Die Spur Des Heilgen. Raum, Ritual Und Die Feier Des
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Die Spur des Heiligen , Axel Schäfer BERLIN STUDIES OF THE ANCIENT WORLD , gewaltsamer Missionierung, ist in den südlichen peruanischen An- den einer der populärsten Heiligen. Häufi g wird dies auf den Erfolg kolonialer Propaganda zurückgeführt. Demgegenüber unterstreicht die vorliegende Unter- suchung die aktive Rolle der indigenen Bevölkerung bei der Aneignung des Heiligen. Anhand von fünf Fallbeispielen wird die Feier des Santiago analysiert und gezeigt, welche Bedeutung der Kult im ländlichen Raum hat. Santiagos Patronat über die Pferde und seine wichtige Rolle bei der Segnung der Saatfrüchte belegen ebenso wie die engen Beziehungen zwischen kommunalen und familiären Santiagofeiern, zwischen katholischer Liturgie und indigenem Ritual, wie weit der Heilige in die bäuerliche Lebenswelt integriert ist. In der Auseinandersetzung mit dem Raum konstituie- ren die Feiernden die rituelle Landscha . Ihr imagina- tives und handlungsbezogenes Verhältnis zum Raum zeigt, wie Rituale und Symbole auf Orte und Richtun- gen bezogen werden und welche Reichweiten diese entfalten. Die Feiern fügen sich zu ganzen Festzyklen, in deren Rahmen Siedlungen und Landscha selemente rituell miteinander in Verbindung gesetzt werden. berlin studies of 36 the ancient world berlin studies of the ancient world · 36 edited by topoi excellence cluster Die Spur des Heiligen raum,ritual und die feier des santiago in den südlichen zentralen anden Axel Schäfer Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrubar. © 2016 Edition Topoi / Exzellenzcluster Topoi der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin Abbildung Umschlag: Festtagsdecke mit Santiago und Motiven der Viehrituale (Ausschnitt). Photo: Axel Schäfer. Typographisches Konzept und Einbandgestaltung: Stephan Fiedler Printed and distributed by PRO BUSINESS digital printing Deutschland GmbH, Berlin ISBN 978-3-9816751-7-7 ISSN (Print) 2366-6641 ISSN (Online) 2366-665X URN urn:nbn:de:kobv:188-fudissthesis000000102894-0 D 188 First published 2016 The text of this publication is licensed under Creative Commons BY-NC 3.0 DE. The legal code is available under https://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/. For the terms of use of the illustrations, please see the reference list. www.edition-topoi.de INHALT Danksagung — 9 1 Einleitung — 11 1.1 Themen — 11 1.2 Aubau — 15 1.3 Methoden — 18 I.TEIL – RAUM UND RITUAL IM THEORETISCHEN ZUGRIFF 2 Raum — 29 2.1 Raum in den zentralen Anden — 29 2.2 Modelle und Begrife zum Raum — 44 3 Ritual — 63 3.1 Ritual als Wiederholung — 63 3.2 Erklärungsansätze: Ritual als soziales Handeln — 68 3.3 Linguistische Konzepte für die Analyse von Ritualen — 74 3.4 Rituelle Bewegung und die räumliche Klassiikation von Ritualen — 85 II.TEIL–DIESPURDESHEILIGEN.SANTIAGOUNDSEINEPATRONATSFEIER IM ÖSTLICHEN COTABAMBAS 4 Einführung in die Untersuchungsregion Cotabambas — 95 4.1 Lage und Gestalt — 95 4.2 Ethnohistorie — 97 4.3 Kolonialzeit — 99 4.4 Die Inquisition in Haquira — 100 4.5 Sozioökonomische Situation — 102 4.6 Der Bürgerkrieg und seine Folgen — 103 4.7 Heutige Situation — 104 5 Santiago und das Vieh. Kommunale und familiäre Patronatsfeiern im Distrikt Haquira — 109 5.1 Der Rechte und der Linke Santiago in Patawasi. Eine Patronatsfeier als regionales Ritual — 110 5.2 Der Gottesdienst — 119 5.3 Santiaku t‘inkay. Die Übertragung des Heiligen ins familiäre Ritual — 147 5.4 Zum Verhältnis von christlichem und andinem, kommunalem und familiärem Ritual — 191 6 Der ,Santo Macho‘.Die Feier des Linken Santiago in der indigenen Gemeinde Ccocha — 205 6.1 Die Feier im Ortskern von Ccocha — 205 6.2 Die Efektivität der Rituale — 245 7 Santiago und die Saat. Die Fortführung der Feiern in zwei Ortsteilen Ccochas — 251 7.1 Die Feier des Santiago im Weiler Ccochac Despensa — 251 7.2 Despensa t’inkay. Die Segnung des Speichers und der Saatfrüchte einer Großfamilie im Sektor Laupay — 304 7.3 Die Wiederholungen der vorgestellten Feiern und Rituale — 328 8 Raum und Ritual im östlichen Cotabambas — 337 8.1 Die Konstituierung von Orten im Ritual — 337 8.2 Die Integration einer mythischen Landschat — 340 8.3 Die Integration einer rituellen Landschat — 345 8.4 Fazit: Lokales vs. translokales Ritual? — 353 8.5 Die Feier des Santiago: Feiern die Unterdrückten ihre Unterdrückung? — 355 Zitate im Original — 359 Bibliographie — 367 Abbildungsnachweis — 400 Danksagung An erster Stelle gebührt Prof. Dr. Ute Luig Dank für ihre äußerst engagierte, einfühlsa- me und gleichzeitig kritische Begleitung meiner Arbeit. Ihr verdanke ich nicht nur ent- scheidende konzeptionelle und inhaltliche Impulse für die Dissertation, sondern auch unermüdliche Unterstützung. Ebenso danke ich Prof. Dr. Jürgen Golte für seine gedul- dige Betreuung, die vielen Anregungen und unschätzbaren Kontakte. Ganz herzlich sei weiterhin Prof. Dr. Undine Frömming gedankt, die sich spontan und unkompliziert als Gutachterin gewinnen ließ und mir wichtige Hinweise gab.Mit Dr.Rivera Andía,Dr.Ca- ma Ttito (UNSAAC/Cuzco) und Dr. Rodolfo Sánchez Garrafa (UNMSM/Lima) danke ich stellvertretend allen FachkollegInnen, die diese Arbeit mit konstruktiven Hinweisen vorangebracht haben. Aus ganzem Herzen will ich insbesondere denen danken,denen diese Arbeit gewid- met ist: den Menschen im Distrikt Haquira (Provinz Cotabambas/Peru). Dank schulde ich vor allem den Bewohnern der Dorfgemeinschaten Ccocha, Ccochac Despensa und Laupay, die mich mit nicht selbstverständlichem Vertrauen an ihrem Leben, ihren Fes- ten, Bräuchen, Vorstellungen und Erinnerungen teilhaben ließen. Stellvertretend kann ich hier mit Américo Piñares Vargas, Maximo Huaman Rojas und Jenny Zubizarreta Ollaya nur meine engsten Freunde namentlich erwähnen. Sie haben mir durch ihre un- erschöpliche Gastfreundschat und Ofenheit eine zweite Heimat geschafen, die ich immer in mir tragen werde. Beim Exzellenzcluster Topoi bedanke ich mich schließlich für das in mich gesetzte Vertrauen. Ohne das dreijährige Promotionsstipendium und die Reisegelder wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Zudem hat Topoi mit seiner interdisziplinären und in- terinstitutionellen Architektur, seinen zahlreichen Veranstaltungen und Publikationen ein optimales Arbeitsumfeld geschafen. Spezieller Dank geht an die ProfessorInnen, Fellows und DoktorandInnen der Topoi-Forschungsgruppe C III. Die fruchtbaren Dis- kussionen in diesem Forum haben wesentlich zum Gelingen meiner Arbeit beigetragen. Danke weiterhin an die Edition Topoi, namentlich an Dr. Gisela Eberhardt und Hanna Ertenbeck, für die umfassende Unterstützung bei der Herausgabe des Buches. In die- sem Zusammenhang muss wiederum Dr. Göbel, Prof. Dr. Jürgen Golte und Prof. Dr. Ute Luig gedankt werden, deren Empfehlungen mich überhaupt erst zu Topoi gebracht haben. Schließlich danke ich meiner großartigen Familie, auf deren Unterstützung ich im- mer zählen konnte. 9 1 Einleitung 1.1 Themen Der berühmte bolivianische Anthropologe Hans van den Berg stellte einst fest, dass selbst ein wissenschatliches Buch immer etwas Autobiographisches habe.1 Tatsächlich trit diese Beobachtung auch für die vorliegende Arbeit zu. Ihr thematischer Kern ist die Verehrung des Santiago in den südlichen peruanischen Anden.Das Interesse an dem Heiligen wurde durch persönliche Erfahrungen angestoßen. Als ich Anfang des neuen Milleniums als Student nach Peru kam, schienen neue Zeiten anzubrechen. Das Land war endlich dabei, sich von den Lähmungen des Bürgerkrieges zu befreien. Kratvolle indigene Bewegungen formierten sich vielerorts. Viele politische Parteien nativer Prä- gung wurden gegründet. Mit Alejandro Toledo wurde der erste Präsident indigener Ab- stammung gewählt. Quechua zog in den Schulen ein. Vor dem Regierungssitz in Lima wurde unter Applaus das Reiterstandbild des Pizarro weggeschat. Überall war indige- nes Selbstbewusstsein auf dem Vormarsch. Umso empörter war ich,als ich sah,dass gerade in Cuzco,im alten Herzen indigener Kultur,der Apostel Jakobus ungestört als Indianermörder verehrt wird.Als himmlischer Ritter soll er den Spaniern den Sieg über die Inka gesichert haben. In der Kathedrale zertritt sein Standbild in Form eines spanischen Kavalleristen die besiegten Indígenas unter den Hufen. Jährlich wird der Heilige daher unter dem Beifall Tausender durch die Stadt geführt. Der Aufmarsch ist als eine „performative metaphor for the triumph of Christianity over native religion, and of Christians over ‘pagan’ Andeans“ gestaltet.2 Die Empörung verwandelte sich in Fassungslosigkeit, als ich feststellte, dass ausge- rechnet dieser Santiago als Schirmherr unzähliger indigener Gemeinden gefeiert wird. Zu den Prozessionen seines Festtages sammeln sich Zehntausende fröhlich unter dem erhobenen Schwert des Heiligen. Sollten tatsächlich die Autoren Recht behalten, welche die Wirksamkeit kolonialer Propaganda beteuern? Beispielsweise Domínguez García, welcher urteilt: „die Figur des 1 Van den Berg 1989, 2. 2 Dean 1999, 32. 11 Santiago zeigt den Sieg des Diskurses der Kolonisatoren“.3 Ist er daher, wie De la Flor feststellt,„Zeichen und Identität der völlig akulturierten indigenen Gemeinden“4? Muss die Verehrung des Santiago also als Ausdruck akzeptierter Unterdrückung gewertet wer- den? Feiern die Unterdrückten gar selbst ihre Unterdrückung? Diese Folgerung stellt eine ofensichtliche Herausforderung für alle diejenigen dar, welche die indigene Bevölkerung als selbstbewusste