unschlüssig. grundsätzliches. Seine Bank hat sie gut ckermann ist in Mels aufgewach - „Ich will Ihnen einmal etwas zeigen, überstanden, und für die katastrophalen sen, einer 6000-Seelen-Gemeinde was sonst nie jemand zu sehen bekommt, Fehler der anderen, die nur dank eilig auf - aim Sarganserland, das die meisten aber ich habe es immer noch bei mir.“ er gelegter Staatsprogramme überlebten, soll Touristen nur von der Durchreise kennen, steht auf und läuft ins nebenzimmer, vor - man ihn nicht verantwortlich machen. wenn sie von Bregenz ins engadin oder bei an dem Trimmrad, mit dem er mor - er sagt, dass die Deutsche Bank trotz ins Tessin fahren. Heidiland heißt die Ge - gens trainiert, zum Schreibtisch. als er der krise ihre Verpflichtungen erfüllt gend bei den einheimischen, nach der zurückkommt, hat er einen kleinen Zettel habe, gegenüber den Mitarbeitern, den Heldin der gleichnamigen kinderbücher. in der Hand. Sein Vater habe ihm den ge - aktionären und den Bürgern. er verweist es ist eigentlich eine traurige Geschich - geben, als er zehn Jahre alt war, sagt er. auf die Steuermillionen und die Sponso - te: Das Waisenkind Heidi wird aus den er faltet das Papier auseinander, es ist rengelder, die auch im vergangenen Jahr Schweizer Bergen von einer Tante ins fer - schon etwas mürbe, man sieht ein paar geflossen sind, trotz Wirtschaftseinbruch ne Frankfurt geholt, wo sie so sehr an getippte Buchstaben durchscheinen. es und Bankensterben, das ist der Maßstab, Heimweh erkrankt, dass sie nicht mehr ist ein Gedicht. an dem er gemessen werden will. richtig isst und schläft und man sie zu - rückschicken muss. es ist eine Geschichte darüber, wie schlecht es einem gehen kann, wenn man seine Heimat und damit seine Identität verliert. Sein Vater war Landarzt, der erste, der es aus einer Familie einfacher angestell - ter und Bauern nach oben geschafft hatte. Was er selbst in seiner kindheit an Bil - dung vermisst hatte, sollten die eigenen kinder von anfang an bekommen. Be - reits mit sechs Jahren wird Josef deshalb in den Ferien auf eine Privatschule ver - schickt, um Französisch zu lernen. Bei den ackermanns zählen noch die alten Werte der Gebirgswelt, ohne die man es früher in der kargen Landschaft nicht lange machte: ausdauer, Fleiß, Dis - ziplin, dazu eine ausgeprägte Genügsam - keit. Geld ist genug da, der Vater ist schon Millionär, als es davon erst einige in der Schweiz gibt, aber es wird streng darauf geachtet, dass nichts verplempert wird. P

D einmal kauft die Mutter einen Mantel, D

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N der als zu gut gilt, um ihn zur Schule zu E S N

E tragen, also bleibt er im Schrank hängen. J

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E als die ackermanns Ferien in Venedig N I A

R machen, nötigt der Vater die Familie am Bankenretter Merkel, Steinbrück*: Das Verhältnis zur Politik ist kompliziert Tag nach der ankunft dazu, in eine billi - gere Unterkunft umzuziehen, weil ihm „In anderer Glück sein eigenes finden, Man kann mit ihm darüber diskutieren, die erste unangemessen teuer erscheint. ist dieses Lebens Seligkeit – und anderen aber das Gespräch wird schnell fruchtlos. ackermann erwähnt oft, dass er relativ Menschen Wohlfahrt gründen, schafft gött - auch die Deutsche Bank wäre zusammen - bescheiden lebe, darauf hinzuweisen ist liche Zufriedenheit.“ er liest den Vierzeiler gebrochen, wenn die Regierungen nicht ihm sehr wichtig. natürlich muss man schnell bis zum ende, dann faltet er den das gesamte Finanzsystem stabilisiert hät - das zunächst für eine eher belustigen- Zettel wieder zusammen. „also irgend wie ten. Ohne die Staatshilfen für die Hypo de Selbstauskunft halten: Der Vorstands - das Gefühl mitzugeben, freut euch an an - Real estate und den amerikanischen Ver - vorsitzende der Deutschen Bank hat im deren, macht etwas Gutes für andere, das sicherungskonzern aIG wären die Ver - vergangenen Jahr 9,6 Millionen euro ver - war bei uns immer auch wichtig.“ luste in 2008 noch viel größer ausgefallen, dient; zu der eigentumswohnung in Zü - keine Frage, es gibt stärkere entlas - aber ackermann hat nie direkt Geld von rich, in der er mit seiner Frau lebt, kom - tungsargumente als ein Gedicht, das man der Regierung genommen, das unterschei - men ein Ferienhaus im Tessin und ein seit über 50 Jahren mit sich herumträgt. det ihn von den meisten seiner kollegen, apartment in new York. Diese art von andererseits ist es ja schon einmal ganz auch in amerika. nun dient ihm diese Bescheidenheit würden sich viele Bürger beruhigend, dass auch der Chef der entscheidung wie ein Schutzschild, an wünschen. Deutschen Bank in seiner kindheit ein dem alle argumente abprallen, erst recht Was ackermann meint, ist, dass er sei - paar Werte vermittelt bekommen hat, die Begriffe wie Schuld und Moral. nen Reichtum nicht ausstellt oder wie Wenn aus seiner Sicht etwas im System andere in seiner Gehaltsklasse zu teuren * Bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung zur Ret - versagt hat, dann der Marktmechanismus, extravaganzen neigt. er hat keine Yacht tung der Hypo Real estate am 5. Oktober 2008. der diejenigen hätte vom Platz fegen sol - wie viele seiner kollegen von der Wall

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Street, er sammelt auch keine Inseln oder autos oder seltene kunstgegenstände. Von der Terrasse der ackermannschen Wohnung in der Schweiz hat man einen herrlichen Blick über den Zürichsee, ein paar hundert Meter die Straße hoch liegt das Dolder, das schönste Hotel der Stadt, aber ansonsten gibt es nichts zu sehen, was den Rahmen sprengt. Vergangenes Jahr hat er seiner Frau einen Fiat Cinque - cento zum Geburtstag geschenkt, dazu gibt es einen zehn Jahre alten Porsche, der nun meist in der Garage steht. Wenn er sich entspannen will, rennt er mit dem Hund den Berg hinauf. es ist schwer zu sagen, was normalität für jemanden bedeutet, für den Tageslicht ein knappes Gut ist. ackermann trägt seine akten tasche selbst, er kommt ohne assistenten im Schlepptau aus, die Leibwächter bleiben auf Distanz, weil er das so angeordnet hat. Wenn er ein Hotel verlässt, geht er zur Rezeption, um seine Rechnung zu zahlen, und verabschiedet sich persönlich vom Personal. Seine kreditkarten sind eine einfache Mastercard und eine grüne american express, wie sie praktisch jeder angestellte bekommt. aber bevor er einen Fuß auf die Straße setzt, wartet draußen schon die Limousi - ne, um ihn zum nächsten Termin zu fah - ren. Vier Helfer sind umschichtig damit beschäftigt, seinen alltag zu planen. Sein Tagesablauf ist nur zu schaffen, wenn die Leerstellen dazwischen minimiert sind, also ist jede Minute berechnet, jeder an - schluss geplant. Die einzigen Stunden, in denen er für sich ist, sind die Zeiten, die er in der Luft verbringt. Seine Heimat sei Sitzplatz 1C, sagt er gern, es soll ein Witz sein, aber der Satz ist gar nicht so falsch. Manchmal lässt er den Fahrer abends noch bei einer Currywurstbude halten, bevor es ins Bett geht. Seine Mittagessen Brüder Josef, Karl, Daniel Ackermann um 1955: Die alten Werte der Gebirgswelt vergehen oft mit Reden und Diskussio - nen, in denen er die Lage der Finanz - legtes Umspannwerk eingeladen. ein ro - wie klar ist, dass eine sechsstellige Sum - märkte erläutert. es gibt immer reichlich ter Läufer, der von kerzen gesäumt ist, me herausspringen wird. es gibt auch zu essen, alles sehr exquisit, aber bevor weist den Weg, zur Begrüßung gibt es schon einen Titel, „Risse im Fundament“, er eine Gabel nehmen kann, hat jemand deutschen Sekt aus dem Rheingau. Die obwohl, da ist er nicht festgelegt. „ach - schon wieder von rechts abgeräumt. Gewinne fließen schon wieder, aber man tung, Steinschlag“ wäre aus seiner Sicht es muss ein eigenartiges Leben sein, will trotzdem lieber nicht übertreiben. eine kraftvolle alternative. bei dem man den ganzen Tag vor vollen Den Tag über hat die alfred Herrhau - „Jetzt wird Geld verdient, der Markt Tellern sitzt, ohne etwas zu essen zu be - sen Gesellschaft der Bank einen kongress ist heiß“, ruft Steinbrück mit wachsender kommen. es hat in jedem Fall in solchen in der Hauptstadt veranstaltet, bei dem Begeisterung über die Perspektiven, die Momenten nicht mehr sehr viel mit dem es um die großen Zukunftsfragen des Lan - sich ihm auftun, und dann noch einmal der Menschen zu tun, die bei seiner Bank des ging. Für das Schlussreferat hatte man lauter, damit es jeder hören kann: „Der ein Girokonto unterhalten oder sich Sor - sich den ehemaligen Finanzminister Peer Markt ist heiß.“ gen um ihre Ratenzahlungen machen. Steinbrück ins Haus geholt, der dann die Von der Seite nähert sich ackermann, ackermanns Traum von normalität sei Gelegenheit nutzte, den Bankern ordent - der den nachmittag im Hotel verbringen es, an einem Samstag in Jeans unrasiert lich die Leviten zu lesen. es gab dafür musste. er hat sich irgendwo etwas ein - mit einer Zeitung unterm arm durch eine viel Beifall. gefangen, eigentlich wollte er absagen, Stadt zu laufen, sagt sein Sprecher Stefan Jetzt steht Steinbrück am eingang und aber dann haben sie ihn von der Herr - Baron, früher Chefredakteur der „Wirt - balanciert ein Glas des Deutsche-Bank- hausen Gesellschaft bekniet, doch noch schaftswoche“. Lässt sich besser ausdrü - Sektes vor seinem Bauch. er hat einen zu kommen, also hat er sich aufgerafft. cken, wie weit sich Josef ackermann von leicht geröteten kopf und sagt, dass er er will nicht, dass die Leute denken, er der Welt seiner kindheit entfernt hat? ein Buch über die Finanzkrise schreiben sei unzuverlässig. ein abend in Berlin, die Deutsche werde. Die agentin ist gerade auf Ver - „Schade, dass Sie beim Steinbrück-Vor - Bank hat nach kreuzberg in ein stillge - kaufstour bei den Verlagen, wobei irgend - trag nicht dabei waren“, sagt jemand, als

62 der spiegel 14/2010 eine Frau einsteige und er allein sei – sie sagen, das Prozessrisiko sei sonst zu groß. es ist eine Geschichte aus einer verrück - ten Welt: alle am Tisch lachen und schüt - teln den kopf. ein paar Stühle weiter sitzt eva Chris - tiansen, die Medienberaterin der kanz - lerin. am nachmittag ist das Gerücht durch die Versammlung gesprungen, Merkel habe sich von ackermann distan - ziert. Sie soll in einem Hintergrund- gespräch mit Journalisten sehr schlecht über ihn gesprochen haben. Christiansen versucht, die Sache kleinzureden, aber es ist klar, dass etwas vorgefallen sein muss. auch bei ackermann ist das Ge - rücht schon angekommen. Sie sei sauer, weil sie bei den amerikanern und Briten nicht weiterkomme, sagt er beim Raus - gehen. „Ich kann das gut verstehen, aber sie nimmt sich mit mir wirklich den Fal - schen vor.“ Merkel hat ackermann eigentlich im - mer gemocht, das lässt sich beileibe nicht von allen deutschen konzernlenkern sa - gen. Sie schätzt seine ruhige, überlegte art, auch dass er sich nicht ständig in Sze - ne setzen muss. Die Gockelei vieler Un - ternehmensführer, denen sie begegnet, geht ihr furchtbar auf die nerven. Zwischenzeitlich war er ihr wichtigster Berater, nahezu täglich sprachen sie am Telefon über das weitere Vorgehen. ackermann war es auch, der als erster einen staatlichen Schutzschirm für die Banken vorschlug. aber kaum war der beschlossen, sagte er seinen Leuten, er T I N E

Z würde sich schämen, Staatsgeld anzuneh -

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T men. er hatte sich das gut überlegt: Seine N E

G Investmentbanker drängten ihn, die Mil - A E

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I L K liarden zu ergreifen, die auf dem Tisch N C O O 1 R F G lagen, so viel billiges Geld, was ließe sich / N

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M damit nicht alles anstellen. aber acker - L S I U R A P P mann wusste genau, dass er die Politik Ackermann-Heimatort Mels, Deutsche-Bank-Zentrale in Frankfurt: Traum von Normalität nicht mehr so leicht loswerden würde, wenn er einmal die Pforte öffnete. er sich zu der Gruppe am eingang stellt. Unternehmen würde es so gutgehen.“ Für es war aus unternehmerischer Sicht die „Sie haben etwas verpasst.“ einen augenblick guckt ackermann et - richtige entscheidung, die Börse belohnte „Das kann ich mir denken, wir kennen was perplex. es waren Steinbrücks Par - sie mit einem Wiederanstieg des kurses, uns ja schon etwas länger“, antwortet teifreunde von der SPD, die wegen der doch Merkel nahm die Zurückweisung ackermann und schaut Steinbrück 25 Prozent besonders über ihn herfielen. nachhaltig übel. Sie hatte gedacht, acker - freundlich an. er habe sich in der Schweiz er sagt dazu nichts mehr, aber es ist ihm mann wäre auf ihrer Seite, jetzt stellte oft vor ihn stellen müssen, sagt er. Die anzusehen, dass er sich denkt, wie schön sie fest, dass er zuerst an seine Bank dach - Drohungen, notfalls mit der Peitsche ge - es gewesen wäre, wenn Steinbrück das te, das verstand sie als Verrat. gen das Steuerparadies vorzugehen, hät - mal öffentlich erklärt hätte. niemand im kanzleramt wirft dem ten doch einigen Wirbel verursacht. Das Verhältnis des Vorstandsvorsitzen - Deutsche-Bank-Chef vor, die arbeit an ach, immer diese Verdrehungen und den der Deutschen Bank zur Politik ist neuen Regeln für seine Branche aktiv zu Übertreibungen, gibt Steinbrück zurück: kompliziert, um das Mindeste zu sagen. hintertreiben. aber er tut auch nichts da - „,es kommt nicht darauf an, was Sie sa - Im persönlichen kontakt gibt es keine für, dass es sie gibt. er hat dem Vorstand gen‘, hat mir einmal ein Journalist ver - Schwierigkeiten, da sind alle sehr freund - 2008 die Boni gestrichen, für die Leute kündet, ,sondern nur, was sich daraus lich. aber kaum bietet sich die Möglich - in London gelten strengere Risikoricht- machen lässt.‘“ ackermann nickt. als er keit, ihn zur Ordnung zu rufen, werden linien, im Geschäft mit den kunden dür - im Herbst für seine Bank schon wieder die meisten schwach. Gegen den Groß - fen eine Reihe riskanter Produkte nicht 25 Prozent eigenkapitalrendite forderte, banker zu sein bringt immer Punkte. mehr angeboten werden – ackermann war gleich die Hölle los. er sagt, dass er Später beim essen sitzen ackermann findet, er hat seine Hausaufgaben erle - genau wisse, wovon Steinbrück rede. und Steinbrück wieder beisammen. digt, jetzt sind die anderen dran. „Von mir aus hätten Sie auch 40 Pro - ackermann erzählt, dass seine Juristen Rein formal ist daran nichts auszuset - zent verkünden können“, erwidert der in amerika ihn jetzt angewiesen hätten, zen, er ist schließlich nicht der Gesetz - Politiker. „Ich wäre froh, allen deutschen sofort den Fahrstuhl zu verlassen, wenn geber. aber die Leute erwarten von ei -

der spiegel 14/2010 63 Wirtschaft nem Mann in seiner Posi tion mehr. Wenn Das ist eine in jeder Hinsicht bemer - mal beim kBW, dem kommunistischen die Deutsche Bank in Schieflage gerät, kenswerte aussage. Sie zeigt, wie schwer Bund Westdeutschlands, aber das wurde muss das ganze Land zittern, so sind die es zu sein scheint, die Maßstäbe zu be - ihm irgendwann zu blöd. Jetzt nimmt er wahren kräfteverhältnisse. Deshalb wür - halten, wenn man zu viel mit Leuten ver - nur noch Mandate an, die ihn interes - de man sich für die Zukunft gern auf kehrt, die gern über den deutschen kün - sieren. er kann es sich leisten: er gilt als mehr verlassen können als auf die Zu - digungsschutz lamentieren, aber vor ab - einer der besten Strafverteidiger Deutsch - sicherung der in der Finanzindustrie Ton - schluss ihrer eigenen Verträge komplette lands. angebenden, schon das notwendige ge - Rechtsanwaltskanzleien konsultieren. Bis heute hält kempf die entscheidung, tan zu haben. es ist ein Satz aus einer Welt, in der seinem Mandanten wegen der abschieds - ackermann steht jetzt am Rande und auch große Zahlen plötzlich klein erschei - prämien den Prozess zu machen, für sieht zu, wie sich die Politiker mühen. nen, weil die Beträge, mit denen man lau - falsch. es gebe kein Gesetz, sagt er, das Jedes Land muss zusehen, dass seine fend hantiert, noch größer sind. es aufsichtsräten verbiete, nachträglich Finanzindustrie nicht ins Hintertreffen „alles, was strafwürdig ist, ist auch un - Sonderzahlungen zu genehmigen. Dane - gerät, das macht durchgreifende Refor - anständig“, sagt eberhard kempf, „aber ben existiere aber eine moralische kate - men so schwierig. Wenn zu wenig ge - umgekehrt rechtfertigt nicht alles, was un - gorie, wenn man die hier in anwendung schieht, trifft sie der Zorn der Wähler, anständig ist, auch ein Strafverfahren.“ bringen wolle, finde das durchaus seine wenn sich zu viel ändert, die Depression kempf hat ackermann in der Mannes - Sympathie. der Börse.

ichts hat das Image von acker - mann so geprägt wie der Moment, nals er am eröffnungstag des Man - nesmann-Prozesses den Zeige- und Mit - telfinger der rechten Hand zum V spreiz - te. eine Sekundengeste, aufgenommen von einem dpa-Fotografen, der zufällig richtig stand und bei Durchsicht der Bilder entdeckte, was er da festgehalten hatte. Von dem eigentlichen Sündenfall gibt es kein Bild, der fand vier Jahre zuvor statt, am 4. Februar 2000, ohne Zeugen und kameras. an diesem Tag saßen zwei Männer an einem Tisch in der Mannes - mann-Zentrale in Düsseldorf und spra - chen über Geld: der eine war ackermann, damals aufsichtsrat bei Mannesmann, der andere Joachim Funk, aufsichtsrats - chef des Unternehmens. einen Tag davor war die größte Über - nahmeschlacht in der Wirtschaftsge - schichte mit dem Verkauf von Mannes - mann an den britischen Mobilfunkanbie - ter Vodafone zu ende gegangen. Zu den Dingen, die nun entschieden werden mussten, gehörte die Frage, wie man noch-Vorstandschef klaus esser den ab - schied versüßen könnte. eines der an der Übernahme beteiligten Unternehmen E D L hat te eine „anerkennungsprämie“ vorge - I W

schla gen, zehn Millionen Pfund, nach da - G N A G maligem Stand 30 Millionen Mark. Ge - F L O dacht war das Geld, um esser ruhigzu - W stellen. Deutsche-Bank-Vorstand Herrhausen 1988: Ikone des Managers mit Moral er wolle auch eine Prämie, erklärte Funk bei dieser Gelegenheit. mann-affäre vor Gericht vertreten, als der Die Sache endete schließlich mit einem an was für eine Summe er denn ge - sich dann wegen Untreue verantworten Vergleich, aber bis heute besteht ein en - dacht habe, fragte ackermann überrascht. musste. Mit keinem anderen Menschen au - ger kontakt. Im September war kempf Drei Millionen Pfund, sagte Funk. ßer seiner Frau Pirkko hat der Vorstands - zuletzt zum abendessen drüben, sie spra - Schon für die esser-abfindung gab es chef in seinem Leben mehr Zeit verbracht, chen lange über die strafrechtlichen Fol - keine gute Begründung, Funks Forderung notgedrungen: sechs Monate lang sechs gen der Finanzkrise. es gebe eine Starr - war schlicht unverschämt. es hätte nahe - Stunden am Tag, zweimal die Woche. sinnigkeit in ackermanns Charakter, die gelegen, diese Selbstbegünstigung einfach kempfs Büro liegt in der gleichen Stra - ihm gefalle, kempf benutzt das Wort abzulehnen, aber ackermann stimmte zu. ße wie ackermanns Wohnung, an der ein - „Intransingenz“, was etwas vornehmer er hätte es als affront empfunden, gangstür hängt ein Plakat mit der Hand - klingt: „Wissen Sie, die meisten in seiner Funk seine Bitte abzuschlagen, gab er spä - schrift der ersten Seite aus Franz kafkas Position würden nie zusammen mit den ter zur Begründung an, weshalb er nicht „Prozess“. eigentlich ist kempf ein Lin - Renditezahlen auch über den fälligen Stel - nein gesagt habe. außerdem seien ja drei ker, er hat klaus Croissant verteidigt, als lenabbau reden. Die Stellen fallen dann Millionen Pfund kein so hoher Betrag ge - der noch RaF-anwalt war, und den Ter - natürlich ebenfalls weg, aber es kann sich wesen. roristen Hans-Joachim klein, er war auch niemand darüber aufregen. ackermann

64 der spiegel 14/2010 beansprucht das Publikum, ich finde das es ist eine interessante Frage, leider ein paar Wochen später steht acker - gut.“ bleibt er die antwort schuldig. auch in mann in Frankfurt auf der Bühne, um zum Beanspruchen ist ein schönes Wort. Man der anschließenden Diskussionsrunde 20. Todestag von eine könnte auch sagen: er hat eine unnach - geht niemand darauf ein, wahrscheinlich Rede zu halten. er sieht müde aus. Die ahmliche art, die Deutschen an die na - haben die Leute handfestere Sorgen. Die komplette abteilung „Deutsche Bank Re - turgesetze des kapitalismus zu erinnern. meisten sehen nicht so aus, als ob sie sich search“ musste zuvor antreten, um Text - Wenn jemand eine höhere eigenkapi - sehr für Philosophie interessieren würden. bausteine zu liefern, aber nach 25 Minuten talquote der Banken fordert, sagt er, dass es gibt dann noch ein Sushi-Buffet, das ist er schon fertig, deutlich vor der Zeit. dann leider auch die kredite teurer wür - so groß ist, als müsste man eine ganze er hat nichts Falsches gesagt, aber auch den. neulich wurde ackermann gefragt, japa nische Reiterarmee sattkriegen. Beim keinen Satz, der hängenbleibt. er hätte warum die Deutsche Bank nicht einfach Lachs steht Gerd Schulte-Hillen und die Veranstaltung am liebsten geschwänzt. mal nur 200 Millionen euro im Jahr ver - schiebt sich kleine Haufen Fisch auf er hasst es, ständig mit Herrhausen vergli - dienen könne. Die antwort hat er gern den Teller. er war viele Jahre Chef beim chen zu werden, nun musste er sogar unter gegeben: Dann werden wir gefressen, sag - Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr. Wäh - einem Foto des Vorgängers reden. te er und lächelte. rend er vorsichtig ein Lachsstückchen mit Herrhausen ist eine Ikone, er gilt als Manchmal, wenn er in Laune ist, kann Stäbchen nach oben bugsiert, erzählt er der gute Banker schlechthin, als Manager er auch gefühlvoller sein. „Ich werde jetzt von den anrufen der Bankberater, die mit Moral und sozialer Verantwortung, spätestens seit er zum entsetzen seiner kollegen einen Schuldenerlass für die Dritte Welt forderte. Für viele hatte Herr - hausen deshalb genau das, was dem heu - tigen Chef der Deutschen Bank fehlt. Ob Herrhausen auch im wirtschaftli - chen Sinne ein guter Banker war, ist durchaus umstritten. ackermann würde gern einmal irgendwo lesen, dass der ehe - malige Vorstandssprecher in der Bank längst den Rückhalt verloren hatte, bevor er dann den Schüssen eines RaF-Mord - kommandos zum Opfer fiel. Der Schweizer führt jetzt seit 2002 die Deutsche Bank. Wenn man sich unter sei - nen kollegen aus dem Vorstand umhört, die über die Jahre in den Ruhestand ver - abschiedet wurden, merkt man schnell, dass er bei ihnen nicht sonderlich beliebt ist. Sie klagen darüber, wie mit acker - mann die amerikaner auf den Führungs - etagen einzogen und die Investment - banker den Ton angaben, gegen deren Ge - winne die erträge aus dem ehrwürdigen kundengeschäft nur noch lachhaft wirkten. auf einmal war man auch in Frankfurt beim Vornamen und Deutsch nur noch hinter verschlossener Tür erlaubt. Die alten reden wie ehemalige Offi - ziere, denen jemand ihren schönen Club demoliert hat, ohne Verständnis für Tra - ditions- und Heimatpflege. Sie hatten ge - S E G

A dacht, er wäre einer von ihnen, der Mann M I

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T aus dem Heidiland. als sie feststellten, T E

G dass er ganz anders war, war es zu spät. Deutsche-Bank-Vorstand Ackermann 2010: „Was wollen Sie noch wissen?“ as wollen Sie noch wissen?“, philosophisch“, sagt er in Hamburg. Die ihm die ganze Zeit ihre Investmentpapie - fragt ackermann. er hat an ei - Bank hat zu einem sogenannten kunden - re aufschwatzen wollten. Schulte-Hillen Wnem großen eichentisch Platz gespräch ins elysee am Dammtor einge - hat sein Geld in festverzinslichen Pa - genommen, um noch einen Happen zu laden, der Saal ist rappelvoll, angekündigt pieren angelegt, ganz konservativ, sie er - essen. es ist ein solider Tisch, wie man ist ein Vortrag des Vorstandsvorsitzenden klärten ihm, das sei sehr dumm, und rech - ihn aus Bauernstuben kennt, ein Tisch zu den Lehren aus der Finanzkrise, da - neten vor, was er sich an Rendite ent- zum anfassen und Verweilen. nach dürfen Fragen gestellt werden. gehen ließe. Was hat er in Hamburg mit der Frage ackermann hat ein paar Zettel vor sich es sei erstaunlich gewesen, wie hartnä - gemeint: „Müssen wir so weitermachen“? liegen, aber er spricht frei. „Die Frage ist, ckig die Bankleute waren, sagt der Me - ackermann lächelt, das macht ihm ob ein Zuviel an Marktwirtschaft auch dienmann, irgendwann hat er sie einfach jetzt Spaß. zu Wohlstandseinbußen führt“, sagt er rausgeschmissen. Später las er, welche „Man kann natürlich sagen, wir brau - und sieht ins Publikum. „Müssen wir so Provisionen bei erfolgreichem Vertrags - chen ja gar nicht so viel Wachstum, wir weitermachen, oder könnte man sich vor - abschluss flossen. „Davon redet hier na - brauchen ja gar nicht so viel Gewinn, son - stellen, dass man zu einem eher kontem - türlich keiner“, sagt Schulte-Hillen und dern wir gestalten uns das Leben lang- plativen Wettbewerb zurückkommt?“ stellt seinen Teller weg. samer, friedfertiger, liebevoller.“ aber?

der spiegel 14/2010 65 Wirtschaft

„Wenn man es allein macht, wird man von den anderen überrannt. Machen es alle, wird der Wohlstand geringer. Dann gibt sich jeder weniger Mühe, dann kommt halt der Heizungsmonteur nicht mehr am Samstag. Damit kann man auch leben, das ist nicht so schlimm, dann rückt man am Wochenende eben enger zusammen. Ich bin ja nicht dagegen, man S muss nur über den Trade-off von Verän - S E R P derungen reden.“ N O I T

ackermann ist jetzt 62, in spätestens C A

/ zwei Jahren muss er einen nachfolger S R E präsentieren. Bislang war er der ansicht, T E P

darum sollte sich sein aufsichtsratschef K Edeka-Filiale in Hamburg N A R

Clemens Börsig kümmern. aber das letz - F te Mal, als es so weit war, kam der plötz - lich auf die Idee, sich selbst als nachfolger vorzuschlagen. eine abenteuerliche Vor - HanDeL stellung, selbst die Gewerkschaftsvertre - ter kamen angelaufen, um Börsig zu ver - hindern und ackermann zu halten. Geradezu verramscht er spricht jetzt über die Vorzüge des alters. er sei gelassener geworden, sagt Lebensmittel werden in Deutschland zunehmend billiger. er, der ehrgeiz sei ein wenig geringer, „man kann auch mal sagen, lass es andere Die Discounter liefern sich eine beispiellose machen, wir schauen mal zu“. Preisschlacht – zu Lasten von Mitarbeitern und Herstellern. Solange die Musik spielt, muss man tanzen. Das hat Chuck Prince gesagt, der onnerstag ist Großkampftag. Wer alles andere als freiwillig, im Gegenteil: langjährige Chef der Citigroup. am ende der Woche die Zeitun - Hinter den kulissen liefern sich vor allem ackermann verzieht das Gesicht. er Dgen durchblättert, findet sie alle: die Discounter eine erbitterte Schlacht mag den Satz nicht, wahrscheinlich, weil In großformatigen anzeigen bewerben um kunden und Marktanteile, geben er so klingt, als ob auch die Männer ganz aldi und Lidl, netto und Penny, edeka Hunderte Millionen euro für Werbung oben nur Tanzpüppchen wären. er sagt und Rewe seitenlang ihre „Super-knül - aus und treiben den kampf um die besten sogar, dass es ein gefährlicher Satz sei. ler“, versprechen „Preise, wie aus dem Standorte, die größten Verkaufsflächen nur, ist er auch falsch? ei gepellt“ und rechnen ihren kunden und die attraktivsten Preise auf die Spitze. na ja, Prince habe sicher ein wenig zu den „Preisvorteil: 37 Prozent!“ vor. „Durch die Fusion von netto und Plus lange getanzt, aber im Prinzip sei es Der umworbene Supermarktkäufer ist auf dem sowieso schon umkämpften schon so: „Wenn man alle Risiken ver - kann mittlerweile ein Pfund Deutsche Discounter-Markt eine dritte kraft ent - meidet, gibt es irgendwann keine Risiken Markenbutter für 0,79 euro und eine 200- standen, die aldi und Lidl ernsthaft kon - mehr zu vermeiden, weil man nicht mehr Gramm-Packung Marken-Camembert für kurrenz macht“, sagt Mirko Warschun, im Geschäft ist. Insofern sind wir alle ir - 1,49 euro kaufen, selbst ardenner nuss - Handelsexperte der Unternehmensbera - gendwie auch Getriebene der Märkte.“ schinken kostet nur noch 0,89 euro pro tung a. T. kearney. Gleichzeitig sei durch er muss weitermachen, dafür sorgen 100 Gramm. So billig können sich die Ver - die Wirtschaftskrise und die kurzarbeit schon die aktionäre, die stabile Gewinne braucher nirgendwo sonst in europa die der Preis wieder verstärkt in den Fokus verlangen. Oder die konkurrenten, die einkaufswagen füllen, die Deutschen zah - der Verbraucher gerutscht. „all das ver - nur darauf lauern, dass er sich eine Blöße len im Schnitt rund 15 bis 20 Prozent we - stärkt den Druck auf die Discounter, die gibt. Damit erledigt sich auch die Frage, niger für Lebensmittel als etwa die kun - an ihre Wachstumsgrenzen kommen.“ ob er sich für sich selbst ein kontemplati - den im europäischen ausland. „Lebens - Und das geht zu Lasten von Mitarbei - veres Leben vorstellen könnte. „Ich kann mittel werden in Deutschland geradezu tern und Herstellern. Die klagen von Ver - diese Frage nicht beantworten, ich weiß verramscht“, klagte kürzlich Felix ahlers, käuferinnen über unbezahlte Mehrarbeit es nicht“, hat er kurz zuvor dar auf gesagt, Chef des Tiefkühlkostherstellers Frosta. häufen sich, doch aus den Personalkosten aber das ist nicht wahr: Wenn er stehen - Und er hat recht: Zwölf massive Preis - der Billiganbieter lässt sich kaum noch bleibt, ist er weg. senkungsrunden hat es im deutschen Le - etwas herausquetschen. aldi und Co ge - In new York ist es jetzt 13.30 Uhr, noch bensmittelhandel allein im vergangenen ein paar Stunden Zeit für Geschäfte. Jahr gegeben, meist eingeläutet von aldi. Bevor er zu seinem Telefonat mit den Die Mitbewerber zogen oft noch am glei -

amerikanern geht, erzählt er von seinem chen Tag nach. Mit angenehmen Folgen A P D

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Fahrer, der vor ein paar Monaten bei ihm für die Verbraucher: Im Januar lagen die E C gekündigt habe, er wollte noch einmal ohnehin schon niedrigen Preise 1,2 Pro - N A I L L

etwas neues anfangen. er ist jetzt mit sei - zent unter denen des Vorjahresmonats – A - E R ner Familie in Schweden und versucht der Handel hat den konsumenten damit U T C I P sich als Zimmermann über Wasser zu ein konjunkturprogramm in Millionen - /

L E

halten. Die Frau macht irgendetwas mit höhe beschert. Während experten noch K E I H Textilien. über die Inflationsgefahr diskutieren, S A I H

Zu Weihnachten hat ackermann einen sorgten die großen Supermärkte dafür, T T A

Gruß erhalten. es geht ihnen gut. Sie sind dass ihre kunden dieselben Waren für M davongekommen, in ein anderes Leben, weniger Geld bekommen – bei gleicher Gemüseverarbeitung bei Frosta eine andere Welt. Qualität. Doch diese konsumspritze ist „Immer absurdere Rabatte“

66 der spiegel 14/2010