Film Und Politik: Porträt Konrad Wolf Konrad Wolf
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Film und Politik: Porträt Konrad Wolf Stiftung / Dieter Lück - efa D © SOLO SUNNY Konrad Wolf 24 olfgang Kohlhaase und Konrad Wolf bei den Dreharbeiten zu Wolf olfgang Kohlhaase und Konrad W Den ersten intensiven Kontakt mit Konrad Wolf hatte te, notierte: »Ich habe diesen Mann bewundert wegen ich, nachdem er gestorben war. Damals, im Frühjahr seiner Ruhe, die er ausstrahlte, wegen seiner Beson- 1982, war ich Redakteur der Ost-Berliner Zeitschrift nenheit und Beherrschtheit in allen Lagen, die immer Film und Fernsehen, und es war uns ein Bedürfnis, zur von einem leisen, selbstironischen Humor umspielt war. Erinnerung an ihn ein Sonderheft über ihn und seine Überhaupt herrschte Ruhe, wie ich sie weder vorher Filme herauszubringen. Wir baten Freunde, Verwandte noch nachher bei Dreharbeiten erlebt habe.« Der und Kollegen, über Wolfs Arbeit, seine Wurzeln, seine Schriftsteller Stephan Hermlin sagte über Wolfs viel- Biografie zu reflektieren. Wir holten Stimmen von Re- leicht wichtigsten Film ICH WAR NEUNZEHN, mit dem gisseuren aus Ost und West ein. Uns gelang es sogar, sich der Regisseur der Zeit am Ende des Zweiten Welt- ein Gespräch mit seinem Bruder zu bekommen, dem krieges genähert hatte: »Dieses merkwürdige, ergrei- geheimnisumwitterten Markus Wolf, der seit Jahrzehn- fende Werk war unter allen Kriegsfilmen der am meis- ten als Chef des DDR-Auslandsgeheimdienstes fun- ten beredte und der verschwiegenste.« Und Wolfs gierte und nun über die Jugendjahre in Moskau sprach. West-Berliner Regiekollege Peter Lilienthal ergänzte: Wolfgang Kohlhaase schrieb damals über Konrad »Es gibt Filme, die von der Macht angesteckt werden, Wolf: »Er war groß, dunkel, schweigsam, viele hielten von den Visionen der Herrschenden, infiziert von Ruhm, ihn für schwer zugänglich, aber fast alle nannten ihn Sieg und Größe. Nicht die von Konrad Wolf. Überall Koni, selbst die, die ihn nicht näher kannten.« Die Re- Staunen über Widersprüchliches und Sinnloses, und gieassistentin Doris Borkmann erinnerte sich an »seine über den plötzlichen Verrat der Hoffnung. Ein unzerstör- Gründlichkeit, seine Sensibilität gegen Unwahres, sei- bares Netz von Bedenken, die dem Leben selbst gelten, nen Anspruch, seine Unzufriedenheit, wenn andere nicht den Mythen der Macht.« schon zufrieden waren.« Der Schauspieler Herwart Konrad Wolf, geboren am 20. Oktober 1925 in He- Grosse, den er in PROFESSOR MAMLOCK besetzt hat- chingen (Württemberg), war Sohn des jüdisch-kommu- nistischen Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf. macht. Der farbige DDR-Heimatfilm mag als Hommage Nach einer behüteten frühen Kindheit folgte er dem an einen der Lehrmeister Wolfs am VGIK, den sowjeti- Vater gemeinsam mit seiner Mutter Else und Bruder schen Filmmusical-Veteranen Grigorij Aleksandrov, be- Markus ins Moskauer Exil. 1936 erhielt die Familie die griffen werden, vielleicht auch als Annäherung an eine sowjetische Staatsbürgerschaft; im selben Jahr wirkte ihm fremde Landschaft und Mentalität, durch die der »Koni« in einer kleinen Rolle in Gustav von Wangen- Hauptdarsteller, eine Art deutscher Harold Lloyd, toll- heims Exilfilm KÄMPFER mit. 1942 meldete sich der patschig und naiv stolpert. Aber an ein Lustspiel wagte Siebzehnjährige freiwillig zur Roten Armee. Vielleicht ist sich Wolf niemals wieder, das war nicht sein Ding; es ein Brief seines Vaters gewesen, der ihm eine Art schon seine nächste Arbeit GENESUNG entsprach viel Richtschnur für sein Leben gab. Im Oktober 1944, als mehr dem ernsthaften, grüblerischen, nach historischer Konrad Wolf mit den sowjetischen Truppen schon in Wahrheit forschenden Künstler. Richtung Berlin unterwegs war, hieß es dort: »Wenn es Ein Jahr vor seinem Tod, im März 1981, sprach schwere Situationen gibt, wo einem keiner raten und Konrad Wolf auf einer Tagung der Akademie der Künste helfen kann, da muss man selbst nach seinem Gewis- über seine Auffassung von Wahrhaftigkeit. »Wir leben sen die Entscheidung mutig fällen und den Weg unbe- immer mit der ganzen Geschichte«, sagte er, »sie ist irrt zu Ende gehen. Der größte Mut ist die Zivilcourage, unteilbar. Und doch haben wir zu oft Geschichte nur das heißt in allen wichtigen Dingen seine Überzeugung befragt nach dem, was unsere Wünsche über ihren zu vertreten und seine Meinung zu sagen. Das kann Lauf zu bestätigen scheint. Unsere eigene Geschichte einen gewiss manchmal bei kleinen Geistern missliebig verklärt sich zuweilen in eine Folge von ausschließlich machen; aber letzten Endes ist es das richtige und hat richtigen Entscheidungen und ununterbrochenen Erfol- auch den Aufrichtigen niemals gereut.« gen. Aber gerade Jüngere fragen uns nach den Feh- Im April und Mai 1945 nahm Konrad Wolf im Range lern, die wir oder unsere Väter gemacht haben. (…) eines Leutnants der Roten Armee am Sturm auf Berlin Die Wahrheit der Geschichte und die Wahrheit der teil. Nach der Befreiung wurde er kurzzeitig Mitarbeiter Kunst müssen deshalb der Raum sein, in dem die Ju- der Berliner Zeitung, dann Referent der Sowjetischen gend groß wird. Sie muss ihnen das Selbstverständli- Konrad Wolf Militäradministration für Presse, Theater und Film in che sein.« Sachsen-Anhalt und Mitarbeiter des Hauses der Kultur Wahrhaftigkeit der Kunst: Für Konrad Wolf war das 25 der Sowjetunion in Berlin. Zu jener Zeit entschied er keine Phrase. Schon in seinem dritten Film LISSY ver- sich, Regisseur zu werden. Für eine entsprechende suchte er sich an der besonders für ihn sehr schwieri- Ausbildung, die in Deutschland nicht zu haben war, gen Aufgabe, die Psyche deutscher Kleinbürger, die zu kehrte er noch einmal in die Sowjetunion zurück: Von Mitläufern und Handlangern Hitlers wurden, zu erkun- 1949 bis 1955 studierte er an der legendären Moskau- den. Mit der Gestalt des arbeitslosen Angestellten und er Filmhochschule VGIK, an der auch Pudovkin, Kulešov späteren SA-Sturmführers Fromeyer porträtierte der und andere Meister unterrichteten. 1954/55 wurde Regisseur einen Vertreter jener Millionen von Deut- Wolf Regisseur der DEFA, wo er als ersten Film ein mu- schen, die sich 1932/33 von der NSDAP einen Auf- sikalisches Lustspiel inszenierte: EINMAL IST KEINMAL, schwung der Wirtschaft und privaten Wohlstand erhoff- in dem ein junger westdeutscher Klavierspieler und ten. Ein für die DEFA eher ungewöhnliches Sujet, das Komponist Bekanntschaft mit dem schönen Erzgebirge bislang nur in Filmen wie Wolfgang Staudtes ROTATION (1949) oder Falk Harnacks DAS BEIL VON WANDSBEK (1951) gestaltet worden und längst zugunsten kommu- nistischer Widerstands- und Heldenverehrung à la ERNST THÄLMANN – FÜHRER SEINER KLASSE aufge- GENESUNG geben worden war. Auch STERNE, Wolfs fünfter Film, ästhetisch deutlich vom sowjetischen Tauwetter-Kino beeinflusst, macht einen deutschen Mitläufer zur zent- ralen Figur: den Unteroffizier Walter, der sich im Krieg vom Nihilisten zum kritisch Denkenden entwickelt. Mit solch subtilen Einblicken in das Innenleben der NS-Dik- tatur setzte Wolf nicht nur den DEFA-eigenen plakativen Propagandafilmen eine nachdenkliche Haltung entge- onrad Wolf bei den Dreharbeiten zu Wolf onrad K gen, sondern auch jenen westdeutschen Kriegsfilmen, DER GETEILTE HIMMEL DER GETEILTE die zu jener Zeit in der Bundesrepublik Furore machten – im Sommer 1966 vehement gegen das Verbot des und die Wehrmacht zu entschulden suchten. STERNE, Frank-Beyer-Films SPUR DER STEINE. Seine Stimme eine deutsch-bulgarische Koproduktion, durfte in Can- wurde von der politischen Obrigkeit zwar zur Kenntnis nes aufgrund westdeutscher Einsprüche nur als bulga- genommen, aber nicht erhört. Konrad Wolf war bei dem rischer Film gezeigt werden und erhielt den Sonder- Treffen einiger Freunde in der Wohnung Beyers dabei, preis der Jury: ein internationales Achtungszeichen für als sein Autor Angel Wagenstein (STERNE) äußerte: das Werk des jungen DDR-Regisseurs. »Jetzt hilft es nur noch, auf den Alexanderplatz zu ge- Zugleich blieben für Konrad Wolf in der zweiten hen und sich selbst zu verbrennen...« Solche spektaku- Konrad Wolf Hälfte der 1950er Jahre Erfahrungen mit der politischen lären öffentlichen Manifestationen waren freilich nicht Zensur nicht aus: Sein realistischer Gegenwartsfilm Wolfs Art – er bereitete, gemeinsam mit Wagenstein, 26 SONNENSUCHER über die schwierige deutsch-sow- stattdessen den Film GOYA vor, mit einer Sequenz, in jetische Zusammenarbeit im Uranbergbau in der Wis- der Künstler und Philosophen von der spanischen In- mut wurde zunächst von DDR-Behörden beargwöhnt, quisition gedemütigt werden: ein Sinnbild auch für die dann vom sowjetischen Außenministerium verboten. DDR-Politik des 11. Plenums. Auch dass er 1965 aus- Der Film mit seinem nüchternen, harten und differen- gerechnet Antoine de Saint-Exupérys modernes Mär- zierten Blick kam erst 1972 in die Kinos: viel zu spät, chen DER KLEINE PRINZ fürs DDR-Fernsehen adaptier- um dem DEFA-Gegenwartsschaffen die künstlerischen te, spricht für seine moralisch-ethische Verfasstheit in Impulse geben zu können, die durch ihn unbedingt jener Zeit: Der Kernsatz des Buches, »Man sieht nur mit möglich gewesen wären. Konrad Wolf fügte sich aus dem Herzen gut«, war schließlich das genaue Gegenteil politischer Räson in solche Entscheidungen, unterlief jeder vordergründigen staatstragenden Agitation. sie aber zugleich mit einigen seiner nächsten Filme. Konrad Wolf, der, wie Verwandte und Freunde er- Beispielsweise wurde die Adaption des Chris- zählten, »auf Russisch träumte«, untersuchte in seinen ta-Wolf-Romans DER GETEILTE HIMMEL zu einem so- Filmen immer wieder das Verhältnis zwischen Russen wohl politischen wie auch künstlerischen Pauken-