Beiträge zu Geschichte und Gegenwart des IX. Bezirks

9 Wege im 9.

Alfred Wolf

Teil 2 Um den Dom des Alsergrundes

53. Jahrgang Das Heimatmuseum Alsergrund 201 Mitteilungsblatt des Bezirksmuseums Alsergrund April 2012 AU ISSN 0017-9809 Sehr geehrte Damen und Herren des Museumsvereins!

Hier der zweite Teil des Bezirksführers, den das Ehrenmitglied des Bezirksmuseums, der ehemalige Museumsleiter Prof. Alfred Wolf, geschrieben hat. Wir werden uns bemühen, Ihnen die anderen Teile des Bezirksführers noch heuer zu liefern. Diesmal ist die Votivkirche und ihre Umgebung das Ziel einer kultur- und heimatge- schichtlichen Umschau. Gleichzeitig arbeiten wir seit einem Jahr an der Durchführung und Umsetzung des ehrgeizigen Projektes „My Kyuku“ - „Mein Neunter“. Dieser eng- lisch-japanische Titel zeigt schon, worum es gehen soll: wichtige Teile, Gegenden und Bauwerke des Alsergrundes werden durch Hinweistafeln mit deutschen, englischen und japanischen Texten Einheimischen und Touristen zugänglicher gemacht. Hier der Text, der für die Votivkirche vorgesehen ist:

Votivkirche Die Votivkirche, auch „Ringstraßendom“ genannt, wurde am 24. April 1879 geweiht. Sie gilt heute als einer der bedeutendsten neogotischen Sakralbauwerke der Welt. Die Kirche entstand im direkten Zusammenhang mit dem Attentat auf den jungen Kaiser Franz Joseph I. am 18. Februar 1853. Sein Bruder Erzherzog Ferdinand Maximilian, späterer Kaiser von Mexiko, rief nach dem Attentat zu einer Spende auf. Zum Dank für die Rettung der Majestät sollte daher eine Kirche in Wien gebaut werden. Der soge- nannte Ringstraßendom wurde daher als „Dankgeschenk“, auch Votivgabe genannt, errichtet und trägt daher seinen Namen „Votivkirche“. Nach dem Bau der Kirche wollte man zunächst aus dem „Ringstraßendom“, dem Vorbild der Londoner „Westminster Abbey“ entsprechend, eine Art Ruhmeshalle für „große“ Österreicher machen. Den Ansatz der Verwirklichung dieser Idee konnte man eigentlich nur durch die Aufstellung der Tumba von Graf Niklas Salm sehen. Nach einer 23 jährigen Bauzeit wurde 1879 der Bau zwar abgeschlossen, jedoch als den „Dom der Völker“, wie es zunächst vorgesehen war, konnte man ihn damals nicht sehen. Der Grund war, dass es gegenüber 1853 in der Habsburgermonarchie zu ganz unterschiedli- chen Grundstimmungen kam. Ausschlaggebend war der politische Sieg des National- liberalismus, welcher zu erbitterten Kämpfen der Nationalitäten führte. Des Weiteren war die Votivkirche, auf Anordnung Kaisers Franz Joseph I., ebenfalls zwischen 1862 und 1918 die katholische Garnisonskirche Wiens. Heute gilt sie als Heimstätte für viele verschiedene fremdsprachige Gemeinden in Wien und es leben auf dem Pfarrgebiet etwa 2.700 Katholiken und Katholikinnen. Die Kirche wird von ver- schiedenen englischsprachigen Gemeinden wie auch deutschsprachigen Pfarrgemein- den genutzt. Der Bogen den man also damals nicht spannen konnte, ist heute durch die EU und ihre Erweiterung, gelungen. Die Votivkirche gilt heute als ein sehr dem Kos- mopolitismus verpflichtetes Gotteshaus. So können alle Völker, auch die der früheren „Donaumonarchie“, wie es einst gedacht war, ihre geistige Heimat finden.

Weg: U-Bahn-Station Station Währinger Straße-Volksoper - Währinger Gürtel - Acha- mergasse - Grüner Durchgang - Wilhelm-Exner-Gasse - Fuchsthallergasse - Nußdorfer Straße - Alserbachstraße - Boltzmanngasse - Strudlhofgasse - Strudlhofstiege - Paste- 2 urgasse - Liechtensteinstraße - Bauernfeldplatz - Harmoniegasse - Wasagasse - Diet- richsteingasse - Thurnstiege - Thurngasse - Währinger Straße - Arne-Karlsson-Park - Nußdorfer Straße - Widerhofergasse - Pichlergasse - Währinger Straße - Prechtlgasse - Severingasse - Wilhelm-Exner-Gasse - Schlagergasse - Währinger Gürtel - U-Bahn- Station Währinger Straße-Volksoper

Wir verlassen die U6 in der STATION WÄHRINGER STRASSE-VOLKSOPER. Sie wurde 1897 noch im 18. Bezirk gebaut. Erst nach Begradigung der Anlage des Linien- walls und nach dessen Schleifung konnte die Gürtelstraße geradlinig angelegt werden. 1905 kamen die stadtseitig gelegenen Verkehrsflächen zum Alsergrund. Ihr Willi Urbanek

I

Erwin Steinhauer Katharina Stemberger Heinz Sichrovsky

3 6. VOM WÄHRINGER BACH ZUR werden. So kam es nach starken Regen- SCHOTTENPOINT güssen in seinem Quellgebiet zu Über- schwemmungen bei der Mündung in den 01 Achamergasse 5 Alsbach unterhalb der Markthalle. Da die Hochwässer auch Todesopfer forderten, fasste man den Plan, den Währinger Bach auf den Inneren Gürtel abzuleiten. Er fließt seit 1910 darunter bis zur Nußdor- fer Straße - Latschkagasse zum Josef-Lud- wig-Wolf-Park. Dort befindet sich wieder eine Einstiegstelle in den Bachkanal. Sol- cherart gezähmt, rinnt er unter der Alt- hanstraße bis zum Julius-Tandler-Platz weiter, wo er gemeinsam mit dem Alsbach zum Donaukanal fließt. Das überwölbte Bachbett zwischen Fuchsthallergasse und Sechsschimmelgasse wird nun vom Stadt- gartenamt betreut.

02 Grüner Durchgang

An der Ecke zur kurzen Achamergasse - Johann A(i)chham(m)er war der Glo- ckengießer der ersten „Pummerin“ - fällt WÄHRINGER GÜRTEL 104 / ACHA- MERGASSE 5 ein Neubau auf: das Ar- beitsmarktservice für den 9. und 19. Be- zirk.

Das Nachbarhaus WÄHRINGER GÜR- TEL 102 / FUCHSTHALLERGASSE 20 war im Besitz des Pianisten Norbert Paw- licky, der als treuer musikalischer Beglei- ter den beliebten Heinz Conrads bei über 10.000 Rundfunksendungen am „Geflü- gel“ betreute und sich auch als Kompo- nist und Kapellmeister betätigte. Dieser GRÜNE DURCHGANG führt mit Wir folgen nun ein Stück dem Währinger Stufen und Rampen 120 m durch jenen Bach, zu dessen Kanal sich rechts vom Teil, der mit Bauverbot belegt, fußgeher- Ausgang der U-Bahn-Station ein stern- freundlich abseits des Straßenverkehrs förmiger Einstieg befindet. Der Währin- zwischen Lustkandlgasse 8 und 10 begin- ger Bach ist 4 km lang, er entspringt im nt. Wenzel Lustkandl war Jurist und libe- Pötzleinsdorfer Schlosspark und floss ge- raler Politiker. Der Weg quert die kurze mütlich durch den 18. Bezirk, bis er hier- Altmüttergasse, die mit der Erschließung her kam. Auf dem Steilstück des Michel- des Sechsschimmelberges Ende des 19. beuerngrundes konnte er aber gefährlich Jahrhunderts entstand. Georg Altmüt-

4 ter war Technologe. Er erkannte die melpfortgrund. Da der untere Teil des Wichtigkeit der industriellen Fertigung Durchgangs nicht öffentlich ist, wandern und sammelte 20.000 Exponate, die den wir die Fuchsthallergasse zur Nußdorfer Grundstock für das spätere Technische Straße hinunter. Der Seidenzeugfabri- Museum bildeten. Der öffentlich zu- kant Karl Fuchsthal(l)er war lange Zeit gängliche Teil des Weges endet zwischen Grundrichter, Armen- und Kirchenva- Wilhelm-Exner-Gasse 17 und 19. Wil- ter auf dem Michelbeuerngrund. Der helm Exner war Gründer und Direktor nach ihm benannte, breite Straßenzug des Technologischen Gewerbemuseums zeigt eine einheitliche späthistoristische (TGM). Die Umbenennung der früheren Zinshausverbauung, wurde jedoch 1964 Eisengasse erfolgte als besondere Ehrung an seinem Ende beim Währinger Gürtel noch zu seinen Lebzeiten. durch einen Erweiterungsbau der Volkso- per fast auf die halbe Breite eingeengt. WILHELM-EXNER-GASSE 17 / FUCH- STALLERGASSE 8 wohnte der Architekt 04 Portrait Franz Schubert der Oesterreichischen Nationalbank, Le- opold Bauer („Um den Dom des Alser- grundes“)

03 Grenzstein

FUCHSTHALLERGASSE 1 / NUSSDOR- FER STRASSE 15 stammt aus dem Jahr 1909. Das hoch aufragende Eckhaus zeigt eine ungewöhnliche Fassadengliederung mit Erker und Balkons. Auf der Fuchst- hallergassenseite ziert es ein Relief mit dem Portrait Franz Schuberts. Ein Blick auf den Stadtplan verrät, dass sich die Grünzone über dem alten Bett des FUCHSTHALLERGASSE 2 / NUSSDOR- Währinger Baches etwa doppelt so weit, FER STRASSE 19 ist, wie das Nachbar- bis zur Nußdorfer Straße 19, erstreckt. Im gebäude Fuchsthallergasse 4, mit einem Garten von WILHELM-EXNER-GASSE prächtigen Stiegenhaus und Ätzglasfen- 34 markiert ein großer Grenzstein am stern interessant. Im Vorgängerbau lag einstigen Ufer die natürliche Grenze zwi- seit 1858 das Bezirkspolizeikommissariat schen dem Michelbeuern- und dem Him- Roßau. Zuvor war es an der Alser Straße, 5 an der Bezirksgrenze situiert und daher „Antriebsvorrichtungen für Lenkräder für viele Bewohner schlecht erreichbar. von Automobilen“. Im folgenden Jahr Nach der Übersiedlung befand sich das erhielten sie auf der Wiener internatio- Polizeikommissariat zwar im Mittel- nalen Automobilausstellung die Silberne punkt seines Amtsbereiches, doch kam Medaille für ihren Wagen mit Vorderrad- es bei jeder Regulierung der umgebenden antrieb. 1902 gründeten alle drei Brüder Straßen immer tiefer unter deren Ni- mit einem Gesellschafter die Gräf & Stift veau zu liegen. Seine Verlegung erfolgte OHG. 16 Arbeiter werkten in der Nuß- schließlich in die Boltzmanngasse 20. dorfer Straße 19 und in Währing, Gym- nasiumstraße 32. Schon zwei Jahre später 05 genügte dies dem expandierenden Un- 7265a ternehmen nicht mehr, es übersiedelte in das neu errichtete Wohn- und Werkstät- In einem Souterrain-Lokal des Hauses tenhaus nach Döbling, Weinberggasse 70. NUSSDORFER STRASSE 19 wurde Au- 1971 ging das Unternehmen in der MAN tomobilgeschichte geschrieben: Hier Nutzfahrzeuge AG auf. entstand das erste Auto der Welt mit Vor- derradantrieb. Um die Mitte des 19. Jahr- NUSSDORFER STRASSE 21 / SECHS- hunderts war der Schlosser Ferdinand SCHIMMELGASSE 1 entstand ebenfalls Gräf aus Schlesien nach Wien gekommen, aus einem Handwerksbetrieb ein Groß- wo er in Lichtental, Wiesengasse 16, eine unternehmen. Löblich & Co Kessel und Eisenwarenhandlung eröffnete. Er hat- Apparatebau KG beschäftigt sich als Fa- te vier Söhne, von denen der älteste stu- milienbetrieb, jetzt in Favoriten, mit Er- dieren durfte und schließlich Senatsrat zeugung, Vertrieb und Service für Heiz- bei der Gemeinde Wien wurde. Die drei und Kochgeräte. 1823 war das Haus eine jüngeren ergriffen ähnliche Berufe, deren von fünf Betriebsstätten (vier auf dem Al- Ausübung sich ideal ergänzte. Karl Gräf sergrund, eine in der Inneren Stadt), an erlernte beim Rathausmann-Schöpfer der Leopold I. Löblich den ererbten Kup- Alexander Nehr das Schlosserhandwerk. fer-schmiedbetrieb führte. Seine Söhne, Er wurde Maschinenschlosser und Me- Leopold II. und Franz Löblich führten die chaniker, sein Bruder Franz Wagenbau- Tradition weiter und waren k. u. k. Hof- er und der jüngste, Heinrich, entschied lieferanten. Zusätzlich Bezirks-vorsteher, sich für das Elektro- und Mechanikerge- setzte sich Franz Löblich vor allem für werbe. Die Brüder besuchten das Tech- soziale Belange der Bezirksbewohner ein. nologische Gewerbemuseum, wo sie ein Sein Wirken kam in der Gründung der Fachlehrer in ihrem Plan bestärkte, Au- Markthalle, Kinderkrippen, Knabenbe- tos zu bauen. Karl Gräf machte sich 1896 schäftigungs-anstalten, wie auch in der in der Nußdorfer Straße 78 als Schlosser Förderung des Karolinen-Kinderspitals selbstständig und begann ein Jahr später zum Ausdruck. Als Reichstags- und Land- mit der Konstruktion des Autos mit Vor- tags-Abgeordneter erreichte er, dass der derradantrieb. 1898 eröffnete Heinrich Franz-Josefs-Bahnhofs im 9. Bezirk, und Gräf sein Geschäft zur Reparatur und nicht wie geplant, außerhalb gebaut wur- Herstellung von Fahr- und Motorrädern de. Dadurch erhoffte er sich Impulse für in der Nußdorfer Straße 19. Bald gingen das Wirtschaftsleben des Alsergrundes. die Brüder hier auf die Reparatur und den Zusammenbau von Automobilen über. NUSSDORFER STRASSE 18 war das Ge- 1900 erwarben sie das Patent Nr. 3183 auf burtshaus von Karl Seitz. Er verlor früh

6 seinen Vater und wuchs im Waisenhaus der Zeit angepasst. Wie würde heute eine Galileigasse 8 auf. Seitz’ politische Karrie- wortgewaltige „Fratschlerin“ staunen, re begann 1897 im Niederösterreichischen käme sie in die inzwischen mehrfach um- Landtag, danach war der ehemalige Leh- gebaute Halle mit ihrem Gourmettem- rer sozialdemokratischer Reichsrats-Ab- pel. geordneter, Staatsoberhaupt der Ersten Republik und Nationalrats-Abgeordneter. Zuvor standen Nußdorfer Straße 22 zwei In seiner Zeit als Wiener Bürgermeister Häuser. Eines von ihnen gehörte 1861 (1923-1934) wurde das Kommunalpro- einem der ersten Fotografen Wiens, Albin gramm des „Roten Wien“ (Wohnbauten, Mutterer. Er wurde als „Sculpteur-Photo- Schulwesen, Sozialmaßnahmen) reali- graph“ bekannt und auf der Wiener Welt- siert. ausstellung 1873 deshalb ausgezeichnet, weil er Tote für lebendig fotografierte. Wenige Schritte weiter beginnt die Alser- Noch im selben Jahr brannte sein Atelier bachstraße. Sie heißt nach jenem Wasser- ab und er starb an den Brandwunden, die lauf, dem der Alsergrund seinen Namen er sich bei den Löschversuchen zugezogen verdankt und der Jahrhunderte lang für hatte. Sein Sohn Josef führte die Firma den 9. Bezirk von Bedeutung war. (-> 1. weiter. Da inzwischen die Sculpteur- „Über-Blick von der U-Bahn“) Photographie aus hygienischen Gründen verboten worden war, fotografierte dieser 06 nun Wiener Veduten. Sie sind wichtige 7325a topographische Zeitzeugen aus dem letz- ten Viertel des 19. Jahrhunderts. Wie ein Riff in der Brandung des Ver- kehrs steht die Detailmarkthalle, NUSS- 07 DORFER STRASSE 22. Neuerdings hat 7850a man ihre nach Norden gewandte Seite „trocken gelegt“ und als Fußgeherzone Nußdorfer Straße 24 hieß „Zum wei- gestaltet, im Erdgeschoß befindet sich ßen Löwen“, nach ihm nannte man die seit 2002 ein Gourmet-Supermarkt, im Kapellengasse, ein Gässchen, das neben galerieartigen Obergeschoß ein Restau- der Markthalle zur nahen Thurykapelle rant. 1994/95 war eine Umgestaltung der führte, Weiße Löwengasse. Die Namen Markthalle erfolgt, bei der die Zahl der gebende Kapelle „Zum hl. Johannes dem Stände verringert wurde. Mit 1.186 m² Täufer“ mit ihrem Mesnerhaus stand verbauter Fläche war sie die kleinste der Alserbachstraße 9. Sie entstand anläss- sechs Detailmarkthallen Wiens und lö- lich der letzten Pest, 1713, bevor es noch ste 1880 mit 117 Ständen den bis dahin eine Kirche in Lichtental gab. Die Thu- in der Marktgasse bestehenden offenen rybrückler, für ihre ungestüme Art be- Lichtentaler Markt ab. An die Einwei- kannt, bauten damals statt der bewilli- hung, die erst elf Jahre nach der Eröff- gten Kreuzstation gleich eine Kapelle. Sie nung stattfand, erinnern, heute oberhalb mussten dafür zwar einen Verweis ein- eines Regals mit Wein-Spezialitäten, eine stecken, erbrachten aber den Beweis, dass marmorne Gedenktafel und eine Plastik sich in der Alserbachstraße 13 Reste eines der Lourdes-Madonna. In den 130 Jahren Altbaues befunden hatten. Möglicherwei- ihres Bestehens hat die Markthalle schon se waren es Fundamente eines römischen einiges erlebt, doch immer wieder hat Wachtturms, der an der Furt über den sie überlebt und sich den Erfordernissen Alsbach gestanden war, oder das Mau-

7 erwerk eines Hauses von Siechenals. Bis baut. Erich Fried, einer der bekanntesten 1846, als der Bach noch offen dahinfloss, deutschsprachigen Schriftsteller, Lyriker bildete die Kapelle mit dem benachbarten und Übersetzer des 20. Jahrhunderts, Thurybrückel ein malerisches Ensemble. wurde Alserbachstraße 11 geboren. Der Im Lauf der Zeit verlor sie an Bedeutung Autor von 28 Büchern emigrierte 1938 und wurde im Zusammenhang mit dem nach England, kam 1953 nach Deutsch- Bau der Markthalle demoliert.Heute fehlt land und besuchte in den 1960er- und in der Alserbachstraße deshalb die Haus- 70er- Jahren wiederholt Wien. Sein Leben nummer 9. Das 4-Sterne Appartement- und Wirken bildet einen Schwerpunkt in Hotel Mondial, das nun die markante der aktuellen Präsentation des Bezirks- Ecke zur ALSERBACHSTRASSE 7 bildet, museums Alsergrund. Nächst Frieds gibt als offizielle Adresse PFLUGGASSE 1 Geburtshaus errichtete Wolfgang Holz- an. hacker 1996 eine schlichtes Mahnmal für Frieden und Toleranz. Auf einer 2010 ent- 08 fernten Glasplatte stand der Text des be- 7327a rühmten Liebesgedichtes „Was es ist“.

Die Pfluggasse verdankt ihre Bezeichnung 09 dem Hausnamen „Zum goldenen Pflug“. 6021a Das Portal des Neubaues aus der Grün- derzeit PFLUGGASSE 3 erinnert daran. Die Alserbachstraße überquerend, be- treten wir beim Schubertbrunnen ein Das Eckhaus ALSERBACHSTRASSE 11 Stück der Roßau. 1928, im Zuge der zahl- / PFLUGGASSE 2 / LIECHTENSTEIN- reichen Festveranstaltungen aus Anlass STRASSE 71, einst Thury Nr. 1, hieß der 100. Wiederkehr des Todestages von „Zum Salzküfel“. Mit der nahen Salzer- Franz Schubert an der Ecke der Liechten- gasse erinnert der Name an die Trans- steinstraße errichtet, war die Aufstellung porte des „weißen Goldes“ aus dem Salz- umstritten. So blieb der Pfarrer von Lich- kammergut. 1699 heißt es: „Ain Würths- tental der Enthüllung fern. Der Schubert- haus über den Alserbach … Linker Handt bund und die Gemeinde Wien unter Bür- an der Landstrassen in Besagten dorff germeister Karl Seitz hatten sich für den Siechenals bey St. Johannes den Tauffer, Entwurf von Theodor Stundl (Das lau- sonst ins gemain der Thury genanth…“ schende Mädchen) entschieden. Die Ar- Der Tradition folgend befand sich im chitektur schuf der Otto-Wagner-Schüler 1882 errichteten Neubau das Café Thu- Franz Matouschek. ry des Karl Wolf und seiner Nachfolger, später Möbelhäuser und schließlich die Nach der Betrachtung des Schubertbrun- Bank . Als Zentralsparkasse der nens übersetzen wir die Liechtensteinstra- Gemeinde Wien veranstaltete sie 1973 ei- ße. Nun befinden wir uns im „Dreilän- nen Fassadenwettbewerb. Sein Ergebnis dereck“ der Vorstädte Thurygrund, Roßau war der „Baummieter“, eine Ölweide, die und Alservorstadt. Früher G‘stätten beim Friedensreich Hundertwasser in ein Fen- Thurybrückel genannt, könnte hier ein ster pflanzte. Ein anderer bedeutender Teil der Siedlung Siechenals gewesen sein. Künstler, Helmut Leherb (eigentlich Le- Auch wird behauptet, dass hier der ein- herbauer), hat seine Spur in Gestalt eines stige Flötzersteig begonnen habe. Nach- Mosaiks in dieser Bankfiliale hinterlas- dem die oberösterreichischen Schiffsleu- sen. 2010 wird das Haus komplett umge- te ihre Flöße am Donaukanal verkauft

8 („versilbert“) hatten, begannen sie zu Fuß Malyar verhindert wurde. So soll die ihren Heimweg westwärts. Noch weiter Straßenkreuzung ihr Gesicht behalten. zurück, zu den Spuren der Römer, reicht die durch Funde bewiesene Annahme, 11 dass sich hier die nach Norden führende 7331a Limesstraße befand. Die Eigentümer von BOLTZMANNGAS- Sicher ist die heutige Boltzmanngasse SE 30 / LIECHTENSTEINSTRASSE 69 einer der ältesten Verkehrswege im Be- besaßen seit dem Ende des 18. Jahrhun- zirk. So darf es nicht verwundern, dass derts die Bierschankkonzession. Jeder sie schon viele Bezeichnungen trug: Im Betreiber der gern besuchten Gaststätte Mittelalter Pettenbühel, nach der Grün- zeigte stolz sein eigenes Wirtshausschild dung des spanischen Spitals (spanische) als Rekommandation. Nach den Schildern Spitalberg-(gasse) oder auch nach des- „Zum Ölberg“ und „Zum Marokkaner“ sen Gründer, Kaiser Karl VI., Karlsgas- hieß es seit 1889 im Nachfolgebau „Zur se, nach Umwidmung des Spitals in ein Flucht nach Ägypten“. Der Gastwirt von staatliches Waisenhaus Waisenhausgasse. Fluchtgasse 2/ Nußdorfer Straße 9 mus- Im Bereich des Physikalischen Instituts ste damals wegen eines Neubaus an Stel- führt die Gasse seit 1913 zu Ehren von le seines bisherigen Domizils die Flucht Ludwig Boltzmann führt dessen Namen. antreten. Er gründete an der Kreuzung Boltzmanns große Leistungen liegen auf Alserbachstraße, Boltzmanngasse, Liech- dem Gebiet der Lichttheorie und Ther- tensteinstraße sein Gasthaus neu, nahm modynamik. Für deren Entropiesatz aber in bewährter Tradition die alte Tafel fand er 1877 durch statistische Verfahren mit. Später war der Schriftsteller Heimi- eine Erklärung. Boltzmann gilt als letzter to Doderer einer der bekanntesten Gäste hervorragender Vertreter der klassischen der „Flucht“. Seit 30 Jahren nennt sich und zugleich als Wegbereiter der moder- die Gaststätte mit asiatischem Speisen- nen Physik. angebot „Zur chinesischen Mauer“. Nicht weit davon beginnt Amerika mit seiner 10 Botschaft. Die deshalb für den Verkehr 7329a gesperrte Gasse wurde früher als kürzeste Verbindung zwischen Währinger- und Wir stehen am Ende der Boltzmanngasse, Liechtensteinstraße genützt. bei der Kreuzung mit der Liechtenstein- straße und Alserbachstraße. Das für das Doch nun ein Blick zurück in das Bie- Stadtbild markante Gebäude BOLTZ- dermeier, die Blütezeit der unweit gele- MANNGASSE 21 / ALSERBACHSTRAS- genen „Porcellain Fabrique in der Ros- SE 12 war früheren Generationen als Hut- sau“. Viele ihrer Mitarbeiter wohnten Schick-Haus bekannt, die renommierte in ihrer nächsten Nähe, besonders hier Hutmacherei befand sich im Geschäfts- in der spanischen Spitalberggasse, wie lokal. 1970-2004 stand es als Karl-Wald- Boltzmanngasse 24 der Glas- und Porzel- brunner-Haus im Besitz des Bundes So- lanmaler Anton Kothgasser. Seine Stadt- zialistischer Akademiker (BSA). 2008/09 und Blumenbilder sind begehrte Objekte. diente es als Notschlafstelle Kuckucks- Als Maler mit der Nummer 96 schuf er nest. Danach sollte es einem Neubau wei- sie außer seiner 67-jährigen Tätigkeit in chen, was durch eine Initiative der Anrai- der Fabrik. Auf seiner Visitenkarte stand: ner und der Bezirksvorsteherin Martina „Anton Kothgahsner. Glas-Mahler wohnt

9 auf dem Spannischen Spithalberg bey 1950 ein Jugendheim. Mit der Konsoli- St. Anna Nr. 224, in 1ten Stock auf die dierung der Bürokratie wurde festgestellt, Gahse der Thier Lings“. Heute erreichen dass der Polizei keine Fürsorgekompetenz Kothgasser-Trinkgläser Preise von 25.000 zufalle und das Heim, das jährlich 400 Euro. Jugendlichen Hilfe gewährte, geschlossen werden müsse. 12 7333a 13 7337a Im Vorgängergebäude des Hauses Boltz- manngasse 22 wohnte der Dessinmaler BOLTZMANNGASSE 18 gab sich das Johann Teufel, er trug durch 53 Jahre die „Angerer-Schlösschen“ streng histori- Nr. 114 unter den Mitarbeitern der Por- stisch mit barockisierendem Portal. Vic- zellanmanufaktur. Das neue vierstöckige tor Angerer, k. u. k. Hofphotograph, ließ Wohn- und Geschäftshaus zeichnet sich es 1881 erbauen. Der Hof mit einschwin- durch die Dekoration der (2010 reno- gender Terrassenbalustrade und einem vierten) Fassade mit drei Reliefs und Bal- Zierbrunnen bildete ein malerisches En- kons mit Schmiedeeisengittern aus. semble. Bei der künstlerisch gestalteten Holztreppe des Ateliers ließ sich Kaiserin Im alten Nachbarhaus Boltzmanngasse Elisabeth („Sisi“) mehrfach ablichten. Die 18-20 finden wir Jakob Schuhfried, der Fassade mit dekorativer Klinkerverklei- als Landschaftsmaler in der Porzellanfab- dung ist zwar noch zu sehen, doch wurde rik die Nr. 40 trug und es auf 59 Dienst- das Haus grundlegend modernisiert. jahre brachte. Auch der Obermodelleur Johann Nepomuk Schaller - er hatte elf 14 Jahre als „k.k. Pensionär“ (Stipendiat) in 7336a Rom verbracht - lebte zeitweilig hier. Er schuf Porzellanbüsten von Angehörigen Die Dominanz des Gebäudes der ehema- des Kaiserhauses und war Professor der ligen k.u.k. Konsularakademie BOLTZ- Kunstakademie. An der Abbruchkante MANNGASSE 16 blieb trotz aller Sicher- der Stadt- zur Donauterrasse sprudelte heitsmaßnahmen erhalten. 1947 wurde es Boltzmanngasse 18-20 eine Quelle. Das an die damalige Besatzungsmacht USA „kalte Sturzbad“ beim Liechtensteingar- verkauft, die es seither als Botschaft ver- ten erfreute sich 1787 großer Beliebtheit. wendet. Die Figuren der Portalzone wei- Später wurde es Brunnenstube der „fürst- sen auf die Bedeutung der ehemaligen lich Liechtensteinischen Wasserleitung“, Akademie hin: Puttengruppen spielen und grundbücherlich festgelegt, dass der mit dem Erdball. Darüber das Staatswap- jeweilige Besitzer der Realität verpflichtet pen der Monarchie und dazu deren Motto sei, „Reparationen“ daran auf seine Ko- „Indivisibiliter et inseparabiliter „ („Un- sten durchführen zu lassen. teilbar und untrennbar“). Das 1904 er- richtete Gebäude ist ein Werk von Ludwig BOLTZMANNGASSE 20 ist seit seiner Baumann, eines wichtigen Vertreters des Erbauung 1894 im Besitz der Polizei. In Neobarock und aus diesem Grund Lieb- den Wirren der ersten Nachkriegsjahre lingsarchitekt des Thronfolgers Erzherzog gründete der beliebte Polizeipräsident Franz Ferdinand. Das Wiener Hauptwerk Josef „Jozsi“ Holaubek nach seinem Mot- Baumanns, der bald zum Architekten des to „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ Umbaus der avancierte, ist das

10 ehemalige Kriegsministerium, der zeit- titled 1995“ von Joel Shapiro. lich und räumlich letzte Ringstraßenbau. Trotz der konservativen Fassaden setzte 15 er sich eingehend mit dem modernen 7341a Wohnbau auseinander und forderte eine Reform der Wiener Bauordnung, die BOLTZMANNGASSE 14, noch vor der technische Errungenschaften, wie Gas, k.u.k. Konsularakademie 1900 errichtet, fließendes Wasser und Elektrizität be- wird Pazmaneum genannt. Der unga- rücksichtigen sollte. Auch das Innere der rische Kardinal Peter Pázmány gründete, Konsularakademie gestaltete er zweck- als seine Heimat zum größten Teil durch mäßig und zeitgemäß. Im Tiefparterre, die Türken besetzt war, auf dem sicheren der „Unterwelt“, befanden sich die Küche Boden der Monarchie ein ungarisches und die Wohnungen des Dienstperso- Priesterseminar. Sein Wappen mit Um- nals. Das Hochparterre enthielt den Spei- schrift erinnert an den Fürst-Erzbischof. se- und Billardsaal, Spiel- und Leseräume Im repräsentativen Vestibül finden sich wie auch weitere Erholungsräume. Der zahlreiche Gedenktafeln. Eine Bronze- erste Stock war dem Unterricht gewid- figur von St. Petrus ist ein Andenken an met, sieben Hörsäle und der Festsaal samt die Wallfahrt von Seminaristen und un- Nebenräumen standen den Studierenden garischen Pilgern nach Rom, die im Hei- zur Verfügung, während sich in den bei- ligen Jahr, zugleich Erbauungsjahr der den folgenden Stockwerken Wohnungen Anstalt, stattfand. Das prächtig ausgestat- befanden. Im Garten gab es noch ein tete Gebäude besitzt im dritten Geschoß Parterregebäude mit Turn- und Fechtsaal eine Kapelle und darin im Oratorium ein und einer Badeanlage. Acht Meter von barockes Gemälde „Maria Schnee“. In der wenig belebten Boltzmanngasse ab- früheren Tagen waren die ungarischen gesetzt, in Nachbarschaft zum Bezirkspo- Seminaristen mit ihren blauen Talaren lizeikommissariat und von diesem nach in dieser Gegend keine Seltenheit. In der Norden abgeschirmt, wird das nunmeh- jüngeren Vergangenheit bildete dieser rige Botschaftsgebäude vom Steilabfall Stützpunkt der ungarischen Kirche in im Osten von der nächsten belebten Stra- Wien das Refugium des geflüchteten Kar- ße getrennt, zu der die leicht absperrbare dinals József Mindszenty. Von den regie- Strudlhofstiege führt. Eine Probe gab renden Kommunisten inhaftiert, wurde es 1967, als aufgebrachte arabische Stu- er während der Revolution 1956 befreit denten von der Polizei abgehalten wur- und lebte anschließend im Schutz der US- den, weiter vorzudringen. Gegenüber, Botschaft in Budapest. Schließlich kam nach Westen, schützt die hohe Mauer des er nach Wien, wo er im Schatten dieser Priesterseminars die Botschaft. Im Süden US-Botschaft seine letzten Lebensjahre bildet die quer laufende Strudlhofgasse verbrachte. einen leicht zu schließenden Sperrriegel. Auf Grund verschärfter Sicherheitsbe- Bei den Kaderschmieden für Kaiser stimmungen wurde die Botschaft mit und Kirche darf das Wiener Alumnat, schweren Hindernissen umgeben, die BOLTZMANNGASSE 7-9, nicht fehlen. auch die Fahrbahn blockieren. Als Dank Die Wappen zweier Erzbischöfe, die sich für die reibungslose Kooperation mit der für dieses besonders bemühten, sind über Stadt Wien bei der Platzgestaltung stifte- den Toren angebracht: Das Wappen Franz te die damalige Botschafterin, Catherine Kardinal Nagels mit den Worten „Pacem Hall, 2001 die 3 m hohe Skulptur „Un- et Veritatem“ („Liebet Frieden und Wahr-

11 heit“) und jenes von Friedrich Kardinal II. im Jahre 1785“) 500 Zöglinge wurden Piffl mit den Worten „Labori non honori“ hier zunächst militärisch gedrillt. Erst als („Der Arbeit, nicht der Ehre sind meine der Pädagoge Franz Michael Vierthaler Kräfte geweiht“). Seit 1913 gibt es hier das Direktor wurde, endete die Ausbildung Wiener Priesterseminar. Zuvor war im zum „Kanonenfutter“. Auch Ferdinand Gebäude durch 127 Jahre das k. k. Wai- Schubert, ein Bruder des Komponisten, senhaus untergebracht, noch früher, seit war Lehrer in der Anstalt. Eine Gedenk- 1718, das Spanische Spital Wiens. Im Ge- tafel erinnert an den Waisenhauspriester folge Kaiser Karl VI. befanden sich viele Franz Tendler. Er wirkte hier seit 1858 „Spanier“, für die das Spital bestimmt und gründete den ersten katholischen war. Es waren Angehörige der spanischen Jünglingsverein in Wien. Später übernah- Nebenländer, die aus Mailand, Neapel, Si- men die Schulbrüder die Anstalt. zilien, Sardinien und Belgien stammten. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die 16 „Spanier“ weniger und auch der Zufluss 7343a von Geldmitteln aus den versorgenden Provinzen versiegte, da diese nach und Die heutige Seminarkirche „St. Maria de nach dem Kaiser abhanden kamen. Im Mercede“ (Maria vom Freikauf der Ge- Spanischen Spital wirkte der berühmte fangenen), BOLTZMANNGASSE 9, ist Mediziner (Josef) Leopold Auenbrugger, eine versteckte Kostbarkeit des Barock. welcher die Diagnose mittels Beklopfen Versteckt deshalb, weil zwar ihre Fassade des Brustkorbs (Perkussion) erfand. Es 1821 klassizistisch sparsam vereinfacht heißt, dass es ihm als Wirtssohn geläufig wurde, der Innenraum hingegen im we- war, die Füllung von Weinfässern durch sentlichen erhalten geblieben ist. Als Ka- Beklopfen der Fasswand abzuschätzen. pelle des Waisenhauses war sie nicht von Seine Wiener Lehrer, Gerard van Swieten den Josephinischen Kirchenreformen und Anton de Haen, lehnten die Metho- betroffen. Anton Ospel hatte sie in einem de ab. Sie fand erst 1808, im letzten Le- Zuge gebaut und den einheitlichen Stil bensjahr Auenbruggers, Anerkennung, beibehalten. Befindet man sich im In- als der Leibarzt Kaiser Napoleons in ei- neren, ist man von der Zentralwirkung ner französischen Übersetzung der von des kleinen Gotteshauses beeindruckt, Auenbrugger 1761 verfassten Schrift „In- die durch das Deckengewölbe mit einer ventum novum…“ (Neue Erfindung …) Scheinkuppel noch verstärkt wird. Vier das Verdienst des österreichischen Arztes Seitenaltäre flankieren den Hochaltar. betonte. 1970 wurden Heizung, Orgel und Fußbo- den erneuert und dabei das Gesamtbild Eine stadtbekannte miserable Verwaltung durch Ottokar Uhl im Sinne der neuen führte schließlich zur Vereinigung des Liturgie behutsam umgestaltet. Spanischen mit dem Dreifaltigkeitsspital. Kaiser Joseph II. löste es auf und quar- 17 tierte in dem damals größeren Gebäude 7841b das staatliche Waisenhaus ein. Noch heu- te kann man im Hof eine Marmortafel Nun befinden wir uns an der Kreuzung lesen, die er damals an der Fassade befe- der Boltzmanngasse / Strudlhofgasse in stigen ließ. Sie lautet „Orphanis alendis et der geographischen Mitte des Bezirks. erudiendis…“ („Die Waisen zu ernähren Hier liegt auch der Schwerpunkt von Wis- und zu belehren, gewidmet von Joseph senschaft und Kunst, wie selten in Wien.

12 Die Strudlhofgasse entstand 1913 in ihrer großer Zahl Bücher in „orientalischen“ jetzigen Länge erst mit der Erbauung der Sprachen druckte. Wenngleich noch den Universitätsinstitute. Zuvor führte sie Juden ihre Sprache öffentlich zu sprechen zum Hof der ehemaligen Strudel‘schen verboten war, waren hier zahlreiche ihrer Besitzung. Rechts stand das dreigeschos- Wissenschaftler als Lektoren begehrt und sige Palais des „Hof- und Kammerma- beschäftigt. lers“ Peter Strudel. Gegenüber befanden sich Stallungen und Wirtschaftsgebäude. 18 Mit Kennerblick hatte sich der Künst- 7833a ler inmitten von Weinrieden angesiedelt und das malerische Panorama genossen. Noch standen Reste dieser ersten Kunst- Die 1705 von ihm gegründete, zunächst akademie, als 1873 Josef Mallmann sein private, dann kaiserliche Kunstakademie Palais STRUDLHOFGASSE 10 neu er- war die erste in Österreich. Peter Strudel bauen ließ. Er war der erste Generalkon- erhielt eine jährliche Besoldung für „Far- sul des 1871 frisch herausgebackenen ben und Mühe“ von 3.000 Gulden, wofür Deutschen Reiches in Österreich-Ungarn. er allerdings acht Monate im Jahr für den Doch schon während des Baues verkaufte kaiserlichen Hof zu arbeiten hatte. Schon er das Grundstück an den Herzog Philipp drei Jahre später wurde er geadelt und von Württemberg. Von diesem erwarb Freiherr mit dem Namen „Strudel von der Außenminister der Monarchie, Leo- Strudendorff“. Seine Brüder Paul und pold Graf Berchtold das Palais. 1914 wur- Dominik waren Bildhauer. de hier Weltgeschichte geschrieben, als schuf den größten Teil des plastischen dieser das Ultimatum an Serbien abfasste, Schmuckes der Wiener Pestsäule auf dem das zum Ersten Weltkrieg führte. Eine Graben. Der Strudelhof besaß auch eine Tafel im heute als Konferenzraum des Hauskapelle, die sinngemäß den beiden Hotels genützten Berchtold-Saal erinnert Heiligen Peter und Paul geweiht war. daran. Nach einem halben Jahrhundert Nach Ausbruch der Pest 1713 wurde das in gräflichem Besitz besaß der Sozialis- Gebäude in den Kontumazrayon einbezo- tische Verlag, später die Bank für Arbeit gen und gehörte zum spanischen Spital. und Wirtschaft (BAWAG) das Palais samt Dieses teilte später das große Grundstück Garten. Sie stellte es 1970 den USA, deren in sieben Parzellen und versteigerte sie. Botschaft sich in Steinwurfweite davon Als die Türken endgültig zurückgedrängt befindet, zu Abrüstungsverhandlungen waren, bemühte sich das Haus Habsburg mit der Sowjetunion zur Verfügung. Viel- um kulturelle Verbindungen mit dem leicht lernte man doch aus der Geschichte, Balkan und der Levante. Die von Kaise- denn die SAL-Gespräche (Strategic arms rin Maria Theresia gegründete Orienta- limitation talks), eröffnet vom damaligen lische Akademie war die Vorläuferin der Außenminister Rudolf Kirchschläger, bo- nahe gelegenen Konsularakademie und ten im Kalten Krieg eine Chance für den sollte dazu beitragen, dass Diplomaten Frieden. Bis zum Umbau in ein Bildungs- dem Einfluss Österreichs Geltung ver- zentrum des Österreichischen Gewerk- schafften. Eine begleitende Maßnahme schaftsbundes (ÖGB) im Jahre 1999 wur- stellten Druckerzeugnisse dar, die durch de das Palais von der Botschaft von Qatar Monopole geschützt, nach dem Südosten genutzt. Nun ist es mit 14 Veranstaltungs- Europas exportiert wurden. So befand räumen ein Teil des 4-Sterne Hauses „Ho- sich im Strudelhof seit 1804 die Buchdru- tel und Palais Strudlhof“. Im 2.000 m² ckerei des „hebräischen“ Schmid, der in großen Park erinnern Freiplastiken an

13 das Mäzenatentum des ÖGB: zwei weib- Das Aussichtsfenster gegen die Roßau ist liche Stein-Figuren („Dame in Weiß“) einmalig, denn der Blick daraus umfasst und zwei Objekte, die der Bildhauer und die ganze Weite und Breite der einstigen Berufsschullehrer Walter Dewitz mit Schottenau. War es der Genius loci, der seinen Klassen herstellte, „Die Balance“ gleich drei Maler hier wohnen ließ ? Der (1998) und „Gemeinsam“ (1999). weit gereiste Maler Eugen Felix besaß das Haus am alten Donauuferhang. Er schuf 19 hauptsächlich Portraits, doch auch die 7832a Bacchantinnen im Palais Festetics, Berg- gasse 16. August Eisenmenger war der be- Die gegenüber liegenden Häuser gehören gehrte Historienmaler der Ringstraßene- verschiedenen Stilrichtungen an. Im Ju- poche, während Franz Rumpler zunächst gendstilhaus STRUDLHOFGASSE 13 mit Genrebilder und später gleichfalls Histo- seinen farbigen Tür- und Fenstervergla- rienbilder malte, schließlich aber impres- sungen gaben sich Wissenschaft, Kunst sionistische Naturstudien schuf. und Militär ein friedliches Renzdezvous. Hier wohnten 1946 Hans Thirring, der als 21 Physiker und Philosoph vor der Gefahr 7354a eines Atomkrieges warnte, Burgschau- spieler Raoul Aslan und Generalmajor Al- Nun sind wir bei der STRUDL- fred Schenk, Kommandant des bosnisch- HOFSTIEGE angelangt, die zur Liechten- herzegowinischen Infanterieregiments steinstraße hinab leitet. Die bis 1910 be- Nr. 1, das seit 1902 in der Alser Kaserne standene G‘stätten des alten Pettenbühels garnisoniert war. Für Aslan, der 1929 als wurde mit der Anlage der malerischen erster zum Kammerschauspieler ernannt Stiege veredelt, die den Höhenunterschied wurde, brachte man eine Gedenktafel an. von rund elf Metern mittels dreier Ram- pen überwindet. Ihr Schöpfer war Theo- An Stelle gräflicher Stallungen entstand dor Jaeger, der als Brückenbautechniker 1937 im Stil der Neuen Sachlichkeit das in der damaligen Stadtbaudirektion sei- Haus STRUDLHOFGASSE 17. In ihm be- nen Dienst versah. Die Stiegenanlage aus fanden sich die modernen Wohnungen Mannersdorfer Kalkstein wird von zwei von Isolde Ahlgrimm, Cembalistin und Beckenwandbrunnen geschmückt. Am Professorin an der Universität für Musik unteren Ansatz führen zwei geschwun- und darstellende Kunst, und von Gustav gene Stiegenläufe zum oberen Becken. Ucicky. Der Regisseur von über 50 Filmen Man kann die Brunnen als Reminiszenz soll ein Sohn des Malers Gustav Klimt an den „Pletzenbrunn“ deuten, der sich gewesen sein, er besaß in seiner Privat- im Mittelalter in nächster Nähe befunden sammlung eine große Zahl von Werken hatte. Mit ihren Vasenpylonen, Kandela- des secessionistischen Künstlers. bern und Wandbrunnen im Stil des Se- cessionismus ist die Strudlhofstiege wohl 20 die schönste ihrer Art in Wien. Entdeckt 7348a und durch seinen Roman weltberühmt gemacht hat sie Heimito Doderer. Er Schon das Äußere des kleinen Wohnpalais schrieb: „Der Meister der Stiegen hat ein STRUDLHOFGASSE 19 mit seinem von Stückchen unserer millionenfachen Wege Karyatiden getragenen Vordach lässt ver- in der Großstadt herausgegriffen und uns muten, dass hier Künstler am Werk waren. gezeigt, was in jedem Meter davon steckt,

14 an Dignität und Dekor…“ sen ihrerseits den gewohnten Grünblick und die bisherige romantische Lage bei Im Mittelteil der Stiege ist neben dem den Dryaden der Stiege. Fischbrunnen eine Tafel mit der „Hym- ne“ Doderers angebracht, die endet: „ … Am Wohnhaus von Erwin Schrödinger, das Schöne zeigt die kleinste Dauer.“ Der der 1933 den Nobelpreis erhielt, erinnert Renovierung 1961/62 folgten weitere 1983 PASTEURGASSE 4 eine Gedenktafel an und 2008/09. Zuletzt wurden - in einjäh- den Mathematiker und Physiker. 1926 riger Bauzeit und mit Kosten von rund gelang es ihm, eine Mechanik zu entwi- 1,5 Millionen Euro - vor allem der Stein- ckeln, die auch die Bewegungsvorgänge und Metallbestand inklusive der Kande- innerhalb der Atome zu erklären konnte laber erneuert und die beiden Brunnen („Quantisierung als Eigenwert-problem“). rekonstruiert. Für den oberen konnte Schrödingers Arbeiten zur Quantenme- das historische Vorbild des Wasserspeiers chanik machten auf die physikalische gefunden werden. An Stelle des Mosaik- Welt gewaltigen Eindruck, Einladungen Hintergrundes aus den 1960-er Jahren zu Gast-vorträgen an die bedeutendsten ist der Fischkopf nun - in Anlehnung an Uni-versitäten und Berufungsangebote die ursprüngliche Gestaltung - von einem folgten. Er lehrte in Oxford und Graz, Relief aus Donaukieseln umgeben. Die nach der Emigration (1938) in Irland. größte Herausforderung war, das alte Dort entwickelte er ein Zentrum theore- Aussehen der Stiege mit modernen Mit- tischer Physikforschung. 1956 entschloss teln und Materialien zu erhalten. Dazu er sich zur Heimkehr nach Österreich und zählt auch die Erneuerung der Beleuch- übernahm die für ihn eingerichtete Lehr- tung, die nun an Stelle der vertrauten Ku- kanzel an der Universität Wien. In seinem gellampen durch energiesparende Hänge- Buch „Was ist Leben?“ entwickelte er die leuchten erfolgt. Idee des genetischen Codes, eines der we- sentlichsten Konzepte der modernen Bio- 22 logie. Diese Veröffentlichung ist mit über 7356a 100.000 Exemplaren das meist verbreitete Werk Schrödingers. Über 58 Stufen hinabsteigend, erreichen wir die seit 1930 benannte Pasteurgasse. 23 Der Franzose Louis Pasteur war Chemi- 7359a ker und Mikrobiologe. Die von ihm er- fundene Keimfreimachung und Konser- Nur mehr wenige Meter trennen uns von vierung revolutionierte die Vorratshal- der Liechtensteinstraße, die hier in ele- tung von Lebensmitteln. Ursprünglich gantem Bogen dem alten Donaulauf folgt. zur Wasagasse gehörend, liegt die Paste- LIECHTENSTEINSTRASSE 48 hängt an urgasse nun zufällig im Umfeld des Lycée der kahlen Wand des Liechtensteinparks Français de Vienne. 1970, nach Abhol- ein Kruzifix. Der Überlieferung nach soll zung des Hanges, schritt man zum Bau es an den Friedhof des Maria-Magdale- des Hotels Strudlhof, PASTEURGASSE 1, nen-Klosters, das sich in der Wasagasse 33 das mit dem Palais Berchtold verbunden befand, erinnern. 1230 erstmals urkund- wurde. Es ist mit 84 Zimmern und Sui- lich erwähnt, bestand das Kloster bis 1529. ten, einem Fitness-Center, Dachterrasse Neben dem Kreuz führt eine Tür in eine und höchstem technischem Komfort aus- Bildhauerwerkstätte. Hier schufen Teresa gestattet. Die Anrainer hingegen vermis- Feodorowna Ries, Gustinus Ambrosi und

15 Carlo Wimmer ihre Werke. Mehr als zwei 1874 entstand LIECHTENSTEINSTRAS- Meter unter dem Straßenniveau liegend, SE 53-55 auf einem über 2.000 m² groß- zeigt das Atelier die ursprüngliche Lage en Grundstück das später „Palais Kranz“ des Parks an, durch den die Werksteine genannte Gebäude. Der Großindustrielle für die Künstler transportiert wurden. Josef Kranz kaufte es 1918, noch im Er- Wenige Schritte weiter führt eine Türe sten Weltkrieg, und ließ es von Friedrich zum neu geschaffenen Kinderspielplatz, Ohmann für seine Zwecke umbauen. Der den die Gemeinde Wien gepachtet hat. Architekt wurde vor allem durch die Wi- enflussverbauung und das Palmenhaus Drei villenartige Gebäude befinden sich im Burggarten bekannt. Erker, Balkons, auf LIECHTENSTEINSTRASSE 49, 51 Reliefs von Ranken, Köpfen und Putten und 53-55. Das erste davon bildet die sowie ein Dutzend Mal der Initial „K“ Ecke zur Strudlhofgasse 21. 1875 erbaut, zieren die Fassade. Gleichzeitig erhielt der wurde es 1941 für das Ergänzungsamt der dahinter liegende alte Donauuferhang, Waffen-SS umgebaut und erhielt einen früher „Gaisruck“ genannt, eine italie- großen „Huldigungsbalkon“. 1949 kaufte nisch anmutende Terrassenanlage. Der es die Heilsarmee zur Unterbringung der Millionär besaß ein weiteres, noch größe- von ihr Betreuten. Nun befindet sich das res Palais im 4. Bezirk und eine, ebenfalls Gebäude in Privatbesitz. von Ohmann errichtete, schlossähnliche Villa in Raach am Gebirge (Niederöster- 24 reich). Er war sozial denkend, doch lebte 7387a er über seine Verhältnisse. 1935 meldete er Konkurs an. Das Haus wurde verkauft, LIECHTENSTEINSTRASSE 51 wurde die wertvolle Inneneinrichtung verstei- 1876 für Moritz Szeps, einen Vertrauten gert. In zeitlicher Abfolge wohnten hier von Kronprinz Rudolf, erbaut. 1855-67 die Hofschauspieler Josef und Olga Le- Chefredakteur der Wiener „Morgenpost“, winsky, der Kammerschauspieler Her- übernahm Szeps danach die Leitung des mann Thimig und das Ehepaar Kammer- kurz zuvor gegründeten „Neuen Wiener sängerin Irmgard Seefried und Wolfgang Tagblatt“. Dort 1886 entlassen, kaufte er Schneiderhan, Konzertmeister der Wie- die „Morgenpost“ und ließ sie als „Wiener ner Philharmoniker. Das Gebäude bietet Tagblatt“ weiter erscheinen. Die Ausstat- von seinen ostwärts gelegenen Räumen tung seines Palais war fürstlich. Marmor einen umfassenden Blick auf den Liech- und Gobelins lösten einander schon im tensteinpark. Noch größeren Horizont, prächtigen Stiegenhaus ab, bevor man die vom Wienerwald bis zum Prater und wei- im Neo-Rokoko gehaltenen Salons bet- ter, schafft ein moderner Dachausbau. rat. Gemälde aus dem ehemaligen Palais Pouthon, heute Julius-Tandler-Platz 3, Wieder zurück Richtung Strudlhofstiege das dem Bau des Franz-Josefs-Bahnhofs gehend, wenden wir uns nun stadtwärts. weichen musste, grüßten von der De- Die Geschwisterbauten LIECHTEN- cke. 1928 wurde das Palais zur Botschaft STEINSTRASSE 43 a und 45 sind durch Schwedens und ist seit 1964 die Residenz einen Straßenhof, der zur Pasteurgasse des Botschafters. führt, zwar getrennt, doch durch eine massive Gittertoranlage verbunden. Di- 25 ese Wohnhäuser sind solid ausgestattet 7390a und zeigen farbige Glasfenster, zu den Raritäten zählen Aufzüge aus der Erbau-

16 ungszeit. Siegfried Marcus, erfunden hatte. Der Erfinder erwarb rund 40 Patente für Ver- In einem kleinen Haus, Liechtenstein- brennungskraftmaschinen, Telegraphie, straße 41, das Johann Leopold Graf Kuef- Gastechnik und Elektrotechnik. Er mon- stein besaß, hatte 1718 der Hofkriegsrat tierte - nachweislich 1870 oder schon vor- Claudius Innocentius du Paquier be- her - den ersten Benzinzweitaktmotor auf gonnen, Porzellan zu erzeugen. Er selbst einen hölzernen Handwagen. Der zweite bezeichnete sich als „Erster Erfinder der Marcuswagen, der über alle Merkmale allhiesigen Borcellain Fabrique“. Nach des modernen Automobils verfügte, war drei Jahren übersiedelte er mit dieser in 1888 fahrbereit - und kam mit einem klei- die heutige Porzellangasse 51. ( -> 9. „Im nen Parkplatz aus. Oberen Werd“) 27 26 7370a 7374a Seit 2006 sorgt die „Garage Bauernfeld- Nach rechts gehend, wenden wir platz“ vis a vis für 201 unterirdische Stell- uns dem unteren Teil des einstigen plätze. Im Zuge ihrer Errichtung haben Dietrichstein‘schen Gartens zu. Hier, an die Betreiber den Bauernfeldplatz und der Schottenpoint, lagen Wein-, Obst- und seine Umgebung fußgeherfreundlich Ziergärten. Neben dem Jesuitengarten, in umgebaut, wobei der Platz selbst auto- dem sich hinter einer hohen Mauer die frei gemacht wurde. Von den 4.500 m² Patres erholten, bestand zur Biedermeier- der gestalteten Fläche entfallen 2.500 m² zeit die beliebte Gärtnerei des Moritz von auf Fahrbahnen, je 1.000 m² auf Geh- Pasqualati in der Liechtensteinstraße 39- steige und Grünflächen. Der Bauernfeld- 41. In ihrer Nachbarschaft lag der erste platz sollte den Namen des französischen botanische Garten Wiens. 1665 erwähnt, Schauspielers und Dramatikers Molière wurde er von den Niederösterreichischen (eigentlich Jean-Baptiste Poquelin) erhal- Landständen für die Studenten der Arz- ten, gleichzeitig hätte einen Johann- neikunde angelegt. Seit 1900 nimmt ein Strauß-Platz bekommen. Doch nach vierstöckiges Miethaus drei Parzellen einem Regierungswechsel in Frankreich (LIECHTENSTEINSTRASSE 39-43) ein. war davon nicht mehr die Rede und so Das Grundstück hatte die Fürstin Clot- blieb es bei der Ehrung des Schriftstellers hilde Clam-Gallas, geb. Dietrichstein in Eduard Bauernfeld. ihrem letzten Lebensjahr Franz Clam- Gallas geschenkt, der als Bauherr auf- LIECHTENSTEINSTRASSE 37a befin- scheint. det sich seit 1954 das Lycée Francais de Vienne. Von seinen 1.800 Schülern kom- Wie so oft forderte das industrielle Zeital- men 60 % aus Österreich, 20 % aus Fran- ter seinen Tribut. Aus dem flach gelegenen kreich, der Rest aus über 60 Ländern. Es Gartenteil gegen die Liechtensteinstraße bietet ihnen eine komplette Schullauf- entstand im 19. Jahrhundert ein Lager- bahn nach dem französischen Lehrplan platz für das fürstlich Dietrichstein‘sche und Zusatzunterricht in deutscher Spra- Gusseisendepot. Der Kuriosität halber sei che an. Das Lycée liegt im 50.000 m² vermerkt, dass hier ein selbst fahrendes großen, einstigen Clam-Gallas-Garten, Vehikel eingestellt war, das der Mechani- der Jahrhunderte lang im Besitz der Für- ker des nahen Josephinums, der geniale sten Dietrichstein gewesen war. Die Reit-

17 schule des Franz Josef von Dietrichstein, spielerin auf der Bühne. Mit 21 heiratete Liechtensteinstraße 37, erhielt im Laufe sie den Militärbeamten Johann Baptist der Zeit verschiedenste Funktionen. Ein Freiherrn von Pasqualati und Osterburg Schmied nutzte sie als Werkstätte, dann und richtete mit seiner Hilfe im Palais richtete der athletische Bildhauer The- Schönborn (derzeit Österreichisches Mu- odor Friedl darin sein Atelier ein. Als seum für Volkskunde) ein Theater ein. Sie Mensch und Künstler war er ein echter trat hier gemeinsam mit Hof- und Berufs- Sohn Wiens. Seine bekanntesten Werke schauspielern, adeligen und bürgerlichen sind die Rossebändiger vom Maria-The- Laiendarstellern auf. Zwei Jahrzehnte resien-Platz. Mehr als 20 Theaterbauten hindurch war sie damit erfolgreich, mus- zwischen Hamburg und Odessa tragen ste aber dann die Bühne aus finanziellen seine Skulpturen. Nach dem Ersten Welt- Gründen schließen. Am 20. Jänner 1866 krieg übernahm ein ehemaliger Pilot der eröffnete sie in der WASAGASSE 33 ihr k. u. k. Fliegertruppe das desolate Gebäu- Harmonietheater, schon am 9. Mai 1867 de und richtete darin sein „Flieger-Kino“ war die letzte Vorstellung. Die Besitzerin ein. In den 1920er- Jahren erfreute sich verkaufte das Inventar an Carl Schwender, das angeschlossene Freilichtkino im Park der in Hietzing sein berühmt gewordenes großer Beliebtheit. Später diente das Ge- Sommer-Vergnüngungsetablissement bäude mit Spitzbogen-Fenstern als Mö- „Neue Welt“ baute. Das Ensemble unter- belmagazin, 1971 wurde das Kino umge- schrieb Verträge für das dortige Variete- baut und dem Französischen Lyceum als Theater. Im Oktober 1867 öffnete das Studio Molière angegliedert. Harmonietheater wieder, unter der Di- rektion des Komponisten und Dirigenten 28 Klerr. Nach einem halben Jahr beendete 7486a auch er hier sein Wirken. 1868 pachtete der Direktor des Kremser Stadttheaters, Wir gehen die Liechtensteinstraße stad- Robert Löwe, das Theater und nannte es teinwärts und verlassen sie an der Ecke „Orpheum“. Zum Varieté umgebaut, bot zur Harmoniegasse. „Vor Zeiten einst, es Spitzenleistungen der Artistik. Publi- vor langen Jahren…“ (um 1230-1529) lag kumsmagnet wurde, 20 Jahre später und hier das Büßerinnenkloster „Zu St. Maria mit Eduard Danzer als Besitzer, das nun Magdalena“ und seit 1694 das pompöse nach ihm benannte Unternehmen. Nach Haus „Zum goldenen Engel“ des kai- fast drei Jahrzehnten übernahm Gabor serlichen Hofbarbiers Johann Oliverus Steiner die Leitung und eröffnete 1900 Decore. Seit 1864 ist die Harmoniegas- mit der Ausstattungsoperette „Venus auf se in ihrer Gesamtheit ein Frühwerk des Erden“. Bekannt war der Varietédirektor Architekten Otto Wagner. Er baute auch durch seinen Vergnügungspark „Venedig das Theater, das die Gasse abschließt und in Wien“, auf dessen Areal sich schon seit nach dem sie benannt ist. drei Jahren das Riesenrad drehte. 1909 bis 1928 gab man unter wechselnder Direk- 29 tion als „Neue Wiener Bühne“ Sprech- 7399a stücke. 1934 wurde der Theatersaal de- moliert, die Bühne, welche sich gegen den Amalia Freifrau von Pasqualati und Os- Hanggarten öffnen ließ, wurde abgetra- terburg, geborene von Vogel, stand un- gen und die Fresken im Foyer durch einen ter dem Künstlernamen Amalia Zwerbi blinden Plafond verdeckt. Nur die beiden schon als 15-jährige Tänzerin und Schau- Musen auf dem Giebel, Thalia für die

18 Komödie und Terpsichore für den Tanz, Schmuck gekennzeichnet. Der am Fuß sind Zeugen der Theatergeschichte. der Stiege gelegene Josef-Divjak-Hof THURNGASSE 4a / WASAGASSE 23 30 wurde 1966 mit Eigentumswohnungen 7395a errichtet. Für die Kunst am Bau sorgte Eduard Föderl mit drei Reliefs. Er schuf HARMONIEGASSE 5-7 heißt das ehe- einen Reiterzug vor stadtbekannten Kir- mals „Westminster“ genannte 4-Sterne chen, das Wiener Stadtwappen und einen Hotel nun „Harmonie“ und lässt diese Herzog mit Rittern. nicht nur im neuen Namen, sondern auch in seinem Ambiente erkennen. Die Fas- 32 sade ist völlig begrünt, drei Metallvögel 7415a setzen zur Landung an. Das Miethaus THURNGASSE 9 / WASA- 31 GASSE 26 ist 137 Jahre älter. Es zeigt im 7403a Rundbogen über einem Fenster als Haus- zeichen einen springenden Hirschen und Die beiden Quergassen, Harmonie- und wurde nach seinem Besitzer, dem Sattler- Dietrichsteingasse zwischen Liechten- meister Franz Hirsch, benannt. Den Hof steinstraße und Wasagasse sind kurz, zieren Reliefmedaillons der Jahreszeiten. ca. 100 m, und bleiben im Hang der Ein bekannter Bewohner war der Chirurg Schottenpoint stecken. Nur die dritte, Burghard Breitner. Er schrieb über 200 die Thurngasse, die wir nun erreichen, wissenschaftliche Arbeiten und, unter schafft es mit ihrer Stiege, den Hang zu dem Pseudonym Bruno Sturm, Dramen überwinden. Die THURNSTIEGE wurde und Romane. Er unterlag 1951 bei der 2005 über die Breite der ganzen Gasse neu Wahl zum Bundespräsidenten mit 15,4% angelegt und ersetzt die seit mehr als 100 der Wählerstimmen, während Adolf Jahren bestandene Anlage, die den An- Schärf siegte. forderungen nicht mehr entsprach. Der Wunsch nach Barrierefreiheit sollte mit 33 einem Lift gelöst werden, der aber kei- 7412a ne Zustimmung der Anrainer fand. Der Entwurf geht auf die Architektin Regina 1823 hatte Maria Josepha Reichsgräfin Pizzinini zurück, die deren Wünsche und von Thurn-Valsassina ihren großen Gar- Anregungen aufnahm. Der Grundge- ten in 26 Baustellen teilen lassen. Noch danke der Konstruktion beruht auf der stehen einige Häuser aus dieser Zeit, wie Kombination von Treppen und Rampen Wasagasse 19 aus 1829 mit Reliefs der mit einer Neigung von unter 10%. Die 1,1 Jahreszeiten und Erdteile an der Fassade, Millionen Euro teure Anlage entstand in WASAGASSE 21 mit Götterdarstellungen einjähriger Bauzeit. Sie sollte begrünt und in den Lunetten, das aus Landesmitteln zu einem „Ort der Begegnung im Kultur- renoviert wurde, Wasagasse 27 und 29 bezirk Alsergrund“ werden. Fünf Jahre oder Wasagasse 28/ Dietrichsteingasse 2 nach der Eröffnung haben Graffitisprayer mit Bauchfenstern. von den Mauerflächen Besitz ergriffen. Auch THURNGASSE 5 zeigt sich als Ori- Die beiden diagonal gegenüber gele- ginal Biedermeier-Vorstadthaus, es trägt genen Eckhäuser sind durch figürlichen die Initialen der Erstbesitzer Anton und

19 Ilse Poschacher. Das Hauszeichen „Zum Newald, das Haus des Georg Friedrich blauen Würfel“, ein Wiener Pflasterstein, Schickh, „Gertrud Seithofer vermacht befindet sich über dem Tor. ihre Weingärten ihren Dienstleuten“, die Zerstörung der Vorstädte 1529, die Bür- Oben auf der Schottenpoint warten noch gerschießstätte am Schottenbühel, zwei zwei Häuser auf unsere Beschreibung, Gruppen des Huldigungsfestzuges 1879 zunächst THURNGASSE 2-4, das Eck- und den Lobspruch der Stadt Wien von haus zur WÄHRINGER STRASSE 22. Wolfgang Schmeltzl „Wer sich zu Wien 1546 bis zur Zweiten Türkenbelagerung nicht nähren kann…“ In diesem Haus befand sich im östlichen Teil des Are- gab immer wieder Gaststätten. Am be- als zwischen Währinger und Liechten- deutendsten war die „Gemeinschaftskü- steinstraße, Thurn- und Berggasse eine che Akazienhof“. Die Philantropin und „Büchsen-Schützen Zillstat und Schieß- Pädagogin Eugenie Schwarzwald hatte mauer“. Dann übersiedelte sie an den diese während des Ersten Weltkriegs nach Beginn der Alserstraße, ehe man sie 1831 Überwindung großer Schwierigkeiten an die Grenze der Vorstädte Wieden und geschaffen. Es wurden täglich bis zu 600 Hungelbrunn verlegte. In der Barock- Personen „mit Sorgfalt und Liebe“ be- zeit stand hier in einem Terrassengarten treut. Außerdem standen ein Leseraum ein Sommerpalais. Sein Besitzer war der mit bequemen Rohrstühlen und ein Jurist Georg Friedrich Schickh, der Ver- schattiger Garten zur Verfügung. Obwohl fasser der Pragmatischen Sanktion. Das im Kriegsjahr 1917 eröffnet, vermittelte Hausgesetz Kaiser Karl VI. sprach die Un- das Ambiente Esskultur der höchsten teilbarkeit des habsburgischen Länderbe- Stufe. Die Küchen- und Inneneinrichtung sitzes und die Thronfolge für weibliche stammten von Adolf Loos. Angehörige aus. Beim Haus THURNGASSE 1 / WÄHRIN- 34 GER STRASSE 24, haben wir unseren 7442a Wendepunkt erreicht. Wir beenden den Vorstoß gegen die Innere Stadt und tre- Der Neubau aus dem Jahr 1828 wird als ten den Rückweg in der Währinger Stra- Newald-Hof bezeichnet. Julius Newald ße an. Der Vorgängerbau stand im Besitz war 1878-1882 Bürgermeister von Wien. von Maria Daffinger, geb. Smolenitz von Während seiner Amtszeit ereignete sich Smolk. In jungen Jahren eine glanzvolle der Ringtheaterbrand, der 386 Tote for- Erscheinung der Wiener Gesellschaft, derte und ihn zum Rücktritt veranlasste. wurde sie von Franz Grillparzer verehrt. Nachdem Newald das Biedermeierhaus Seine ambivalente Haltung ihr gegenü- erworben hatte, wollte er es umbauen ber fand in „Des Meeres und der Liebe und ein Foyer errichten lassen, das die Wellen“ und „Die Jüdin von Toledo“ Nie- drei Trakte verband. Für dessen Ausge- derschlag. Sie heiratete 1827 den Minia- staltung wurde der Historienmaler Ada- turenmaler (Moritz) Michael Daffinger lbert Franz Seligmann engagiert. Er schuf und erwarb mit dessen hinterlassenem bis 1899 zwei Decken- und acht große Vermögen das Eckhaus. 1855 ehelichte sie Wandbilder, deren Fertigstellung der Auf- den Oberst Josef Turszky. traggeber nicht mehr erlebte. Sie bilden nun eine stimmungsvolle Eingangshalle 35 zum 3-Sterne Hotel „Am Schottenpoint“. 7448a Die Wandbilder zeigen Bürgermeister

20 Am 1891 erbauten Mozart-Hof, te. Das betont aufwendige Stiegenhaus, WÄHRINGER STRASSE 26, kündet eine ein großer Speisesaal mit Kassettendecke Gedenktafel: „Hier stand das Gartenhaus, und Gobelins an den Wänden zeigten Di- wo Mozart vom Sommer 1788 bis Herbst gnität und Dekor. Auch heute befinden 1790 wohnte und Cosi fan tutte sowie die sich in den ehemals gräflichen Prunkräu- Symphonien g-Moll, As-Dur und D-Dur men die Schauräume und im Garten die auf der Fuge schrieb“. Wovon die Tafel Werkhallen der Firma, die Möbelstücke nicht kündet, sind die misslichen Verhält- sämtlicher Stilperioden anfertigt. Sie be- nisse, in denen sich der Komponist da- findet sich in der fünften Generation in mals befand. Kaum dort eingezogen, war Familienbesitz. seine Frau dauernd krank und ihre Toch- ter Theresia starb im Alter von einem hal- 37 ben Jahr. Ärzte und Apotheker mussten 7456a bezahlt werden und Mozarts Einkommen war gering, denn er besaß zu dieser Zeit Gegenüber fällt unser Blick auf das spät- nur zwei Schüler. In ständiger Geldnot historistische Zinshaus WÄHRINGER wandte er sich an seinen Logenbruder STRASSE 21 / LACKIERERGASSE 9. Michael Puchberg, der ihn unterstützte. 1892 erbaut, weist es eine monumentale Nach neueren Forschungen blieb Mozart Fassadengliederung mit Riesenpilastern, mit den Seinen nur bis Anfang 1889 in der Kranzgesims und überkuppeltem Ecker- Währinger Straße und übersiedelte dann ker auf. An dessen Unterseite ist - als Re- auf den Judenplatz. Die finanziellen Pro- miniszenz an das alte Hauszeichen - ein bleme blieben aber weiter bestehen. großer goldener Adler angebracht.

36 38 7447a 7459a

Zur Zeit der Wiener Weltausstellung 1873 Ein einstiger Adelssitz ist das Som- errichtet, steht WÄHRINGER STRASSE merpalais Dietrichstein (Clam Gallas), 28 das letzte prunkvolle Palais im Be- WÄHRINGER STRASSE 30-32. Seit zirk. Jahrzehntelang stand es im Besitz Clothilde von Dietrichstein 1859 den Ge- der Grafen Otto und Rudolf Chotek. Als neral Eduard Graf Clam-Gallas heiratete, es aufgestockt werden sollte, ergaben sich führt der Besitz auch seinen Namen. Die Schwierigkeiten mit dem Terrain, auch „Villa suburbana“ wurde 1834 im klassi- ein 16 m tiefer Keller, möglicherweise zistischen Stil mit offenem Mittelbau er- eines Klosters, kam hier zu Tage. 1906 richtet. Im großen Park, der sie umgibt, kaufte die Firma Friedrich Otto Schmidt stehen mit der Naturdenkmal Nr. 450 je das Gebäude, an dessen Fassade seither zwei Schwarznussbäume (Juglans nigra) der Name des Unternehmers in goldenen und Bergahorne (Acer pseudoplatanus). Buchstaben prangt. Er war einer der pro- In entsprechendem Abstand von der minentesten Innenausstatter seiner Zeit. Währinger Straße hatte das Palais eine Es gab in Wien kaum ein Adelspalais, das Aussicht bis zu den Kleinen Karpathen. nicht von Schmidts Firma eingerichtet Durch den Verlust ihrer Güter in Tsche- wurde. Um die Jahrhundertwende pflegte chien waren die Dietrichsteins gezwun- sie Kontakt mit Künstlern wie Adolf gen, diesen Besitz 1951 an die französische Loos, dessen Entwurf zum bekannten Republik zu verkaufen. Nach einem Um- „Elefantenrüsseltisch“ Schmidt realisier- bau richtete diese darin ihr Kulturinstitut

21 ein, während auf der Talseite des Hanges erweitert, bestand es von 1650 bis 1868 (Liechtensteinstraße 37a) 1954 das Lycée als Versorgungsanstalt für Arme und Francais de Vienne entstand. unheilbar Kranke. Später kam der Kom- plex als Magazin an die k.u.k. Tabakregie. 39 Anfang des 20. Jahrhunderts stand das 7465a 12.000 m² große Bäckenhäusel-Areal für eine neue Nutzung zur Verfügung. 1905, In einer kleinen Parkanlage Ecke Boltz- nach Übersiedlung der Tabakregie in ihr manngasse / Währinger Straße erhebt neues Verwaltungspalais, Porzellan-gasse sich vor dem Zweiten Chemischen Institut 51, und des Magazins nach Ottakring, be- der Pfeiler des Auer-Welsbach-Denkmals gann der Abbruch der Altbauten und die mit seiner Inschrift „Plus lucis“ („Mehr Rodung des Gartens. Licht“). Carl Freiherr Auer von Wels- bach entdeckte vier Elemente und erfand Zunächst entstand in der BOLTZMANN- u. a. das Gasglühlicht, die Metallfaden- GASSE 3 mit nur 354 m² verbauter Fläche glühlampe und den Cereisen-Zündstein das viergeschoßige Institut für Radium- für Feuerzeuge. Sein wissenschaftliches forschung (Radium-Institut, später Insti- Hauptarbeits-gebiet waren die Seltenerd- tut für Radiumforschung und Kernphy- Metalle und die radioaktiven Stoffe. Das sik). 1910 eröffnet, war es das erste dieser 1935 enthüllte Monument von Wilhelm Art weltweit und besonders in den Jahren Frass krönte die Bronzefigur eines Fa- vor 1938 eine anerkannte Größe in der ckel tragenden Jünglings, die im Zweiten internationalen Atomforschung. Karl Ku- Weltkrieg eingeschmolzen und 1954 aus pelwieser, Jurist und Sohn des bekannten Stein erneuert wurde. Das Denkmal hatte Malers Leopold Kupelwieser, stiftete das einen Vorgänger, das Bäckerkreuz. Diese Institut. Im hausflur befindet sich eine spätgotische Säule stammte aus 1506 und Ehrentafel mit Namen 17 berühmter zeigt auf dem Schaft eine Bretze und den Physiker wie Marie und Pierre Curie, Carl Namen „Paul Lundler, bäck“. Sie ist heute Auer von Welsbach und Eduard Suess, so- im Hof der Bäckerinnung, Wien 8, Flo- wie eine Gedenktafel für den langjährigen rianigasse 13, zu sehen. An bevorzugter Institutsleiter Stefan Mayer. Stelle errichtet, war sie eine Landmarke, die im weiten Kreis vom Alsbach umflos- 40 sen von der Anhöhe der Schottenpoint in 7494a sein Tal blickte. Die Anbringung des Raa- ber Spruchs „Sag Gott dem herrn danch, Eine Brücke verbindet das Objekt mit daß Raab ist gechommen in der Christen dem Physikalischen Institutsgebäude, handt“ - aus dem Jahr 1598 weist auf ihre BOLTZMANNGASSE 5 / STRUDLHOF- damalige Bedeutung hin. GASSE 4. Mit 2.286 m² verbauter Fläche war es für die Lehrkanzeln der Mathema- Eines der ältesten Armenversorgungs- tik, für die Institute für experimentelle häuser Wiens befand sich hier, an der und theoretische Physik und Räume für Straßenkreuzung der Währinger Straße die experimentelle Psychologie bestimmt. und der heutigen Boltzmanngasse. Es war Vier, bis zu fünf Geschoßen hohe, Trakte das sprichwörtlich gewordene nach der umschließen einen Hof. 1910 begonnen, Säule benannte Bäckenhäusel. Nach sei- nahm es 1913 den Betrieb auf. nem Stifter Paul Hirsch von Hirschfeld, hieß es auch Hirschenhäusel. Mehrfach 41

22 7471a zählen neun bzw. elf Symphonien (von Perfektionismus getrieben, komponierte Das Zweite Chemische Institut entlang er jeweils mehrere Fassungen), drei große der WÄHRINGER STRASSE 40-42 wur- Messen, Tedeum, 150. Psalm, Requiem, de 1913-1915 erbaut. Sein an der Ecke geistliche und weltliche Chöre, Motetten, zwischen Währinger Straße 38 und Boltz- Psalmen, Hymnen, Klavier-, Kammer- manngasse 1 gelegenes Hauptportal wird und Orgelmusik. noch heute vom kaiserlichen Doppeladler überspannt. Der als Dachreiter ausge- 42 bildete oktogonale Turm grüßt weithin 7498a gegen die Innere Stadt. Im Foyer stehen Portraitbüsten von Wissenschaftlern. WÄHRINGER STRASSE 43 sind die Be- Eine Gedenktafel erinnert an zwei Wider- zirksvorstehung und das Bezirksmuseum standskämpfer, die am 5. April 1945 von Alsergrund untergebracht. Ursprünglich einem nationalsozialistischen Professor lag hier der Leichenhofgrund des nahen erschossen wurden, weil sie ein wertvolles Bäckenhäusels, der während der Pestepi- Elektronenmikroskop vor der Zerstörung demie 1713 bis zur Kreuzung Spitalgasse retten wollten. mit Massengräbern erweitert wurde. Spä- ter stand das k.k. Monturdepot auf einem Die Platanenallee, die vor den Institutsge- 2 m hohen Hügel über diesem, „Hohlweg“ bäuden auf der WÄHRINGER STRASSE genannten, Teil der Währinger Straße. Schatten spendet, steht mit der Nr. 786 1871 wurde das jetzige Gebäude errichtet. auf der Liste der Wiener Naturdenkmä- Nachdem bereits in den 1920er- und 30er- ler. Die Währinger Straße überquerend, Jahren an die Gründung eines Heimat- kommen wir zum Haus Nr. 41, dem im museums gedacht worden war, dauerte Besitz der Stadt Wien stehenden ehema- es doch bis 1957, dass ein Museumsverein ligen Bürgerhaus „Zur Stadt Nürnberg“ konstituiert und 1959 die erste ständige mit der Gedenktafel für Anton Bruckner. Ausstellung im Haus der Bezirksvorste- Als Kustos des benachbarten Bezirks- hung gezeigt wurde. Der Verfasser, der museums durfte der Autor 1961 Text und zunächst als Kustos, dann als Leiter ins- Schrift entwerfen. Die bekannte Stein- gesamt 33 Jahre lang hier wirkte, konnte metzfirma Eduard Hauser stellte kosten- - in einer Zeit massiver baulicher Verän- los Material und Arbeit zur Verfügung. derungen - eine Reihe interessanter Ex- „In diesem Hause wohnte 1868 bis 1876 ponate für das Museum erwerben. Dazu Anton Bruckner. Der große österrei- zählen etliche Hausschilder, Grundstein chische Komponist schuf hier seine 2., 3., mit Münzen des Hauses „Zum blauen 4. und 5. Sinfonie.“ Aus einer Lehrerfami- Einhorn“, Schmiedeeisentore von Ale- lie stammend, wirkte Bruckner zunächst xander Nehr, aber auch der Ghettogrenz- als Schulgehilfe in Oberösterreich und stein aus 1656, das Wäscherwahrzeichen Organist in St. Florian und Linz. In Wien aus 1830, die expressionistischen Glas- studierte er bei Simon Sechter Musiktheo- fenster der Kinderübernahmsstelle aus rie und wurde 1868 als dessen Nachfolger 1925 oder eine Bronze-Tafel, die 1946 an- Professor am Konservatorium und Hof- lässlich der Wiederherstellung der Frie- kapell-organist. 1875 bis 1892 war er Lek- densbrücke durch die Rote Armee dort tor für Harmonielehre und Kontrapunkt angebracht wurde. 1961 gründete er die an der Universität Wien, die ihm 1891 den Museumsblätter und eröffnete 1970 die Ehrendoktortitel verlieh. Zu seinem Werk Galerie Alsergrund, in der Künstler un-

23 entgeltlich ausstellen konnten. 1972 kam Sibirien“, der im Ersten Weltkrieg un- ein Teil der Wohnungs-Einrichtung Hei- zählige österreichische Kriegsgefangene mito von Doderers in das Museum, wo vor Elend und Tod bewahrte. Im Zwei- eine Gedenkstätte für den Schriftsteller ten Weltkrieg wurde im Park ein 800 m² entstand. Seit 1992 ist Wilhelm Urbanek großer Luftschutzbunker angelegt. Das Museumsleiter. In seiner Ägide kamen Bezirksmuseum Alsergrund hat ihn mit neben anderen Exponaten das Arbeits- der permanenten Ausstellung „Durch die zimmer des Dichters Erich Fried und ein Dunkelheit und zurück“ gestaltet. Seit Arthur-Schnitzler-Memorial dazu. 2009 2010 finden im Erinnerungsbunker damit verfügt das Bezirksmuseum Alsergrund in Zusammenhang stehende historische, über 1.000 Objekte in sechs Räumen. zeitgeschichtlich-dokumentarische und Themenschwerpunkte - die durch spe- künstlerische Veranstaltungen statt. zielle Führungen erschlossen werden - sind: Das Werden des Bezirkes, Welt der 44 Medizin, Arbeitswelt, Literatur im IX., 7744a , Arthur Schnitzler, Judentum am Alsergrund. Ein aktuelles Die Vogeltränke an der Bunkermauer Anliegen sind interaktive Workshops für fertigte Mario Petrucci im Jahr 1953 an. Kinder. Auch sie wurde eingefärbt, nachdem man im Rahmen des Projekts WienerWand die 43 Bunkermauer hinter dem Spielplatz 2009 7750a als Graffitifläche freigegeben hatte und Spraykünstler diese mit überlebensgroß- Acht Felder der Umzäunung des einstigen en bunten Werken gestalten. Im Zusam- Bürgerversorgungshauses schließen sich menhang mit der Neuverbauung der Sen- an dieses Amtshaus an, ehe wir den ca. sengassengründe ( -> 3. „Vom Neuen zum 12.500 m² großen Arne-Karlsson-Park Alten AKH“) ist ein barrierefreier grüner betreten. Arne Karlsson war Leiter der Durchgang von diesen durch den Park schwedischen Hilfsorganisation Räd- geplant. Er soll nicht zuletzt den Volks- da Barnen und wurde 1947 bei Berg in schulkindern der städtischen „Schule im Niederösterreich von einem russischen Park“ zu Gute kommen. Wachtposten erschossen. Die Tätigkeit von Rädda Barnen half nach dem Zwei- Bereits im Hochmittelalter befand sich ten Weltkrieg vielen Wiener Kindern zu hier, im Bereich der Spitalgasse, die Jahr- überleben, da täglich 70.000 Essenrati- hunderte später nach den Krankenan- onen verteilt wurden. Der Park ist der stalten benannt wurde, ein Siechenhaus. Erinnerung an Menschen gewidmet, die Seine Kapelle „Zum heiligen Johannes“ ihr Leben in selbstloser Weise dem Wohl wurde erstmals 1255 erwähnt, die An- ihrer Mitbürger widmeten. Gleich beim stalt 1298. Es war eines der drei Sonder- Eingang steht das Denkmal für Guido siechenhäuser, die zur Zeit der Kreuzzüge Holzknecht, das Josef Heu ein Jahr nach errichtet wurden, um Kranke zu isolie- dem Tod des Radiologie-Pioniers schuf. ren, die Krankheiten wie Lepra oder Pest 1965 wurde das von Hans Jaksch und eingeschleppt hatten. Sie lagen an den Robert Ullmann hergestellte Denkmal Ausfallstraßen vor der Stadt: Im Osten St. der schwedischen Philanthropin Elsa Lazar (seit 1370 St. Marx), im Süden beim Brändström enthüllt. Ein Pfeiler mit ih- Klagbaum (Wieden) und im Norden St. rem Relief erinnert an diesen „Engel von Johann an der Siechenals. Hier umschlos-

24 sen die Kirche, die auf einem Hügel am flankierten Figuren des hl. Martin und rechten Ufer der Als stand, zwei im rech- der hl. Elisabeth die Gestalt der Vindo- ten Winkel auslaufende Gebäude. Ihre bona. 700 Personen fasste die Anstalt, die Zimmer waren nach Heiligen benannt zu den markantesten Gebäuden des Al- und mit bis zu 25 Betten belegt. Fünf Stu- sergrundes zählte. 1928 wurden die letz- ben waren für Männer, vier für Frauen, ten 253 Bewohner umquartiert, und die eine für Kinder bestimmt. Für Kranke Demolierer begannen mit Krampen und auf dem Weg der Besserung gab es vier Schaufeln ihr Werk. „Meliationsstuben“. Die Patienten mus- sten in Quarantäne bleiben, auch Ärzte, 46 Pfleger und der Anstaltskaplan durften Hochhaus die Anlage nicht verlassen. Phantasievoll berichtet eine Sage, welche die Bezeich- Hier sollte das Prestigeobjekt der Ge- nung des Hauses Nußdorfer Straße 19 meinde, das erste Hochhaus Wiens mit „Wo die Jungfrau zum Fenster hinaus 16 Stockwerken entstehen. Die Finan- sieht“ erklärt: Die Braut eines Pflegers zierung erhoffte man sich zum Teil vom stand stets am Fenster, um ihn zu sehen. Bund, doch dieser bevorzugte das Hoch- Als sie eines Tages seine Leiche im Hoch- hausprojekt in der Herrengasse. Es gab wasser führenden Alsbach treiben sah, viele Meinungen zu dem als „Wahrzei- stürzte sie sich selbst ins Wasser. Man chen des Macht- und Emanzipationsstre- sagte, dass der Mann, der ein Opfer der ben des modernen Proletariats“ bezeich- Pest geworden war, Kranke bestohlen und neten Projekt, bis hin zu Gegen-demons- man ihm zur Strafe ein ehrliches Begräb- trationen und Gerichts-verhandlungen. nis verweigert hätte. Das „alte Lazarett“ Wesentlich friedlicher verlief die Nach- wurde, ebenso wie das Dorf Siechenals in geschichte, als die nach dem demolierten der Ersten Türken-belagerung 1529 zer- Bürger-versorgungshaus von den Wienern stört. Wieder aufgebaut und mehrfach kurzerhand Bürgerpark und nach 1932 verändert, fand es bis 1858 Verwendung. Holzknecht-Park genannte Anlage zum Ebenso lange bestand die romanische Ka- Zentralpark des Alsergrundes avancierte. pelle mit ihrem wuchtigen Südturm und Im Zweiten Weltkrieg von Splittergräben Biforienfenstern. durchzogen und mit Unterständen verse- hen, bot die G‘stätten danach einen trost- 45 losen Anblick. Nach gründlicher Säube- Bürgerversorgungshaus rung von Schutt, Gerümpel, Eisen- und Betontrümmern gestaltete das Stadtgar- Zwei Jahre später baute die Gemeinde tenamt eine der größten Parkanlagen des Wien an ihrer Stelle eine andere Wohl- 9. Bezirks. fahrtseinrichtung: Das Bürgerversor- gungshaus, Währinger Straße 45. Plan- Die Kreuzung Währinger Straße, Spi- verfasser war der prominente Ringstra- talgasse, Nußdorfer Straße ist eine der ßenarchitekt Ferdinand Fellner d. Ä., der von öffentlichen Verkehrsmitteln meist auch die Niederösterreichische Landesir- befahrenen. Im Spitzenverkehr rollt alle ren-anstalt (-> 3. „Vom Neuen zum Al- 80 Sekunden eine Zug der Straßenbahn- ten AKH“) projektierte. In zwei Trakten linien 37, 38, 40, 41 oder 42 über die an der Spitalgasse und Währinger Straße Schienen. Sie liegt oft im Staubereich des befanden sich die Zimmer der „Bürger“ fließenden Verkehrs, während darunter der k. u. k. Residenzstadt. Auf dem Giebel der kanalisierte Alsbach nach Umbauten

25 in den 50er- Jahren des 20. Jahrhunderts ungehindert dahinplätschert.

Nach einer Verschnaufpause im Park bahnen wir uns den Weg durch die ver- hüttelte Kreuzung hinüber zum Haus WÄHRINGER STRASSE 50-52 und ent- decken zwischen Werbemitteln eine klei- ne Gedenktafel „In diesem Hause wohnte Heimito von Doderer von 1956 bis zu sei- nem Tode am 23. Dezember 1966“. Der Schriftsteller war zwar kein Alsergrunder, doch galt seine Liebe dem 9. Bezirk und sein Hauptwerk „Die Strudelhofstiege“ kann als Beweis dafür gelten. Zuvor hat- te 1861-1880 der Schriftsteller Alexander Villers im Hinterhof des Hauses gewohnt. Da er in den Rohbau einzog, hatte er die Möglichkeit, die Wohnung nach seinen Vorstellungen mitzugestalten. Der ge- lernte Buchdrucker brachte es bis zum königlich sächsischen Legationsrat und beschrieb in „Briefe eines Unbekannten“ das Leben seiner Zeit. Als Schauspielerin, Opern- und Operettensängerin weithin beliebt und bekannt war Christl Mar- dayn. Die Professorin an der Akademie für Musik und darstellende Kunst wohnte ebenfalls in dem Doppelhaus.

WÄHRINGER STRASSE 54 / NUSS- DORFER STRASSE 2 ist ein viergescho- ßiges, frühhistoristisches Eckhaus, des- sen Fassade rekonstruiert wurde. Ein prominenter Bewohner war Hofschau- spieler Georg Reimers, der am Burgthe- ater klassische Rollen verkörperte. Zuvor hatte der Servitenorden am Beginn der Nußdorfer Straße einen Weingarten und einen Baumgarten samt einem Zinshaus besessen, die im Zuge der Josephinischen Reformen zu Gunsten des Religionsfonds 1787 versteigert und in die Bauparzellen Nußdorfer Straße 4 bis 8 geteilt wurden.

47 7488a

26 27 nell verbreitete. Seither nennt man eine NUSSDORFER STRASSE 4-4a baute absichtlich törichte Leserzuschrift, die man 1887-1890 ein mächtiges Zinshaus. eine Redaktion bedenkenlos ins Blatt Hier befanden sich das Colosseum, spä- setzt, „Grubenhund“. Nach dem Bericht ter auch Wiener Komödienhaus genannt, über ein Erdbeben veröffentlichte die und schließlich ein Kino. Zunächst als Neue Freie Presse 1911 einen von Schütz Vergnügungslokal gedacht, war sein Saal verfassten, fingierten Leserbrief, in dem auch für Festlichkeiten und Konzerte ge- er mitteilte, dass sein schlafender Gru- eignet. Die Ausmaße betrugen, bei einer benhund „schon eine halbe Stunde vor Höhe von 16 m, 30 m x 15 m. Nebensäle Beginn des Bebens auffallende Zeichen vervollständigten das Etablissement, das größter Unruhe gab.“ Dem Redakteur fiel innen neobarock ausgestattet war, im Ge- nicht auf, dass man im Bergbau die Wa- gensatz zu der altdeutschen Fassade mit gen, die den Abraum auf Schienen trans- Erkern, Balkons, Nischen und Giebeln. portieren, als Grubenhunde bezeichnet. 1925 wurde daraus das Colosseum-Kino, So fand das zoologische Wunder, die das 700 Personen fasste. In den ersten Vereinigung der Grubenhunde mit den Jahren gab es keine Vorführkabine. Man Zeitungsenten statt und Schütz hatte die projizierte die Filme aus dem Bühnenhin- Lacher auf seiner Seite. tergrund auf die Leinwand, die vor jeder Vorstellung angefeuchtet werden musste, Den am Ende der Gasse gelegenen Wi- um sie lichtdurchlässiger zu machen. Als derhoferplatz muss man suchen, er ist der eines der ersten Kinos erfolgte der Um- kleinste Wiens. Hermann Widerhofer war bau für Tonfilmvorführungen, wobei sich der erste Ordianrius für Kinderheilkunde die „Broadwaymelodie“ besonderen Zu- und fast 40 Jahre hindurch Direktor des spruchs erfreute. Als dann die Amerika- St. Anna-Kinderspitals. Besondere Ver- ner in natura im Bezirk auftauchten, wur- dienste erwarb er sich in der Behandlung de es zu deren Soldatenkino „Yank“. Nach der Diphterie. Seine Abhandlung über ihrem Abzug 1955 von der in städtischem Magen- und Darmkrankheiten bildeten Besitz befindlichen Kinobetriebsanstalt die Basis für spätere wissenschaftliche Ges.m.b.H. (KIBA) übernommen und Arbeiten auf diesem Gebiet. modernisiert, hieß es wieder Colosseum- Kino. Trotz des Umbaus zu sieben, später Nußdorfer Straße 8-14 gründete 1795 acht Sälen, musste eines der ersten Wiener Joseph Hardtmuth „am Alserbach auf „Cineplexe“ 2002 sperren. Nun hat sich einm öden Grunde“ eine Fabrik für ein Supermarkt an seiner Stelle etabliert. Steingutgeschirr und Bleistifte. Seine verbesserten Bauziegel, die mit Mauer- 48 kitt verbunden steinartig verhärteten, 7269a und das „Wiener Steingut“ mit weißer Glasur fanden schnelle Verbreitung. Au- Einer der Kino-Ausgänge führte in die ßerdem erzeugte er Schwarz- und Rötel- stille Widerhofergasse, eine Sackgas- kreiden, Tusche, elastische Schreibtafeln se, die einheitlich im secessionsitischen und künstliche Bimssteine. Berühmt Stil verbaut ist. WIDERHOFERGASSE wurde Hardtmuth als Bleistift-Er- 4 hatte der Ingenieur und Schriftsteller finder (keramische Grafitmine) und Arthur Schütz sein Büro für Treibriemen Liechtenstein’scher Baudirektor. Seit 1771 aller Art. Er war der Erfinder mancher war er für die Neu- und Umbauten der Story, welche dann die Presse sensatio- Fürsten in Österreich und Böhmen ver-

28 antwortlich. Im Wiener Musikleben trat späthistoristisch verbaut. er als Förderer von Mozart und Schubert auf und war selbst ein namhafter Reprä- 50 sentant der Wiener Hausmusik. 7279a

49 PICHLERGASSE 1 / FLUCHTGASSE 7 7275a lebte Wilhelm Kubitschek, Professor für Römische Altertumskunde und Epigra- Nach Überquerung der Nußdorfer Straße phik, er war der Begründer der wissen- fällt bei der Abzweigung der Fluchtgasse schaftlichen Erforschung des römischen eine kleine, dreieckige Parkanlage auf. Sie Wien. Philipp Jakob Formann, Mitbe- wurde 1999 mit dem „Flora“-Denkmal gründer des Bezirksmuseums, kritischer von Andrew Rogers bestückt. Mehr als Dichter und Schriftsteller, besaß gleich- ein Jahrhundert früher befand sich in die- falls hier eine Wohnung. ser Gegend (Nußdorfer Straße 3) am Als- bach das Gasthaus „Zum goldenen Steg“, Heinrich Goldemund wohnte im Haus das für seine Wäschermädelbälle bekannt PICHLERGASSE 6. Sein Hauptaugen- war. Der Schriftsteller und Journalist merk als Stadtplaner galt der Altstad- Eduard Pötzl, Autor bekannter Wiener terhaltung ebenso wie dem Bestreben, Lokalskizzen, meinte: „Wer hier nicht städtische Grünflächen zu erweitern. Die tanzen gesehen hat, hat überhaupt keinen Bewahrung des Wald- und Wiesengürtels Begriff, wie in Wien getanzt wird.“ Wiens, wie die Projektierung der Höhen- straße sind sein Verdienst. Wenige Schritte weiter erreichen wir die Pichlergasse. Karoline Pichler führte ei- Die kurze Gasse endet bei der Wilhelm- nen der in Wien berühmten literarischen Exner-Gasse. Der namens-gebende Wis- Salons und und hat mit ihren „Denkwür- senschaftler war Gründer und erster Di- digkeiten aus meinem Leben“ ein Bild rektor des TGM. Bevor wir uns dessen des Kulturlebens ihrer Zeit überliefert. Altgebäude zuwenden, halten wir bei Die Ausgabe der „Sämtliche(n) Werke“ Haus WILHELM-EXNER-GASSE 22. der Schriftstellerin umfasste 60 Bände Hier hatte Alfred Adler, der Begründer (1820/1845). An Stelle der nach ihr be- der Individualpsychologie, um die Wen- nannten Gasse befanden sich seit 1765 de des 19. Jahrhunderts seine Ordination Ziegelgruben, Ende des 19. Jahrhunderts als Augenarzt. wurden diese eingeebnet und einheitlich 51 7286a

WILHELM-EXNER-GASSE 9 / WÄHRINGER STRASSE 68 wurde 1880 ein Wohnhaus mit kräftig gegliederter Fassade und übereck gestelltem Portal mit einem Erker errichtet. Den Giebel ziert eine Personifikation des Morgens. Darun- ter kündet eine Inschrift vom Erbauungs- jahr und Erstbesitzer, Carl Schuh. Er war Baumeister und Gemeinderat. Seit 1900

29 befindet sich im Haus ein Café, das sei- geschmückt ist. Sie stammen von Franz ne klassische historistische Ausstattung Melnitzky, der als prominenter Künstler bewahrt hat. Sogar die alte Straßenlampe zahlreiche Denkmäler und die Figuren davor wurde von den Besitzern erhalten. im Großen Musikvereinssaal anfertigte. Beim Haustor erinnert eine Tafel an Hans Die von Johannes Benk, dem Bildhauer Werner, Textdichter vieler Wienerlieder. des Deutschmeister-Denkmals, geschaf- fene Figurengruppe im Vestibül, die Seg- WILHELM-EXNER-GASSE 7 / nungen der Industrie darstellend, ist ver- WÄHRINGER STRASSE 59 / SEVE- schollen. 1885 verkaufte Georg Sigl das RINGASSE 12 / PRECHTLGASSE 6 war Gebäude. die Lokomotivfabrik des Georg Sigl. Vom Schicksal nicht verwöhnt, brachte es das 53 Waisenkind zum angesehenen Indus- 7300a triellen. Der Selfmademan begann als Schlossergehilfe, erkundete die Welt auf Nach entsprechenden Umbauten wurde der Walz und spezialisierte sich in Berlin es zum Technologischen Gewerbemuse- und Wien auf den Bau von Buchdruck- um (TGM). Mit seinen technischen Ver- schnellpressen. Aus den bei der Revolu- suchsanstalten sollte es der gewerblichen tion 1848 zerstörten Betrieben erwarb er Wirtschaft das Knowhow einer zeitge- deren Maschinen und richtete mit diesen mäßen Produktion geben. 1979 erhielt Resten in einer aufgelassenen Fabrik sein die traditionsreiche Lehr- und Versuchs- Unternehmen ein. Seit Mitte des 19. Jahr- anstalt in der Brigittenau, Wexstraße 19- hunderts im 9. Bezirk als Maschinenfab- 21, ein neues Domizil. Im Gebäudekom- rikant tätig, wandte er sich nach seiner plex des ehemaligen TGM erprobte man Erfindung der Steindruckschnellpresse nun, erstmalig in Wien, ein alternatives dem lukrativeren Lokomotivenbau zu. Revitalisierungsmodell. Der Verein zur Mit 3.700 Arbeitern erreichten seine Fa- Schaffung offener Kultur- und Werkstät- briken in Wien und Wiener Neustadt den tenhäuser (WUK) hat den Industriebau Höhepunkt ihrer Produktion. Die Wirt- für sich entdeckt und darin ein auto- schaftskrise im Gefolge der Weltausstel- nomes Zentrum eingerichtet. In einem lung 1873 brachte den Zusammenbruch der größten Kulturzentren Europas - auf seiner Unternehmen. 12.000m² - treffen künstlerische Praxis, Labor und politisches Engagement aufei- 52 nander. Die ehemalige Lokomotivfabrik 7284a ist nun Heimstätte für einen vier Sparten umfassenden Kulturbetrieb, 130 autonom Das palaisartige Direktionsgebäude mit organisierte Gruppen und Einzelinitiati- der Front in der WÄHRINGER STRAS- ven. Außerdem ist das WUK Träger von SE 59 entwarf der Ringstraßenarchitekt arbeitsmarktpolitischen Bildungs- und Karl Tietz. Er hatte die Palais Schlick Beratungseinrichtungen. und Festetics in der Roßau geplant und war später mit Theophil Hansen beim Die den Komplex westlich begrenzende Bau der Wiener Börse tätig. Das Direk- Prechtlgasse ist nach dem Direktor des tions- und Wohngebäude besitzt über Polytechnischen Instituts, Josef Prechtl dem Rundbogenportal einen Balkon, der benannt. Als Naturforscher, Physiker mit zwei allegorischen Gestalten (tech- und Industrietechniker war er Ehrenbür- nische Wissenschaft, Maschinen-bau) ger der Stadt Wien. PRECHTLGASSE 7

30 wohnte der Journalist Gustav Frieberger. war die Einwölbung des Alsbaches seit Als politischer Leitartikler in Wiener und kurzem abgeschlossen. Seit Anfang des Berliner Zeitungen tätig, zählte ihn auch 19. Jahrhunderts hatte ein Servitut den das „Neue Wiener Tagblatt“ zu seinen Re- Besitzer des Eckhauses Severingasse 10, dakteuren. Wilhelm-Exner-Gasse 14 verpflichtet, die Brücke über den Bach in gutem Zustand Die 300 m lange Severingasse verbindet zu erhalten, abends mit einem Gitter zu die Spitalgasse mit dem Währinger Gür- versperren und das linke Ufer mit einem tel. Da die am Fuße des Abhangs am Als- Schranken abzusichern. bach gelegene St. Johanneskapelle angeb- lich durch den hl. Severin (+ 482) gegrün- 55 det worden war, wurde dessen Name auf 7294a die zum Linienwall führende Gasse über- tragen. Besonders im unteren Teil finden SEVERINGASSE 7 / WILHELM-EXNER- sich wieder Spuren prominenter Bewoh- GASSE 10-12 / MICHELBEUERNGAS- ner. Der Nobelpreisträger für Medizin SE 10 befindet sich die Probebühne der des Jahres 2000, Eric Kandel, wuchs in der Volksoper. Der zur Sigl‘schen Fabrik ge- Severingasse auf: „I lived in Severingasse hörende Bau wurde 1866 errichtet, 1910 in the neunten Bezirk, and my father had umgebaut und war lange Zeit als Bun- a toystore on Kutschkermarkt.“ desprüfanstalt für Kraftfahrzeuge in Ver- wendung. In der Severingasse 7 befindet 54 sich das Institut für Wasserbau des Bun- 7292a desamtes für Wasserwirtschaft.

SEVERINGASSE 3 war die Ordination 56 des Psychiaters Erwin Ringel, in der seit 7296a 1995 die gemeinnützige Stiftung Erwin Ringel-Institut ihren Sitz hat. Ihr Zweck, Die Michelbeuerngasse ist vor allem durch so die Stiftungserklärung, ist „einer- ihre Modeschule (HLMW 9) bekannt. seits die Auswertung, Dokumentation Die gleichermaßen traditionsreiche wie und Aufarbeitung des umfangreichen moderne Lehranstalt befindet sich in interdisziplinären wissenschaftlichen zwei Häuserblöcken: MICHELBEUERN- Lebenswerks von Erwin Ringel, das sich GASSE 12 / PRECHTLGASSE 4 / SE- insbesondere auf die Bereiche der Tiefen- VERINGASSE 9 / WILHELM-EXNER- psychologie, der Psychotherapie, der Ge- GASSE 5a sowie MICHELBEUERNGAS- sellschaftspolitik, der Religion, der Kunst, SE 6-8. Die seit 1921 hier untergebrachte der Kultur und der Volksbildung bezieht, Lehranstalt wurde zum 60- jährigen Re- sowie andererseits die Fortführung, Wei- gierungsjubiläum Kaiser Franz Josephs terentwicklung und Verbreitung dieses 1908 als „Höhere Fachschule für das Lebenswerks und der von Erwin Ringel Herren- und Damenkleidermacherge- vertretenen humanistischen Denkweise werbe“ gegründet. Sie bietet verschiedene im In- und Ausland.“ Ausbildungsmöglichkeiten: Höhere Lehr- anstalt, Fachschule, Aufbaulehrgang, SEVERINGASSE 5 ist das Sterbehaus Tageskolleg und Abendkolleg für die der Schriftsteller Vinzenz Chiavacci und Höhere Lehranstalt für Mode und Beklei- Karl Schönherr. An beide erinnern Ge- dungstechnik, wie auch für Wirtschaft- denktafeln. Im Geburtsjahr Chiavacchis liche Berufe und verfügt über ein Schul-

31 museum. Die Studierenden übernehmen interessante Aufgaben. So entwarfen sie 2010 neue Uniformen für die Mitarbeiter der Wiener Linien. Als architektonische 57 Attraktion der Modeschule gilt der Wil- 7299a helm-Exner-Saal im Sichtziegelbau Mi- chelbeuerngasse 12. 1890 errichtete das WILHELM-EXNER-GASSE 5 / TEN- für seine Theaterbauten bekannte Büro DLERGASSE 14-16 / PRECHTLGASSE Fellner & Helmer eine Fabriksanlage für 2a / MICHELBEUERNGASSE 9a erhebt die Anglo-American Brush-Electric Light sich das neue Amtshaus Alsergrund. 2007 Corporation Limited mit Sitz in London. übersiedelten zahlreiche Dienststellen Schon nach wenigen Jahren ging die Wie- von der Währinger Straße 39 hier her. Im ner Fabrik auf die Firma Siemens-Schu- Front Office findet man Passservice, Mel- ckert über, von der sie 1899 das Handels- deservice, Fundamt und die Parkraum- ministerium kaufte. Sein 1892 gegründe- bewirtschaftung. Zudem sind die Bürger- ter „Technische Dienst zur Förderung des dienst-Außenstelle und die Stadtkassa für österreichischen Kleingewerbes am Tech- den 9. Bezirk, das Gesundheitsamt, die nologischen Gewerbe-Museum“ wurde Marktamtsabteilung und die Regional- von dessen Direktor, Wilhelm Exner, stelle für Soziale Arbeit mit Familien hier geleitet. 1908 erhielt die Institution den untergebracht. Rang eines selbstständigen Gewerbeför- derungs-amtes. Es sollte (Klein-)ge-wer- 58 betreibenden Hilfe gegen die erdrückende 7310a Industrialisierung anbieten, um es attrak- tiv und konkurrenzfähig zu machen. Dies Richtung Nordwesten wandernd, errei- geschah durch Fachkurse, Einführung in chen wir die Schlagergasse. Sie wurde neue Arbeitstechniken und Betriebsme- nach Ludwig Schlager, dem Psychiater thoden, Kredite, Unterstützung bei Wer- und Direktor der nahen Niederösterrei- bung und Vermarktung. Möglichkeit zur chischen Landesirren-anstalt, benannt. praktischen Anwendung der neu erwor- In dieser Gasse besaß der Komponist Ed- benen Kenntnisse gab den in der Seve- mund Eysler nacheinander auf SCHLA- ringasse eingerichteten Musterbetrieben GERGASSE 4 und Nr. 11/ WÄHRINGER die Gestaltung des Gebäudes selbst. 1910 STRASSE 65 Wohnungen. Das späthisto- wurde der am TGM und im Gewerbe- ristische Wohnhaus trägt an einem Erker förderungsamt tätige Architekt Heinrich Richtung Volksoper die lebensgroßen Kathrein, ein Schüler Josef Hoffmanns, Figuren einer Musikerin und einer Tän- mit der Gestaltung des Sitzungssaales, zerin. Mit 60 Operetten zählte Eysler zu der Büroräume und der Gänge beauf- den wichtigen Vertretern der „silbernen tragt. Hoffmannsche Motive bestimmen Operettenära“. die Gestaltung des Saales, der bis 1998 nahezu unverändert blieb und, seither re- Gleichfalls nächst der Volksoper wohnte stauriert, zum Festsaal der Schule wurde. die Opernsängerin Maria Jeritza SCHLA- Mit der Unterteilung von Flächen in ger- GERGASSE 9. Die Primadonna sandte ahmte regelmäßige Felder, der Raute als von ihrem Domizil in den USA namhafte Schmuckform, der Vorliebe für schwarz Beträge für den Wiederaufbau von Staats- gebeiztes Holz mit weißen Fugen, harmo- oper und Stephansdom. nisch abgestimmten Textilien, Vitrinen, Sitzmöbeln und Beleuchtungskörpern 59 hat er Seltenheitswert. 7313a

32 Ersten Weltkrieg entwickelte sich die Die Bautätigkeit im Bereich des aufge- Volksoper zu Wiens zweitem repräsen- lassenen Linienwalls erhielt 1898 mit tativem Opernhaus, wurde aber ab 1929 der Errichtung des Kaiser-Jubiläums- wieder zu einem „Neuen Wiener Schau- Stadttheaters, der heutigen Volksoper, spielhaus“, in dem es auch Operetten zu WÄHRINGER GÜRTEL 100 / WÄHRIN- sehen gab. 1938 wurde es als KdF-Theater GER STRASSE 78 / LUSTKANDLGAS- („Kraft durch Freude“) renoviert und SE 1 / FUCHSTHALLERGASSE 19, ihre von Anton Baumann weitergeführt, doch Krönung. In nur 10 Monaten war es ge- 1944 wegen des totalen Kriegseinsatzes lungen, nach Plänen von Franz Krauß geschlossen und darin ein Großkino er- und Alexander Graf ein komplettes The- öffnet. ater aus dem Boden zu stampfen. Es war mit reichem Fassadenschmuck versehen: Schon am 1. Mai 1945 konnte in Wien zwölf Reliefs berühmter Komponisten, die erste Opernaufführung mit Mozarts über dem Hauptportal zwei männliche „Hochzeit des Figaro“ stattfinden. Da Gestalten und ein Portraitrelief des Mo- die Staatsoper ausgebombt war, spielte narchen wurden zu seinem 50-jährigen ihr Ensemble bis zu deren Fertigstellung Regierungsjubiläum angebracht. Bild- in der Volksoper oder im Theater an der hauer war Othmar Schimkowitz, der oft Wien. Nach 1955 wurde die Volksoper mit Otto Wagner zusammenarbeitete. wieder als selbstständiges Musiktheater Die innere Raumeinteilung entsprach mit Oper, Operette und Musical geführt. im wesentlichen jener des Volkstheaters, 1961-1964 erfolgte der Zubau in der waren doch die Planer zuvor im Büro der Fuchsthallergasse. Die 1963 gebaute Dreh- Theaterarchitekten Fellner & Helmer tätig bühne spielte zwar „alle Stückln“, doch gewesen. Die Bauherren, Währinger Bür- standen 1973 weitere Modernisierungen ger, wünschten sich ein Volksschauspiel- im Bühnenbereich und die Umgestaltung haus. Ihrem Wunsch entsprechend fand des Zuschauerraums an. Seitdem haben die Eröffnungsvorstellung mit Kleists die Direktoren Franz Salmhofer (1955- „Hermannsschlacht“ statt, auf welche das 63), Albert Moser (1963-73), Karl Dönch Lokalstück „An der der Währinger Linie“ (1973-86), Eberhard Waechter (1987-92) folgte. Nach fünf Jahren Spielzeit meldete Ioan Holender (1992-96), Klaus Bachler der Direktor, der „teutsche“ Adam Mül- (1996-99), Dominique Mentha (1999- ler-Guttenbrunn, den Konkurs an. Ihm 2003) und Rudolf Berger (2003-2007) das folgte der Sänger Rainer Simons, der von Profil der Volksoper geprägt. 2007 über- der Sprechbühne zu Opernaufführungen nahm Burgschauspieler Robert Meyer die überging und das nun Volksoper genann- Leitung. Sein Team umfasst mehr als 150 te Haus in ein „goldenes Zeitalter“ führte. Sänger, 95 Orchestermusiker, 64 Chor- Dieses wechselte, rasch wie die Direkti- sänger, rund 100 Tänzer und 218 Tech- onen und dargebotenen Genres, immer niker. In der Saison 2009/2010 widmet wieder mit weniger glücklichen Zeiten. In sich die Volksoper als einziges Wiener der Direktion Simons‘ (1903-1917) hatten Haus der Operette, bietet aber auch an- „Tosca“ und „Salome“ ihre Wiener Erst- dere Genres: 104 x Operette, 119 x Oper, aufführung, weltbekannte Sängerinnen 26 x Musical, 29 x Ballett und 15 x „Volks- und Sänger wie Maria Jeritza, Leo Slezak oper Spezial“ (Soireen, Kabarettistisches oder Richard Tauber traten auf. Alexand- und Parodistisches). In knapp 300 Auf- er Zemlinsky wirkte als Dirigent und ab führungen stehen rund 30 Produktionen 1906 als erster Kapellmeister. Nach dem auf dem Programm des 1.337 Plätze fas-

33 senden Repertoiretheaters. Dazu kom- Gräf, Franz (1874-1940), Techniker men Kinder-Workshops, Kinder-Zyklen Gräf, Heinrich (1877-1943), Techniker und Schulprojekte für die jüngsten Besu- Grillparzer, Franz (1791-1872), Dichter cher. Der Platz vor der Volksoper wurde Hansen, Theophil (1813-1891), Architekt nach ihrem langjährigen Direktor Franz- Hardtmuth, Josef (1758-1816), Unterneh- Salmhofer-Platz benannt. mer Heu,Josef (1876-1952), Bildhauer 60 Hoffmann, Josef (1870-1956), Architekt 6498a Holaubek, Josef (1907-1999), Polizeiprä- sident Die letzte Phase der Umgestaltung des Holzknecht, Guido (1872-1931), Arzt Westgürtels, die bis 2013 abgeschlossen Hundertwasser, Friedensreich (1928- sein soll, sieht Veränderungen der Um- 2000), Maler gebung der Volksoper vor, so soll eine als Jaeger, Thedor (1874-1943), Architekt Objekt künstlerisch gestaltete „Spange“ Jaksch, Hans (1879-1970), Bildhauer eine neue Fußgängerverbindung darstel- Jeritza, Maria (1887-1982), Sängerin len. Ein Zeitgenosse Kaiser Karl VI. be- Joseph II. (1741-1790), Kaiser hauptete: „In der Währinger Gassen ist Karl VI. (1685-1740), Kaiser nicht viel Besonderes.“ Doch inzwischen Karlsson, Arne (1912-1947) ist viel Wasser den Währinger Bach hi- Kirchschläger, Rudolf (1915-2000) , Poli- nabgeflossen. tiker Kleist, Hermann (1777-1811), Schriftstel- Die U-BAHN-STATION WÄHRINGER ler STRASSE-VOLKSOPER nimmt uns nach Kothgasser, Anton (1796-1851), Maler diesem langen Spaziergang auf. Kranz, Josef (1862-1934), Industrieller Krauß, Franz (1865-1942), Architekt Personendaten: Kubitschek, Wilhelm (1858-1936), Histo- riker A(i)chham(m)er, Johann,(1650-1712), Kuefstein, Johann L. (1702-1752), Graf Glockengießer Laziosi, Peregrinus (1265-1345), Priester Adler, Alfred (1870-1977), Arzt Leherb(auer), Helmut (1933-1997), Maler Ahlgrimm, Isolde (1914-1995), Musike- Lewinsky, Josef (1835-1907), Schauspieler rin Lewinsky, Olga (1853-1935), Schauspiele- Altmütter, Georg (1787-1858), Technolo- rin ge Löblich, Franz (1827-1897) , Politiker Ambrosi, Gustinus (1893-1975), Bildhau- Löblich, Leopold I. (1795-1866), Unter- er nehmer Angerer, Victor (1839-1894), Fotograf Loos, Adolf (1870-1933)., Architekt Aslan, Raoul (1886-1958), Schauspieler Lustkandl, Wenzel (1832-1906), Politiker Auenbrugger, Leopold (1722-1809), Arzt Marcus, Siegfried (1831-1898), Techniker Auer von Welsbach, Carl (1858-1929), Mardayn, Christl (1896-1971), Sängerin Chemiker Maria Theresia (1717-1780), Kaiserin Bauer, Leopold (1872-1938), Architekt Matouschek, Franz (1874-1935), Archi- Bauernfeld, Eduard (1802-1890), Schrift- tekt steller Mayer, Stefan (1872-1949), Physiker Baumann, Ludwig (1853-1936), Architekt Melnitzky, Franz (1862-1876), Bildhauer Benk, Johannes (1844-1914), Bildhauer Mindszenty, József (1892-1975), Priester

34 Berchtold, Leopold (1863-1942), Politiker Molière (1622 - 1673), Dichter Boltzmann, Ludwig (1844-1906), Physi- Moser, Albert (1920-2001), Musikmana- ker ger Brändström, Elsa (1888-1948), Philantro- Mozart, Wolfgang A. (1756-1791), Kom- pin ponist Breitner, Burghard (1884-1956), Arzt Müller-Guttenbrunn, Adam (1852-1923), Bruckner, Anton (1824-1896), Komponist Schriftsteller Chiavacci, Vinzenz (1847-1916), Schrift- Mutterer, Albin (1806-1873), Fotograf steller Mutterer, Josef (1834-1908), Fotograf Clam-Gallas Clothilde (1828-1899), Grä- Nagel, Franz (1855-1913), Priester fin Newald, Julius (1824-1897), Politiker Clam-Gallas, Eduard (1805-1891), Gene- Ohmann, Friedrich (1858-1927), Archi- ral tekt Conrads, Heinz (1913-11986), Schauspie- Ospel, Anton (1677-1756), Architekt ler Pasqualati, Amalie (1818-1903), Schau- Curie, Marie (1867-1934), Physikerin spielerin Curie, Pierre (1859-1906), Physiker Pasqualati, Johann B. (1811-1876), Mili- Daffinger, Moritz M. (1790-1849), Maler tärbeamter Danzer, Eduard (1836-1906), Unterneh- Pasteur, Louis (1822-1895), Chemiker mer Pawlicky, Norbert (1923-1990), Musiker De Haen, Anton (1704-1776), Arzt Pázmány, Peter (1570-1637), Priester Dietrichstein, Franz J. (1806-1854), Fürst Petrucci, Mario (1893-1972), Bildhauer Doderer, Heimito (1896-1966), Schrift- Philipp von Württemberg (1838-1917), steller Herzog Dönch, Karl (1915-1994), Sänger Pichler, Karoline (1789-1843), Schriftstel- Du Paquier, Claudius (1679-1751), Unter- lerin nehmer Piffl, Friedrich (1864-1932) , Priester Eisenmenger, August (1830-1907), Maler Pötzl, Eduard (1851-1914), Schriftsteller Elisabeth (1837-1898), Kaiserin Prechtl, Josef (1770-1854) , Techniker Exner, Wilhelm (1840-1931) , Techniker Reimers, Georg (1860-1936), Schauspie- Eysler, Edmund (1844-1949), Komponist ler Felix, Eugen (1836-1906), Maler Riedl, Josef (1884-1965), Bildhauer Fellner, Ferdinand d. Ä. (1815-1871), Ar- Ries, Teresa F. (1874-1956?), Bildhauerin chitekt Ringel, Erwin (1921-1994), Arzt Formann, Philipp J. (1906-1980), Schrift- Rudolf (1858-1889), Erzherzog steller Rumpler, Franz (1848-1922), Maler Franz Ferdinand (1863-1914), Erzherzog Salmhofer, Franz (1900-1975), Kompo- Frass, Wilhelm (1886-1968), Bildhauer nist Frieberger, Gustav (1858-1933), Journa- Schaller, Johann Nepomuk (1777-1842), list Bildhauer Fried, Erich (1921-1988), Schriftsteller Schärf, Adolf (1890-1965), Politiker Friedl, Theodor (1842-1900), Bildhauer Schenk, Alfred (1863-1952), Feldherr Fuchsthal(l)er, Karl (1770-1846) , Unter- Schickh, Georg F. (1654-1727), Jurist nehmer Schimkowitz, Othmar (1864-1947), Bild- Goldemund, Heinrich (1863-1947), Ar- hauer chitekt Schlager, Ludwig (1828-1885), Arzt Graf, Alexander (1856-1931), Architekt Schmeltzl, Wolfgang (1505-1564), Dich-

35 ter Wagner, Otto (1841-1918), Architekt Schneiderhan, Wolfgang (1915-2002), Widerhofer, Hermann (1832-1901) , Arzt Musiker Zemlinsky, Alexander (1871-1942), Kom- Schnitzler, Arthur (1888-1893), Arzt, ponist Schriftsteller Schönherr, Karl (1867-1943), Schriftstel- ler Bilder: Schrödinger, Erwin (1887-1961), Physiker Schubert, Ferdinand (1794-1859), Lehrer Alle Farbfotos wurden von Doris Wolf Schubert, Franz (1797-1828), Komponist Im Frühjahr 2010 angefertigt. Historische Schuh, Carl (1840-1915), Baumeister Bilder: Sammlung Alfred Wolf Schütz, Arthur (1880-1960) , Techniker Schwarzwald, Eugenie (1872-1940), Päda- 01 AMS, Währinger Gürtel 104 / Acha- gogin mergasse 5 Sechter, Simon (1788-1867), Musiker 02 Grüner Durchgang Seefried, Irmgard (1919-1988) , Sängerin 03 Grüner Durchgang, Wilhelm-Exner- Seitz, Karl (1869-1950), Politiker Gasse 34 Seligmann, Adalbert F. (1862-1945) , Ma- 04 Fuchsthallergasse 1 / Nußdorfer Stra- ler ße 15 Sigl, Georg (1811-1887) , Industrieller 05 Nußdorfer Straße 19 Simons, Rainer (1869-1934), Sänger 06 Detailmarkthalle, Nußdorfer Straße Slezak, Leo (1873-1946), Sänger 22 Steiner, Gabor (1858-1944), Unterneh- 07 Pfluggasse 1 mer 08 Pfluggasse 3 Strudel, Dominik (1687-1715), Bildhauer 09 Schubertbrunnen Strudel, Paul (1648-1708), Bildhauer 10 Boltzmanngasse 21 / Alserbachstraße Strudel, Peter (1660-1714), Maler 12 Stundl, Theodor (1875-1934), Bildhauer 11 Boltzmanngasse 30 / Liechtenstein- Suess, Eduard (1831-1914), Physiker straße 69 Szeps, Moritz (1835-1902), Journalist 12 Boltzmanngasse 22 Tauber, Richard (1891-1948), Sänger 13 Boltzmanngasse 18 Tendler, Franz (1820-1902), Priester 14 USA-Botschaft, Boltzmanngasse 16 Thimig, Hermann (1854-1944), Schau- 15 Pazmaneum, Boltzmanngasse 14 spieler 16 Priesterseminar, Boltzmanngasse 9 Thirring, Hans (1888-1976), Physiker 17 Strudlhofgasse 10 Thurn-Valsassina, Maria J. (1780-1828), 18 Strudlhofgasse 10 Gräfin 19 Strudlhofgasse 13 Tietz, Carl (1782-1874), Architekt 20 Strudlhofgasse 19 Turszky, Maria K. (1808-1880) 21 Strudlhofstiege Ucicky, Gustav (1899-1961), Regisseur 22 Pasteurgasse 1 Ullmann, Robert (1903-1966), Bildhauer 23 Liechtensteinstraße 48 Van Swieten, Gerard (1700-1772), Arzt 24 Liechtensteinstraße 51 Vierthaler, Franz M. (1758-1827), Päda- 25 Liechtensteinstraße 53-55 goge 26 Liechtensteinstraße 39-43 Villers, Alexander (1812-1880) , Schrift- 27 Bauernfeldplatz steller 28 Harmoniegasse Waechter, Eberhard (1929-1991), Sänger 29 Wasagasse 33

36 30 Harmoniegasse 5-7 31 Thurnstiege 32 Thurngasse 9 / Wasagasse 26 33 Wasagasse 21 34 Thurngasse 1 / Währinger Straße 24 35 Währinger Straße 26 36 Währinger Straße 28 37 Währinger Straße 21 / Lackierergasse 9 38 Währinger Straße 30-32 39 Parkanlage Ecke Boltzmanngasse / Währinger Straße 40 Boltzmanngasse 5 / Strudlhofgasse 4 41 Währinger Straße 40-42 42 Währinger Straße 43 43 Arne-Karlsson-Park 44 Arne-Karlsson-Park 45 Bürgerversorgungshaus, Währinger Straße 45 46 Hochhausprojekt, Währinger Straße 45 47 Nußdorfer Straße 4-4a 48 Widerhofergasse 4 49 Pichlergasse / Fluchtgasse 50 Pichlergasse 1 / Fluchtgasse 7 51 Wilhelm-Exner-Gasse 9 / Währinger Straße 68 52 Währinger Straße 59 53 Ehem. TGM, Severingasse 12 54 Severingasse 3 55 Wilhelm-Exner-Gasse 10-12 56 Michelbeuerngasse 12 57 Bezirksamt, Wilhelm-Exner-Gasse 5 / Michelbeuerngasse 9a 58 Währinger Straße 65 59 Volksoper, Währinger Gürtel 100 60 Währinger Straße

37