2016 Der traditionsreiche Kalender bietet für jeden Tag des Sonne Jahres eine Andacht zu einem biblischen Text mit anregenden und Mut machenden Auslegungen. Als Grundlage dient an den Werktagen die Textausw­ ahl der ökumenischen Bibellese, an den Sonntagen werden und Schild meist die vorgeschlagenen Texte der Predigtr­eihe des Kirchenjahres ausgelegt. Außerdem gibt es Gebete Evangelischer Tageskalender und Liedvorschläge sowie kleine interessante Zusatz­ informationen zu bedeutenden Persönlichkeiten Sonne und Schild oder wichtigen Ereignissen aus der Geschichte des Christentums.

Die Auslegungen, Gebete und Zusatzinformationen werden von einem großen engagierten Autorenkreis aus vielen evangelischen (Landes-)Kirchen in Deutsch­ land, Österreich und weiteren Ländern erarbeitet.

ISBN 978-3-374-04071-1 EVANGELISCHE VERLAGSANSTALT Leipzig www.eva-leipzig.de 9 7 8 3 3 7 4 0 4 0 7 1 1 EUR 9,90 [D] 2016 Sonne und Schild 2016

Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Jesaja 66,13

EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 1 10.06.15 10:25 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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ISBN 978-3-374-04071-1 www.eva-leipzig.de

EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 2 10.06.15 10:25 Jahreslosung 2016 Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Jesaja 66,13

Liebe Leserinnen, liebe Leser! Erinnern Sie sich, wie es war, wenn Ihre Mutter Sie getröstet hat? Als kleine Kinder nach einem Sturz und bei hohem Fie- ber, als Jugendliche bei Liebeskummer und Selbstzweifeln, als Erwachsene bei Streit oder Sorgen in der mittlerweile selbst gegründeten Familie? Oder war es mehr Ihr Vater, der Ihnen Trost geben konnte? Ich gebe zu: Ich habe daran keine konkreten Erinnerungen. Aber ich bin ganz sicher, dass meine Mutter und mein Vater mich getröstet haben, wenn ich es brauchte. Denn wäre es nicht so gewesen, dann würde die Jahreslosung 2016 mich nicht berühren, könnte ich nicht sofort Wärme, Sicherheit, Geborgenheit spüren, sobald ich den Vers aus dem Buch Jesaja lese. Es gefällt mir, dass der Prophet Jesaja hier ein Versprechen weitergibt, in dem Gott nicht, wie es uns vertrauter ist, als der Vater vor uns steht, sondern in dem Gott mit seiner mütterlichen Seite vor Augen gestellt wird. Ich mag es, dass hier Erinnerungen und Empfindungen mit Gott in Verbindung gebracht wer-

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 3 10.06.15 10:25 den, die ganz an den Anfang des Lebens zurückreichen: an den Mutterschoß, in dem ich geborgen war, bis ich geboren wurde; auf dem ich sitzen konnte, wenn ich als Kind Trost und Wärme brauchte. Sicher: Irgendwann sind wir zu groß und zu erwachsen dafür, auf dem Schoß der Mutter oder auch des Vaters zu sitzen. Aber die tiefe Erinnerung an diese Geborgenheit mit Gott in Verbindung b ringen zu dürfen, weil er verspricht, genauso zu trösten, das bringt mich zum Staunen über die Nähe, die er damit in Aussicht stellt. Ge- rade weil der Prophet Jesaja in den umliegenden Versen keinesfalls nur schöne, warme Gefühle erweckt. Nein, wer sich Zeit für das gesamte Kapitel nimmt, wird erschrocken sein über das, was dort sonst noch zu lesen ist: viel Be- ängstigendes, Beunruhigendes, Verwirrendes. Heile Welt ist da nicht. Aber dass Gott gerade da verspricht, wie eine Mutter zu trösten, wirkt wie eine „Insel der Seligen“, wie ein Rückzugsort, ein Schutzraum, den er uns, seinen Kindern, eröffnet. Sind das nicht wunderbare Aussichten für das neue Jahr? Gott verspricht uns einen Ort der Geborgenheit, an dem wir sein dürfen wie ein Kind, egal, wie alt wir sind: „Lieber Gott, du bist so groß, und ich lieg in deinem Schoß wie im Mutterschoß ein Kind; Liebe deckt und birgt mich lind. Leb ich, Gott, bist du bei mir, sterb ich, blieb ich auch bei dir, und im Leben und im Tod bin ich dein, du lieber Gott!“ (Arno Pötzsch, EG 408,5 u. 6). Ihre Elisabeth Neijenhuis

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 4 10.06.15 10:25 Wie in jedem Jahr danke ich an dieser Stelle all den Menschen, die an diesem Kalender-Jahrgang – namentlich genannt oder im Verborge- nen – mitgearbeitet haben, und wünsche ihnen gleichermaßen wie allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes, trostvolles Jahr 2016.

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 5 10.06.15 10:25 1. Januar Freitag | Neujahrstag

Spruch: Kolosser 3,17 Lied: EG 64 oder 65 Evangelium: Lukas 4,16–21 Epistel: Jakobus 4,13–15 Altes Testament: Josua 1,1–9

Wir lesen Jakobus 4,13–15 Voraussetzung des Jakobus Wann fahrt Ihr dieses Jahr in den Urlaub? Im Juli. Wieder Richtung Norden? Ja. Wir freuen uns schon riesig drauf. – Gespräche zum Jahresbeginn. – Wie passt dazu unser Text? Natürlich wissen wir nicht, was morgen sein wird. Ein Unfall – und alle Pläne können hin sein. Aber ich kann doch nicht dau- ernd die Katastrophe mit denken, und bin ich nicht doch mehr als ein Rauch, der eine kleine Zeit bleibt und dann verweht? Ein unfreundliches Bild für unser Leben. Immerhin ist dieser ver- gängliche Wasserdampf, der ich sein soll, ein Gesprächspartner Gottes. Was reitet den Jakobus, unser Menschsein von seiner Vergänglichkeit her zu definieren? Sicher, manchmal, bei Krieg und Pest, drängt sich so etwas auf. Aber ist unser „Ich“ nicht ein unglaubliches Wunder in dieser Welt? Wir erleben diese Wirk- lichkeit von innen, können über sie nachdenken, sie erforschen und umgestalten. Ich darf doch dieses wunderbare geschenkte Leben, das am Neujahrstage wie eine weiße Schneelandschaft

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 6 10.06.15 10:25 vor mir liegt, nicht durch sein Ende entwerten. – Was Jakobus schreibt, ist ja nicht falsch. Manchmal reden wir von morgen, als hätten wir unsere Zeit sicher in der Tasche. Als kleiner Hin- weis, dass der Gevatter Tod hinter der nächsten Ecke stehen kann, ist es deshalb nützlich. Es lockert meine träge Sicher- heit. – Manchmal, wenn ich eine schriftliche Zusage für einen Vortrag in einem halben Jahr gebe, schreibe ich dahinter „s. c. j.“ (lateinisch: sub conditione jacobaea; deutsch: unter der Voraussetzung des Jakobus): So Gott will und ich lebe. Eine kleine Verbeugung vor dem allmächtigen Gott, dessen Pläne ich nicht kenne. Aber das nimmt mir nicht die Zuversicht, dass mein Leben und mein Tod in Gottes Hand sind. Man darf sich durch den Tod das Leben nicht vermiesen lassen, schon gar nicht das ewige. – Darum leben wir in fröhlicher Lebens- zuversicht die uns geschenkten Tage voll aus. Horst Hirschler

Wir beten Lieber Vater im Himmel, das neue Jahr beginnt. Wir wissen nicht, was Du mit uns vorhast. Aber wir planen und vertrauen Dir, den wir durch Jesus Christus kennen, in Zeit und Ewig- keit. Amen.

Tag der Beschneidung u. Namengebung Jesu | 379 † Ba- silius, Bischof und Mönchsvater in Kappadozien | 1484 * Huldreich Zwingli | 1504 * Caspar Cruziger, Professor der Theologie in Wittenberg, Mitarbeiter Luthers | 1899 Evangelische Frauenhilfe gegründet

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 7 10.06.15 10:25 2. Januar Sonnabend | SA 08:27 SU 16:25 MA 00:21 MU 12:09

Wochenspruch: Johannes 1,14a Wochenlied: EG 25 oder 34

Wir lesen Markus 1,1–8 Sünde als Frucht der Gottesferne Johannes ist der Prediger in der Wüste, der das Kommen Christi vorbereitet. Er ruft zur Abkehr von der Sünde, von unserer Gottesferne. Das Untertauchen im Jordan ist das Zei- chen von Gottes Nähe. – Seltsam, dass die Leute damals so bereitwillig zum Jordan strömten. Bei uns ist das Wort Sünde eher lächerlich geworden. Es scheint vorgestrige moralische Engstirnigkeit zu dokumentieren. Allenfalls von Verkehrssün- dern ist noch die Rede. Sünde, für die wir zum Jordan müssten, um davon frei zu werden, ist uns fremd. Andererseits, ist in der heutigen Sehnsucht nach Spiritualität nicht doch eine Ahnung von unserer Gottesferne enthalten? Wer versteht, dass Sünde die Folge der Gottesferne ist, weiß, dass es gut wäre, im Ein- klang mit seiner Bestimmung, also im Frieden mit Gott zu leben. Damit solche Sehnsucht nicht in die Irre führt, weist Johannes von sich weg auf den stillen jungen Mann Jesus. Er ist der Heiland. Durch ihn allein ergreift mich Gottes Geist. – In der Kreuzigungsdarstellung des Isenheimer Altars von Mat- thias Grünewald steht Johannes der Täufer neben dem Kreuz. Sein übergroßer Zeigefinger weist auf Jesus, den Christus. Das

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 8 10.06.15 10:25 tut Markus mit dieser Erzählung. Wir werden von der Gottes- ferne als der Wurzel aller Irrwege unseres Lebens nur dadurch frei, dass wir, vom Geist Gottes ergriffen, all unser Vertrauen auf Jesus Christus setzen. Horst Hirschler

Wir beten Lieber Vater im Himmel, wir bitten Dich, mache uns frei von der Macht unserer Irrwege. Schenke uns den festen Halt durch Dich in Deinem Sohn Jesu Christus, damit wir neue Wege finden. Amen.

Wilhelm Löhe gründet ein Diakonissenmutterhaus Er erhoffte das Erwachen helfender Gemeinden. Nicht nur künftige Diakonissen, sondern christliche Bildung des weib- lichen Mittelstandes auf dem Lande durch kurzen Aufenthalt in einer „Bildungsanstalt“ war das Ziel. Die Frauen sollten speziell für den Dienst an den Kranken- und Sterbebetten ausgebildet werden. Die Gemeinde-Diakonie war Löhe im Grunde wichtiger als die Anstalts-Diakonie vom Zentrum eines Mutterhauses aus. Als dieses 1854 gegründet war, ver- gaß er keineswegs sein ursprüngliches Anliegen. – Heute sind weithin freie Mitarbeiter tätig. Ludwig Burmeister (nach Fr. W. Kantzenbach)

1801 † Johann Kaspar Lavater, Theologe, Schriftsteller in der Schweiz | 1870 * Ernst Barlach, Bildhauer, Dichter, Dra- matiker und Graphiker | 1872 † Wilhelm Löhe, Erneuerer der lutherischen Kirche

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 9 10.06.15 10:25 3. Januar Sonntag | 2. Sonntag nach dem Christfest

Wochenspruch: Johannes 1,14b Wochenlied: EG 51 oder 72 Evangelium: Lukas 2,41–52 Epistel: 1. Johannes 5,11–13 Altes Testament: Jesaja 61,1–3.(4.9.)11.10

Wir lesen 1. Johannes 5,11–13 Auf das ewige Leben setzen? Im Johannesevangelium spricht Jesus: „Ich bin die Auferste- hung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben“ (11,25 f.). Das Christusver- trauen schenkt mir für mein Leben eine unglaubliche Weite. Der Tod ist nicht mehr der finstere Abschlussdeckel meines Lebens. – Viele mögen das heute nicht glauben. Sogar viele Christen meinen, mit dem Tod sei alles aus. Scheint auch nicht unvernünftig zu sein. Luther sagt nüchtern: Dann wer- den mich die Würmer fressen. Mit der Urne heute geht’s noch schneller und preisgünstiger. Aber ist es richtig, unser Menschsein so auf das Leibliche zu beschränken? Sind wir nicht viel mehr? Wer Gott anruft, ist doch im Gespräch mit der Ewigkeit. – Manchmal wissen wir das. Als ein gelieb- ter Mensch gestorben war, sagten die Angehörigen nach der Gedenkfeier im Familienkreis: „Das hat dem Andreas sicher

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 10 10.06.15 10:25 auch Freude gemacht.“ Als hätte er vom Himmel aus zu- schauen können. – Und sind nicht die eingemeißelten Namen auf den Grabsteinen unserer Angehörigen ein Hinweis, dass unsere Namen auch im Himmel unvergänglich geschrieben sind? Luther sagt in der „Bereitung zum Sterben“, seinem Bestseller von 1519: Mit dem Tod ist es wie mit der Geburt, wir kommen aus dem engen Leib der Mutter mit mancher- lei Mühen in diese herrliche, weite Welt, und wir kommen durch das Sterben mit mancherlei Mühen in die viel herrli- chere, weite Welt der Gottesnähe. – Vielleicht sollten wir uns angewöhnen, unser ewiges Leben nicht am Menschen festzumachen, sondern an Gott selbst. Er hat unser Leben durch alle Verästelungen hindurch begleitet, er kennt uns und vergisst uns nie. Dann sage ich: Du allmächtiger Gott, du mein Bruder durch Jesus Christus, in deine Hände hinein lass mich sterben. Denn darin habe ich dein ewiges Leben. Horst Hirschler Wir beten Herr Jesus Christus, wir danken Dir für Dein ewiges Leben. Mach unser Leben dadurch weit und zuversichtlich, dass wir die Angst um uns verlieren und Deine Liebe weitergeben mögen. Amen.

um 306 † Gordius, Märtyrer in Kappadozien | 1537 Schmalkalische Artikel | 1559 † Matthäus Ratzeber- ger | 1934 „Freie reformierte Synode“ in Barmen-Ge- marke | 1972 † Frans Masareel, flämischer Maler und Gra- phiker

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 11 10.06.15 10:25 4. Januar Montag | SA 08:26 SU 16:27 MA 02:26 MU 12:59

Wochenspruch: Johannes 1,14b Wochenlied: EG 51 oder 72

Wir lesen Markus 1,9–13 Auf unserer Seite Bevor Jesus seine öffentliche Wirksamkeit beginnt, lässt er sich von Johannes taufen. Aber warum gerade er? Der einzig Gerechte sollte Buße tun und sich Sünden vergeben lassen? Erst nach seinem Tod am Kreuz, nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt wurde dies von seinen Jüngern verstan- den. Er wollte sich einreihen in das sündige menschliche Ge- schlecht. Er wollte auf der Seite derer stehen, die auf Gottes Gnade und die Vergebung ihrer Sünden angewiesen sind. Als Unschuldiger konnte er die Schuld aller tragen und hin- wegnehmen. Dabei musste er sich nicht nur mit menschli- chen Gegnern, sondern auch mit den Mächten der Finsternis auseinandersetzen. Bei seiner Taufe wurde Jesus zugleich für diese kommenden Kämpfe ausgerüstet: Der Himmel tat sich auf und der Geist Gottes kam auf ihn herab. Dazu hörte er eine Stimme: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“ – So gestärkt kann Jesus die Versuchung in der Wüste siegreich bestehen. Wie gut, dass sein Gehorsam uns zugerechnet wird und wir nicht aus eigener Kraft vor Gott bestehen müssen. Während Adam aus der biblischen

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 12 10.06.15 10:25 Urgeschichte durch seinen Ungehorsam das Paradies verlor, konnte Jesus durch seine Gerechtigkeit es wieder aufschlie- ßen. Die neue Welt Gottes leuchtet bereits auf, in deren um- fassenden Frieden sogar die Tierwelt mit hineingenommen wird. Bernd Frauenlob

Wir beten Herr Jesus, Du bist durch Deine Taufe unser aller Bruder geworden und hast uns zu Kindern Gottes gemacht. Dafür danken wir Dir. Lass uns auch in schweren Stunden an Dei- ner Güte festhalten. Amen.

Die Geburtsstunde der kirchlichen Diakonie Im Jahre 1848 wurde auf dem Wittenberger Kirchentag der „Centralausschuß für Innere Mission“ durch Johann Heinrich Wichern ins Leben gerufen. Er hatte erkannt, dass bereits bestehende Formen diakonischer Arbeit miteinander koor- diniert und stärker im Bewusstsein der Öffentlichkeit veran- kert werden müssen. Die Kernaufgabe wurde so formuliert: „Die Innere Mission hat zu ihrem Zwecke die Rettung des evangelischen Volkes aus seiner geistigen und leiblichen Not durch die Verkündigung des Evangeliums und die brüderliche Handreichung der Liebe.“

1786 † Moses Mendelssohn, deutscher jüdischer Philosoph | 1849 Zentralausschuss für Innere Mission gegründet | 1946 † Fritz von Bodelschwingh d. J., Glaubenszeuge in Westfalen

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 13 10.06.15 10:25 5. Januar Dienstag | SA 08:26 SU 16:28 MA 03:28 MU 13:28

Wochenspruch: Johannes 1,14b Wochenlied: EG 51 oder 72

Wir lesen Markus 1,14–20 Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen Eine alte Sehnsucht Israels beginnt sich mit dem öffentlichen Wirken von Jesus zu erfüllen: Das Reich Gottes bricht an. Allerdings geschieht dies nicht mit äußerer Gewalt, sondern mit der Bereitschaft zum Leiden. So, wie Johannes der Täufer gefangengesetzt wurde, so wird es auch Jesus ergehen. Mit Liebe und Hingabe will er Menschen befreien von drücken- den Sorgen, quälenden Krankheiten und gesellschaftlicher Isolation. Er will ihnen bedingungslos ihre Schuld vergeben. Wo dies sich ereignet, beginnt das Reich Gottes. Solch in- nerlich erneuerte Menschen können segensreich in unsere Welt hineinwirken, obwohl sie selbst noch anfällig für die Sünde bleiben. Die Zeugen Jesu sind glaubwürdig, wenn sie selbst täglich bereit sind, sich vom Wort Gottes korrigieren und erneuern zu lassen: „Tut Buße und glaubt an das Evan- gelium!“ Nachdem Jesus seine Botschaft zusammengefasst hat, beruft er die ersten vier Jünger. Simon und sein Bruder Andreas sowie Jakobus und sein Bruder Johannes sollen nun nicht mehr die Netze im See Genezareth auswerfen, son- dern als Menschenfischer die frohe Botschaft weitertragen.

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 14 10.06.15 10:25 Die beiden Brüderpaare sind zugleich die Ersten, welche aus dem Munde Jesu hören: Einmal wird das Reich Gottes eine sichtbare Gestalt annehmen. Die Wirren dieser Welt nehmen ein Ende und Gott erneuert seine ganze Schöpfung (Markus 13,3). Bernd Frauenlob

Wir beten Herr Jesus Christus, Du hast uns gerufen, Dir nachzufolgen. Wir erfahren dabei viel Freude, aber auch Widerstände und eigenes Versagen. Gib, dass wir uns täglich Dir anvertrauen. Amen.

Fromm und weltoffen Emil Frommel wuchs in einer bibelgläubigen, aber auch weltoffenen Familie in Karlsruhe auf. Von zu gleicher Zeit auftretenden gesetzlichen Verengungen ließ er sich nicht irritieren. 1846 begab er sich zum Studium der Theologie nach Halle. Bei lernte er, wie sich wissen- schaftliches Arbeiten mit persönlicher Frömmigkeit verbin- den lässt. Nach verschiedenen Stationen als Gemeindepfarrer wurde er 1870 an die Berliner Garnisonkirche berufen. Mit lebensnahen und ermutigenden Predigten sowie zahlreichen volksmissionarischen Schriften erreichte er große Teile der Bevölkerung.

1547 † Johannes Hess, Reformator Schlesiens | 1828 * Emil Frommel, volkstümlicher Pfarrer an der Berliner Garnison- kirche | 1924 † Wilhelm Steinhausen, christlicher Maler

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 15 10.06.15 10:25 6. Januar Mittwoch | Epiphanias

Spruch: 1. Johannes 2,8b Lied: EG 70 oder 71 Evangelium: Matthäus 2,1–12 Epistel: Epheser 3,2–3a.5–6 Altes Testament: Jesaja 60,1–6

Wir lesen Markus 1,21–28 Eine heilsame Begegnung Epiphanias: Heute begehen wir das Fest der Erscheinung Jesu, dem Weihnachtsfest nah verwandt und Abschluss der eigentlichen Weihnachtszeit. Die Erzählung vom Auftre- ten Jesu in Kapernaum macht deutlich, wer da erschienen ist: Gottes Sohn. Denn Jesus predigt in Vollmacht. Seine Worte gehen den Zuhörern zu Herzen. Sie spüren in seinen Worten, dass Gottes Geist in ihm wirkt. Jesu Worte sind immer begleitet von seinen Taten. An der ersten Heilung Jesu wird es unübersehbar, dass Gott in ihm in unserer Welt erschienen ist: Vor Jesus steht ein Besessener. Ein Mensch, der nicht Herr seiner selbst und eigentlich auch nicht mehr er selbst ist. Er spürt die Kraft der Heilung, die von Jesus ausgeht und seine bisherige Existenz beenden wird. Aus einer inneren Abwehr heraus legt er doch ein Bekenntnis ab: „Du bist der Heilige Gottes“. Die Kraft Gottes, die in Jesus wirkt, heilt diesen kranken Mann. Seine Seele wird wieder gesund.

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 16 10.06.15 10:25 Alle Umstehenden sehen, dass Jesu Worte von Gott legiti- miert sind. – Die Begegnung mit Jesus Christus und seinem Wort verändert das Leben. Viele Menschen nach dem Be- sessenen haben das am eigenen Leibe erfahren. Ich denke an einen Alkoholiker, der vor vielen Jahren in einer Kneipe von einem Diakon unserer Landeskirche angesprochen wurde und über einen längeren Zeitraum Kontakt hatte mit ihm. Letztlich fand er einen Halt im Glauben. Er wurde geheilt von seiner Sucht, er konnte ein neues Leben beginnen. Er fand eine Frau, die seine Vorgeschichte akzeptierte; er grün- dete mit ihr eine Familie. Sein Leben wurde heil durch die Begegnung mit Christus und seinem Wort. Solche Erfah- rungen braucht unser Glaube. Denn in ihnen erscheint uns der Herr auch heute als der Lebendige. Wir dürfen erah- nen, was Menschen gesehen haben, die Jesus begegneten. Auf diese Weise erleben auch wir die Epiphanie Gottes. Jochen Bohl

Wir beten Herr, unser Gott, erschienen bist Du als Kind im Stall von Bethlehem und ebenso als Prediger und Heiler in Kapernaum. Schenke auch uns immer wieder heil- volle Begegnungen mit Dir durch Dein Wort. Amen.

1852 † Louis Braille, Erfinder der Blindenschrift | 1919 † Walther Paucker, Blutzeuge in Estland | 1977 † Hanns Lilje, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 17 10.06.15 10:25 7. Januar Donnerstag | SA 08:25 SU 16:31 MA 05:31 MU 14:43

Wochenspruch: Johannes 1,14b Wochenlied: EG 51 oder 72

Wir lesen Markus 1,29–39 Die Stille führt In die Stille führen die Wege derer, die aus der Kraft kom- men. Die in die Kraft gehen. Die Hektik führt in Überfor- derung. Der Lärm führt in den Schmerz. Die Lust am Er- folg führt in die Maßlosigkeit. Die Stille führt in die Kraft. In die Einfachheit. Neuer Purismus. – Jesus heilt, im engen Freundeskreis, und dann kommen sie alle. Und Jesus heilt sie, die Fiebrigen, die Phantasierenden, die sich nicht regen können und die von Geistern besessen sind, er heilt sie alle, heilt bis zur Erschöpfung. Im Morgengrauen fasst er einen Beschluss. So kann es nicht weitergehen. Er geht in die Stille. In die Einsamkeit. Eine Oase der Ruhe. Hier kann er beten. Heißt: Hier kann er hören. Er hört in die Stille. Er braucht keine Worte. Die Stille erfüllt. Beten heißt: hören. Antwor- ten kommen, von ganz allein. Sie fließen, wenn das Herz still wird, leer wird. Eine Schale, in die sich die Stille hinein ergießt. Die Stille führt. – Da kommen sie schon. Simon und die anderen, sie rufen Jesus, ihre Worte durchbrechen die Andacht, wie Peitschenhiebe knallt ihr Lärm durch die Stille, vertreibt die heilige Leere. Wo bleibst du bloß? Alle suchen

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 18 10.06.15 10:25 dich. Alle wollen dich. Alle brauchen dich. Komm. Jetzt. Nein, so geht das nicht. Lass uns woanders hingehen. – Der Lärm darf nicht führen, der Erfolg nicht verführen. Das Herz hört auf die Stille und folgt dann. Friedemann Magaard

Wir beten Gott. Ich schweige. Ich höre auf die Stille. Du bist da. Ich muss nichts dafür tun. Du bist da. Und ich bin da. Sonst ist gerade nichts wichtig. Du nährst mich mit der Stille Deiner Gegenwart. Amen.

Stille Jesus suchte die Zurückgezogenheit immer wieder. Vor seiner öffentlichen Tätigkeit zieht er sich für 40 Tage zum Fasten und Beten in die Wüste zurück. Und in der Stunde schwers- ter innerer Anfechtung am Vorabend seines Todes sucht er das stille Gebet. In der Glaubenspraxis sind Meditation und Stilleübungen kein Privileg von asiatischen Religionen oder katholischem Ordensleben. Eine evangelische Spiritualität, die die Stille sucht, findet sich in verschiedenen Epochen, etwa in der Erweckungsbewegung oder in evangelischen Communitäten wie dem Casteller Ring.

1529 † Peter Vischer, Nürnberger Bildgießer | 1590 † Jakob Andreä, Theologe aus Württemberg, Urheber der Konkordi- enformel | 1692 August Hermann Francke in Halle

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 19 10.06.15 10:25 8. Januar Freitag | SA 08:25 SU 16:32 MA 06:29 MU 15:31

Wochenspruch: Johannes 1,14b Wochenlied: EG 51 oder 72

Wir lesen Markus 1,40–45 Der Anfang vom Ende? Er kann die Klappe nicht halten. Sein Herz läuft einfach über. Regeln? Egal. Versprochen? Er hat es nicht böse gemeint, es ging einfach nicht. – Aussatz ist schmerzhaft, unheilbar dazu. Aussätzige lebten als Verbannte, in der Wüste, in Höh- len. Hautflechten oder Leprawunden verstand man als Strafe Gottes. Diese Kranken standen außerhalb des Heils und au- ßerhalb der schützenden Gemeinschaft. Dass er es riskiert, auf Jesus zuzugehen! Dass er vor ihm in den Staub fällt und ihn bittet: Reinige mich! Der Mut eines Verzweifelten. Jesus ist berührt von dem Leid. Er berührt den Kranken. Er spricht das erlösende Wort. Die Krankheit fällt von dem Aussätzigen ab. Un-glaub-lich. Jesus ringt ihm ab, er solle schweigen. Kein Wort! Jesus weiß, was ihm droht. Sie werden kommen, ihn zu finden. Die einen, um selbst geheilt zu werden. Kranke, Lahme, Blinde, alle werden sich auf ihn stürzen. Die ande- ren, weil sie die Gefahr erkennen werden. Sie ahnen, welche Macht aus Jesus spricht. Sie werden sich auf ihn stürzen, denn ihre eigene Macht ist in Gefahr. Sie werden ihn jagen, denn ehe sie fallen, soll lieber Jesus sterben. Doch der, der krank

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 20 10.06.15 10:25 war, nun geheilt, befreit, erlöst, er kann die Klappe nicht halten. Sein Herz läuft einfach über. Regeln? Egal. Verspro- chen? Er hat es nicht böse gemeint, es ging einfach nicht. Der Anfang vom Ende. Ein Ende, das in einen großen Anfang führt. Friedemann Magaard

Wir beten Christus. Dein Licht leuchtet. Das Leben, das Du schenkst, breitet sich aus wie eine ansteckende Gesundheit. Gegen alle Vernunft. Nichts kann sich dem entziehen. Welche Kräfte von Dir kommen! Amen.

Ambivalent Der Evangelist Markus stellt an den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu mehrere Wunder. Jesus predigt und heilt: Aus ihm spricht große Macht. Doch alle drei Heiligungen sind durchzogen von Ambivalenzen. Erst ruft der Erfolg Jesu eine übergroße Zahl von Kranken auf den Plan. Dann fordert er vom geheilten Aussätzigen Verschwiegenheit, was dieser nicht einhalten kann. Schließlich erkennen Gegner durch die Heilung des Gelähmten die Gefahr, die für sie von Jesus ausgeht. Das Heil, das Jesus bringt, bleibt nicht ohne kritische Folgen. Bereits der Anfang deutet auf die Krise, auf das Kreuz hin, aus dem dann neues Leben wachsen wird.

1560 † Johann Laski, Reformator in Ostfriesland und Polen | 1642 † Galileo Galilei, italienischer Philosoph und Astronom

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 21 10.06.15 10:25 9. Januar Sonnabend | SA 08:24 SU 16:34 MA 07:23 MU 16:28

Wochenspruch: Johannes 1,14b Wochenlied: EG 51 oder 72

Wir lesen Markus 2,1–12 Das eigentliche Wunder … Zu viert wuchteten sie ihn auf das Dach des Hauses. Der Ein- gang und der Flur waren voll. Alle wollten Jesus sehen, ihm zuhören, in seine Nähe kommen, unbedingt. Keine Chance, sich durchzumogeln. Der Weg war versperrt. Also aufs Dach. Mit letzter Kraft. Dort machten sie ein Loch, ließen den Gelähmten hinab. – „Deine Sünden sind vergeben.“ Das ist das eigentliche Wunder. Was nachher kommt, ist vergleichs- weise einfach. Unerhört aber: „Deine Sünden sind vergeben.“ Mit einem Satz wischt Jesus weg, was schlimm war in den vergangenen Jahren. Die bösen Worte. Die Rachegedanken. Versteckte Gemeinheiten. Als wenn ein Kranker keine Sün- den begehen könnte: Er kann. Und nun dies: Was von Gott getrennt hat, in Worten und Taten, ist bedeutungslos. Als wäre es nicht geschehen. Es fällt von ihm ab. Eine Lebens- last. Die Scham. Die Bitterkeit. Die Wut. Ihm wird leicht. Er richtet sich auf. Atmet tief. Dass sie sich daran stoßen, ist ihm egal. Ordnungshüter: Sie tuscheln, zeigen mit dem Finger auf Jesus, dann auf ihn, dann nochmal auf Jesus. Es braut sich etwas zusammen. Aber seine neue Kraft bleibt bei

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 22 10.06.15 10:25 ihm. Da können sie mosern, wie sie wollen. Der Rest ist dann ganz einfach. „Nimm dein Bett und geh.“ Er weiß, er kann es. Er tut es. Sie erschrecken. Sie springen zur Seite. Er aber, federnd, geht, Schritt um Schritt, ins neue Leben. Friedemann Magaard

Wir beten Christus. Dein Wort macht frei. Du richtest mich auf. Du schenkst neues Leben. Egal, was andere sagen. Egal, wie sie gucken. In Deinen Augen bin ich schön. Das zählt, sonst nichts. Amen.

Der Machtkampf ist eröffnet Die Wundertaten Jesu sind seinen Gegnern ein Dorn im Auge. Die Menschen strömen zu Jesus, er fasziniert wie ein Volkstribun. Theologisch reizt Jesus die Schriftgelehrten, als er seine (Voll-)Macht selbst deutet. Er, der Kranke heilt, hat auch die Macht, Sünden zu vergeben. Dieses steht allein gött- licher Macht zu. Den Himmlischen Vater bittet man darum, Schuld zu vergeben. In dem Moment, in dem Jesus selbst als Vergebender auftritt, ist sein Anspruch ausgesprochen: Hier wirkt der Sohn Gottes, der Christus, in der Vollmacht des Vaters. Provokanter kann es nicht sein.

1548 † Matthäus Zell, Reformator in Straßburg | 1825 Schwarzes Kreuz gegründet | 1908 † Wilhelm Busch, evan- gelischer Dichter und Zeichner | 1939 † Herman Menge, Bibelübersetzer

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 23 10.06.15 10:25 10. Januar Sonntag | 1. Sonntag nach Epiphanias

Wochenspruch: Römer 8,14 Wochenlied: EG 68 oder 441 Evangelium: Matthäus 3,13–17 Epistel: Römer 12,1–3.(4–8) Altes Testament: Jesaja 42,1–4.(5–9)

Wir lesen Römer 12,1–3.(4–8) Unser vernünftiger Gottesdienst Wie ist es mit unserer Selbsteinschätzung zu Beginn eines neuen Jahres? Nehme ich mir ernsthaft vor, in einer neuen Weise meinem Leben eine andere Gestalt und einen verän- derten Inhalt zu geben? Oder will ich nur ein wenig an meiner mir so vertrauten Fassade kratzen? Jahr für Jahr wird behaup- tet, dass Menschen sich für ein neues Jahr etwas vornehmen, was sie dann doch nicht einhalten. Der Apostel Paulus er- mahnt die Mitglieder der Gemeinde in Rom zu einer „Er- neuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist“. Paulus ändert hiermit unsere Blickrichtung: weg von mir selbst und meiner Nabelschau und hin zu der prü- fenden Fragestellung, ob mein Leben in seiner Einheit von Leib, Seele und Geist Gottes Willen entspricht. Hat Gott Freude daran, wie ich lebe und mit wem ich gerne zusammen bin? Vielleicht hat Gott gerade dann an mir Wohlgefallen, wenn ich den mir unsympathischen Menschen freundlich

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 24 10.06.15 10:25 begegne. Wenn zu dieser Gruppe auch die Andersgläubigen und die Konfessionslosen gehören, dann trifft uns die Mah- nung des Paulus sehr hautnah und bringt uns mit unserem christlichen Glauben in Schwierigkeiten. Denn wir sind doch davon überzeugt, dass unser Glaube an Jesus Christus allein der wahre ist. Infolgedessen müssten wir den anders Glau- benden ausschließen. Ja, wir! Ich! Und nochmals „Ich“! Ob dies jedoch Gottes Wille ist und ob Gott daran Freude hat? Schon wieder rutscht diese Frage aus unserem Blickfeld he- raus! Inhalt unseres „vernünftigen Gottesdienstes“ muss die einladende Verkündigung aus der Perspektive Gottes sein. Dieser Dienst Gottes ist so einladend, dass alle Menschen angesprochen sind. Denn Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist für alle Menschen gestorben und auferstanden, nicht nur für die Christen. Deshalb sind aus dem Blickwinkel Gottes alle Menschen Kinder dieses Herrn über Leben und Tod. Klaus Wollenweber

Wir beten Herr, wende unseren Blick hin auf Deinen Willen, damit wir nicht nur nach unseren eigenen Wünschen unser Leben gestalten. Lass uns danach fragen, ob unsere Lebensweise Dir Freude bereitet. Amen.

1356 Goldene Bulle | 1514 Neues Testament erstmals voll- ständig gedruckt | 1531 Reformation in England | 1797 * Annette von Droste-Hülshoff, Dichterin | 1946 erste Voll- versammlung der UNO

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 25 10.06.15 10:25 11. Januar Montag | SA 08:23 SU 16:36 MA 08:52 MU 18:42

Wochenspruch: Römer 8,14 Wochenlied: EG 68 oder 441

Wir lesen Markus 2,13–17 Folge mir nach! Folge mir nach, und es wird dir gutgehen. Du wirst eine Heilbehandlung erfahren, die dir noch niemand zuteilwer- den ließ: an Leib und Seele. So einfach ist das! Folge mir nach. – Weiß ich denn, wohin? Weiß ich denn, wie das geht? – Weiß ich denn, ob es mir gut dabei geht? Offenbar ist das Vertrauen zu Jesus so groß, dass Levi einfach alles stehen und liegen lässt und mitgeht. Levi war kein sehr an- genehmer Mann, sondern einer von eher schlechtem Ruf, ein Zöllner, der wusste, wie man Geld eintreibt. Und an- dere wussten das auch und mieden ihn und sein Haus. Aber nun erleben die Nachbarn und Freunde, dass Jesus dieses Haus betritt, dass er sich sogar einladen lässt und offenbar nichts Anrüchiges daran findet. Auf die empörten Ausrufe der Umstehenden reagiert er ganz gelassen und bewusst: Die Bewohner des Hauses brauchen Heilung und Heil. Nicht diejenigen, die nicht anrüchig sind, oder die, welche gradlinig sind, sondern vor allem diejenigen, die mit wenig Achtung angesehen werden. Und so fügt Jesus zusammen, was als Volk zusammengehört, unabhängig von Stellung,

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 26 10.06.15 10:25 Ansehen oder Nichtachtung. Folge mir nach, und es wird dir gutgehen. Welch ein Zuspruch! Heidrun Elliger

Wir beten Guter Gott, wir leiden darunter, wenn innerhalb der Ge- meinde keine achtsame Stimmung herrscht. Lass uns Men- schen in Deiner Nachfolge sein, die die anderen achten, so dass es allen gutgeht. Amen.

Erste Allianzgebetswoche angeregt Zur Gründung einer „Evangelischen Allianz“ fanden sich 1846 in London 920 Teilnehmer aus unterschiedlichen Grup- pen und vielen Ländern zusammen. Eine dabei beschlossene „Basis“ ist international, aber auch im deutschen Zweig der Allianz immer wieder überarbeitet worden. Die Deutsche Evangelisch Allianz hat 1946 ein Schuldbekenntnis zu ihrem Schweigen gegenüber den Judenverfolgungen verfasst. Eine von Anfang an empfohlene und dann gehaltene „Allianzge- betswoche“ unter einem gemeinsamen Thema findet alljähr- lich in der ersten vollen Januarwoche statt. Ludwig Burmeister

1546 † Ernst der Bekenner, Förderer der Reformation in Nie- dersachsen | 1846 erste Allianzgebetswoche angeregt | 1943 † Karl Hesselbacher

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 27 10.06.15 10:25 12. Januar Dienstag | SA 08:23 SU 16:38 MA 09:29 MU 19:55

Wochenspruch: Römer 8,14 Wochenlied: EG 68 oder 441

Wir lesen Markus 2,18–22 Die Fastenzeit will uns zu denken geben Noch ist keine Fastenzeit, aber sie kommt und will uns zu denken geben. Einen Unterschied zwischen den Jüngern Jesu und den Jüngern anderer religiöser Gruppen zur Zeit Jesu zeigt das Verhalten bezüglich der Praxis des Fastens. Für die Jünger des Johannes war Fasten das Eingeständnis von Schuld und der Versuch der Buße vor Gott. Diese Vor- stellungen sind aber für Jesus nicht zwingend. Das Neue, das er mit seiner Vorankündigung bringt, sprengt das Alte. Mit seinem Kommen ist zugleich das Kommen der Heilszeit angesagt als eine Hochzeit, in der Freude vorherrschen wird. Nur wenn der Bräutigam nicht mehr da ist, wird das Fasten wichtig. Das bedeutet, das Neue, das Jesus bringt, treibt das Alte weg. Und das unwiederbringlich. Daran gibt es nichts mehr zu flicken oder anzupassen wie bei einer Flick- schusterei. Jesus geht es nicht nur um das Fastengebot. Er kannte ja als Rabbi die Heilige Schrift und das Fastengebot. Er kannte es so gut wie die Vorschriften. Und um den Sinn der Vorschriften geht es ihm, nicht um die Vorschriften als

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 28 10.06.15 10:25 solche. Er setzt sich kritisch mit ihnen auseinander. Gesetze können auch über Leben und Tod entscheiden. Heidrun Elliger

Wir beten Guter Gott, Gesetze und Vorschriften geben unserem Leben Halt und Orientierung. Wir brauchen aber auch die Freiheit, eigene Wege zu gehen. Herr, wir bitten Dich: Schenke uns beides – Orientierung und Freiheit. Amen.

Otto Haendler (18.4.1890–12.1.1981) Er war Ostpreuße. Pfarrer wurde er in der Prignitz und in Stralsund, 1931 bis 1935 Predigerseminardirektor in Stet- tin, 1935 bis 1939 Pfarrer bei Greifswald und in Greifswald auch Professor für Praktische Theologie (1945 bis 1951). Danach wurde er bis 1959 – da war er schon 69 Jahre! – an die Humboldt-Universität zu Berlin berufen. Geprägt war er durch Tiefenpsychologie und die liturgische Bewegung, er war Michaelsbruder. Sein Lehrbuch „Die Predigt“ (1941; 3. Aufl. 1960) spiegelt beides entgegen der Zeitströmung wirkungsvoll wider. Ludwig Burmeister

533 † Remigius von Reims, Bischof in Gallien | 1746 * Hein- rich Pestalozzi | 1981 † Otto Haendler, evangelischer Theo- loge und Psychologe | 1928 Lima-Papier

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 29 10.06.15 10:25 13. Januar Mittwoch | SA 08:22 SU 16:39 MA 10:01 MU 21:11

Wochenspruch: Römer 8,14 Wochenlied: EG 68 oder 441

Wir lesen Markus 2,23–28 Für uns gemacht Seit den Zeiten, als Gott Moses die Zehn Gebote gab, war es Ziel aller Gläubigen, den Sabbat als heiligen Tag für Gott und zur geistlichen Erbauung zu bewahren. Wie das am besten machbar sei, wurde mit der Zeit zur heißdiskutierten Frage. Was bedeutet denn „Arbeit“? Soll man seine Tiere füttern, aber nichts für sich selbst kochen? Dies als ein Beispiel, wie die Bewahrung des Freiraumes „Sabbat“ sich in einen Fröm- migkeitstest verwandelte. Es überrascht also nicht, dass auch Jesus in diese Diskussion einbezogen wird, als er und die Jün- ger beim Ährenraufen entdeckt werden. Die Debatte lag auf der Hand, sie war normal. Aber Jesu Antwort ist es nicht: „Der Sabbat ist für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat.“ Jesus klärt Gottes Intention für den Sabbat. Er soll Tag der Erholung sein, nicht Tag der Frömmigkeit- stests durch Beachtung von Regeln. Die Jünger benötigten Nahrung, da sie ihrem Auftrag folgten, das Evangelium zu verbreiten, ebenso wie David seinerzeit Essen brauchte. Der Sabbat will geistlich speisen. Auch uns. Wichtig ist, dass wir ihn als Freiraum offenhalten, damit er weiterhin das Ge-

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 30 10.06.15 10:25 schenk an Zeit und Gelegenheit bleiben kann, mit dem unsere Seele auf dem vor uns liegenden Weg versorgt wird. Denn Gott weiß: Wir brauchen nicht noch ein neues Bündel zum Tragen, sondern Ruhe und Seelennahrung. Dwight Hein

Wir beten Gnädiger Gott, in diesem Moment der Ruhe schenkst Du mir Nahrung für diesen bevorstehenden Tag mit all seiner Last. Hilf mir, die Zeit zu ehren, die Du mir schenkst. Lass mich Dein Wort als befreiende Kraftquelle empfangen. Amen.

Zu Besuch bei Quäkern heute Wir sitzen im Kreis, die Andacht kann beginnen. Nach der Begrüßung werden wir eingeladen zu schweigen. In der Stille können wir Gottes Wort hören. Eine Stunde lang sind wir gemeinsam versammelt, sitzen wartend, schweigend, hörend da, offen für das, was passiert. (Wer aber seine Gedanken mit allen teilen möchte, bekommt auch dazu Gelegenheit.) Ganz still sind sie, die Gottesdienste der Quäker. Aber ansonsten machen Quäker den Mund auf, sprechen sich aus für Frieden, für Gewaltfreiheit, für Menschenrechte, für Gerechtigkeit, für Umweltschutz.

1527 Reformation in Schweden | 1691 † George Fox, Mit- begründer der „Quäker“ | 1823 † Matthias Jorissen, Psal- men- und Liederdichter

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 31 10.06.15 10:25 14. Januar Donnerstag | SA 08:21 SU 16:41 MA 10:30 MU 22:27

Wochenspruch: Römer 8,14 Wochenlied: EG 68 oder 441

Wir lesen Markus 3,1–6 Wiederherstellung Es gibt einen Rock-Song von 1970: „Sign, sign, everywhere a sign / blocking out the scenery / breaking my mind / …“ Auf Deutsch etwa: „Schild, Schild, überall ein Schild, / versperrt den Blick auf’s Land / und geht auf meinen Verstand. / Mach dies! Mach jenes nicht! / Siehst du das Schild denn nicht?“ – Es waren wohl kaum Schilder dort in der Synagoge, wo Jesus die Pharisäer traf. Aber ein passendes Schild zur heutigen Geschichte wäre gewesen: „Keine Heilungen am Sabbat!“ Wir sehen, wie Jesus sich erneut dafür einsetzt, den Sabbat recht zu begreifen. Er will keine Verbotsschilder aufstellen, sondern ein Schild aufrichten, das den Sabbat würdigt als einen Tag, an dem man in Gottes Namen Gutes tut. Ein Tag, um zu heilen und die Kranken zu stärken, so dass ihnen wieder volle Teilhabe an der Gemeinschaft möglich wird. Jesu Handeln brach Barrieren nieder, die Menschen zwischen sich und an- deren errichtet hatten. So zeigt er auch hier, dass Gott nicht will, dass jemand von der Gemeinschaft ausgeschlossen wird. Dass Jesus die Hand heilt, ist ein Zeichen dafür, wie Gott nach allen greift, damit alle unversehrt sein können und fähig,

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 32 10.06.15 10:25 den Sabbat uneingeschränkt zu begehen. In der Geschichte grollen einige. Die Frage an uns aber bleibt: Sind wir Zeichen, „Verkehrsschilder“, die auf Gottes Gemeinschaft und auf die Liebe in der Welt hinweisen? Dwight Hein

Wir beten Gnädiger Gott, hilf mir, an diesem Tag ganz für Dich zu leben. Hilf mir, heute ein Zeichen der Heilung und Deiner Gnade für andere Menschen zu setzen. Amen.

Karl Gerok, religiöser Lyriker (1815–1890) Der schwäbische Pfarrerssohn war evangelischer Theologe und Lyriker. Auf dem Gymnasium von Gustav Schwab ge- fördert, veröffentlichte er auch im Pfarrdienst eine Reihe lyri- scher Werke und Kirchenlieder. In der Sammlung „Festliche Klänge“ von 1838 erschien „Des Kranken Trost“ als Gedan- ken zu 2. Mose 15,26: „Auch weiß ich einen Wundermann / Von großer Kunst und Gnaden, / Den starken Arzt, der helfen kann / Und heilen jeden Schaden, / Nur hilft er, wie und wann er will, / Drum ruf ihn an und halt ihm still, / Dem großen Arzt im Himmel.“

1683 * Gottfried Silbermann | 1887 Oberlinhaus Potsdam beginnt die Arbeit an Taubblinden | 1890 † Karl Gerok, religiöser Lyriker | 1892 * Martin Niemöller

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 33 10.06.15 10:25 15. Januar Freitag | SA 08:21 SU 16:42 MA 10:59 MU 23:43

Wochenspruch: Römer 8,14 Wochenlied: EG 68 oder 441

Wir lesen 1. Timotheus 1,1–11 Kern der christlichen Lehre Der 1. Timotheusbrief setzt eine gefestigte Gemeindestruk- tur voraus, was für eine Abfassung um das Jahr 100 n. Chr. spricht. Vermutlich haben Schüler von Paulus den Brief ver- fasst und ihn an Gemeinden in Ephesus geschickt. Obwohl es sich also nicht um einen echten Paulusbrief handelt, ist dieser Brief den Gemeinden so wichtig geworden, dass sie ihn an die nächsten Generationen weitergegeben haben – bis zu uns. Die Konflikte in der Gemeinde damals kennen wir nicht, doch die Frage von damals erkennen wir: Was lehrt das Christentum? Das ist angesichts unserer multireligiösen Gesellschaft auch eine Frage für uns. Der Brief antwortet: Die Hauptsumme aller Unterweisung ist Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungefärbtem Glauben. Das heißt: Glaube hat die Liebe zum Gegenstand, weil Gott Liebe ist. Wenn wir diese Liebe immer lebten, bräuchten wir keine Gesetze, aber weil wir eben Menschen sind, helfen uns Gesetze. Im Brief heißt es: Wir wissen, dass das Gesetz gut ist, wenn es jemand recht gebraucht. – Wir alle (ge)brauchen Gesetze. Doch sie dürfen nicht willkürlich gefasst und angewandt werden, son-

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 34 10.06.15 10:25 dern müssen gerecht und für alle sein. Um den Schwachen zu ihrem Recht zu verhelfen, forderte King den zivilen Ungehorsam gegen ungerechte Gesetze. Sein Glaube gab ihm die Kraft, für die Gleichheit aller Menschen vor Gott und vor dem Gesetz einzutreten. Wilma Schlaberg

Wir beten Gott, durch Dich bekommen Menschen Kraft und Mut, ihre Stimme gegen Ungerechtigkeit und Willkür zu erheben. Du hast uns Freiheit und Gebote gegeben – hilf uns, beide zu respektieren. Amen.

Martin Luther King jr. (15.1.1929–4.4.1968) Er war Pastor der baptistischen Kirche in den USA, Bür- gerrechtler und Mitte der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre der bekannteste Sprecher der US-amerikanischen Bürger- rechtsbewegung. Er propagierte den zivilen Ungehorsam als Mittel gegen die politische Praxis der Rassentrennung in den Südstaaten der USA und nahm selbst an Aktionen teil. Sein Einsatz und seine Wirkkraft hatten wesentlich Anteil daran, dass die Rassentrennung gesetzlich aufgehoben wurde. 1964 wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen. Im April 1968 wurde er bei einem Attentat ermordet. (Informationen aus: Wikipedia)

1919 † Traugott Hahn, Blutzeuge in Estland | 1929 * Mar- tin Luther King | 1949 † Jakob Künzler

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 35 10.06.15 10:25 16. Januar Sonnabend | SA 08:20 SU 16:44 MA 11:27 MU –

Wochenspruch: Römer 8,14 Wochenlied: EG 68 oder 441

Wir lesen 1. Timotheus 1,12–20 Was hält mich? Das Bild „am Glauben Schiffbruch erleiden“ spricht mich an. Schiffbruch geschieht ja nicht mit Absicht, sondern ist eine Katastrophe, die zwar Ursachen hat, aber nicht erwartet wird, wenn man das sichere Ufer verlässt. In ein Schiff zu steigen, ist ein Schritt voll Vertrauen darauf, dass es trägt. Auch Glauben ist ein Vertrauen, dass uns Gott in den Stür- men und Flauten des Lebens trägt. Doch dann passiert es: Schiffbruch! Vielleicht ist das Schiff aus Altersgründen leck geworden – der Glaube ist nicht gepflegt worden und trägt darum nicht mehr. Oder das Schiff ist von seinem Kurs abge- kommen und hat deshalb Schiffbruch erlitten. Auch wer den Kurs des Glaubens, die Orientierung an Gott und dem Zeug- nis der Bibel verliert, wird vermutlich Schiffbruch im Glauben erleiden. Nun könnten einige sagen: Dann lass ich das mit der Schifffahrt bzw. mit dem Glauben von Anfang an und bleibe an Land. Möglich – doch im Falle des Glaubens eine Täuschung, denn an irgendetwas glaubt jeder Mensch. Wer einmal mit einem Schiff vom Ufer aufgebrochen ist, hat das Land mit anderen Augen gesehen und wird diesen Anblick

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 36 10.06.15 10:25 nicht vergessen. So ist es auch mit dem Glauben: Wer die Liebe Gottes gespürt hat, sieht die Mitmenschen mit anderen Augen – und sehnt sich immer wieder nach Vergewisserung. Wenn wir dennoch im Glauben zu Schiffbrüchigen werden, mögen wir den Fels (wieder) finden, der uns Halt gibt. Wilma Schlaberg Wir beten Gott, Du bist wie eine Insel im Meer, wie eine Quelle in der Wüste und wie ein Licht in der Dunkelheit. Ich vertraue darauf, dass Du da bist, wenn ich Schiffbruch im Glauben erleide. Amen.

Völkerbund Der Völkerbund, der 1920 konstituiert wurde, war eine zwi- schenstaatliche Organisation, die ihren Sitz in Genf in der Schweiz hatte. Er entstand als Ergebnis der Pariser Friedens- konferenz nach dem 1. Weltkrieg. Sein Ziel, den Frieden durch schiedsgerichtliche Beilegung internationaler Konflikte und internationale Abrüstung dauerhaft zu sichern, konnte er nicht erfüllen. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs und der Gründung der Vereinten Nationen (UN) beschlossen seine damals noch 34 Mitglieder am 18.4.1946 einstimmig, den Völkerbund aufzulösen. (Informationen: Wikipedia)

1545 † Georg Spalatin, Reformator in Sachsen | 1920 Völ- kerbund konstituiert | 1987 † Georges Casalis, französischer evangelischer Theologe

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 37 10.06.15 10:25 17. Januar Sonntag | Letzter Sonntag nach Epiphanias

Wochenspruch: Jesaja 60,2 Wochenlied: EG 67 Evangelium: Matthäus 17,1–9 Epistel: 2. Korinther 4,6–10 Altes Testament: 2. Mose 3,1–10.(11–14)

Wir lesen Psalm 89,1–19 Auf Gottes Treue ist Verlass Der Sänger dieses Psalms preist Gott als den Schöpfer, der alles in seiner Hand hält. Gott hat aus dem Chaos eine le- bensfähige Welt geschaffen, in der das Königtum Davids blühen konnte. Aber dieses Königtum war ein Wirken Got- tes, nicht das Verdienst des David. Denn König David hatte seine Macht allein aus Gottes Gnade, und er lebte aus der schützenden Hand Gottes. In alle Ewigkeit gilt, sich auf die- sen wirkenden Gott zu verlassen – nicht auf Menschen oder auf Institutionen! Das ist eine klare Mahnung an uns heute, wenn wir uns so selbstverständlich auf politische, wirtschaft- liche oder wissenschaftliche Aussagen verlassen. Vielleicht sind wir dann zu schnell verlassen! Besinnen wir uns auf das Bekenntnis des Psalmbeters: Allein durch Gott erlangen wir Menschen Gaben und Fähigkeiten, Ehre und Erfolge, Anse- hen und Anerkennung. Das ist nicht immer leicht zu verste- hen und nachzuleben; denn im alltäglichen Leben prägt die

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 38 10.06.15 10:25 eigene Anstrengung unser Zusammenleben mit der Familie und mit Nachbarn, das Miteinander der Generationen und die Machtkämpfe in unserer Arbeitswelt. Wir wünschen uns, dass unser Einsatz anerkannt und belohnt wird. Der Psalm- beter hat eine andere Blickrichtung: Gnade und Treue bilden das Fundament des Handelns Gottes; auf Gerechtigkeit und Recht gründet sich der göttliche Thron. Deswegen preist er das Volk glücklich, das von diesem Gott singt und mit diesem Gott seinen Lebensweg geht: „sie werden im Lichte deines Antlitzes wandeln“ (V. 16). Wie menschlich kann der Sänger von Gott sprechen und zugleich wie ehrfürchtig, wenn er an die Machttaten Gottes denkt und diese aufzählt! Denn Gott ist nicht nur der mächtige Herr der Naturgewalten, sondern mit seinem starken, gewaltigen Arm zerstreut er auch die Widersacher. Wer Gottes Gnade und Treue bezweifelt und missachtet, wird sich vor ihm fürchten. Klaus Wollenweber

Wir beten Herr, lass uns verstehen, dass wir mit unserem eigenen Han- deln Dich preisen; denn Du schenkst uns Fähigkeiten, unse- rer Leben so zu gestalten, dass es uns sinnvoll erscheint und Freude bereitet. Amen.

356 † Antonius d. Gr., Vater des Mönchtums | 395 † Theo- dosius, römischer Kaiser, erhebt das Christentum zur Reichs- religion und verbietet das Heidentum

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 39 10.06.15 10:25 18. Januar Montag | SA 08:18 SU 16:47 MA 12:31 MU 02:14

Wochenspruch: Jesaja 60,2 Wochenlied: EG 67

Wir lesen 1. Timotheus 2,1–7 Jesus nachfolgen Wenn es einem lieben Menschen schlecht geht, dann beten wir. Aber wie ist das mit dem Gebet für die Obrigkeit? Beim ersten Lesen des Textes regte sich in mir Widerwillen dage- gen, dass für Könige und Obrigkeiten gebetet werden soll, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. Aber dann fielen mir Gebete ein, in denen auch wir für die „die in der Politik Verantwor- tung tragen“ beten, dass sie „den Weg des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit suchen“. Haben solche Gebete nicht auch die Absicht, ein ruhiges Leben für uns zu erbitten? Be- ruhigen sie unser Gewissen, weil wir die Verantwortung für Veränderungen an die Regierenden abgeben? Ich hoffe nicht, denn in einer Welt, die auf eine unumkehrbare Klimaerwär- mung zusteuert, in der Menschen hungern und wo Miss- trauen durch mehr und mehr Überwachung herrscht, will und kann ich nicht beruhigt sein. Doch vielleicht hilft uns eine andere Sicht: Nicht das Gebet lässt mich ein ruhiges Leben führen, sondern aus der Ruhe in mir kann ich für Regierende ebenso wie für alle anderen beten. Und aus meiner inneren

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 40 10.06.15 10:25 Ruhe und Gewissheit heraus kann ich handeln. Jesus, der als Mittler bezeichnet wird, ist mir Vorbild darin, denn er hat in sich geruht und doch Aufruhr gebracht. So wünsche ich mir auch unsere Fürbitten und Gebete: dass sie uns und unsere Regierenden nicht beruhigen, sondern Mut und Kraft geben, Jesus nachzufolgen. Wilma Schlaberg

Wir beten Gott, Du hast uns in Jesus gezeigt, wie wir Men- schen gut miteinander leben können. Mach uns alle, ob König oder Hirte, an unseren Orten und mit unseren Gaben zu Werkzeugen Deiner Gerechtigkeit. Amen.

Luthers Kleiner Katechismus Der Kleine Katechismus ist eine Schrift, die Martin Luther 1529 verfasst hat. Dieser „kleine“ Katechismus will als Ein- führung in den christlichen Glauben verstanden werden. Er umfasst die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser sowie die Sakramente Taufe, Abendmahl und Beichte. Er diente zuerst als Lehrbuch, anhand dessen Lesen und Schreiben erlernt wurde. In den lutherischen Kirchen hat der Kleine Katechismus Martin Luthers Bekenntnis- und Lehrcharakter. (Informationen aus: Wikipedia)

1529 Luthers Kleiner Katechismus | 1906 Diakonenanstalt Rickling gegründet | 1945 † Siegbert Stehmann, evangeli- scher Pfarrer und Liederdichter | 1987 † Joachim Beckmann

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 41 10.06.15 10:25 19. Januar Dienstag | SA 08:17 SU 16:49 MA 13:09 MU 03:26

Wochenspruch: Jesaja 60,2 Wochenlied: EG 67

Wir lesen 1. Timotheus 2,8–15 Weder Mann noch Frau Wie eine schwere Last empfinde ich den heutigen Text. Mit einer theologisch fragwürdigen Argumentation wird begrün- det, dass Frauen still sein, sich unterordnen und Kinder be- kommen sollen. In der Gemeinde, an die der Brief gerichtet ist, hat es offenbar Frauen gegeben, die gelehrt und keine Kinder bekommen haben – darüber haben Männer sich be- schwert und erhalten Beistand aus der Ferne. Hier zeigt sich doch deutlich die Kluft, die zwischen der Zeit der Abfassung dieses Textes und uns besteht. Obwohl – mir fallen die religi- ösen Fundamentalisten ein, die gerade solche Stellen zitieren, um ein antiquiertes Rollenverständnis von Mann und Frau zu begründen. Ist Eva nicht tatsächlich nach Adam geschaffen worden und damit zweitrangig? Nun ja – wenn dem so sei, dann überlege sich Mann und Frau einmal diesen Gedan- ken: Adam ist von der Erde genommen und von Gott zum Herrn über die Erde gesetzt worden. Parallel dazu: Eva ist aus der Rippe Adams genommen und folglich zur Herrin über ihn gesetzt. Oder? Den Kern der Bibel treffen, so meine ich, beide Auslegungen nicht, aber sie zeigen, dass die Bibel auf

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 42 10.06.15 10:25 vielerlei Weisen verstanden werden kann, aber missbraucht wird, wenn sie zur Begründung von Unterdrückung benutzt wird. Hingegen entlasten mich Gedanken aus dem, soweit wir wissen, „echten“ Paulusbrief an die Galater: Zur Freiheit hat uns Christus befreit und hier ist nicht Mann noch Frau. Wilma Schlaberg

Wir beten Gott, die Welt, wie Du sie geschaffen hast, ist ein Spiegel Deiner Wirklichkeit: so vielfältig und bunt, dass sie unser Verstehen übersteigt. Gib, dass wir diese Vielfalt wahrneh- men und einander annehmen. Amen.

Heidelberger Katechismus Der Heidelberger Katechismus ist der am weitesten verbrei- tete Katechismus der reformierten Kirche. Er wurde auf Ini- tiative des Kurfürsten Friedrich III. hauptsächlich von Zacha- rias Ursinus erstellt und 1563 in Heidelberg herausgegeben. Der Katechismus ist zugleich Unterrichtsbuch für Kirche und Schule, Bekenntnisschrift, Trost- und Gebetbuch. Schritt- weise zeigt er in seinen drei Teilen dem Menschen den Weg von der Sündenerkenntnis über die Erkenntnis der Erlösung hin zu einem dem Glauben entsprechenden Leben. (Quelle: Wikipedia)

1563 Heidelberger Katechismus | 1576 † Hans Sachs, Schuhmacher und Dichter

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 43 10.06.15 10:25 20. Januar Mittwoch | SA 08:16 SU 16:50 MA 13:53 MU 04:35

Wochenspruch: Jesaja 60,2 Wochenlied: EG 67

Wir lesen 1. Timotheus 3,1–13 Bischöfe und Diakone Leider bekommen wir öfter einmal zu hören „Ja, ‚die Kirche‘ …!“, mitsamt einem Bericht von einer bedauerlichen Bege- benheit. Gemeint sind Pfarrer oder andere Mitarbeiter, mit denen die Kritiker unzufrieden gewesen sind. Offensicht- lich bestand zur Zeit des Apostels Paulus die Gefahr, dass durch einen unguten Lebenswandel der Verantwortlichen in der Gemeinde nicht nur diese, sondern auch das Evan- gelium in Misskredit geraten könnte. Paulus bemüht sich nun, seinem treuen Mitarbeiter Timotheus seine Ansichten über die Ämter Bischof und Diakon vorzustellen. Bischof war damals der geistliche Leiter der Gemeinde und der Diakon sein Helfer. Für beide gilt die Einehe. Wir können daraus schließen, dass sie wohl eine grundlegende Norm der christ- lichen Tradition geworden ist. Das Vorbild derer, die in der Gemeinde diese Ämter innehaben, soll zur Freudigkeit im Glauben an Jesus Christus helfen. Die Kirchengeschichte zeigt uns allerdings, dass ‚die Kirche‘ nicht immer dieses Vor- bild gewesen ist. Die Reformation(en) hat (haben) immer wieder das Wort Gottes in den Mittelpunkt gerückt und den

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 44 10.06.15 10:25 Macht- und anderen Missbrauch kritisiert. Unser Schriftwort spricht schließlich auch uns alle an. Sieht „man“ nicht auch auf uns? Sind wir nicht alle Repräsentanten des Evangeliums? Wir können darum bitten, dass Gott uns die Kraft gibt, ent- sprechend zu leben und zu handeln. Max-Friedrich Hahn

Wir beten Lieber himmlischer Vater, hilf uns zu erkennen, dass wir für unsere Mitmenschen so leben und handeln, dass sie keinen Anstoß nehmen. Hilf uns, dass wir Deine gute Botschaft würdig weitersagen. Amen.

Christoph Martin Wieland (1733–1813) Er war der Sohn des Pfarrers Matthäus Wieland in Ober-Holzheim bei Biberach und zeigte als Kind eine Bega- bung für Sprachen. Daher schickten ihn seine Eltern auf die Schule in Klosterbergen (bei Magdeburg), die ganz im Geiste der Hallenser (Franckeschen) Frömmigkeit geführt wurde. Durch die Beschäftigung mit der klassischen Antike und deren Philosophie kamen dem jungen Wieland Zweifel, aber auch die Befürchtung, dass bei manchen seiner Lehrer und Mit- schüler die schwärmerische Frömmigkeit Heuchelei sei.

1813 † Christoph Martin Wieland | 1859 † Bettina von Arnim, Dichterin | 1944 † Kurt Reuber

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 45 10.06.15 10:25 21. Januar Donnerstag | SA 08:15 SU 16:52 MA 14:44 MU 05:37

Wochenspruch: Jesaja 60,2 Wochenlied: EG 67

Wir lesen 1. Timotheus 3,14–16 Haus Gottes Wo ist das Haus Gottes? Folgen wir unserem Schriftwort, dann finden wir es überall, wo eine Gemeinde nach dem Worte des lebendigen Gottes lebt. Der Apostel Paulus schreibt auch schon im Römerbrief und in den Korinther- briefen vom geistlichen Hausbau. Das ist in der Übersetzung leider immer nur mit „Erbauung“ wiedergegeben worden. Paulus hatte von der christlichen Gemeinde die gleichnis- hafte Vorstellung vom Hause Gottes, das sichtbar ist für alle Menschen: eine Grundfeste der Wahrheit. Hier setzt Paulus seinen Zuspruch für die Gemeinde fort, indem er wieder die Verantwortung der Gläubigen deutlich machen will. Es sind nicht nur Bischöfe und Diakone allein, sondern alle Gemein- deglieder, durch die dieses Gotteshaus erkennbar sein soll, die Grundfeste der Wahrheit (V. 15). Das ist sehr anspruchsvoll. So endet unser Schriftwort mit einem Bekenntnis: Und es ist zu bekennen groß das fromme Geheimnis (so würde ich übersetzen). Er ist offenbart in menschlicher Gestalt. Das ist die Botschaft von Weihnachten: Der Unsichtbare wird sichtbar, er wird wahrnehmbar für alle, die ihn sehen wollen.

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 46 10.06.15 10:25 Er ist durch den Geist Gott gleich. Die Engel haben ihn so gesehen. Den Völkern wird er verkündet. Er ist aufgenom- men in Ehre und Herrlichkeit. Das ist sicher schon ein altes Glaubensbekenntnis, das Timotheus lehren soll, um die Ge- meinde in ihrer Aufgabe zu stärken. Max-Friedrich Hahn

Wir beten Lieber Herr Jesus, wir danken Dir, dass Du uns an unsere Aufgabe erinnerst. Hilf uns, dass wir Dich bekennen – nicht nur mit Worten, sondern auch durch unser Leben und Han- deln, damit wir niemandem Anstoß geben. Amen.

Ludwig Achim von Arnim (1781–1831) Er wurde in Berlin geboren und ist bekannt geworden durch seine Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“, die er mit Clemens Brentano herausgab. Er studierte Naturwis- senschaften und zog mit Brentano als „fahrender Spielmann“ umher. Das war für beide die Gelegenheit, das traditionelle Liedgut zu sammeln. Durch die Sammlung wurde wertvolles Kulturgut gerettet, so dass es nicht der Vergessenheit anheim- fiel. Das diente auch zur Besinnung auf christliche Traditio- nen, die im Volke verwurzelt waren.

1815 † Matthias Claudius | 1831 † Achim von Arnim, Dichter und Sammler von Volksliedern | 1872 † Franz Grillparzer, Dichter

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 47 10.06.15 10:25 22. Januar Freitag | SA 08:14 SU 16:54 MA 15:41 MU 06:32

Wochenspruch: Jesaja 60,2 Wochenlied: EG 67

Wir lesen 1. Timotheus 4,1–11 Falsche Prediger „In den letzten Zeiten …“ heißt es in unserem Schriftwort. Damit sind alle Zeiten gemeint, so können wir in der Rück- schau auf die Kirchengeschichte sagen. Eine Unmenge von Predigern und solche, die meinten, sie würden Gottes Wort besser verstehen als die anderen, haben einige Verwirrung gestiftet. Offensichtlich begann es schon, kaum dass es christ- liche Gemeinden gab. Wir nehmen das zur Kenntnis, aber wir können uns darauf verlassen, dass Gott immer wieder begna- dete Menschen geschickt hat, die sein Wort als Maßstab des Glaubens aus der Menge des Ballastes von recht merkwür- digen Traditionen hervorgeholt haben. So konnten wir zum Refomationstag mit Dankbarkeit das Lied: „O Herre Gott, Dein göttlich Wort ist lang verdunkelt blieben …“ singen. (Es steht leider nicht mehr im Gesangbuch.) So erfahren wir von Luther, der sich auch mit leiblichen Übungen gemüht hat, einen gnädigen Gott zu bekommen. Ihm wurde die Erkennt- nis geschenkt, dass durch Jesus Christus ihm der gnädige Gott schon begegnet ist. So wird eben Timotheus ermahnt, die Gemeinde zu lehren, die Geister zu unterscheiden. Auch

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 48 10.06.15 10:25 heute hören wir von verschiedenen Gemeinden und Gruppen, die mit viel Eifer etwas predigen, das nicht mehr unbedingt mit der biblischen Botschaft übereinstimmt. Darum sollten wir mit Dankbarkeit die Bibel zur Hand nehmen und uns von Psalmen und Evangelien trösten lassen. Max-Friedrich Hahn

Wir beten Lieber himmlischer Vater, wir danken Dir, dass Du immer wieder Propheten erweckt hast, die zu unserer Orientierung Dein Wort in den Mittelpunkt gestellt haben. Wir bitten Dich, halte uns fest bei Deinem Wort. Amen.

Veit Stoß (um 1447 bis 1533) Er war einer der bedeutendsten Bildhauer und Maler am Übergang von der Gotik zur Renaissance. Sein Marienaltar in der Marienkirche zu Krakau ist wohl sein Hauptwerk. Dies ist einer der größten Schnitzaltäre mit einer Höhe von 13 m und einer Breite von 11 m. Stoß arbeitete bis 1476 in Nürn- berg und ging dann nach Krakau. Aber er kehrte 1496 wieder nach Nürnberg zurück, wurde dort 1503 Opfer von Intrigen und zeitweise ins Gefängnis geworfen. Seine bedeutendsten Werke in Nürnberg sind der Altar in der Lorenzkirche und der „Englische Gruß“ in der Sebalduskirche.

1533 † Veit Stoß, Bildhauer | 1536 Hinrichtung der Wie- dertäufer in Münster | 1945 † Else Lasker-Schüler, Lyri- kerin

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 49 10.06.15 10:25 23. Januar Sonnabend | SA 08:13 SU 16:55 MA 16:44 MU 07:19

Wochenspruch: Jesaja 60,2 Wochenlied: EG 67

Wir lesen 1. Timotheus 4,12–5,2 Hab Acht auf dich selbst Das könnte auch für uns Zuspruch und Ermahnung aus den beiden Kapiteln sein, die wir in diesen Tagen gelesen haben. Paulus gibt sich große Mühe, seinen jungen Mitstreiter in den Aufgaben seines Amtes zu stärken. Immer wieder gibt er den Hinweis, dass das Verhalten und die Lebensweise aller Christen Zeugnis für die Frohe Botschaft abgeben. Es geht nicht nur um Worte, sondern sogar noch viel mehr um un- serer Handeln. Ein gutes Beispiel aus der Geschichte ist die Herrnhuter Brüdergemeine. Sie hatte solch einen guten Ruf, dass selbst Goethe Respekt zeigte. Ebenso auch Napoleon, der nicht eben zurückhaltend in Bezug auf Gewalt war. Von ihm wird berichtet, dass er seine Soldaten ermahnt habe: „Lasst ja die Frauen mit den Eierschalen in Ruhe“. „Eier- schalen“– das war die Kopfbedeckung der Frauen aus der Brüdergemeine. In unserer Welt wünschen wir, dass unsere Gemeinden, unsere Kirche auch solche Botschaft vermit- teln können, alle Probleme und gegensätzliche Auffassungen friedlich zu klären. Unser Schriftwort fragt uns nach unserem Beitrag. Dazu gehört auch die Anweisung an Timotheus, wie

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 50 10.06.15 10:25 er mit Alten und Jungen, Männern und Frauen umgehen soll. Wir werden gefragt, was wir tun können, damit es in unseren Gemeinden friedevoll zugeht, und darüber hinaus, wie wir uns friedenstiftend und vermittelnd einmischen, wo es nötig ist. Max-Friedrich Hahn

Wir beten Lieber Herr Jesus, hilf uns, dass wir als Deine Nachfolger erkannt werden, dass wir auch dort Liebe üben können, wo Unfrieden herrscht. Gib uns Kraft und Geduld, Deine Ge- bote zu erfüllen. Amen.

Helmuth James Graf von Moltke (1907–1945) Seit 1940 trafen sich auf seinem Gut in Kreisau Oppositio- nelle, die eine Beendigung des Hitlerregimes und des Krieges anstrebten. Moltke war Jurist und Spezialist für Völkerrecht. In erster Linie jedoch arbeitete er in diesem „Kreisauer Kreis“ daran, wie ein demokratisches Deutschland ohne die herr- schende Diktatur gestaltet werden könnte. Zum Kreisauer Kreis gehörten Persönlichkeiten wie z. B. Graf York von Wartenberg und der Jesuitenpater Alfred Delp. Im Zuge der Verhaftungswelle nach dem 20.7.1944 wurde Moltke einge- sperrt und am 23.1.1945 hingerichtet.

1561 † Menno Simons, Begründer der Mennonitenkir- che | 1872 Bodelschwingh übernimmt Bethel | 1945 † Helmuth James Graf von Moltke

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 51 10.06.15 10:25 24. Januar Sonntag | 3. Sonntag v. d. Passionszeit (Septuagesimä)

Wochenspruch: Daniel 9,18 Wochenlied: EG 342 oder 409 Evangelium: Matthäus 20,1–16a Epistel: 1. Korinther 9,24–27 Altes Testament: Jeremia 9,22–23

Wir lesen Psalm 89,20–53 Gottes Verheißung Eigenartig! Zunächst besingt der Beter des Psalms, dass Gott die Daviddynastie erwählt und ihr dauernden Schutz zuge- sagt hat; und dann stimmt er in ein Klagelied ein über den Niedergang des Königtums Davids. Gottes Erwählung ist an den Gehorsam der Menschen im Geschlecht Davids gebun- den, entsprechend in den Geboten Gottes zu wandeln. Wenn sich Menschen nicht daran halten, ist die Zusage der Treue Gottes nicht aufgehoben, aber sie wird den ungehorsamen Menschen entzogen. Wir Christen erinnern uns daran, dass der Stammbaum Jesu bis auf den König David zurückgeführt wird und Jesus selbst den Titel „Davidsohn“ erhalten hat. So geht die Verheißung der Erwählung durch Gott mit Jesus in Erfüllung: Er ist Gottes Sohn. – Einprägsam ist das vom Psalmbeter verwendete Bild von der starken Hand Gottes, das aus unserem Alltag genommen ist. Denn wir nehmen gerne ein Kind bei der Hand, damit es nicht stolpert oder hinfällt.

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 52 10.06.15 10:25 Und welch angenehme Stärke und Geborgenheit geht von der Hand aus, die liebevoll über den Kopf eines kranken Men- schen fährt oder dessen schwache Hand umschließt! Aber auch welch schreckliche Möglichkeiten bietet eine Hand, wenn sie als Faust geballt zuschlägt oder mit Pistole und Ge- wehr andere Menschen tötet! Die Hand – ein zeichenhaftes Symbol für das Miteinanderleben von Menschen im wohltu- enden Guten wie im vernichtenden Bösen. Die Hand – ein Bild für den treuen und barmherzigen Gott und zugleich für den Gott, der seine Liebe entzieht und vernichtet. Das eine ist nicht gegen das andere auszuspielen; denn es bleibt immer die eine Hand Gottes. Mit der Erwählung Jesu Christi hat Gott sich auf Treue und Barmherzigkeit, Liebe und Gnade festgelegt und uns alle somit von der vernichtenden Strafe befreit. So finden wir wie der Psalmbeter zu dem Lobpreis Gottes zurück: „Gelobt sei der Herr ewiglich. Amen!“ Klaus Wollenweber

Wir beten Herr, wir danken für Deine Treue, mit der Du uns in Dei- ner Hand geborgen festhältst. Vergib uns, wenn wir immer wieder meinen, uns noch besser bei unserer eigenen Hand festzuhalten zu müssen. Amen.

1904 † Kurt von Knobelsdorff, Gründer des „Blauen Kreu- zes“ | 1943 † Erich Sack, Blutzeuge in Ostpreußen

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 53 10.06.15 10:25 25. Januar Montag | SA 08:10 SU 16:59 MA 18:54 MU 08:32 Tag der Bekehrung des Apostels Paulus

Wochenspruch: Daniel 9,18 Wochenlied: EG 342 oder 409

Wir lesen 1. Timotheus 5,3–16 Durchbrochene Einsamkeit Dass Frauen in der Gemeinde wenig oder nichts zu sagen hatten, war damals nichts Neues. Starb ihr der Mann weg, wurde ihre Lage noch komplizierter. Frauen ohne Stimme und Mitspracherecht. Sicher sind Witwen heute nicht mehr die Vernachlässigten und Hoffnungslosen. Sie wissen um so- ziale Lebenshilfen, doch ist das alles? Sie brauchen trotzdem Gemeinschaft und Hilfe in der Bearbeitung von Trauer und Einsamkeit. Das wiederum ist eine Aufgabe der Gemeinde. Wenn ich als Christ nicht nur vom Glauben rede, sondern ihn lebe, entdecke ich die Einsamen und helfe ihnen. Trotz sozialer Unterstützung benötigen die Hinterbliebenen Hand und Herz anderer. Wenn eine Frau am Grab ihres Mannes seufzt: „Hättest du mich doch mitgenommen!“, gibt mir das zu denken. Ein Segen, dass in damaliger Zeit die Witwen als eine Art Gemeindehelferinnen in Dienst genommen wurden. Sie bekamen Aufgaben und wussten, dass sie gebraucht wur- den. Sie waren nicht mehr der Einsamkeit überlassen. – Wie eine alte Mutter unserer Gemeinde nach einem Senioren- nachmittag sagte: „Ach, war das heute schön! Nicht allein am

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 54 10.06.15 10:25 Tisch sitzen müssen, sondern gemeinsam essen, trinken und plaudern dürfen, das war schön!“ Laden Sie doch Frau Leh- mann einmal zum Kaffee oder Abendbrot ein! Oder bieten Sie Herrn Wallmann eine Ausfahrt mit Ihrem Auto an. Das muss nicht wer weiß wohin gehen; ein Stück durch Wiesen und Wälder erfreut gewiss sein Herz! O ja, es gibt auch Wit- wer und einsame Männer! Karl-Heinz Schmidt

Wir beten Herr Jesus Christus, wie oft saßest Du mit Menschen an einem Tisch, um mit ihnen zu essen und fröhlich zu sein. Herr, gib uns wache Augen und Herzen für Menschen in Not und lass uns sinnvolle Hilfe finden und erfinden. Amen.

Nachdenkenswerte Worte „Rabbi, ich verstehe das nicht. Kommt man zu einem Armen, der ist freundlich und hilft, wo er kann. Kommt man zu einem Reichen, der sieht einen nicht einmal.“ – „Tritt ans Fenster“, erwidert der Rabbi, „was siehst du?“ – „Eine Frau mit ihrem Kind.“ – „Gut. Jetzt tritt vor den Spiegel. Was siehst du?“ – „Mich selber. Was sonst?“ – „So merke dir dies: Das Fenster ist aus Glas gemacht wie der Spiegel auch. Man braucht nur ein wenig Silber dahinter zu legen, schon sieht man nur noch sich selbst.“

1366 † Heinrich Seuse, Mystiker am Oberrhein | 1586 † Lucas Cranach d. J., Maler | 1954 † Sarah Chakko, indi- sche christliche Pädagogin

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 55 10.06.15 10:25 26. Januar Dienstag | SA 08:09 SU 17:00 MA 19:59 MU 09:01

Wochenspruch: Daniel 9,18 Wochenlied: EG 342 oder 409

Wir lesen 1. Timotheus 5,17–25 Notwendige Stärke Haben Sie schon einmal Anstoß am Verhalten eines Pfarrers genommen? Für manch einen war das der Grund zum Kirchen- austritt. Bei einer Beerdigung nennt der Pfarrer den Spruch, über den er predigen will: „Der Tod ist der Sünde Lohn“. Er braucht darüber nicht zu predigen, denn die Angehörigen ver- lassen den Raum. Am Ende sind Pfarrer und Kantor allein. Bei aller Richtigkeit alles versaut! – Oder der Pfarrer hatte keine Zeit, wo Sie ihn dringend brauchten? Pfarrer machen Fehler wie alle anderen Menschen. Schlimm wäre es, wenn sie sich zu wenig in die Lage ihrer Anvertrauten versetzen würden und damit Zweifel an der Menschenfreundlichkeit Gottes wecken. Trotzdem: Ich kenne kaum welche, die sich nicht „mühen im Wort und an der Lehre“. Fast alle haben diesen Beruf aus Leidenschaft für Gott und die Menschen ergriffen. So halten wir vor jedem Gottesdienst Gebetsgemeinschaft und sagen Gott, was uns bedrückt und wofür wir zu danken haben. Denke ich an jene, die nach dem Motto leben: „Die Menschen sind schlecht, sie denken an sich, nur ich denk an mich“, dann wird es Zeit, sie aufzurütteln, damit sie in ihr Denken den

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 56 10.06.15 10:25 andern einbeziehen. In einer Zeit, in der vieles auseinander- läuft und Menschen sich hinter ihren Haus- und Hoftüren verschanzen, sind Aufgeschlossenheit und Zusammenhalt gefragt. Öffnen wir uns dem andern! Halten wir gemeinsam fest „am Wort und seiner Lehre“! Glauben Sie mir, dieser Zusammenhalt macht stark, und diese Stärke brauchen wir. Karl-Heinz Schmidt Wir beten Herr Jesus Christus, vergib, wo wir uns danebenbenommen haben, wo wir negativ über andere sprachen. Hilf uns, dass wir statt Drohbotschaft Frohbotschaft verbreiten. Lass uns zusammenwachsen in der Gemeinde und einander den Rü- cken stärken. Amen.

„Hochgebaute Stadt“ Wir besingen sie in dem einzigen Lied, das wir von Johann Matthäus Meyfart geschenkt bekamen: EG 150. Er wurde 1590 in Jena geboren. In Coburg bekleidete er das Amt des Lehrers und Rektors am Gymnasium. 1634 wurde er Pro- fessor der Theologie und später Pfarrer in Erfurt. In seinen aufrüttelnden Schriften kämpfte er gegen Hexenprozesse und Sittenverfall in Kirche und Schule. Er starb 1642 in Erfurt. – „Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott, ich wär in dir“ – eines unserer beliebtesten Lieder.

1642 † Johann Matthäus Meyfart, Liederdichter | 1895 † , Theologe und Kirchenreformer | 1949 Lutherische Generalsynode in Leipzig

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 57 10.06.15 10:25 27. Januar Mittwoch | SA 08:08 SU 17:02 MA 21:03 MU 09:27

Wochenspruch: Daniel 9,18 Wochenlied: EG 342 oder 409

Wir lesen 1. Timotheus 6,1–10 Wissen und Glauben „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.“ Mit diesem Kindergebet bin ich groß geworden. Schon als Kind fragte ich mich, was eigentlich fromm bedeutet. Keiner konnte mir eine zufriedenstellende Antwort geben. Bis ich schließlich selber merkte, dass fromm etwas mit Glauben und Vertrauen zu tun hat. Später bin ich manchem frommen Menschen begegnet. Es sind meist Menschen mit einem sehr feinen Gespür für die Nähe Gottes. Sie machen um ihren Glauben keine großen Worte. Es sind eher stille Menschen, von denen dennoch eine enorme Kraft ausgeht. Ich meine nicht jene, die zu wissen meinen, was bibelgemäß korrekt und im Glauben richtig ist. Ich meine auch nicht jene, die sich mit viel Eifer Mühe geben, fromm zu sein. Ich meine jene Menschen, die eine tiefe Ehrfurcht gegenüber Gott empfinden und ihrem Glauben in einer tiefen Demut Ausdruck verleihen. Ehrfurcht und Demut sind dabei die Grundpfeiler der aus ihrem Glauben heraus gelebten Frömmigkeit. – Mit diesen beiden Grundhal- tungen können auch wir uns selbst immer wieder prüfen, wie es um unsere Frömmigkeit steht: Ist sie auf Selbstdarstellung

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 58 10.06.15 10:25 und Selbstvergewisserung aus? Oder üben wir uns in einer selbstlosen, demütigen Haltung gegenüber Gott und unseren Nächsten? Wer so dem Wirken Gottes Raum gibt, der erlebt Gottes Zuwendung und sein Mit-den-Menschen-Sein als einen großen Gewinn. Christoph Seele

Wir beten Herr, wir bitten Dich um Vertrauen zu Dir, damit wir in Ehrfrucht und Demut unseren Glauben leben können und Deinem Mit-den-Menschen-Sein durch unser Tun Ausdruck verleihen. Amen.

Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz Heute denken wir an die Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz und damit zugleich an alle Opfer des Nationalsozialismus. Die Zahl der Menschen, die in der Nazi- Zeit gestorben sind, ist unvorstellbar groß. Sie erschüttert uns bis heute. Unzählige sind dabei auch um ihres Glaubens willen getötet worden: Menschen, die ihren Glauben an Gott nicht einer Diktatur unterordneten. Sie gingen mit einem tiefen Gottvertrauen in den Tod und glaubten an Gottes Nähe auch in diesen schrecklichen Augenblicken. Möge ihre Frömmigkeit ihnen ein Halt gewesen sein.

1852 † Paavo Ruotsalainen, Glaubenszeuge in Finn- land | 1914 † Johannes Burckhardt, Gründer des Burck- hardthauses | 1945 Befreiung des KZ Auschwitz | 1972 † Mahalia Jackson, amerikanische Gospelsängerin | Ge- denktag für die Opfer des Nationalsozialismus

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 59 10.06.15 10:25 28. Januar Donnerstag | SA 08:06 SU 17:04 MA 22:07 MU 09:50

Wochenspruch: Daniel 9,18 Wochenlied: EG 342 oder 409

Wir lesen 1. Timotheus 6,11–21 Glaubens-Wegzeichen für das Leben Ohne Orientierung sind wir hilflos. Das ist eine zunächst ganz banale Lebensweisheit: Sie gilt schon für eine Wanderung in unbekanntem Gelände. Wanderzeichen bieten da eine zuver- lässige Orientierung. Im Abgleich mit der Wanderkarte wissen wir, nach welchem Wanderzeichen wir uns richten müssen, um an das vorgenommene Ziel zu gelangen. Dabei können wir durchaus auch die Routen wechseln. Erst ist es der rote Strich auf weißem Grund, dann ist es der grüne Strich, dem wir folgen – wichtig ist es, von einer Kreuzung zur anderen genau das gewählte Zeichen auszumachen. Manchmal, wenn es noch dunkel ist oder schon die Dämmerung hereinbricht und in der Ferne keine Orientierung mehr zu finden ist, werden Wegzeichen ganz besonders wichtig. Dann bieten sie uns nicht nur Orientierung, sondern auch Geleit. Diese Situation ist ein guter Vergleich für das Leben als Christen. Auch da benötigen wir Orientierung. Gottes Wort, das für uns in Jesus Christus ganz menschlich wahrnehmbar zum Ausdruck gekommen ist, bietet uns solche Orientierung. Darum kann auch Paulus als der Absender des Briefes Timotheus als den Empfänger sei-

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 60 10.06.15 10:25 nes Briefes ermutigen, sich genau an den Kerneinsichten des christlichen Glaubens zu orientieren und sich nicht ablenken zu lassen von den vielen anderen Möglichkeiten, die das Leben – oft verlockend – kennt und zu bieten weiß. Christoph Seele

Wir beten Herr, wir danken Dir für dein Wort, das uns im Leben Ori- entierung gibt. Du stellst unsere Füße auf weiten Raum. Wo immer wir unterwegs sind – Dein Wort ist unseres Fußes Leuchte. Amen.

Dem Weg-Weiser folgen An einem Heiligen Abend hatte ich einer Kirchgemeinde zugesagt, mit ihr die Christvesper zu feiern. Ich erreichte das mir bislang unbekannte Dorf in der Dunkelheit. Zwar hatte ich mir vorgestellt, den Kirchturm leicht ausmachen zu können, doch an die Dunkelheit hatte ich nicht gedacht. Nur selten leuchtete eine Straßenlaterne. Keine Chance, die Kirche zu finden. Bis ich in der Dunkelheit einen Stern sah: Er leuchtete in der Laterne des Kirchturmes. Ich brauchte nur ihm zu folgen, um sicher anzukommen – wie damals die Heiligen Drei Könige auf ihrem Weg nach Bethlehem.

814 † Karl d. Gr., Kaiser und Förderer des Christen- tums | 1521 Reichstag in Worms | 1868 † Adalbert Stifter, Schriftsteller | 1953 † Theophil Wurm, Bischof in Würt- temberg | 2002 † Astrid Lindgren, schwedische Kinder- buchautorin

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 61 10.06.15 10:25 29. Januar Freitag | SA 08:05 SU 17:06 MA 23:09 MU 10:13

Wochenspruch: Daniel 9,18 Wochenlied: EG 342 oder 409

Wir lesen 2. Timotheus 1,1–12 Die Gabe in mir erwecken und auf sie vertrauen Wo fange ich an, wenn ich eine Aufgabe zu erfüllen habe? Woher hole ich mir die Kraft? Wir sind es gewöhnt, unsere Kräfte und Kompetenzen abzuwägen, um abzuschätzen, ob sie für die Erfüllung einer Aufgabe ausreichen. Schaffe ich das? Bin ich stark genug, klug genug? Habe ich die richtige Ausbildung? Und je größer meine Aufgabe ist, desto größer werden vielleicht meine Zweifel und Furcht, ob ich ihr ge- wachsen bin. Der Briefschreiber fordert mich auf, mich an den Anfang zurückzubegeben: als ich durch Handauflegung Gottes Gabe erhalten habe – seinen Segen und Zuspruch: Du bist nicht allein, ich gehe mit dir, du Gesegnete, du Ge- segneter. – Ich fange bei allem, was ich tue, nicht bei mir selbst und meinen eigenen Kräften an. Sondern ich fange bei dem an, der mit mir begonnen hat in meiner Taufe, als ich gesegnet und begabt wurde mit dem Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Darum hat die Angst ihre (ab- solute) Macht verloren. Dietrich Bonhoeffer hat gesagt: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstands- kraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 62 10.06.15 10:25 Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“ Aus diesem Vertrauen zu leben, das bedeutet, täglich in die Taufe zurückzukehren. Ich bin getauft und gesegnet. Das gilt. Sibylle Rolf

Wir beten Barmherziger Gott, in meiner Taufe hast Du mich gesegnet und mit Deinem Geist begabt. Lass mich heute und jeden Tag aus der Gnade der Taufe leben und bewahre mich vor dem Drang, mit mir selbst beginnen zu wollen. Amen.

29. Januar 1814: Todestag von Johann Gottlieb Fichte Fichte (1762–1814), Erzieher und Philosoph, ist neben Schel- ling und Hegel der wichtigste Vertreter des deutschen Idealis- mus. Als eine seiner wichtigsten Ideen gilt die Konzeption des „absoluten Ich“, das sich selbst setzt. Mit seinem am Denken Immanuel Kants geschulten positiven Menschenbild vertritt Fichte die These, dass der Grund echter Selbst- und Gotte- serkenntnis nicht nur in akademisch Gebildeten, sondern in jedem Menschen angelegt sei und dass die Philosophie darauf nur verweisen, nicht aber sie im Menschen schaffen müsse.

1814 † Johann Gottlieb Fichte | 1860 † Ernst Moritz Arndt | 1889 * Rudolf Mauersberger

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 63 10.06.15 10:25 30. Januar Sonnabend | SA 08:04 SU 17:07 MA – MU 10:37

Wochenspruch: Daniel 9,18 Wochenlied: EG 342 oder 409

Wir lesen 2. Timotheus 1,13–18 Glaube und Liebe in Jesus Christus Mit diesen Worten ist alles gesagt, was Christen brauchen: Halte dich an das Vorbild der heilsamen Worte im Glauben und in der Liebe in Jesus Christus. Im Glauben verbindest du dich mit Gott, indem du ihn deinen Gott sein lässt. In der Liebe wendest du dich deinem Nächsten zu. – Ein klei- ner Katechismus in wenigen Worten. Dem Briefschreiber ist aber auch klar: Diesen Katechismus zu bewahren, schafft kein Mensch aus eigenen Kräften. Wir können nicht mit ganzem Herzen aus eigener Kraft auf Gott vertrauen – weil wir der Anfechtung unterliegen, unser Herz an anderes zu hängen. Und es fällt uns schwer, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst, weil wir von der Angst um uns selbst bestimmt wer- den. Darum weist er uns darauf hin, wie wir als Christen leben können: durch den Heiligen Geist, der in unserem Her- zen wohnt, der uns mit Gott und den Menschen verbindet und in uns Vertrauen zu Gott unserem Vater und Liebe zu unseren Mitgeschöpfen weckt. Wenn und indem er in uns wirkt, folgen wir Jesus Christus in Wort und Tat nach. Im Kleinen Katechismus schreibt Luther: „Ich glaube, dass ich

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 64 10.06.15 10:25 nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, mei- nen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“ Das entlastet und lehrt mich, auf Gott zu vertrauen – im Glauben und in der Liebe. Sibylle Rolf

Wir beten (mit EG 70,3) Gieß sehr tief in mein Herz hinein, Du leuchtend Kleinod, edler Stein, die Flamme Deiner Liebe und gib, dass ich an Deinem Leib, dem auserwählten Weinstock, bleib ein Zweig in frischem Triebe. Amen.

30. Januar 1948: Todestag Mahatma Gandhis Mahatma Gandhi (1869–1948) war indischer Rechtsanwalt, Widerstandskämpfer und Publizist. Er setzte sich zunächst in Südafrika gegen die Rassentrennung ein und wurde Ende der 1910er Jahre zum geistigen und politischen Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Seine Grundhaltung waren unbedingtes Festhalten an der Wahrheit, Gewaltlo- sigkeit und Selbstbestimmung. Während seines Einsatzes für die Unabhängigkeit rief Gandhi zu mehreren Akten zivilen Ungehorsams auf. Er kam 78-jährig durch ein Attentat ums Leben.

1648 Ende des 30-Jährigen Krieges | 1919 † Xaver Marnitz, Blutzeuge in Lettland | 1948 † Mahatma Gandhi

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 65 10.06.15 10:25 31. Januar Sonntag | 2. Sonntag vor der Passionszeit (Sexagesimä)

Wochenspruch: Hebräer 3,15 Wochenlied: EG 196 oder 280 Evangelium: Lukas 8,4–8.(9–15) Epistel: Hebräer 4,12–13 Altes Testament: Jesaja 55,(6–9.)10–12a

Wir lesen Hebräer 4,12–13 Gottes Wort ist lebendig … V. 12 ist in der Lutherbibel hervorgehoben. Das bedeutet: Achtung, hier steht etwas Besonderes. Wir Christen sind eher gewohnt, vom lebendigen Gott zu reden. Dies nachzu- vollziehen, fällt aber vielen Außenstehenden schwer. Leben- dig ist nach gängigem Verständnis nur das, was man auch so erlebt. Hier hilft das Fettgedruckte. Dass Worte leben, haben wir alle schon erlebt. Dass sie zerstören können, auch. Worte haben viel Kraft, können vieles bewegen. Wenn zwei Menschen zueinander sagen, dass sie sich lieben, können diese Worte ihr ganzes Leben bestimmen. Lebendige Worte zeichnen sich dadurch aus, dass sie Wirkung zeigen. So ist das mit dem Wort Gottes auch. Zwischen zwei Buchdeckel geschrieben, ähnelt es jedem anderen Wort. Man kann es lesen, schön und interessant finden oder als unverständ- lich beiseite tun. Lebendig wird das Wort erst durch seine Wirkung. Das haben Menschen erlebt, während die ein-

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 66 10.06.15 10:25 zelnen Teile der Bibel entstanden sind. Einschneidend kann das biblische Wort sein. In der Vergangenheit hat es Einzelne, Familien, Völker, das Abendland und nun auch andere Erdteile erreicht und Menschen bis auf Mark und Bein durchdrungen. Ja, einschneidend wirkt es bis heute und bringt sogar Mauern zum Einsturz. – Das biblische Wort z. B. von den Friedensstiftern hat seine Aktualität durch die Übersetzung Pazifismus bekommen. Vor allem Jugendli- che haben in den 80er Jahren diese biblische Verheißung von den Schwertern so ernst genommen, dass sie mit ihrem pazifistischen Einsatz dem Kriegstreiben ein Ende setzen wollten. Daraus ist die Losung „keine Gewalt“ gewachsen, die sich Raum geschaffen hat im Herzen, in Mark und Bein. Sie ist zum lebendigen Wort geworden. Schärfer als jedes zweischneidige Schwert hat es die Geister geschieden. Ja, selbst Richterfunktionen gegenüber Gedanken und Sinnen hat es übernommen, Waffenbrüderschaften aufgelöst und dem Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, einen Weg in die Welt gebahnt. So führt das lebendige Wort zum lebendigen Gott. Martin-Michael Passauer

Wir beten Lebendiger Gott, wir danken Dir, dass wir mit Deinem Wort auch heute so leben können, dass es Wirkung zeigt. Herz und Sinne wollen wir offenhalten, um mit Deinem Wort unsere Welt so zu gestalten, wie Du sie Dir gedacht hast. Amen.

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 67 10.06.15 10:25 1. Februar Montag | SA 08:01 SU 17:11 MA 01:13 MU 11:29

Wochenspruch: Hebräer 3,15 Wochenlied: EG 196 oder 280

Wir lesen 2. Timotheus 2,1–13 Den Glauben weitergeben Gottesdienst im Seniorenheim: Einige Liedstrophen und li- turgische Texte werden auswendig gesungen. Es sind Kern- bestandteile des Glaubens, die sich in guten, aber auch in schweren Zeiten bewährt haben. Manchmal erzählen die alten Leute davon, wer ihnen schon in der Kindheit den Glau- ben ins Herz gepflanzt hat: Eltern und Großeltern, Pfarrer und Katechetinnen oder auch ältere Jugendliche. Dahinter steht eine ununterbrochene Kette. Sie geht zurück bis auf den Apostel Paulus, der seinen jungen Mitarbeiter Timo- theus ermutigt, den empfangenen Glauben weiterzugeben. Er soll dies entschlossen und hingebungsvoll tun. Dazu benutzt der Apostel drei Bildworte: Ein Soldat kann im Kampf nur bestehen, wenn er sich voll auf seine Aufgabe konzentriert und sich nicht verzettelt; ein Sportler wird nur mit ganzem Einsatz den Sieg erringen – muss sich aber an die Regeln halten; und ein Bauer soll treu den Acker bebauen, darf dann aber als Erster die Früchte genießen. Paulus war darin selbst ein Vorbild. Er schaute auf den auferstandenen Christus, der ihm die Kraft für seinen Dienst schenkte. Zum Schluss gibt

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 68 10.06.15 10:25 er eine offensichtlich geprägte Glaubensformel weiter, die noch einmal bekräftigt: In der Gemeinschaft mit Christus nehmen wir Anteil an seiner Herrlichkeit und werden auch im persönlichen Versagen getragen von seiner Gnade. Bernd Frauenlob

Wir beten Herr unser Gott, schenke uns das rechte Wort zur rechten Zeit. Verleihe uns dazu Liebe, Geduld und Einfühlungsver- mögen. Amen.

Claus Harms (1778–1855) 1778 wurde er in Fahrstedt (Holstein) geboren. Zunächst übte er das Müllerhandwerk aus. Nach dem Tod des Vaters verkaufte er die Mühle und bereitete sich auf das Theologie- studium vor. Während des Studiums in Kiel erlebte er eine Bekehrung, verbunden mit einer intensiven Hinwendung zur Bibel und zu den Werken Luthers. Er zog viele Menschen durch seine tiefgründigen, aber auch volkstümlichen Predig- ten an.

1855 † , Theologe des norddeutschen Luther- tums | 1923 † Ernst Troeltsch, Theologe | 1939 † Josef Gauger | 1943 † Ernst Kasenzer

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 69 10.06.15 10:25 2. Februar Dienstag | SA 07:59 SU 17:13 MA 02:14 MU 12:00 Tag der Darstellung des Herrn (Lichtmess)

Wochenspruch: Hebräer 3,15 Wochenlied: EG 196 oder 280

Wir lesen 2. Timotheus 2,14–26 Bei der Hauptsache bleiben Das kirchliche Leben schenkt vielfältige Formen von mensch- lichen Begegnungen. Manchmal tauchen dabei auch Leute auf, die mit ihren einseitigen Auffassungen andere langweilen oder verwirren. Das gab es schon in der frühen Christen- heit. Deshalb warnt Paulus vor ungeistlichem Geschwätz und damit verbundenen falschen Lehren. Sie untergraben den christlichen Glauben und das gemeinsame Bekenntnis. Damals traten einige Leute auf, welche sogar die zukünftige Auferstehung des Leibes ablehnten. Diese habe sich im geist- lichen und symbolischen Sinne schon bei der Annahme des Glaubens ereignet. Paulus hatte jedoch schon im 1. Korin- therbrief dargelegt, dass Christen nach ihrem Tod auferweckt werden, um das ewige Leben zu empfangen. Timotheus sollte bei dieser Klarheit bleiben und nüchtern auf die Verdrehun- gen reagieren. – In solch einem großen Haus wie der Kirche gibt es nun einmal ganz unterschiedliche „Gefäße“ und jeder steht in der Gefahr, abwegige Auffassungen weiterzugeben. Wie wichtig sind da freundliche und taktvolle Gespräche. Das größte Gewicht hat jedoch ein glaubwürdiger Lebenswandel

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 70 10.06.15 10:25 – und gerade das ist nicht einfach. Bei welchen persönlichen Schwächen muss ich besonders wachsam sein? Wie kann ich mich stärker öffnen für die Gerechtigkeit, die allein Gott schenken kann? Wie kann ich durch liebevolles Verhalten ein glaubwürdiger Zeuge für Gottes Wahrheit sein? Dabei geht es immer um den Herrn, der die Seinen kennt und in seiner Liebe zu ihnen nicht nachlässt. Bernd Frauenlob

Wir beten Herr, unser Gott, schenke all denen den Beistand des Geistes Christi, welche die Wahrheit Deines Wortes verkündigen. Bewahre uns davor, Deine Heilige Schrift meistern zu wollen. Amen.

Lichtmess – Tag der Darstellung des Herrn Am 2. Februar bezieht sich der kirchliche Festkalender auf die Darstellung Jesu im Tempel nach Lukas 2,22–39. Damals galt eine Frau 40 Tage nach der Geburt eines Jungen als un- rein und musste danach im Tempel ein Opfer darbringen. In der Alten Kirche wurde deshalb 40 Tage nach dem Fest der Geburt Christi eine Lichterprozession in die Kirche hinein vollzogen und gefeiert.

962 Hl. Römisches Reich Deutscher Nation gegrün- det | 1594 † Giovanni Pierluigi da Palestrina, Kompo- nist | 1945 † Alfred Delp, Jesuitenpater | 1948 † Ernst Moderson, Volksmissionar

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 71 10.06.15 10:25 3. Februar Mittwoch | SA 07:58 SU 17:15 MA 03:15 MU 12:37

Wochenspruch: Hebräer 3,15 Wochenlied: EG 196 oder 280

Wir lesen 2. Timotheus 3,1–9 Einladung zur Gelassenheit Ich beobachte oft, dass Erfolg alleine mit der eigenen Leis- tung begründet wird. „Leistung muss sich wieder lohnen“ – diesen Satz würden wohl viele unterschreiben. Warum sollen denn die Fleißigen nicht belohnt werden? Dieser Satz ist aber auf dem zweiten Blick unbarmherzig. Denn eine Schlussfol- gerung daraus heißt, dass auch die Erfolglosen und Verlierer es nicht anders verdient hätten. Wer nach diesem Prinzip von Leistung und Erfolg denkt, ist für Wesentliches blind: „Alles, was zum Leben und zur Frömmigkeit dient, hat uns seine göttliche Kraft geschenkt durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch seine Herrlichkeit und Kraft.“ Wir leben von den Gaben, die uns geschenkt wurden, und nicht aus unserer Leistungsfähigkeit. Der für uns heute irritierende Gegensatz zwischen der „verderblichen Begierde der Welt“ und der „göttlichen Natur“ gewinnt in der modernen Leis- tungsgesellschaft neue Aktualität. Der Glaube an die eigene Leistung ist wohl nicht zufällig oft mit dem Wunsch, immer mehr zu erreichen, verbunden. Gier nach Macht und Einfluss, nach Besitz steht auf der einen Seite, ein Leben in dankba-

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 72 10.06.15 10:25 rer Annahme des von Gott Geschenkten auf der anderen Seite. Stelle ich mein Leben auf Dankbarkeit um, gewinne ich nichts weniger als die Freiheit von einem krankmachenden Leistungsdruck. Ein Leben in Gelassenheit ist die Folge. Olivier Dantine

Wir beten Gott, ich danke Dir, dass Du mir alles zum Leben schenkst. Auch Anerkennung muss ich mir nicht verdienen. Hilf, dass ich in Dankbarkeit dieses Geschenk annehme und so gelas- sener lebe. Amen.

Johannes Lepsius Heute jährt sich zum 90. Mal der Todestag des evangelischen Theologen und Orientalisten Johannes Lepsius. Geboren 1858 in Berlin, wurde Lepsius vor allem durch sein Engage- ment für das armenische Volk und die Dokumentation des Völkermordes an den Armeniern in den Jahren 1915–1917 bekannt. Lepsius’ Mahnungen verhallten großteils in der deutschen Politik, zu wichtig war das Bündnis mit dem Os- manischen Reich. Franz Werfel würdigte im Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ das Engagement von Lepsius. Er verstarb am 3.2.1926 in Meran.

865 † Ansgar, Erzbischof in Hamburg und Bremen | 1926 † Johannes Lepsius, Helfer der verfolgten Armenier

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EVA_Buchkalender2016_RZ.indd 73 10.06.15 10:25 4. Februar Donnerstag | SA 07:56 SU 17:16 MA 04:14 MU 13:20

Wochenspruch: Hebräer 3,15 Wochenlied: EG 196 oder 280

Wir lesen 2. Timotheus 3,10–17 Leid wird überwunden Gelegentlich höre ich, dass Leiden und Christsein untrennbar miteinander verbunden seien. Selbstkasteiung, eine gewisse Abneigung gegen alles, was lustvoll ist, ist durchaus in eini- gen Traditionen des Christentums vorhanden. Und wenn wir heute lesen, „alle, die fromm leben wollen in Christus Jesus, müssen Verfolgung leiden“, dann scheint dieser Satz dieses Urteil zu bestätigen. Die Erfahrung, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus auch zu Leid und Verfolgung führt, haben im Laufe der Kirchengeschichte viele gemacht. Märtyrer sind Menschen, die wissen, dass ein kompromissloses Bekennen sich gegen den gesellschaftlichen Zeitgeist richtet und sie sich damit Feinde gerade unter den Mächtigen machen. Sie suchen nicht das Leid, aber die Hoffnung, die hier ausge- drückt ist, „aus allen hat mich der Herr erlöst“, macht sie furchtloser gegenüber jeglicher Bedrohung. Die Grundlage für diese Hoffnung ist die Heilige Schrift. Wenn in ihr vom Leid die Rede ist, dann geht es nicht um eine Verherrlichung der Leidensbereitschaft einzelner Menschen, sondern vorran- gig um die Überwindung von Leid und Gewalt. Die Bibel

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