Mensch, Ackermann

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Mensch, Ackermann Nr. 51 DIE ZEIT S. 21 SCHWARZ cyan magenta yellow 21 DIE ZEIT Nr.52 21. Dezember 2005 Schoko-Roboter Fi 93/8 packt Weihnachtsmänner aus Schokolade ein, 200-mal schneller als ein Mensch. Das Porträt WIRTSCHAFT einer deutschen Maschine Seite 28 enau drei Männer sind dabei, als Josef Was für ein Weichei, lästern sie in Frankfurt. Und Ackermann das erste Mal vor den irren sich gewaltig. Starke Hand, Scherben seiner Karriere steht. Es ist die Ackermann stammt aus Mels, einem Dorf an der G letzte Juniwoche des Jahres 1996, und Grenze zu Liechtenstein, aus dem man früh weggeht Ackermann gilt als kommender Chef der Schwei- oder in dem man für immer bleibt. »Seppi«, wie sie schwache Tat zer Großbank Credit Suisse. Die Männer – einer ihn nennen, geht an die Elitehochschule St. Gallen. Mensch, Hessen untersagt den davon ist Rainer Gut, der Präsident der Bank – tref- Aus Seppi wird »Joe«. In St. Gallen lernt er auch fen sich in Zürich. Sie einigen sich darauf, dass seine spätere Frau Pirkko kennen, eine Finnin. 1977 Stromkonzernen höhere Preise Ackermann in der Credit Suisse keine Zukunft fängt er als Trainee bei der Schweizerischen Kredit- mehr hat. Als sie auseinander gehen, geloben sie, anstalt (SKA) an, einer Tochtergesellschaft der Hol- niemals ein Wort über dieses Treffen zu verlieren. ding Credit Suisse. Wenn das keine frohe Botschaft ist. Die Strom- Dann geht es Schlag auf Schlag. Am 1. Juli Ackermann Schnell werden zwei Dinge klar: Ackermann ist preise in Hessen bleiben stabil, zumindest vor- kommt der Verwaltungsrat der Bank zusammen, ein brillanter Banker – und er ist extrem ambitio- läufig. Warum? Weil Alois Rhiel, der hessische offiziell geht es um den Umbau der Credit Suisse, Der Chef der Deutschen Bank hat wie kein anderer Manager niert. In Los Angeles schwärzt er seinen Chef bei der Wirtschaftsminister, es so will. Der CDU- aber schnell ist klar: Es geht um Ackermanns Kopf. Personalabteilung an, auch später in Lausanne kriti- Politiker untersagte den Stromlieferanten Einen Tag später informiert Gut die Presse. Ohne das Land gegen sich aufgebracht. Er selbst sieht sich als Opfer. siert er seine Vorgesetzten. Schon damals wirkt er auf schlicht, ihren Haushaltskunden vom 1. Janu- Ackermann. Der hat seinen Schreibtisch 24 Stun- Diese Woche entscheidet sich seine Zukunft – und die seines Kollegen immer ein wenig intellektueller, immer ein ar an höhere Preise abzuverlangen. Rhiels Kol- den zuvor geräumt. In den folgenden Tagen streuen Unternehmens Von Marc Brost Stück distanzierter als die anderen. Und schon da- legen aus den anderen Bundesländern wollen seine Vertrauten, er habe die Bank verlassen, weil er mals kann er auf dem Flur selbst an engen Mitarbei- die Preisforderungen »ihrer« Stromlieferanten den geplanten Stellenabbau nicht mittragen wollte. tern vorbeigehen, ohne sie anzuschauen. Wer ihn ebenfalls nicht einfach durchwinken. Endlich An diesem Mittwoch bangt Josef Ackermann ein mag, hält ihm dann zugute, dass er gerade nachden- einmal zeigt jemand den Elektrizitätskonzer- zweites Mal um seine Karriere, aber diesmal wird er ke. Der Rest hält ihn für arrogant. Bereits mit 33 Jah- nen, die im zu Ende gehenden Jahr so gut wie in der entscheidenden Minute allein sein. Er ist mor- ren führt Ackermann mehr als 300 Mitarbeiter, mit selten verdienten, die gelbe Karte. gens in Frankfurt, später in München, aber irgend- 42 steigt er in die Generaldirektion der SKA auf, mit Die Frage ist nur: Mit welchem Recht? wann zwischen zehn und halb elf wird sein Mobil- 45 ist er der Chef. Über sich hat er nur noch den Tatsächlich beruht die staatliche Preisauf- telefon klingeln, er wird die Besprechung verlassen Patriarchen der Credit Suisse, Rainer Gut. sicht auf einer Rechtsgrundlage, die noch den und allein vor die Tür gehen. Jeder im Raum wird Geist der Monopolära atmet. Es ist die Bun- wissen, was dieser Anruf bedeutet, und jeder wird Die beiden Männer auf dem Rücksitz des roten, destarifordnung Elektrizität, die aber Mitte Ackermann anstarren, wenn er wieder herein- ziemlich dreckigen VW Polo tragen Anzug und 2007 ihre Gültigkeit verlieren wird. Kein kommt. Es ist ein Albtraum. Er erlebt ihn hellwach. Krawatte, ihre Aktenkoffer haben sie vor sich auf Alois Rhiel und auch sonst kein Politiker wird Durch seinen Anwalt erfährt Ackermann, wie die Knie gelegt. Der Polo parkt vor dem Hinter- danach noch die Möglichkeit haben, die Ver- der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden eingang der Volksbank in Bern. Während die bei- braucher vor vermeintlich gierigen Stromun- hat, er sagt ihm, ob der Mannesmann-Prozess um den warten, besprechen sie noch einmal ihren Plan. ternehmen zu schützen. Und zwar zu Recht. millionenschwere Abfindungen und Prämienzah- Es geht um die Übernahme der Volksbank durch Denn Strom ist längst, wie fast jedes andere lungen tatsächlich neu aufgerollt wird. Noch einmal die Credit Suisse und vor allem darum, den Ver- Produkt, ein ganz normales Gut, dessen Preis quälende Sitzungswochen in einem kleinen Saal des waltungsrat der Volksbank zu überzeugen. Der ver- sich auf einem Markt bildet. Jedenfalls im Prinzip. Allerdings hat das Gros der Politiker, aus deren Reihen sich Edmund Stoiber, Reto Francioni, plötzlich Verbraucherschützer zu Wort mel- bayerischer Ministerpräsident Chef der Deutschen Börse den, selbst dafür gesorgt, dass dieser Markt nicht so funktioniert, wie er funktionieren »Wenn man Milliardengewinne Der ist authentisch, das sollte. Sie waren es nämlich, die die Markt- » macht der Exmonopolisten stärkten, indem macht und gleichzeitig macht den Umgang mit ihm sie Fusionsvorhaben großzügig genehmigten. verkündet, man stellt 6000 Leute Sie waren es, die sich in puncto Marktöffnung einfach und klar: bewusst für das schlechteste aller Modelle ent- frei, dann ist das eine schieden. Und sie waren es, die unterm Strich Was Ackermann verspricht, dafür sorgten, dass die E-Werke das Vakuum Geschmacklosigkeit« das hält er auch des nur formal liberalisierten Marktes in klin- « gende Münze verwandeln konnten. Diese Versäumnisse jetzt nachträglich durch eine strenge Handhabung der Preisauf- Düsseldorfer Landgerichts? Noch einmal Blitzlicht- handelt gerade mit den Emissären der Konkurrenz. sicht heilen zu wollen zeugt ebenso wie die ur- gewitter, Häme und öffentliche Aufmerksamkeit, Als diese die Bank durch den Vordereingang verlas- sprünglich gemachten Fehler von einem ge- die jedem Unternehmen schaden würde? Viel sen, steigen die Männer am Hintereingang aus. störten Verhältnis zum Markt. Politiker und spricht dafür, dass der Chef der Deutschen Bank Im Sitzungssaal funktioniert ihre Rollenauftei- Verbraucher haben längst bessere, marktkon- dann nicht mehr zu halten ist. lung perfekt. Ackermann schmeichelt den Verwal- formere Möglichkeiten, dem Treiben der Aber auch wenn der Bundesgerichtshof ihn end- tungsräten, er spricht von Verantwortung und guter Stromkonzerne Einhalt zu gebieten. gültig freispricht: Schon der erste Prozess hat bei Unternehmensführung. Rainer Gut, der Patriarch, Erstere, die Politiker, müssen der nach lan- Ackermann Wunden hinterlassen. Und zu sehr hat hält sich zurück und signalisiert: Dieser Junge hat gen Geburtswehen gegründeten Bundesnetz- ihn verletzt, dass Deutschlands Wirtschaftselite sich Ideen, aber ich bin der Erfahrene, der ihn im Zwei- agentur Rückendeckung gewähren, wenn die vor diesem Mittwoch, wieder einmal, lieber still ver- fel führt. Zu zweit haben sie die Volksbanker bald demnächst über die Tarife entscheidet, welche krochen hat, als öffentlich zu ihm zu stehen. überzeugt. die großen Stromkonzerne für die Nutzung ih- Der Mann und das Land, sie finden einfach nicht Rainer Gut und Josef Ackermann. »Wie Max rer Netze verlangen dürfen. Die Netze nämlich zusammen. und Moritz« sind die beiden damals, fast unzer- behalten auch im freien Markt ihren Charakter Ackermann? Für die Deutschen ist das der trennlich, sagt ein Weggefährte. »Das war wirklich als natürliches Monopol; die Preise für ihre Mann, der die Bank ins Ausland trieb und der als auffällig, das hat mich schon skeptisch gemacht.« Nutzung bedürfen deshalb, anders als die End- Aufsichtsrat von Mannesmann Millionengeschen- Die kritische Distanz zwischen erstem und zweitem kundenpreise, strenger staatlicher Aufsicht. ke verteilte; ein Schweizer auch noch; ein Manager, Mann zerfließt. Ein Kollege spricht davon, dass Und Letztere, die Verbraucher, sind den der nur auf die Rendite schielt und 6400 Leute raus- Ackermann sich anbiedert, dem älteren Gut Stromlieferanten ja keineswegs ausgeliefert. schmeißt, obwohl sein Unternehmen Rekordge- »regelrecht ausliefert«. Nach der Übernahme der Immerhin haben sie ein Kündigungsrecht, Volksbank signalisiert ihm Gut, dass er ihn als von dem indes 95 Prozent aller Haushalte bis- Siehe auch Seite 23: seinen Nachfolger sieht. her keinen Gebrauch machten. Solange das so Im Skandal um ihren Immobilienfonds beweist Jetzt hat Ackermann einen Förderer. bleibt, ist die Beschwerde über hohe Strom- die Deutsche Bank: Deutschland ist ihr egal Sie duzen sich, sie spielen im selben Golfklub, sie preise wenig glaubwürdig. Fritz Vorholz essen abends mit ihren Frauen in Guts Haus Spa- ghetti. Sie sind der Holdingchef und sein Außenmi- winne schreibt; der Bankchef, der sich vor Gericht nister. Bei den Medien kommt Ackermann an. Er ist nicht benehmen konnte und grinsend zwei Finger ein Menschenfänger, er entdeckt junge Talente und 60 SEKUNDEN FÜR in die Höhe streckte, ein peinliches Siegeszeichen versteht es, sie für sich zu nutzen. Die SKA schreibt für die Ewigkeit. Gewinne. Es ist sein Erfolg. Teilen will
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