Troubled Loyalty“? Britisch-Deutsche Debatten Um Adam Von Trott Zu Solz 1933–1969

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Troubled Loyalty“? Britisch-Deutsche Debatten Um Adam Von Trott Zu Solz 1933–1969 409 Adam von Trott zu Solz, einer der wichtigsten „Außenpolitiker" der deutschen Opposition gegen Hitler, hat vor allem in der angelsächsischen Welt - zu Lebzeiten wie nach seinem Tod - eine sehr kontroverse Beurteilung erfahren. Die Schwierigkeiten vie­ ler Briten, Trotts Zerrissenheit zwischen Widerstand und Patriotismus zu verstehen, erklärt Silvia Daniel aus der spezifischen Konstellation der Debatte um den einstigen Oxford-Studenten. Den weit auseinandergehenden Ansichten lagen Urteile von Englän­ dern zugrunde, die den Deutschen persönlich recht gut kannten - vom „Observer"- Herausgeber und Trott-Freund David Astor bis zum Trott-kritischen Historiker John Wheeler-Bennett. Silvia Daniel „Troubled Loyalty"? Britisch-deutsche Debatten um Adam von Trott zu Solz 1933-1969 Seit Gründung der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte im Jahr 1953 sind dort gleich sechs Artikel und Dokumentationen erschienen, in denen der Widerständ­ ler Adam von Trott zu Solz im Mittelpunkt steht1. Dabei sorgte besonders Hans Rothfels über die Jahre immer wieder für die Veröffentlichung von Denkschrif­ ten und Quellen. Obwohl das vom Münchener Institut für Zeitgeschichte heraus­ gegebene Periodikum einen seiner thematischen Schwerpunkte auf die Geschichte des deutschen Widerstands legt, bleibt dieser Befund erstaunlich. Betrachtet man auch darüber hinaus die umfangreiche Literatur zu diesem Thema, so kann die Biographie Trotts als eine der am besten erforschten im Rah­ men der deutschen Opposition gegen Hitler gelten2. 1 Vgl. Hans Rothfels, Zwei außenpolitische Memoranden der deutschen Opposition, in: VfZ 5 (1957), S. 388-397; ders., Adam von Trott zu Solz und das State Department, in: VfZ 7 (1959), S. 318-332; ders., Trott und die Außenpolitik des Widerstandes, in: VfZ 12 (1964), S. 300-323; Eberhard Bethge, Adam von Trott und der deutsche Widerstand, in: VfZ 11 (1963), S. 213- 223; Henrik Lindgren, Adam von Trotts Reisen nach Schweden 1942-1944. Ein Beitrag zur Frage der Auslandsverbindungen des deutschen Widerstandes, in: VfZ 18 (1970), S. 274-291; Joachim Fest, Spiel mit hohem Einsatz: Über Adam von Trott, in: VfZ 46 (1998), S. 1-18. 2 Vgl. Christopher Sykes, Troubled Loyalty. A Biography of Adam von Trott zu Solz, London 1968 (Adam von Trott. Eine deutsche Tragödie, Düsseldorf/Köln 1969); Henry O. Malone, Adam von Trott zu Solz. Werdegang eines Verschwörers, 1909-1938, Berlin 1986; Giles MacDonogh, A Good German. Adam von Trott zu Solz, New York 1992 (Erstausgabe London/ New York 1989); Tobias Hoh, Die außenpolitischen Initiativen des Adam von Trott für die deut­ sche Opposition von 1937 bis 1944. Ein nichtstaatlicher Akteur der internationalen Beziehun­ gen zwischen den westalliierten Kriegsstrategien, (Microfiche 1998); Andreas Schott, Adam von Trott zu Solz. Jurist im Widerstand, Verfassungsrechtliche und staatspolitische Auffassun­ gen im Kreisauer Kreis, Paderborn u.a. 2001. Nicht veröffentlicht liegt u.a. vor: Katherine Sams, Political Thought and Action in the Life of Adam von Trott, 1909-1940, Diss., McGill University, Montreal 1999. Nicht mehr berücksichtigt werden konnte Henric L. Wuermeling, Doppelspiel. Adam von Trott zu Solz im Widerstand gegen Hitler, Stuttgart 2004. VfZ 3/2004 © Oldenbourg 2004 410 Aufsätze Adam von Trott, der als einer der Emissäre des deutschen Widerstandes wäh­ rend des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Reisen in das neutrale Ausland unter­ nahm, um die für die Verschwörer so wichtige „Verbindung zu der großen Welt"3 herzustellen, war zweifelsohne ein wichtiger Vertreter der Opposition, doch wird er nicht immer zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der „alten Eliten" gezählt. Die Quellenlage ist in seinem Fall und besonders im Gegensatz zu ande­ ren Mitgliedern des „Kreisauer Kreises", wie etwa Peter Graf Yorck von Warten­ burg, hervorragend, was die Erforschung seines Lebens erleichterte5. Ein zweiter Grund für die Vielzahl an Veröffentlichungen liegt im massiven Interesse, das von angloamerikanischer Seite an seiner Person bestand und die Diskussion immer wieder belebte. Seit seiner Studienzeit in Oxford verbanden Trott Freundschaften und Kon­ takte auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen mit dem Vereinigten Königreich, die teilweise nicht nur für die deutschen Widerstandskreise entschei­ dend werden sollten, sondern auch Trotts persönliches Schicksal bestimmten und dafür sorgten, daß sein Wirken lange nach seinem gewaltsamen Tod - er wurde wegen der Beteiligung am Attentat des 20. Juli 1944 gehängt - ein kontro­ verses Thema in interessierten britischen Kreisen geblieben ist. Die vermeintli- chen Widersprüche seines Charakters beschäftigten viele seiner Weggefährten auch nach dem Zweiten Weltkrieg in Memoiren, Schriftwechseln und Zeitungsar­ tikeln. Das Mißtrauen gegenüber dem Widerständler spielte dabei stets eine ent­ scheidende Rolle. Einerseits das Unverständnis für sein Denken und Handeln und für die Lebensbedingungen im nationalsozialistischen Deutschland, anderer­ seits aber auch eine von ihm ausgehende Faszination verschafften seinem Fall immer wieder viel Aufmerksamkeit. Noch 1999 stellte der Biograph des Oxford Fellows A. L. Rowse fest: „Of those who do know [anything about Adam von Trott; S. D.], many, like the present writer, will find themselves at a loss to explain him, 3 Helmuth von Moltke an Lionel Curtis, 12. 7. 1935, zit. nach Klemens von Klemperer, Die „Verbindung zu der großen Welt". Außenbeziehungen des deutschen Widerstandes 1938- 1945, Berlin 1990, S. 4. 4 Hartmut Mehringer, Widerstand und Emigration. Das NS-Regime und seine Gegner, Mün­ chen 21998, S. 112. 5 Vgl. Nachlaß Adam von Trott, in: Bundesarchiv Koblenz (künftig: BA), NL Trott, N 1416. Auf englischer Seite: Div. Akten zum deutschen Widerstand im Public Record Office (künftig: PRO); Correspondence Diana Hubback/Hopkinson and Adam von Trott, Balliol College, Oxford (künftig: Balliol, Hubback/Trott); File on Adam von Trott, Rhodes House, Oxford (künftig: Rhodes, Oxford, Trott File). Daneben existieren zahlreiche Briefe Trotts in einzelnen Nachlässen, so z. B. in den Isaiah Berlin Papers, Bodleian Library, Oxford (künftig: Bodleian Library, Berlin Papers). Für die USA: FBI, Washington, DC: Adam von Trott's File, Kopie in: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin. Weitere Kopien aus der F. D. Roosevelt Library fin­ den sich in: BA, Kleine Erwerbungen 843, sowie in: BA, NL Trott, N 1416, 3. Vgl. auch FBI-Akte, 65-5938, in: National Archives, USA (künftig: NA). Vgl. u. a. auch American Intelligence and the German Resistance to Hitler. A Documentary History, hrsg. von Jürgen Heideking und Chri­ stof Mauch, Boulder/Oxford 1996; Foreign Relations of the United States, Diplomatic Papers 1944, Vol. I, Washington D. C. 1966, S. 523-525 u. S. 550-553; British Intelligence in the Second World War. Its Influence on Strategy and Operations, hrsg. von F. H. Hinsley u. a., Vol. 3, Part II, London 1988, S. 893-896, sowie ebenda, Vol. 4, London 1990, S. 209-213. VfZ 3/2004 Silvia Daniel: „Troubled Loyalty"? 411 to show what he wanted or why he left, as he undoubtedly did, so deep an impression on so many highly intelligent and articulate people."6 Zum Kreis derer, die von Trott kannten, zählten Freunde aus dem Studium, die während des Krieges oder später wichtige Positionen in der Politik oder Pres­ selandschaft Großbritanniens einnahmen, aber auch junge Gelehrte und Fellows der Colleges. Shiela Grant Duff war Journalistin und Informantin Churchills. David Astor übernahm nach dem Krieg den „Observer". Einige andere arbeiteten im Zweiten Weltkrieg für die britische Regierung als ausgewiesene Deutschland­ experten, so etwa in der Political Warfare Executive7. Trott erhielt während seiner Englandaufenthalte sogar Kontakt zum innersten Zirkel der britischen Politik, da ihn die Eltern seines Freundes David, Lord Waldorf und Lady Nancy Astor, bei Außenminister Lord Edward Halifax und Premierminister Neville Chamberlain einführten und er sich mit Sir Richard Stafford Cripps anfreundete, dem Vater seines Kommilitonen John. Vor dem Hintergrund dieser Verbindungen unter­ sucht der vorliegende Beitrag die britischen Reaktionen auf Trotts Denken und Handeln: in öffentlichen Debatten zu seinen Lebzeiten und nach seinem Tod sowie in der Geschichtsschreibung von 1945 bis in die späten 1960er Jahre8. I. Adam von Trott und Großbritannien 1933-1944 Der im Jahr 1909 geborene Adam von Trott zu Solz bewarb sich nach dem Stu­ dium der Jurisprudenz erfolgreich um ein Cecil-Rhodes-Stipendium und schrieb sich, bereits promoviert, im Herbst 1931 an der Universität Oxford für den neuen Studiengang „Philosophy, Politics, Economics" ein. Die entscheidende Erfahrung der Oxforder Jahre waren die Freundschaften, in denen sich die Ver­ werfungen der deutsch-britischen Beziehungen spiegelten. Während seines Studi­ ums in Oxford schlug der junge, politisch engagierte und in vielerlei Hinsicht charismatische Student sowohl seine Kommilitoninnen und Kommilitonen, als auch die jungen Dozenten der Colleges wie Isaiah Berlin, A. L. Rowse, Maurice Bowra, Charles Henderson, Goronwy Rees, Richard Crossman und andere in sei­ nen Bann . Aus dieser Zeit, in der spätere Entscheidungsträger den engsten Kon­ takt zu Trott hatten, stammten naturgemäß auch die Grundlagen für spätere 6 Richard Ollard, A Man of Contradictions. A Life of A. L. Rowse, London u. a. 1999, S. 64 f. ' Vgl. dazu Pauline Elkes, Die „Political Warfare Executive". Zur geheimdienstlichen Aufklä­ rung des deutschen Widerstandes 1943-1944, in: Großbritannien und der deutsche Widerstand 1933-1944, hrsg. von Klaus-Jürgen
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