Motive und Ziele, Alltag und Erlebnisse der frühen Pilger „Mit unendlicher Mühe…“ Was ist Pilgern? Wann begann es? Und was erlebten die Pilger auf ihren Reisen? Von Georg Röwekamp

6 welt und umwelt der bibel 3/2014 chon eines der ältesten Werke der Mensch- tesdienste, bei denen sie mithilfe der Schriftlesung die heitsliteratur berichtet von einer Reise, die dort lokalisierten Ereignisse vergegenwärtigt. von einer religiösen Sehnsucht bestimmt ist: Die meisten schriftlichen Berichte über Pilgerrei- Im Gilgamesch-Epos, dessen Urfassung im 2. sen ins Heilige Land stammen zwar von männlichen SJahrtausend vC entstand, wird von der Suche des Hel- Pilgern (wobei das bei einigen freilich einfach unhin- den nach dem Geheimnis des Lebens, nach dem Kraut terfragt angenommen wird), doch wissen wir aus den der Unsterblichkeit erzählt. Am Ende belehrt der Son- ersten Jahrhunderten fast mehr von Pilgerinnen: Ne- nengott Schamasch den Helden Gilgamesch: ben der Kaiserinmutter Helena, deren Reise im Jahr 327 „Gilgamesch, wo läufst du hin? so etwas wie eine Initialzündung war, und den bereits Das Leben, das du suchst, wirst du nicht finden!“ genannten Egeria und Paula hören wir etwa von Mela- Dennoch haben sich Menschen seitdem immer wie- nia der Älteren und ihrer gleichnamigen Enkelin, von der auf die Suche begeben nach Weisheit und Heil. Die Eutropia, Poemenia, Silvia und der Kaiserin Eudokia. Pilgerfahrten der Antike führten nach Delphi, wo man Nicht nur Letztere gehörte der Oberschicht an – solch den Spruch der Pythia hören wollte, oder nach Epidau- weite und lang dauernde Reisen konnten sich nur be- ros, wo man sich von Asklepios Heilung erhoffte. Doch güterte Christinnen und Christen leisten. Egeria, die was sie im Einzelnen erlebten, bleibt für uns meist im nicht zuletzt deshalb keine Nonne gewesen sein kann, Dunkeln: Zu selten berichten die Pilger davon! wie oft behauptet wird (die „Damen Schwestern“ an die sie schreibt, waren wohl Mitglieder eines Kreises von religiösen Frauen, wie er sich auch um Hieronymus in Doch was sie im Einzelnen erlebten, Rom gebildet hatte), war beispielsweise etwa drei Jahre bleibt meist im Dunkeln: Zu selten im Orient unterwegs! Einfachere Leute pilgerten eher zu lokalen Heiligtü- berichten die Pilger davon! mern in der Nähe, die sich (ebenfalls ab dem 4. Jh.) vor allem über den Gräbern der Apostel und Märtyrer ent- Das Judentum machte die Wallfahrt zu den großen wickelten. Zu den ältesten gehören die Gedenkstätten Festen zur Pflicht. Der Tempel in Jerusalem war der Ort des Johannes in , des Thomas in , von der gemeinsamen Erinnerung und Vergegenwärtigung Petrus und Paulus in Rom sowie das Grab der Thekla von Gottes Heilstaten: „Wie wir’s gehört hatten, so er- in Seleukia an der Südküste Kleinasiens. Hinzu kamen lebten wir’s jetzt in der Stadt des Herrn der Heere“, heißt die Gedenkstätten für die Märtyrer der diokletiani- es im 48. Psalm. Auch die christlichen Pilger, die ab dem 4. Jh. ins Heilige Land kommen, wollen die Orte sehen, wo Jesus Die meisten schriftlichen Berichte über Pilger­ gelebt hat, und nacherleben, was seine Zeitgenossen reisen ins Heilige Land stammen von männlichen erfahren haben. Hieronymus berichtet von der Röme- rin Paula, die mit ihm nach Betlehem gereist war: „Sie Pilgern, doch wissen wir aus den ersten Jahrhun­ schwor in meiner Gegenwart, sie sehe mit den Augen derten fast mehr von Pilgerinnen des Glaubens das Kind in Windeln gewickelt und in der Krippe schreien, die Gott anbetenden Weisen, den glän- zenden Stern in der Höhe, die jungfräuliche Mutter, den schen Verfolgung (von Menas in Ägypten bis Vincen- fleißigen Nährvater und die Hirten.“ Und von sich selbst tius in Spanien), dann auch die von Bekennern und sagt er, er sehe jedes Mal, wenn er das Heilige Grab be- „charismatischen“ Heiligen wie z. B. Martin von Tours. trete, den Erlöser in seinen Binden, und wenn er ver- Gräber und Reliquien, denen man eine heilsame, weile, auch den Auferstehungsengel … wunderbare „Ausstrahlung“ zuschrieb, wurden im Egeria, eine der ersten Pilgerinnen, von der wir ei- Laufe der Zeit auch bei der Heiligland-Wallfahrt im- nen eigenhändig geschriebenen, ausführlichen Bericht mer wichtiger: Im 6. Jh. berichtet ein anonymer Pilger besitzen über die Reise, die sie gegen Ende des 4. Jh. aus Piacenza von zahllosen solcher Objekte – und von unternahm, gibt bezüglich ihrer Motivation freimütig dem „Segen“, der von ihnen ausgeht. Diesen Segen ver- zu: „Ich bin ziemlich neugierig“ (ut sum satis curiosa)! suchte man auch „handgreiflich“ mitzunehmen: Schon Alle biblischen Orte will sie sehen – und feiert dort Got- Egeria erwähnt mehrfach „Eulogien“, d. h. gesegnete Gaben, die sie an verschiedenen Orten erhielt (sicher gegen eine entsprechende Gegengabe). Und aus der Zeit links: Im gesamten römischen Weltreich fand des Pilgers von Piacenza sind sogar zahlreiche verzierte sich ein ausgebautes Fernstraßennetz, das auch einzelne Ampullen erhalten, in denen man die beliebteste Gabe, Reisende nutzen konnten. Bild: Straße in . Öl vom heiligen Ort, mit in die Heimat nehmen konnte.

welt und umwelt der bibel 3/2014 7 Römischer Reisewagen, Grabrelief von der Nekropole der anti- ken römischen Siedlung Virunum. Heute verbaut in der Südmauer der Wallfahrtskirche von Maria Saal, Kärnten, Österreich.

Das Reisen in der Antike

chon vor den Römern bauten die Perser mit einer Tagesleistung von 30–36 km. ihre Unternehmung mit Gefahren verbunden Sein flächendeckendes Fernstraßennetz Im antiken Griechenland war von einem ist. Auf den Straßen kam es zu Unfällen, auf, das vorrangig natürlich dem Militär ausgebauten Straßennetz nicht die Rede, Räuber lauerten im Hinterhalt oder betrüge- und der Verwaltung des riesigen Reiches nur rund um die großen Heiligtümer waren rische Wirte raubten ihre müden Gäste aus. diente, weniger den Individualreisenden. In die Straßen instand gesetzt. Erst in der Grabmäler an Wegkreuzungen erzählen von der näheren Umgebung größerer persischer römischen Kaiserzeit verbesserte sich das den Gefahren: „Wanderer, kommst du nach Städte waren die Straßen auch gepflastert. Straßennetz. Und in der Zeit der Pax Augus- Phthia, dem Land der üppigen Trauben, / und Der griechische Geschichtsschreiber Hero- ta wurde Reisen dann komfortabel und si- nach Thaumakia, dem uralten Städtchen, so dot (4. Jh. vC), selbst ein Reisender durch die cher – davon zeugen etwa die Überlieferun- sprich: / „Unter den Eichen Maleas, ganz ein- antike Welt, berichtet von einer Gesamtlän- gen des Apostels Paulus, der das römische sam, erblickte ich eine / Grabstätte: Lampons ge der persischen Königsstraße von etwa Straßennetz für seine Reisen nutzte. Sohn Derxias ruht dort. Allein / zog er des We- 2700 km; überall gebe es königliche Hal- Grundsätzlich jedoch war Sicherheit auf Rei- ges zum göttlichen Sparta. Ihn töteten Räuber, testationen und Unterkünfte. Militärposten sen, so wie sie auch Herodot berichtet, keine / nicht im offenen Kampf, sondern mit Tücke würden die Sicherheit gewährleisten. Für Selbstverständlchkeit auf antiken Straßen. und List.“ (Anthologia Graeca, 7,305.544) einen normalen Reisenden rechnet Herodot Viel eher ist den Reisenden bewusst, dass (B. Leicht/wub)

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Diese Heimat war für die meisten der uns bekannten Kandake auf seiner Pilgerreise nach Jerusalem, dem Pilger der Westen des Reiches. Allerdings rührt dieser Philippus – so Apostelgeschichte 8,26-40 – zwischen Eindruck möglicherweise auch nur daher, dass von ih- Jerusalem und Gaza begegnete.) Zum cursus publicus nen mehr Berichte über Reisen in den Orient erhalten gehörten auch die erwähnten Pferdewechselstationen sind – waren solche Texte doch auch für die nachfol- und Übernachtungsmöglichkeiten. Reisende konnten genden „Fernreisenden“ wichtiger als für Pilger aus der auf diese Weise durchschnittlich gut 40 km am Tag, näheren Umgebung. Eilboten sogar bis zu 150 km zurücklegen. Frauen wie Egeria wurden auf manchen Strecken zudem von Mön- chen und Bischöfen, auf unwegsamen Wüstenetappen „Unter großem Kraftaufwand …“ (z. B. im Sinai), wo man Esel oder Kamel benutzte, so- Wegen dieser Funktion als „Reiseführer“ enthalten die gar von Soldaten begleitet. Berichte auch nur wenig Informationen über die kon- kreten Erlebnisse oder Empfindungen der Reisenden. Die Strapazen der langen Reise lassen sich z. B. nur Von den Abenteuern einer Reise erahnen, wenn ein anonymer Pilger aus Bordeaux in Die Idee, dass eine Pilgerfahrt eine Form der Buße war, seinem Itinerar lapidar aufzählt: lag ihr also noch fern. Das „Pilgern“ als Lebensform, „… P (= Pferdewechselstation) M (= Meilen) 8 die freiwillige dauernde Heimatlosigkeit, stellt erst - Ü (= Übernachtungsstation) Drizupara M 9 - P Tipso recht eine Sonderform Einzelner dar. In der Legende M 8 - Ü Tunorullo M 8 - P Beodizo M 8 - Stadt vom „ewigen Juden“ wird das „Pilgern“ ohne Ziel dann M 9 - P Baunne M 12 - Ü Salambria M 10 - P Callum M sogar zur Strafe. 10 - Ü Atyra M 10 - Ü Regio M 12 - Stadt Constantinopoli Erst in späteren Jahrhunderten konnte die Reise M 12 . … Das sind im Ganzen von Burdigalia bis Constan- selbst als asketische Leistung gesehen werden. Als im tinopoli 4.021 Meilen, 230 Pferdewechselstationen, 112 7. Jh. der galizische Mönch Valerius den Bericht seiner Übernachtungsstationen.“ „Landsfrau“ Egeria in die Hände bekam, schrieb er darüber an seine Mitbrüder: „Wer kann erfassen, wel- che Angst vor dem kommenden Gericht in ihrem Herzen Erst in späteren Jahrhunderten schauderte, welches Verlangen nach der Liebe zur aller- konnte die Reise selbst als asketische höchsten Barmherzigkeit (Gottes) in ihr geflutet, welch glühendster Brand göttlicher Hoffnung und göttlichen Leistung gesehen werden Glaubens (in ihr) gebrannt hat, dass sie die Wege der ganzen Welt nicht erschüttert haben, sturmreiche Meere Zwischen Mai und Weihnachten 333 legte der Pilger und ungeheure Flüsse nicht abgesperrt, der Berge Unge- dann allein auf dem Weg von Konstantinopel nach Je- heuerlichkeit und gräuliche Rauheit nicht verwirrt, der rusalem und retour noch einmal etwa mehrere tausend ruchlosen Völker grimme Wildheit nicht erschreckt hat, Kilometer zurück! ehe sie nicht jeglichen Wunsch ihrer Sehnsucht mithilfe Egeria berichtet zumindest manchmal von den An- des Herrn … erfüllt sah.“ strengungen der Reise, z. B. wenn sie im Sinaimassiv Dabei war eine Pilgerreise zu Zeiten der Egeria ei- unterwegs ist: „Die Berge besteigt man mit unendlicher gentlich relativ ungefährlich – Gefahren werden auch Mühe, weil man sie nicht Schritt für Schritt im Kreis, so- in den Berichten praktisch nicht genannt. Angesichts zusagen wie auf einer Wendeltreppe, sondern ganz di- der erwähnten Infrastruktur und der noch intakten rekt wie eine Mauer besteigt …“ Oder: „Dann (bestieg Verwaltung des Reiches konnte der Pilgerstrom sogar ich den Sinai) auf Weisung Christi, unseres Gottes, und erhebliche Ausmaße annehmen – in Jerusalem ent- unterstützt durch die Gebete der Heiligen unter großem standen insbesondere im 5.–6. Jh. zahlreiche riesige Kraftaufwand, denn ich musste zu Fuß hinaufsteigen, weil man den Berg auf gar keinen Fall im Sattel bestei- Schon wenige Jahrhunderte später hat sich die gen konnte.“ Daran wird aber auch sichtbar, dass sie in der Re- Pilgerfahrt zu einer Form des „Massentourismus“ gel nicht zu Fuß unterwegs war: Vermutlich benutzte sie wie die meisten anderen hochgestellten Pilger den entwickelt cursus publicus, die kaiserliche Post, die mit einer Son- dererlaubnis (diploma) auch Privatpersonen benutzen Pilgerherbergen. (Meist waren es Stiftungen, die aber, konnten. Auf den hervorragend ausgebauten Reichs- wenn das Kapital ausging, auch schon einmal ihren Be- straßen – eine wesentliche Voraussetzung nicht nur trieb einstellen mussten.) Nicht zuletzt wegen des län- für die Regierbarkeit des Imperiums, sondern auch für geren Aufenthalts mancher Pilger war es auch nötig, die Pilgerfahrten – war man mit zwei- oder vierrädri- Friedhöfe einzurichten für diejenigen, die in Jerusalem gen Reisewagen unterwegs. (Mit dem Wagen reiste verstarben. Einer von ihnen war bezeichnenderweise auch schon der Kämmerer der äthiopischen Königin der Friedhof von Hakeldamach (Apg 1,18); dort war

welt und umwelt der bibel 3/2014 9 vielleicht bereits in biblischer Zeit ein „Begräbnisplatz durchaus die bequemste Möglichkeit der Pilgerfahrt für die Fremden“ eingerichtet worden (vgl. Mt 27, 7). nutzte – die Idee, dass der Weg das Ziel sei bzw. eine Die komfortable Situation änderte sich erst in späte- möglichst langsame Annäherung den eigentlichen ren Jahrhunderten – unruhige Zeiten konnten gerade Wert der Pilgerfahrt ausmache, war auch dem Mittel- für Reisende gefährlich werden und führten denn auch alter unbekannt. immer wieder einmal zu einem deutlichen Rückgang des Pilgerns. Doch darf auch bei den dann verstärkt auf- tauchenden Berichten über bestandene Gefahren nicht Pauschalreisen ins Heilige Land übersehen werden, dass Pilger schon damals dazu neig- Schon wenige Jahrhunderte später hat sich die Pilger- ten, das Abenteuerliche ihrer Reise zu übertreiben. Und fahrt sogar zu einer Form des „Massentourismus“ ent- so mancher Bericht von Überfällen entpuppt sich bei wickelt: Nicht nur, dass immer mehr Adelige, Kleriker näherem Hinsehen als „Räuberpistole“, die zum Zeit- und reiche Bürger sich auf den Weg machen – findige punkt, da sie erzählt wurde, schon lang zurücklag. Unternehmer bieten regelrechte „Pauschalreisen“ an: Wirklich gefährlich werden konnten Reisen per Schiff. So wirbt ein gewisser Dietrich Paeschen aus Antwer- Aus der Kreuzfahrerzeit (1102/3) liegt der dramatische pen im Jahr 1513 in einem Flugblatt für eine kombinier- Bericht des Angelsachsen Saewulf vor, der, nachdem er te Reise per Schiff nach Santiago, Jerusalem und Rom: selbst gerade in Jaffa an Land gegangen war, zusehen Er ist erfahren (er hat die Reise vor zwei Jahren schon musste, wie andere Reisende umkamen, als ihre Schiffe einmal gemacht), will nun zwei neue Schiffe bauen im Sturm an der Küste zerschellten: „Soll ich noch wei- (mit mehr Platz für die Pilger als auf denen der Vene- ter erzählen, wie kläglich von den Schiffsleuten und Pil- zianer) und legt haargenau die Leistungen und Reise- gern einige an den Schiffen hingen, andere aber an den bedingungen dar – von der Art der Verpflegung bis hin Mastbäumen, einige an den Segelstangen, andere aber zu Anzahlung, Stornogebühr und Trinkgeldregelung an den Ruderbänken. … Einige wurden von Planken, die gegenüber den „Mohren“. Sogar eine kostenlose Zu- sich vom Schiff losgerissen hatten, wiederum in die Tie- satzleistung gibt es: Wer will, kann im Anschluss auch fe geschleudert, andere aber, die schwimmen konnten, noch die Gräber von Maria Magdalena, Marta und La- vertrauten sich freiwillig den Fluten an. So kamen sehr zarus in der Provence besuchen. viele um; nur sehr wenige vermochten, auf eigene Kraft Und da zufälligerweise auch der Bericht eines Rei- vertrauend, unverletzt ans Ufer zu gelangen.“ senden erhalten ist, der 1514 wohl genau diese Rei- Aus der Tatsache, dass Saewulf mit dem Schiff an- se mitgemacht hat, wissen wir, dass nicht immer die reiste, wird aber auch deutlich, dass man in der Regel Andacht im Vordergrund stand. Hans von Sternberg

Pilgerandenken in Form der christlichen Wallfahrtsstätten im Heili- gen Land. In der Mitte ist die Jerusalemer Grabeskirche zu sehen, rechts unten die Ge- burtsgrotte von Betlehem. Die Modelle sind wie ein dreidimensionaler Reiseführer, denn sie können geöffnet werden, innen ist auch das Innere der jeweiligen Kirche zu sehen. Verwendet wurden solche Souvenirs von der 2. Hälfte des 17. Jh. bis ins 19. Jh. hinein. Ikonenartig bemalter Fisch- kopf, auf dem die Taufe Jesu im Jordan zu sehen ist. Es handelt sich um eine Welsart, die auch im Jordanfluss und im See Genezaret lebt. Vermutlich wurde der Welskopf um 1900 in einem orthodoxen Kloster im Heiligen Land bemalt als ein besonderes Reisean- denken für Pilger.

bemerkt darin u. a. tatsächlich, dass es ihm am besten mit euch, ihr Dienerinnen Gottes, weil ihr, als ihr die auf Mallorca gefallen habe, wo er auch die schönsten heiligen Stätten verlassen habt, Bäche bitterer Tränen Frauen gesehen habe … vergossen habt.“ Aber nun geht es darum, den Besuch Selbst die Reformation kann den Zug ins Heilige spirituell fruchtbar zu machen: „Ihr habt den Ort von Land nicht auf Dauer aufhalten: 1583 pilgert mit dem Christi Geburt gesehen; lasst eure Seelen wiedergebo- Nürnberger Arzt Leonhart Rau(ch)wolf der erste uns ren werden. Ihr habt den Ort des Kreuzes gesehen; lasst bekannte Protestant nach Jerusalem, und im 18. Jh. ist euch die Welt gekreuzigt sein und ihr der Welt. Ihr habt es der evangelische Buchhändler und Kaufmann Jonas den Ort der Himmelfahrt gesehen; empor mit eurem Korten, der in seinem Bericht nicht nur die katholische Geist in die Höhe!“ und orientalische Form der Verehrung heiliger Stätten Augustinus, obwohl er immerhin lokale Wallfahrten kritisiert, sondern erstmals auch die seit konstantini- zu Reliquien förderte, schließlich schreibt: „Der dich scher Zeit unbezweifelte Lokalisierung von Golgota im erhört, ist nicht außer dir. Gehe nicht in weite Fernen, Bereich der Grabeskirche infrage stellt. Er steht damit steige nicht in die Höhe, als ob du ihn so gleichsam mit am Anfang der modernen Verbindung von Pilgerfahrt Händen greifen könntest.“ und wissenschaftlicher Neugier bzw. Aufklärung. Genutzt hat es nichts. Bis heute machen sich Pilger auf den Weg zu „Orten der Kraft“ – sei es, dass sie wie einst die größtmögliche Bequemlichkeit dabei suchen, Lesetipps Wirklich eine Reise zum Heil? sei es, dass sie sich (auf bestimmten Routen) den Weg • Bernhard Kötting, Kritik an der Pilgerfahrt als solcher hatte es ja bereits freiwillig erschweren. Dabei müssen Frömmigkeit und Peregrinatio von Anfang an gegeben: Gregor von hatte im 4. Wissenschaft keine Gegensätze (mehr) sein: Beim Be- religiosa. Wallfahrt Jh. mit dem zweifelhaften Ruf der Herbergen am Weg such von Emmaus z. B. erfährt der moderne Pilger, und Pilgerwesen argumentiert und damit, dass für Frauen allein das dass es mindestens drei mögliche Orte gibt, die das bi- in Antike und alter Benutzen von Reittieren unanständig sei. Sein Zeit- blische Emmaus sein könnten. Entscheidend aber wird Kirche, Münster genosse Hieronymus hatte sich zumindest über eine für ihn sein, ob auch er am Ende der Reise sagen kann: 1950. unangemessene Form der Reise mokiert: „Wir sahen „Brannte nicht unser Herz, als wir mit ihm unterwegs • Henry Bran- neulich jemanden schamlos durch den ganzen Orient waren?“ – und ob auch er ihn für einen winzigen Mo- thomme / Jean rasen. Man redete über das Alter, die Aufmachung, das ment erkannte, ohne ihn doch festhalten zu können … W Chélini (Hrsg.), Auf Benehmen und den Gang, über die unpassende Gesell- den Wegen Gottes. schaft und die außerordentlichen Mahlzeiten …“ Und Die Geschichte der Jerusalem war ihm zufolge nicht nur eine heilige Stadt: christlichen Pilger- „Die Stätten der Kreuzigung und Auferstehung liegen in fahrten, Paderborn einer hektisch belebten Stadt, in der es Behörden, Garni- 2002. sonen, Dirnen, Schauspieler und Witzbolde gibt …“ Dr. Georg Röwekamp ist theologischer • Marion Giebel, Athanasius hat dann in einem Brief an Nonnen, die Leiter und Geschäftsführer von Biblische Reisen in der nach Jerusalem gereist waren, einerseits Verständnis Reisen in Stuttgart. Außerdem ist er der Antike, Düsseldorf/ für ihre Trauer bei der Rückkehr: „Wir hatten Mitleid Übersetzer der Pilgerberichte der Egeria. Zürich 1999.

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