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Stefan Nitschke Schutz bei Rad- und Kettenfahrzeugen – Teil I
Der Schutz von militärisch genutz- ten Rad- und Kettenfahrzeugen und ihren Besatzungen hat höchste Priorität bei Einsätzen der Bundes - wehr. Schutzsysteme müssen hier- bei ständig an die Bedrohungslage angepasst werden. Nur so ist es möglich, den sich ständig ändern- den Gefährdungen durch improvi- sierte Sprengfallen (IEDs), projektil- bildende Ladungen, Minen und RPGs wirkungsvoll entgegenzuwir- ken. Diese Rundum-Bedrohung ist in der Regel räumlich begrenzt und führt dazu, dass direkte Schutzver - fahren (ballistischer Körperschutz, Spreng brandgranaten mit Raketenzusatz - Schutzausstattungen und -konzepten der Panzerschutz, ABC-Schutz, De- antrieb aus dem Hinterhalt verschossen. Industrie. Fahrzeugsysteme wie der einge- kon tamination) sowie indirekte Die für unzureichend geschützte Fahr- führte DINGO 1 und 2, der DURO III/YAK Schutztechniken (Tarnmaßnah - zeuge sehr gefährliche Hohlladungs - sowie das seit dem Jahr 2009 der men, Täusch- und Störmaßnah- munition besteht aus einer Sprengladung, Bundeswehr zulaufende Radfahrzeug men, Reduzierung der akusti- die mit einer meist kegelförmigen metalli- EAGLE IV sind gegen IED-Explosionen schen, optischen/Infrarot- und Ra- schen Auskleidung versehen ist. Bei und deren Wirkungen wie Splitter, Blast darsignatur) weiter an Bedeutung Zündung wird ein Hohlladungs-Stachel und Druck wirksam geschützt. Im Rahmen zunehmen. Im vorliegenden ersten erzeugt, der nach vorne mit sehr hoher eines Einsatzbedingten Sofortbedarfs hat Teil befasst sich der Autor mit der Geschwindigkeit (bis über 8.000 m/sec) die Bundeswehr bereits zwischen 2003 Bedrohungslage im Einsatzland austritt und in das Ziel eindringt. und 2006 insgesamt 130 hoch geschützte und der Rolle der Industrie bei der Die Erkenntnisse aus Afghanistan bele- Mehrzweckfahrzeuge des Typs DURO III/ Entwicklung von hoch geschützten gen, dass viele der eingesetzten Fahr- YAK beschafft. Diese Fahrzeuge wurden in Rad- und Kettenfahrzeugen. Teil II zeuge wegen ihrer zum Boden gerichteten enger Zusammenarbeit zwischen Rhein- stellt dann die Bedeutung von Härtung nur unzureichend gegen Be - metall Landsysteme und MOWAG (ver- abstandswirksamen Schutz - schuss mit solchen Panzerabwehrhand- antwortlich für das Fahrgestell DURO IIIP) mechanismen sowie weiterer waffen geschützt sind. Auch wenn neuere speziell für die Anforderungen der Bun- nachrüstbarer Schutztechnologien passive Panzerungsarten oder nachträg- des wehr in unterschiedlichen Varianten heraus. lich einrüstbare Schutzmechanismen wie (Feld jäger, beweglicher Arzttrupp, Kampf- reaktive oder aktive Systeme die Wirk - mittelbeseitigung und Trägerfahrzeug samkeit besonders von Hohl ladungs - Drohnensystem LUNA) gefertigt. gefechts köpfen einzuschränken vermö- Die beiden Systemhäuser Krauss- gen, gilt es, die aus den Anschlägen Maffei Wegmann und Rheinmetall Bedrohungsrisiken gewonnenen Erkenntnisse kontinuierlich Defence können bei der Konstruktion von im Einsatzland in die Weiterentwicklung und Anpassung geschützten Fahrzeugen auf eine lang- Radikalislamische Taliban-Kämpfer von Schutz konzepten und -mechanismen jährige Erfahrung zurückgreifen. Beide setzten in Afghanistan seit einigen Jahren einfließen zu lassen, damit die Überle- Unternehmen sind langjährige Koopera - vermehrt leichte Panzerabwehrhand- bensfähigkeit der Besatzungen weiter tions partner in den laufenden Großpro- waffen RPG-7 gegen die ISAF-Truppen erhöht werden kann. jekten SPz PUMA oder GTK BOXER. Sie ein. Als von der Schulter verschossenes, haben sich Mitte 2008 dazu entschlossen, rückstoßarmes Vorderladeabschussgerät ihre technologische Fachkompetenz auch konzipiert, werden aus dem 40mm- Die Rolle der Industrie bei der Konstruktion und Fertigung für Startrohr über kurze Distanzen (oftmals Die meisten der heute in Auslands - eine neue Fahrzeugfamilie zusammenzule- unter 250 Meter) überkalibrige flügelstabi- einsätzen eingesetzten Rad- und Ketten - gen, die unter der Bezeichnung Armoured 52 lisierte Hohlladungs-, Spreng- und fahrzeuge profitieren von innovativen Multi Purpose Vehicle (AMPV) der Bundes-
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Von dem als GFF 4 bezeichneten und durch das Gemeinschaftsunternehmen ARTEC GmbH produzierten GTK BOXER wird das Deutsche Heer in einem ersten Baulos 272 Gefechtsfahrzeuge in unterschiedlichen Varianten erhalten. (Foto: R. Kutsche / Infanterieschule Hammelburg)
Viele im harten Einsatz in Afghanistan Zudem entwickelte Hutchinson den SAFE- genutzte Fahrzeuge verfügen über Reifen - TANK-Kraftstoff tank, der über eine spezi- schutzsysteme von Hutchinson, die mit- elle selbst dichtende Beschich tung ver- tels hochspeziellen, reiß- und durchstoßsi- fügt, die ballistischen Schutz bis zum cheren sowie schwer entflammbaren Kaliber 7,62mm NATO AP und 12,7mm Materialien sowie einteiligen und mehrteili- bietet. gen Stahl- und Aluminiumfelgen in Guss- und Schmiedeausführung die einsatzopti- mierte und bedrohungsgerechte Mobilität Überlebensfähigkeit der eingesetzten Kräfte sicherzustellen bestimmt das Konzept vermögen. Dadurch wird ermöglicht, dass moderner Einsatzfahrzeuge Fahrzeuge in kritischen Situationen gefähr- In Afghanistan wurden mit der RPG-7 dete Gebiete rasch verlassen können. Anschläge auf leicht gepanzerte Spähfahr-
wehr angeboten wird. Dieses völlig neue Fahrzeugkonzept soll der Bundes wehr nach Angaben beider Unternehmen ab 2011 in den Klassen GFF 1 und GFF 2 zur Verfügung stehen. Hierfür soll das ent- wicklungstechnische Know-how beider Unternehmen auf den verschiedenen Ebenen der Konstruktion von Fahr - gestellen, Schutzkomponenten und im Karosseriebau zusammengeführt werden, um mittels modernster Technologien und bereits fertig entwickelter Komponenten eine AMPV-Fahrzeugfamilie technologisch umzusetzen und schnellstmöglich für die Truppe zu realisieren.