Nr. 51 DIE ZEIT S. 21 SCHWARZ cyan magenta yellow

21 DIE ZEIT Nr.52 21. Dezember 2005 Schoko-Roboter Fi 93/8 packt Weihnachtsmänner aus Schokolade ein, 200-mal schneller als ein Mensch. Das Porträt WIRTSCHAFT einer deutschen Maschine Seite 28

enau drei Männer sind dabei, als Josef Was für ein Weichei, lästern sie in . Und Ackermann das erste Mal vor den irren sich gewaltig. Starke Hand, Scherben seiner Karriere steht. Es ist die Ackermann stammt aus Mels, einem Dorf an der G letzte Juniwoche des Jahres 1996, und Grenze zu Liechtenstein, aus dem man früh weggeht Ackermann gilt als kommender Chef der Schwei- oder in dem man für immer bleibt. »Seppi«, wie sie schwache Tat zer Großbank . Die Männer – einer ihn nennen, geht an die Elitehochschule St. Gallen. Mensch, Hessen untersagt den davon ist Rainer Gut, der Präsident der Bank – tref- Aus Seppi wird »Joe«. In St. Gallen lernt er auch fen sich in Zürich. Sie einigen sich darauf, dass seine spätere Frau Pirkko kennen, eine Finnin. 1977 Stromkonzernen höhere Preise Ackermann in der Credit Suisse keine Zukunft fängt er als Trainee bei der Schweizerischen Kredit- mehr hat. Als sie auseinander gehen, geloben sie, anstalt (SKA) an, einer Tochtergesellschaft der Hol- niemals ein Wort über dieses Treffen zu verlieren. ding Credit Suisse. Wenn das keine frohe Botschaft ist. Die Strom- Dann geht es Schlag auf Schlag. Am 1. Juli Ackermann Schnell werden zwei Dinge klar: Ackermann ist preise in Hessen bleiben stabil, zumindest vor- kommt der Verwaltungsrat der Bank zusammen, ein brillanter Banker – und er ist extrem ambitio- läufig. Warum? Weil Alois Rhiel, der hessische offiziell geht es um den Umbau der Credit Suisse, Der Chef der Deutschen Bank hat wie kein anderer Manager niert. In Los Angeles schwärzt er seinen Chef bei der Wirtschaftsminister, es so will. Der CDU- aber schnell ist klar: Es geht um Ackermanns Kopf. Personalabteilung an, auch später in Lausanne kriti- Politiker untersagte den Stromlieferanten Einen Tag später informiert Gut die Presse. Ohne das Land gegen sich aufgebracht. Er selbst sieht sich als Opfer. siert er seine Vorgesetzten. Schon damals wirkt er auf schlicht, ihren Haushaltskunden vom 1. Janu- Ackermann. Der hat seinen Schreibtisch 24 Stun- Diese Woche entscheidet sich seine Zukunft – und die seines Kollegen immer ein wenig intellektueller, immer ein ar an höhere Preise abzuverlangen. Rhiels Kol- den zuvor geräumt. In den folgenden Tagen streuen Unternehmens Von Marc Brost Stück distanzierter als die anderen. Und schon da- legen aus den anderen Bundesländern wollen seine Vertrauten, er habe die Bank verlassen, weil er mals kann er auf dem Flur selbst an engen Mitarbei- die Preisforderungen »ihrer« Stromlieferanten den geplanten Stellenabbau nicht mittragen wollte. tern vorbeigehen, ohne sie anzuschauen. Wer ihn ebenfalls nicht einfach durchwinken. Endlich An diesem Mittwoch bangt Josef Ackermann ein mag, hält ihm dann zugute, dass er gerade nachden- einmal zeigt jemand den Elektrizitätskonzer- zweites Mal um seine Karriere, aber diesmal wird er ke. Der Rest hält ihn für arrogant. Bereits mit 33 Jah- nen, die im zu Ende gehenden Jahr so gut wie in der entscheidenden Minute allein sein. Er ist mor- ren führt Ackermann mehr als 300 Mitarbeiter, mit selten verdienten, die gelbe Karte. gens in Frankfurt, später in München, aber irgend- 42 steigt er in die Generaldirektion der SKA auf, mit Die Frage ist nur: Mit welchem Recht? wann zwischen zehn und halb elf wird sein Mobil- 45 ist er der Chef. Über sich hat er nur noch den Tatsächlich beruht die staatliche Preisauf- telefon klingeln, er wird die Besprechung verlassen Patriarchen der Credit Suisse, Rainer Gut. sicht auf einer Rechtsgrundlage, die noch den und allein vor die Tür gehen. Jeder im Raum wird Geist der Monopolära atmet. Es ist die Bun- wissen, was dieser Anruf bedeutet, und jeder wird Die beiden Männer auf dem Rücksitz des roten, destarifordnung Elektrizität, die aber Mitte Ackermann anstarren, wenn er wieder herein- ziemlich dreckigen VW Polo tragen Anzug und 2007 ihre Gültigkeit verlieren wird. Kein kommt. Es ist ein Albtraum. Er erlebt ihn hellwach. Krawatte, ihre Aktenkoffer haben sie vor sich auf Alois Rhiel und auch sonst kein Politiker wird Durch seinen Anwalt erfährt Ackermann, wie die Knie gelegt. Der Polo parkt vor dem Hinter- danach noch die Möglichkeit haben, die Ver- der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden eingang der Volksbank in Bern. Während die bei- braucher vor vermeintlich gierigen Stromun- hat, er sagt ihm, ob der Mannesmann-Prozess um den warten, besprechen sie noch einmal ihren Plan. ternehmen zu schützen. Und zwar zu Recht. millionenschwere Abfindungen und Prämienzah- Es geht um die Übernahme der Volksbank durch Denn Strom ist längst, wie fast jedes andere lungen tatsächlich neu aufgerollt wird. Noch einmal die Credit Suisse und vor allem darum, den Ver- Produkt, ein ganz normales Gut, dessen Preis quälende Sitzungswochen in einem kleinen Saal des waltungsrat der Volksbank zu überzeugen. Der ver- sich auf einem Markt bildet. Jedenfalls im Prinzip. Allerdings hat das Gros der Politiker, aus deren Reihen sich Edmund Stoiber, Reto Francioni, plötzlich Verbraucherschützer zu Wort mel- bayerischer Ministerpräsident Chef der Deutschen Börse den, selbst dafür gesorgt, dass dieser Markt nicht so funktioniert, wie er funktionieren »Wenn man Milliardengewinne Der ist authentisch, das sollte. Sie waren es nämlich, die die Markt- » macht der Exmonopolisten stärkten, indem macht und gleichzeitig macht den Umgang mit ihm sie Fusionsvorhaben großzügig genehmigten. verkündet, man stellt 6000 Leute Sie waren es, die sich in puncto Marktöffnung einfach und klar: bewusst für das schlechteste aller Modelle ent- frei, dann ist das eine schieden. Und sie waren es, die unterm Strich Was Ackermann verspricht, dafür sorgten, dass die E-Werke das Vakuum Geschmacklosigkeit« das hält er auch des nur formal liberalisierten Marktes in klin- « gende Münze verwandeln konnten. Diese Versäumnisse jetzt nachträglich durch eine strenge Handhabung der Preisauf- Düsseldorfer Landgerichts? Noch einmal Blitzlicht- handelt gerade mit den Emissären der Konkurrenz. sicht heilen zu wollen zeugt ebenso wie die ur- gewitter, Häme und öffentliche Aufmerksamkeit, Als diese die Bank durch den Vordereingang verlas- sprünglich gemachten Fehler von einem ge- die jedem Unternehmen schaden würde? Viel sen, steigen die Männer am Hintereingang aus. störten Verhältnis zum Markt. Politiker und spricht dafür, dass der Chef der Deutschen Bank Im Sitzungssaal funktioniert ihre Rollenauftei- Verbraucher haben längst bessere, marktkon- dann nicht mehr zu halten ist. lung perfekt. Ackermann schmeichelt den Verwal- formere Möglichkeiten, dem Treiben der Aber auch wenn der Bundesgerichtshof ihn end- tungsräten, er spricht von Verantwortung und guter Stromkonzerne Einhalt zu gebieten. gültig freispricht: Schon der erste Prozess hat bei Unternehmensführung. Rainer Gut, der Patriarch, Erstere, die Politiker, müssen der nach lan- Ackermann Wunden hinterlassen. Und zu sehr hat hält sich zurück und signalisiert: Dieser Junge hat gen Geburtswehen gegründeten Bundesnetz- ihn verletzt, dass Deutschlands Wirtschaftselite sich Ideen, aber ich bin der Erfahrene, der ihn im Zwei- agentur Rückendeckung gewähren, wenn die vor diesem Mittwoch, wieder einmal, lieber still ver- fel führt. Zu zweit haben sie die Volksbanker bald demnächst über die Tarife entscheidet, welche krochen hat, als öffentlich zu ihm zu stehen. überzeugt. die großen Stromkonzerne für die Nutzung ih- Der Mann und das Land, sie finden einfach nicht Rainer Gut und Josef Ackermann. »Wie Max rer Netze verlangen dürfen. Die Netze nämlich zusammen. und Moritz« sind die beiden damals, fast unzer- behalten auch im freien Markt ihren Charakter Ackermann? Für die Deutschen ist das der trennlich, sagt ein Weggefährte. »Das war wirklich als natürliches Monopol; die Preise für ihre Mann, der die Bank ins Ausland trieb und der als auffällig, das hat mich schon skeptisch gemacht.« Nutzung bedürfen deshalb, anders als die End- Aufsichtsrat von Mannesmann Millionengeschen- Die kritische Distanz zwischen erstem und zweitem kundenpreise, strenger staatlicher Aufsicht. ke verteilte; ein Schweizer auch noch; ein Manager, Mann zerfließt. Ein Kollege spricht davon, dass Und Letztere, die Verbraucher, sind den der nur auf die Rendite schielt und 6400 Leute raus- Ackermann sich anbiedert, dem älteren Gut Stromlieferanten ja keineswegs ausgeliefert. schmeißt, obwohl sein Unternehmen Rekordge- »regelrecht ausliefert«. Nach der Übernahme der Immerhin haben sie ein Kündigungsrecht, Volksbank signalisiert ihm Gut, dass er ihn als von dem indes 95 Prozent aller Haushalte bis- Siehe auch Seite 23: seinen Nachfolger sieht. her keinen Gebrauch machten. Solange das so Im Skandal um ihren Immobilienfonds beweist Jetzt hat Ackermann einen Förderer. bleibt, ist die Beschwerde über hohe Strom- die : Deutschland ist ihr egal Sie duzen sich, sie spielen im selben Golfklub, sie preise wenig glaubwürdig. Fritz Vorholz essen abends mit ihren Frauen in Guts Haus Spa- ghetti. Sie sind der Holdingchef und sein Außenmi- winne schreibt; der Bankchef, der sich vor Gericht nister. Bei den Medien kommt Ackermann an. Er ist nicht benehmen konnte und grinsend zwei Finger ein Menschenfänger, er entdeckt junge Talente und 60 SEKUNDEN FÜR in die Höhe streckte, ein peinliches Siegeszeichen versteht es, sie für sich zu nutzen. Die SKA schreibt für die Ewigkeit. Gewinne. Es ist sein Erfolg. Teilen will er ihn nicht. Deutschland? Für Ackermann ist es das einzige In Sitzungen der Generaldirektion reklamiert WM-Tickets Land, in dem Manager, die Werte schaffen, vor Ge- Ackermann immer seinen Anteil an guten Zahlen, richt landen; ein Land, in dem er von Gerhard ganz gleich aus wessen Bereich sie stammen. Auf der Fairness ist das höchste Gebot im Fußball. Schröder in aller Öffentlichkeit mit einem dröh- Abschiedsfeier für einen Banker schnappt er sich mit Und das gilt nicht nur während, sondern nenden »Da kommt ja die Oberheuschrecke!« be- einem Kollegen das Mikro, sie stimmen O sole mio selbstverständlich auch schon vor der Welt- grüßt wird; das Land, in dem er Leibwächter an. Nach wenigen Takten schiebt er den anderen meisterschaft, wenn die Fans aus aller Welt braucht, weil ein Bühnendichter unter dem Deck- beiseite und singt allein weiter. Beim Golfen erzählt nach dem Motto »Dabei sein ist alles« um die mantel künstlerischer Freiheit zum Mord an ihm er gern, wie erfolgreich er beim letzten Mal spielte. Tickets kämpfen. Folglich muss es beim Ver- aufrief. Es ist seine Frau, die ihn dann mit einer kurzen Be- kauf der Zuschauerkarten gerecht zugehen Doch Ackermann und Deutschland, das ist merkung zurück auf den Boden holt. und noch einmal gerecht. mehr als ein Missverständnis. Es ist die Geschichte Der Bruch mit Gut zeichnet sich ab, als sich Wir Deutsche wissen indes: Gerecht ist eines Bankers, der so ehrgeizig ist, dass er sich mit- Ackermann der Gunst des Alten nicht mehr sicher nicht einfach. Schließlich kennen wir unser unter selbst im Weg steht. Sie handelt von einem Zurück zu alten Höhen? weiß. Im Frühjahr 1996 ruft Gut bei Nikolaus Senn Steuersystem. Jahrzehntelang haben wir ge- Manager, der sich als Opfer sieht. Anfragen zum Ge- Aktienkurs der Deutschen Bank in Euro an, dem Chef der Schweizerischen Bankgesellschaft, feilt, um mit immer neuen Paragrafen allen spräch hat er abgelehnt. Aber er hat auch so genü- und schlägt ihm eine Fusion vor. Ackermann erfährt Lebenslagen gerecht zu werden. Inzwischen gend Spuren hinterlassen, denen man folgen kann. 110 davon aus der Zeitung: Der überraschte Senn hatte können wir mit Stolz sagen: Wir haben das die Presse informiert, um Guts Plan zu vereiteln. komplizierteste und damit gerechteste Steuer- Als Josef Ackermann an die Spitze der Deutschen 100 Nun schießen sich die Medien auf Gut ein – und recht der Welt – wir sind Weltmeister. Bank rückt, passt er so gar nicht in eine Reihe mit 22.5.02: Ackermann wird loben im Gegenzug Ackermann. Gut wittert ein Jetzt gelingt uns das auch beim Verkauf der seinen Vorgängern. Der bollernde , 90 Chef der Deutschen Bank Komplott und stellt Ackermann zur Rede, der be- WM-Karten, dem Organisationskomitee sei der eitle Rolf Breuer, diese beiden kannte man ja in 80 streitet jeden Einfluss auf die Journalisten. Dank. Was haben sich die Experten nicht alles Frankfurt. Doch auf einmal ist da einer, der lieber Dennoch bleibt etwas hängen. Max und Moritz ausgedacht: namensgebundene Tickets, Opti- zuhört, als laut das Wort zu führen, der über klas- 70 mögen sich nicht mehr. onstickets, Hospitality-Tickets, Karten für sische Musik redet und darüber, wie er mit seiner Das Klima wird schlechter, im Verwaltungsrat Sponsoren und nationale Verbände und natür- 60 Frau in den Buchläden von Manhattan nach Lite- der Bank mehrt sich die Kritik an Ackermann, der lich immer wieder neue Bewerbungsrunden. ratur sucht. Ein ausgebildeter Tenor. Ein gebildeter 50 Stimmung gegen Gut macht. Der Junge will den Job Denn der Fan kauft keine Karten, er bewirbt Mensch. Ackermann ist keiner, der einen Raum des Alten. Jetzt. Der Bruch ist perfekt, als Gut die sich um sie. Bezahlen darf er aber auch, wenn er gleich für sich einnimmt, er gehört nicht zur »Hal- 40 Credit Suisse umbauen will – und Ackermann nur leer ausgeht. Ein Trost: Noch gibt es genügend lo, hier bin ich«-Fraktion. Es ist Mai 2002, und wer 30 noch eine von mehreren Einheiten führen soll. Wer solcher Runden – gemäß der WM-Weisheit: ihm begegnet, trifft einen untersetzten, nicht allzu 2001 2002 2003 2004 2005 so sehr an einem Förderer hing, der muss unglaub- Nach der Bewerbung ist vor der Bewerbung. großen Mann, dessen Zwei-Knopf-Sakko die Kör- ZEIT-Grafik/Quelle: OnVista lich verletzt sein. Wer sich so sicher war, die Num- Eine wahrhaft weltmeisterliche Leistung. Die, perform unvorteilhaft betont. Er spricht den wei- liebe Fußballfreunde, macht uns so schnell Wilfried Herz chen Singsang der Schweizer, ist höflich, lächelt viel. Foto:Weychardt/Wirtschaftswoche [M] Arne Fortsetzung auf Seite 22 keiner nach.

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22 WIRTSCHAFT 21. Dezember 2005 DIE ZEIT Nr.52

Ackermann den Plan, den noch der damalige Vor- lich eine alte Frau in Hausschuhen und mit Küchen- Mensch, Ackermann standschef Kopper gefasst hatte: die alte Geschäfts- schürze, die über ihren Sohn sagt: »Er ist ein anstän- Fortsetzung von Seite 21 bank umzubauen, zu einer Investmentbank mit an- diger Junge.« geschlossenem Privatkundengeschäft, einer Bank, Jeder Zeitungsartikel beweist ihm zuerst, dass mer eins zu werden, der will die Macht auf keinen die ganz Europa als Heimatmarkt hat und die welt- Deutschland schlecht und England gut ist. In Lon- Fall teilen. Ende Juni kommt es zum entscheidenden weit zu den Größten im Geschäft mit Aktien und don gibt es keine Münteferings, keine Heuschre- Treffen in Zürich, bei dem klar wird: Beide Seiten Anleihen zählt. Degermanizing nennen das die In- ckendebatte, keine Gewerkschafter. Dass ihn die wollen sich trennen. Bis heute ist über dieses Treffen vestmentbanker, entdeutschen. Leute schlicht nicht verstehen, sieht er nicht. nie berichtet worden, doch die Wunde, die Acker- Die Machtbalance verschiebt sich schon damals »Als Chef der Deutschen Bank muss man leider mann bei seinem Weggang davonträgt, wirkt nach. von Frankfurt nach London, und Rolf Breuer, der darauf vorbereitet sein, öffentlich als unanständig zu Er verlässt die Credit Suisse, ohne dass er ein neu- Kopper nach dessen Wechsel in den Aufsichtsrat als gelten«, sagt der Kommunikationsberater Bernhard es Angebot hat. Er verändert sich, wird misstraui- Vorstandssprecher folgt, ist nur ein schwacher Chef. Fischer-Appelt. Aber Ackermann ist nicht vorberei- scher. Er ist fast unfähig, Vertrauen zu fassen. Und er Als der Vorstand in Ackermanns Abwesenheit eine tet. Er ist sensibel, er braucht das Schulterklopfen. weiß: Die nächste Chance wird er nutzen. Personalentscheidung trifft, die diesem nicht passt, Die Rede, die er auf der Bilanzpressekonferenz 2005 ruft Kopper den überraschten Breuer zu sich. Er hält und in der er fast in einem Atemzug erklärt, dass Es istHilmar Kopper,der ihm diese Chance gibt.Der zwingt ihn, den Beschluss zurückzunehmen, er die Bank gerade einen Milliardengewinn geschrie- damalige Chef der Deutschen Bank holt ihn im demütigt ihn. Breuer ist eben nur ein Übergang, bis ben habe, dass die Rendite auf 25 Prozent steigen Herbst 1996 in den Vorstand nach Frankfurt. Wie- Ackermann reif für den Job an der Spitze ist. müsse und dass nun 6400 Leute entlassen würden, diese Rede haben ihm seine Controller aufgeschrie- ben. »Von einem Vorstandschef wollen die Leute Franz Müntefering, Vizekanzler Jürgen Schrempp, DaimlerChrysler-Chef mehr hören als nur die Fakten«, sagt Fischer-Appelt. »Sie wollen wissen, wie er sich für die Gesellschaft Das alles hat mit sozialer Ich kenne Herrn Ackermann einsetzt und wofür sie ihn achten können.« » » Josef Ackermann wollte nur, dass die Zahlen Marktwirtschaft und gut, er ist außerordentlich stimmen.

Unternehmerethik nichts zu professionell, integer und eine Dem Schönen.Wahren. Guten steht in großen Let- tern über dem Eingang der Alten Oper. Er hat an tun. Das ist marktradikal und Bereicherung für die Wirtschaft diesem Novembermorgen keinen Blick dafür, er ist asozial in Deutschland müde, gerade erst aus New York zurückgekommen, « « er war auf einer Analystenkonferenz bei Merrill Lynch, es ist gut gelaufen, aber jetzt muss er hier in Frankfurt vor 200 Gästen den Moderator geben. der hat Ackermann einen Förderer, doch diesmal ist Ackermann schafft es, dass nach dem Tod von Beim Europäischen Bankenkongress. Bei einem das Spiel auf Gegenseitigkeit angelegt. Kopper Starbanker Mitchell die besten Investmentbanker Pflichttermin. Ackermann setzt sich auf seinen Platz braucht einen Strategen, der die Internationalisie- im Haus bleiben. Er macht den Inder in der Mitte des Podiums, er schlägt die blaue rung der Bank vorantreibt. Später räumt er für Die Welt des Josef Ackermann: zum starken Mann in London. Da ist sie wieder, die Mappe mit seiner Rede auf, schaut in den Saal. Sein Ackermann sogar sein Büro; das Eckzimmer im 32. Vor dem Landgericht in Düsseldorf (Zeichnung); Gabe, Talente zu erkennen und an die richtigen Plät- Widersacher blickt ihm mitten ins Gesicht. Stock von Turm A hatte einst der legendäre mit seinem Förderer, dem ehemaligen Vorstandschef Hilmar Kopper (oben); ze zu setzen. Heute hat Jain einen wesentlichen An- Rolf Breuer hat sich in die erste Reihe gesetzt, er Bankchef genutzt. Es ist ein mit seiner Frau Pirkko in Bayreuth (unten links); teil daran, dass das Investmentbanking mehr als zwei hat die Beine übereinander geschlagen und die Symbol. Ackermann wiederum erkennt die wach- sein Ziehvater bei der Credit Suisse, Rainer Gut (unten rechts) Drittel des gesamten Bankgewinns erzielt. Arme verschränkt, die Plätze links und rechts von sende Bedeutung des Investmentbankings – und die Nur Ackermanns Leitplanken halten nicht mehr. ihm sind frei. Ganz ruhig sitzt er da, schaut nur nach enorme Gelegenheit, sich zu profilieren. Verblüfft Denn mit ihrem wachsenden Einfluss auf den Ge- vorn, das hier ist seine Welt, er hat sich immer für registriert man in Frankfurt, wie schnell es ihm ge- winn wollen Jain und seine Kollegen auch Einfluss den Finanzplatz eingesetzt, deshalb schätzen sie ihn lingt, den mitverantwortlichen Vorstand Ronaldo auf die Entscheidungen haben. Im Herbst 2004 gibt hier und deshalb lauern alle auf einen Fehler des Schmitz auszubremsen. Von wegen Weichei: Wenn Ulrich Cartellieri, einer der Vordenker der Bank und Mannes auf dem Podium. Breuer, der Gedemü- er sich für ein Ziel entschieden hat, setzt er alles da- so etwas wie die graue Eminenz des Unternehmens, tigte, weiß, dass er am Zug ist, wenn Ackermann ran, dieses Ziel zu erreichen. Diese Geradlinigkeit wütend sein Aufsichtsratsmandat zurück. Cartellie- wegen Mannesmann fällt. unterscheidet ihn von Rolf Breuer, der die Bank ab ri hatte sich vergeblich für den Kauf der Postbank Auf dem Podium liest Ackermann seine Begrü- 1997 leitet, und sie gefällt den Investmentbankern. stark gemacht, um dem Heimatmarkt mehr Ge- ßung ab, auf Englisch, langsam, das Manuskript mit Man kann gute Investmentbanker nicht führen wicht zu geben. Die Investmentbanker waren da- beiden Händen festhaltend. Die Ringe unter seinen wie die Filialmitarbeiter einer südhessischen Klein- gegen. Und nun der Skandal um den von der Bank Augen sehen wie Wagenräder aus. sparkasse. Dazu ist ihre Loyalität zu gering und ihr geschlossenenen Immobilienfonds: Ohne Rück- Rolf Breuer streckt die Beine aus. Wissen bei der Konkurrenz viel zu begehrt. Aber sicht auf Verluste bringt man Hunderttausende An- Bis auf wenige Termine hat sich Ackermann in man kann ihnen bei ihren Geschäften Leitplanken leger gegen sich auf, gefährdet in Deutschland eine Erwartung des 21. Dezember zurückgezogen, er hat einziehen, damit sie nicht in die eine oder andere ganze Branche – weil man aus London ein neues Pro- sich in Arbeit vergraben, um die möglichen Folgen Richtung ausbrechen. Ackermanns Leitplanken be- dukt verkaufen will. Die Deutsche Bank hat das Ge- des Karlsruher Urteils nicht an sich heranzulassen. stehen aus Geldscheinen. Die Truppe um den Star- fühl für Deutschland verloren. Eigentlich steht auf der nächsten Sitzung des Auf- banker Edson Mitchell bekommt unglaublich viel Ackermann denkt nicht in nationalen Kategori- sichtsrats im Januar die Verlängerung seines Vertra- Geld – und versichert Ackermann im Gegenzug ihre en, diese Sicht ist ihm fremd. Er denkt an seine Ak- ges an, er läuft noch bis Ende 2006, aber wer glaubt

Unterstützung. Illustration:Timo P.Pitkämö für DIE ZEIT; Fotos: press, Henry press; H.Herrmann/action Krug/action Franziska Kurt Reichenbach/RDB tionäre, ihnen verspricht er eine Rendite von 25 Pro- ernsthaft, dass sich die Bank so früh für einen ent- Als Breuer die Deutsche mit der Dresdner Bank zent auf das eingesetzte Kapital. Tatsächlich schafft scheiden würde, der im Jahresverlauf vor Gericht fusionieren will, wehren sich die Investmentbanker Europas aufzuschließen. Dafür will Ackermann in verschanzen, davor das Zimmer der Vorstands- die Bank dieses Ziel. Dass man ihn dafür in Deutsch- muss? Und wenn sich die Deutsche Bank von ihm vehement. Vor allem in der britischen Presse tauchen Frankfurt unterrichten. Schmidt schlägt ein. sekretärin; die schweren Teppiche, die jedes Ge- land nicht liebt, verletzt ihn zutiefst. trennt? Dann wäre er nach 1996 ein zweites Mal der immer neue Gerüchte auf. Breuer stellt Ackermann Es ist das andere, das wissenschaftliche Gesicht räusch dämpfen; geflüsterte Gespräche auf dem Flur, Selbst enge Kollegen wissen heute nicht, wer ihn Geschlagene, dann würde er nach Zürich zurück- zur Rede, der hält sich bedeckt. Als der Deal platzt, des Josef Ackermann. Er liebt diese Welt der Hörsäle wenn man sich doch einmal begegnet: Ihn stört diese berät und auf wen er hört. Sie wissen nur, dass Acker- kehren als tragischer Held, der es allen beweisen ist klar: Breuer darf als lame duck noch ein Weilchen und Seminarräume, das stundenlange Wälzen eines Gralsatmosphäre. So richtig wohl fühlt er sich nur manns Bild von Deutschland geprägt ist durch die wollte und es doch wieder nicht geschafft hat. Sein bleiben – aber Ackermann ist der nächste Chef. Wer Problems, Argumente und Gegenargumente, wenn in New York oder London. Dort geht es zu wie auf Sicht, die seine Investmentbanker auf dieses Land Bild in der Schweiz ist ihm wichtig. ihn in jenen Tagen erlebt hat, glaubt nicht mehr er mit Menschen reden kann, die vielleicht etwas ge- einem großen Segelboot: Es ist laut, es ist geschäftig, haben. Auch Ackermanns Kommunikationschef Es gibt keinen natürlichen Nachfolger im Vor- an das Bild des charmanten Strahlemanns, das die gen seine Meinung, aber nichts gegen ihn haben und und wer zum Chef will, geht einfach hin. sitzt in London, er hat ihm im Machtkampf mit stand, zu sehr ist die Bank auf Ackermann zuge- Medien zeichnen. von denen er glaubt, dass sie ihm intellektuell genü- Im Februar 2003, Ackermann hält gerade seine Breuer die Steigbügel gehalten. Aber wenn ein Brite, schnitten. Die mächtigen Investmentbanker Anshu Er lächelt nicht. Er guckt nur so. gen. Auch deshalb lehrt er in den achtziger Jahren in erste Bilanzpressekonferenz als Vorstandschef ab, der kaum Deutsch spricht, die Außendarstellung des Jain und Michael Cohrs haben am Frankfurter Job St. Gallen, neben der Arbeit bei der Bank. kommt mitten hinein die Meldung, dass gegen ihn größten deutschen Geldhauses verantwortet, sagt wohl kein Interesse, und Deutschland-Chef Jürgen Im Herbst2002 erhältReinhard H.Schmidt eine un- Ein Blockseminar mit Josef Ackermann ist nicht Anklage wegen der Mannesmann-Prämien erhoben auch das viel aus über das Koordinatensystem, an Fitschen oder der fürs Privatkundengeschäft verant- gewöhnliche Einladung. Er soll bitte in die Zentrale so, wie man vermutet. Er kommt ohne Leibwächter. wird. Es ist der Moment, von dem an er nur noch dem Ackermann die Bank und sich selbst misst. Eine wortliche Rainer Neske würden in London nie ak- der Deutschen Bank kommen, der Vorstandschef Auch sein Handy bleibt aus. Er ist gelöst. Er ist neu- Fehler macht. Denn nun geht es auch um nationale kleine Bemerkung in der Financial Times kann den zeptiert. Es wäre an Breuer, dann einen Kandidaten will ihn sehen. Ein paar Wochen später sitzt er gierig. Er hat sich vorbereitet und die Arbeiten der Befindlichkeiten, und es geht um Politik. Und damit Börsenwert sofort steigern. Und Deutschland? zu präsentieren. tatsächlich in Ackermanns Büro, die Sekretärin hat Studenten tatsächlich gelesen. Niemand sagt ihm, kann der 57-Jährige nicht umgehen. »Don’t bullshit me«, sagen Investmentbanker, wenn In Erwartung des 21. Dezember hat sich aber kleine Notizblöcke bereitgelegt und graue, ganz wie er sich verhalten soll, keiner hat ihm aufge- man mit ihnen über soziale Marktwirtschaft redet. auch Deutschland von Ackermann zurückgezogen. spitze Bleistifte mit dem eingravierten Logo der schrieben, was er sagen muss. An jeweils zwei Tagen Josef Ackermann hat die Deutsche Bank verändert So weigert sich Josef Ackermann, auf eine Welt Im Ausland sprach ihn niemand auf Mannesmann Bank. Schmidt, der erfahrene Wirtschaftsprofessor im Juni ist der mächtigste Manager des Landes nur wie kein anderer vor ihm. Er hat den Vorstand ent- einzugehen, der er misstraut – und deren Misstrau- an. Sobald er deutschen Boden betrat, fühlte er sich aus Frankfurt, fühlt sich wie ein Student in der Prü- ein einfacher Universitätsdozent. Einer, der geduldig machtet und ein neues Führungsgremium instal- en er Tag für Tag bestätigt bekommt. Tauchte nicht als Feind. Wo waren die Politiker, die ihm beispran- fung. Nicht dass die Atmosphäre unangenehm ist, in der Mensaschlange wartet, bis ihm die Küchen- liert, das Group Executive Committee, in dem vor jedes Gespräch, dass er mit Gerhard Schröder führ- gen, wo die Unternehmer, die sich für ihn einsetzten? im Gegenteil, aber Ackermann hat Fragen. Woran hilfe den Teller herüberschiebt. allem Investmentbanker das Sagen haben. Er hat die te, anders in der Öffentlichkeit auf, als er es in Erin- Selbst bei einem Freispruch kann der Punkt kom- arbeiten Sie? Wie innovativ ist Ihr Fachbereich? Wie Er ist dann ganz frei. Bank in die Globalisierung geführt, die Geschäfte nerung hatte? Weil Ackermann sich verschließt, men, an dem er nur noch Ekel empfindet. könnte er besser werden? Sie reden fast zwei Stun- In seinem Büro in Frankfurt, sagt ein Vertrauter, in Indien oder China forciert, und es ist selbstver- schwärmen Reporter nach Mels aus, sie wollen se- den, und am Ende steht ein Angebot. Eine Million fühlt sich Ackermann von Anfang an gefangen. Die ständlich, dass dort auch Inder oder Chinesen das hen, aus welchem Käfig dieser Raubtierkapitalist Es gibt diesen dramatischen Abgang. Am Ende des Euro soll der Fachbereich Finanzen von der Bank dicken, allzeit verschlossenen Holztüren auf der Vor- Sagen haben. Menschen aus 120 Nationen arbeiten entflohen ist, sie fotografieren das Haus der Eltern, Westernklassikers High Noon nimmt der Marschall im Jahr bekommen, um zu den besten Universitäten standsetage; die Kollegen, die sich in ihren Zimmern heute im Unternehmen. Vor allem aber vollendet sie klingeln sogar, und später beschreiben sie genüss- seinen Stern und wirft ihn in den Staub. Und geht.

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