Adam Von Trott Zu Solz
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Göttinger Rechtszeitschrift 1/2020: 82–84 GRZ GdR Kurzbiografie Timo Marcel Albrecht * Adam von Trott zu Solz Der folgende Beitrag porträtiert in Kurzform Leben und Wirken »Mekka des Internationalismus« und »Welthauptstadt« der des Göttinger Juristen und Widerstandskämpfers Adam von 1920er Jahre. Nachhaltig beeindruckten ihn dort die vielen Trott zu Solz. Sämtliche Angaben sind der umfangreichen und kulturübergreifenden Begegnungen, das internationale äußerst lesenswerten, durch Benigna von Krusenstjern ver- Flair sowie die globale politische Zusammenarbeit und fassten Biografie entnommen. 1 Friedensbemühungen. »Es muß etwas Größeres geben als die Nation« 2, notierte er kurz nach dieser Reise – eine Erst in den letzten Jahren erlangte der in Göttingen aus- Sentenz, die für ihn im Laufe seines Lebens noch von Be- gebildete Jurist und Diplomat Adam von Trott zu Solz deutung sein sollte. Auch der Kontakt nach England wurde (9. 8. 1909–26. 8. 1944) als mutiger sowie am Ende in einem ihm wichtig: Vermittelt über eine der vielen Genfer Be- Schauprozess von Roland Freisler vor dem Volksgerichtshof gegnungen, studierte er 1929 ein Trimester am Oxforder zum Tode verurteilter Widerstandskämpfer gegen das NS- Mansfield College – eine, wie er es selbst wahrnahm, Zeit Regime die ihm gebührende öffentliche Anerkennung und des Lernens, was genau Demokratie bedeuten könne und Bekanntheit. Zusammen mit Helmuth James Graf von Moltke in der sich sein Interesse an der britischen Sozialdemo- und Peter Graf Yorck von Wartenburg zählte er zum Kern des kratie vertiefte. Zurückgekehrt nach Deutschland, führte Kreisauer Kreises, der wohl wichtigsten Gruppe des zivilen, ihn der Besuch des Repetitoriums nach Berlin. Auch wenn bewusst milieuübergreifenden Widerstands gegen Hitlers ihm dort die vielen großstädtischen Angebote sowie der Herrschaft. Zudem wirkte er bei der Vorbereitung des bewusst gesuchte Kontakt zu Arbeitern und Sozialdemo- Umsturzversuchs vom 20. 7. 1944 mit, für die er engstens kraten gefielen, entschied sichAdam zwecks eines ruhigeren, mit dem Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg ko- fokussierten Abschlusses des Jurastudiums für eine Rück- operierte. Adam von Trott war überzeugter Kosmopolit und kehr nach Göttingen. Wenngleich ihm zuvor »die Juristerei Weltbürger, zugleich aber auch heimatverbundener Patriot ehrlich gesagt keine Freude« 3 bereitet hatte, gelang dennoch sowie als Sozialdemokrat Verfechter der Weimarer Republik. der Studienabschluss mit Prädikat. Göttingen sollte auch für seine Doktorarbeit erste Wahl bleiben: Die vom Völker- Herkunft, Ausbildung und Internationalität rechtler Herbert Kraus betreute Promotion über »Hegels Staatsphilosophie und das internationale Recht« beendete er Geboren wurde Adam von Trott in eine seit mindestens dem im Anschluss mit erst 21 Jahren. Um nach Oxford zurückzu- 13. Jahrhundert im Nordhessischen ansässige Adelsfamilie, kehren und dort als Rhodes-Stipendiat am Balliol College den deren Stammsitz in Imshausen bei Bebra liegt. Sein Vater noch jungen Studiengang Philosophy, Politics and Economics August, ebenfalls Jurist, wirkte lange in Staatsdiensten, etwa (PPE bzw. Modern Greats) zu absolvieren, unterbrach er 1931 als Kasseler Regierungspräsident und preußischer Kultus- das in seiner Heimat bereits begonnene Referendariat. Vor minister. Seine sozial engagierte sowie anglophile Mutter Ort engagierte er sich in zahlreichen Initiativen – u. a. der Eleonore wuchs in einem Diplomatenhaushalt auf und zählte Rhetorik-Schmiede Oxford Union –, hörte Mahatma Gandhi in ihrer hugenottischen Familienlinie u. a. John Jay zu ihren bei einem der vielen Vorträge und knüpfte diverse politische Vorfahren, einen der US-Gründerväter, Mitverfasser der Kontakte. Größte Sorgen bereitete ihm gerade im inter- Federalist Papers und ersten Chief Justice des US-Supreme- nationalen Umfeld Oxfords unterdessen die politische Ent- Courts. Den somit in illustrer Familientradition Stehenden wicklung in seinem Heimatland, insbesondere die schon von führte das Jurastudium zunächst nach München, danach Anfang an als Desaster wahrgenommene Machtübertragung jedoch für mehrere Semester nach Göttingen. Für seine an die Nationalsozialisten. spätere politische und internationale Ausrichtung sowie den Wertekompass prägender als das eigentliche Studium Zurück in Deutschland, setzte der liberale, weltoffeneAdam wurde für Adam von Trott indes ein mehrwöchiger Auf- von Trott sein Referendariat ab Herbst 1933 fort, jedoch unter enthalt in Genf – dem damaligen Sitz des Völkerbundes, politisch deutlich gewandelten und ihn bedrückenden Um- ständen im NS-Reich. Zwischenzeitliche Ideen für eine Habilitation bei Hermann Heller zerschlugen sich wegen * Dipl.-Jur. Timo Marcel Albrecht studierte von 2012 bis 2019 Rechtswis- dessen frühen Todes im selben Jahr. Trotz skeptischer Be- senschaften an den Universitäten Göttingen, Aarhus und Genf. Seit April äugungen suchte und behielt von Trott gezielt Kontakt zu 2019 arbeitet er als Doktorand an der Georg-August-Universität Göttingen antinazistischen, sozialdemokratischen wie auch jüdischen am Lehrstuhl für Deutsche Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht von Bekannten. Obligatorische NS-Indoktrinationsmaßnahmen Prof. Dr. Eva Schumann. Zudem ist er aktueller Stipendiat des Adam von Trott Study Bursary 2019/20, welches einen (infolge der Corona-Pandemie allerdings auf das kommende Jahr verschobenen) Forschungsaufenthalt an 2 Notizbuch (1929), Bundesarchiv Koblenz, N 1416:21, zit. nach von Kru- der University of Oxford ermöglicht. senstjern (Fn. 1), S. 112, Endnote 58. 1 von Krusenstjern, »daß es Sinn hat zu sterben – gelebt zu haben«. Adam 3 So schrieb es Adam von Trott am 21. 2. 1928 in einem Brief an seine Mut- von Trott zu Solz 1909–1944, Biographie, 3. Auflage (2010). ter, zit. nach von Krusenstjern (Fn. 1), S. 94, Endnote 15. Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. Weitere Informationen: https://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de/ GRZ GdR Aufsatz – Albrecht: Adam von Trott zu Solz 83 wie das achtwöchige Referendarlager bei Jüterbog, Branden- Kreis mit, der 1940 durch die beiden Juristen Helmuth James burg, oder der herrschende Rassenhass stießen ihn dagegen Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg be- ab. Anders als viele verweigerte er sich trotz entsprechenden gründet sowie nachträglich nach dem Gut der Familie von Drucks einem Beitritt in die NSDAP oder den NS-Juristen- Moltke im niederschlesischen Kreisau, dem Ort der meisten bund, was ihn im Referendarsdienst zunehmend isolierte Widerstandsgruppentreffen, benannt wurde. Als Ausweg und zahlreiche Schwierigkeiten hervorrief. Zugleich stellte aus den verhängnisvollen Entwicklungen unter der Nazi- Adam von Trott damit aber unter Beweis, dass eine An- Herrschaft hielt von Trott dabei ein Attentat auf Hitler für dienung an den NS-Zeitgeist keineswegs, wie oft behauptet, unumgänglich. In der Tyrannenmord-Frage kam jedoch unausweichlich war. Trotz aller Hürden schloss er im Herbst kein Konsens im Kreisauer Kreis zustande; sein Schwerpunkt 1936 sein Assessorexamen ab, entschied sich jedoch, auch sollte vielmehr in der Arbeit an programmatischen Ent- mangels befriedigender Berufsperspektiven im »Dritten würfen für die Zeit nach dem Ende der NS-Herrschaft liegen. Reich«, für einen weiteren längeren Auslandsaufenthalt, der Schon seit langem vom Wert europäischer Verständigung ihn, finanziert durch dieRhodes- Stiftung, über die USA nach überzeugt, betätigte sich Adam von Trott intensiv an diesen China (1937/38) führte. Planungen, die außenpolitisch etwa – beinahe visionär – eine kooperative soziale Friedensordnung samt Föderalisierung Auslandsreisen und Arbeit im Auswärtigen Amt Europas, eine Zollunion, gemeinsame Währung sowie Inter- nationalisierung von Streitkräften und innenpolitisch die Weitere Auslandsreisen, Bekanntenbesuche und Ein- Wiedererrichtung des Rechtsstaates vorsahen. Weiterhin ladungen verschlugen den bereits von der Notwendigkeit vermittelte er eine Denkschrift des deutschen Widerstands eines organisierten deutschen (und international unter- ins Ausland, wo sie u. a. Premierminister Winston Churchill stützten) Widerstands überzeugten Adam von Trott nach vorgelegt wurde. Seine letzte Auslandsreise führte von Trott Großbritannien und in die USA (1939/40). So warnte schließlich ins formal neutrale Schweden, wo er den im Exil der zwar kein bedeutsames Amt Innehabende, aber durch weilenden späteren Bundeskanzler Willy Brandt um eine seine zahlreichen Freunde (etwa aus Oxforder Zeiten) Regierungsbeteiligung nach Hitlers Sturz ersuchte. Unterstützte bei persönlichen Unterredungen mit Groß- britanniens Außenminister Halifax sowie Premierminister Das Attentat vom 20. Juli 1944 mitsamt Nachspiel Chamberlain eindringlich vor der aggressiven außen- politischen Gefahr des »Dritten Reiches« und zu starkem Nach dem Misslingen mehrerer Widerstandsaktivitäten Appeasement. Im Ausland verbleiben wollte von Trott jedoch und Aufdeckungen einiger Beteiligter wurde der Kreisauer nicht, gerade angesichts der Lage in seinem Heimatland, Kreis nicht zuletzt durch Verhaftungen von Mitgliedern ge- welcher er nicht tatenlos zusehen wollte. Nach längerer Zeit schwächt. In dieser Lage kam Adam von Trott schließlich des Haderns mit seinen Berufsperspektiven im NS-Staat trat mit dem zum Attentat auf Hitler fest entschlossenen Militär er schließlich, dank der Vermittlung von Freunden und um Claus Graf Schenk von Stauffenberg in Kontakt. Gemeinsam dem Kriegsdienst zu entgehen,