Eine neue Biografie zu JUTTA HIPP bettet deren Lebensgeschichte nicht nur zwischen und Kunst, DER sondern gesellschafts- und kulturpolitisch ein. Hier ein paar Gedanken ZICK- I want that, der Autorin – noch bevor I want this, die Biografie erscheint. I want everything IUMP there is on this earth VON ILONA HABERKAMP that has worth: like a rich man J Kein real professional … and a hearth, furs and pearls

AHRZEHNTELANG WAR JUTTA HIPP in der internatio- sie begierig von Kollegen und amerikanischen Musikern, erwei- Ton live erklingt. Mit ihrem neuen Trio ( am Schlagzeug round my neck. J nalen Jazzszene in Vergessenheit geraten, dabei war sie tert ihre pianistischen Fähigkeiten und ihr Repertoire. Mit dem und am Bass) wird sie für mehrere Monate im Hickory ein Shooting Star im Nachkriegsdeutschland. 1955 trägt Tenorsaxophonisten , den sie in München kennenlernt, House engagiert, ein wahres Sprungbrett für Jazzmusiker*innen. What I gave you, sie als Europe’s First Lady of Jazz den Frankfurt sound bis nach gründet sie das Hans Koller Quartett. Jazz als Kunstform und die Hier entstehen ihre »Jutta Hipp at Hickory House«-Blue Note- New York, tritt dort mit den Jazzgrößen ihrer Zeit auf. Sie ist eine Unbeirrbarkeit, den eigenen Weg zu gehen, verbindet die beiden Platten und plötzlich ist sie »hip(p)« in der gewachsenen und give it back. Ausnahmeerscheinung in der männerdominierten Welt des Jazz, zunächst. Jutta Hipp folgt Kollers melodischem Konzept, welches umkämpften Jazzszene New Yorks. Das sieht sie selbst bereits All is MINE, eine Frau, die ihrer Leidenschaft folgt und als erste weiße Jazz - sich an barocker Improvisationskunst nach dem Vorbild der Len- sehr kritisch, liebend gerne hätte sie sich zunächst in kleinen pianistin bei der renommierten Plattenfirma nie Tristano-Schule orientiert. Dadurch führt Koller sein Quartett Klubs hochgearbeitet. Nachdem sie öffentlich von für don’t ask: why? gleich drei Platten einspielt. Bereits 1960, mit 35, beendet sie ihre in die Moderne, schafft mit Hipp eine eigene Kunstform mit eu- ihren Erfolg angefeindet wird, wachsen ihre Selbstzweifel. Den Karriere, tauscht das Klavier gegen eine Nähmaschine und ar- ropäischer Identität. Hipps Klavierspiel wird bereits in Amerika Mangel an Selbstvertrauen, ihr Lampenfieber und das Gefühl, If you don’t agree, beitet fortan in einer Nähfabrik. mit Erstaunen als eigenständiger Hipp style wahrgenommen. Die sich wie ein Kuckucksei in die großartige Jazzszene geschmuggelt Als junge Jazzmusikerin bin ich neugierig und treffe zusammen Hans Koller New Jazz Stars, nun mit dem Posaunisten Albert zu haben und damit den vielen fantastischen, vor allem afroa- I’ll CRY… mit der Trompeterin Iris Kramer Jutta Hipp im August 1986 in Mangelsdorff in der Jazzmetropole Frankfurt ansässig, sind su- merikanischen Musikern New Yorks die Jobs wegzunehmen, be- Gedicht von Jutta Hipp 1966 ihrer winzigen, aber gemütlichen Wohnung im New Yorker Stadt- percool und begeistern die Jazzszene. Aber Hipp fühlt sich in täubt sie mit Alkohol. Sie schwärmt für und den teil Queens. Ihr Zimmer ist vollgestopft mit Jazzplatten, eigenen ihrem Spiel nicht frei genug, kritisiert Kollers musikalische Do- Hardbop, das gibt ihr Auftrieb und sie verändert ihren Klavierstil, Bildern und Büchern und wir finden nur auf ihrem Bett Platz. minanz, stellt den Cool Jazz später verächtlich als »verkopft und was Feather prompt kritisiert. Hipp lässt ihn nämlich nach eini - Die Einundsechzigjährige wirkt mädchenhaft, ist zuvorkommend leblos« dar. Sie liebt, wie sie selbst sagt »den Jump und den ur- gen Annäherungsversuchen abblitzen, verweigert ihm die Ein- und humorvoll. Sofort sind wir auf gleicher Wellenlänge. sprünglichen, wahren Jazz mit Herz und Seele« und gründet ihr flussnahme in ihre Spielkunst und fordert mit Recht: »Ich will In aufgewachsen, schwärmt sie in jungen Jahren für eigenes Jutta Hipp Quintett. Als Komponistin hat sie nur eine für das akzeptiert werden, was ich künstlerisch tue«. den Jazz, nachdem sie ihren ersten Freund zu den heimlichen Handvoll Stücke vorzuweisen. Das Komponieren ist auch nicht »Sie ist besser als Toshiko [Akiyoshi]« meint Charles Mingus, Treffen des Leipziger Hot Clubs und zu Jamsessions begleitet. Das ihr Ziel, das Spielen selbst hat Priorität, obwohl Lampenfieber mit dem sie 1957 sein »New York Scetchbook« aufführt. Begeistert will ich auch, denkt sie. Talent und eine große Portion Enthu- sie begleitet und sie Selbstinszenierung scheut. ist sie von Mingus’ Arbeitsweise als spontaneous composer mit siasmus befähigen sie, sich die Sprache des Jazz autodidaktisch Ihr Spiel wird akzentuierter, virtuoser und vielseitiger, bleibt seinen Kollektivimprovisationen, die Zusammenarbeit beflügelt »Ich war ja nur Amateur, wusste immer, dass ich kein real pro- anzueignen, meist im kriegsgebeutelten Nazideutschland von aber überwiegend cool. Dafür wird sie in der deutschen Jazzsze- sie, seine musikalische Richtung einzuschlagen. Doch es folgen fessional war«. Vielleicht diente ihr diese Haltung auch als Trost. Platten oder von »Feindsendern« abgehört. Ihre Vorbilder sind ne geschätzt. Später sagt sie trotzig: »Ist mir wurscht, was ande- keine weiteren Auftritte mehr mit Mingus. Ohne Management Ich überhöre diese Worte, denn ihre Blue Note-Platten, besonders Fats Waller, Teddy Wilson und Erroll Garner, derenstyle sie spä- re sagen – ich klinge zickig«, so empfindet sie ihre Spielweise in und ohne Unterstützung ist sie nicht in der Lage, für sich und ihre mit dem Tenorsaxophonisten , sind unvergesslich. ter wunderbar am Klavier beherrscht. Der Jazz ist für sie eine ihrem eigenem Quintett. Musik zu kämpfen. Der Druck des kapitalistisch ausgerichteten Den Rang als Europe’s first Lady of Jazz, die als erste deutsche Art Religion, eine Insel der Unabhängigkeit inmitten der Unifor- , Impresario und Manager aus New York, der Kulturbetriebs und die Verschlechterung der Situation in der Instrumentalistin in die von Männern dominierte Jazzszene in mität des Naziregimes. Kühn und trotzig ist sie, mit einem aus- Hipp im Januar 1954 in Gigi Campis Bohème in Duisburg spielen Jazzszene führen bei ihr zu einer Identitätskrise verbunden mit New York Einzug hält, kann ihr niemand mehr streitig machen. geprägten Gerechtigkeitssinn. Sie will auffallen. Mit langer rot- hört, sieht dies ganz anders. Fasziniert von Frau und Musik, macht hohem Alkoholkonsum. Erst die Arbeit in einer Nähfabrik bietet Die Liste hochkarätiger amerikanischer Musiker, mit denen sie haariger Mähne und grellgeschminkten Lippen sah sie aus wie er ihr noch am gleichen Abend ein verlockendes Angebot. Sie soll ihr endlich die ersehnte finanzielle Sicherheit. Am Wochenende zusammenspielte und die sie mir später schickte, ist lang. Darauf ein Hippie, erinnert sich der Klarinettist Rolf Kühn. Mit ihm und nach New York kommen. Bis sie ausreisen kann, nimmt ihre möchte sie spielen, so ihr Plan. Doch fast unmerklich schwindet war sie dann doch stolz. Ihr künstlerisches Werk, ihre Musik und anderen Leipziger Musikern spielt sie im Dezember 1945 ihre Karriere in Deutschland so richtig Fahrt auf: Plattenaufnahmen, der künstlerischen Drang aufzutreten. Nun stürzt sie sich in die ihr eigenständiger Hipp style lebt weiter. Ihre Musik ist zeitlos. | ersten Demoaufnahmen ein. die Feather vorfinanziert und in Amerika veröffentlicht, weitere Malerei, in der sie machen darf, was sie will. Sie beendet zwar ihr Kunststudium, entscheidet sich aber für Aufnahmen bei Mod Records in Köln, mit in Stockholm, Bei unserer Begegnung 1986 war ich enttäuscht darüber, dass Ilona Haberkamp studierte klassisches und Jazz-Saxophon sowie Musik- die Musik und flieht nach dem Krieg aus ihrer von Russen be- Konzerte und Tourneen nach Paris und Jugoslawien. Als Hipp im sie ihr musikalisches Talent einfach verschleuderte, denn sie wissenschaft, veröffentlichte 2013 die Aufnahme »Cool is Hipp is Cool« und setzten Heimatstadt in den Westen. Gute Arbeitsmöglichkeiten November 1955 in Big Apple ankommt, wird sie bereits in den konnte so viel mehr. Die Diskrepanz zwischen ihrer eigenen verfasste 2015 Texte für das CD-Box-Set »The Life and Art of Jutta Hipp«.

für Musiker*innen bieten die amerikanischen Klubs. Dort lernt New Yorker Medien hochgelobt, noch bevor überhaupt der erste MONTIGLIA SABRINA © künstlerischen Einschätzung und fremder Wahrnehmung ist groß: Sie schreibt an einer Jutta Hipp-Biografie, Arbeitstitel: »Plötzlich Hip(p)«.

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