Die neuen (-rechten) Grenzen im Diskurs

Über Reichweite der Kommunikationsstrategien der Identitären

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Sophie-Marie Luise SONNLEITNER

am Institut für Geschichte Begutachterin: Assoz. Prof. Mag. Dr.phil. Heidrun Zettelbauer

Graz, 2020 Danksagung

Ich möchte mich herzlichst bei meiner Betreuerin Assoz. Prof. Mag. Dr.phil. Heidrun Zettelbauer bedanken, die mir bei dem Verfassen dieser Diplomarbeit eine große Stütze war und mich jederzeit mit Rat und Tat unterstützte. Des Weiteren möchte ich mich bei meinem Freund, meinen Eltern und Familie bedanken, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Theoretische Grundlagen 11 2.1. Völkischer Nationalismus 11 2.2. Rechtsextremismus 16 Klassifikation der Identitären nach BVT und DÖW 20 2.3. Rechtspopulismus 22 2.4. „Neue Rechte“ 27 2.4.1.„Neo-“ bzw. Kulturrassismus 32 2.4.2.Antisemitismus 34 3. Abgrenzungen im Diskurs um Österreichs NS-Vergangenheit: Rahmenbedingungen und Bruchlinien 36 3.1. Die Transformation der nationalen Narrative 36 3.1.1.Opfermythos 37 3.1.2.Widersprüche und Antithesen 38 Gründung VdU 39 Gründung FPÖ 40 3.1.3.Mitverantwortungsthese 42 3.2. Transformation des Rechtsextremismus 45 3.2.1.FPÖ und Neonazi-Szene 45 3.2.2.Gründung der Identitären 49 3.2.3.Aktuelle Entwicklungen 52 4. Identitäre Ideologie der Ungleichheit 55 4.1. Vorbild „Konservative Revolution“ 56 4.2. Erlangung der „Kulturellen Hegemonie“ durch „Metapolitik“ 59 4.3. Etablierung einer „Rechtsintellektuelle Elite“ 65 5. Diskursive Praxeologie der IB: Abgrenzung, Verbreitung & Mobilisierung 68 5.1. Abgrenzungsprozesse: Form und Inhalt 69 Rhetorik 70 Narrative 75 Erhalt der „ethnokulturellen Identität“ 76 Bedrohungsszenario „der Große Austausch“ 80 5.2. Verbreitungsmechanismen: ästhetische Normalisierung und Popularisierung 82 Corporate Identity 84 Motiv-Vielfalt 88 Pop statt Historie 98 5.3. Mobilisierungsebenen: Von Online zu Offline 106 Personenkult 107 Netzwerke und Hierachien 113 Virtuelle und reale Angriffe auf den demokratischen Diskurs 117 Zwischen Mainstream- und Alternativen Plattformen 119 Zwischen Straße und Öffentlichkeitsarbeit 126 6. Diskursfigur „die letzte Generation“ 132 Kämpferische (Bild-) Sprache 133 Symbolwelt und PR-Provokation 137 Überhöhte Selbstdarstellung und diskursive Wirkung 140 Exkurs: „Generation Breivik“ 145 7. Resümee 149 Bibliographie 154 Sekundärliteratur 154 (Internet-)Quellen 159 Abbildungsverzeichnis 169 1. Einleitung

Die Identitäre Bewegung (IB) macht seit etwa Ende 2012 im deutschsprachigen Raum durch politische Provokationen in der Online-und Offline-Welt auf sich aufmerksam. Sie bezeichnet sich selbst als Jugendbewegung der „Neuen Rechten“ und inszeniert sich als junge, gut gebildete, internetaffine Generation der Rechten, jedoch sind sie aus einer aktuellen Fachperspektive nur eine modernisierte Auflage des Rechtsextremismus. Folgend wird auf die Selbstbezeichnung der Identitären als „Bewegung“ verzichtet werden, es handelt sich zwar um ein transnationales Phänomen, dass von Frankreich aus seinen Ursprung nahm und sich in ganz Europa verbreitete, jedoch sind die Identitären keine Massenorganisation. Vielmehr agieren die Identitären als ein Netzwerk, das elitär und hierarchisch aufgebaut ist und dessen Wortführer und Vordenker männlich sind.1 Bei den rechtsextremen Identitären handelt es sich um ein vorwiegend virtuelles Phänomen. Es ist nicht ganz klar, wieviele Mitglieder die Identitären haben, Schätzungen gehen von einer eher geringen Zahl von etwa 600 Aktivisten*innen im Juli 2018 in Deutschland und 300 in Österreich aus. Jedoch darf die vergleichsweise geringe Anzahl an Mitgliedern nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Identitären mit ihren Aktivitäten in einen wachsenden Resonanzraum im Internet präsent sind - einen Raum, den sie selbst immer weiter ausdehnen.2 Im Falle der Identitären sind die Sphären innerhalb und außerhalb des Netzes unmittelbar miteinander verbunden, denn vor allem über eine Omnipräsenz auf Sozialen Medien schaffen es die Identitären im realen Raum zu mobilisieren.3

Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist der momentan festzustellende Rechtsruck im öffentlich- politischen Diskurs. Vor allem der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa und eine gesellschaftlich-mediale Faszination für rechte Provokationen hat rechtsextremen Akteur*innen wie den Identitären dazu verholfen rechtsextreme Botschaften im breiten öffentlich-politischen Diskurs zu verankern. Ein gesamtgesellschaftlicher Rechtsruck führte letztlich zur politischen Legitimierung von Tabubrüchen und Grenzüberschreitungen von rechts. Im öffentlich-politischen Diskurs ist zunehmend eine gereizte Stimmung wahrzunehmen und immer wieder wird über eine allgemeine Verrohung der Sprache und Polarisierung diskutiert. Diese Problematik offenbart sich vor allem über die Plattformen der sozialen Medien (Bsp. Twitter), wo organisierter Hass und die Verbreitung rechter Hetze mittlerweile etwas Alltägliches sind. Das Netz eignet sich hervorragend, die Grenzen

1 Frauen kommt eine untergeordnete Rolle bei den Identitären zu, sie dienen dazu Inhalte zu vermarkten und stehen bei Aktionen in der ersten Reihe, um sich weiblich zu inszenieren. (Vgl. SIGL 2018, S. 172.) 2 Vgl. SPEIT 2018, S. 10. 3 Vgl. HENTGES / KÖKIGRAN / NOTTBOHM 2014, S. 8. Seite 1 des politisch Sagbaren schrittweise zu verschieben, was sich auch die Identitären zu Nutze machen, um rassistische menschenverachtende Sprache zu normalisieren. Beleidigungen, Ausgrenzungen, Anfeindungen bis Drohungen stehen auf Sozialen Medien an der Tagesordnung. Vor allem Online kann heute vieles wieder gesagt werden, was noch vor einigen Jahrzehnten nicht möglich war. Heute sind rechtsextreme Meinungen im öffentlich-politischen Diskurs wieder verankert und Akteur*innen nehmen am Diskurs teil, deren Zuordnung zum rechtsextremen Spektrum sie aus einem demokratischen Diskurs eigentlich ausschließen müsste. Momentan fehlen geeignete gesellschaftliche Gegenstrategien zum Rechtsruck und zu einer gewaltverherrlichenden Sprache. Es ist fast so etwas wie Hilflosigkeit im Umgang mit rechten Akteur*innen festzustellen.

In der wissenschaftlichen Forschung wird momentan ein diskursanalytischer Fokus darauf gelegt – jene eben dargestellten – Entwicklungen zu analysieren, die zu einer Verschiebung des Diskurs führen und eine Teilnahme rechter Akteur*innen am Diskurs erlauben. Außerdem wird eine ideologiekritische Auseinandersetzung betrieben, um Kontinuität der Identitären zum Rechtsextremismus und ihren historischen Vorgängern, den Nationalsozialist*innen und Faschist*innen offen zu legen. Vor allem ein kritisches Hinterfragen der Selbstinszenierung der Identitären anhand rhetorischer Mittel und visueller Kommunikationsformen steht momentan im Zentrum des Forschungsinteresses.

Es ist aber nicht nur die Wissenschaft die sich mit der Frage beschäftigt, wie man mit der Inszenierung der Identitären umgehen sollte. Da vor allem Medienvertreter*innen die Aktionen und Auftritte der Identitären zeit- und ereignisnah kommentieren und aufarbeiten, spielt der journalistische Bereich eine wichtige Rolle bei der Analyse der Identitären. Patrick Gensing analysiert, – im Beitrag „Zwischen PR und Realität. Die Wahrnehmung der Identitären Bewegung durch die Medien“ – dass in vielen journalistischen Berichten die Hintergrundinformationen der Identitären sowie Kontext und Intentionen ihrer Aktionen erläutert werden. Jedoch trifft dies „nicht für alle Berichte zu, teilweise ist es der IB auch gelungen, die erwünschten Bilder unhinterfragt zu inszenieren.“4 Vor allem wenn es an Zeit und personellen Ressourcen mangelt, werden Selbstinszenierung und Bilder der Identitären übernommen, dies trifft nach Gensing insbesondere bei der „Berichterstattung mit Bewegtbildern“ zu. Da die Identitären eine strategische Bildkommunikation betreiben, ist es „entscheidend, dass nicht nur in den Redaktionen Wissen vorhanden ist, was die mediale Strategie der Identitären angeht, sondern auch bei den Reportern

4 GENSING 2018, S. 201. Seite 2 und Fotografen vor Ort.“5 Die Berichterstattung über die Identitären ist eine Herausforderung für Journalist*innen, die eine ständige Reflexion erfordert.6 David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein Miteinander meint dazu im Zeit Online-Portal Störungsmelder – der Blog berichtet über die Aktivitäten der rechtsextremen Szene7:

„Für die Berichterstattung heißt dies, alles zu vermeiden, was eine bloße Wiedergabe der beabsichtigten Inszenierung der von den Identitären geschaffenen Bilder angeht. Die Berichterstattung sollte die geplante, wiewohl indirekte, unbeabsichtigte Mitwirkung an der strategischen Bildkommunikation der Identitären verweigern. Sie muss entweder auf Bilder verzichten oder solche Bilder suchen, die die heroische Inszenierung der Identitären dekonstruiert. Es geht also um beides: die Identitären als rechtsextreme Kadergruppe zu entlarven und ihren Bildern die ikonische Wiedergabe zu verweigern.“8

Die journalistischen Beiträge und Analyse von Auftritten und Aktionen der Identitären waren von grundlegender Bedeutung für diese Arbeit. Die Beschäftigung mit den Identitären aus wissenschaftlicher Perspektive hat sich in den letzten Jahren zunehmend intensiviert und nachfolgend soll ein Überblick über die wichtigste Literatur, auf die sich das vorliegende Forschungsinteresse stützt, angeführt werden. Besonders wichtig für die Recherche der Forschungsarbeit war der von Andreas Speit (Journalist und Publizist) herausgegebene Sammelband „Das Netzwerk der Identitären“ (2018). Hier werden rhetorische, visuelle, aktionistische Mittel der Identitären anhand von Text- Bild und Videomaterial dekonstruiert und die ideologischen Standpunkte, Aktionismus und Umfeld der Gruppierung analysiert. Der ideologiekritische Ansatz des Sammelbands verdeutlicht die Kontinuität der Identitären zum Rechtsextremismus und „Alten Rechten“ und stellt die Verbindungen und Netzwerke der Identitären dar. Der Sammelband „Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identitären‘“ (2018) – herausgegeben von den Sozialwissenschaftler*innen Judith Goetz, Joseph Maria Sedlacek und Alexander Winkler – beschäftigt sich ebenfalls mit der Verbindung der Identitären mit anderen Formen des Rechtsextremismus und analysiert kritisch die Selbstinszenierung der Identitären. Heribert Schiedel – Autorenname von Andreas Peham, Mitarbeiter des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) – zeigt in seinem Beitrag „Unheimliche Verbindungen. Über rechtsextremen Islamneid und die Ähnlichkeiten von

5 GENSING 2018, S. 200. 6 Vgl. Ebda. S. 201. 7 STÖRUNGSMELDER o.J; https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/ [9.9.2020]. 8 BEGRICH 2017, Bilder, Bilder, Bilder – wie Medien mit den Identitären umgehen sollten. In: Blog STÖRUNGSMELDER von ZEIT ONLINE, https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2017/05/22/bilder-bilder-bilder-wie- medien-mit-den-identitaeren-umgehen-sollten_23812 [28.8.2020]. Seite 3 Djihadismus und Counterdjihadismus“ die Übereinstimmungen von Islamismus und Rechtsextremismus anhand der Identitären auf. Bei aller deklarierter Feindschaft bestehen Überschneidungen bei Antisemitismus, Antifeminismus, Antiliberalismus, beim Konzept der Männlichkeit und Wehrhaftigkeit, bei Fetischisierung der Gewalt und des Todes, in der Rekrutierung und virtuellen Propaganda, sowie bei einem propagierten Untergangswahn.9 Weiters war das Buch „Das Netzwerk der Neuen Rechten. Wer sie lenkt, wer sie finanziert und wie sie die Gesellschaft verändern“ (2019) von Christian Fuchs und Paul Middelhoff (investigative Reporter bei der Wochenzeitung Die Zeit) eine wichtige Grundlage für das vorliegende Forschungsinteresse. Das Werk beschäftigt sich mit der Vernetzung der „Neuen Rechten“ von ihrem politischen Arm bis hin zu aktionistischen Gruppierung und enthüllt das Ausmaß der Einflussnahme des Netzwerk. Durch den Report wird gezeigt, „wie die ‚Neue Rechte’ versucht, die gesellschaftliche Mitte zu übernehmen.“10 Eine umfangreiche Analyse des europäischen Umfeldes der Identitären und ihrer ideologischen Strategien bieten Julian Bruns (Politikwissenschaftler und Autor), Katrin Glösel (Politikwissenschaftlerin und Redakteurin) und Natascha Strobl (Politikwissenschaftlerin und Autorin) in „Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa“ (2017). Das Handbuch befasst sich mit der politischen Verortung der Identitären, ihren historischen Vorbildern und Kontinuitätslinien zum Nationalsozialismus und Faschismus. Mit ihrem Buch wollen sie eine „politische Intervention anregen“ und wollen ein „nützliches ‚tool' für Schüler*innen, Studierende, Lehrende, Interessierte und vor allem antifaschistisch gesinnte Leser*innen zur Verfügung stellen“11:

„Indem wir ihre Ideologie offenlegen, ihre Strategien entzaubern, ihre Referenzen preisgeben, ihre Nahverhältnisse ihre persönlichen Verstrickungen und grenzüberschreitenden Netzwerke nachzeichnen. Ihre Logik zu verstehen und ihre Symbole und Sprache zu identifizieren, sind die wichtigsten Vorraussetzungen für Gegenmaßnahmen und Entkräftungsstrategien.“12

Ausgangspunkt ihres Buch ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Extremismusbegriff, welche ebenfalls eine wichtige Rolle für die vorliegende Arbeit spielen wird. Denn mit der Extremismustheorie kommt dem rechtsextremen Spektrum ein mächtiges begriffliches Mittel zur Hilfe, um sich als Akteur*innen zu legitimieren. Die Extremismustheorie – ein nostalgisches

9 Vgl. GOETZ / SEDLACEK / WINKLER 2018, S. 28. 10 FUCHS / MIDDELHOFF 2018, o.S. 11 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 10–11. 12 Ebda. S. 11. Seite 4 Politikverständnis – besagt, dass eine vermeintlich „neutrale Mitte“ der Gesellschaft von den beiden extremen Rändern (rechts und links) bedroht wird. Im Diskurs führte das „Hufeisendenken“ zur Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus. Durch die Behauptung beide Formen seien „gleich schlimm“, werden rechtsextreme Ideologien nivelliert und rechtsextreme Gewalt verharmlost.13 Es sind gerade jene neuen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus, wie die der „Neuen Rechten“14, die darauf abzielen gerade noch „anschlussfähig zum gesellschaftlichen

Diskurs zu bleiben und ihn durch kalkulierte Grenzverletzungen nach rechts zu verschieben.“15 Die theoretische Untermauerung der „Extremismusklausel“ – der Begriff wurde unter anderem stark von den Extremismusforschern Uwe Backes und Eckard Jesse geprägt (Vgl. Kapitel 2.2. Rechtsextremismus) – nutzen die Identitären, um ihre Inhalte und Teilnahme am Diskurs zu legitimieren. In den letzten Jahren konnten vor allem die Akteur*innen der „Neue Rechten“ rechte

Ressentiments als „berechtigte Sorgen“ und legitime Meinungen im Diskurs verankern.16 Die Extremismustheorie ist bedeutend für den Aufstieg „neurechter“ Akteur*innen, wie der Identitären, und daher ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff notwendig. Ohne die Ausführungen zur „Extremismusklausel“ vorwegzunehmen, wird an dieser Stelle auf Christoph Gollasch – vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technische Universität Berlin – verwiesen, der im Beitrag „Das Extremismuskonzept und Neue Rechte Konstellationen“17 nach einem „Zusammenspiel rechten Akteur*innen und Extremismuskonzept“ fragt.18 Gollasch zufolge dient das „Extremismuskonzept als populistisches Schutzschild“ für die „Neue Rechte“ und ist

„zum Teil sogar als politische Waffe“ zu verstehen.19 Gollasch schreibt dazu:

„Einerseits bewahrt es sie vor einer Ausgrenzung als ‚extremistisch‘, während sie als scheinbare Biedermänner die Grenzen des Sagbaren verschieben. Andererseits nutzen sie das Konzept zur Diffamierung politischer Gegner*innen. Dies ist überhaupt nur deshalb möglich, weil das Extremismuskonzept heute fest in der politischen Kultur der Bundesrepublik verankert ist. Die neuen rechten Konstellationen werden hingegen vor dem Hintergrund des aktuellen diskursiven Wandels zugunsten nationaler und autoritärer Perspektiven sichtbar.“20

13 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 24. 14 Die „Neuen Rechte“ ist ein loses Netzwerk aus Parteien wie der FPÖ oder AfD, sowie außerparlamentarischen Gruppierungen wie Pediga oder Identitäre Bewegung und andere Begleiterscheinungen wie das Compact-Magazin oder der Verein Ein Prozent. Bekanntester Akteur der „Neuen Rechten“ ist wohl Götz Kubitschek, der mit dem Institut für Staatspolitik eine Art neurechte Denkfabrik schaffte und dessen Antaios-Verlag mit der Zeitschrift Sezession, ein wichtiger Teil der „Neuen Rechte“ ist. (Vgl. FUCHS, MIDDELHOFF 2019, S. 154–155.) 15 BERENDSEN / RHEIN / UHLIG 2019, 15. 16 Vgl. DUNKEL / GOLLASCH / PADBERG 2019, S. 8. 17 GOLLASCH 2019, S. 12. 18 Ebda. S. 12. 19 Vgl. Ebda. S. 28. 20 GOLLASCH 2019, S. 28. Seite 5 Gollasch führt dazu weiters aus, dass „vor dem Stigma des ‚Extremismus‘“ es „neurechten“ „Vertreter*innen von AfD bis ein Leichtes, das Extremismuskonzept gegen linke Gegner*innen zu mobilisieren und damit den Diskurs insgesamt nach rechts zu verschieben.“21

Anhand jener Ausführungen von Gollasch wird exemplarisch anhand der rechtsextremen Gruppierung der Identitären, als Teil der „Neuen Rechten“, die Hypothese diskutiert werden, dass eine Gleichsetzung von rechts und links die Verankerung rechtsextremer Ideologie im breiten öffentlich-politischen Diskurs begünstigt. Es wird der Annahme nachgegangen, dass die mediale Berichterstattung und politischen Kommentare dahin tendieren, politisch linke und rechte Positionen als „gleich störend“ und „gefährlich“ zu bezeichnen. Dies erleichtert den Identitären im Diskurs zu agieren und sich auf einem vermeintlich demokratischen Diskurs zu bewegen. Folgend wird der These nachgegangen, dass sich die Identitären vor allem durch neue rhetorische Taktiken, aktionistischen Handlungsformen und eine vermeintlich unbelastete Bildsprache, immer wieder auf die gegnerische „linke Kultur“ bezieht, um sich vom traditionellen Rechtsextremismus abzugrenzen.

Durch die Referenzierung bereits bestehender bekannter politischer Kommunikations- und Handlungsformen, meist linker Strömungen, wie z.B. von Greenpeace oder PETA, werden rechte Botschaften im politischen Diskurs platziert.22 Die Ausrichtung an politisch etablierten Akteur*innen findet nicht nur auf argumentativer und inhaltlicher Ebene statt, sondern eben auch durch die Übernahme von kommunikativen Formen (etwa ästhetischen Positionen) und Handlungen (Protestaktionen). Hierbei werden vor allem Formen der politischen Meinungsäußerung aus Menschenrechts-, Naturschutz- oder anderen sozialen Bewegungen von den Identitären angeeignet. Ein optisch modernes Auftreten, welches sie vom „klassischen Neonazi“ differenziert, und die Aneignung von Protestformen wie Besetzungen, Demonstrationen oder das Anbringen von Transparenten rufen mediale Aufmerksamkeit hervor und schaffen diskursive Ereignisse, welche die Handelnden als Akteur*innen im politischen Diskurs konstituiert.23

In der folgenden Studie sollen jene Strategien der Identitären identifiziert werden, die ihren rechtsextremen ideologischen Grundkern offenlegen. Weiters sollen jene Taktiken dekonstruiert

21 GOLLASCH 2019, S. 28. 22 Vgl. RESCH / ZIMMERMANN 2017, S. 76. 23 Vgl. Ebda. S. 75–77. Seite 6 werden, die die Identitären als Akteur*innen im politischen Diskurs legitimieren. Die zentrale Fragestellung die verfolgt wird, ist es zu analysieren, durch welche strategischen Mitteln die Identitären eine Teilnahme am Diskurs aushandeln und auf welche Weise rechtsextreme Aussagen im öffentlich-politischen Diskurs verankert werden können. Dazu werden zentrale Kommunikationsstrategien dekonstruiert, die zur schnellen Verbreitung von Hasskultur dienen. Auf diese Weise soll gezeigt werden, wie die Identitären die Grenzen des Diskurs verschieben. Hierbei stehen folgende Unterfragen im Fokus:

1. Durch welche sprachlichen Formen und Inhalte versuchen sich die Identitären vom Rechtsextremismus abzugrenzen und wo werden Umdeutungen von Begriffen im Diskurs sichtbar? (Abgrenzungsmechanismen)

2. Wie werden Bilder und Botschaften verbreitet, um rechtsextreme Aussagen im Diskurs zu legitimieren? (Verbreitungsprozesse)

3. Wer sind die Akteur*innen, die Aussagen im Diskurs verankern und Aktivist*innen sowie potentielle Anhänger*innen mobilisieren? Welche Rolle spielen Online- bzw. Offline-Welten bei der Mobilisierung? (Mobilisierungsebenen)

In einem ersten Schritt bei der Beantwortung der Forschungsfrage erfolgt eine Auseinandersetzung mit zentralen Begriffen und Theorien (Nationalismus, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und „Neue Rechte“). Um den angesprochenen ideologischen Grundkern in Positionen der Identitären herauszuarbeiten, ist ebenso ein historischer Abriss der Transformation der österreichischen Opferthese in Zusammenhang mit der Entwicklung des Rechtsextremismus in Österreich erforderlich. Diese Kapitel sind grundlegend, um Kontinuitätslinien und Modernisierungsaspekte der Ideologie der Identitären erkennen zu können. Ausgangspunkt ist dabei die These, dass es sich bei den Identitären – entgegen ihrer Selbstdarstellung – um ein rechtsextremes, gewaltbereites, diskriminierendes, antifeministisches Netzwerk handelt, dem es gelingt „aus dem Schatten des Nationalsozialismus“24 hinauszutreten und dem dadurch eine Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs ermöglicht wird.

Die Identitären nutzen unterschiedliche Kommunikationsstrategien, um neue Begriffe, Bilder und Botschaften in den politischen Diskurs zu bringen, ideologische und inhaltliche Gemeinsamkeiten

24 SPEIT 1999, S. 22. / WINKLER 2018, S. 32. Seite 7 mit dem Rechtsextremismus verschleiern und geringfügige Unterschiede zur „Alten Rechten“ überbetonen, um ihre Ziel politisch umzusetzen. Daher werden im nachfolgenden Kapitel zur diskursiven Praxeologie schließlich jene Strategien der Identitären zur Verbreitung, Abgrenzung und Mobilisierung ihrer rechtsextremen Ideologie dargestellt. Dabei werden in einem ersten Schritt Narrative und Rhetoriken der Identitären analysiert, um zu zeigen wie sie durch das Umdeuten von Begriffen und Theorien versuchen sich von einer Verurteilung als „rechtsextrem“ zu distanzieren. Hier werden einerseits die zentralen rhetorischen Strategien der Identitären dargestellt, sowie die zentralen Narrativen der Identitären, etwa der Kampf um den „Erhalt der ethnokulturellen Identität“ und die Untergangserzählung über den „Großen Austausch“. Auf diese Weise wird versucht das Zusammenspiel rechtsextremer Narrative mit Rhetoriken der Bedrohung offenzulegen. Zweitens werden ästhetische Strategien der Identitären dargestellt, die einen Bezug zu sub- bzw. popkulturellen rechtsextremen Inhalten herstellen und normalisieren. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass es längst nicht nur sprachliche Darstellungsformen sind, welche die Identitären nutzten, denn mittlerweile werden rechtsextreme Botschaften ästhetisch pluralisiert und gestalterisch diversifiziert. Die Identitären integrieren neben textlichen ebenso zeichenhafte und bildliche Formate. Exemplarisch werden unterschiedliche Motive und die Bildsprache der Identitären identifiziert, die zur Vermarktung und Verbreitung identitärer Botschaften dienen: diese reichen von der Etablierung einer eigenen identitären „Marke“ bis zur popkulturellen Historie, wie im Kapitel ästhetische Normalisierung und Popularisierung diskutiert wird. Drittens werden die verschiedenen Mobilisierungsebenen: Von Online zu Offline der Identitären in den Blick genommen, um zu zeigen, dass es die zentralen Akteur*innen, sowie ein loses Netzwerk und eine hierarchischer Aufbau sind, welche eine einheitliche (Bild-)Sprache hervorbringen, um Aussagen möglichst weit in der Gesellschaft zu verbreiten. Außerdem wird auf die unterschiedlichen „Aktionen“ der Identitären eingegangen, die hier als Angriffe auf die demokratischen Grundwerte der virtuellen und realen Welt angesehen werden.

Im abschließenden Kapitel Diskursfigur: letzte Generation werden exemplarisch die gerade beschriebenen Strategien diskursanalytisch betrachtet. Anhand eines YouTube-Videos mit dem Titel „Zukunft für Europa - Identitäre Bewegung“, wird die Figur der „letzen Generation“, die einen „Bevölkerungsaustausch“ verhindern könne, als „Rhetorik der Angst“ und kämpferische (Bild-) Sprache dekonstruiert und das Gewaltpotential der identitären Narrative herausgearbeitet. Weiters wird die symbolische Aktion „Mission: Defend Europe“ analysiert. Dabei charterten 2017 Identitäre ein Schiff, um die Flucht von Menschen übers Mittelmeer zu behindern bzw.

Seite 8 Hilfsorganisationen an ihrer Arbeit zu behindern. Aktionen wie diese belegen nicht nur die Reichweite der identitären Strategien im Diskurs, sondern verdeutlichen wie Akteurinnen der Identitären, im Nachhinein die Steuerung von Bedeutungen, Botschaften und Bildern übernehmen. Aussagen der Identitären sind mittlerweile weit in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen und immer wieder kommt es dazu, dass rechtsextreme Terrorattentäter sich auf die Ideologie der Identitären, die Gewalt als „letzte Lösung“ vor dem angeblich bevorstehenden „Großen Austausch“ sieht, beziehen. Diese Entwicklung, dass die Ideologie der Identitären weltweit rechtsextreme Attentäter zu ihren Taten motiviert, wird in einem abschließenden Exkurs unter dem Titel „Generation Breivik“ analysiert werden.

Den theoretisch-methodischen Rahmen dieser Arbeit bildet eine diskursanalytische Herangehensweise. Dies leitet sich aus der Fragestellung ab, welche Diskursanalyse als konzeptionelle Haltung impliziert. Im Fokus steht – wie skizziert – dabei die Frage, wie die Identitären eine Teilnahme am politischen Diskurs aushandeln und wie dabei die Grenzen des Sagbaren verschoben werden. Der Begrifflichkeit des „Sagbaren“ ist unmittelbar mit dem Namen Michel Foucault verbunden.25 Basierend auf den Ausführungen von Philipp Sarasin soll Foucault’s Methode der Diskursanalyse aufgegriffen werden. Ziel ist es dabei jene diskursive „Strukturen“ zu identifizieren, welche dazu beitragen, dass identitäre Meinungen und Ideologien mittlerweile diskursiv und gesellschaftlich akzeptierter sind als jene der „Alten Rechten“ bzw. als Positionen des traditionellen Rechtsextremismus. Mittlerweile haben rechtsextreme Aussagen erneut wieder in abgeschwächter Form Eingang in den allgemeinen politischen Diskurs gefunden. Die Frage nach den Diskursstrategien der „Neuen Rechten“ (anhand der Identitären) hat das Potential, Veränderungen in der Geschichte nachzuvollziehen. Mit den Worten Philipp Sarasin’s geht es um, „den Zusammenhang zwischen diskursiven und außer-diskursiven Veränderungsprozessen.“26 Auf dieser Basis soll es möglich werden, gleichsam eine alte Struktur der Rechten einer neuen gegenüberzustellen und damit historische Brüche zu markieren.27 Die Frage nach der konzeptionellen und strategischen Ausrichtung der Identitären im Diskurs wird exemplarisch anhand von Sprach-, Bild- und Filmmaterial dargestellt. Von Tweets und Memes28 bis YouTube Vlogs sollen verschiedene diskursive Kommunikationsformen und -funktionen im

25 SARASIN 2007, S. 199. 26 Ebda. 27 Vgl. SARASIN 2007, S. 200. 28 Als „Memes“ werden Bild-, Text- und Video-Kompositionen bezeichnet, „die in bestimmten Netzkulturen eine eigene Internetsprache herausbilden, anhand derer über das Alltagsleben, Nachrichten, aber auch über Politik kommuniziert werden kann und sich somit Sozialität verarbeiten lässt.“ (Vgl. PAULIKS 2017, S. 80.) Seite 9 identitären Diskurs, vor allem multimodale Elemente und die Frage der Intermedialität berücksichtigt werden. Hierbei wird vor allem auf die Mobilisierung im Internet eingegangen, die für die Aktionen der Identitären im realen bzw. Offline- Raum notwendig sind. Die Methode soll Rückschlüsse erlauben auf Ausgangspunkte, Verlauf und Verbreitung des Diskurs, auf Träger*innen und Institutionen, auf Dynamiken des Diskursnetzwerks und deren Hierachien, auf Geschwindigkeiten und Bedeutungen des Diskurs (als realer oder imaginärer Propagandadiskurs).

Seite 10 2. Theoretische Grundlagen

Die theoretische Grundlage für das vorliegende Forschungsinteresse liegt in der definitorischen Auseinandersetzung mit den zentralen Theorien und Begriffen. In einem ersten Schritt wird die Funktion des ideologischen Grundpfeiler der Identitären, der völkische Nationalismus kritisch hinterfragt werden. Die Frage wird sein, warum sich vor allem junge Menschen, die in einer globalisierten Welt aufgewachsen sind, weiterhin auf ein national-völkisches Weltbild beziehen und warum die Nation die „machtvollste Quelle für kollektive Identität“ ist.29

Neben der identitären Weltanschauung des völkischen Nationalismus, gilt es vor allem eine ideologiekritische Einordnung der Identitären als rechtsextreme Gruppierung vorzunehmen. Daher soll der zentrale Begriff des Rechtsextremismus wissenschaftlich aufgearbeitet werden und jene Merkmale rechtsextremer Ideologie analysiert werden, die die Identitären als solche kategorisieren. Außerdem wird hierbei eine kritische Auseinandersetzung mit der Extremismustheorie nach Jesse und Backes erfolgen, da diese als Grundlage für den staatlichen Verfassungsschutz in Österreich dient. Weiters steht der Begriff des Rechtspopulismus im Fokus der theoretischen Grundlage. Da vor allem rechtspopulistische Parteien (Bsp.: FPÖ) immer wieder Inhalte und Sprache rechtsextremer Gruppierungen wie der Identitären übernehmen, stellt sich die Frage nach Grenzen bzw. Kontinuität zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Zuallerletzt wird außerdem nach Kontinuitätslinien im rechten Spektrum zwischen „Neuen“ und „Alten Rechten“ gefragt sowie nach Modernisierungsschüben der „Neuen Rechten“.

2.1. Völkischer Nationalismus

Die Nationalismusforschung hat in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt. Als Gründe können nach Ute Planert „aktuelle Re-Ethnisierungsprozesse, Globalisierungserfahrungen und die Einschränkung des nationalen Prinzips in West- und Zentraleuropa bei einer gleichzeitigen

Reinaissance des Nationalismus“30 in Osteuropa genannt werden. Avtar Brah wiederum konstantiert ein verstärktes Wiederaufleben von Nationalismus und Rassismus.31 In der wissenschaftlichen Debatte über die Definition von Nation hat sich ein Modell herausgebildet, welches „zwischen der politischen ‚Willensnation‘ nach französischem Vorbild’

29 MENSE 2018, S. 231–232. 30 PLANERT 2000, S. 17, zit. n. ZETTELBAUER 2005, S. 60. 31 BRAH 1996, S. 24–26, zit. n. ZETTELBAUER 2005, S. 60. Seite 11 einerseits und der ‚Kulturnation‘ nach deutschem Muster andererseits unterscheidet“32. Nationen die als „Willensnationen“ verstanden werden, konstituieren sich über „den politischen Willen“ bzw. „eine politische Einheit“, während die „kulturelle Einheit nur Ausdruck der bestehenden Nation“ sei33. „Kulturnationen“ werden wiederum als Nationen verstanden, „deren ethno-kulturelle Geschlossenheit […] das bestimmende Kriterium“ sei und „die politische Einheit nur als Ausdruck der kulturellen Einheit gilt“34. Heidrun Zettelbauer führt mehrere Kritikpunkte am Modell der „Willensnation“ bzw. „Staatsnation“ versus „Kulturnation“ aus. So ist der Versuch die „(Kultur-) Nation mit Sprachgemeinschaft zu identifizieren“ problematisch, da Sprache als „unabhängige Variable“ verstanden wird. Ein weiter problematischer Punkt bezieht sich auf den wissenschaftliche Diskurs, da in der Literatur über Nation „die Trennung von Staats- und Kulturnation vielfach mit politischen wertenden Dichotomisierungen und Konotationen von ‚gut‘ und ‚böse‘ unterlegt“ wurden.35 Nach Dirk Richter handelt es sich um einen „historischen Mythos“, wenn die Auffassung vertreten wird, dass der „gute Nationalismus“ ethnische Grenzen überwinde und in einer friedlichen Koexistenz mit den Nachbarn lebe, „ohne den Stolz auf die eigene Nation aufzugeben“. Während ein „schlechter Nationalismus“ die Eigenschaften der „eigenen Nation als oberste Werte“ sieht und

„aufgrund dieser Superiorität ein Agressionspotential nach außen ausbilde“.36 Jedoch zeigt sich, „dass alle Nationen […] Feindbilder und Abgrenzung brauchen, um nationale Identität zu schaffen und im Zuge der Herstellung von Identität und Differenz auf kulturelle Muster zurückgreifen“37. Das Konzept der Unterscheidung von Staatsnation und Kulturnation kann als idealtypisches Modell verstanden werden, „welches in der Praxis allerdings in dieser Form kaum exisitiert, wenngleich es als Vorstellung vielfach handlungsanleitend war“38.

Peter Alter wiederum definiert „Nationen als soziale Gruppen“, die „aufgrund vielfältiger historisch gewachsener Beziehungen sprachlicher, kultureller, religiöser und politischer Art ihrer

Zusammengehörigkeit und ihrer besonderen Interessen bewusst geworden sind.“39 Anthony Smith geht davon aus, dass „die meisten Nationen historisch auf Basis ethnischer Gemeinschaften entstanden“ sind und „Erben älterer Kollektive“ seien.40 Jedoch ist die These problematisch, „da

32 ZETTELBAUER 2005, S. 62. 33 Vgl. Ebda. 34 Ebda. 35 Ebda. S. 63. 36 RICHTER 1994, S. 304-321, zit. n. ZETTELBAUER 2005, S. 63. 37 ZETTELBAUER 2005, S. 63. 38 Ebda. S. 64. 39 ALTER 1985 S. 23. zit. n. ZETTELBAUER 2005, S. 64. 40 SMITH 1991, S. 39. zit. n. ZETTELBAUER 2005, S. 65. Seite 12 hier mit einem Begriff einer scheinbar ‚natürlich‘ gewachsenen kulturellen Ethnizität gearbeitet wird.“41 Der Begriff der Ethnizität ist jedoch von zentraler Bedeutung für nationale Projekte, „da sich verschiedene Gruppen in nationalen Bewegungen als ethnisch definieren.“42 Frederic Barth erläutert zum Begriff der Ethnizität, dass ethnische Gruppen „über Selbstidentifikation sowie durch Zuschreibungen durch andere“ konstruiert werden und betont, dass ethnische Gruppen über „soziale Prozesse der Abgrenzung“ definiert werden.43 Barth betont weiters, dass die „Veränderbarkeit der Gruppendefintion […] durch sozio-ökonomische Prozesse oder politischen

Wandel bedingt sein können“ und daher kann Ethnizität als historisches Produkt begriffen werden.44 Die verschiedenen Kriterien einer ethnischen Abgrenzung, wie „der Glaube an eine gemeinsame Abstammung und gemeinsame Kämpfe, Bindungen an ein Heimatland, das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit durch gemeinsame Sprache, Religion, soziale Gewohnheiten oder Traditionen“ können sich je nach Situation abwechseln und daher sind für Barth „ethnische Gruppen keine Kategorien ‚ursprünglicher Bindung‘, sie können aber unter bestimmten politischen Konstellationen so repräsentiert werden, als seien sie es.“45 So verweist auch Avtar Brah darauf, dass ethnische Gruppen durch heterogene Kategorien (Geschlecht, Religion, Kaste, Sprache oder Klasse) bestimmt werden.

„So kann eine politische Mobilisierung von Ethnizität dazu führen, dass gruppen-interne Differenzen verborgen werden und eine Einheit postuliert wird, die in dieser Form nicht existiert, da Menschen immer innerhalb mehrer Ethnizitäten verankert sind. Brah betont, dass es notwendig ist, den jeweiligen Zweck von Ethnizität zu eruieren, denn sie kann sowohl nicht-hierarchisch sein, als auch dazu dienen, Überlegenheit einer Gruppe über die andere herzustellen.“46

Diese Ausführungen zur Ethnizität sind im Diskurs der „Neuen Rechten“ und insbesondere für die Identitären von Bedeutung, da sie Ethnizität als „natürliche Einheit“ verstehen. Wohingegen aber die aktuelle Forschung zeigt, dass Ethnizität und kollektive Einheiten konstruierbar sind. So sind Nationen sowie Völker historisch bedingte, gesellschaftliche Konstruktionen des modernen Zeitalters, die einem stetigen Wandel unterliegen.47

41 ZETTELBAUER 2005, S. 65. 42 Ebda. 43 BARTH 1969, S. 45. zit. n. ZETTELBAUER 2005, S. 65. 44 Ebda. 45 Ebda. 46 Ebda. S. 66. 47 ZETTELBAUER 2005, S. 66. Seite 13 Neuere Ansätze gehen davon aus, dass sich der „Ursprung von Nationen“ im Übergang zum industriellen Zeitalter verorten lassen.48

„Nationen und Nationalismus bildeten sich als Begleiterscheinungen der Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise heraus und standen in enger Verbindung mit den großen Umwälzungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts: Industrialisierung, Säkularisierung, Aufklärung und die bürgerlichen Revolutionen.“49

Demnach brachte der Übergang vom „feudalen zum bürgerlich-kapitalistischen Staat“ ein

„nationales Bewusstsein als Massenphänomen“ hervor.50 Ernest Gellner betont, dass „der grundlegende Imperativ einer gemeinsam getragenen Kultur, die durch Erziehung vermittelt wird und auf Bildung beruht, […] ‚Gleichschaltung‘“ ist.51 Die industrielle Arbeitsteilung der Moderne verlangte nach einer „austauschbaren“ Bevölkerung, die mobil, schriftkundig und kulturell homogenisiert ist. Die vom Staat vermittelte kulturelle Homogenisierung, führte zu einer Verschmelzung von Staat und Kultur.

Eines der populärsten Nationskonzepte stammt von Benedict Anderson, er versteht Nationen als ‚erfundene‘ bzw. ‚imaginierte‘ Gemeinschaften. Während die Mitglieder einander nicht alle kennen können, so klein die Nation auch ist, existiert in den Köpfen der Mitglieder ein Bild der nationalen Gemeinschaft. Anderson definiert diese Vorstellung als begrenzt und von anderen Nationen abgegrenzt, daher wird die nationale Einheit als ein „kameradschaftlicher Bund von Gleichen“ imaginiert. So führt auch Zettelbauer aus, dass in Bezug auf die Imaginationen der Ideologen des deutschen Nationalismus, ein „einiges Volk von Brüdern“ imaginiert wird.52 Die Nation als „kameradschaftlicher Bund“ kennt nur noch ein gemeinsames Interesse, das nationale. Nationale Identität überdeckt demnach „soziale Risse in der Gesellschaft“ und „verinnerlicht Herrschaft“.53

„Eine der gesellschaftlichen Hauptaufgaben von Nationalismus stellt bis heute seine Funktion als Herrschaft legitimierende und sichernde Ideologie dar. […] Die Weltordnung des 21. Jahrhunderts ist eine nationale. Das Nationale ist in den globalen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen ebenso bestimmend wie in den Bewusstseinsformen.“54

48 ZETTELBAUER 2005, S. 66. 49 MENSE 2018, S. 232. 50 ZETTELBAUER 2005, S. 66. 51 GELLNER 1991, S. 39. zit. n. ZETTELBAUER 2005, S. 66 52 ZETTELBAUER 2005, S. 67. 53 MENSE 2018, S. 233. 54 Ebda. Seite 14 Thorsten Mense veranschaulicht dies anhand des praktische Beispiel, einen Blick auf die Weltkarte im Atlas zu werfen, denn die bunten exakten Grenzen vermitteln den Eindruck einer „natürlichen Ordnung“. Obwohl viele Nationalstaaten eine recht junge Existenz haben, wird die „nationale

Ordnung […] zur unhinterfragbaren ‚Zweiten Natur‘“.55

„Diese Ordnung und die mit ihr verbundenen objektiven Zwänge finden ihren Widerhall im Nationalismus als kollektive Bewusstseinsform, als ‚notwendig falsches Bewusstsein‘, das sich aus der Struktur moderner Gesellschaften und der Stellung des Individuums in ihnen generiert. Nationalismus besteht somit nicht in einem ‚Rückgriff‘ auf überholte nationale und ethnische Denkmuster, sondern er stellt einen gesellschaftlichen Prozess dar, der aus der kapitalistischen Moderne selbst hervorgeht.“56

Messe Betracht den Nationalismus als eine Ideologie, in einer Welt, „in der formell alle frei und gleich sind, es real aber niemand ist.“57 Diese Ideologie rechtfertigt die bestehenden Verhältnisse und dient „der fortwährenden Ungleichheiten und Unfreiheit.“58 Im Nationalismus werden daher gesellschaftliche Differenzen „als ethnische dargestellt“ und ihnen ein „natürlicher Ursprung zugeschrieben.“59 Als Ideologie ethnischer Identifikation ist Nationalismus eine „spezifische Art und Weise, die Welt zu sehen und sich in ihr zu verorten.“60

„Nationalismus beginnt somit auch nicht erst bei kriegerischen Auseinandersetzungen, rassistischen Protesten, militärisch bewachten Grenzen oder wenn Großmachtphantasien formuliert werden, sondern bereits bei der unhinterfragten Identifikation mit der Nation, der nationalen Identität. Damit verbunden ist die Vorstellung einer Welt, die aus Völkern und Nationen besteht die voneinander durch Geschichte, Kultur, Sprache und Abstammung abgegrenzt sind […].“61

So zeigt sich das, dass Weltbild der Identitären stark auf einem völkischen Nationalismus beruht und nach Mense auf einem „nationalistischen ‚common sense‘“ beruht, der in den meisten Gesellschaften vorherrscht. So schreiben die Identitären über ihre „Identität“:

„Die Sprach- und Gedankenwelt, die organische Gemeinschaft in die wir hineingeboren sind, bildet unser Dasein in der Welt und gibt uns eine perspektivische Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie sie so kein anderes Volk hat. Aus diesem Bewusstsein folgt die Erkenntnis

55 MENSE 2018, S. 234. 56 Ebda. 57 Ebda. S. 235. 58 Ebda. 59 Ebda. 60 Ebda. 61 Ebda. Seite 15 um die Vielfalt der Identitäten, die Welt der tausend Völker und Kulturen, die je ihre eigene Geschichte, ihr eigenes Schicksal und ihre eigene Sprachwelt haben.“62

So geht hervor, dass die Identitären der Vorstellung folgen, dass die nationale und ethnische Zugehörigkeit zu einer spezifischen Kultur zum größten Teil die Persönlichkeit bzw. Identität bestimmt.63

2.2. Rechtsextremismus

Rechtsextremismus hat sich in der Wissenschaft mehrheitlich als Bezeichnung „von nationalistischer Politik unter antiegalitären und antipluralistischen Imperativen - vom

Neonazismus bis zur Neuen Rechten“ durchgesetzt.“64 Zur Geschichte und Entwicklung der „Neuen Rechten“ sei an dieser Stelle auf das vielzitierte Werk „Die Neue Rechte und der Neorassismus“ von Ines Aftenberger verwiesen. Aftenberger setzt sich dabei auch kritisch mit der Bedeutung der Extremismusforschung und des „Hufeisenmodells“ für die „Neue Rechte“ auseinander.65

Die Extremismusforschung selbst entwickelte sich unter besonders aktiver Mitwirkung des Verfassungsschutzes. Dieses Nahverhältnis zwischen wissenschaftlicher Forschung und der Praxis des Verfassungsschutzes ist nach wie vor problematisch. Die Extremismusforschung in Deutschland ist etwa in der „Bundeszentrale für politische Bildung“ rund um Uwe Backes und Eckard Jesse angesiedelt. Das wissenschaftliche Fundament einer Kategorisierung von „rechtsextrem" bzw. der verfassungsstaatlichen Verfolgung und Beobachtung bildet das sogenannte „Hufeisenmodell“, welches von einer vermeintlich neutralen „Mitte“ und zwei gleich „extremistischen“ Rändern links und rechts davon ausgeht. Der bildliche Ansatz des „Hufeisenmodells“ bzw. die Theorie der „Extremismusklausel“ besagt, dass sich die beiden Rändern wandeln und aneinander angleichen, so dass sie sich letztlich berühren und in ihrer Ablehnung der Demokratie zusammenlaufen. Aus einer aktuellen politiktheoretischen Perspektive ist das „Hufeisenmodell“ inadäquat und undifferenziert, etwa weil ganze Parteien mit unterschiedlichsten politischen Positionierungen und Inhalten gleichgesetzt werden. Die Extremismustheorie nach Backes und Jesse trägt aktuell maßgeblich zur Banalisierung und Normalisierung rechter Meinungen im politischen Diskurs bei. Linksextreme Gewalt wird gemäß Vertreter*innen der „Extremismusklausel“ überschätzt, während rechte Gewalt

62 IB o.J; 100% Identität – 0% Rassismus. https://identitaerebewegung.wordpress.com/positionierungen/100-identitat-0- rassismus/ [18.8.2020]. 63 Vgl. MENSE 2018, S. 236. 64 AFTENBERGER 2007, S. 27. 65 Ebda. S. 28. Seite 16 unterschätzt wird. So setzt Jesse etwa, die Gewalttaten der Rechten in Chemnitz66 mit denen linker Umweltaktivisten im Hambacher Wald67 gleich. Im Folgenden wird die Extremismusklausel ein zentrales Forschungsproblem darstellen.

Der Ansatz von Backes und Jesse bringt nach Wolfgang Wippermann zum Ausdruck, dass „eine generelle Annäherung und schließlich ein einheitliches Phänomen namens Extremismus existiere, gegen das eine idealisierte demokratische Mitte abgegrenzt wird.“68 Backes und Jesse fordern den

Staat auf, eine „Äquidistanz“ zu den extremistischen Rändern zu halten.69 In der Kritik steht die Theorie vor allem auch durch die theoretische Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremen. Außerdem sehen die beiden Wissenschaftler eine unausgesprochen „Komplizenschaft“ zwischen links und rechts und gehen soweit, zu behaupten, dass die beiden Extreme einander brauchen:

„Letztlich sind sie gar nicht daran interessiert, dass die andere Variante des Extremismus, die sie zu bekämpfen vorgeben, gänzlich von der Bildfläche verschwindet. Sie wollen vielmehr das hervorrufen, was sie so heftig attackieren.“70

Der Forschungsansatz erlaubt zudem eine rein einseitige Betonung von verfassungsrechtlichen Kriterien, welche zur verzerrten Darstellung der untersuchten Phänomene führt, zudem wird das rassistische Potential der Rechten völlig außer acht gelassen.71 In der Kritik steht außerdem die damit verbundene Ausblendung antidemokratischer Tendenzen in der gesellschaftlichen „Mitte“, welche der Banalisierung und Nivellierung rechtsextremer Ideologie dient.72 Darauf verweist etwa Richard Stöss und kritisiert die Theorie von Backe und Jesse, als „unbrauchbar“ für die Sozialwissenschaften, „denn sie bezeichne Extremismus als Gegenteil der Demokratie und

66 Nach einem tödlichen Messerangriff von Asylbewerbern auf einen 35-jährigen Deutschen beim Chemnitzer Stadtfest, nutzen Rechtsextremist*innen die Tat, um für einen „Trauermarsch“ zu mobilisieren. In Chats von Rechtsextremen wurde damit angegeben, dass sie eine gezielte „Hetzjagd“ auf ausländisch aussehende Menschen organisierten. Das Gewaltpotential bei diesen rechtsextremen Ausschreitungen war hoch und es kam zu Straftaten von Körperverletzungen, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und zur Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Hitlergruß). Insgesamt wurden 267 Strafverfahren eingeleitet, wovon 138 Fälle als politisch rechts motiviert gelten. (Vgl. ZEIT ONLINE 2019, LKA sieht Belege für rechte Absprachen über "Jagd" auf Migranten. https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-08/chemnitz-hetzjagden-migranten-ausschreitungen- chatprotokolle [14.672020].) 67 Der nur wenige hundert Hektar große Forst direkt neben einer riesigen Kohlegrube gilt als Symbol des Widerstands von Antikohleaktivist*innen gegen Umweltzerstörung durch die Kohlewirtschaft. Seit den 1970er Jahren rodet der Energiekonzern RWE den Wald. Ab 2012 errichten Aktivist*innen Baumhäuser, um gegen die drohende Abholzung zu demonstrieren. 2018 erreichte der Protest seinen bisherigen Höhepunkt, als zehntausende Menschen am Hambacher Wald für den Kohleausstieg und die Einhaltung der Pariser Klimaziele demonstrieren. (Vgl. ZEIT ONLINE 2017, Fuchs gegen die Maschine. https://www.zeit.de/gesellschaft/2017-08/braunkohleabbau-nrw-rwe-hambacher-forst- protest/komplettansicht [20.7.2020]. / Vgl. ZEIT ONLINE 2019, Die Aktivisten sind zurück. https://www.zeit.de/ gesellschaft/zeitgeschehen/2019-03/hambacher-forst-rwe-umweltaktivisten-urteil-braunkohlerevier [20.7.2020].) 68 AFTENBERGER 2007 S. 30. 69 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 24. 70 BACKES / JESSE 1989 S. 271. zit n. AFTENBERGER 2007 S. 30. 71 AFTENBERGER 2007, S. 31. 72 Vgl. Ebda. S. 25. Seite 17 unterschlage dabei, dass extremistisches Gedankengut auch in der Mitte einer demokratischen Gesellschaft existieren kann.“73

„Vielmehr kann gar nicht oft genug betont werden, dass rechtsextremes Gedankengut eine militante Steigerungsform der zentralen Werte und Ideologien spätbürgerlicher Gesellschaften darstellt. Zwischen dem rechtsextremen ‚Rand‘ und der demokratischen ‚Mitte‘ besteht Kontinuität. Entgegen der landläufigen Auffassung des Rechtsextremismus als ein reines Randgruppenphänomen begreife ich ihn als Übertreibung gesellschaftlicher Normalität.“74

Insbesondere Jesse und Backes rücken ins Visier der Kritiker*innen und Öffentlichkeit, da die beiden Wissenschaftler „auch in wissenschaftlichen Publikationen rechte Gewalt und menschenverachtende Einstellungen in der Bevölkerung [Anm. relativieren] und machen darüber hinaus auch mit Verharmlosungen und Relativierungen des Nationalsozialismus auf sich aufmerksam.“75

Hinsichtlich der Verwendung des Extremismusbegriffs fällt jedoch ins Auge, dass der Großteil der Autor*innen trotz Kritik am Begriff festhalten. Einerseits spricht die alltagssprachliche Verwendung des Begriffs dafür, andererseits scheint die Einführung eines alternativen Klassifikationsbegriffs schwierig zu sein. Daher wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff „rechtsextrem“ nicht nach der Definition von Backes und Jesse gefasst, sondern unter Rekurs auf Andreas Peham als Ideologie, in deren Zentrum eine homogene „Volksgemeinschaft“ als Konzept steht.76 Eine ausführliche Definition nach inhaltlichen Unterscheidungspunkten bietet außerdem der Klagenfurter Historiker Willibald Holzer. Er erfasst mit dem Begriff ein Bündel von Merkmalen, welches auch im

Folgenden als Arbeitsdefiniton dienen wird.77 Andreas Peham wiederum identifiziert die grundlegenden Elemente des Rechtsextremismus in einer Auflistung für das DÖW:

- Ein Denken und Handeln entlang von „Völkern“, welche mit einer unveränderlichen „Identität“ ausgestattet und an den individuellen Rechten gleichstellt gedacht werden.

73 STÖSS 2015, Kritische Anmerkungen zur Verwendung des Extremismuskonzepts in den Sozialwissenschaften. In: BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (BPB), http://www.bpb.de/politik/extremismus/ rechtsextremismus/200099/kritische-anmerkungen-zur-verwendung-des-extremismuskonzepts-in-den- sozialwissenschaften [20.8.2019] 74 PEHAM o.J; Rechtsextremismus als politische und pädagogische Herausforderung. https://www.doew.at/cms/ download/5gm50/peham_rechtsextremismus_paedagogik.pdf S.4-5. [11.9.2019]. 75 MAYER 2019, S. 200. 76 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 26. 77 PEHAM o.J; Rechtsextremismus als politische und pädagogische Herausforderung. https://www.doew.at/cms/ download/5gm50/peham_rechtsextremismus_paedagogik.pdf S. 2. [11.9.2019] Seite 18 - Eine Ideologie einer „homogenen Volksgemeinschaft“, welche in Opposition zu einer „Elite“ und unter ständiger Bedrohung steht (Krisenmoment). - Die Behauptung einer „natürlichen Ungleichheit“ zwischen den Geschlechter. Damit einhergehend eine Haltung gegen soziale Emanzipationsbestrebungen (z. B. Feminismus). - Ein Nationalismus, der andere Nationen als „minderwertig“ betrachtet. - Eine Dichotomisierung der Gesellschaft (Freund-Feind-Schemata) und ein starres Denken in festen antagonistischen Gruppen (z.B.: „wir“ und „die anderen“ bzw. „unser Volk“ und „die Fremden“). - Ein rigider Geschlechterdualismus, der ein starres Konzept heteronormativer (als natürlich legitimierter) Zweigeschlechtlichkeit postuliert und die Ablehnung jeder Abweichung von einer behaupteten „Norm“ (z.B. Homophobie). - Die Produktion eines „Begriffsfetisch“ (Umdeutungen und Neubesetzung von Begriffen) und politischer Mythen als Form der Argumentation und des Narrativs (Irrationalismus). - Eine Sündenbockmentalität und die Neigung zu personalisierenden und verschwörungstheoretischen Welterklärungen (Täter-Opfer-Umkehr). - Die Einbettung und Steigerung realer Krisenerfahrungen und Bedrohungsszenarien in einem allgemeinen Katastrophendiskurs. Eine Angstpolitik wird verfolgt sowie die Behauptung einer drohenden Zerstörung, um eine dauernde Mobilisierung zu erreichen. - Ein kultureller Rassismusbegriff und ein codierter Antisemitismus, eine nationalisierende (deutschnationale) Geschichtsbetrachtung bis hin zu Revisionismus und NS-Apologie, eine antidemokratische Einstellungen und antiliberale Ordnungsvorstellungen („starker Staat“). - Die Anwendung einer spezifischen (aggressiven, militanten, abwertenden) Sprache und einer auf „assoziative Diffamierung und suggestive Überredung angelegten Diktion“ (Kriegs- und

Tiermetaphern und Kult der (phallischen) Stärke/Hypermaskulinismus).78

Nach Andreas Peham müssen nicht alle Elemente vorhanden sein, um von Rechtsextremismus sprechen zu können. Als definitorisches Minimum gilt ihm jedoch die Verwandlung von sozialer in „natürliche Ungleichheit“, um welche sich das Gefühl der „Volksgemeinschaft“ mit Autoritarismus und Antisemitismus/Rassismus gruppiert. Rechtsextremismus ist somit als eine spezifische Anordnung jener Elemente zu verstehen, „wobei diese dauernd neu geordnet und gewichtet werden“ und daher „kein starres, unveränderliches Phänomen“ bilden.79

78 PEHAM o.J; Rechtsextremismus als politische und pädagogische Herausforderung. S. 3–5. https://www.doew.at/cms/ download/5gm50/peham_rechtsextremismus_paedagogik.pdf [11.9.2019]. 79 Ebda. S. 4–5. Seite 19 Klassifikation der Identitären nach BVT und DÖW

In Österreich orientiert sich die Klassifikation und Definition von „rechtsextrem“ stark am Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), welches die Identitären seit 2014 als eine rechtsextreme Gruppierung überwacht.

„Charakteristisch für rechtsextremistische Einstellungs- und Handlungsmuster ist die Verherrlichung eines „völkischen Nationalismus“ mit deutschnationalen bzw. nationalistisch-konservativen Konzepten. Zentrale Wesensmerkmale rechtsextremistischer Ideologien sind antidemokratische und antipluralistische Gesellschaftsauffassungen bei gleichzeitiger Ablehnung des vorherrschenden (d. h. demokratischen) politischen Systems. In seiner äußersten Steigerungsform kann sich Rechtsextremismus bis hin zum (Rechts-)Terrorismus steigern, um systematisch gegen politische Gegner, gegen Opfergruppen rechtsextremistischer Weltanschauungen und gegen staatliche Institutionen bzw. gegen ihre Repräsentanten vorzugehen.“80

Die österreichische Staatsschutzbehörde (BVT) versteht unter Rechtsextremismus somit eine Sammelbezeichnung für politische Bestrebungen, die von der Forderung nach einer sozialen Ungleichheit geprägt sind und die vor allem den demokratischen Verfassungsstaat ablehnen. Im Verfassungsschutzbericht 2017 werden den Identitären in diesem Zusammenhang als Teil der „Neuen Rechten“ ein eigener Fachbeitrag gewidmet und die Gruppe dezidiert als rechtsextrem eingestuft:

„Die offensichtlichste Strategie derartiger Bewegungen und Netzwerke liegt einerseits im Versuch, rechtsextreme Einstellungsmuster in der Öffentlichkeit ‚salonfähig‘ zu machen und andererseits im Bemühen, klassische rechtsextreme Szenestrukturen aufzubrechen und sich als junge popkulturelle Avantgarde zu stilisieren. Es ist erkennbar, dass diese Abgrenzungsversuche strategischen Hintergrund haben, um die weitere Ausbreitung derartiger Netzwerke nicht zu gefährden.“81

Weiters identifiziert das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) die Identitären als rechtsextrem aufgrund ihrer Überordnung des „Volkes“ als „organische Gemeinschaft“ gegenüber dem Individuum. 2014 stufte auch das DÖW die Identitären als rechtsextrem ein und warnte vor deren Rassismus, welcher sich hinter positiven Formulierungen und Neucodierungen versteckte. Das DÖW definiert die Identitären als eine,

„[…] rechtsextreme Jugendorganisation mit vielfältigen faschistischen Anklängen in Theorie, Ästhetik, Rhetorik und Stil. Durch Aktionismus mit begleitender Pressearbeit nach

80 BVT 2016, Verfassungsschutzbericht 2016. S. 11. https://www.bvt.gv.at/401/files/Verfassungsschutzbericht2016.pdf, [1.9.2019]. 81 BVT 2017, Verfassungsschutzbericht 2017 S. 25. https://www.bvt.gv.at/bmi_documents/2202.pdf [12.9.2019]. Seite 20 dem Vorbild von NGOs und intensive, vergleichsweise professionelle Bespielung sozialer Medien wird eine große Breitenwirkung angestrebt. Daneben zeigt die IBÖ sich bemüht, u. a. über popkulturellen Eklektizismus, das Andocken an rechtsoffene Subkulturen, Internet- Memes, Graffitis und einen von den Führungskadern Martin Sellner und Patrick Lenart betriebenen Online-Versand Phalanx Europa von selbst designten Textilien und von Musik, dem im Namen behaupteten Bewegungscharakter gerecht zu werden. Entsprechend der Herkunft der IBÖ aus dem deutsch-völkischen Korporiertenmilieu und einem von dort wie auch aus dem historischen Faschismus übernommenen Selbstverständnis als Kampfbund wehrhafter/soldatischer Männer finden sich (einzelne) Frauen nur in den unteren Funktionsebenen der Gruppierung.“82

Oberflächlich geben sich die Identitären als „Jugendbewegung“ während sie aber eine starke Verbindung zum „deutsch-völkischen Korporiertenmilieu“ aufweisen. Die Verbindungen zum historischen Faschismus werden durch popkulturelle Bezüge und eine Neuinszenierung verdeckt. So kann man die Identitären aufgrund ihrer Darlegungen einer „homogenen Volksgemeinschaft“, sowie der Behauptung einer „natürlichen Ungleichheit“ und einer Dichotomisierung der Gesellschaft in eine „Wir“- und die „Anderen“-Gruppe – verbunden mit kulturrassistischen Erklärungsmustern – klar als rechtsextrem einstufen. So beginnt nach Julia Ebner, Wissenschaftlerin vom Institut for Strategic Dialog (ISD) in London, der Radikalisierungsprozess dann, wenn alle anderen „Schichten von Identität bis auf Ideologie“ ausgetrieben wurden. Ideologie definiert dann alles andere und die eigene Identität verschmilzt mit der Identität der radikalen Gruppe und dadurch entstehen zwei Gruppen, dass „Innen“ und „Außen“, die „Eigenen“ und „Anderen“. Die eigene Gruppe wird abgegrenzt, „das Außen“ dämonisiert und verschwörungstheoretisch interpretiert. Es werden zwei separate Welten (Innen- und Außenwelt) geschaffen. Ebner analysiert dabei ein Zusammenspiel von Offline und Online-Welten, die irgendwann zusammengeführt werden. Die Radikalisierung folgt dabei nach Ebner einem Skript von Rekrutierung, Sozialisierung, Kommunikation, Mobilisierung bis zum realen Angriff auf die als „Gegner*innen“ ausgemachten Individuen oder Gruppen.83

82 DÖW o.J; Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ). http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme- organisationen/identitaere-bewegung-oesterreich-iboe [2.9.2019]. 83 Vgl. EBNER 2019, Buchvorstellung und Diskussion. Julia Ebner: Radikalisierungsmaschinen. Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren. https://www.youtube.com/watch?v=_fvihdqFLT0 [19.11.2019]. Seite 21 2.3. Rechtspopulismus

Der Begriff des Rechtspopulismus hat mittlerweile eine Alltagsrelevanz erreicht und mit ihm wird nicht nur ein „bestimmtes politisches Phänomen bezeichnet“ sondern „auch immer eine

Delegitimation impliziert.“84 Denn in der Regel bezeichnet sich niemand selbst als Rechtspopulist*in und dies verdeutlicht nach Lukas Boehnke und Malte Thran die „normative Bedeutung dieser Kategorie“, von der sich die Sozialwissenschaften abgrenzen:

„Ausgegangen wird von den Annahmen, dass es den ‚Rechtspopulismus‘ getrennt von seiner bewertenden Einordnung als Gegenstand gibt und dass mit dieser Kategorie dieses abgrenzbare Phänomen beschrieben werden kann.“85

Autoren wie Chita Ionescu und Ernest Gellner (1969), Ernesto Laclau (1977) oder Margaret Canovan (1981) stellen dar, dass der Populismus vergleichsweise schwer zu fassen sei und der zugrundeliegende Begriff des „Volkes“ theoretische Schwierigkeiten mit sich bringe.86 Karin Priester (2012) fasst in Bezug auf dieses Problem ihre theoretischen Auseinandersetzung mit Populismus als „Annäherung an ein Chamäleon“ zusammen. Da der Populismus im Unterschied zu anderen Ideologien keine einheitliche Position vertritt, ist auch „die klare Abgrenzung von Populismus und etablierter Demokratie schwierig, da populistische Praktiken sich z.B. auch in Wahlkämpfen demokratischer Parteien finden.“87

In die Begriffsbildung lassen Wissenschaftler*innen einerseits „eigne, subjektive Wertungen und Standpunkte“ einfließen, andererseits „betätigen [Anm. sie] sich auch in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem bestimmte Theorien auf größere Zustimmung treffen als andere.“88 Johannes Herwig-Lempp hat Einwände, Rechtspopulismus normativ zu betrachten und spricht sich für eine systematische Haltung aus, die sich um das Verstehen rechtspopulistischer Denklogiken und Argumentationen bemüht. Nach Herwig-Lempp würden in „delegitimierenden Diskursen […] die Rechte und Menschenrechte von Rechtspopulisten negiert“ und zudem seien „‚Abwehr, Ablehnung und Abwertung, [...] Diskriminierung und Dämonisierung’ unzweckmäßige, letztlich erfolglose Exklusionsstrategien.“89 Die normative Beurteilungsebene stellt eine Herausforderung dar, da man sie nicht vollständig ausblenden kann, es aber trotzdem unparteiischer und präziser Begriffe bedarf,

84 BOEHNKE / THRAN 2019, S. 9. 85 Ebda. 86 Ebda. S. 9-10. 87 Ebda. 88 Ebda. 89 HERWIG-LEMPP 2017 S. 57. zit. n. BOEHNKE / THRAN 2019, S. 10. Seite 22 um „ein Verständnis der Eigenlogik des Phänomens Rechtspopulismus“ zu schaffen.90 Die normative Ebene von Rechtspopulismusbegriffen besteht im Kern darin, dass Rechtspopulismus als Bruch von bestimmten Normen erscheint. Rechtspopulismus wird in erster Linie als etwas bestimmt, das er nicht ist – „nämlich als Nicht-Entsprechung zu einer Norm.“91 Eine negative Bestimmung, Defizit, bzw. Mangel wird am Gegenstand festgehalten:

„Nicht-Bestimmungen können bei der Theoriebildung in verschiedenen Weisen sinnvoll sein. Darüber hinaus können Nicht-Bestimmungen sinnvoll sein, da sie Differenzen zwischen ähnlichen Gegenständen markieren und auf diese Weise einen Gegenstand vom Anderen abgrenzen. Es kann bspw. sinnvoll sein, bei der Begriffsbestimmung des Populismus festzuhalten, dass Populisten in der Regel repräsentative Demokratie nicht im Prinzip ablehnen, sie sich darin von faschistischer bzw. nationalsozialistischer Politik unterscheiden.“92

Rechtspopulismus wird häufig in diesem Kontext, als „Nicht-Demokratie“ identifiziert, ohne die Gemeinsamkeiten zur Demokratie in Betracht zu ziehen. Eine Defizitperspektive fokussiert „in der Regel Narrationen von Differenz, wohingegen Gemeinsamkeiten zwischen Demokratie und Populismus aus dem Blick fallen.“93 Rechtspopulismus kann jedoch überwiegend innerhalb des Pluralismus der Demokratie verortet werden. „Des einen Populismus ist des anderen Demokratie, und umgekehrt,“94 formulierte Ralf Dahrendorf bereits 2003. Dahrendorf befasste sich mit den

Grenzen zwischen Demokratie und Populismus, welche nicht leicht festzumachen sind.95

Jüngere Forschungen (Mudde 2017 bzw. Mudde und Kaltwasser 2017) gehen von Rechtspopulismus als Kombination dreier Teilideologien aus: Populismus, Nativismus und Autoritarismus. Die Theorie von Populismus als Kombination dreier Teilideologien, gilt in der

Rechtspopulismusforschung als einschlägigste Definition.96 Im Folgenden wird der Rechtspopulismusbegriff von Cas Mudde und Cristobal Kaltwasser (2017) dargestellt:97

90 HERWIG-LEMPP 2017 S. 57. zit. n. BOEHNKE / THRAN 2019, S. 10. 91 Vgl. Ebda. S. 12. 92 BOEHNKE / THRAN 2019, S. 12. 93 Ebda. 94 DAHRENDORF 2019, Warum es die Demokratie so schwer gegen den Populismus hat. https://www.welt.de/debatte/ kommentare/article196864875/Ralf-Dahrendorf-Acht-immer-noch-aktuelle-Thesen-zum-Populismus.html [10.9.2019]. 95Vgl. Ebda. 96 BOENKE / THRAN 2019, S.13. 97 Ebda. Seite 23 - Populismus ist eine „dünne Ideologie“ (etwas einer Ideologie Vorgelagertes und eine Form der Narrative), die sich rechte wie linke Positionen aneignet und im Kern durch die Dichotomie „gutes Volk – korrupte Eliten“ auszeichnet. So meint Mudde etwa, dass jene „dünne“ Ideologie erst dann ideologische Bedeutung erlangt, wenn sie von Bewegungen oder Parteien aufgegriffen wird und durch andere ideologische Elemente ergänzt wird.98

- Nach Mudde liegt allen rechtspopulistischen Parteien ein „Nativismus“ zugrunde, der besagt, dass der Staat nur von der vermeintlich homogenen einheimischen Bevölkerung bewohnt werden soll. Nativismus erfasst und betont ein vermeintliches Bedrohungsszenario, denn der Staat ist vor „Fremden“, Menschen wie auch Ideen, zu verteidigen. Michael Minkenberg wiederum benennt es den „nationalistischen Mythos“, der seiner Meinung nach der Kern der Ideologie der Parteien

des rechten Flügels ist.99

- Munde beschreibt als ein letztes Merkmal von Populismus den Autoritarismus, ein Politikverständnis, in dem durch strikte Durchsetzung des Gesetzes die innere Ordnung, welche als bedroht stilisiert wird, wiederhergestellt werden muss. Dabei geht es nach Munde vor allem um die „harte Durchsetzung des Rechts“, da in der „Durchsetzung des Rechts die staatliche

Souveränität stets mit durchgesetzt werden müsse.“100

Mudde und Kaltwasser definieren Populismus auf einer begrifflichen Ebene als „Dichotomie“ zwischen dem „moralisch guten Volk“ und der „moralisch schlechten ‚korrupten Ellite‘“. Rechtspopulismus konstruiert zwei sich gegenüberstehende Pole und diagnostiziert eine

„Entzweiung oder Entfremdung von Staat und Volk.“101 Populist*innen diagnostizieren eine Krise und leiten daraus den „fundamentalen Anspruch“ ab, „die Nation wiederherzustellen, indem sie die verlorene Volkssouveränität im Staat wieder realisieren.“102 Weiteres Merkmal des Populismus ist, dass das Volk als „homogen“ verstanden wird. Die Gleichartigkeit der Volksmitglieder kann über die sozial-ökonomische Lage oder „kulturell über eine (vermeintlich) einheitliche nationale Identität konstruiert werden.“103 Die Homogenitätskonstruktion des Populismus greift auf ein eigenes Pluralismuskonzept zurück, dass als „Ethnopluralismus“ bezeichnet wird (Vgl. Kapitel: Erhalt der „ethnokulturellen Identiät).

98 MÜLLER / PRECHT 2019, S.12. 99 Vgl. KLEINLERCHER 2015, S. 5–6. 100 BOEHNKE / THRAN 2019, S. 13. 101 Ebda. S. 14. 102 Ebda. S. 15. 103 RACHWITZ 2017, S. 415. zit. n. BOEHNKE / THRAN 2019, S. 16. Seite 24 „Das analytisch interessante Spannungsverhältnis zwischen Pluralismus und Populismus, wie auch zwischen Populismus und demokratischer Wahl wird mit der Kategorie ‚antipluralistisch‘ einseitig aufgelöst. Populismus erscheint so lediglich als Verstoß gegen den Wert des Pluralismus. […] Populisten argumentieren nicht selten so, dass sie ihre Position als Ausdruck der Meinungsfreiheit interpretiert sehen wollen, diese Selbstlegitimation impliziert ein Bekenntnis zum Pluralismus, nicht dessen generelle Ablehnung.“104

Boehnke und Thran halten fest, dass „Antipluralismus“ nicht als Wesensmerkmal des Populismus dienen kann, was aber nicht bedeutet, dass „von einem demokratischen Standpunkt die

Homogenitätsvorstellungen der Populisten nicht kritisiert werden können.“105 Von wesentlicher Bedeutung für den Rechtspopulismus ist die symbolische Repräsentation vom Bild eines „Volksideal“ bzw. Einer „homogenen Volksgemeinschaft“, welches erst durch „verschiedene

Unterscheidungskriterien definiert werden“ muss.106

Nach Cas Mudde wird aus Populismus erst Rechtspopulismus, wenn „noch zwei weitere Bestimmungen hinzutreten, nämlich Nativismus und Autoritarismus.“107 Der Begriff Nativismus wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt, „um das Paradoxon zu charakterisieren, dass ein

Einwanderungsland feindlich gegenüber Einwanderern sein kann.“108 Jeder Nationalismus wirkt ausgrenzend, da er einen exklusiven Charakter enthält, der Individuen entlang des „Kriteriums der Zugehörigkeit zur Nation einteilt“. Mit der „nationalen Zugehörigkeit“ werden ebenso Privilegien wie auch Diskriminierung verbunden. Mudde konstuiert Nativismus als „besondere Form des Nationalismus“ mit dem Kriterium „Feindseligkeit gegenüber fremden Nationszugehörigen“.109

„Nativismus enthält stets die Beurteilung fremder Nationen bzw. nationaler Identität als Bedrohung für die eigene Nation bzw. die eigene nationale Identität und strebt daher Verhältnisse an, in denen Nationalstaaten rein von Mitglieder der jeweiligen Nation bevölkert sind.“110

Ein Kernelement von Nativismus ist die nationale Identität, eine abstrakte Gemeinschaft, die in populistischen Diskursen als „bedroht“ verstanden wird.111 Die Zugehörigkeit zur Nation ist

104 BOEHNKE / THRAN 2019, S. 16. 105 Ebda. 106 Ebda. S. 17. 107 MUDDE 2017, S. 4. zit. n. BOEHNKE / THRAN 2019, S. 19. 108 PETER 2015, S. 797. zit. n. BOEHNKE / THRAN 2019, S. 19. 109 MUDDE 2017, S. 4. zit. n. BOEHNKE / THRAN 2019, S. 19. 110 MUDDE / KALTWASSER 2013, S. 503. zit. n. BOEHNKE / THRAN 2019, S. 20. 111 BOEHNKE / THRAN 2019, S. 20. Seite 25 ontologisiert und weist einen „naturalisierenden und determinierenden Charakter“ auf. „Der Nativismus begreift Identität dabei nicht nur als durch innere, sondern vor allem durch äußere

Einflüsse bedroht.“112 Eine Besonderheit des rechtspopulistischen Verständnisses von „nationaler Identität“ ist, dass das Verhältnis der eigenen zu anderen Nationen tendenziell gegensätzlich erfasst wird.113 Dabei gehen sie von einer „feindlichen ‚Umwelt‘“ und „schädlichen“ äußeren Einflüsse aus, durch die die nationale Identität bedroht werde.114 Nationale Probleme werden von Rechtspopulist*innen mit der „identitätsstörenden oder -zerstörenden Anwesenheit von Individuen mit der falschen, nicht-eigenen Identität“ erklärt.115 Zugleich ist die nationale Identität so starr und „nicht-übertragbar“, dass Integration nur schwer möglich sei oder als sogar unmöglich beurteilt wird.116

Nach Mudde ist Autoritarismus das dritte Element, dass Rechtspopulismus ausmacht. Häufig wird dieser mit dem Glauben an eine hart durchgreifende Ordnung mittels „law and order policies“ beschrieben. Es lässt sich festhalten, dass der Begriff des Autoritarismus den „Wunsch nach restriktiver Durchsetzung der Ordnung“ beinhaltet, in der die Ordnung „als bedroht betrachtet“ wird.117

„Der autoritäre Politiker, der autoritäre Staat soll deshalb mit seiner Macht die Ordnung nach innen durchsetzen und vor äußeren Einflüssen schützen, die Macht ist insofern kein Selbstzweck, sondern Notwendigkeit der Verteidigung einer Ordnung, die in der Demokratie nicht bzw. nicht in dieser grundsätzlichen Weise in Frage gestellt […] wird.“118

Boehnke und Thran fassen Autoritarismus auf zwei Ebenen zusammen, zum einen den „politischen Autoritarismus, der auf der Ebene des Staates vorliegt“, zum anderen ist in der Bevölkerung eine Sehnsucht nach einer „harten Hand“ verbreitet. Letztere ist ein „psychologischer Autoritarismus […], der auf Ebene der Individuen verortet liegt.“119

Nach der begrifflichen Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus, soll an dieser Stelle kurz die These von Karin Priester, nach einer fließenden Grenze zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus dargestellt werden. Sie verfolgt und argumentiert, dass beide Kategorien

112 BOEHNKE / THRAN 2019, S. 21. 113 Ebda. 114 Ebda. 115 BOEHNKE / THRAN 2015, S. 195. zit. n. BOEHNKE / THRAN 2019, S. 21. 116 BOEHNKE / THRAN 2019, S. 21. 117 Ebda. S. 22. 118 Ebda. S. 23. 119 Ebda. Seite 26 potentielle Schnittmengen aufweisen. Der Unterschied zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus liegt Priester zufolge vor allem bei der ideologischen Ebene. Rechtsextremismus vertritt eine Ideologie in deren Zentrum die ethnisch-kulturell homogene „Volksgemeinschaft“ steht. Rechtspopulismus weist im Vergleich dazu unterschiedliche Grade von Extremismus auf und ist nicht zwingend antidemokratisch und verfassungsfeindlich, kann aber mit dem Grad der Radikalität in Rechtsextremismus übergehen.120 In den 1980er tauchte in der öffentlich-politischen Debatte darüber hinaus der Begriff „nationalpopulistisch“ erstmals als Bezeichnung für den bis dahin als „rechtsextrem“ benannten französischen Front National (FN) auf. Der FN intendierte mit dem Begriff ein „Unbedenklichkeitsattest“121 und eine Möglichkeit, sich von der alten vorbelasteten Terminologie zu lösen, um die Stigmatisierung als rechtsextreme Randpartei abzustreifen. Einerseits bedeutet dies eine Verharmlosung, bedingte aber andererseits einen Modernisierungsschub des Rechtsextremismus. Das neue Erfolgskonzept „beruht auf ethno-nationalistischer Fremdenfeindlichkeit und der Vermischung von Anti-System- mit Anti-Establishment-Rhetorik,“122 um Protest zu schüren und eine antidemokratische Stigmatisierung zu verhindern. Die Gefahr geht laut Priester in Europa dabei nicht allein vom Rechtsextremismus per se aus, sondern von einer Allianz mit dem Rechtspopulismus. Nach dem erfolgten ethnopluralistischen Modernisierungschub der 1980er Jahre versuchen Akteur*innen des Rechtsextremismus die Anpassung ihres Feindbildes in eine neue, diesmal antimuslimische Modernisierungsswelle einzuleiten.123

2.4. „Neue Rechte“

Bei den Identitären handelt es sich um eine rechtsextreme Gruppe. Jedoch versuchen sie mit ihrem öffentlichen Auftreten „Anschlusspunkte zu im politischen Diskurs akzeptierten Bereichen herzustellen, womit sie der ‚Neuen Rechten‘ zugerechnet werden können.“124 Die „Neue Rechte“ ist ein Sammelbegriff „für politische Strömungen am und jenseits des rechten Randes, die sich seit den 1970er-Jahren von ‚traditionellen‘ Rechtsextremismen abzugrenzen versucht.“125 Generell ist das Phänomen der „Neuen Rechten“ bereits seit den 1970er Jahren in Europa bekannt. Historisch geht der Begriff auf die „Nouvelle Droite“ zurück, welche in den 1960er Jahren als modernisierte

120 PRIESTER 2010, S. 33–34. 121 Ebda. S. 34. 122 Ebda. 123 Vgl. Ebda. S. 33–39. 124 RESCH / ZIMMERMANN 2017, S. 80. 125 Ebda. Seite 27 Strömung des Rechtsextremismus an den französischen Universitäten begründet wurde. Als Gegenantwort auf die 1968er Bewegung führte die „Nouvelle Droite“ einen positive Bezugnahme auf den Begriff der „nationalen Identität“ ein und bezog sich positiv auf die „Konservative

Revolution“126. Durch die modernisierte ideologische Basis und strategische Innovationen der „Nouvelle Droite“ gilt sie als Prototyp der „Neuen Rechte“ und als Vorbild in Deutschland und Österreich.127 In den 1970er Jahren kam es zu einem Bruch zwischen „Alter“ und „Neuer Rechten“ in Westeuropa. Aufgrund wachsender Ablehnung in demokratischen Kontexten, staatlicher Repression und Verbotsmaßnahmen reagierte die Rechte mit einer Distanzierung gegenüber ihren historischen Vorläufern. Diese ersten Versuche von „Gegen-Intellektuellen […], [Anm. sich von] faschistischem Gedankengut von Hitler zu befreien […], werden gemeinhin als neurechts bezeichnet“128. Michael Minkenberg definiert die „Neue Rechte“ als, „eine Gruppe von Meinungsführern beziehungsweise Bewegungsunternehmern [die] in einem rechten Gegendiskurs von den Ideen von 1968“129 stehen. Samuel Salzborn wiederum definiert sie als „eine lose Bewegung, die politische Macht, nicht durch parteipolitische Verantwortung und Regierungsbeteiligung erreichen will, sondern ihre Positionen gesellschaftlich als hegemonial durchsetzen will.“130

Die Verwendung des Begriffes „Neue Rechte“ ist mach Wolfgang Purtscheller und Heribert Schiedel problematisch, da es sich um eine Selbstbezeichnung der extremen Rechten handelt, um eine sich von „inhaltlichen wie personellen Verbindungen zum deutschen Faschismus“ zu distanzieren.131 Dies geschieht unter Bezugnahme auf die Denkschule der „Konservativen Revolution“, welche das „ideologische Fundament für den Nationalsozialismus lieferte“ (Vgl. Kapitel 4.1. Vorbild „Konservative Revolution“) und durch den Versuch, „rechtsextreme Politikkonzeptionen ein wissenschaftliches Gewand zu verpassen“132 (Vgl. Kapitel 4.3. Etablierung einer Rechtsintellektuellen Elite). Bereits Willibald Holzer wandte sich gegen eine unkritische

126 Die „Konservative Revolution“ ist ein Sammelbegriff für geistig-politische Strömungen in der Weimarer Republik, die sich für einen durch eine Elite geführten autoritäreren Staat einsetzten und deren Ideologie antidemokratisch, antiliberal und antiegalitär geprägt war. Die Konservative Revolution gilt als Wegbereiter des Nationalsozialismus. Heute ist es die „Neue Rechte“ die sich auf diese Ideologie bezieht. Die „Konservative Revolution“ propagiert die Auflösung des Parteistaats, den Umsturz der bestehenden liberalen Ordnung um den vermeintlichen Untergang der abendländischen Kultur zu verhindern und eine völkisch homogene Nation zu schaffen. (Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S.40–55.) 127 BRUNS / STROBL 2015, S. 206–207. 128 SCHIEDEL 2015, Neue Rechte in Österreich. https://www.der-rechte-rand.de/archive/4560/neue-rechte-oesterreich/ [24.10.2019]. 129 BRUNS / STROBL 2015, S. 206–207. 130 Vgl. SALZBORN 2018, S. 161. 131 PURTSCHELLER / SCHIEDEL 1994, S. 15. 132 Ebda. Seite 28 Übernahme des Terminus, da der Begriff „nur geringfügig modifizierte Aktualisierung faschistischer oder vorfaschistischer Ausprägungen rechtsextremer Ideologie“ aufweist. In Bezug auf Strategien, Kommunikationsweisen, Begriffe und Ästhetik beinhaltet der Begriff eher

„programmatische Innovation“133 als neue Inhalte. Auch Ines Aftenberger sieht die Problematik des Terminus „Neue Rechte“ vor allem darin, dass er als „Selbstbezeichnug des rechtsextremen Spektrum“ dient:

„Gegen Ende des 60er Jahre, nach dem Scheitern nationalistischer Parteien in Deutschland und Frankreich trat unter dem Etikett ‚neurechts‘ ein Konglomerat von rechtsextremen Publikationen und Personengruppen auf, das von nationalrevolutionär bis etatistisch reichte, um damit ein neues politisches Selbstverständnis zu signalisieren und den Anspruch auf eine modernisierte Ideologie zu formulieren.“ 134

Im Laufe der 80er Jahre etablierte sich die Bezeichnung „Neue Rechte“ „für ein Ensemble von Publikationen, Intellektuellenzirkeln, Denkschulen und Personen(gruppen), die seit 1968/1970 ihre Inhalte modifizierten und neue Strategien ausformulieren […].“135 Die Selbstdarstellung der „Neuen Rechten“ beruft sich – in Bezug auf die erneuerte ideologische Grundlage – „entweder als eigenständige intellektuelle Strömung in der Nähe bzw. als Teil des konservativen Spektrums oder als profaschistische nationalrevolutionäre Kraft.“136

Im Gegensatz zur Selbstdarstellung der „Neuen Rechten“, orten sie die meisten Rechtsextremismusforscher*innen dem Rechtsextremismus zu. So definierte Margret Feit die neurechten Gruppierungen als:

„Strömung des rechtsextremen Lagers, die Ende der 60er Jahre, Anfang der 70er Jahre aus den Organisationsstrukturen des ‚Alten Rechtsextremismus‘, vor allem der NPD, augenscheinlich ausgebrochen ist, um […] eine Erneuerung der ideologischen Grundlage des rechtsextremen Lagers […] zu erarbeiten.“137

Uwe Worm beschrieb die „Neue Rechte“ als „wirkungsvollste Fraktion des organisierten Rechtsextremismus“ und führte aus, dass sie nicht als Gegenbewegung, „sondern als Erneuerungsbewegung der alten Rechten und konkurrierendes faschistisches Projekt zu sehen“ ist.138 Nach Politikwissenschaftler Wolfgang Gessenharter nimmt die „Neue Rechte“ eine

133 SCHIEDEL 2015, Neue Rechte in Österreich. https://www.der-rechte-rand.de/archive/4560/neue-rechte-oesterreich/ [24.10.2019]. 134 AFTENBERGER 2007, S. 37. 135 Ebda. S. 37–38. 136 Ebda. S. 38. 137 FEIT 1987, S. 21-24. zit. n. AFTENBERGER 2007, S. 41. 138 WORM 1995, o.S. zit. n. AFTENBERGER 2007, S. 41. Seite 29 „Scharnierfunktion zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus“ ein und wirkt mit ihren Ideen und Positionen nachhaltig in die „Mitte der Gesellschaft“ hinein.139 Um ihre Vision einer „kulturellen Hegemonie“ zu realisieren, fungiert sie als ideologische und organisatorische

Brückenbauer*in zwischen Akteur*innen im rechten Spektrum und dem konservativen Lager.140 Auch nach Andreas Speit basieren die „neurechten“ Inhalte sowohl auf konservativen wie rechtsextremen Positionen. Susanne Mantino formuliert, dass das „neurechte“ Konzept „von Nation und ihre Forderung nach Überwindung des Egalitarismus“ es rechtfertigt, „die Neue Rechte unter Rechtsextremismus zu subsumieren, ihre Ideologie stünde aber genauso in der Tradition des rechten Konservatismus.“141 Da sich der Verfassungsschutz – wie skizziert – vorrangig auf die Extremismustheorie bezieht, konzentrieren sich seine Beobachtungen nur auf den gedachten rechtsextremen Rand. Konservative Akteure*innen, die dieselben Ideologeme mittragen, bleiben dagegen unbeobachtet. Die „Neue Rechte“ vereint auf diese Weise ein Spektrum aus modernisiertem, radikalisiertem, rechtsextremistischen und wertkonservativem Gedankengut. Daher kann das „neurechte“ Spektrum mit Hilfe der Extremismustheorie und über den Weg des Verfassungsschutzes nicht adäquat erfasst werden .142

In den 90er Jahren erhielt die Diskussion um die Problematik des Begriff „Neue Rechte“ eine neue Dimension, „da vor allem antifaschistische Aktivist*innen in seiner Verwendung bereits eine Beihilfe zu einem taktischen Manöver rechtsextremer Intellektueller sahen.“143 Nach Antifaschist*innen handle es sich bei der Bezeichnung um einen „Etikettenschwindel“, um rechtsextreme Tendenzen zu verschleiern. Auch in der Wissenschaft wurde die These geteilt, so nannte Margret Feit die Bezeichnung „neurechts“ einen „Ausdruck ihrer demagogischen Taktik“, um sich von Hitler zu distanzieren, „ohne die faschistische Ideologie abzulegen.“144 Jedoch schaffen es die Wissenschaftler*innen nicht, „einen alternativen Begriff zu etablieren,“ der zur „Beschreibung jener Intellektuellen und Organisationen, die eine relevante Modernisierung nationalistischer, in der mehrheitlichen Meinung rechtsextremer Politikkonzepte leisten,“ geeignet wäre.145

139 Vgl. STÖSS 2007, Die „neue Rechte“ in der Bundesrepublik. https://www.bpb.de/politik/extremismus/ rechtsextremismus/41435/die-neue-rechte-in-der-bundesrepublik?p=all [7.5.2020]. 140 HENTGES / KÖKGIRAN / NOTTBOHM 2014, S. 4. 141 MANTIONO 1992, o.S. zit. n. AFTENBERGER 2007, S. 42. 142 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 29. 143 AFTENBERGER 2007, S. 43. 144 FEIT 1987, S. 31–42. zit. n. AFTENBERGER 2007, S. 43. 145 AFTENBERGER 2007, S. 43. Seite 30 Ines Aftenberger charakterisiert wesentliche Merkmale ideologischer Veränderungen, „die eine sich im Laufe der 70er Jahre herausbildende Neue Rechte vom traditionellen Rechtsextremismus unterscheiden“ lassen.146 Sie analysiert vier Merkmale, für die „Neue Rechte“:

„1. Die Ablöse eines hierarchisierend-biologistischen Rassismus durch den neorassistischen Diskurs. 2. Der Bezug auf eine europäische Identität als Grundlage für einen Europanationalismus statt des ausschließlich auf ein einzelnes Volk/ eine einzelne Nation bezogenen (Staats-)Nationalismus. 3. Geschichtsrevisionistische Alternativen zur NS-Apologie und Bezugnahme auf konkurrenz- oder normalfaschistische Projekte statt auf den Nationalsozialismus. 4. Ausformulierung metapolitischer Strategien als Schwerpunkt gegenüber Parteipolitik.“147

Das Wort „neu“ bezieht sich nach Aftenberger nicht auf die „Gesamtheit der faschistischen Tradition, […] sondern immer nur auf den Rechtsextremismus nach 1945, dem gegenüber diese Ideologie eine inhaltliche Innovation“ darstellt.148 Die genannten vier Kriterien sind als idealtypische Kategorien zu verstehen, „die sich eher als Tendenzen denn als Programme realisieren“ lassen.149

„Die „Neue Rechte“ bildet keine stabile, fest eingrenzbare Organisation oder Partei, sondern präsentiert sich als eine Vielzahl von Publikationen, Institutionen, Gruppierungen und Personen oder Personengruppen, die z.T. auch in Organisationen außerhalb der Neuen Rechten tätig sind.“150

Die „Neue Rechte“ orientiert sich an der politischen Strategie der „metapolitischen Einflussnahme“, anstatt über Parteipolitik in die Gestaltung der Gesellschaft einzugreifen. Heute werden andere Organisationsformen abseits von Parteien gefunden, wie offene und lose Bewegungen oder Vereine und NGOs.151 Als wichtigster Teil bzw. Repräsentant*innen der „Neuen Rechten“ gilt heute vor allem das Umfeld der „neurechten Denkfabrik“ das Institut für Staatspolitik (IfS). Hierbei handelt es sich um eine private Einrichtung des bekanntesten Akteur der „Neuen Rechten“ im deutschsprachigen Raum, Götz Kubitschek. Das „Institut“ beherbergt den Antaios-Verlag und die Theoriezeitschrift „Sezession“.152 Einstellungen und Werthaltungen sollen auf einer möglichst

146 AFTENBERGER 2007, S. 44. 147 Ebda. S. 45. 148 Ebda. 149 Ebda. 150 Ebda. 151 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 28-29. 152 PFAHL_TRAUGHBER 2019, Was die „Neue Rechte“ ist – und was nicht. In: BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (BPB). https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/284268/was-die-neue- rechte-ist-und-was-nicht[15.8.2020]. Seite 31 breiten gesellschaftlichen Ebene beeinflusst werden, das kann aber durchaus auch bedeuten, dass Parteien diese Postion (schleichend) übernehmen.153 So argumentiert auch Aftenberger, dass rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ oder der FN „Raum für neurechte ideologische und kulturelle Vorfeldarbeit“ bieten und diese Parteien müssen als Organisationen eingestuft werden, „die lediglich wiederholt auf neurechte Diskurse“ zurückgreift und „maximal personell bzw. organisatorisch mit der Neuen Rechten verbunden“ sind.154

Im Folgenden wird der Begriff „Neue Rechte“ als eine nicht klar umreißende Anzahl an Personen, Gruppierungen, Organisationen, Publikationen und Medien verstanden, die sich als Gegendiskurs zu 1968 verstehen und die ihr ideologisches Vorbild auf die „Konservative Revolution“ beziehen, um sich vom Rechtsextremismus und Nationalsozialismus zu distanzieren.155

2.4.1.„Neo-“ bzw. Kulturrassismus

Wesentliches Kennzeichen von „neurechten“ Gruppierungen wie den Identitären „ist der um den zentralen Begriff der Kultur angelegte Neorassimus.“156 Die „Neue Rechte“ bezieht sich nicht mehr auf die biologische Argumentationsmuster des Rassismus, sondern auf die „Unaufhebbarkeit der kulturellen Differenzen.“157 Wolfgang Purtscheller und Heribert Schiedel bezeichnen dies als „Rassismus ohne Rasse“, da nicht mehr die „Überlegenheit bestimmter Gruppen oder Völker über andere postuliert“ wird, sondern „die Schädlichkeit jeder Grenzverwischung und Unvereinbarkeit der Lebensweisen und Traditionen“ behauptet wird.158 Protagonist*innen der „Neuen Rechten“ beanspruchen immer wieder für sich das Attribut „anti-rassistisch“, „da ihrem Denken und [Anm. ihrer] Wertung einer Hierarchisierung der unterschiedlichen Rassen bzw. Kulturen fremd sei.“159 Heutzutage verzichtet die „Neue Rechte“ auf den Bezug auf die Rassentheorie, sie ersetzt den Begriff der „Rasse“ durch den Begriff der „Kultur“.160 Die gegenwärtige Diskussion um Rassismus, dreht sich daher vorwiegend um die kulturelle Auslegung, „welche häufig als ‚Kulturrassismus‘ bezeichnet wird.“161 „Kulturrassismus“ ist dadurch gekennzeichnet, „dass sehr sorgfältig ethnisch

153 Vgl. SALZBORN 2018, S. 161. 154 AFTENBERGER 2007, S. 46. 155 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 28. 156 AFTENBERGER 2007, S. 62. 157 PURTSCHELLER / SCHIEDEL 1994, S. 30. 158 Ebda. 159 Ebda. 160 Ebda. 161 BENDL / SPITZMÜLLER 2017, S. 7. Seite 32 basierte Wertungsschemata ausgearbeitet werden,“162 welche möglichst nicht rassistisch klingen sollen und biologistisch argumentiert wird. „[D]ie […] zentralen Argumentationsfiguren des spezifischen‚ kulturellen Charakters‘ und der ‚kontrollierten Diversität‘“ bleibt beibehalten und wird forciert.163

Das Konzept des „Kulturrassismus“ lässt sich in der „Nouvelle Droite“ der 1960er Jahre verankern. Es waren die sprachlich gestützten „Distanzierungs- und Umwertungsbemühungen“ der „Nouvelle

Droite“, die neue Begriffe für „heikle Ausdrücke“ einführte.164 So ersetzte der Ausdruck „Kultur“ den der „Rasse“, sowie „Ungleichheit“ wurde durch „Differenz“ substituiert.

„Weitere ‚kulturrassistische‘ Fahnenwörter neben Kultur und Differenz sind Diversität, Identität, Ethnizität und Pluralismus. Die Verkopplung mit vordergründig unverdächtigen, ja gesellschaftlich hochkonsensuellen Werten wie ‚Kultur‘ soll ethnoseparatistische Forderungen konsensfähig machen und gleich- zeitig Assoziationen zum traditionellen ‚Rassismus' auflösen. […] Der sog. ‚Neo-‚ oder ‚Kulturrassismus‘ zeichnet sich also […] gerade dadurch aus, dass zwischen zwei Personengruppen wertende Differenzen konstruiert werden, die auf kulturalistische Hochwertkonzepte rekurrieren, wobei jegliche Assoziation zu einem biologischen Rasseverständnis sorgfältig vermieden […] [Anm. wird]. ‚Rassismus' ohne Rassismus also?“165

Das neorassistische Konzept der „Neuen Rechten“ überträgt „die Bedeutungskonstitution der ‚Rasse‘ in die Vorstellung homogener Kulturen bzw. Ethnien“ und behauptet ihre Unvereinbarkeit. „Neue Rechte“-Gruppierungen, wie die Identitären, fordern ein „Vermischungsverbot“, dass nicht mehr durch Vernichtung der anderen erreicht wird, sondern durch eine strikte „räumliche Trennung vom sog. Eigenen, die mit dem Schlagwort des Ethnopluralismus bezeichnet wird“ (Vgl. Kapitel: Erhalt der „ethnokulturellen Identität“).166

162 BENDL / SPITZMÜLLER 2017, S. 7. 163 Ebda. 164 Vgl. Ebda. 165 Ebda. S. 9–11. 166 AFTENBERGER 2007, S. 62–63. Seite 33 2.4.2. Antisemitismus

Antisemitismus ist ein fester ideologischer Bestandteil der „Neuen Rechten“, jedoch tritt er nicht mehr offen auf, sondern wird über Codes und Andeutungen ausgedrückt.167 So formuliert Bernd

Marin dies als einen „Antisemitismus ohne Antisemiten“,168 da vieles nicht mehr angesprochen werden muss, weil Gleichgesinnte problemlos wissen, was gemeint ist.

„Die Kontextabhängigkeit des antisemitischen Sprachgebrauchs und die weite Verbreitung antijüdischer Vorurteile ermöglicht es der Neuen Rechten, teilweise antisemitische Stereotype zu formulieren, ohne das Wort ‚Jude‘ zu erwähnen, da ein jüdisch klingender Name, die Beschränkung auf die Bezeichnung ‚Zionist‘ oder überhaupt nur Anspielungen auf ‚gewisse Kreise‘, Bibelzitate oder ‚internationale Cliquen' ausreichen. Die neurechten AutorInnen können es den RezipientInnen überlassen, eine negative Interpretation des Verhaltens von Juden/Jüdinnen und generalisierende Schlussfolgerungen in antisemitische Selbsttätigkeit allein vorzunehmen.“169

Weiters leugnet die „Neue Rechte“ nicht mehr die Verbrechen des Nationalsozialismus, sondern verfolgt die Strategie diese zu „relativieren, zu historisieren oder zu banalisieren.“170 Die „Neue Rechte“ stellt die Shoah und das Gedenken daran als „Selbstgeißelung der Deutschen, aufgezwungen 1945 von den Siegermächten“, dar. 171 So versucht sich die „Neue Rechte“ in einer „Historisierung des Nationalsozialismus als etwas Vergangenes, das mit der heutigen Zeit nichts mehr zu tun habe.“172 So werden Kontinuität missachtet, um sich von der „Last des Nationalsozialismus“ rein zu waschen. Die Distanzierung zum Nationalsozialismus erfolgt aber nur sehr oberflächlich und eine taktische Natur ist erkennbar. Nach Purtscheller und Schiedel ist die „Neue Rechte“ als „Teil einer kosmetischen Generalsanierung des Faschismus zu begreifen.“173 Die wahren Opfer des Nationalsozialismus sind nach der „Neuen Rechten“, die Deutschen. Da eine Umerziehung durch die Alliierten gegen das deutsche Volk stattgefunden habe, um es mit böser Absicht bewusst zu schwächen.174 Nach Bruns, Glösel und Strobl liegt „dieser Haltung […] ein tiefer Antisemitismus“ zu Grunde, der Juden und Jüdinnen nicht zu Opfern, sondern vielmehr zu Täter*innen stilisiert.175 „Neue Rechte“-Gruppierungen, wie die Identitären, sehen die Shoah und

167AFTENBERGER 2007, S. 63–64. 168 MARIN 1983, S. 77. zit. n. AFTENBERGER 2007, S. 64. 169 AFTENBERGER 2007, S. 65. 170 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 233. 171 Vgl. Ebda. 172 Ebda. 173 Vgl. PURTSCHELLER / SCHIEDEL 1994, S. 16. 174 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 235. 175 Ebda. Seite 34 den Holocaust als Ausgangspunkt für eine vermeintliche Zensur „für alle mit Isreal zusammenhängenden Themenbereiche.“176 „Neurechte“ Vertreter*innen, wie z.B. Armin Mohler, zweifeln die „historischen Fakten des Holocaust“ an und sehen „diesen als Kampagne von Juden und Jüdinnen.“ Theodor Adorno bezeichnet dies als „sekundären Antisemitismus“, der die „Shoah zur Quelle eines neuen antisemitischen Rechtfertigungsdiskurs macht.“177

„Der standardisierte Ausdruck des sekundären Antisemitismus ist der bekannte Satz ‚Man darf ja gegen die Juden heute nichts mehr sagen,’ der zugleich suggeriert, dass an dem, was angeblich nicht gesagt werden darf und dann doch gesagt wird, ‚schon etwas dran ist‘.“178

Die „Neue Rechte“ konstruiert die Kritik an Israel als Tabu und stilisiert sich dabei als Opfer eines Tabus, das vor allem für Deutsche und Österreicher*innen gelte. „Ihren als Tabubruch inszenierten

Antisemitismus stellt sie so als Heldentat der Meinungsfreiheit dar.“179 Dabei entwirft die „Neue Rechte“ ein Bild des „unversöhnlichen, rachsüchtigen und – im Kontext von Diskussionen um Wiedergutmachung – ausbeuterischen Juden, während gleichzeitig die Erinnerung an die Shoah abgewertet, verleugnet und verharmlost wird.“180 So analysiert Henryk M. Broder dies als Täter- Opfer-Umkehr:

„Ein Antisemit hat nichts gegen die Juden, sie haben etwas gegen ihn, und deswegen muss er sich gegen sie zur Wehr setzen. Er ist das Opfer, der Jude der Täter.“ 181

176 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 235. 177 AFTENBERGER 2007, S. 68. 178 Ebda. S. 68. 179 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 235. 180 AFTENBERGER 2007, S. 68. 181 HENRYK 2002, o.S. zit. n. AFTENBERGER 2007, S. 68. Seite 35 3. Abgrenzungen im Diskurs um Österreichs NS-Vergangenheit: Rahmenbedingungen und Bruchlinien

Da nun zentrale Begriffe und Theorien erläutert wurden, soll im folgenden Kapitel vorerst auf historische Transformationen im österreichischen Gedächtnis zur NS-Vergangenheit, sowie auf die spezielle Entwicklung des Rechtsextremismus in Österreich eingegangen werden, um die vorliegende Arbeit in einen zeithistorischen Kontext zu stellen und die Entstehung der Identitären in diesem Raum nachvollziehen zu können. Dabei stellt sich die Frage, wie sich rechte Ideologien im Laufe der Zeit im Zusammenhang mit den „Grenzen des Sagbaren“ im Kontext der politischen Kultur Österreichs verändern. Hierbei soll sichtbar werden, welche „politischen Rahmenbedingungen und generationsspezifischen Bruchlinien“182 die Grenzen des öffentlichen Diskurs transformierten und Einfluss auf rechtsextreme Erscheinungsformen nahmen.

3.1. Die Transformation der nationalen Narrative

Im Zusammenhang mit der aufgeworfenen Frage muss vor allem auf die Arbeiten von Heidemarie Uhl zum ambivalenten Umgang Österreichs mit der eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit hingewiesen werden. Uhl kategorisiert drei zentrale narrative Muster in der Deutung der NS- Vergangenheit: als erstes narratives Muster nennt sie „das offizielle Erklärungsmodell der Opfertheorie und seine Funktionalisierungen“183 als Gründungsmythos des österreichischen „nation building“. Als zweites Mutter erfasst Uhl „ein geschichtspolitisches Umschwenken auf innenpolitischer Ebene, das sich im Rahmen des Gedenkens an die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs artikulierte und in engem Zusammenhang mit der Reintegration der ehemaligen Nationalsozialisten steht.“184 Uhl geht soweit, anzunehmen, dass jene Gedächtniskultur eher das österreichische Geschichtsbewusstsein prägte als der Opfermythos, obwohl diese Narrative im Widerspruch zueinander stehen. Nach Uhl sollte jenes Konfliktpotenzial und die latenten Widersprüche „zwischen offiziell-antifaschistischer Opferthese und populistischen Gegenerzählungen“185 später bestimmend in der Waldheim-Debatte werden. Die Politik des „double speak“ (Anton Pelinka) kann somit als das eigentliche Charakteristikum der österreichischen Geschichtspolitik gesehen werden.186 Als drittes Muster analysiert Uhl schließlich

182 Vgl. UHL 2001, S. 2. 183 Vgl. Ebda. 184 Vgl. Ebda. 185 Vgl. UHL 2018, S. 47–48. 186 Vgl. UHL 2001, S. 2. Seite 36 „die neuen Interpretationen der Jahre 1938 bis 1945, die seit 1986/88 für die Beurteilung der NS- Vergangenheit in weiten Bereichen bestimmend geworden sind“.187 Der Präsidentschaftswahlkampf 1986 löste in Österreich bekanntlich eine Debatte über den Umgang mit der NS-Vergangenheit aus, die bis heute nachhaltig wirkt. Die Kriegsvergangenheit des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kurt Waldheim und dessen Präsidentschaftskandidatur lies das positive Image der „Alpenrepublik“ zerbröckeln.188

3.1.1. Opfermythos

Das österreichische Gedächtnis war in der Nachkriegszeit vorerst durch eine spezifische Kultur des Verdrängen und Vergessen gekennzeichnet. In den frühen Nachkriegsjahren fand die offizielle These, Österreich sei als „erstes Opfer“ des Nationalsozialismus anzusehen in der Gesellschaft breiten Anklang. Geprägt war jene Zeit vor allem durch ein bewusstes gemeinschaftliches Vergessen und eine parteienübergreifend „antifaschistische“ Haltung. Typisches Beispiel für diese Haltung ist die oft zitiert Rede Leopold Figels bei der Enthüllung des Denkmals für die Gefallenen der Roten Armee am 19. August 1945 am Wiener Schwarzenbergplatz:

„Sieben Jahre schmachtete das österreichische Volk unter dem Hitlerbarbarismus. Sieben Jahre wurde das österreichische Volk unterjocht und unterdrückt, kein freies Wort der Meinung, kein Bekenntnis zu einer Idee war möglich, brutaler Terror und Gewalt zwangen die Menschen zu blindem Untertanentum.“189

Die Basis für dieses Narrativ ist die Moskauer Deklaration 1943, welche wörtlich in die Proklamation über die Selbstständigkeit Österreichs vom 27. April 1945 übernommen wurde. Demzufolge sei Österreich „das erste freie Land, das der Hitlerschen Aggression zum Opfer gefallen ist“. Diese Formulierung diente – wie Uhl zeigt – auch der „psychologischen

Kriegsführung“190, „beziehungsweise dem weitgehend erfolglosen Versuch, einen österreich- patriotischen Widerstand“191 zu artikulieren. Wenngleich sich die Moskauer Deklaration dabei auch auf eine Mitverantwortung Österreichs berief, so verschwand dennoch jene Formulierung völlig aus dem politisch-gesellschaftlichen Diskurs der Nachkriegsjahre:

187 Vgl. UHL 2001, S. 2. 188 Vgl. UHL 2018, S. 47–48. 189 FIEGEL 1945 o.S. zit. n. UHL 2001, S. 2. 190 UHL 2018, S. 48. 191 Ebda. Seite 37 „Österreich wird darauf hingewiesen, dass es für die Beteiligung am Kriege auf seiten Hitlerdeutschlands die Verantwortung trägt, der es nicht entgehen kann, und dass bei der endgültigen Regelung unvermeidlich sein eigener Beitrag zu seiner Befreiung berücksichtigt werden wird.“192

Trotz des vorherrschenden Narrativs von Österreich als „erstem Opfer“ führten die Alliierten eine Entnazifizierung durch. Die Maßnahmen umfassten die Registrierung der ehemaligen NSDAP- Mitglieder, sowie deren zeitweiligen Ausschluss von bestimmten Berufen und staatsbürgerlichen Rechten. Nach 1945 wurden auf diese Weise von den fast 700.000 ehemaligen NSDAP-Mitgliedern rund 540.000 registriert. 98.330 galten als „Illegale“, die bereits von Juli 1933 bis März 1938, also zur Zeit des Verbots der NSDAP, Mitglieder der Partei gewesen waren. Die registrierungspflichtigen Personen wiederum wurden in „Belastete“ (rund 10%) und „Minderbelastete“ eingeteilt. Viele Passagen des NSG (Nationalsozialistengesetz) waren jedoch Kompromisse und die Kritik daran verstummte in der Öffentlichkeit nicht. In vollem Umfang wurde es letztendlich nur ein Jahr lang angewendet, manche Bestimmungen traten überhaupt nie in

Kraft.193

3.1.2. Widersprüche und Antithesen

Der in der Moskauer Deklaration angeführte „Doppelstatus“ Österreichs als Opfer und (Mit-)Täter ist in Österreich bis heute ein zentrales Element der Auseinandersetzungen mit der nationalen Identität. Nach Uhl eröffnete der Opfermythos zum einen,

„in der prekären Lage zu Kriegsende die Möglichkeit der Distanzierung von NS- Deutschland […]. Zum anderen durchdrang die damit verbundene anti- nationalsozialistische Überzeugung die politische Symbolik und Rhetorik in allen Bereichen des öffentlichen Lebens – der zynische double-talk manifestierte sich erst ab 1948.“194

Anton Pelinka bezeichnet wie skizziert den politischen Führungsstil und die Sprachkultur Österreichs als „double speak“ bzw. „Doppelsprech“ und beschreibt damit die viel geübte politische Doktrin sich nach außen hin als antifaschistischer Staat und als „erstes Opfer“ zu präsentierten, während nach innen den ehemaligen Wehrmachtssoldaten für deren „Pflichterfüllung“ und „Opferbereitschaft“ bei der „Verteidigung der Heimat“ Kriegerdenkmäler gesetzt wurden. Fortan wurden die Erinnerungen an den Widerstand heruntergespielt und die Verbrechen des Regimes nicht

192 MOSKAUER DEKLARATION 1943, https://www.hdgoe.at/CMS/items/uploads/Website/module_image/ Moskauer_Deklaration.jpg [2.5.2020]. 193 DÖW o.J; Entnazifizierung in Österreich. https://ausstellung.de.doew.at/m28sm129.html [18.2.2020]. 194 UHL 2018, S. 49. Seite 38 mit der eingangs an den Tag gelegten Intensität verfolgt. Dadurch konnte sich die populistische Antithese etablieren, die sich „im ‚Heldengedenken‘ an die Gefallenen“195 manifestierte und weitaus wirkmächtiger wirkte als die offizielle Selbstdarstellung als „erstes Opfer“.

Gründung VdU

Spätestens ab 1947 bemühten sich schließlich die Großparteien ÖVP und SPÖ wieder um eine Reintegration der ehemaligen Nationalsozialist*innen in die politische Landschaft, da Minderbelastete wieder das aktive Wahlrecht erhielten. 1948 beschloss der Nationalrat die „Minderbelastetenamnestie“ nach der rund 500.000 Menschen amnestiert wurden. Der Kampf aller Parteien um das große Wählerpotential dieser „Ehemaligen“ hatte nun begonnen und „die Konkurrenz um das beträchtliche Stimmenpotential der ‚Ehemaligen‘ wurde ab nun zur Signatur der politischen Kultur in der Zweiten Republik“.196 1949 wurde zudem ein neues politisches Sammelbecken für ehemalige Nazis gegründet, der Verband der Unabhängigen (VdU), aus welchem 1956 die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hervorging.197 Der Wahlkampf 1949 stand „ganz im Zeichen des Buhlens“ um das Wählerpotential der amnestierten Nationalsozialist*innen und ihrer Angehörigen, welche rund ein Viertel der Wahlberechtigten ausmachten.198 Beim ersten Wahlgang erlangte der VdU auf Anhieb 11,7% (16 Mandate).199 Mit dem VdU betrat nun eine politische Partei die Bühne, deren „Kernagenda“ es war, um „Ehemalige“ zu werben. Nach Oliver Rathkolb war der VdU „nichts anderes als ein Interessensverband von Betroffenen der Entnazifizierungsgesetzgebung mit einer pseudoliberalen Führung“200. Oberflächlich inszenierte sich der VdU als neue liberale Kraft in Österreich, obwohl die

„Nationalen“ die Mehrheit im VdU stellten.201 Von Beginn an versuchte sich der VdU von der „Vergangenheit losgelöst“ zu präsentieren und jeden „Bezug zum Nationalsozialismus“ zu kappen.202 Der Spitzenkandidat und Hauptredner des VdU im Wahlkampf 1949 Herbert Kraus konzentrierte sich auf zwei Hauptthemen: „den Kampf für die Rechte der ehemaligen

Nationalsozialisten und seine fundamentale Kritik an der großen Koalition“203:

195 Vgl. UHL 2018, S. 48. 196 Ebda. S. 49. 197 Ebda. S. 48. 198 REITER 2019, S. 107. 199 Vgl. Ebda. S. 113. 200 RATHKOLB 2015, S. 397. zit. n. REITER 2019, S. 93. 201 Vgl. REITER 2019, S. 91–93. 202 Vgl. Ebda. 203 Vgl. Ebda. S. 108. Seite 39 „Unser Kampf gegen die NS-Gesetzgebng ist nur aus der Sorge für Österreich geboren. Er ist nur eine Forderung der Anständigkeit und politischen Klugheit. Wir haben weder ideel noch organisatorisch irgendetwas mit den ehemaligen Nationalsozialismus zu tun.“204

Der VdU stand unter ständiger Beobachtung der politischen Konkurrenz in Österreich sowie durch die Allierten. Die Amerikaner prüften die Kandidaten des VdU vor der Wahl 1949 anhand einer Checkliste – auf Basis von Quellen wie z.B. Gauakten – auf NS-Mitgliedschaft und NS-Funktionen. Nach damaligen Wissen wurde bei 209 Kandidaten von 430 überprüften Kandidaten eine Verbindung zum NS-Regime festgestellt.205 Nach Margit Reiter gilt der VdU „zu Recht als Sammel- und Auffangbecken ehemaliger Nationalsozialisten, nicht nur was seine Wählerbasis, sondern vor allem was die Funktionärsebene betrifft“ und so war „das liberale Segement im VdU sowohl personeller als auch in inhaltlicher Hinsicht von Beginn an eher marginal.“206

Anfang der 1950er-Jahre traten die „Ehemaligen“ dann immer selbstbewusster als politische Akteur*innen auf, wie etwa Helfried Pfeifer, der seit 1938 NSDAP-Mitglied und von 1949 bis 1959 sowohl VdU als auch FPÖ Abgeordneter im Nationalrat war. Der sogenannte „Ent- Entnazifizierungsexperte“ forderte geradezu obsessiv die Rücknahme von Entnazifizierungsmaßnahmen und eine umfassende Belasteten-Amnestie. Da 1948 durch die Minderbelasteten-Amnestie die große Masse der „Ehemaligen“ bereits rehabilitiert waren, rückten ab den 1950er Jahren die „Belasteten“ in den Fokus. Wobei ab Anfang der 1950er Jahre für die

„meisten von ihnen die Sühnemaßnahmen ohnehin bereits abgelaufen“ waren.207

Gründung FPÖ

Bei den Landtagswahlen 1954 musste der VdU schwere Verlusten hinnehmen und die Spannungen zwischen dem „liberalem“ und „nationalistischem“ Flügel verstärkten sich. Im Hintergrund wurde daraufhin an der Gründung einer neuen „völkisch-freiheitlichen Partei“ gearbeitet. Auf das „Attribut ‚völkisch‘ wurde bald stillschweigend verzichtet, stattdessen griff man auf die […] Selbstbezeichnung ‚national-freiheitlich‘ bzw. ‚freiheitlich‘ zurück.“208 Es war nach Margit Reiter kein Zufall, dass „die parteipolitische Formierung der ‚Ehemaligen‘ und die Gründung der FPÖ mit ihrer (deutsch-)nationalen Ausrichtung“209 gerade in die Zeit von 1955/56 fiel. Denn durch die

204 KRAUS 1949, S. 1. zit. n. REITER S. 108. 205 Vgl. REITER 2019, S. 115. 206 Ebda. S. 120. 207 Vgl. Ebda. S. 137. 208 Ebda. S.195–196. 209 Ebda. S. 206. Seite 40 Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1955 wurde die Kontrolle Österreichs durch die Alliierten beendet und „man konnte noch freier als zuvor agieren“.210 Am 17. Oktober 1955 einigte man sich auf die Bildung einer neuen „‚freiheitlichen Einheitspartei‘. Anfang November wurde der Name Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) eingeführt und ein 15-Punkte Kurzprogramm veröffentlicht. Das Programm diente der „Anwerbung ehemaliger Nationalsozialisten“ und umfasste Punkte wie, das Bekenntnis zur sozialen Volksgemeinschaft, Eigenstaatlichkeit Österreichs, Ausschaltung des Parteiproporzes, soziale Marktwirtschaft, echte Betriebsgemeinschaft, die Förderung junger Ehen und kinderreicher Familien, volksbewusste Erziehung und Jugend sowie das „Bekenntnis zur deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“.211

Anton Reinthaller wurde zum „politischen Hoffnungsträger und [Anm. zur] nationalen Galionsfigur im ‚ehemaligen-Milieu‘“. Er war einer der wenigen prominenten NS-Funktionsträger, der auch nach 1945 wieder eine politische Spitzenfunktion einnahm und hohen Bekanntheitsgrad hatte. Reithaller war maßgeblich an der Gründung der FPÖ beteiligt und wurde bei der offiziellen Gründung der FPÖ am 7./8. April 1956 – welcher unter dem Motto „Glaube, Treue, Opferbereitschaft“ stand – zum ersten Parteiobmann der FPÖ gewählt.212 Reinthaller setzte in seiner Antrittsrede klare nationale Akzente, appellierte an die Kameradschaft und Einigkeit des „national-freiheitlichen“ Lagers und „legte ein Bekenntnis zum Deutschtum und zum ‚nationalen Gedanken‘“ ab.213 Reithaller betonte damit offen sein „Bekenntnis zur Zugehörigkeit zum deutschen Volk“ und trat vehement gegen die NS-Gesetze eine, welche er als „Ausnahmegesetze“ und „Unrechtsgesetze“ bezeichnete. Außerdem betonte er sich gegen „jeden Extremismus – ob nach rechts oder links gerichtet“ zu stellen.214 Nach Reiter pflegt die FPÖ bis heute eine Doppelstrategie, die einerseits ein „dezidierte deutschnationale Bekenntnis (als Botschaft nach innen)“ und anderseits eine Absage an einen „nicht näher definierten ‚Extremismus‘ (zur Beruhigung nach außen)“ beinhaltet.215

Nach Reithallers Tod 1958 übernahm Friedrich Peter die Funktion des Parteiobmanns und versuchte die Partei ab Ende der 1960er Jahre in die Mitte zu rücken. 1970/71 stützte die FPÖ die Minderheitsregierung der SPÖ von Kanzler Bruno Kreisky. Unter dem Parteiobmann Norbert

210 REITER 2019, S. 206. 211 Ebda. S. 212. 212 Vgl. Ebda. S. 217. 213 Ebda. S. 219. 214 Ebda. 215 Ebda. Seite 41 Steger, der liberal eingestellt war, zog die FPÖ 1983 erstmals in die Regierung ein. Die Koalition schürte aber innerparteilichen Unmut, welchen der Kärnter Landesvorsitzende der FPÖ Jörg Haider nutzte und er wurde mit Unterstützung des deutschnationalen Flügels der Partei 1986 zum Bundesvorsitzenden gewählt. Daraufhin kündigte der Bundeskanzler Franz Vranitzky die Koalition auf. Jörg Haider positionierte die Partei neu als rechtspopulistische Partei, indem er die Unsicherheit und Ärgernisse der Bevölkerung ansprach und versuchte das „‚reine, anständige Volk‘ gegen die ‚abgehobene, korrupte Elite‘ zu mobilisieren.“216

Abseits der parteipolitischen Bühne, veranstalteten 1959 Burschenschafter und deutschnationale Organisationen machtvolle Zeichen im öffentlich-politischen Raum. So wurde etwa eine Schillerfeier durch einen Fackelzug auf der Wiener Ringstraße realisiert, womit in der

Öffentlichkeit demonstrativ Präsenz gezeigt wurde.217 1963 wurde der „Schlächter von Vilnius“, Franz Murer, im Prozess am Grazer Landesgericht freigesprochen. 1965 entflammte dann die Affäre rund um den Professor für Neuere Geschichte an der Wiener Hochschule für Welthandel, das ehemalige Mitglied der NSDAP, Taras Borodajkewycz, der ein bekennender Antisemit war und in seinen Vorlesungen davon sprach, dass es die „Österreichische Nation 1918 nicht gab und es gibt

[sie] heute noch nicht“.218 Die Chronik brauner Affären und Skandale ließe sich lange fortführen, Opferthese sowie Heldengedenken blieben davon jedenfalls nicht unberührt.

3.1.3. Mitverantwortungsthese

Erst die Waldheim-Affäre 1986 vermachte es eine Transformation des österreichischen Gedächtnisses und damit die endgültige Erosion des Opfermythos einzuleiten. Kurt Waldheim wurde zum Symbolbild für die Widersprüchlichkeiten mit der eigenen unbewältigten NS- Vergangenheit. Im Zentrum der Debatte um Kurt Waldheim stand dessen berühmter Satz: „Ich habe im Krieg nichts anderes getan als Hunderttausende andere Österreicher, nämlich meine Pflicht als

Soldat erfüllt.“219 Der ÖVP-Präsidentschaftskandidat Waldheim versuchte sich mit dieser Aussage gegen den Vorwurf, dass er in Kriegsverbrechen auf dem Balkan verwickelt gewesen sei, zu rechtfertigen. Waldheims Aussage über die „Pflichterfüllung“ stieß national wie international auf Unverständnis und Ablehnung, während noch ein „Jahrzehnt zuvor dieses Argument noch keinen

216 FALLEND / HABERSACK / HEINISCH 2018, S. 33. 217 Vgl. UHL 2018, S. 51. 218 FISCHER 2015, S. 42. 219 UHL 2018, S. 52. Seite 42 gesellschaftlichen Anstoß erweckte“.220 Noch in der Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre 1975 hatte sich der FPÖ-Parteiobmann Friedrich Peter, gegen die Aufdeckung seiner SS-Vergangenheit durch

Simon Wiesental, ebenso mit den Worten; „Ich habe lediglich meine Pflicht erfüllt“221, verteidigt und wurde von Kreisky dafür in Schutz genommen.222

1986 hatte sich die politische Haltung der jüngeren Generationen verändert und die „Waldheim- Affäre“ prägte fortan den Kampf gegen das „Geschichtsbild der Verharmlosung und Verdrängung

[…], das von Kurt Waldheim symbolisiert wurde“.223 Als Folge der Kontroversen um Waldheim können auch die Geschehnisse rund um das Burgtheater im „Bedenkjahr“ 1988 gewertet werden. 1988 jährte sich „der Anschluss“ zum fünfzigsten Mal, weshalb von verschiedener Seite ein „Bedenkjahr“ ausgerufen wurde. Konkret feierte auch das Burgtheater sein 100-jähriges Jubiläum, was Dramaturg und Direktor Claus Peymann dazu veranlasste, Thomas Bernhard zu beauftragen, ein Theaterstück zu schreiben. Der Skandal begann, als erste Textauszüge und -passagen aus dem Stück „Heldenplatz“ bereits Wochen vor der Premiere in mehreren Tageszeitungen und Magazinen veröffentlicht wurden. Doch die eigentliche Skandalisierung nahm ihren Ausgang mit der Ausgabe der Kronen Zeitung vom 7. Oktober 1988, als sie jene Satzfragemente abdruckte, die völlig aus dem Zusammenhang gerissenen schienen. So titelte das Blatt: „Österreich, 6,5 Millionen Debile!“ – ohne jegliche Kontextualisierung zu offerieren.224 In den folgenden Tagen erregte die mediale Diskussion um „Heldenplatz“ internationales Interesse und bald meldete sich die internationale Politik zu Wort. Am Tag der Premiere stand das Burgtheater unter Polizeischutz, vor dem Haus kam es zu Auseinandersetzungen, während die Uraufführung des Stückes über die Bühne ging. Nach der Aufführung bot sich dem Publikum eine Applausschlacht zwischen Pfui- und Buh-Rufen bzw. Gegenchören vor laufender Kamera.225

In den 1990er Jahren entwickelte sich schließlich – nach Heidemarie Uhl zufolge – eine

„Synchronisierung der Gedächtnislandschaften“226 im Zusammenhang mit einer europäischen Erinnerungskultur. Erst 1991 erfolgte eine offizielle Distanzierung der österreichisch politischen Verantwortlichen von der Opferthese durch die Rede des Bundeskanzler Franz Vranitzky vor dem

220 UHL 2018, S. 52. 221 Ebda. 222 Ebda. 223 Ebda. 224 Vgl. ORF NEWS 2018, Rückblick auf einen Theaterskandal. 30 Jahre „Heldenplatz“. https://orf.at/stories/3088162/ [19.11.2019] 225 Vgl. HUBER 2001, Der Heldenplatz-Skandal. https://thomasbernhard.at/das-werk/drama/heldenplatzskandal/ [10.11.2019]. 226 UHL 2018, S. 53. Seite 43 Parlament. Vranitzky sprach von der österreichischen „Mitverantwortung für das Leid, das zwar nicht Österreich als Staat, wohl aber Bürger dieses Landes über andere Menschen und Völker gebracht haben“227. 1997 wurde nach deutschem Vorbild ein Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus beschlossen, mit Zustimmung aller Parlamentsparteien. Am 26. Oktober 2000, zum Datum des Nationalfeiertags, wurde das Holocaust-Denkmal am Wiener Judenplatz enthüllt. Bereits im Februar des selben Jahres war Wolfang Schüssel (ÖVP) eine Koalition mit Jörg Haider (FPÖ) eingegangen. Diese Regierungsbeteiligung einer rechtspopulistischen Partei in einem Land der EU, löste europaweit Proteste aus. Dies wurde als Verletzung des europäischen Wertekonsens betrachtet und führte zu Sanktionen durch EU-Mitgliedsstaaten. Daraufhin mussten sich die Regierungsvertreter*innen auf Verlangen von Bundespräsident Thomas Klestil in einer Präambel zum Regierungsprogramm zu den „grundlegenden Werten der Demokratie in Europa“ bekennen.228

Abseits der parteipolitischen Bühne, regte die erste Totengedenkfeier für die Wehrmachtssoldaten, initiiert von schlagenden Burschenschaften, die am 8. Mai 2002 in der Krypta des österreichischen Heldendenkmals für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs am Äußeren Burgtor der Wiener Hofburg abgehalten wurde, starke öffentliche Kritik. Die Feier wiederholte sich bis 2012 jährlich. Der Heldenplatz wird dabei großräumig abgesperrt, Gegendemonstranten*innen der Zugang verweigert, durch das Polizeiaufgebot konnten die Burschenschaftler weitgehend abgeschirmt von der protestierenden Öffentlichkeit den Platz exklusiv für ihre provokant Ehrung nutzen.229 2013 wurde diese Inszenierung unterbunden, seither wird das Kriegsende am Heldenplatz mit einem Fest der Freude gefeiert und seit 2015 steht dabei nicht mehr die Unterzeichnung des Staatsvertrags, sondern vorrangig das Kriegsende im Vordergrund.230

227 UHL 2018, S. 53. 228 Vgl. Ebda. 229 Vgl. Ebda. 230 Ebda. S. 54 Seite 44 3.2. Transformation des Rechtsextremismus

Die skizzierte Transformation der nationalen Narrative im Umgang mit der österreichischen nationalsozialistischen Vergangenheit soll im Folgenden in Bezug zur Entwicklung des Rechtsextremismus in Österreich gesetzt werden. Dargestellt wird wie sich rechtsextreme Erscheinungsformen an die politischen Rahmenbedingungen und neuen diskursiven Grenzen anpassen. Sichtbar wird, dass der Rechtsextremismus bei allen Kontinuität in seiner historischer Entwicklung weit davon entfernt ist, ein statisches Phänomen zu sein und sich ständig den hegemonialen Bedingungen anpasst, während sich der ideologische „Grundkern“ der (radikalen) Rechten sich nicht verändert, sondern bloß die Form verändert.

Dabei gilt es vor allem das erstmalige Auftreten der Identitären ab 2012 im deutschsprachigen Raum, in Österreich und Deutschland in einen breiten Kontext zu stellen und nachvollziehbar zu machen, dass die oberflächliche Abgrenzung der „Neuen Rechten“ von der „Alten“ durch neue Begriffe und Formen als politische Strategie zu verstehen ist, welche eine demokratische Gesinnung vortäuscht und als zentrale Funktion der Verharmlosung rechtsextremer Ideologie dient.

3.2.1. FPÖ und Neonazi-Szene

Die Rechte in Österreich wird maßgeblich von zwei Faktoren geprägt. Einerseits ist die Rechte in Österreich seit Gründung der FPÖ, bzw. deren Vorgängerpartei dem VdU, stark parteiparlamentarisch ausgerichtet. Die Partei bietet Jobs und Karrierechancen, sowie einen gewissen Schutz vor polizeilichen Repressionen. Polizeiliche und juristische Repression traf vor allem immer jene Rechten, die nicht unter dem Schutz der FPÖ standen. Auf der anderen Seite kämpft die offene Neonazi-Szene mit den Auswirkungen des Verbotsgesetztes der nationalsozialistischen Wiederbetätigung. Nach Andreas Speit sind die Unterschiede zwischen FPÖ und Neonazi-Szene jedoch schwer festzumachen, wie etwa die zahlreichen „Einzelfälle“ der FPÖ zeigen.231 So zog sich zwar der Antisemitismus innerhalb der FPÖ von der „Vorderbühne auf die Hinterbühne“ zurück, er kommt „aber zu bestimmten Anlässen oft geradezu reflexhaft wieder zum Ausbruch“232 – wie Margit Reiter analysiert. Die „Einzelfälle“ sind mittlerweile genau dokumentiert, so sammelte das sozialdemokratische Magazin Kontrast.at seit Dezember 2017 die

231 Vgl. SPEIT 2018, S. 204–205. 232 REITER 2019, S. 313. Seite 45 „78 rechtsextremen ‚Einzelfälle’ der FPÖ“233 und das Mauthausen Komitee Österreich fasste ebenfalls 106 „Einzelfälle“ in der Broschüre „Die FPÖ und der Rechtsextremismus. Einzelfälle und

Serientäter“234 zusammen. Die Auflistungen umfassen nationalsozialistische Wiederbetätigung, rassistische und antisemitische Wortmeldungen und Hetzen. Folgend sollen einige jener „Einzelfälle“ angeführt werden. Heinrich Sickl, FPÖ-Gemeinderat in Graz, nimmt 2018 an Aufmärschen der rechtsextremen Identitären teil und lädt 2019 zu einer Tagung, deren Referenten nach DÖW als rechtsextrem einzustufen sind und aus dem Umfeld des deutschen Instituts für

Staatspolitik (IfS) – einer „neurechten“ Denkfabrik – sind.235 Außerdem vermietete Sickl mehrere Jahren den Identitären Räumlichkeiten in Graz. In den 1990er Jahren betätigte er sich in der österreichischen Neonazi-Szene und war Mitglied der „Nationalsozialistischen Front“ – 1992 wurde die Gruppierung verboten.236 Aus den Auflistungen geht hervor, dass eine personelle, organisatorische wie auch institutionelle Nähe zwischen FPÖ und Rechtsextremismus besteht. Medien wie „Info-Direkt“, „Wochenblick“ oder „Aula“ (2018 eingestellt) – welche rassistische, antisemitische und verschwörungstheoretische Inhalte verbreiten – wurden mit Steuergeldern unterstützt, indem Inserate der FPÖ geschaltet wurden.237 Außerdem arbeite die FPÖ eng mit rechtsextremen Gruppierungen, wie den Identitären zusammen, pflegt internationale Beziehungen zu anderen rechtspopulistischen Parteien Europas und ist Teil der Faktion „Europa der Nationen und der Freiheit“.238 Es zeigt sich, dass die Partei nach wie vor jede Anschuldigung in „altbekannter Manier als ‚Verleumdung‘“ zurückweist und sie behauptet immer wieder, dass es sich dabei um „Einzelfälle“ oder „Ausrutscher“ handle.239 Nun soll noch ein weiterer der vielen „Einzelfälle“ benannt werden, der den offen zutage getragenen Antisemitismus innerhalb der FPÖ spiegelt. Die Liederbuch-Affäre, um den Stellvertretenden Vorsitzenden der Burschenschaft Germania und Spitzenkandidaten der FPÖ bei der Landtagswahl in Niederösterreich 2018, Udo Landbauer, zeigte offen die antisemitischen

233 KONTRAST REDAKTION 2020, „Die Grenze ist das Strafrecht“. Die gesammelten 78 rechtsextremen „Einzelfälle“ der FPÖ seit Dezember 2017. https://kontrast.at/die-gesammelten-einzelfaelle-der-fpoe/ [18.7.2020]. 234 MAUTHAUSEN KOMITEE ÖSTERREICH 2018, Die FPÖ und der Rechtsextremismus. Einzelfälle und Serientäter. https://www.mkoe.at/sites/default/files/files/aktuelles/MKOE-Broschuere-FPOE-Einzelfaelle-und- Serientaeter-2018.pdf [17.7.2020]. 235 KONTRAST REDAKTION 2020, „Die Grenze ist das Strafrecht“. Die gesammelten 78 rechtsextremen „Einzelfälle“ der FPÖ seit Dezember 2017. https://kontrast.at/die-gesammelten-einzelfaelle-der-fpoe/ [18.7.2020]. 236 ANTIFASCHISTISCHE RECHERCHE GRAZ 2015, Heinrich Sickl – Vom Neonazi zum Vermieter des „Identitären“ Zentrums in Graz. https://recherchegraz.noblogs.org/post/2016/10/15/heinrich-sickl/ [20.7.2020]. 237 MAUTHAUSEN KOMITEE ÖSTERREICH 2018, Die FPÖ und der Rechtsextremismus. Einzelfälle und Serientäter. S. 9. https://www.mkoe.at/sites/default/files/files/aktuelles/MKOE-Broschuere-FPOE-Einzelfaelle-und- Serientaeter-2018.pdf [17.7.2020]. 238 Ebda. S. 11–12. 239 REITER 2019, S. 314. Seite 46 Tendenzen der FPÖ auf. 2018 berichtete die Wiener Wochenzeitung Falter, dass ein Liederbuch der Burschenschaft Germania antisemitische und den Holocaust verhöhnende Liedtexte enthält. Einmal mehr wurde deutlich, dass sich zentrale Vertreter der Partei über den Mord an Millionen Jüdinnen und Juden lustig machen.240 Bereits 2017 fiel Landbauers antimuslimische Haltung auf, als er im Zuge der Landtagswahl in Niederösterreich, die Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner als „Moslem-Mama“ verhöhnte. Grund dafür war, dass in „den Landeskindergärten laut Bildungsplan unterschiedliche Kulturen behandelt werden“ sollten und Landbauer darin eine

„Zwangsislamisierung“ sah.241 Konsequenzen folgen den „demokratiefeindlichen Umtrieben“ der FPÖ nur dann, „wenn die Parteispitze Nachteile befürchtet“ sonst wird meistens geleugnet oder verharmlost. Die Partei bietet seit ihrer Gründung „Ehemaligen“ und der neuen Generation mit einer rechtsextremen Gesinnung juristischen Schutz, eine politische Heimat und neue

Einflussmöglichkeiten. 242

In den 1950er waren es die Soldatenbünde und Kamerandsschaftsverbände, die gemeinsam mit dem Aufkommen des VdU die populistische Antithese zum demokratischen Grundkonsens verfestigten. Ab den 1960er Jahren reagierte die extreme Rechte in Westeuropa auf wachsende gesellschaftliche Ablehnung durch Misserfolge bei Wahlen, sowie behördliche Verbote, mit einer Distanzierung von historischen Vorläufern und neonazistischen Artikulationsformen. Die einsetzenden Versuche sich vom „faschistischen Gedankengut Hitlers zu befreien“ (Margret Feit) gehen von Frankreich aus und werden als „neurechts“ bezeichnet.243Anfang der 1970er schlossen sich militante Neonazis zur Aktion Neue Rechte (ANR) zusammen und verbreiteten an österreichischen Universitäten Terror. In den späten 1980er Jahren war es dann der RFS (Ring Freiheitlicher Studenten), der „gegenintellektuelle Wortführer“ der „neurechten“ Szene einlud, Vorträge zu halten. Der Etikettenschwindel wurde hier sichtbar, da Neonazis bei den Vorträgen den „Saalschutz“ verstärkten.244 Als 1986 die Waldheim-Affäre ganz Österreich und das nationale Geschichtsverständnis erschütterte, gründete der Neonazi Gottfried Küssel die militante Gruppierung VAPO (Volkstreue Außerparlamentarische Oppostion), welche in der Öffentlichkeit

240 Vgl. HORACZEK 2018, „Wir schaffen die siebte Million“. In: FALTER. https://www.falter.at/zeitung/20180123/ wir-schaffen-die-siebte-million [7.6.2020] 241 MAUTHAUSEN KOMITEE ÖSTERREICH 2018, Die FPÖ und der Rechtsextremismus. Einzelfälle und Serientäter. S. 3. https://www.mkoe.at/sites/default/files/files/aktuelles/MKOE-Broschuere-FPOE-Einzelfaelle-und- Serientaeter-2018.pdf [17.7.2020]. 242 Ebda. 243 SCHIEDEL 2015, S. 24. 244 Ebda. Seite 47 vor allem durch ihre „Wehrsportübungen“ bekannt wurde.245 Anfang der 1990er Jahre wurde die neonazistische Gruppierung VAPO von der Polizei zerschlagen und Küssel nach dem NS-

Wiederbetätigungsgesetz zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.246 Zur gleichen Zeit erfolgte eine Briefbombenserie gegen mehrere bekannte Persönlichkeiten und ein Attentat auf Romas in Oberwart. Vorerst verdächtigte man als Täter neonazisitsche Gruppen, jedoch stellte sich heraus, dass es sich um den rechtsradikalen Einzeltäter Franz Fuchs handelte.247

Spätestens durch die wachsende polizeiliche Beobachtung der rechtsextremen Szene in den 1990er

Jahren traten viele der FPÖ bei: „Rein in die Legalität“ soll das Motto gewesen sein.248 Während der Staatsapparat die Neonazi-Szene durchleuchtete, riefen führende Köpfe dazu auf, der FPÖ beizutreten. So trat auch der Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu dieser Zeit der Partei bei. Davor war Strache fester Bestandteil der außerparlamentarischen Rechten und

Neonazi-Szene.249

Durch die Verschärfung des Verbotsgesetzes in den 1990er waren Neonazis dazu angehalten, ihre Propaganda in Form einer Intellektualisierung zu modifizieren und von nun an vorsichtiger zu agieren. Bei der Suche nach „unverdächtigen Stichwortgebern“ wurde man bei Vertretern der „Konservativen Revolution“ fündig. Zur selben Zeit begünstigte der Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider eine Übernahme „neurechter“ Politikkonzepte. Als 1986 Jörg Haider Parteiobmann der FPÖ wurde, übernahm die Partei fortan antisemitische und rassistische Vorurteile und eine Anti- Zuwanderer und Anti-„Multikulti“ Haltung. Nach Haiders erzwungenem Rücktritt als Kärntner Landeshauptmann 1991 und ersten Wahlniederlagen, forderte der damalige FPÖ-Chefideologe Andreas Mölzer ein Umschwenken hin zur „metapolitischen Ebene“, um die politische Machtübernahme über den Kampf der kulturelle Hegemonie zu erlangen (Vgl. Kapitel 4.2. Erlangung der „kulturellen Hegemonie“ durch „Metapolitik“). Das zentrale Organ deutschnationaler Burschenschafter Die Aula begann damit ihre Seiten mit „neurechten“ Autoren wie Alain de Benoist zu füllen, importierte Theorien aus Frankreich und bereitete jene für das völkisch-korporierte FPÖ-Vorfeld publizistisch auf.

245 LASEK 2015, Funktionäre, Aktivisten und Ideologen der rechtsextremen Szene in Österreich, S.53-54. https:// www.doew.at/cms/download/b3c9m/lasek_funktionaere_2015-2.pdf [20.7.2020]. 246 Ebda. 247 BONVALOT 2020, Morde und Briefbomben – war Fuchs ein Einzeltäter? https://www.bonvalot.net/war-der- briefbomben-taeter-und-moerder-franz-fuchs-ein-einzeltaeter-803/ [23.7.2020]. 248 Vgl. BONVALOT 2018, S. 205. 249 Vgl. Ebda. Seite 48 „Der alte oder herkömmliche (parteiförmige) Rechtsextremismus [Anm. ist] längerfristig in Österreich zu erfolgreich, als dass er dem metapolitischen Kampf um die kulturelle Hegemonie bedürfte. Dementsprechend verloren ‚neu-rechte‘ Konzeptionen im korporierten Umfeld der FPÖ rasch wieder an Attraktivität.“250

Mitte der 1990er Jahre beklagten sich Burschenschaften resignativ über verfehlte Missionierungstätigkeiten und mussten sich ein Scheitern eingestehen, da „die Positionen der Alten

Rechten […] im Bereich der Korporationen vielfach noch heruntergeleiert“251 wurden.

3.2.2. Gründung der Identitären

Nach Schiedel fehlte es bis zum Auftreten der Identitären in der medialen Öffentlichkeit hierzulande an einem „zentralen Gründungsmoment“ für neurechte Politikkonzeptionen. Die Gründung der Identitären 2012 war durch eine „zunehmende europäische Vernetzung extremer Rechter“ begünstigt und weniger den „konkreten hegemonialen Verhältnissen im Land geschuldet“.252 Einerseits sind es die massiven Rekrutierungsschwierigkeiten korporierter Studentenverbindungen, die die Etablierung der Identitären beförderten. Im Gegensatz zu biederen studentischen Organisationsformen wie etwa dem Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) spezialisierten sich die Identitären auf außerparlamentarischen Aktionismus und popkulturelle Inszenierungen, welche auf eine steigende Nachfrage von Seiten erlebnisorientierter Jugendlicher traf.253

„Was so mancher ‚Alter Herr‘ als Anpassung an den linken Zeitgeist und die amerikanisierte Massenkultur verdammen mag, ist in Wahrheit eine notwendige Voraussetzung für die Hegemoniefähigkeit unter Jugendlichen.“254

Andererseits begünstigte der steigende behördliche Repressionsdruck um eine neue außerparlamentarische Neonazistruktur zu organisieren. Es ist kein Zufall, dass im selben Zeitraum als sich die behördliche Verfolgung gegen die zentrale Plattform der neonazisitsichen Szene Österreichs Alpen-Donau.info beschleunigte, erste Debatten über mögliche alternative Organisationsformen der rechtsextremen Szene bis hin zur Gründung der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) geführt wurden. 2011 wurde der Kopf der österreichischen Szene und Betreiber von Alpen-Donau.info, Gottfried Küssel, erneut verhaftet. Doch bereits vor der Zerschlagung des Netzwerkes fand sich ab den 2010er Jahren ein junger Kader unter Küssels Führung zusammen,

250 SCHIEDEL 2015, S. 24. 251 Ebda. 252 Ebda. 253 Vgl. Ebda. 254 Ebda. S. 25. Seite 49 darunter einige spätere Identitäre wie Martin Sellner, um eine neue Struktur aufzubauen. Sellner und weitere aus diesem Umfeld begannen mit der Suche nach einer Organisationsform jenseits der Parteiförmigkeit der FPÖ, aber auch abseits einer permanenten Bedrohung durch die Justiz. So kam man zum Schluss, dem österreichischen NS-Verbotsgesetz zu entgehen, welches bei NS- Wiederbetätigung und der Leugnung von Holocaust greift, indem man sich auf den historischen Faschismus italienischer oder französischer Prägung bezog, anstatt auf seine deutsch- nationalsozialistische Ausformung.255

Der freie Journalist und Autor Michael Bonvalot beschreibt diesen Schwenk als „innerfaschistische Umorientierung“ um der Gefahr staatlicher Verfolgung zu umgehen.256 Sellner bekannte sich 2014 selbst in einer Abhandlung unter dem Titel „Geständnis einer Maske“ dazu. Der Text ist aktuell nur mehr über Sekundärquellen abrufbar.257 Darin beschreibt Sellner, er selbst und seine Freunde seien „‚Nazis‘ geworden, Staatsfeinde, Hasskünstler und verlorene Rebellen“. An seiner Einstellung zum altherkömmlichen Neonazismus gezweifelt habe er erst durch die Ideen und Positionen der Autonomen Nationalisten (AN). Deren poppiges Auftreten hätte „erste Bruchstellen in die nie voll abgeschossene Verschmelzung von NS und Patriotismus“ geschlagen und „zu einem radikalen

Bruch“ geführt.258

Die ersten Anzeichen für eine Umorganisierung der rechtsextremen Szene und die folgende Gründung einer Identitären-Gruppe in Österreich sind einerseits auf den skizzierten steigenden behördlichen Repressionsdruck auf die illegale Neonazi-Szene und andererseits auf die Rekrutierungsschwierigkeiten der Burschenschaften zurückzuführen.

Erstmalig trat im Herbst 2012 eine österreichische Gruppierung der Identitären in Erscheinung. Im Folgenden bildeten sich einige regionale Untergruppen vor allem in Universitätsstädten, da sich die unterschiedlichen identitären Gruppen besonders aus dem burschenschaftlichen Milieu speisten. 2012 traten dann vorerst zwei verschiedene Labels der Gruppierung in der Öffentlichkeit auf. Einerseits gründete der Burschenschafter Alexander Markovics (Olympia) die Wiener Identitäre Richtung (W.I.R.) als eine Art intellektuellen Zirkel, der einen Brückenschlag zum Rechtskonservativismus anstrebte und sich auf ideologisches Denken und Publizieren fokussierte. Ende 2012 bildete sich dann um Martin Sellner eine aktionistische Version der Gruppierung die

255 Vgl. BONVALOT 2018, S. 205–207. 256 BONVALOT 2018, Der Kreis schließt sich. https://www.bonvalot.net/der-kreis-schliesst-sich-693/ [26.7.2020]. 257 BONVALOT 2018, S. 206. 258 Vgl. Ebda. S. 206–207 Seite 50 Identitären in Wien (IBW), die als Teil der organisatorisch höher gestellten Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) auftrat. Vor allem die Gruppe um Martin Sellner stammte zum großen Teil aus dem Neonazi-Milieu.259 Nach dem Vorbild osteuropäischer Neonazis wurden mit Hardbass–

Aktionen260 Veranstaltungen der politischen Gegner gestört. Über diesen „poppigen“ Aktionismus versuchen die Identitären vor allem Jugendliche zu rekrutieren.261

Nachdem sich die Zusammenarbeit zwischen W.I.R. und der IBW intensivierte, gingen die Gruppen in der IBÖ auf. Österreichweite mediale Aufmerksamkeit erlangten die Identitären erstmals durch die Besetzung der Votivkirche in Wien am 10. Februar 2012. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich Asylsuchende bereits seit mehreren Wochen in der Kirche und verharrten im Hungerstreik, um auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen.262 Die Identitären besetzten die Kirche mit neun Männern (20–30 Jahre) und entrollten ein gelbes Transparent mit dem Lambda-Logo und verteilten

Flugblätter mit der Aufschrift „Asyl ja, Missbrauch nein“263. Rechte Störaktionen waren zu diesem Zeitpunkt in Österreich ein weitgehend unbekanntes Phänomen und die neue Organisationsform der Identitären unterschied sich von dem, was bisher aus der österreichischen außerparlamentarischen rechten Szene bekannt war. Die Besetzung war zugleich der mediale Durchbruch für die Identitären und kann als zentrales Gründungsmoment der gesamten deutschsprachigen Identitären gesehen werden.264 Die Störaktion in der Votivkirche gilt als Beginn einer neuen Form von rechtem Aktionismus, um mit wenigen Mitteln ein großes Medienecho zu erlangen.265

259 Vgl. SCHIEDEL 2015. S. 24. 260 Hardbass ist ein elektronisches Subgenre des Hard-Style und wurde ab den späten 2000er Jahren in der russischen Neonazi-Szene zum beliebten Sound, der vermehrt mit Nazi-Codes versehen und auf Flashmobs eingesetzt wurde. Es tauchten vermehrt Hardbass-Videos aus verschiedenen europäischen Städten im Internet auf, welche auf der Straße tanzende Jugendliche zeigten. (Vgl. SCHIEDEL 2015, S. 25 / FM4 2012, Rechte vereinnahmen Hardbass. https:// fm4v3.orf.at/stories/1707634/index.html [4.8.2020].) 261 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 104. 262 Vgl. BONVALOT 2018, S. 205–212. 263 GÖTSCH 2013, S. 57. 264 Vgl. BONVALOT 2018, S. 212. 265 Vgl. Ebda. S. 204. Seite 51 3.2.3. Aktuelle Entwicklungen

Laut BVT Verfassungsschutzbericht 2018 zeichnet sich ein konstant steigender Trend bei

„rechtsextrem motivierten Tathandlungen in Österreich“266 ab. So sind bei den österreichischen Sicherheitsbehörden 2018 insgesamt „1.075 rechtsextremistische, fremdenfeindliche/rassistische, islamfeindliche, antisemitische sowie unspezifische oder sonstige Tathandlungen, bei denen einschlägige Delikte zur Anzeige“267 gebracht wurden, aktenkundig.

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstand (DÖW) schätzt 2019 die Neonazi- und Rechtextremismus-Szene in Österreich auf 1.000 bis maximal 2.000 Personen und teilt das Milieu in mehrere Untergruppen ein: Erstens das ursprünglich britische rechtsextreme „Blood & Honour“268 Netzwerk oder auch Skinheadszene, das einschlägige Konzerte organisiert und im deutschsprachigen Raum vor allem durch die personelle Nähe zum NSU269 bekannt ist. Die zweite Gruppe von rund 200 Personen ist „eine Art Überbleibsel der neonazistischen Webseite ‚Alpen- Donau-Info‘“. Dritte und aktivste Gruppe sind die Identitären.270 Eine genaue Zahl über Aktivisten*innen ist mangels einsehbarer Daten schwierig, so schätzt dass DÖW den Kader auf 50-70 Personen, bei Demonstrationen kann der Kader aber bis zu 300 Personen mobilisieren, weil nicht nur Mitglieder sondern auch Sympathisanten*innen eingebunden werden.271 Es ist diese dritte Gruppe der Identitären, die im Fokus dieser Arbeit steht. So ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sich die Identitären mittlerweile wieder neu organisieren. Nun treten sie mit der neuen Gruppierung „Die Österreicher –DO5“ in der Öffentlichkeit auf. Der Name bzw. das Kürzel

„DO5“ ist „zynisch an eine Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus (O5)272“

266 BVT 2019, Verfassungsschutzbericht 2018. https://www.bvt.gv.at/bmi_documents/2344.pdf [14.1.2020]. 267 Ebda. 268 Das „Blood and Honor“ ist ein internationales rechtsextremes Netzwerk, dass einen Schwerpunkt in der Verbreitung von Rechtsrock und Organisation von Konzerten hat, um Bands zu vernetzen und eine nationalsozialistische Ideologie zu verbreiten. Die deutsche Übersetzung des Namen „Blut und Ehre“ zitiert den Sinnspruch der Hitlerjugend. (Vgl. AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVEN o.J; Blood & Honour (B&H) / 28. https://dasversteckspiel.de/die- symbolwelt/gruppen-organisationen-und-netzwerke/blood-honour-b-h-28.html [5.8.2020].) 269 Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) war eine rechtsextreme Terror-Zelle bestehend aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Die Mitglieder waren ab 1998 untergetaucht und töteten in Deutschland zwischen 2000 bis 2007 insgesamt 10 Menschen (neun Migranten und eine Polizistin), verübten mehrere gescheiterte Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. (Vgl. GOLLASCH 2019, S.14. / Vgl. SCHELLENBERG 2014, S.3, 14.) 270 MÖCHEL / SCHREIBER 2019, Rechtsextreme Szene in Österreich: „Gewaltbereitschaft als Ideologie“.https:// kurier.at/chronik/oesterreich/rechtsextreme-szene-gewaltbereitschaft-als-ideologie/400645364 [22.1.2020]. 271 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 103–104. 272 Die überparteiliche Widerstandsgruppe „O5“ wurde gegen Ende des 2.Weltkrieges von bürgerlich-konservativen Kräften initiiert, aber knüpfte auch Kontakt zu linken Kräften. 1945 wurde neben dem Haupttor des Stephansdom das Erkennungszeichen er Gruppe „O5“ in den Stein geritzt. Das Zeichen ist ein Code für „OE“, also „Oesterreich“ (Die Ziffer 5 verweist auf den fünften Buchstaben des Alphabets „E“). (Vgl. DÖW o.J; Überparteiliche Widerstandsgruppen. [18.8.2020].) Seite 52 angelehnt.273 Der neue formale Leiter, Jakob Gunacker, ein eher unbekannter Aktivist und „zertifizierter Berater und Coach“ der Medizinsekte Instinktbasierendes medizinisches System (IBMS). Ein gewisser „Dr. Leonard Coldwell“ bzw. Bernd Klein ist der vielfach verehrte Mastermind hinter IBMS. Er ist Geschäftsmann, Buchautor, Impfgegner, Wunderheiler und „Star der Esoterikszene“.274 Er behauptet Krebs heilen zu können und auf der IBMS-Homepage ist zu lesen:

„IBMS ist die Heilung des Lebens […] und ist ausschließlich eine Ausbildung für Hilfe zur Selbsthilfe. IBMS Coaches verschreiben nichts, bewerten oder verurteilen den Menschen nicht, diagnostizieren oder behandeln nicht, weder Sympthome noch Krankheiten jeglicher Art.“275

Nach Recherchen des Standards habe Coldwell schon mehrmals antisemitische und holocaustrelativierende Inhalte auf Sozialen Medien verbreitet. So ist etwa auf der Homepage „Krebsadvokatfoundation“ – in deren Impressum Coldwell angeführt wird – zu lesen:

„Ein weiterer Holocaust wird derzeit von der Impfstoffindustrie wiederholt. Mit der Ausnahme, dass die Auswirkungen diesen Holocausts weit über sechs Millionen Menschen hinausgehen. […] So wie Adolf Hitler jeden kriminalisiert hat, der sein autoritäres Regime kritisiert, hat der Impfstoff-Tiefenstaat in Amerika […] die koordinierte Zensur aller Kritik an Impfstoffen auf allen heutigen technischen Plattformen erreicht: Google, Facebook, YouTube, Vimeo, Twitter und andere.“276

Der Begriff des „Tiefenstaat“ oder „Deepstate“ ist ein „gerne bemühtes Chiffre der Identitären und anderer Rechter, um verschwörungstheoretische Thesen zu verbreiten. Neben Verbindungen

Coldwells zur „Neuen Rechten“ ist auch eine Nähe zur Reichsbürgerszene dokumentiert.277 Martin Sellner ist diesmal nur stellvertretender Bundesleiter der „Die Österreicher - DO5“. Inhaltlich bleibt es aber beim Alten, jedoch ist der Neuanstrich diesmal esoterisch getarnt. Auf der Homepage beschreibt man sich als „Bürgerbewegung gegen den Bevölkerungsaustausch“ und stellt einen „5- Punkte-Plan“ gegen diesen „Bevölkerungsaustausch“ vor:

273 DÖW 2020, „Identitäres“ Rebranding. https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/ archiv/jaenner-2020/identitaeres-rebranding [18.8.2020]. 274 KREIL 2020, Wie die Identitären, „Die Österreicher“ und ein Medizinguru zusammengehören. In: DER STANDARD. https://www.derstandard.at/story/2000113127197/wie-die-identitaeren-die-oesterreicher-do5-und-ein- bizarrer-medizinguru [23.2.2020] 275 COLDWELL 2019, Was ist IBSM. https://www.drleonardcoldwelldeutschland.com/about/ [23.9.2020]. 276 COLDWELL o.J; Der Impf Holocaust. https://www.krebspatientenadvokatfoundation.com/der-impf-holocaust/ [23.9.220]. 277 KREIL 2020, Wie die Identitären, „Die Österreicher“ und ein Medizinguru zusammengehören. In: DER STANDARD. https://www.derstandard.at/story/2000113127197/wie-die-identitaeren-die-oesterreicher-do5-und-ein- bizarrer-medizinguru [23.2.2020] Seite 53 „1. Stopp des Asylmissbrauchs und sichere Grenzen, 2. Migrationsquoten, Obergrenze und Remigration, 3. Leitkultur und De-Islamisierung, 4. Fachkräfte- und Familienförderung, 5. Verfassungsschutz für Identität und Meinungsfreiheit“.278

Die Ziele und Auftreten bleiben – im Vergleich zu den Identitären – beinahe unverändert. Die folgende Analyse wirft einen Blick in die Vergangenheit der Identitären und auf deren Strategien die eingeschlagen wurden, um sich als Akteur*innen im öffentlich-politischen Diskurs zu legitimieren, diesen mitzugestalten und nach rechts zu verschieben. Die Strategien der Die Österreicher-DO5-Gruppe sind dabei weitgehend dieselben geblieben. Auch wenn nun unter einem neuen Deckmantel agiert wird, erfolgt von dem mittlerweile vorbelasteten Identitären nun oberflächlich eine Distanzierung.

278 DIE ÖSTERREICHER o.J; Der 5-Punkte-Plan gegen den Bevölkerungsaustausch. https://www.die-oesterreicher.at/ 5-punkte-plan/ [1.3.2020]. Seite 54 4. Identitäre Ideologie der Ungleichheit

Im Folgenden soll die „neurechte Ideologie der Ungleichheit“ der Identitären dargestellt werden, um strategische Distanzierungen von Nationalsozialismus und Rechtsextremismus zu verdeutlichen. Dabei gilt es vorerst das ideologische Fundament und die strategische Ausrichtung der Identitären anhand der „Konservativen Revolution“ darzustellen. Die „Neue Rechte" und Identitären orientieren sich an Begriffen, Theorien, Autoren und Ideen der „Konservativen Revolution“. Daher ist es wichtig das Vorbild der Identitären die „Konservative Revolution“ kritisch zu beleuchten, um die „neurechten“ Argumentationsmuster zu verstehen.

Nach Samuel Salzborn wird vor allem über eine Themensetzung im parteipolitisches Vorfeld – was die „Neue Rechte“ als „Metapolitik“ bezeichnet – versucht eine „neurechte“ Wortwahl und eine Ideologie der Ungleichheit zu etablieren. Die Ideologie der „Neuen Rechten“ zeichnet sich, wie er darstellt, durch „zwei politische Intentionen“ aus: Einerseits die „Etablierung und Manifestierung einer ‚kulturellen Hegemonie‘ im vorpolitischen Raum“, sowie andererseits die „Intellektualisierung und Modernisierung der Argumentation und Ideologe“.279

Nachfolgend wird vorerst der Begriff der „Konservative Revolution“ geklärt sowie Akteure und Ideologie dargestellt werden (siehe Kapitel 2.1. „Konservative Revolution“). Weiters werden die „neurechten“ Strategien zur Etablierung und Manifestierung einer „kulturellen Hegemonie“ im parteipolitischen Vorfeld (siehe Kapitel: 2.2. Die Erlangung der „kulturellen Hegemonie“ durch „Metapolitik“), sowie Intellektualisierung des Rechtsextremismus (siehe Kapitel 2.3. Rechtsintellektuelle Elite) dargestellt, um die ideologische und inhaltliche Ausrichtung der Identitären auf Basis der kulturhistorisch identifizierbaren „Konservativen Revolution“ analysieren zu können.

279 SALZBORN S. 161. Seite 55 4.1. Vorbild „Konservative Revolution“

Die „Konservative Revolution“ ist ein widersprüchlicher Sammelbegriff für unterschiedliche rechtsintellektuelle Strömungen der Weimarer Republik der Zwischenkriegszeit 1918 bis 1932 – und zeitgleich in Österreich –, deren „tiefgehende philosophische und ideologische Denkmuster […] eine Kontinuität zum Nationalsozialismus“280 aufweisen und nicht in der „suggerierten Form dem Konservatismus zuzuordnen sind, sondern sich zwischen Rechtskonservatismus,

Deutschnationalismus und Nationalsozialismus bewegten“.281 Die „Konservative Revolution“ der 1930er Jahre und deren Protagonisten lassen sich nicht einheitlich als Bewegung charakterisieren. So werden deren Ideen auch als „Bewegungsfaschismus“282 oder „Neuer Nationalismus“283 bezeichnet. Die geistig-politische Strömung wird häufig durch eine Vielzahl von „Antis“ definiert: antiliberal, antidemokratisch, antiegalitär, antiparlamentarisch, antisemitisch, antimarxistisch und antihumanistisch.284 Ein Kernbestand politischer, wirtschaftlicher und sozialer Überzeugungen lässt sich anhand der „Konservativen Revolution“ nicht analysieren und sozial- wie wirtschaftspolitische Ideen der Autoren waren sehr unterschiedlich.285 Den Begriff „Konservative Revolution“ als „eigene Strömung zu etikettieren, die weder dem traditionellen Konservatismus noch dem

Nationalsozialismus zuzurechnen sei“286 gelang – einem Hauptprotagonisten der „Neuen Rechten“ – Armin Mohler. Mohler wurde 1920 in Basel geboren und verstarb 2003 in München, also gehörte er nicht dem „Gruppenbild ohne Dame“287 an – wie Breuer erläutert. Jedoch trug seine 1949 veröffentlichte Dissertation zur „Konservativen Revolution in Deutschland 1918-1932“ maßgeblich bei der Etablierung des Terminus als Sammelbezeichnung für die ideengeschichtliche Strömung bei.288 Mohler bereitete die „Ideen der Weimarer Intelektuellen als Quelle für die Neue Rechte“289 auf. Neben der unklaren Begrifflichkeit besteht auch Uneinigkeit bei der Zuordnung von Akteure der „Konservativen Revolution“. Armin Mohler führt in seinem „Handbuch“ zur Konservativen Revolution eine Unmenge an Vertretern an und teilt diese in fünf Gruppen ein:

280 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 55. 281 AFTENBERGER 2007, S. 95. 282 Ebda. 283 BREUER 1993, S. 193. zit. n. BRUNS / GLÖSEL / STROBL S. 41. 284 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 47. 285 AFTENBERGER 2007, S. 95. 286 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017 S. 40. 287 BREUER 1993 o.S; zit. n. SPEIT 2018, S. 58. 288 Vgl. SPEIT 2018, S. 58. 289 AFTENBERGER 2007, S. 96. Seite 56 „1. die Völkischen, die rassistisch-biologistisch argumentieren, 2. Die Jungkonservativen, die sich am Reichsgedanken orientieren, 3. Die Nationalrevolutionäre, die linke und rechte revolutionäre Ideologien zu vereinen suchen, 4. die Bündischen, die aus der Wandervogelbewegung entstanden und 5. Die Landvolksbewegung, die sich […] [Anm. auf] einen Bauernaufstand in Schleswig-Holstein bezog.“290

Nach Mohler bilden die Gruppen der Völkischen, Jungkonservativen und Nationalrevolutionären den Kern der „Konservativen Revolution“. Nach der Sozialwissenschaftlerin Iris Weber zählen zu den wichtigsten Vertretern: Arthur Moeller van den Bruck, Carl Schmitt, Oswald Spengler, Edgar

Julius Jung, Hans Freyer, Othmar Spann, , Ernst Niekisch und Ernst Jünger.291 Die Ideen und Pläne der Autoren waren sehr unterschiedlich, weitgehende Gemeinsamkeiten waren:

„Bekämpfung des Liberalismus als Sammelbezeichnung für alle abgelehnten sozialen und politischen Phänomene der Weimarer Republik; Ablehnung der Ideen der Aufklärung als dem deutschen Wesen unangemessen, Forderung nach Aufhebung des Versailler Vertrags und Wiederherstellung der Großmachtstellung Deutschlands sowie nach Abschaffung von Parlament und politischem Pluralismus und Ersatz durch ein autoritäres bis diktatorisches System, ein charismatisch aufgeladenes Verständnis der deutschen als über allem stehende Nation, der eine historische Sendungsaufgabe zukomme. Die konkret vorgeschlagenen politischen Modelle reichten von mittelalterlichen Reichskonzepten, Führung durch eine ‚neue Aristokratie, Synthese von Räte- und Ständestaat bis zu einer neuen ‚Volksgemeinschaft' und modernen Führerstaaten.“292

Die „Konservativen Revolution“ kann nicht über eine einheitliche Ideologie definiert werden. Nach Stefan Breuer bedarf es weiterer Merkmale, „die es ermöglichen, sie von anderen Bewegungen, Parteien und Strömungen abzugrenzen“ und er schlägt dabei vor „in der einheitlichen Herkunft und Mentalität der (ausschließlich männlichen) Protagonisten zu suchen“.293 Diese Merkmale seien „die Herkunft aus bürgerlichen Familien“, „die Herkunft aus Klein- und Provinzstädten“, „ein christlich-religiöses Umfeld“ und die Zugehörigkeit zur „Bildungselite“. Ein weiteres Merkmal ist das kollektive Kriegserlebnis des 1. Weltkriegs als gemeinsamen Bezugspunkt: 294

„Der Krieg blieb in den Köpfen der Autoren der ‚Konservativen Revolution‘ auch nach Kriegsende verhaftet. Er konnte nie verwunden werden […] [Anm. und so] wurde der Krieg zu einem fixen Bestandteil des Alltags, der bei nächster Gelegenheit weiter angefochten werden konnte.“295

290 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017 S. 42. 291 WEBER 1997, S. 18, zit. n. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 43. 292 AFTENBERGER 2007, S. 95. 293 BREUER 1993, S. 25–37, zit. n. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 44. 294 Ebda. zit. n. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 44–46. 295 BREUER 1993, S. 46, zit. n. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S.45. Seite 57 Der Krieg, Heroismus und die Opferbereitschaft rückten dadurch in den Mittelpunkt des Denkens der Autoren der „Konservativen Revolution“. Ein weiteres Merkmal, das damit einhergeht, ist die

Bereitschaft aktiv Gewalt anzuwenden als „legitimes Mittel zur Interessendurchsetzung“.296 Nach Breuer geht damit die Forderung nach „Männerbünden“ einher und „die Ablehnung von allem, was mit Weiblichkeit verbunden wird, also Frieden, Pazifismus, Demokratie und ähnlichem.“297 Ein weiteres Merkmal nach Breuer ist „die affirmative Haltung zur Angst als etwas Schöpferisches und

Treibendes.“298 Breuer gibt aber selbst zu bedenken, dass die genannten Merkmale

„nur eine Annäherung seien und keine ausschließlichen Eigenschaften der 'Konservativen Revolution’. Diese Merkmale seien konstitutiv für die gesamte Rechte in Deutschland, von der die 'Konservative Revolution' teil wäre.“299

Die Schriften der „Konservativen Revolution“ zählen zum „Lektürekanon der ‚Neuen Rechten’“300 und im Spektrum der „Neuen Rechten“ erscheinen die Protagonisten der „Konservativen Revolution“ als „missverstandene Einzelkämpfer“, denen in der Geschichte „doppelt Unrecht“ getan worden sei: „weil im Nationalsozialismus ihre Ideen missbraucht wurden […] weil manche

[…] verfolgt [wurden] und […] teilweise Lehrverbote erhielten“301. Die „Neue Rechte“ greift die Ideen der „Konservativen Revolution“ auf und ist darum bemüht diese „zu aktualisieren und sie als Legitimation in gegenwärtigen Diskursen zu benutzen, um den Bruch mit dem liberalen Konservatismus zu vollziehen und im Grunde faschistische Konzepte als anknüpfungsfähige

Modelle […] zu präsentieren.“302 Nach Aftenberger sind die zentralen Anknüpfungspunkte der „Neuen Rechten“ die zentralen Ideologeme der Weimarer Rechten:

„Antiliberalismus, der Glaube an die Notwendigkeit von Eliten, Ablehnung demokratischer Prozesse [...], das organische Gesellschaftsverständnis und die Nation als höchste teilweise einzige Prämisse politischen Handels.“303

296 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S.46. 297 BREUER 1993, S. 41, 43. zit. n. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 46. 298 Ebda. 299 Ebda. 300 SPEIT 2018, S. 58. 301 Ebda. S. 59. 302 AFTENBERGER 2007, S. 96. 303 Ebda. Seite 58 4.2. Erlangung der „Kulturellen Hegemonie“ durch „Metapolitik“

Das Ziel der „Neuen Rechten“, allen voran der Identitären, ist die sogenannte „Kulturrevolution von rechts“304. Alain de Benoist skizzierte, dass die „neurechte“ Strategie indirekte politische Einflussnahme mit dem Zweck der Erlangung „kultureller Hegemonie“ ist. Benoist formuliert eine Abkehr von der „Zielsetzung eines kurzfristigen parteipolitischen Erfolgs“305 und fordert „eine Machtübernahme im vorpolitischen Raum“306 – diese Strategie benennt die „Neue Rechte“ mit der selbstgewählten Beschreibung als „Metapolitik“. Die „Neue Rechte“ bezeichnet „Metapolitik“ als ein an das „Hegemoniekonzept Gramscis angelehntes Streben nach Deutungshoheit im politischen Diskurs“307. Helmut Kellershohn konstatiert, „dass seitens der Neuen Rechten ‚Metapolitik’ im Gegensatz zu ‚Parteipolitik‘ oder ‚Realpolitik‘ als ‚Weltanschauungskampf‘ gesehen wird.308

„In den modernen Gesellschaften sei keine Übernahme der politischen Macht möglich ohne vorhergehende Übernahme der kulturellen Macht […]: Die rechten Intellektuellen müssten daher metapolitisch agieren, d.h. eine langwierige bodenbereitende ideologische Arbeit leiten […] um kulturelle Dominanz zu erreichen.“309

Die von Benoist theoretisch ausformulierte Strategie „übte einen nachhaltigen Einfluss auf die sich formierende ‚Neue Rechte‘ in Westeuropa aus“310. Dazu führt Martin Sellner aus:

„Es war Alain de Benoist, der in seinem Meilenstein ‚Aus rechter Sicht‘ die Grundlagen für die Ideen und Strategien der neuen Rechten legte. Hier war vor allem der kommunistische Intellektuelle Antonio Gramsci einflussreich.“311

Die „Neue Rechte“ bezieht sich in ihrer Strategie für eine „Kulturrevolution von rechts“ auf den marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci312, der das Konzept der „kulturellen Hegemonie“ in den 1920er Jahren erstmals ausformulierte.313 Gramscis Theorie besagt;

304 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 244. 305 AFTENBERGER 2007, S. 91. 306 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 244. 307 RESCH / ZIMMERMANN 2017, S. 81. 308 KELLERSHOHN 2016, S. 241. zit. n. RESCH / ZIMMERMANN 2017, S. 81. 309 AFTENBERGER 2007, S. 91. 310 Ebda. 311 SELLNER 2017, „Identitär! Geschichte eines Aufbruchs“ In: Verlag-Antaios (Schnellroda, 2017) S. 97. zit. n. Blog UNWIDERSTEHLICH 2017, https://www.unwiderstehlich.org/gramsci-von-rechts-kulturrevolution/ [13.11.2019]. 312 Antonio Gramsci (1891-1937) war ein italienischer Politiker und marxistischer Theoratiker, sowie Mitbegründer kommunistischen Partei Italiens und der italienischen Tageszeitung „Unità“. In der Zwischenkriegszeit war er einer der führenden Theoretiker des italienischen Kommunismus und bis 1927 war er Generalsekretär der KPI. 1926 wurde er verhaftet und 1928 von einem faschistischen Sondergericht zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt. Während seiner Zeit in der Haft des Mussolini-Regimes schrieb er philosophische, soziologische und politische Texte, die in späterer Folge als „Gefängnishefte“ bekannt geworden sind. 1937 verstarb Gramsci an den Folgen der Haft. (Vgl. AFTENBERGER 2007, S. 91 / Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 244.) 313 Vgl. AFTENBERGER 2007, S. 91. Seite 59 „dass in westlichen Ländern anders als in Russland keine Revolution stattfinden könne, da es eine Zivilgesellschaft gäbe. Diese besteht aus Kirchen, Gewerkschaften, Medien, Vereinen und so weiter und hält den Konsens der Herrschaft aufrecht. Erst wenn diese gewonnen werden, brechen der Konsens und damit die aktuelle Herrschaft, die sich dann nur noch mit Zwang als letztes Mittel behelfen kann. Für eine wahre Revolution bedarf es also intellektueller Vorarbeit.“314

Die moderne Herrschaft ist nach Gramsci immer auf Legitimation angewiesen und beruht immer auf gesellschaftlichen Konsens und Massenloyalität. In Gramsci’s Ansatz wird der Staatsbegriff dabei um einen kulturellen Faktor erweitert. Kultur wird ein hoher Stellenwert bei der Steuerung von politischer Hegemonie zugewiesen. Gramsci rückt auf diese Weise die ideologische Wirkung von Kultur und Sprache ins Zentrum. Ausdruck findet Hegemonie in der öffentlichen Meinung, welche durch Alltagssprache und Kultur gebildet wird und somit Teil des politischen Feldes ist.315

„[Anm. Gramsci hat] Herrschaft in den industriell und zivil fortgeschrittensten Gesellschaften als nicht nur durch äußeren Zwang abgesichert begriffen […], sondern vor allem durch Konsens. Im Gegensatz zu rein ökonomischen und staatstheoretischen Ansätzen lenkt er den Fokus auf die kulturellen Prozesse, die den Alltagsverstand formen und über die Herrschaft vollzogen und stabilisiert […] [Anm. werden].“316

So ist Gramsci’s Ansatz über Sprache und Kultur gesellschaftliche Mehrheiten zu generieren zu einem zentralen Referenzpunkt der „Neuen Rechten“ geworden, wenngleich mit einer völlig anderen Zielsetzung abseits demokratischer ‚Gleichheit‘. Benoist entzieht Gramsic's Theorie jegliche marxistische Grundlage und instrumentalisiert die Theorie, so dass ein „Kulturkampf von rechts“ eine fiktionale Vorstellung erzeugt, wonach sich (völkische) Kollektive in einem permanent andauernden Kampf gegen Migration, Integration oder Globalisierung befinden.317

Autoren wie Pfahl-Traughber und Jäger weisen darauf hin, dass die Rezeption der „Neuen Rechten“ zentrale Aspekte der Theorie von Gramsci ignoriert und die identitären Positionen mit Gramsci nicht mehr gemein haben, als eine oberflächliche Bezugnahme auf seine Begriffe.318 Immer wieder greifen die Identitäre Begriffe, Ideen und Autoren auf und ignorieren dabei essentielle Teile; „wie die ökonomische Basis und deren Entwicklungen, die bei Gramsci eine entscheidende Rolle spielen“319, um das Ziel, „die eigenen Deutungszusammenhänge anschlussfähig zu vermitteln […]

314 AFTENBERGER 2007, S. 91 315 Vgl. Ebda. S. 91-92. 316 VEY 2015, Gegen-hegemoniale Perspektiven. S. 40–41. In: Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung. https:// www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/VSA_Vey_Gegen-hegemoniale_Perspektiven.pdf [14.10.2019]. 317 SALZBORN 2018, S. 162–163. 318 Vgl. AFTENBERGER 2007, S. 92. 319 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 244. Seite 60 und in letzter Konsequenz die Demontage der Demokratie nach Vorbild der Konservativen Revolution“320 umzusetzen. Die Einbindung Gramsci’s in die rechtsextreme Ideologie funktioniert vorwiegend über aufgeladene Emotionen und die Verschleierung von Begriffen, mit denen sich Menschen identifizieren können. Der „Gramscianismus von rechts“ hat nach Strobl und Bruns nur wenig mit dem Ursprungsgedanken zu tun und ist elitär und nicht progressiv veranlagt.321

Allerdings hat die Rezeption von Gramsci durch die „Neue Rechte“ vor allem ihren Zugang und Umgang mit Sprache verändert. Die „Neuen Rechten“ bedienen sich theoretischer Konzepte und entreißen sie ihren ursprünglichen Kontexten. So eröffnete Alain de Benoist bzw. dessen Werk einen Weg, rechte Ideen auch in der praktischen Politik umzusetzen. Benoist übte damit massiven Einfluss auf das Handeln und Denken der „Neuen Rechten“ aus. Martin Sellner, Leiter der IBÖ, schreibt dementsprechend über das Ziel eines „Gramscianismus von rechts“322:

„Benoists Analyse und seine Übernahme Gramscis für eine ‚Kulturrevolution von rechts‘ geben ein klares Ziel vor. Es handelt sich dabei nicht um einen blutigen Aufstand, paramilitärische Operationen oder Bürgerkriegsphantasien. Das Ziel ist eine Eroberung der Machtmittel der kulturellen Hegemonie, welche die herrschenden Ideen und Begriffe erzeugen, also der Massenmedien, der Kunst, der Kultur und des öffentlichen Raumes“323

Um das Ziel der „Kulturrevolution von rechts“ zu erreichen, fordert Benoist – wie bereits kurz skizziert – eine Machtübernahme im „vorpolitischen Raum“. Dabei geht es eben nicht um Parteipolitik, sondern darum, den gesellschaftlichen Konsens über den politischen Raum nach rechts zu verschieben.324 Der Ausdruck „Metapolitik“ bezeichnet auf diese Weise eine philosophische Lehre von der Politik, wonach kulturelle Kommunikationsmuster bereits im politischen Vorfeld verändert werden müssen, um so die gesellschaftliche Bereitschaft für die Schließung nationaler Grenzen, autoritäre Unterordnung und ethnische Homogenität zu fördern. Die „Neue Rechte“ will auf diese Weise einen „metapolitischen“ Raum erobern, indem politische

Strategien kulturell vorgeformt werden.325 Erste Vertreter*innen der „Nouvelle Droite“ distanzierten sich demzufolge von der Parteipolitik und die politische Theorie der „Neuen Rechten“ orientiert sich nicht mehr an einer konkreten Staatsform, sondern richtet sich nach einer Staatsidee, die als

320 BRUNS / STROBL 2015, S. 209. 321 Vgl. Ebda. S. 207 322 Ebda. 323 SELLNER 2017, „Identitär! Geschichte eines Aufbruchs“ In: Verlag-Antaios (Schnellroda, 2017) S. 97. zit. n. Blog UNWIDERSTEHLICH 2017, https://www.unwiderstehlich.org/gramsci-von-rechts-kulturrevolution/ [13.11.2019]. 324 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 244. 325 Vgl. BRUMLIK 2016, Das alte Denken der neuen Rechten. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. https://blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2016/maerz/das-alte-denken-der-neuen-rechten [14.11.2019]. Seite 61 „Metapolitik“ bezeichnet wird. 326 Die damit verbundenen Maßnahmen bedeuten eine Abkehr vom Ziel parteipolitischer bzw. realpolitischer Erfolge, hin zur Einflussnahme auf einer grundlegenden kulturellen Ebene, der „Metapolitik“.

Auf „vorpolitischer“ Ebene modernisieren die Identitären „ihre Techniken der Intervention, um mit mehr Wirksamkeit bewusst neue Adressat*innen anzusprechen und den gesamtgesellschaftlichen Konsens als Ausgangspunkt zu nutzen.“327 Der Fokus identitärer Strategien liegt auf der Etablierung einer oppositionellen Kultur in der Bevölkerung abseits der politischen Ebene, um gegen Migration, Liberalismus, Globalisierung und egalitäre Gesellschaftsordnung zu mobilisieren. Es geht um einen Weltanschauungskampf, den der ehemalige Obmann der IBÖ Alexander Markovics, in einem Interview mit der rechtsextremen Zeitschrift Der Eckart (Monatszeitung für Politik, Volkstum und Kultur), darstellt:

„Nun, da wir keine politische Partei, sondern eine metapolitische Bewegung sind, wollen wir diese Forderungen vor allem dadurch umsetzen, daß wir sie in den öffentlichen Diskurs einspeisen. Durch spektakuläre Aktionen […] Flugblätter, Vlogs, unseren Blog […], aber auch effektvolle Kundgebungen […] wollen wir unsere Positionen in die Öffentlichkeit bringen und Alternativen zur herrschenden Politik aufzeigen. Dabei sind wir letztlich darauf angewiesen, daß Politiker aus den politischen Parteien unsere Forderungen aufgreifen. Wir bereiten Themen auf – die Politik nimmt sich ihrer an. Man könnte uns auch als Teil einer patriotischen Zivilgesellschaft oder NGO bezeichnen. Letztlich ist es unser Ziel, den patriotischen Protest in Österreich nicht nur in der Wahlzelle, sondern auch auf der Straße zu artikulieren.“328

Für Götz Kubitschek, Vordenker der „Neuen Rechten“ und Publizist des rechten Verlags Antaios, beinhaltet das „vorpolitische Feld“ „den Bereich des Worts, des Gedankens, des Stils, der Bücher, Zeitschriften, Veranstaltungen, des Habituellen, der Aura“329. Karlheinz Weißmann, ebenfalls Vordenker der „Neuen Rechten“ und Mitbegründer des Institut für Staatspolitik (IfS) formuliert, dass mittels der rechten Subkultur „Informationen und Lebensgefühl durch ein ganzes Kapillarsystem“330 in die Mehrheitsgesellschaft einsickern können. Vor der Übernahme der Staatsgewalt müsse aber der Kulturbegriff erobert werden.331

326 Vgl. RESCH, ZIMMERMANN 2017, S. 81. 327 Vgl. AFTENBERGER 2007, S. 91. 328 DER ECKART REDAKTION 2014. http://www.dereckart.at/im-gespraech-mit-alexander-markovics/ [12.10.2019]. 329 FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 23. 330 Ebda. 331 Vgl. Ebda. S. 22–23. Seite 62 Im „Rahmen der 17. Winterakademie des Instituts für Staatspolitik über das Bekenntnis der Identitären zum gewaltlosen Widerstand“332 spricht Martin Sellner 2017 davon, dass „Alain Benoist der Marx der ‚Neuen Rechten‘ [Anm. ist]“, weil er erkannt habe, dass „die Aufgabe der ‚Neuen Rechten‘ die ‚Kulturrevolution von rechts‘ ist. Das heißt, dass Ende und das Stürzten dieser ‚kulturellen Hegemonie‘ dieser herrschenden Ideologie.“333 Weiters spricht Sellner davon:

„Ich glaube, dass die kulturelle Hegemonie, dass die metapolitische Macht noch niemals so entscheidend war wie heute, Wir haben eine Art Priesterschaft der multikulturellen Ideologie und der Raum des Sagbaren und Machbaren und die Art und Weise wie man seine eigene Sprache fein-tunen muss, um nicht über solche Grenzen zu schreiten, das wird jeden Tag schärfer, enger und prekärer. Und im Endeffekt ist es auch so, dass die Informationstechnologie, das Überschütten mit Information, die neuen Möglichkeiten der Medien ebenso dazu geführt haben, dass die Analyse die Gramsci getätigt hat, die eine der ersten geistigen Befruchtungen für Alain de Benoist waren, sich heute massiv verschärft hat. Die eigentliche Quelle der Macht und das eigentliche Zentrum der Macht in den westlichen europäischen Gesellschaften, das ist die kulturelle Hegemonie. Das ist das, was tagtäglich in der Zeitung geschrieben wird, was in Liedern produziert wird, in Popsongs produziert wird, in Kinofilmen hervorgebracht wird, was unsere öffentliche Meinung bildet und was genau diesen Raum des Diskurses aufmacht.“334

Zentrales Kampffeld der „Neuen Rechten“ ist der Kulturbereich, weil er nach Benoist als „Befehls- und Ausgabestelle für die Werte und die Ideen“335 verstanden wird. Oberste Priorität „bei der metapolitischen Transformation der gesellschaftlichen Wertvorstellung“ hat die „Erlangung der Meinungsführerschaft“336. Den Ton in der „neurechten Szene“ geben die Herausgeber von Zeitschriften, Verleger und Autoren an:

„Der Kern ihrer Arbeit besteht im Verfassen und Veröffentlichen politischer Theorien. Aktivisten der Szene erwecken das Konzept der ‚kulturellen Hegemonie’ zum Leben, in dem sie versuchen, jede Nische der Gesellschaft mit einem ‚patriotischen‘ Gegenangebot zu besetzen.“337

Ohne etwas vorwegzunehmen soll an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass die gesamte „Neue Rechte“ vielfältige Versuche betreiben, um kulturelle Hegemonie zu erringen. Die Identitären betreiben etwa ein eigens Modelabel, hören rechte Rap-Musik gegen „Überfremdung“, kämpfen mit Trollarmeen im Netz gegen politische Gegner und haben eine eigene Biermarke, das

332 KANAL SCHNELLRODA 2017, Gewaltloser Widerstand – Martin Sellner beim IfS. In: YouTube. https:// www.youtube.com/watch?v=3gjTgCAYwaA [20.8.2020]. 333 Ebda. 06:26–06:42. 334 SELLNER 2017, zit. n. BOOK 2018, S.115. 335 BENOIST 1985, S. 46. zit. n. BOOK 2018, S. 115. 336 BOOK 2018, S. 115. 337 FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 24. Seite 63 „Pils Identitär“.338 Auf die eben genannten Versuche ein „patriotisches Gegenangebot“ einzuführen, wird in späterer Folge noch genauer behandelt werden (Vgl. Kapitel Verbreitungsmechanismen: ästhetische Normalisierung und Popularisierung).

Aus einem Strategiepapier der Identitären geht hervor, dass die Identitären „metapolitisch“ agieren und im „vorpolitischen Raum“ durch Zusammenarbeit mit parlamentarischen Parteien eigene Botschaften im politischen Diskurs verankern wollen. Dabei distanzieren sie sich oberflächlich von der „Alten Rechten“, da diese „ausgedient“ haben. Um sich als Akteure im Diskurs zu legitimieren, wird bewusst eine Distanz zur vorbelasteten „Alten Rechten“ geschaffen. Weiters heißt es dazu: „Wir müssen alle patriotischen Bewegungen reinholen und die altrechte Subkultur aus der Front raushalten.“339 Im Fazit des Strategiepapiers werden die Aufgaben des „metapolitischen Kampf um Europa“ folgend zusammengefasst:

„Wir erhalten die Kernwerte der ethnokulturellen Identität auf eine moderne Art und Weise. Wir übersetzten sie in eine klare und verständliche Propaganda, indem wir die existentielle Bedrohung identifizieren. Wir errichten eine Front der Patrioten und arbeiten mit der Poltischen Partei zusammen, indem wir sie führen und inspirieren. Wir stellen die Frage nach Identität und beherrschen die Medien mit kreativen Aktionen und scharfen Parolen, erweitern dadurch das Poltische Fenster und ändern die moralisch/kulturelle Landschaft.“340

Erst wenn neurechte Denkweisen und Werte in kulturelle Bereiche der Gesellschaft vordringen und Plätze besetzen, die bisher nicht rechts waren (Talkshows, Bestsellerlisten, etc.)341, können „extrem Rechte Parteien wirklich erfolgreich sein und das rechte Klima in Parlamentssitze und Regierungsverantwortung überführen.“342

338 Vgl. FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 24. 339 Ebda. 340 IB STRATEGIEPAPIER 2015, o.S. 341 Vgl. FUCHS / MIDDELHOFF 2019 S. 22–23. 342 BOOK 2018, S. 115. Seite 64 4.3. Etablierung einer „Rechtsintellektuelle Elite“

Bereits 2004 warnte Dietrich Heither vor der Gefahr für eine Demokratie, die nicht nur von Gruppierungen ausgeht,

„die sich am historischen Nationalsozialismus orientieren […], sondern vor allem von einer sich verstärkt um Intellektualität bemühenden Rechten, […] die Erfolge gerade mit dem Verzicht auf Neonazi-Symbolik und ewiggestrige Sprüche zu erzielen versucht und dabei bemüht ist, rechtsextremes Denken zu modernisieren“343

Die Ausbildung einer rechtsintellektuellen Elite, welche die theoretische Grundlage für politische Arbeit liefert und neue Strategien entwicket, ist zentrales Element der „neurechten Metapolitik“ zur Erreichung kultureller Hegemonie. Samuel Salzborn führt zur Intellektualisieren der „Neuen Rechten“ aus, dass sich

„beim Begriff der Intellektualisierung […], aus einer gesellschaftskritischen Perspektive, spontan Unbehagen einstellen [Anm. mag], weil mit ihm umgangssprachlich ein aufgeklärtes, reflektiertes, selbstkritisches Denken verbunden wird – allesamt Kategorien, die nicht nur im Widerspruch zum Rechtsextremismus stehen, sondern auch von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten abgelehnt werden.“344

Intellektualisierung meint hierbei also kein aufgeklärtes Denken, sondern, dass identitäre Positionen gesellschaftlich nachvollziehbar formuliert und breit teilbar sein sollen, um dem Anspruch einer intellektuellen Auseinandersetzung zu genügen. Im Sinne der Identitären versteht man unter Intellektualisierung, dass die völkischen Positionen, die (auch) von der „Neuen Rechten“ vertreten werden, umfangreich begründet und mit Referenzen aus der Geistes- und Ideengeschichte fundiert werden sollen. Auf diese Weise soll kulturelle Hegemonie erreicht werden.345 Nach Salzborn:

„Ist ein Blick auf das intellektuelle oder theoretische Potenzial der ‚Identitären‘ eigentlich grundsätzlich verfehlt, weil sie als aktivistische Strömung der ‚Neuen Rechten‘ ebenso wenig an intellektuellen Neuerfindungen beizutragen haben, wie fast alle gegenwärtigen neurechten Akteure und Akteurinnen.“346

Dennoch gelten die „Propagandist*innen und Aktivist*innen“ der „Neuen Rechten“ als „tiefgründig und intellektuell“, wie Salzborn ausführt, denn „kaum ein Magazin hat sie noch nicht umfangreich porträtiert.“347 Die „neurechte“ Selbstinszenierung als rechtsintellektuelle Elite geht

343 HEITHER 2004, S. 118. 344 SALZBORN 2018, S. 161. 345 Ebda. 346 Ebda. 347 Ebda. S. 160. Seite 65 auf. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den „neurechten“ Medien zu, wie dem Print-Magazin Compact, sowie der Wochenzeitung Junge Freiheit oder Zeitschrift bzw. Webblog Sezession. Die beiden letzteren stammen aus dem Umfeld der „neurechten“ Denkfabrik des Institut für Staatspolitik (IfS), welches 2000 unter anderem von Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann gegründet wurde. Seit 2003 vertreibt das IfS auch die Edition Antaios bzw. den späteren Verlag Antaios, welcher als Hausverlag der gesamten „Neuen Rechten“ dient und seinen Sitz im Rittergut der Familie Kubitschek in Schnellroda in Sachsen-Anhalt hat.348 In einem Werbebrief des Antaios Verlages, heißt es der Verlag stehe „in der geistigen Auseinandersetzung um die Asylkatastrophe im Zentrum des Geschehens. Vermutlich ist kein Verlag besser auf diese Situation vorbereitet: denn Identität, Volk, Verteidigung des Eigenen und Widerstand sind Kernthemen unseres Programms.“349 Den Initiatoren des IfS schwebte nach Weißmann ein „Reemtsma Institut von rechts“ vor, dessen Ziel „die politische Sozialisation des akademischen Nachwuchses im Sinne antiliberaler, elitärer Lehren der sogenannten ‚Neuen Rechten’“ ist.350 Das Hamburger Institut für Sozialforschung („Reemtsma-Institut“) bezeichnete Weißmann’s Ziel als einen „Versuch institutionalisierter politischer Beeinflussung der Öffentlichkeit“ und verwies auf die Netzwerk-

Arbeit welches das IfS versucht zu adaptieren.351 Dem IfS geht es um die Bildung einer „führenden Elite“ durch Netzwerk-, Bildungs- und wissenschaftliche Arbeit. Das Ziel des IfS sei es „die neu erschlossene konservative Gedankenwelt an die nachfolgenden Generationen zu vermitteln.“352 Die Bildungsarbeit des IfS ist „elitetheoretischer Natur“, denn nach Weißmann sind es die Eliten, die

Geschichte schreiben, da nur sie „die tatsächlichen Zusammenhänge begreifen.“353 Weiters betont Weißmann in Bezug auf die Rolle von Eliten in der Gesellschaft: „Es müssen sich […] historische Minoritäten bilden, die notfalls gegen erdrückende Mehrheiten ihre Position behaupten und [,] wenn der Fall eintritt, handlungsbereit“ sein.354

348 BEYER 2017, Das Netzwerk Kubitschek – Teil 1. In: Blog STÖRUNGSMELDER von ZEIT ONLINE, https:// blog.zeit.de/stoerungsmelder/2017/02/16/das-netzwerk-kubitschek-teil-1_23120 [24.10.2019]. 349 LASKOWSKI / SCHWARZ 2015, S. 14. 350 Ebda. 351 KELLERSHOHN 2016, „Es geht um Einfluss auf die Köpfe“ – Das Institut für Staatspolitik. In: BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (BPB). https://www.bpb.de/politik/extremismus/ rechtsextremismus/230002/es-geht-um-einfluss-auf-die-koepfe-das-institut-fuer-staatspolitik [22.10.2019]. 352 Ebda. 353 WEISSMANN 2009, S. 14. zit. n. KELLERSHOHN 2016, „Es geht um Einfluss auf die Köpfe“ – Das Institut für Staatspolitik, https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/230002/es-geht-um-einfluss-auf-die-koepfe- das-institut-fuer-staatspolitik [22.10.2019]. 354 KELLERSHOHN 2016, „Es geht um Einfluss auf die Köpfe“ – Das Institut für Staatspolitik. In: BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (BPB). https://www.bpb.de/politik/extremismus/ rechtsextremismus/230002/es-geht-um-einfluss-auf-die-koepfe-das-institut-fuer-staatspolitik [22.10.2019]. Seite 66 „Auf diesen Ernstfall, auf die große Krise, wenn Staat und Gesellschaft im Zerfall begriffen sind, gelte es sich vorzubereiten. Und es gelte, politisch handlungsfähiges 'Personal' für diesen ‚Fall’ heranzubilden und ihm das Rüstzeug für die grundlegende Veränderung der politischen Verhältnisse in die Hand zu geben, um die herrschenden Eliten abzulösen.“355

Die „Neue Rechte“ pflegt ein vielfältiges Handlungsspektrum, um eine rechtsintellektuelle Elite zu bilden:

„Von der Herausgabe von Schriften (u. a. durch den ‚Verlag Antaios‘) und der Etablierung von ‚Think Tanks‘ (z. B. das ‚Institut für Staatspolitik‘) über Kampagnen im Internet z. B. mithilfe dutzender Facebook-Gruppen bis hin zu Störaktionen und Demonstrationen im öffentlichen Raum; insbesondere durch die sogenannte ‚Identitäre Bewegung‘.“356

Das IfS agiert einen „Kampf um die Köpfe“, um im „vorpolitischen Raum, insbesondere in Kultur und Medien, […] nationalistische, rassistische und andere rechte Vorstellungen [Anm. zu] etablier[en] und somit mittelfristig auch die parlamentarische Politik“ zu beeinflussen.357

355 KELLERSHOHN 2016, „Es geht um Einfluss auf die Köpfe“ – Das Institut für Staatspolitik. In: BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (BPB). https://www.bpb.de/politik/extremismus/ rechtsextremismus/230002/es-geht-um-einfluss-auf-die-koepfe-das-institut-fuer-staatspolitik [22.10.2019]. 356 GOLLASCH 2019, S. 23. 357 Ebda. Seite 67 5. Diskursive Praxeologie der IB: Abgrenzung, Verbreitung & Mobilisierung

„Um die Praxeologie der Identitären zu verstehen, muss man sie als funktionale Gruppe innerhalb der ‚Neuen Rechten’ kontextualisieren, deren Ziel sich mit den Schlagworten; der ‚Intellektualisierung‘ des Rechtsextremismus und Erringung einer (rechten) ‚kulturellen Hegemonie‘, zusammenfassen lässt.“358

Salzborn stellt dar, dass es vor allem eine „Intellektualisierung und Modernisierung der Ideologie und Argumentation und Etablierung und Manifestierung einer ‚kulturellen Hegemonie‘ im vorpolitischen Raum“359 ist, die den Begriff und Ideologie der „Neuen Rechten“ prägt. Wie bereits dargestellt ist der Begriff „Neue Rechte“ selbst wissenschaftlich höchst umstritten, da vermeintliche Unterschiede zur „Alten Rechten“ überbetont werden, um sich vom historischen Faschismus insbesondere in Form des deutschen Nationalsozialismus zu distanzieren. Damit verschleiert der Begriff die ideologischen Gemeinsamkeiten zum Nationalsozialismus bzw. Kontinuitätslinie zum völkischen Nationalismus des 19. Jahrhunderts.360

Nachfolgend werden jene Kommunikationsstrategien der Identitären dargestellt, die die Kontinuität und Bruchlinien zwischen „Alten“ und „Neuen Rechten“ aufzeigen. Taktisch verstecken die Identitären ihre Referenzen auf Inhalte und Ideologie des völkischen Denken, auf die Vorstellung einer ethnisch homogenen Nationalstaates und die Unterordnung des Individuums gegenüber der „Volksgemeinschaft“ hinter unterschiedlichen diskursiven Strategien, die dazu dienen Definitionsmacht im gesellschaftlichen Diskurs zu erlangen bzw. „neurechte“ Ideologeme in der Öffentlichkeit zu verankern.

Im Folgenden wird die diskursive Praxeologie der Identitären im Fokus stehen, es wird nach Kommunikationsstrategien gefragt, die erstens zur Abgrenzung vom Rechtsextremismus, zweitens zur Verbreitung rechtsextremer Botschaften und drittens zur Mobilisierung des gesamten rechten Spektrums dienen. Wie eingangs ausgeführt, bündeln sich die Fragen um folgende Aspekte: Wie versuchen sich die Identitären durch sprachliche Formen und Inhalt vom Rechtsextremismus abzugrenzen und wo werden Umdeutungen im Diskurs sichtbar? (Abgrenzungprozesse); wie werden Bilder und Botschaften verbreitet, um rechtsextreme Aussagen im Diskurs zu legitimieren? (Verbreitungsmechanismen); welche Akteure*innen der Identitären beeinflussen den öffentlichen

358 SALZBORN 2018, S. 161 359 Ebda. 360 Vgl. ZETTELBAUER 2005, S. 463–464. Seite 68 Diskurs und welche Ebenen dienen zur Mobilisierung rechter Akteure*innen im Online- bzw. Offline-Diskurs? (Mobilisierungsebenen)

5.1. Abgrenzungsprozesse: Form und Inhalt

Nach Ruth Wodak setzt sich rechtsextreme Propaganda aus einer Kombination von Form und Inhalt zusammen. „Es werden spezifische Inhalte mit diversen sprachlichen Strategien verbunden. Mit diskursiven Strategien sind mehr oder weniger intentionale sprachliche Handlungspläne gemeint, die eingesetzt werden, um die eigenen (kommunikativen Ziele) zu erreichen.“361 Inhalte wie bspw. die „Angst vor Fremden“ werden durch ein breites Bündel diskursiver Strategien für politische Ziele instrumentalisiert, historische Kontinuität neutralisiert und schließlich werden auf diese Weise aktuelle politische „Ausgrenzungshandlungen“ legitimiert. Sabine Lehner beschreibt in ihrer Diskursanalyse anhand der Selbstdarstellung der Identitären auf sozialen Netzwerken, dass die Identitären durch die Kombination von Inhalten und sprachlichen Mitteln bzw. Strategien eine „Rhetorik der Angst“ pflegen und „durch scheinbar harmlose Begriffe und komplexe, strategische, sprachliche Handlungen Bedrohungen konstruier[en], eine krisenhafte Stimmung produzier[en] und exkludierende Handlungen legitimier[en].“362

Nachfolgend werden die rhetorischen Strategien der Identitären analysiert, die der Abgrenzung vom Rechtsextremismus dienen und dafür sorgen, eigene Narrative im Diskurs zu verankern. Ein Zusammenspiel von strategisch-rhetorischen Mitteln und zentralen Narrative wird entsprechend untersucht, welches die Etablierung neuer Schlagwörter gewährleistet. In einem ersten Schritt werden dabei einige rhetorische Taktiken dargelegt. Anschließend werden jene neuen Narrative analysiert, die „unverbrauchte“ Begriffe und eine verharmlosende Sprache im Diskurs festigen.

361 WODAK 2016, o.S; zit. n. LEHNER 2018, S. 136. 362 Vgl. LEHNER 2018, S. 133. Seite 69 Rhetorik

Natascha Strobl analysiert und sammelt – in ihrem Blog Schmetterlingssammlung – Erkenntnisse über Rechtsextremismus und die „Neue Rechte“ und dekonstruiert in ihrem Blog-Beitrag „Kommunikationsstrategien der Neuen Rechten“ verschiedene rhetorische Mittel, welche dazu dienen den diskursiven Rahmen des Sagbaren zu erweitern. Dabei bedient sich die „Neue Rechte“ – salopp formuliert – einer „Salami-Taktik“. So werden nach Strobl, rechtsextreme oder rassistische Aussagen dahingehend formuliert, „dass sie sich inner- oder gerade außerhalb eines akzeptierten

Rahmen befinden, so dass dieser erweitert wird.“363 Die „Salami-Taktik“ bezieht sich auf eine Theorie, die aus der „metapolitischen“ Debatte der „Neuen Rechten“ nicht mehr wegzudenken ist: die des „Overton-Fenster“. Der Namensgeber der Theorie, der Politikwissenschaftler Joseph P. Overton versuchte das Spektrum der politischen Meinungen, welches er auf beiden Seiten (rechts und links) des Status quo in fünf Stufen aufgeteilt sieht, zu erfassen:

„Noch am nächsten dran am Ist-Zustand sind die populären Positionen. Dann kommen die sinnvollen, dann die gerade noch akzeptablen, dann die radikalen und zum Schluss undenkbare Positionen. Das sogenannte Fenster umfasst nun nur die enge Mitte dieses Spektrums, die einigermaßen populären Positionen links und rechts vom Status quo. Das, so Overton, ist der Bereich, in dem Politik gemacht wird. Weil Politiker nur die Sachen vertreten und umsetzen, die beliebt sind und ihnen Stimmen bringen. In Overtons Konzept muss sich also erst die öffentliche Meinung verschieben, bevor sich die Politik ändert.“364

Das Entscheidende ist dabei die Frage, wie sich das „Overton-Fenster“ verschieben lässt. Nach Overton nützt es nichts, nur bereits akzeptierte Positionen zu vertreten, vielmehr müsse man „ganz nach außen“ gehen, weit außerhalb des Fensterrahmens zu den undenkbaren und radikalen Positionen, denn von dort aus entwickle sich ein „Sog, der stark genug ist, das Fenster“ und damit den Diskurs zu verschieben.365 Die Identitären wenden nach Martin Sellner vor allem zwei Varianten an, um das „Overton-Fenster“ nach rechts zu verschieben: „Einerseits durch ‚Themeninvasion', die ständige Wiederholung und Normalisierung eines Begriffs und seiner Idee, die sich vom Rand ins Zentrum fortpflanzt. Andererseits durch die Taktik der ‚radikalen Flanke‘, welche darin besteht, eine Position zu normalisieren, indem eine ‚nächst radikale‘ popularisiert wird. In Abgrenzung zu dieser erscheint die eigene Forderung dann moderater. Der öffentliche Diskurs ist instabil und dynamisch. Dominieren

363 Vgl. STROBL 2013, Kommunikationsstrategien der Neuen Rechten: In: Blog SCHMETTERLINGSSAMMLUNG https://schmetterlingssammlung.net/2013/04/16/kommunikationsstrategien-der-neuen-rechten-2/#sdfootnote7sym [14.9.2019] 364 JACOBSON 2018, Krasse Meinungen wehen uns mit voller Wucht ins Gesicht. In: ZEIT ONLINE. https:// www.zeit.de/politik/deutschland/2018-07/overtone-fenster-diskussionen-debatten-diskurse-radikal [13.12.2019] 365 Vgl. Ebda. Seite 70 ihn neue radikale Flanken, relativieren sich die gestrigen radikalen Positionen und werden zur neuen Mitte.“366

Die Taktik der Identitären besteht nach Martin Sellner darin auf „metapolitischer“ Ebene den „linksradikal überfärbten Diskurs über Identität und Immigration wieder vernünftiger zu machen, also nach rechts zu rücken“.367 So spricht Martin Sellner weiters davon, an die „unbewußt identitäre Grundhaltung der gesellschaftlichen Mitte“ anzudocken und „sie über ein langsam wachsendes Kontinuum mit einem breiten Angebot an Information, Aktion und Partizipation auf ein bewußtes Niveau an[zu]heben.“368 Politische Veränderung kann den Identitären zufolge erst eintreten, wenn das „Overton-Fenster“ in den Bereich dessen bewegt wird, das heute als „unsagbar“ gilt. Die „Neue Rechte“, ganz voran, der Leiter der Identitären Martin Sellner, verschiebt das „Overton-Fenster“ strategisch: „Wir alle bewegen diesen Rahmen mit, indem wir den Diskurse gestalten, die Klischees unserer Gegner bedienen oder brechen und die emotionale Barriere anheben oder einreißen.“369 Vorbilder der Identitären in diesem Prozess das Fenster des Diskurs zu verschieben, stellen etwa Ungarns, Israels und Japans Identitäts- und Einwanderungspolitik dar. In den letzten Jahren hat sich dieses diskursive Fenster sogar eher geöffnet und vergrößert und weniger in nur eine Richtung verschoben. Politikredakteur der Wochenzeitung Zeit Lenz Jacobsen formuliert, dass es heute ein größeres Meinungsspektrums des rechten Milieus gibt, mit zum Teil früher nicht öffentlich artikulierbare Meinungen.370

Es scheint also, als ob sich das „Overton-Fenster“ vergrößere und auch eine „Verschärfung des Tons“ noch dazukomme. Für Bendl und Spitzmüller ist es vor allem die „gesellschaftspolitische Kommunikation im Internet, vor allem in Foren und sozialen Netzwerken“, die zur „Verrohung der Sprache“ beitrage. Unter dem Schleier von Pseudonymen können sich Menschen im Netz austoben und hetzen. In ihrer Analyse zu ›Rassismus‹ ohne Rassismus? Ethnoseparatistische Diskurse in sozialen Netzwerken kommen die Autor*innen zum Schluss, dass Rassismus-Vorwürfe oft ins Leere laufen, da rechtspopulistischen Akteure*innen diese von sich weisen und eine Rhetorik, die explizit an den Nationalsozialismus erinnert, sorgsam vermieden wird. Häufig werden diese Vorwürfe auch umgekehrt. Die Konsequenz daraus ist – nach Bendl und Spitzmüller – dass wenn der Vorwurf des

366 SELLNER 2019, Was fehlt: ein neurechtes Kontinuum. In: SEZESSION. https://sezession.de/60814/was-fehlt-das- neurechte-kontinuum. [13.12.2019]. 367 Ebda. 368 Ebda. 369 Ebda. 370 JACOBSON 2018, Krasse Meinungen wehen uns mit voller Wucht ins Gesicht. In: ZEIT ONLINE. https:// www.zeit.de/politik/deutschland/2018-07/overtone-fenster-diskussionen-debatten-diskurse-radikal [13.12.2019]. Seite 71 Rassismus erhoben wird, man den Rechtspopulisten bereits in die Falle gegangen ist, da sie gerade gegen diesen Vorwurf strategisch diskursiv gerüstet sind.371

„Die Kritiker rechtspopulistischer Argumentationen erscheinen als diejenigen, die Meinungen unterdrücken, Bürger ausgrenzen, Kultur und Demokratie gefährden (sog. ‚umgekehrte Diskriminierung') – der sog. ‚umgekehrte Rassismus‘, dem sich manche Rechtspopulisten ausgesetzt zu glauben meinen, treibt diese Strategie auf die Spitze.“372

So deuten auch die Identitären den Rassismus-Begriff in ihrem Sinne um, um sich als Gruppierung im Diskurs zu legitimieren und konstituieren: „Rassistisch sei es, Menschen zur Assimilation und überhaupt zum Verlassen ihrer Heimatländer zu zwingen. Antirassistisch sei es, die Leute wieder zurück in ihre Herkunftsländer zu bringen, wo sie ihre Kultur leben könnten.“373

Um Deutungshoheit im Diskurs zu erlangen beschreibt Boehnke eine zentrale Strategie der

Identitären als das Prinzip des „methodischen Umdeutens“374:

„Zentrales Merkmal dieser Strategie ist eine methodische Umdeutung in subversivem Gestus, ein Reframing verschiedener, im kollektiven Gedächtnis eher liberal, womöglich links, zivilgesellschaftlich-bürgerschaftlich verorteten Elementen politischer Aktions- und Protestformen, Worte, Werte und Ästhetiken.“375

Bruns, Glösel und Strobl benennen diese Strategie als ein „semantische Verwirrspiel“ zur Umwertung von Begriffen, welche häufig mit der politischen Gegnerschaft verbunden sind und mit konträren Inhalten besetzt werden.376 „Sie bemühen sich, Definitionsmacht über bestimmte Begriffe zu gewinnen und sie in ihrem Sinne umzudeuten.“377 Auch Zimmermann und Resch halten fest, dass sich die Identitären bereits gesellschaftlich akzeptierte Protestformen aneignen um diese als „Eintrittskarte in den Diskurs“ zu nutzen. So werden konträre – eher linke – Handlungsformen von Protestgruppen wie bspw. von Greenpeace und PETA eingenommen, um rechte Botschaften im Diskurs zu platzieren und mediale Aufmerksamkeit zu provozieren.378 So vergleicht etwa der Herausgeber der rechten Zeitschrift

371 Vgl. BENDL / SPITZMÜLLER 2017, S. 20. 372 Ebda. S. 21. 373 AFTENBERGER 2007, S. 156. 374 BOEHNKE 2019, S. 90. 375 Ebda. 376 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 250 377 STROBL 2013, Kommunikationsstrategien der Neuen Rechten. In: Blog SCHMETTERLINGSSAMMLUNG. https://schmetterlingssammlung.net/2013/04/16/kommunikationsstrategien-der-neuen-rechten-2/#sdfootnote7sym [14.9.2019]. 378 Vgl. RESCH / ZIMMERMANN 2017, S. 88–89. Seite 72 Compact. Magazin für Souveränität, Jürgen Elsässer, Martin Sellner mit dem Wortführer der deutschen Studentenbewegung und Marxisten Rudi Dutschke.379

Nach Strobl verwenden die Identitären eine weitere zentrale Strategie: „Mimikry“, das Verbergen der tatsächliche Absichten.380 Dabei werden bestehende politische Diskurse nachgeahmt und die ursprüngliche Sinnbedeutung entkernt und durch eine andere Bedeutung ersetzt.381 Aftenberger beschreibt, dass es dabei um eine „Relativierung der Inhalte“ geht und analysiert, dass dabei Konzepte bewusst nur selektiv angesprochen werden, um so an den geteilten politischen Diskurs anzudocken.382 Bruns, Glösel und Strobl führen als Beispiel für rhetorische Mimikry die Aktion (samt Video) „Identitären Solidarität mit den Bochumer Arbeitern“ der Identitären aus Bochum an. In Bochum wurde, dass Autoproduktion-Werk von Opel vom US-Mutterkonzern General Motors eingestellt, um „überschüssige Produktionskapazitäten abzubauen.“383 Rund 3.700 Beschäftigte waren von den Maßnahmen betroffen. Die Identitären solidarisierten sich mit den Arbeiter*innen und verbreiteten antikapitalistische Parolen und kritisierten Globalisierung und Großkonzerne in ihrem Statement:

„Das geplante Ende des 50 Jahre alten Bochumer Opelwerks zeigt mal wieder, dass im Spätkapitalismus und in der von ihm geprägten Globalisierung nur noch der Profit und die stetige Steigerung des Profits zählen. […] Wir leben inzwischen in einem länderübergreifenden, menschenfeindlichen System, das den einzelnen Menschen nur noch als Arbeitskraft und Konsumenten sieht und das Regionen und Länder zu reinen Wirtschaftsstandorten herabwürdigt. Hier zählen weder die Kulturen, Nationen und Identitäten der Menschen, noch ihre wirklichen Bedürfnisse.“384

Bruns, Glösel und Strobl analysieren, dass die Solidarität, die die Identitären den Arbeiter*innen anbieten, eine identitäre bzw. nationale ist. „Dem internationalen Kapitalismus national begegnen ist die Devise,“ so die Autor*innen und weiters werden, „materielle Fragen des Verlustes von Arbeitsplätzen, soziale Unsicherheit, Prekariat und Armut […] abermals an vermeintlich nationale und damit immaterielle Imperative gebunden.“385 So ist im Text zum Video etwa zu lesen, dass sich

379 Vgl. RESCH / ZIMMERMANN 2017, S. 76–77. 380 Vgl. STROBL 2013, Kommunikationsstrategien der Neuen Rechten. In: Blog SCHMETTERLINGSSAMMLUNG. https://schmetterlingssammlung.net/2013/04/16/kommunikationsstrategien-der-neuen-rechten-2/ [14.9.2019]. 381 Vgl. STROBL 2020, „Die extreme Rechte fantasiert einen Kriegszustand herbei“: Die Rechten und die Sprache. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU. https://www.fr.de/politik/extremismus-forscherin-analysiert-sprache- rechtsextremen-13553622.html [20.4.2020]. 382 Vgl. AFTENBERGER 2007, S. 200. 383 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 248. 384 VBLOG IB 2013, Identitäre Bewegung Bochum - Identitäre Solidarität mit den Bochumer Arbeitern. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=Etewmug3N_U [8.9.2020]. 385 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 248. Seite 73 soziale Kämpfe „nicht von der Verteidigung und Förderung von Kultur, Nation und Identität trennen“ lassen und so fordern die Identitären einmal mehr „weg mit Scheuklappen und

Denkverboten – lasst uns gemeinsam Widerstand leisten und für unser aller Zukunft kämpfen!“386 Auch im Video wird die Mimikry-Strategie visuell sichtbar, so ziert eine geballte Faust – wie man sie sonst eher von linken Organisationen bzw. Gruppierungen kennt – das Landa-Symbol auf dem verteilten Flugblatt der IB-Bochum.387

Die Mimikry-Strategie zeigt sich auch bei dem beliebten Slogan der Identitären: „100% Identität,

0% Rassismus“.388 Nach Speit hätte der „freundliche Satz […] von Anbeginn kritisch hinterfragt werden müssen“.389 Jedoch hatten sich viele von der als links inszenierten Jugendbewegung täuschen lassen. Hinter dem Begriff „Identität“ verbirgt sich die Annahme, dass jede „Ethnie“ ihre eigene „Identität“ in einem bestimmten Lebensraum hat und die Vermischung von „Ethnien“ diese bedrohe. Letztlich steht aber hinter dem Slogan noch immer das altbekannte „Ausländer raus“.390 Ein weiterer sehr beliebter Slogan der Identitären, der ebenso versucht, Inhalte zu relativieren und Konzepte nur selektiv anspricht, ist „Nicht links, nicht rechts - identitär“.391 Dabei wird strategisch versucht die inhaltlichen und ideologischen Grundlagen der politischen Ränder umzudeuten und gleichzusetzen.392 Nach Aftenberger wollen sie sich damit „aus dem rechtsextremen Eck herausnehmen und sich selbst einen offenen und pragmatischen Anstrich geben.“393 Wissenschaftlich-theoretische Untermauerung für eine Gleichsetzung bietet, wie einleitend bereits dargelegt, die Extremismustheorie nach Jesse und Backes, die den Staat auffordern eine

„Äquidistanz“ zu den Rändern zu halten.394 Die Behauptung, dass man abseits eines links-rechts- Konzepts steht, dient der Identitären dazu, sich selbst der „Mitte“ zuzurechnen. Diese Selbstbeschreibung ist damit ausschlaggebend für eine „Normalisierung“ rechtsextremer Botschaften im gesellschaftlichen Diskurs.

386 VBLOG IB 2013, Identitäre Bewegung Bochum - Identitäre Solidarität mit den Bochumer Arbeitern. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=Etewmug3N_U [8.9.2020].. 387 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 249. 388 Identitäre Bewegung (o.J.), 100% Identität, 0% Rassismus, https://identitaerebewegung.wordpress.com/ positionierungen/100-identitat-0-rassismus/ [14.12.2019] 389 Vgl. Speit 2018, „Ausländer raus“ mit anderen Worten, https://www.deutschlandfunkkultur.de/andreas-speit-das- netzwerk-der-identitaeren-auslaender-raus.1270.de.html?dram:article_id=436748 [12.12.2019]. 390 Ebda. 391 NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR INNERES UND SPORT – ABTEILUNG VERFASSUNGSSCHUTZ PRESSE– UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT 2017, S. 6. 392 RESCH / ZIMMERMANN 2017, S. 76. 393 AFTENBERGER 2007, S. 195–196. 394 STROBL 2013, Kommunikationsstrategien der Neuen Rechten. In: Blog SCHMETTERLINGSSAMMLUNG. https://schmetterlingssammlung.net/2013/04/16/kommunikationsstrategien-der-neuen-rechten-2/ [15.10.2019]. Seite 74 Eine weitere beliebte Strategie der „Neuen Rechten“, bestimmte Inhalte nur anzudeuten, ist das Aufgreifen von Codes und Chiffren, wodurch Aussagen weniger angreifbar und die Grenzen des

Sagbaren verschleiert aufgeweicht werden.395 Ein Beispiel dafür wäre der antisemitische Code

„Ostküste“ für „jüdisches Großkapital“, den auch Jörg Haider verwendete.396 Bei der Identitären findet diese Strategie weniger Anklang: weil Identitären bis in die Mitte der Gesellschaft vordringen wollen, verzichten sie auf die Verwendung von Codes. Jedoch ist von Bedeutung, was die Identitären bei ihrer Kommunikation nicht benennen bzw. erklären. Beispielsweise definiert keine einzige Gruppierung der Identitären genauer was mit dem Begriff der „Identität“ genau gemeint wird und verteidigt werden soll. Bruns, Glösel und Strobl beschreiben dies als einen „Code des Aussparens“, denn dadurch

„können sich mehr Menschen mit dieser vermeintlich so klaren, eindeutigen Identität, die über allem steht, identifizieren, weil sie ihre eigenen Vorstellungen davon hineininterpretieren können und nicht durch klare Definitionen korrigiert oder abgewiesen werden“397

Narrative

Neben den rhetorischen Mittel sind es besonders die neuen Narrativen der Identitären, die damit Versuchen durch Umdeutungen politische Deutungshoheit zu erlangen und rechtsextreme Botschaften im öffentlichen Diskurs zu verankern. Nachfolgend werden zentrale Narrative der Identitären analysiert, die eine „Rhetorik der Angst“ widerspiegeln und einen krisenbehafteten Diskurs etablieren. Nach Bendl und Spitzmüller geht es in der Debatte um die „Neue Rechte" vor allem darum, die neuen Fahnenwörter der Identitären, die einen eher linken Hintergrund vermuten lassen, kritisch zu hinterfragen:

„Was verstehen wir unter Kultur, Gleichberechtigung, Redefreiheit, Geschichte, Identität, Pluralismus usw.? Denn gerade diese Ausdrücke, von denen wir glauben, dass wir ihnen nicht widersprechen können, sind es, die in der Auslegung problematisch sind, um deren Deutung sich die eigentliche Debatte dreht, die einer gesellschaftlichen Aushandlung unterliegen. Wir müssen also sprachliche Formen diskutieren (und verteidigen), die wir bislang ausschließlich als ‚die unseren' betrachtet haben.“398

395 Vgl. STROBL 2013, Kommunikationsstrategien der Neuen Rechten. In: Blog SCHMETTERLINGSSAMMLUNG. https://schmetterlingssammlung.net/2013/04/16/kommunikationsstrategien-der-neuen-rechten-2/ [15.10.2019]. 396 RAUSCHER 2001, Haider spielt jetzt mit dem Antisemitismus. In: DER STANDARD. https://www.derstandard.at/ story/496047/haider-spielt-jetzt-mit-dem-antisemitismus [10.12.2019] 397 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017. S. 250. 398 BENDL / SPITZMÜLLER 2017. S. 21. Seite 75 Wie vorangehend angeführt, zeichnen sich die Identitären einerseits durch einen „Code des Aussparens“ aus, der viel Deutungsfreiheit und Identifikationsmöglichkeiten offen lässt. Die Identitären sparen Definitionen nicht nur aus, sondern betreiben andererseits auch eine „Modernisierung“ ihrer Argumentation und ersetzen mit Begriffen wie „Identität“, „Kultur“ oder „Ethnie“ den Begriff der „Rasse“. Alte rechtsextreme Forderungen werden dadurch geschickt hinter Schlagwörtern versteckt, wie beispielsweise: „Remigration“ statt „Ausländer raus“ oder „Massenabschiebung“, „Ethnopluralismus“ statt „Apartheit“, „Großer Austausch“ statt

„Überfremdung“ oder „Umvolkung“.399

Im Folgenden werden jene Argumentationsgebäude und Erzählweisen dargestellt, die letztlich die Forderungen und Positionen der Identitären legitimieren und der Konstruktion von Bedrohungsszenarien dienen. Die zentralen Begriffe und Theoriekonzepte auf der die Narrative der Identitären aufbauen, sind die Termini der „ethnokulturellen Identität“ bzw. des „Großen Austauschs“. Dabei werden Konstruktionsmechanismen des „Anderen“ bzw. „Fremden“ genutzt, um die eigenen Forderungen und Inhalte zu positionieren.400 Im Fokus stehen dabei einerseits das politische Ziel der Identitären vom „Erhalt einer ethnokulturellen Identität“ und anderseits jene Prozesse, die angeblich die eigene „Identität“ bedrohen und wogegen die Identitären ankämpfen. Beide zentralen Begriffe – „der Große Austausch“ und „der Erhalt der ethnokulturellen Identität“ – konstruieren nach Lehner ein Bedrohungsszenario: „Die Verbindung von Krisen, Bedrohungen und Identität sind Dreh- und Angelpunkte für die ‚Identitären‘.“401

Erhalt der „ethnokulturellen Identität“

Obwohl „Identität“ der zentrale Leitbegriff der Identitären ist, wird der Begriff nie genau definiert. Es werden Differenzierungen („Wir“ und „die Anderen“) und Fremdzuschreibungen (Östereicher*innen werden als Gruppe mit kollektiver Identität konstruiert) betont, um eine vermeintlich „kollektive Identität“ zu schaffen. Im Gegensatz zum aktuellen wissenschaftlichen Diskurs, der von fluiden und dynamischen Identitätsmodellen ausgeht, fundieren die Identitären ihre Ideologie auf einem starren Identitätskonzept, mit starken kollektiven Bezügen, die individuelle Faktoren nicht berücksichtigt.402

399 Vgl. LEHNER 2018, S. 137. 400 Vgl. Ebda. S. 139. 401 Ebda. S. 148. 402 Vgl. Ebda. Seite 76 Im Zentrum der Theorie der „ethnokulturellen Identität“ steht der Gedanke, dass die Ursache für globale Konflikte das Aufeinandertreffen verschiedener „Kulturen“ sei.403 Die grundlegende Annahme ist, dass eine „Vielfalt der Kulturen“ und „Vermischung der Kulturen“, die Authentizität der verschiedenen „Kulturen“ bedrohe. Kultur wird in diesem Sinne als etwas „Statisches und Ahistorisches gesehen […], gleichzeitig werden Individuen über Kollektive wie Kultur oder Volk definiert“404.

Die Logik der Identitären lässt sich mit der These Samuel Huntington um einen „Kampf der Kulturen“ erklären. Huntington verfasste nach Ende des Kalten Krieges seine These einer neuen bedrohlichen Konfliktlage aufgrund eines globalen „Kampfes der Kulturen“. Die westliche Welt verliere an Einfluss, der asiatische Raum verstärkt seine politische, militärische und wirtschaftliche Macht, „der Islam erlebt eine Bevölkerungsexplosion mit destabilisierenden Folgen für muslimische Länder und ihre Nachbarn; und nichtwestliche Kulturen bekräftigen selbstbewusst den Wert ihrer eigenen Grundsätze.“405 Nach Huntington stehen sich die Kulturen aufgrund ihrer unvereinbaren kulturellen Mustern, Traditionen und Wertvorstellungen einander feindlich gegenüber. Diese Differenz der Kulturen lasse neue gewaltvolle Konflikte entstehen. Für Huntington sind „Feinde unabdingbar“ für Menschen die ihre Identität suchen und Ethnizität neu erfinden und „die potentiell gefährlichsten Feindschaften begegnen uns an den Bruchlinien zwischen den großen Kulturen der Welt.“406 Die wichtigsten Unterscheidungen zwischen den Völkern nach dem Kalten Krieg sind nach Huntington nicht mehr „ideologischer, politischer oder

ökonomischer Art“, sondern sind kultureller Art.407

„Die Menschen definieren sich über Herkunft, Religion, Sprache, Geschichte, Werte, Sitten und Gebräuche, Institutionen. Sie identifizieren sich mit kulturellen Gruppen: Stämmen, ethnischen Gruppen, religiösen Gemeinschaften, Nationen und, auf weitester Ebene, Kulturkreisen. Menschen benutzen Politik nicht nur dazu, ihre Interessen zu fördern, sondern auch dazu, ihre Identiät zu definieren. Wir wissen, wer wir sind, wenn wir wissen, wer wir nicht sind und gegen wen wir sind.“408

403 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 228. 404 Ebda. 405 HUNTINGTON 1998, S. 19. 406 Ebda. S. 18. 407 Ebda. S. 21. 408 Ebda. Seite 77 Identitäre und rechtspopulistischen Diskursen kommt Huntington's These nach einem antagonistischen Kampf zwischen diversen Kulturen und ihren ‚kulturellen Mustern‘ zugute. In ihrer Argumentationen sehen die Identitären die westliche Kultur bedroht und als Symbol des

Verfalls, weil sie durch eine vermeintliche „Islamisierung“ gefährdet werde.409

Die Identitären verfolgen daher das Ziel einer „ethnopluralistische Weltordnung“. Das Konzept des „Ethnopluralismus“ besagt, dass die verschiedenen „Kulturen“ getrennt voneinander leben und nicht „vermischt“ existieren, um Problemen vorzubeugen und einen kulturell und ethnisch homogenen Nationalstaat zu schaffen. Daher fordert die „Neue Rechte“ eine konsequente und absolute Trennung der „Völker“. Ethnopluralist*innen begründen die Ungleichheit der Menschen daher nicht mehr auf Basis der Rassentheorien und biologistischen Argumentationsmuster des Nationalsozialismus, sondern argumentieren mit einem kulturell fundierten Rassismusbegriff, um jedwede rechtsextreme Assoziation zu verschleiern. Die Behauptung, dass die verschiedenen Völker vermeintlich unveränderliche kulturelle Identitäten besitzen, die von „fremden Einflüssen“ bedroht seien, fordert zugleich eine strikte Abgrenzung der Völker in einer Art „globalen Apartheid“. Somit ist Ethnopluralismus ein ausgrenzender Nationalismus, Kritiker*innen – wie etwa Wolfgang

Purtscheller und Heribert Schiedel410 – nennen ihn auch einen „Rassismus ohne Rasse.“411

„In einem nominalistischen Weltbild wird Menschen nur als Teil eines Kollektivs ein Wert zugesprochen. Das Individuum für sich hat keinen Wert und kann außerhalb einer nationalen oder völkischen Gemeinschaft nicht gedacht werden.“412

Universalistische Rechte, wie die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgelegten, „stehen im Gegensatz zu zwei Grundprinzipien der Neuen Rechten: Zum einen, dass Menschen abseits ihrer kulturellen Identität Rechte besitzen können und zum anderen, dass Menschen per se als gleich gesehen werden.“413 Nach Ansicht der „Neuen Rechten“ haben aber alle Menschen, die derselben „gedachten Kultur“ angehören, „notwendigerweise das gleiche Streben, die gleichen Ziele und Vorstellungen“414. Dadurch wird „Kultur“ zum Synonym für „Rasse“. Die „Neue Rechte“ führt eine neue Sprache und begriffliche Neuerung ein, um die Begriffe „Rassismus“ sowie

409 Vgl. RECHWITZ 2017, Zwischen Hyperkultur und Kulturessenzialismus. In: BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG. https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240826/zwischen-hyperkultur- und-kulturessenzialismus [1.9.2020]. 410 Vgl. PURTSCHELLER / SCHIEDEL 1994, S. 29. 411 Vgl. REDAKTION BELLTOWER.NEWS 2008, Was bedeutet Ethnopluralismus? https://www.belltower.news/was- bedeutet-ethnopluralismus-50808/ [12.12.2019]. 412 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 228. 413 WEBER 1997, S. 33 zit. n. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 228–229. 414 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 229. Seite 78 „Antirassismus“ neu zu besetzen. „Ethnopluralismus“ ist ein Neologismus415 und verweist auf die zentrale Strategie der „Neuen Rechten“: ein neues „unverbrauchtes Wort“ zu etablieren, um auf kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. Dabei wirkt der neue „unverbrauchte“ Begriff gezielt verharmlosend, aber nichts desto trotz diffamierend. Dadurch sollen bestehende politische Machtverhältnisse verändert und eine Deutungshoheit im Diskurs erlangt werden.

Die Identitären propagieren in ihrer Logik ein Narrativ einer „einzigartigen Kultur“ mit der man verwurzelt seien und die ständig von „Vermischung“, „Überfremdung“, „Massenzuwanderung“ und „Islamisierung“ gefährdet bzw. bedroht sei.416 So ist auf der Homepage der IBÖ in der Kategorie „Über uns“ unter der Forderungen nach „Remigration & Leitkultur“ zu lesen:

„Österreich ist das Land der Österreicher. Migration hat es immer gegeben und sie kann auch eine Bereicherung sein. Die heutige Massenzuwanderung hingegen ist keine Bereicherung, sondern führt zum Verlust unserer Identität.“417

Als „Loslösung von äußeren Einflüssen“ präsentieren die Identitären daher eine „Reinhaltung der

Kulturen“.418 Die identitäre Vorstellung von kollektiver Identität umfasst eine strukturell gewaltförmige Dimension, die nach Thorsten Mense mit einem „ethnischen Abstammungsglauben“419 verbunden wird. In einer globalisierten Welt ist diese Vorstellung aber nur mehr auf gewaltsamen Weg umzusetzen. Diesbezüglich schreibt auch die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) auf ihrer Homepage vom „Recht der Verteidigung der ethnokulturellen Identität“:

„Ein kollektives Merkmal unserer Identität bildet hierbei der ethnokulturelle Aspekt, der für uns den Kern des politischen Handelns darstellt und für dessen Erhalt und Bewahrung wir als Identitäre Bewegung tagtäglich aktiv sind. Wir glauben, dass sich jedes Volk dieser Erde durch seine besondere Verschiedenheit auszeichnet und in seiner Lebensart, seinen Wertvorstellungen, seiner Kultur, Herkunft, Religion und seinen sozialen Praktiken immer etwas Einzigartiges ist. Jedes Volk hat demnach auch das Recht, diese Eigenschaften und Merkmale seiner ethnokulturellen Identität zu bewahren und zu verteidigen.“420

415 Von Neologismen spricht man, wenn neue Wörter im Wortschatz etabliert werden. Sprache ist kein starres Gebilde, sondern ist einem ständigem Wandel unterlegen und reagiert auf kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen. (Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 253.) 416 HAFENEGER 2014, S. 4. 417 IB HOMEPAGE o.J; Über uns. https://www.identitaere-bewegung.at/unser-weg/ [17.9.2019]. 418 BRUNS / STROBL 2015, S. 213. 419 MENSE 2017, S. 237. 420 IBD o.J; Was heißt für euch eigentlich „Identität“? https://www.identitaere-bewegung.de/faq/was-heisst-fuer-euch- eigentlich-identitaet/ [24.11.2019]. Seite 79 Das Konzept des „Ethnopluralismus“ deutet nach Lehner nur indirekt eine Bedrohung an. Die Identitären argumentieren häufig, dass „Überleben Europas“ sichern zu wollen und betonen, dass sie die „letzte Generation“ seien, die „die ultimative Katastrophe“ des „ethnokulturellen Kollaps“ aufhalten könnten.421 Nach Lehner sind es jene Begriffe, wie z.B. vom „Überleben Europas“,

„[Anm. die] einen grundsätzlich zustimmungswürdigen Inhalt […] vermitteln und dabei eine Gefahr andeuten, ohne sie zu konkretisieren. […] Die enthaltenen Forderungen legen allerdings nahe, dass ‚die Einwanderer‘ die angedeutete Gefahr darstellen bzw. dem ‚Überleben Europas’ gegenüberstehen.“422

Bedrohungsszenario „der Große Austausch“

Eine „Rhetorik der Angst“ wird vor allem bei der Etablierung des Bedrohungsszenarios vom „Großen Ausstausch“ deutlich. Dabei handelt es sich um eine verschwörungstheoretische Erzählung über eine umfassende „Islamisierung“, welche „unsere Demokratie und Identität“ bedrohe. Die Identitäre kampagnisiert dabei für Forderungen von „Remigration“ und „De-Islamisierung“, um den imaginierten „Großen Austausch“ aufzuhalten.

Der französische Philosophen Renaud Camus lieferte mit dem Buch Le grand remplacement („Der

Große Austausch“)423 die korrespondierende Theorie, wonach Frankreich vor einem Identitäts- und Kulturverlust aufgrund von Einwanderung stehe. Damit bietet er völkischen, nationalistischen bis rechtsextremen Gruppierungen eine theoretische und vor allem modernisierte Argumentationsgrundlage. Dabei stellt die Argumentation, wonach die „einheimische“ Bevölkerung durch eine Bevölkerung aus Migrant*innen ausgetauscht werden würde und dieser Prozess durch Migration und Fluchtbewegungen verstärkt und vor allem von links-liberalen Politiker*innen vorangetrieben werde, nichts Neues dar. Zur Zeit des Nationalsozialismus sprach man von „Umvolkung“, „Volkstod“ und „Überfremdung“.424 Im Gegensatz dazu scheint „der Große Austausch“ ein historisch weniger vorbelasteter Begriff, der die rechtsextremistischen Forderungen zwar verschleiert, aber ebenso bedrohlich ist.425

421 Vgl. WAGNER 2019, Die Saat der „Identitären Bewegung“ geht auf - Teil 2, https://www.belltower.news/ christchurch-die-saat-der-identitaeren-bewegung-geht-auf-teil-2-82995/ [3.2.2020]. 422 LEHNER 2018, S. 147. 423 CAMUS 2011. 424 SCHLOSSER 2013, S. 39, 227. 425 Vgl. FORSCHUNGSGRUPPE IDEOLOGIEN UND POLITIKEN DER UNGLEICHHEIT (FIPU) 2019, Die Gefährlichkeit der Identitären: Gewalt der Worte. In: DER STANDARD. https://www.derstandard.at/story/ 2000101112578/die-gefaehrlichkeit-der-identitaeren-gewalt-der-worte [14.3.2020]. Seite 80 In vielen Texten der Identitären werden „zahlreiche Begriffe und Verben aus dem Wortfeld der Krise, des Chaos und der Bedrohung“426 verwendet, um das Szenario des „Großen Austauschs“ als politisch kulturelle Bedrohung zu intensivieren. Auf der Homepage der IBÖ ist in der Rubrik „Über uns“ unter der Überschrift „Die Liebe zum Eigenen“ etwa folgendes zu lesen:

„Das gescheiterte Experiment Multikulti droht, diese Vielfalt zu zerstören und uns unserer Heimat zu berauben. Die multikulturelle Gesellschaft ist hart, schnell, grausam und wenig solidarisch. Wir setzen uns daher für eine nachhaltige Bevölkerungspolitik und ein Ende der Massenzuwanderung ein.“427

Nach Lehner wird das Bedrohungsszenario nach bestimmten Mustern konstruiert: Zunächst wird ein Sündenbock ermittelt, in diesem Fall ist es „das gescheiterte Experiment Multikulti“ und die „multikulturelle Gesellschaft“. Im zweiten Schritt wird die angeblich charakteristisch problematische Ursache dargelegt, so sei „Multikulti“, „bedrohend“, „zerstörend“ und „beraubend“ und sei weiters „hart, schnell, grausam und wenig solidarisch“. Drittens werden abschließend die eigenen Maßnahmen und Forderungen nach einer „nachhaltigen Bevölkerungspolitik und das Ende von Massenzuwanderung“ als legitime politische Forderung postuliert.428

Bei der Erzählung über den „Großen Austausch“ spielen außerdem weibliche Akteurinnen gleich mehrere tragende Rollen. Marie Rodewald etwa stellt in ihrem Vortrag mit dem Titel „Rechter Feminismus in der ‚Identitären Bewegung‘? How to red pill a woman“ dar, dass es in Bezug auf die Islamisierungs-Verschwörung des „großen Ausstauschs“ drei verschiedene Frauenbilder gibt, die ineinander greifen: Erstens seien Frauen das Opfer jener Verschwörungstheorie, da sie von „Fremden“ bedroht würden.429 Hierbei wird eine rassistische Bedrohung konstruiert und argumentiert, dass Frauen von „triebgesteuerten Fremden“ bedroht würden, womit sich die Identitären als „Beschützer der ‘weißen Frauen’“ inszenieren430. Zweitens seien Frauen schuld am „Großen Austausch“. Hierbei geht die Argumentation dahin, dass die „eigenen“ Frauen zu wenig Kinder bekämen und „Fremde“ zu viele. Außerdem trügen Frauen im Narrativ vom „Großen Austausch“ auch schuld an der politischen Situation, weil sie tendenziell eher linke und grüne Parteien wählten. Die Dritte Zuschreibung besteht darin, dass Frauen den „großen Austausch“

426 LEHNER 2018, S. 149. 427 IB HOMPAGE o.J; Über uns, https://www.identitaere-bewegung.at/unser-weg/ [17.9.2019]. 428 Vgl. Ebda. 429 Vgl. RODEWALD 2019, Rechter Feminismus in der ‚Identitären Bewegung‘? How to red pill a woman. https:// media.ccc.de/v/36c3-115-rechter-feminismus-in-der-identitren-bewegung-oder-how-to-red-pill-a-woman#t=681 [2.5.2020]. 430 Vgl. STOPPT DIE RECHTEN 2017, ‚radikal feminin‘ – Die ‚Identitäre Bewegung‘ und der (Anti)Feminismus, https://www.stopptdierechten.at/2017/09/15/radikal-feminin-die-identitaere-bewegung-und-der-antifeminismus/ [17.2.2020] Seite 81 aufhalten könnten, indem sie sich der Mutterrolle widmen würden. „Insbesondere im Kontext von Migration und Flucht, von ‚Multikuluralismus’ und Diversität [fungieren] Frauenkörper als

Projektionsfläche für verschiedene Diskurse.“431 Dabei sollen die Frauen in ihrer Rolle als Mutter dem „Volk“ dienen, der weibliche Körper wird dabei als Besitz der Nation imaginiert. Der gebärende Frauenkörper dient in der völkischen Argumentation der Reproduktion der Nation. So propagieren die Identitären ein rückwärtsgewandtes Modell der Geschlechterrollen und funktionalisieren „Frauen als Gebärerinnen der Nation“, dadurch wird die „Mutterschaft und

Mütterlichkeit“ für nationale Zwecke hochstilisiert.432

Das Narrativ von der „Erhaltung der ethnokulturellen Identität“ und deren „Bedrohung durch den Großen Austausch“ ist eine neue Argumentation, um rechtsextreme Erzählungen vom „Volkstod“ und alte nationalsozialistische Forderungen nach „Umvolkung“ in einen aktuellen rechtspopulistischen Diskurs zu überführen:

„Die ‚Identitären’ bestehen auf Erhalt des Eigenen bzw. ihrer ‚ethnokulturellen Identität‘, welche sie durch diverse Bedrohungsszenarien gefährdet sehen. Retrospektive und prospektive Bedrohungesszenarien dienen der Selbstabsicherung und Legitimierung der geforderten Gegenmaßnahmen und der eignen Verteidigungshaltung. Das Ziel ist es […] (sich) als aktiv, kämpferisch und rettend zu präsentieren, vermeintliche Gefahren aufzuzeigen, die eigenen Forderungen plausibel darzustellen und auch andere dazu zu bewegen, mitzumachen.“433

5.2. Verbreitungsmechanismen: ästhetische Normalisierung und Popularisierung

Wie werden die skizzierten Umdeutungen im Diskurs visuell gestaltet und verbreitet? Das Ziel der Identitären ist es eine möglichst effektive politische Mobilisierung, dabei werden Botschaften so visualisiert, so dass sie von den Rezipient*innen leicht verstanden und einfach weiterverbreitet werden können. Dabei setzten die Identitären auf die Wirkung von Bildern und Motiven mit einer Formensprache aus dem eher linken bzw. popkulturellen Bereich, die im Folgenden identifiziert und näher analysiert werden soll.

Zuerst sei darauf hingewiesen, dass sich die Identitären optisch nicht mehr so leicht dem „alten“ Rechtsextremismus und seinen Stereotypen zuordnen lassen. Durch einen optisch neuen Auftritt

431 Vgl. RODEWALD 2019, Rechter Feminismus in der ‚Identitären Bewegung‘? How to red pill a woman. https:// media.ccc.de/v/36c3-115-rechter-feminismus-in-der-identitren-bewegung-oder-how-to-red-pill-a-woman#t=681 [2.5.2020]. 432 Vgl. ZETTELBAUER 2005, S. 339–341, 351. 433 LEHNER 2018, S. 156. Seite 82 versucht man sich von Stereotypen, wie dem „Neonazi in Springerstiefeln und Bomberjacke“, zu distanzieren.

„Man kleidet sich modisch und sportlich, man vermeidet martialisches Auftreten im Alltag und setzt zugleich auf die subkulturell inspirierte Ästhetisierung der eigenen politischen Botschaft - zur Abgrenzung gegen den äußeren Rest der politischen Welt und zur sichtbaren identitären Gemeinschaftsbildung nach innen.“434

Es ist somit auch ein ästhetischer Abgrenzungsprozess, den die Identitären betreiben, indem sie sich als „Jugendbewegung der Neuen Rechten“ inszenieren. Da Mitglieder als moderne kosmopolitische Hipsters auftreten, fällt es der gesellschaftlichen Mitte zunehmend schwerer, den rechten Rand zu identifizieren. Von politischen Gegnern werden daher die Identitären auch gerne aus Spott als

Nipster bzw. Nazi-Hipster bezeichnet.435 Das Image der Nazi-Hipster hat sich vorwiegend über den Weg der Etablierung einer „Corporate Identity“ und „identitären Ästhetik“ verfestigt.

Im folgenden Unterkapitel wird zunächst auf jene „Corporate Identity“ eingegangen, die vorwiegend über den Online-Shop „Phalanx Europa“ verbreitet wird. Die Identitären pflegen aber nicht nur eine Marken-, sondern auch eine Popkultur, indem sie bewusst und gezielt sub- bzw. popkulturelle Artefakte aus dem linksalternativen Milieu aufgreifen um damit ein „poppiges und jugendliches“ Erscheinungsbild zu etablieren. Im zweiten Unterkapitel (Motiv-Vielfalt) werden ästhetische Abgrenzungsprozesse durch verschiedenste Motive der Identitären sichtbar gemacht. Dabei setzen die Identitären neben der Verwendung von popkulturellen Elementen auf Vielfalt bei der Motivwahl, die eine neue symbolische Qualität aufweist. Zuletzt wird auf Filme eingegangen (Pop statt Historie), welche die Identitären heranziehen um Bilder und Begriffe in einen popkulturellen Rahmen zu setzen.

434 BOEHNKE 2019, S. 90. 435 Vgl. BATZER 2019, S. 116. Seite 83 Corporate Identity

Besonders das ästhetische Auftreten der Identitären verdeutlicht, dass sie eine eigene „Marke“ bzw. „Corporate Identity“ mit einem deutlichen Wiedererkennungswert entwickelt haben. Hauptbestandteil der „Marken-Identität“ ist das Lambda-Logo, sowie die Farben Schwarz und Gelb und ein einheitlicher Schriftsatz. Das griechische Lambda wurde innerhalb kurzer Zeit zum Symbol und internationales Erkennungszeichen der Identitären. Optisch wurden sie daher auch als „Copy- and Paste-Ideologie aus dem Internet“436 bezeichnet, ungeachtet dessen war die Etablierung der „identitären Marken-Identität“ prägend dafür, ein möglichst einheitliches Erscheinungsbild zu schaffen. Botschaften und Bilder der Identitären werden mit Bezug auf popkulturelle Elemente vermittelt, wobei rechtsextreme Inhalte verschleiert werden. Die Identitären entwickeln eine Ästhetik die anschlussfähig an einen breiten öffentlich-politischen Diskurs ist. Zentraler Bestandteil der Erhaltung dieser „Corporate Identity“ ist der Online-Shop „Phalanx Europa“. Der Online-Shop fungiert als Modelabel, hier wird eine identitäre Ästhetik mit Kleidung, Aufklebern, Plakaten, Büchern bis hin zu Tassen vermarktet. Auf diese Weise finden die Ideen der Identitären nicht nur in ihren Köpfen Platz, sondern auch auf Kleidung und Accessoires. Mit hoch professionellen Designs werden im Shop „Phalanx Europa“ kommerzielle Produkte vertrieben. Ihr eigenes Anliegen skizziert die Seite von „Phalanx Europa“ folgendermaßen:

„Phalanx-Europa ist ein europäisches Modelabel, das sich der Tradition und dem Erbe unseres Kontinents verpflichtet hat – ohne dabei jedoch im ewig gestrigen Morast zu versauern. Wir werden für unser Anliegen geliebt, gehasst, verschmäht und bekämpft. Uns ist das egal. Unsere Ideen und Werte sind gut, richtig und am Puls der Zeit. Ihnen wollen wir Gestalt geben.“437

Der Online Shop vermarktet also einen Lebensstil, so ist selbst ein eigenes Craft-Bier von Identitären erhältlich, um „zur Geselligkeit nach der erfolgreichen Aktion oder zur Ideenfindung vor der erfolgreichen Aktion“438 das passende Getränk parat zu haben, wie es der Aufdruck auf dem Etikett bewirbt. Es gibt das „Dunkel Identitär“- und „Pils Identitär“-Bier im Shop zu kaufen und natürlich sind auch die passenden Biergläser erhältlich.

436 Vgl. SPEIT 2018, S. 128. 437 PHALANX EUROPA o.J; https://phalanx-europa.com/ [11.10.2019]. 438 PHALANX EUROPA o.J; https://phalanx-europa.com/markenshops/pils-identitaer/dunkel/63/dunkel-identitaer- bier-12er-0-5l?c=180 [1.5.2020]. Seite 84 Abb. 1: „Pils Identitär“ aus dem Online Shop „Phalanx Europa“439

Mit dem Online-Shop will man sich einmal mehr von der „Alten Rechten“ und rechtsextremen Stereotypen distanzieren. Camouflage oder Militär-Muster findet man hier nicht und auch keine altdeutschen Schriftzüge und Runen. Für letztere Klientel dafür gibt es bereits Modelabels (wie

„Thor Steinar“440 oder „Label 23“441). Bei „Phalanx Europa“ „muss [Anm. man] zweimal hingucken, um die Shirts als neonazistisch zu entlarven“442, da sich die Marke jung und hip präsentiert und „zum Teil an popkulturelle Elemente oder gar linksalternative Kleidung“ erinnert.443

So bedienen sich die Identitären gerne bei Motiven von politischen Gegner*innen. Der Slogan „make love, not war“ der 1968er Generation und Anti-Vietnamkriegsbewegung wird etwa zu „Make Love & Defend Europe“ umgedeutet und auf Kaffe-Tassen (Vgl. Abb. 2), Postern und Pullovern abgedruckt.

439 PHALANX EUROPA o.J; https://phalanx-europa.com/markenshops/pils-identitaer/ [9.8.2020]. 440 Thor Steinar ist ein Kleidungsmarke, die in der rechtsextremen bzw. Neonazi-Szene als Erkennungsmerkmal dient. Das ostdeutsche Label aus Brandenburg verzichtet bewusst nicht auf völkische oder germanische Symbolik. Die Marke bedient den Wunsch nach altgermanischer Tradition und mythischem Kitsch und bezieht sich schon im Namen auf den Gott des Donners, Thor aus der nordischen Mythologie. Die Aussagen sind jedoch so stark codiert, dass sie nur für SzeneanhängerInnen sofort verständlich sind. „Im Sortiment lassen sich Bezüge zu (Sport- und Rocker) Gewalt, zu Kolonialismus, NS-Ideologie und zu mythischnordischen Gegebenheiten ebenso finden wie Bezüge zur sogenannten „Neuen Rechten“ oder offen sexistische Motive.“ (Vgl. MEYER / PETERS 2017, S. 4–5, 28.) 441 Die Kleidungsmarke Label 23 stammt aus Cottbus, vermarktet vor allem sportliche Kleidung und stellt sich als Unternehmen dar, das jenseits banaler kommerzieller Interessen für die Kampfsportszene produziert. Die Marke sponsert Kampfsport, Fußball und Agro-Hiphop. Die Marke ist in der Neonazi-Szene beliebt und hat Verbreitung in den rechtsoffenen Teilen der Kampfsportszene und unter Hooligans gefunden. Ein früherer Betreiber der Marke ist tief in der Szene verstrickt. (Vgl. ANTIFASCHISTISCHES INFOBLATT 2012, „Leben heißt Kampf“ - Die Cottbuser Marke „Label 23“. https://www.antifainfoblatt.de/artikel/%C2%BBleben-hei%C3%9Ft-kampf%C2%AB-die-cottbuser-marke- %C2%BBlabel-23%C2%AB [14.8.2020].) 442 GARREL 2015, Kleidung von Identitären für Identitäre. In: BELLTOWER NEWS. https://www.belltower.news/ phalanx-europa-kleidung-von-identitaeren-fuer-identitaere-38906/ [14.1.2020]. 443 Ebda. Seite 85 Abb. 2: Tasse „Make Love & Defend Europe“ aus dem Online Shop „Phalanx Europa“444

Im Online Shop von „Phalanx Europa“ findet man generell häufig popkulturelle Motive, die zu rechtsextremen Botschaften umgedeutet werden. Um 24,90€ wird das T-Shirt mit der Aufschrift „Build that Wall“ verkauft. Auf schwarzem Grund ist ein zentraler Print weißer Linien gedruckt, die sich in der Mitte wellenartig erhöhen, wird von einem Schriftzug „Unkown Measures“ geziert. Der Aufruf „Build that Wall“ lässt darauf schließen, dass die Grafik eine „Mauer“ darstellen soll. Die Identitären propagieren immer wieder den Wunsch nach einer „Festung Europas“ und sind dafür auch bereit „Unkown Measures“ bzw.: unbekannte Maßnahmen anzuwenden.445

Abb. 3: „Herrenshirt: Build that Wall“ aus dem Online Shop „Phalanx Europa“446

444 PHALANX EUROPA o.J; https://phalanx-europa.com/markenshops/identitaere-bewegung/322/tasse-make-love? c=126 [14.5.2020]. 445 BRUNS / MÖLLER 2015, Festung Europa. ein Begriff und seine Bedeutung. In: MOSAIK. https://mosaik-blog.at/ festung-europa-ein-begriff-und-seine-bedeutung/ [7.8.2020]. 446 PHALANX EUROPA o.J; https://phalanx-europa.com/herren/shirts/151/herrenshirt-retro-wanderer?c=61 [14.5.2020]. Seite 86 Das Motiv stammt vom Cover des Debütalbum Unknown Pleasueres der britischen Post-Punk Band Joy Division aus dem Jahr 1979. Als Produkt-Beschreibung zum T-Shirt findet man folgende Erklärung auf „Phalanx Europa“:

„[…] unsere Hommage an eine Ikone des Postpunks. Eine Generation des sinnlosen Protests, der ziellosen Revolte geboren aus Wohlstandslangweile und Nihilismus. Aber immerhin machten sie gute Musik. Schon damals gab es keine echten Ideale und Idole mehr. Heute gibt es nicht einmal mehr popkulturelle Ikonen. […] Der Aufschrei der Provokation mündet im Gähnen des Konsums. Höchste Zeit unbekannte Maßnahmen zu ergreifen. Das Einzige, das uns retten kann, ist die Politik! Und natürlich ein gigantischer, wunderschöner, unüberwindbarer Schutzwall.“447

So wird etwa auch der Songtitel von den The Rolling Stones, (I can’t get no) Satisfaction herangezogen, um ein T-Shirt zu vermarkten. Das T-Shirt zeigt schlagende Burschenschafter bei der Mensur und darunter ist die zentrale Botschaft „Can’t get no Satisfaction“ gedruckt (Vgl. Abb. 4), die Anlehnung an den Kult-Song der Rockband ist unübersehbar. Als Artikelbeschreibung ist außerdem ein klarer Aufruf zu lesen: „Auf die Mensur – fertig – los! Das ist das Shirt für die Waffenstudenten, die mehr als ihre Pflichtpartien geschlagen haben…“448

Abb. 4: „Herrenshirt: Satisfaction“ aus dem Online-Shop „Phalanx Europa“449

447 PHALANX EUROPA o.J; https://phalanx-europa.com/herren/shirts/148/herrenshirt-build-that-wall?c=61 [16.5.2020]. 448 PHALANX EUROPA o.J; https://phalanx-europa.com/herren/shirts/590/herrenshirt-satisfaction?c=61 [14.4.2020]. 449 Ebda. Seite 87 Motiv-Vielfalt

Für Mitglieder der Identitären stehen Filme, Musik und Bücher bereit, die aus einer identitären Sicht die Welt deuten. Neben den popkulturellen Motiven, bedienen sich die Identitären aber noch einer viel breiteren Palette an identitätsstiftenden Motiven. Bernd Steckner konstatiert im Magazin der rechte rand, dass die „Corporate Identity“ der Identitären auf einer wiederkehrenden Motivwahl beruht und analysiert sechs Motive: „Wiederkehr“, „Identität“, „Rückeroberung“, „Heteronormativität“, „sex sells“, „Aufgang“ und wie bereits skizziert, die „Bezugnahme auf (Pop-)Kultur“.450 Bruns, Glösel, Strobl erweiterten diese Auswahl an Motiven, um die Kategorien „Gesicht zeigen“, „Testimonials“, „Nationalgeschichte“, „Lokalpatriotismus“ und „Jugend“.451 Nachfolgend werden einige der Motive exemplarisch dargestellt.

Nach Steckner ist es die „Botschaft der ewigen Wiederkehr“, welche in Bild-Kompositionen der Identitären immer wieder aufgerufen wird. Ein Beispiel bietet die Bild-Text-Komposition, „Die Geschichten unserer Vorfahren sind die Geschichten unserer Kinder“. Ein blondes Kind wird im Bildzentrum gezeigt und trägt „Ritter-Kleidung“ mit Schwert, dahinter ist das Logo der IB sichtbar (Vgl. Abb. 5). Die am Rand platzierte Aussage verweist nach Steckner auf eine zentrale Denkfigur der Identitären:

„[Anm. Eine] extrem rechte und biologistische Weltanschauung, nach der das Zusammenleben der Menschen sich im Grunde nicht verändert, sondern stets wiederkehrenden Gesetzen unterworfen ist, womit - Veränderung unmöglich ist.“452

Abb. 5: Die Geschichten unserer Vorfahren sind die Geschichten unserer Kinder453

450 Vgl. STRECKNER 2013, S. 22–23. 451 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 269–280. 452 STRECKNER 2013, S. 22–23. 453 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 270. Seite 88 Bruns, Glösel und Strobel analysieren in dem Zusammenhang ein „generationenübergreifendes Zusammengehören“, das stets über nationale Grenzen definiert wird und Vorstellungen von „Herkunft“ und „Kultur“ beinhaltet, die es zu erhalten gelte, „dadurch wird der traditionalistische und völkische Gehalt der identitären Gruppen deutlich.“454

Die Kampagne „Unseren Kindern zuliebe“ der Identitären Steiermark zeigt, wie Kompositionen von „Tradition“ häufig mit „Natur“ verbunden werden. Der Slogan „Wir stehen zur Heimat!“, und darunter ist die Aufforderung „Unseren Kindern zuliebe komm in die Bewegung“ zu lesen (Vgl. Abb. 6). Die Kampagne „Unseren Kindern zuliebe“ vermarktete eine Petition, die sich gegen den vermeintlichen „Großen Austausch“ in Schulen richtete.455

Abb. 6: Kampagne „Unseren Kindern zuliebe“ der Identitären Steiermark456

Das am häufigsten verwendete und namensgebende Motiv der „Identität“, ist das zugleich am wenigsten klar definierte. Steckner fasst den ominösen Begriff der „Identiät“ bei den Identitären als „biologisch vorgegebene, stabile und sich in spezifischen kulturellen Profilen ausdrückende

Eigenschaft“, welche ein „wichtiges visuelles Thematisierungsfeld der IB“ darstellt.457 Die gewünschte „Identität“ wird aber vorwiegend darüber charakterisiert, was sie nicht sein soll,

454 BRUNS / GLÖSEL / STROBL. S. 271. 455 IBÖ 2017, Jahresbericht, S. 8. http://www.identitaere-bewegung.at/wp-content/uploads/2018/04/ jahresbericht2017.pdf [Gesehen am 15.5.2020]. 456 Ebda. 457 STRECKNER 2013, S. 22. Seite 89 nämlich „nicht-muslimisch und nicht-migrantisch […] und sich auf ‚Heimat‘ und ‚Tradition‘ beziehen[d]“.458

Immer wieder werden popkulturelle Träger*innen als Identitätsfiguren herangezogen, um das Motiv der „Identität“ zu verbreiten. So wird nicht ohne Grund die fiktive Figur des „Eric Cartman“ aus der animierten Sitcom Southpark verwendet um die Forderung „Respect my Identity“ zu vermarkten (Vgl. Abb. 7). Umgedeutet wird damit die Catchphrase des Charakters „Respect my Authoritha“459. Der Bezug zum achtjährigen „Eric Cartman“, der in der Serie regelmäßig und offen homophobe, sexistische, antisemitische bis rassistische Aussagen tätigt, wird nur für Kenner der Serie erkenntlich.460

Abb. 7: Eric Cartman von Southpark: Respect my Identity461

Ein weiteres präsentes Motiv ist jenes der „Rückeroberung“ (Vgl. Abb. 8) und meint im Kontext der identitärer Vorstellungen ein „Mittel der Abgrenzung in Verbindung mit dem Wunsch, einen vermeintlich ursprünglichen Zustand wieder herzustellen“.462 Hier nutzen die Identitären den Begriff der „Reconquista“ und rekurrieren damit auf die historische Rück- bzw. Wiedereroberung der Iberischen Halbinsel und die Vertreibung der muslimischen Herrscher durch katholischen Gruppen zwischen dem 8.-15. Jh. Im Mittelalter wurde der Begriff noch nicht verwendet, er wurde erst in der Neuzeit Teil der spanische Geschichtsschreibung. Vor allem Gruppierungen der „Neuen Rechte“, wie die Identitäre Bewegung oder Reconquista Germanica, verwenden diese

458 STRECKNER 2013, S. 22. 459 Die Catchphrase von Cartman meint eigentlich „Authority“ (deutsch: Autorität) gemeint, jedoch spricht er es falsch aus. (Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 279.) 460 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 278. 461 Ebda. S. 279. 462 STRECKNER 2013, S. 22. Seite 90 Kriegsrhetorik, um Parallelen zur heutigen Situation zu ziehen. Daraus leiten sie dann einen gegenwärtigen Handlungsauftrag ab. Es ist ein „Moment der Abgrenzung von anderen Identitäten“ und die Botschaft ist eindeutig, „die Reconquista ist erneut notwendig und legitim“.463

Abb. 8: Reconquista Sticker464

Die Identitären inszenieren sich mit dem Motiv der „Reconquista“ als Kämpfer für ein vermeintlich gefährdetes Europa:

„Die Krise der EU gefährdet den europäischen Integrationsprozess, die Politik der offenen Grenzen bedroht den Fortbestand der europäischen Völker. Europa befindet sich im politisch-kulturellen Tiefschlaf. Währenddessen geht der große Austausch weiter. […] Während die Islamisierung um sich greift, reihen sich Tag für Tag Jugendliche in die Phalanx der Identitären Bewegung ein. Wir sind die erste Reihe der Reconquista des 21. Jahrhunderts. Unser Ruf wird immer lauter. Das alte Europa lebt! Wir sind seine Erben.“465

Weiteres visualisieren die Identitären nach Steckner „Heteronormativität“, postulieren also Heterosexualität als soziale Norm. Die Identitären folgen einer Ideologie der Geschlechterungleicheit, die auf einem als „natürlich“ angenommenen heteronormativen, dichotomen und komplementären Geschlechterverhältnis beruht. In rechtsextremen Zusammenhängen drückt das heteronormative Weltbild eine angeblich naturhafte Dominanz der Männer und Unterordnung der Frauen aus. Das heterosexuelle Begehren hat nach Identitären eine naturgegebene und unveränderbare Grundlage.466 Bei der Zuschreibung von eindeutigen Rollen wirkt das Geschlecht als Differenzkategorie. Die Konstruktion von Männlichkeit existiert bei den Identitären nur in Relation und Abgrenzung zur Weiblichkeit.

463 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 269-270 464 IBD 2016, Europa, Jugend, Reconquista. In: Blog IDENTITÄRE BEWEGUNG https://blog.identitaere- bewegung.de/europa-jugend-reconquista/ [11.12.2019]. 465 Ebda. 466 Vgl. MAYERL 2017, Männlichkeitskonstruktionen der Identitären Bewegung Österreich. In: Journal für Psychologie. https://www.journal-fuer-psychologie.de/index.php/jfp/article/view/446/490 [14.12.2020]. Seite 91 „So sei das Männliche aktiv, ausstrahlend, aber auch zerstörerisch und gefährlich. Das Weibliche hingegen sei empfangend, ruhig, gelassen und harmonisch-ausgeglichen. […] Diese Essentialisierung widerspricht selbstverständlich dem feministischen Grundgedanken der sex/gender Unterscheidung und reduziert das Verständnis vom Geschlechterverhältnis erneut auf ein heteronormatives.“467

Vor allem über die sozialen Netzwerke können Schlüsse auf die Hierachisierung der Geschlechter durch die Identitären gezogen werden. Hierbei fokussieren die Identitären ihre visuellen Botschaften „auf die Idee einer lebenslang funktionierenden heterosexuellen Beziehung“, „in deren Mittelpunkt die Fortpflanzung steht.“468

Antifeministische Projekte aus dem Umkreis der Identitären sind etwa der Blog radikalfeminin von Annika S.. Der Blog verbreitete über YouTube, Twitter und Instagram (mittlerweile wurde radikalfeminin von den genannten Plattformen gesperrt) regelmäßig Beiträge mit dem dominierenden Thema „Mutterschaft“. Außerdem bezieht sich das Pathos von Radikalfeminin auf die mehrfachen Rollen der Frauen in Bezug auf den „großen Austausch“, den die Identitären propagieren. Im Blog wird viel über die Rolle der Frau als Mutter gesprochen und darüber, dass Frauen einen wichtigen Beitrag zu leisten hätten, um den beschworenen „demografischen Wandel“ aufzuhalten. Es liege in der „Natur der Frau“ Kinder zu bekommen. „Andere Lebensentwürfe oder Geschlechteridentitäten, die vom binären Geschlechtermodell abweichen, finden in Annika S. Vorstellung keinen Platz.“ 469

Vor allem Geschlechterverhältnisse und Feminismus zählen zu jenen Themen, die im Internet mit einer besonderen ‚Enthemmtheit‘ und Intensität diskutiert werden. So finden sich bei den Identitären antifeministische Artikulationen (Ablehnung feministischer Positionen), wie antigenderistische Argumentationen (Ablehnung verschiedener Formen institutionalisierter Geschlechterpolitik (z.B. Gender Mainstreaming, Quoten, Gender Budgeting und Gender Studies).470 Ausgangspunkt von Antigenderist*innen und Antifeminist*innen ist das pluralistische Lebensmodell. Nach Christine Wimbauer, Mona Motakef und Julia Teschlade speisen sich die Akteur*innen des „Diskurs gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung“471 aus einem breiten Spektrum, „das auch sogenannte Männerrechtler (Maskulinisten), fundamentalistische Christ*innen, wertkonservative Journalist*innen und Teile politischer Parteien wie der Alternative

467 Vgl. MAYERL 2017, Männlichkeitskonstruktionen der Identitären Bewegung Österreich. In: Journal für Psychologie. https://www.journal-fuer-psychologie.de/index.php/jfp/article/view/446/490 [14.12.2020].. 468 STRECKNER 2013, S. 22. 469 Vgl. STOPPT DIE RECHTEN 2017, ‚radikal feminin‘ – Die ‚Identitäre Bewegung‘ und der (Anti)Feminismus. https://www.stopptdierechten.at/2017/09/15/radikal-feminin-die-identitaere-bewegung-und-der-antifeminismus/ [17.2.2020]. 470 Vgl. GANZ / MESMER 2015, S.60. 471 Vgl. WIMBAUER / MOTAKEF /TESCHLADE 2015, S. 41. Seite 92 für Deutschland (AfD) umfasst.“472 Auch die Identitären können diesem Spektrum zugeordnet werden, dass sie immer wieder die politische Gleichstellung von Männern und Frauen, sowie die Vielfalt geschlechtlicher Lebensweisen kritisieren und gegen Einwanderung von Menschen mit muslimischen Glauben protestieren. Die verschiedenen Deutungsmuster des „Diskurs gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung“ liegen nach Wimbauer, Motafek, Teschlade „rechte Positionen“ zu Grunde und die verschiedenen Argumentationen unterliegen dem „Deutungsmuster einer natürlichen oder gar ‚völkischen‘ Geschlechterordnung und einer ‚schützenswerten Volksgemeinschaft’“.473

„Dem sogenannten Genderismus sei es gelungen, eine Ideologie durchzusetzen, die in der Infragestellung einer heteronormativen Geschlechterordnung ihren Ausgangspunkt nehme und sich gegen Männer, Familie und Heterosexuelle richte. Mehr noch: Durch eine neue Herrschaft von Gleichstellungspolitiker*innen und Geschlechterforscher*innen würden heterosexuelle Männer zu Opfern und Frauen und Homosexuelle übervorteilt. Diese neue Herrschaft ziele auf die Zerstörung von Familie. Darüber hinaus sei es aufgrund von als übertrieben empfundenen Ansprüchen von ‚Political Correctness' im öffentlichen Raum nicht mehr möglich, vermeintliche ‚Wahrheiten‘ auszusprechen – ‚Wahrheiten‘, die in der Regel Fragen zum Verständnis von und Verhältnis zwischen Geschlecht, Sexualität und Nation berühren.“474

Das Argumentationsspektrum eines „Diskurs gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung“ ist weitreichend, von „Unwissenschaftlichkeit“ bis „zum Verrat an einer völkischen (‚deutschen‘, ‚weißen‘) Ordnungspolitik.“ In der Vorstellung der Identitären – als Teil dieses Diskurses – werden Frauen und Männern „unterschiedliche, angeblich natürlich vermittelte Rollen zugewiesen“475 bzw. diese Zuweisung zu hinterfragen, wird strikt abgelehnt. Die Rollenverteilung innerhalb der Identitären ist klar und abgegrenzt. Die Frau ist zuständig für die traditionelle Familie, was als „Akt des Widerstandes gegen die drohende ‚Überfremdung’“ gesehen wird. „Alles, was von diesem Familienbild abweicht, wird als ‚falsch‘ abgetan.“476 Über soziale Medienauftritte weiblicher Kaderfiguren werden konservativ-heteronormative Geschlechterrollen inszeniert. Ingrid Weiss und andere zentrale Protagonistinnen der Identitären posten häufig Fotos, die sie in der Mutterrolle zeigen mit Beschreibungen wie „Fighting for rebirth of Europe“ um auch gleichzeitig politisch für Mutterschaft und den Online-Shop „Phalanx Europa“ zu werben.

472 Vgl. WIMBAUER / MOTAKEF /TESCHLADE 2015, S. 41–42. 473 Vgl. Ebda. 474 Ebda. 475 Ebda. 476 ZILLMER 2013, „Likes“ für Rassisten: Wie die Identitären im Internet für sich werben. In: Blog STÖRUNGSMELDER von ZEIT ONLINE. https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2013/02/12/likes-fur-rassisten-wie- die-identitaren-im-internet-fur-sich-werben_11343 [6.3.2020]. Seite 93 Abb. 9: Ingrid Weiss Twitter „Fighting for the rebirth of Europe“477

Weiters findet man unter dem Hashtag #identitariangirls oder #120db auf Instagram Versuche geschlechterpolitische Argumentationsweisen in einen rechtsextremen Diskurs einzubetten und einen „rechten Feminismus“ oder „femininen Feminismus“, wie die Identitären es gerne nennen, zu etablieren. Ein Versuch Feminismus in identitäres Denken umzudeuten, war auch die Kampagne #120db, welche als Reaktion auf #MeToo initiiert wurde. 120 Dezibel, weil es die „Lautstärke eines handelsüblichen Taschenalarms“ ist, den nach Identitärer Beschreibung „heute viele Frauen bei sich tragen“.478 In einigen Videos auf YouTube hetzten dabei identitäre Frauen gegen Zuwanderer. 2018 veröffentlicht Martin Sellner via YouTube das Video „Frauen wehrt euch! 120 Dezibel #120db“, in dem junge Frauen aus dem Umkreis der Identitären mit ernsten Blicken ihre Botschaft in die Webcams richten: „Mein Name ist Mia, mein Name ist Maria, mein Name ist Ebba.“479 Damit beziehen sie sich auf Opfer von Gewaltverbrechen mit migrantischen Tätern, um gegen „Überfremdung“ und „Zuwanderung“ zu hetzen. Die Frauen fordern Zuschauer*innen auf, über Erfahrungen mit Belästigung und „importierte Gewalt“ von „fremden Männern“ zu berichten, um die #MeToo-Debatte zu kapern. Mit kämpferischer Sprache versuchen die Frauen europäische Einwanderungspolitik als „frauenfeindliche Politik“ umzudeuten:

„Wir sind kein Freiwild, keine Sklavinnen, keine Kriegsbeute und keine Kollateralschäden. Wir sind die Töchter Europas. […] Jetzt beginnt unser Widerstand. Mütter, Frauen, Schwestern, Töchter Europas. Dieser Staat wird euch nicht schützen.“ 480

Mit dieser Kampagne inszenieren sich die Identitären als “Beschützer der Frauenrechte“, während gleichzeitig gegen Zuwanderung gehetzt wird. Das Video wurde über 100.000 mal auf YouTube geklickt , die Kampagne #120db schaffte es aber nicht aus der rechten Filterblase.

477 WEISS 2017, In: Twitter. https://twitter.com/ingridwss/status/856114149725810688/photo/1 [3.2.2020]. 478 Vgl. SELLNER 2018, Frauen wehrt euch! 120 Dezibel #120db. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch? v=FSXphiFknyQ [14.9.2019]. 479 Vgl. Ebda. 480 Vgl. Ebda. Seite 94 Das Geschlechtsbild der Identitären ist nicht nur konservativ und heteronormativ geprägt, sondern inszeniert Frauen in sexistischer Marnier.481 Ebenso wie in der Werbung setzten die Identitären auf das Motiv „sex sells“ und „Schönheit, Jugend, Schlankheit“. Ein wiederkehrendes und ideal vermarktbares identitäres Motiv ist etwa eine Frau: „Lange Haare, weiße Haut, leicht geöffneter Mund, etwas nackt und auch gern im Bett räkelnd oder nur in Unterwäsche und High Heels“.482 Die Identitären bedienen sich erotisierender Werbebotschaften um rechtsextreme Parolen im öffentlichen Diskurs zu verankern. Von NPD und FPÖ wurde etwa das Motiv des Schleier als Hassobjekt übernommen und stilisiert. Das Bild einer jungen, weißen, nackten Frau mit offenen blonden Haaren wird etwa betitelt mit: „Zu schön für einen Schleier“483 (Vgl. Abb. 10 und 11). Beim Hassobjekt des Schleiers, wird deutlich, dass diese Bilder ein zutiefst islamfeindliches und auch sexistisches Weltbild implizieren. Der gesamte Islam wird dabei von der Identitären als Bedrohung für „die Frau“ dargestellt. Sie propagieren auf diese Weise das „Eigene“ und „Schöne“, das es vor „Überfremdung“ und „Multikultiwahn“ zu schützen gelte.484

„[W]eil er [Anm. Schleier] Männern den Blick auf […] Frauen verwehrt, mit der Darstellung weißer Frauen in diesem Zusammenhang wird einerseits ihre Überlegenheit gegenüber den vermeintlich unterdrückten muslimischen Frauen mit Kopftuch suggeriert, andererseits ein Bedrohungsszenario behauptet, das eine kollektive Verschleierung für alle Frauen vorsieht.“485

Abb. 10: „Zu schön für einen Schleier“ 1486

481 STRECKNER 2013, S. 23 482 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 274. 483 STÖRUNGSMELDER 2013, „Likes“ für Rassisten: Wie die Identitären im Internet für sich werben. In: ZEIT ONLINE https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2013/02/12/likes-fur-rassisten-wie-die-identitaren-im-internet-fur-sich- werben_11343 [4.1.2020]. 484 ZILLMER 2013, „Likes“ für Rassisten: Wie die Identitären im Internet für sich werben. In: Blog STÖRUNGSMELDER von ZEIT ONLINE. https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2013/02/12/likes-fur-rassisten-wie- die-identitaren-im-internet-fur-sich-werben_11343 [6.3.2020]. 485 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 274. 486 STÖRUNGSMELDER 2013, „Likes“ für Rassisten: Wie die Identitären im Internet für sich werben. In: ZEIT ONLINE https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2013/02/12/likes-fur-rassisten-wie-die-identitaren-im-internet-fur-sich- werben_11343 [4.1.2020]. Seite 95 Abb. 11: „Zu schön für einen Schleier“ 2487

Bruns, Glösel und Strobl analysierten und erweiterten die wiederkehrende Motive der Identitären, um die Kategorie „Gesicht zeigen“. Damit zeigen sie, dass kein Wert mehr auf Anonymität im Vergleich zu anderen rechtsextremen Akteur*innen gelegt wird. Mit Selbstverständlichkeit zeigen die Aktivist*innen der Identitären auf Videos und Bildern ihr Gesicht direkt und in Großaufnahmen in die Kameras und geben die eigene Identität preis, nicht zu letzt, um Kampagnen salonfähig zu machen.488 Zudem setzen die Identitären auf „Testimonials“, also Personen, die für die eigenen Botschaften von Bedeutung sind. Bruns, Glösel und Strobl analysierten drei Gruppen von „Testimonials“, auf die sich die Identitären beziehen: 1. politische Vorbilder und aktuelle Multiplikator*innen (dies reicht von Parteipolitiker*innen wie z.B.: Björn Höcke bis Musiker*innen wie z.B.: Andreas Gabalier); 2. Vertreter*innen des gegenwärtigen konservativen Spektrums bis hin zu Protagonist*innen der „Konservativen Revolution“ (etwa Carl Schenk Graf Stauffenberg); 3. Entlastungszeug*innen (sonst angefeindete Organisationen, Parteien, Akteur*innen der Popkultur). Diese werden – „sobald sie eine Aussage treffen, die in den identitären Forderungskatalog passt - herangezogen und zitiert […], um sich selbst und die eigene rechtsextreme Ideologie zu legitimieren.“489

Weitere Motive der Identitären beziehen sich auf einen „Lokalpatriotismus“, bei dem sich verschiedenste regionale Gruppen für die eigene Region und deren Tradition einsetzen, „um so die vermeintlich lokal ausmachbare Identität zu erhalten“490. Ein weiteres, aber entscheidendes Motiv zur Identifikation ist die „Jugend“. Die Identitären bezeichnen sich gerne als „Jugendbewegung der Neuen Rechten“ und sprechen vor allem junge Erwachsene und Jugendliche mit ihrer Motivwahl

487 AfD KÖLN 2017, In: Twitter. https://twitter.com/just1ofyou/status/859087480569647104 [13.2.2020]. 488 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 272. 489 Ebda. S. 275–276 490 Ebda. S. 277. Seite 96 an, um sie als Teil der „letzten Generation Europas“ zu identifizieren, die noch die Chance hätte, den „Großen Austausch“ aufzuhalten und die Gesellschaft nach rechtsextremen Vorstellungen umzugestalten.491 Die „Nationalgeschichte“ wird ebenfalls als Motiv herangezogen, um die „eigene Vergangenheit“ in einen Bezugsrahmen zu bringen und Identifikationen zu fördern. Ein Beispiel ist die Bezugnahme der Identitären auf historische Leit- und Identifikationsfiguren, wie z.B.: Prinz Eugen von Savoyen (Vgl. Abb. 12). Dieser wird „nur im Zusammenhang mit der sogenannten Türkenbelagerung“ angesprochen, da dies „dem antimuslimischen Rassismus der Identitären gelegen kommt.“492

Abb. 12: Do it Again! Prinz Eugen, Leonidas, Karl Martell493

Weitere islamfeindliche Heldenfiguren, die für eigene Botschaften inszeniert werden, sind der König Leonidas aus Sparta und der Bezug auf die Schlacht bei den Thermopylen bzw. den Hollywoodfilm 300. Außerdem beziehen sich Sujets auch auf Karl Martell, Heerführer des fränkisch-germanischen Reiches, der bei Tours in Frankreich 732 die nach Europa vorrückende Armee des Kalifen von Damaskus schlug. „Insbesondere Martell und Prinz Eugen gingen als ‚Retter des Abendlandes' in die Geschichtsschreibung nicht nur der Rechten ein.“494

Jene eben beschriebenen Motive greifen häufig ineinander, Plakate und Werbemittel werden so gestaltet, dass sie auch ohne Vorwissen leicht verständlich sind. Über soziale Netzwerke wie Twitter und YouTube werden solche Bilder generell leicht und schnell verbreitet.

491 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 278. 492 Ebda. S. 276. 493 AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVE o.J; Islamfeindliche Symbole. https://dasversteckspiel.de/die- symbolwelt/rassismus/islamfeindliche-symbole-129.html [20.4.2020]. 494 Vgl. Ebda. Seite 97 Pop statt Historie

„Da die selbsterklärten Heimatschützer erkannt haben, dass mit monokultureller Brauchtumspflege in einer globalisierten Welt kein Staat zu machen ist, haben sie sich jüngst der – in völkischen Kreisen sonst eher gering geschätzten – internationalen Popkultur zugewandt.“495

Wie bereits einige Beispiele in den vorhergehenden Kapiteln zeigen, nehmen die Identitären über Produkte ihres Online-Shop „Phalanx Europa“ Bezug zu verschiedenen popkulturellen Motiven, um rechtsextreme Botschaften in einen neuen Kontext zu stellen. Kulturelle Elemente spielen generell eine große Rolle bei der Vermarktung von Kampagnen und dem Anvisieren der jugendlichen Zielgruppen. Die Identitären versuchen sich gerade nicht über historische Bezugspunkte und Verbindungen zum Rechtsextremismus und Nationalsozialismus zu positionieren, sondern schöpfen in erster Linie von Symbolen der gegenwärtigen Popkultur, um sich zu inszenieren und einen „unbelasteten“ Bezugsrahmen zu schaffen. Diese popkulturellen Umdeutungen dienen als Verbreitungsmechanismus, um erfolgreich und leicht zu kommunizieren bzw. zu provozieren. Die Orientierung an sub- wie popkulturellen Bewegungen findet einerseits auf argumentativer und inhaltlicher Ebene statt, andererseits durch die Übernahme von popkultureller Ästhetik- und Inszenierungsmerkmalen. Der Bezug auf pop-, jugend- bzw. subkulturelle Ästhetik, Artefakte und Narrativen ist ein wichtiger Teil der identitären Kommunikationsstrategie.

Der Hollywood-Film Avatar dient den Identitären dazu ihre Narrative des „Großen Austausch“ und „Erhalt der ethnokulturellen Identität“ über den Weg von Motiven aus einem Film aufzuladen. Der beliebte identitäre Slogan „100% identitär 0% Rassismus“ wird dabei mit dem weiblichen Hauptcharakter von Avatar, „Neytiri“ beworben. Sie ist – im Plot – die Tochter des Anführer der „Na’vi“ und verliebt sich in einen Menschen. Der Science-Fiction-Film Avatar wird aus identitärer Sicht als Kampf der indigenen Bevölkerung des Planeten Pandora, der „Na’vi“, gedeutet, um ihre „ethnokulturelle Identität“ gegen die Masseneinwanderung der fremden und aggressiven weißen Menschen zu verteidigen. Der Film wird gelesen als identitäre Botschaft gegen „Überfremdung“ und Bedrohung durch einen drohenden „Bevölkerungsaustausch“ (Vgl. Abb.12.).

495 MROZEK 2017, Unter falscher Flagge. Rechte „Identitäre” setzen auf Antiken-Pop. Die Geschichte ihrer Symbole dürfte ihnen kaum gefallen. In: Blog POPHISTORY. https://pophistory.hypotheses.org/2561 [11.12.2019]. Seite 98 Abb. 13: Avatar Meme: „100% identitär 0% Rassismus“496

Martin Sellner schreibt in Bezug auf diese identitären Tendenzen einer Instrumentalisierung von Popkultur über den Film Avatar:

„In diesem Film geht es klar um den Kampf einer ethnokulturellen Gemeinschaft für den Erhalt ihres Heimatbodens, ihrer Sitten und Tradition, gegen eine fremde Masseneinwanderung, samt der Überfremdung und Bedrohung, die sie für die Einheimischen darstellen. Sie ist ein Angriff auf die ethnokulturelle Identität der Na’vi.“497

Dabei produzieren die Identitären in einer schnellen Frequenz Flyer, Sticker, Shirts, Videos, Reden, usw. Sie bedienen sich einer breiten und nahezu unüberschaubare Menge an popkulturellen Referenzen (Ikonen, Bildern und Narrativen), um das eigene Wirken in Relation zur Gesellschaft und Historie zu setzen. Im Folgenden soll dies anhand einer Analyse von Filmen exemplarisch deutlich werden. Die Identitären beziehen sich vor allem auf Hollywood-Aktion-Blockbuster oder japanische Manga-Filme. Filme werden auf ihre Tauglichkeit geprüft, um sie für den eigenen politischen Zwecke umzudeuten. Lieblingsfilme der rechten Szene sind etwa Matrix, Fight Club oder 300.498

Das bekannteste Beispiel für die ästhetische Inszenierung popkultureller Referenzen ist ohne Zweifel das Logo, das gelbe Lambda auf schwarzem Grund, welches als identitätsstiftendes Merkmal schnell verbreitet wurde. Nachdem viele germanische Runen und Schriften mittlerweile

496 LANZKE 2012, Die Identitären, ein ernstzunehmendes neues Phänomen oder nur Nebellichter? In: BELLTOWER NEWS. https://www.belltower.news/die-identitaeren-ein-ernstzunehmendes-neues-phaenomen-oder-nur- nebellichter-35454/ [4.4.2020]. 497 GOGOS 2017, Die popkulturelle Strategie der Identitären. Rechtsextremismus der Zukunft. In: JUNGLE WORLD. https://jungle.world/artikel/2017/06/rechtsextremismus-der-zukunft [12.12.2019]. 498 Vgl. KELLER / JANSER 2019, Blut, Schweiss und Zähne: Die Lieblingsfilme der neuen Rechten. In: Die Wochenzeitung (WOZ). https://www.woz.ch/-94c8 [23.3.2020] / AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVEN o.J; Fallbeispiel »300« Ein Hollywood-Film als rechter Selbstbedienungsladen. https://dasversteckspiel.de/hintergruende/ fallbeispiel-300-ein-hollywoodfilm-als-rechter-selbstbedienungsladen-274.html?more=true [20.2.2020]. Seite 99 als Kennzeichnung verfassungsfeindlicher Organisationen verboten wurden, bestand für Identitäre zweifellos ein Bedarf an neuen Zeichen und Bezügen. Anstatt fundierter geschichtlicher Bezüge stammt die Symbolik des Logos aus der Verfilmung von Frank Millers revisionistischem Comic 300 aus dem Jahr 2006 über Sparta bzw. die Schlacht bei den Thermopylen im Perserkrieg (480 v. Chr.).499 Der Film wurde bereits beim Erscheinen als antiislamische Hetzpropaganda und faschistoid kritisiert. Das Narrativ der fiktionalisierten und historisch-inakkuraten Hollywood- Erzählung wurde in der Selbstinszenierung der Identitären übernommen, historisch fundiertes

Wissen wird dabei aber ausgespart.500 Das Autoren-Trio Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn der Studie Mit Rechten reden analysiert in Bezug auf den Comic einen Identitätskomplex der rechten Szene, welche eine verfälschte hellenisierende Geschichtsschreibung heranzieht,501 „um die leere Hülle ihres

Identitätspostulats mit heroischem Action-Stoff zu füllen“.502 Die wenigen „edlen Spartaner“, die gegen massenhaft überlegene Eindringlinge, die dekadenten Perser, kämpfen, dienen den Identitären als identitätsstiftendes Narrativ. Erneut sind es die Motive der „Heimat“ und „Identität“, die vor einer vermeintlichen „Überfremdung“ durch den „Großen Austausch“ oder „Islamisierung“ bedroht werden. Diese werden neu inszeniert503 und „verknüpf[en] den Mythos des ‚Opfergangs‘ für Volk und Heimat mit weiteren Elementen soldatischer Männlichkeit: Kampfstärke, Todesmut, Pathos, Durchhaltewillen, die Verachtung der Schwachen sowie die Ästhetisierung von (männlichem) Kampf und Körpern.“504 Neu ist diese Idee der Inszenierung der Spartaner für rechte Propaganda aber nicht. Die hier sichtbare „Aktualisierung der Antike steht […] bei angeblich ‚neu’rechten Inhalten, in alt- nationalsozialistischer Tradition“505. Bereits in einer Rede im Jänner 1943 verglich Hermann Göring die Schlacht bei den Thermophylen mit der Schlacht um Stalingrad, um die deutsche

499 Vgl. BOEHNKE 2019, S. 89. 500 Vgl. SCHMID / SCHMIDT 2019, Tiefer Einblick in Struktur der rechtsextremen Identitären. In: DER STANDARD. https://www.derstandard.at/story/2000101301917/interne-dokumente-geben-tiefen-einblick-in-struktur-der- rechtsextremen-identitaeren [20.7.2019]. 501 MROZEK 2017, Unter falscher Flagge. Rechte „Identitäre” setzen auf Antiken-Pop. Die Geschichte ihrer Symbole dürfte ihnen kaum gefallen. In: Blog POPHISTORY. https://pophistory.hypotheses.org/2561 [11.12.2019]. 502 Ebda. 503 Vgl. SCHMID / SCHMIDT 2019, Tiefer Einblick in Struktur der rechtsextremen Identitären. In: DER STANDARD. https://www.derstandard.at/story/2000101301917/interne-dokumente-geben-tiefen-einblick-in-struktur-der- rechtsextremen-identitaeren [20.7.2019]. 504 AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVEN o.J; Fallbeispiel »300« Ein Hollywood-Film als rechter Selbstbedienungsladen, https://dasversteckspiel.de/hintergruende/fallbeispiel-300-ein-hollywoodfilm-als-rechter- selbstbedienungsladen-274.html?more=true [20.2.2020]. 505 MROZEK 2017, Unter falscher Flagge. Rechte „Identitäre” setzen auf Antiken-Pop. Die Geschichte ihrer Symbole dürfte ihnen kaum gefallen. In: Blog POPHISTORY. https://pophistory.hypotheses.org/2561 [11.12.2019]. Seite 100 Bevölkerung zum Durchhalten gegen den „Ansturm aus dem asiatischen Osten“ anzuspornen.506 Die Thermopylen-Schlacht wird seit jeher von Kulturrassisten als identitätsstiftend herangezogen und verklärend die spartanische Streitmacht im Abwehrkampf gegen eine drohende Invasion

„fremder Barbaren“ zu imaginieren.507

Immer wieder treten die Identitären bei öffentlichen Aktionen als „Spartaner“ auf und verkleiden sich im militärischen Stil als „spartanische Krieger“. Um auf die „Spartaner“ zu verweisen, tragen sie das Lambda-Symbol auf Fahnen und Schildern mit sich (Vgl. Abb. 14).508

Abb. 14: Aktion der Identitären Bewegung Berlin (2012)509

506 AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVEN, o.J; Fallbeispiel »300« Ein Hollywood-Film als rechter Selbstbedienungsladen, https://dasversteckspiel.de/hintergruende/fallbeispiel-300-ein-hollywoodfilm-als-rechter- selbstbedienungsladen-274.html?more=true [20.2.2020]. 507 MROZEK 2017, Unter falscher Flagge. Rechte „Identitäre” setzen auf Antiken-Pop. Die Geschichte ihrer Symbole dürfte ihnen kaum gefallen. In: Blog POPHISTORY. https://pophistory.hypotheses.org/2561 [11.12.2019]. 508 JANZEN 2013, S. 24. 509 MROZEK 2017, Unter falscher Flagge. Rechte „Identitäre” setzen auf Antiken-Pop. Die Geschichte ihrer Symbole dürfte ihnen kaum gefallen. In: Blog POPHISTORY. https://pophistory.hypotheses.org/2561 [11.12.2019]. Seite 101 Weiters werden die Identitären beim japanischen Anime Studio Ghibli fündig. Das in der Szene legendäre Studio produziert Zeichentrickfilme die auch identitär lesbar sind. So finden auch Manga-Figuren Einzug ins rechte Milieu, allen voran Nausicaä aus dem Tal der Winde. Nausicaä eine Prinzessin eines „kleinen Volkes“ und begabte Fliegerin, setzt sich gegen ein „Meer aus Fäulnis“ zur Wehr und kämpft gegen die Bedrohung eines giftigen Pilzwalds, der sich ständig ausbreitet und ihr Volk bedroht.510 Auch hier interpretieren die Identitären das Bedrohungsszenario des „Großen Austausch“ hinein und vergleichen sich selbst mit der Prinzessin Nausicaä, die für den Erhalt ihres „Volkes“ kämpft (Vgl. Abb. 15).

Abb. 15: Meme Prinzessin Nausicaä „Identitäre sind Überflieger“511

Abb. 16: Meme Prinzessin Mononoke „Reconquista“512

Auch der Anime-Film Prinzessin Mononoke – ebenfalls aus dem Hause Ghibli – wurde von den Identitären aufgegriffen. Mononoke ist ein bei Wölfen lebendes Mädchen, dass auf der Seite der Tiere kämpft. Der Film thematisiert Umweltzerstörung und die Frage, ob eine friedliche Koexistenz von Mensch und Natur möglich sei. Im mittelalterlichen Japan herrscht Krieg zwischen den Arbeitern einer Eisenhütte, die Wald abholzen, um Metalle abzubauen, und den Tiergöttern und

510 FRANK 2017, Symbole von Jungfaschisten, Neue rechte Posterboys. In: TAZ. https://taz.de/Symbole-von- Jungfaschisten/!5382279/ [3.11.2019]. 511 GÖTTERSTURMBUND 2013, Non-konforme Betrachtungen über Anime und Manga aus neurechter Perspektive. https://goettersturmbund.wordpress.com/2013/10/30/manga-in-rechts-kulturellen-milieus/ [18.8.2020]. 512 Ebda. Seite 102 Tieren des Waldes, welche ihr Territorium verteidigen und vor der Zerstörungswut der Menschen beschützen. Im Anime geht es um Imperialismus und Dominanz einer autokratischen Herrscherin bzw. darum wie Menschen die Natur aus Profitgier ausnutzen und vernichten. So ruft in einem Meme der Identitären Mononoke zur „Reconquista“, also „Rückeroberung“, ihres Land auf (Vgl. Abb. 16).

Einer der beliebtesten Filme in der rechtsextremen Szene ist Fight Club nach dem gleichnamigen Roman von Chuck Palahniuk. Bereits kurz nach der Premiere vor rund zwanzig Jahren wurde der

Film kritisiert ein „protofaschistisches Männerbild“ und Gewalt zu verherrlichen.513 Der Thriller handelt von der Geschichte einer psychotischen Krise des namenlosen Erzählers (Edward Norton) und dessen sonderbarer Freundschaft zu Tyler Durden (Brad Pitt). Durden ist das, was der Erzähler gerne wäre, er lebt in radikaler Autonomie, ist wütend und verhasst die kapitalistische Konsumgesellschaft. Die beiden Männer gründen eine „alternative Selbsthilfegruppe“, den „Fight Club“. Im Keller einer Bar treffen sich regelmäßig Männer, um sich zu zweit im Nahkampf zu verprügeln, wobei es keine Regeln gibt. Es ist ein Ort, an dem sie eine Männlichkeit ausleben können, „die in unserer verweichlichten Konsumgesellschaft angeblich nirgendwo mehr Platz hat“514. Im Laufe des Films wird der Erzähler zum Doppelgänger seines Schöpfers Durden und realisiert, dass seine Identität von seinem eigenen „hypermaskulinen Avatar“ bedroht wird. Die Wendung des Film passiert, als der Erzähler realisiert, dass Durden den „Fight Club“ nutzt, um eine militante Gruppierung „Projekt Chaos“ zu rekrutieren. Durden plant Angriffe auf die Öffentlichkeit und will die herrschende kapitalistische Ordnung stürzen. Am Beginn des Films wirkt Tyler Durden auf die Zuschauer*innen wie eine Art moderner Robin Hood, jedoch schwenkt die Sympathie um und Durden wird zum Feind und der Erzähler zum Helden stilisiert.515 Ungeachtet dieser Wendung bleibt für die rechte Szene Durden der Held des Films und seine Philosophie trifft das Credo der von Identitären verkörperten frustrierten weißen Männer:

513 Vgl. KELLER / JANSER 2019, Blut, Schweiss und Zähne: Die Lieblingsfilme der neuen Rechten. In: DIE WOCHENZEITUNG (WOZ). https://www.woz.ch/-94c8 [23.3.2020]. 514 Vgl. Ebda. 515 Vgl. BARNETT 2019, Is Fight Club’s Tyler Durden film’s most misunderstood man? In: BBC. http://www.bbc.com/ culture/story/20190717-is-fight-clubs-tyler-durden-films-most-misunderstood-man [1.4.2020]. Seite 103 „Wir sind die zweitgeborenen der Geschichte, Leute. Männer ohne Zweck ohne Ziel, wir haben keinen großen Krieg, wir haben keine große Depression. Unser Krieg ist ein spiritueller, unsere große Depression ist das Leben. Wir wurden durch das Fernsehen aufgezogen in dem Glauben, dass wir alle irgendwann Millionäre, Filmgötter, Rockstars. Werden wir aber nicht! und das wird uns langsam klar! und wir sind ganz kurz vorm ausrasten!“516

So wird die Figur des Tyler Durden gerne von der Identitären herangezogen, um einen Handlungsauftrag für die „letzte Generation“ zu legitimieren – als diejenige, die den „Großen Austausch“ verhindern und Europa „retten“ könne (Vgl. Abb. 16).

Abb. 17: Meme Tyler Durden: „Eine Generation, ein Schicksal, eine Chance, Europa“517

Mit zunehmender Digitalisierung erhielt der Film Fight Club eine neue Dimension in der rechten Szene, als aus Fight Club vor allem Zitate von Tyler Durden als rechte Kampfparolen bzw. Codewörter genutzt wurden, so etwa die Beleidigung „Snowflake“. Als „Snowflakes“ bzw. „Schneeflocken“ werden die sogenannten „Gutmenschen“ bezeichnet, der Begriff richtet sich pejorativ vor allem gegen Millennials (also die um 1990 geborene Generation), welche als zu sensibel, emotional, politisch korrekt und schnell beleidigt gelten. Das Schimpfwort ist zur „Lieblingswaffe unter neurechten Bewegungen wie Alt-Right, Identitären und Maskulinisten geworden.“518 Die Karriere der Beleidigung „Snowflake“ beginnt mit Fight Club, wobei sie dort

516 FINCHER 1999. 517 LANZKE 2012, Die Identitären, ein ernstzunehmendes neues Phänomen oder nur Nebellichter? In: BELLTOWER NEWS. https://www.belltower.news/die-identitaeren-ein-ernstzunehmendes-neues-phaenomen-oder-nur- nebellichter-35454/ [24.4.2020]. 518 Vgl. KELLER / JANSER 2019, Blut, Schweiss und Zähne: Die Lieblingsfilme der neuen Rechten. In: DIE WOCHENZEITUNG (WOZ) https://www.woz.ch/-94c8 [23.3.2020]. Seite 104 noch gar nicht als Schimpfwort benutzt wurde, „sondern als Befehl an sich selbst, dem warenförmigen Individualismus abzuschwören, den wir uns bei Ikea oder anderswo kaufen.“519

„You are not special. You're not a beautiful and unique snowflake. You're the same decaying organic matter as everything else. We're all part of the same compost heap. We're all singing, all dancing crap of the world.“520

Die „Snowflake“–Metapher hat seit der Verfilmung von 1999 bis zum heutigen Tag in „neurechten Kulturkämpfen“ eine Umdeutung erfahren, „von einer Abhärtungsparole an die eigene Adresse zu einem herabsetzenden Kampfbegriff gegen Andersdenkende“521.

Ein weiterer Held der rechten Szene ist Neo (Keanu Reeves) aus Matrix. Thomes, der unter dem Pseudonym Neo als professioneller Hacker arbeitet, hat das Gefühl, dass etwas Geheimnisvolles sein Leben lenkt. Als ihm die Hackerin Trinity dann den Widerstandsführer Morpheus (Laurence Fishburne) vorstellt, wird das Gefühl bestärkt und er bekommt die Möglichkeit, die Wahrheit zu erkennen. Beliebtes Motiv bzw. Metapher der Rechten ist die Szene in der Neo von Morpheus vor die Wahl gestellt wir eine blaue oder rote Pille zu nehmen. Schluckt er die blaue Pille, kehrt er in seine simulierte computergenerierte Scheinwelt – die Matrix – zurück. Die rote Pille ermöglicht ihm, sein Bewusstsein zu behalten und die „wirkliche Welt“ hinter der Simulation zu erkennen. Neo entscheidet sich für die rote „Pille der Erkenntnis“ und danach gibt es kein Zurück mehr. Er erkennt, dass Maschinen die Herrschaft übernommen haben, die gesamte Menschheit als Ladebatterie in

Brutkästen versklavt wurde um nur mehr dahinzuvegetieren.522 Das Motiv der Figur Morpheus, der Neo die beiden Pillen entgegenstreckt, ist im Netz zum populären Meme geworden. Besonders in der „Neuen Rechten“ hat sich der Begriff der „roten und blauen Pille“ als Codewörter verfestigt.523 Im Netz entlehnt die rechtsextreme Szene die Begrifflichkeit aus dem Film „red pill“ bzw. „red pilling“, um sie als Synonym für Menschen zu benutzen, die behaupten „die Realität erkannt zu haben“. „Blue pill“ beschreibt wiederum das Unwissen und Menschen, die in einer angeblichen Scheinwelt leben. Besonders in der amerikanischen Alt-Right-Szene wird der Begriff verwendet, um einen angeblichen Augenblick der Erkenntnis zu beschreiben.524 Im Falle der Identitären ist die

519 Vgl. KELLER / JANSER 2019, Blut, Schweiss und Zähne: Die Lieblingsfilme der neuen Rechten. In: DIE WOCHENZEITUNG (WOZ) https://www.woz.ch/-94c8 [23.3.2020]. 520 FINCHER 1999. 521 Vgl. KELLER / JANSER 2019, Blut, Schweiss und Zähne: Die Lieblingsfilme der neuen Rechten. In: DIE WOCHENZEITUNG (WOZ) https://www.woz.ch/-94c8 [23.3.2020]. 522 Vgl. Ebda. 523 Vgl. Ebda. 524 AYYADI 2019, Rechte Cyberkultur, Glossar über die extrem rechte digitale Subkultur. In: BELLTOWER NEWS. https://www.belltower.news/rechte-cyberkultur-glossar-ueber-die-extrem-rechte-digitale-subkultur-84077/ [2.3.2020]. Seite 105 „rote Pille“ mit der Erkenntnis über den „Großen Austausch“ verbunden. Jedoch lässt sich die Metapher der „roten Pille“ mit vielen politischen Diskursen austauschen und in verschiedenste „rechte Fantasmen“ umdeuten: den angeblichen „staatlichen Genderwahn“ oder „Islamisierung des

Abendlandes“ usw.525

Filmfiguren wie Neo oder Tyler Durden sind „Gestalten, die sich furchtlos den ‚wahren Zusammenhängen’ einer plutokratischen Welt stellen“526 und dadurch zu Kultfiguren der rechtsextremen Szene werden. Die beiden Filme Matrix und Fight Club aus 1990er Jahren bzw. frühen 2000er Jahren treffen den Nerv der heutigen „Neuen Rechten“ und sind mittlerweile Kult im Milieu.

5.3. Mobilisierungsebenen: Von Online zu Offline

Nachdem nun verschiedenste Narrative und Motive der Identitären identifiziert wurden und der Frage nach Abgrenzungsprozessen und Verbreitungsmechanismen nachgegangen wurde, soll nachfolgend genauer auf die Verbindung von Online- zur Offline-Welt im Denkkosmos der Identitären eingegangen werden. Konkret soll analysiert werden, wie die Identitären über digitale Lebenswelten versuchen in der realen Welt zu mobilisieren. Es wird im Folgenden gefragt, welche Akteure der Identitären es sind, die im Diskurs vertreten sind und Aussagen verbreiten bzw. eine potenzielle Anhängerschaft über verschiedene Ebenen mobilisieren.

Die Identitären wollen ihre Botschaften auf möglichst vielen verschiedenen Ebenen verbreiten, um ihre Handlungsräume und Einflussnahme übers Netz kontinuierlich zu erweitern. Von Anfang an setzten die Identitären dabei auf verschiedene soziale Netzwerke. Der online Auftritt der Identitären wirkt aus medienanalytischer Sicht wie ein „popkulturelles Spiel oder rebellische Provokation, sodass sich die Nutzer bald als Bestandteil einer jugendkulturellen Avantgarde fühlen“.527„Inhalte, Bilder und Texte“ und das „Erscheinungsbild der Aktivist*innen“ werden so kombiniert, dass eine multimediale Kommunikation stattfindet, die gesellschaftlich breit anschlussfähig und zugleich provokativ ist.528

525 Vgl. AYYADI 2019, Rechte Cyberkultur, Glossar über die extrem rechte digitale Subkultur. In: BELLTOWER NEWS. https://www.belltower.news/rechte-cyberkultur-glossar-ueber-die-extrem-rechte-digitale-subkultur-84077/ [2.3.2020]. 526 FRANK 2017, Symbole von Jungfaschisten, Neue rechte Posterboys. In: TAZ. https://taz.de/Symbole-von- Jungfaschisten/!5382279/ [3.11.2019]. 527 RAFAEL 2018, S. 127. 528 Vgl. BOEHNKE 2019, S. 89–90. Seite 106 Dabei sind es vor allem die zentrale Kaderfiguren, die im Online-Diskurs tonangebend wirken. Es ist eine Art szeneninterner Personenkult entstanden. Der größte Star der Szene ist Martin Sellner, der im Netz eine Omnipräsenz auf YouTube, Twitter bis Telegram betreibt. Eine weitere Mobilisierungsebene betrifft unterschiedliche personelle Netzwerke, innerhalb derer die Identitären agieren. Es sind politische, sowie publizistische Netzwerke, aber auch Protestgruppierungen und sogenannte „Trollarmeen“529, die gemeinsam rechte Botschaften Online sowie Offline verbreiten. Dabei ist vor allem auffällig, dass die Netzwerke stark hierarchisch organisiert sind und mit einem militärischen Kommunikationsstil agieren. Im Folgenden abschließenden Unterkapitel wird auf die Verschränkung der Inszenierung von Online und Offline-Aktionen eingegangen und danach gefragt wie die Identitären neue Technologien adaptieren, um die Online- zu Offline-Mobilisierung zu gewährleisten.

Personenkult

Der Online-Auftritt der Identitären ist geprägt vom Personenkult. Über verschiedene Ebenen erlangen einige zentrale Kaderfiguren einen hohen Bekanntheitsgrad, der dann über die inneren Gruppierungen hinaus wirksam wird. Diese Figuren werden in der Szene als „Medienstars“ gefeiert und sind daher die wichtigsten Aushängeschilder der Identitären. Grigori und Schulter sprechen von einem „narzisstische[n] Wechselspiel aus Ästhetik, Aktionismus und Personenkult“530, das mit keiner anderen rechten Bewegung vergleichbar ist:

„Die IB ist ein Phänomen der inszenierten Oberflächlichkeit, das die Kader zum politischen Prinzip erhoben haben. Von Beginn an definierten sich die AkteurInnen weniger durch eine geschlossene Ideologie, als vielmehr durch eine öffentlichkeitswirksame Inszenierung, in der zuletzt ihre Kader im Zentrum stehen. Auf Social-Media-Kanälen wurden durch Live-Übertragungen allerlei Dinge aus dem Leben der Kader bekannt: von der Inneneinrichtung der Wohnungen über die neuen Schuhe bis zur auf dem Nachttisch liegenden Heidegger-Gesamtausgabe. Diese Selbstdarstellung der eigenen Alltäglichkeit folgt der Selbstverortung als rechte Avantgarde.“531

529 Trollarmeen bzw. Trollfabriken produzieren Fehlinformationen bzw. Hasskampagnen im Netz. Der Ursprung des Begriffs Troll ist nicht eindeutig geklärt. Einige vermuten ihn im englischen Wort trolling, was übersetzt Schleppangeln heißt und dem Vorgehen der Trolle im Netz ähneln soll. Moderne Trolle sind weltweit anzutreffen und in den sozialen Netzwerken heimisch. Gezielt sorgen sie dort für Unmut und Chaos. Allein im Jahr 2017 konnten zahlreiche koordinierte Versuche von rechtsextremen Gruppen im Netz beobachtet werden, die Wahlen in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Österreich zu beeinflussen. Bekanntestes Beispiel für eine koordinierte Manipulation ist, der Sieg Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten, was als Resultat einer russischen „Trollfabrik“ der Alt- Right Szene im Netz gesehen werden kann. Damit wurden die Neue Rechte weltweit motiviert den politischen Online- Diskurs zu Gunsten rechtsextremer bzw. -populistischer Parteien zu beeinflussen, indem sie in geschlossenen Chatgruppen gezielt Kampagnen zur Verbreitung von Hass gegen Minderheiten, das politische Establishment und die Mainstream-Medien planen und verbreiten. (Vgl. ISD 2018, S. 6, 16.) 530 GRIGORI / SCHULTER 2016, S. 28. 531 Ebda. Seite 107 Die tonangebenden Kaderfiguren treten – anders als in alten rechtsextremen medialen Auftritten – mit Klarnamen im Netz auf und richten ihre Inszenierung nicht mehr primär „nach innen“, wie bei rechtsextremen Gruppierungen aus vergangenen Zeiten, sondern setzen bewusst darauf, von einer breiten Öffentlichkeit erkannt und zugeordnet zu werden. „Dominantestes Moment dieser Gesamtschau: die mit einer Angstlust besetzte Vorstellung der möglichen eigenen Vernichtung durch den ‚Bevölkerungsaustausch‘.“532

Um solche Identifikations- und Mobilisierungsmöglichkeiten zu bieten, setzen die Identitären auf Professionalität und Personenkult, um identitäre Botschaften weit in der Gesellschaft hinein zu tragen. Wer etwa keine langen ideologisch-theoretischen Abhandlungen lesen möchte, schaut sich YouTube-Videos der identitären Aktivist*innen bzw. Influencer*innen an. Immer wieder produzieren YouTuber*innen aus dem Umfeld der Identitären Videos, in denen sie die „neurechte“

Weltsicht locker und hip erklären.533 Auf diese Weise ist um das YouTube-Duo Alex Malenki und Philip Thaler ein szeneinterner Personenkult entstanden. Die beiden betreiben den YouTube Kanal Laut Gedacht und sind aktive Mitglieder der Identitären im Raum Halle/Leipzig und Teil der Gruppierung Kontrakultur Halle. Rund 52.000 Abonnent*innen folgen diesem vermeintlichen „Nachrichten- und Lifestyle-Blog“: „Die Videos sollen spontan und echt wirken und richten sich gezielt an Jugendliche, die für die eigene Sache gewonnen werden sollen.“534 Die erfolgreichsten Clips des Kanals haben knapp 200.000 Aufrufe und tragen Titel wie z.B.: „Ist Klima-Greta ein Fake?“535 oder „Herbert Grönemeyer - Hetze gegen Rechts“536. Das Format wird durch den „neurechten“ Verein EinProzent finanziell unterstützt und ermöglicht. Die Videos von Laut gedacht sind professionell produziert, einheitlich abgestimmt und bearbeitet, reagieren auf aktuelle, tagespolitische Ereignisse und folgen der Medienstrategie der Identitären.537 Die Videos werden im wöchentlichen Rhythmus veröffentlicht und in einem eigenen für die Show eingerichteten Studio aufgenommen.538

532 Vgl. GRIGORI / SCHULTER 2016, S. 28. 533 RAFAEL 2018, S. 130. 534 REDAKTION BELLTOWER NEWS 2017, Die „Neue Rechte“ auf YouTube. Früher NPD. Jetzt „Identitäre Bewegung“. https://www.belltower.news/die-neue-rechte-auf-youtube-frueher-npd-jetzt-identitaere-bewegung-43640/ [28.11.2019]. 535 LAUT GEDACHT 2019, Ist Klima-Greta ein Fake? | Laut Gedacht #112. In: YouTube. https://www.youtube.com/ watch?v=KXWjNjs8-cc [29.11.2019]. 536 LAUT GEDACHT 2019, Herbert Grönemeyer - Hetze gegen Rechts | Laut Gedacht #141. In: YouTube. https:// www.youtube.com/watch?v=Porh1Wpympg [29.11.2019]. 537 LAUT GEDACHT o.J; Beschreibung. In: YouTube. https://www.youtube.com/c/LautGedacht/about [19.8.2020]. 538 REDAKTION BELLTOWER NEWS 2017, Die „Neue Rechte“ auf YouTube. Früher NPD. Jetzt „Identitäre Bewegung“. https://www.belltower.news/die-neue-rechte-auf-youtube-frueher-npd-jetzt-identitaere-bewegung-43640/ [28.11.2019]. Seite 108 „Thaler und Malenki geben sich hip und modern, tragen Holzfällerhemden, trinken Mate und übernehmen Kleidermarken, die ansonsten in der linken Szene beliebt sind. Dadurch sind sie nicht sofort als Rechtsextreme zu erkennen, sondern versuchen ihre politische Einstellung als vermeintliche akzeptablen Lifestyle zu vermitteln.“539

Als der mediale Star der deutschsprachigen Identitären schlechthin gilt jedoch der Vordenker und Organisator der deutschsprachigen Szene, Martin Sellner. Er spricht gerne mit der Presse und verleiht der Identitären inzwischen ein Gesicht in den Medien. Durch unermüdliche Social-Media- Aktivitäten versucht er seinen Ruf als Patriot und Aktivist zu festigen. Sellner nutzt immer mehrere Kanäle gleichzeitig, um Sperrungen entgegenzuwirken.540 Jedoch sperren immer mehr soziale Netzwerke die Accounts der Identitären und ihrer Aktivist*innen. „Deplatforming“ heißt die Strategie der großen Plattformen, um Hass und Hetze im Netz zurückzudrängen. Dabei werden einzelne Personen oder Gruppen von den Netzwerken verbannt, die „gegen deren Regelwerk verstoßen.“541 Von Facebook und Instagram wurden die Identitären bereits vor zwei Jahren verbannt, im Juli 2020 zogen dann Twitter und YouTube nach. Nach Natascha Strobl müsse der Zeitpunkt der Löschung aus einem US-Kontext heraus verstanden werden, da es aus europäischer Sicht keinen konkreten Anlass gab und es eher ruhiger um die Identitären wurde.:

„2015 und 2016 hätte es in Europa eher ein Thema […] sein können. In den USA hätten sich die Umstände dagegen geändert. Es gebe mit der Black-Lives-Matter-Bewegung eine neue Debatte über Rassismus und Rechtsextremismus – und das nicht nur auf der Straße, sondern auch in sozialen Medien.“542

Zudem wurde eine Studie des „Global Project against Hate and Extremism“ veröffentlicht, in der die Wissenschaftler*innen analysierten, „wie sich Hass und Hetze in den sozialen Medien ausbreite“ und animierten die Tech-Unternehmen auch zur „konkreten Handlungsempfehlung“, dass

„Deplatforming eine sinnvolle Maßnahme“ wäre.543 So folgten YouTube und Twitter diesen Empfehlungen. Nach Strobl wirke such die Sperrung der Identitären zweifach aus: „weniger Diskursmacht und Spenden.“544 Sie haben einerseits durch die Sperrung an Reichweite verloren und können den

539 REDAKTION BELLTOWER NEWS 2017, Die „Neue Rechte“ auf YouTube. Früher NPD. Jetzt „Identitäre Bewegung“. https://www.belltower.news/die-neue-rechte-auf-youtube-frueher-npd-jetzt-identitaere-bewegung-43640/ [28.11.2019]. 540 NABERT 2019, Identitäre Bewegung auf YouTube. Martin Sellner ist wieder da. In: TAZ. https://taz.de/Identitaere- Bewegung-auf-YouTube/!5619243/ [1.10.2020]. 541 STROBL / UFER 2020, Deplatforming von Rechtsextremen. Das Sperren der Identitären trifft die Bewegung. In: DEUTSCHLANDFUNK KULTUR. https://www.deutschlandfunkkultur.de/deplatforming-von-rechtsextremen-das- sperren-der.2156.de.html?dram:article_id=481959 [3.9.2020]. 542 Ebda. 543 Vgl. Ebda. 544 Ebda. Seite 109 gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr so prägen wie bisher. Zweitens haben die Sperrungen finanzielle Auswirkungen auf die Identitären, da sie sich vor allem über Spendeneinnahmen sozialer Plattformen finanzieren. Sobald sie Aufsehen erregen, bringt das mehr Spenden. Nach Strobl führt das, wenn die Aufmerksamkeit ausbleibt, zu einem Entzug der finanziellen Ressourcen. 545 Allerdings weichen die Identitären bereits auf andere Kommunikationsmittel und alternative Plattformen aus, „etwa geschlossene oder halbgeschlossene Chatgruppen auf Telegram und

Signal.“546 Die Halböffentlichkeit dieser Plattformen bringt nach Strobl neue Probleme mit sich und ist wahrscheinlich problematischer. Da in dieser Blase kein Widerspruch mehr besteht, funktionieren nach Strobl die Radikalisierungsprozesse viel schneller als auf Twitter oder YouTube. Außerdem gebe es die Strategie, „dass die Fans die Inhalte wieder auf die alten Plattformen tragen sollen.“547

Martin Sellner betrieb einst den einflussreichsten YouTube Kanal der Szene mit über 100.000 Abonnenten*innen und verhalf identitären Influencer*innen durch häufige Interviews und geteilte Videos zu einer größeren Reichweite. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, dem Postergirl der amerikanischen Alt-Right-Szene und Influencerin Brittany Pettibone, inszeniert sich Martin Sellner als das absolute Power-Couple der Szene.548 Via Twitter und YouTube leben sie den „identitären Traum“ vor. Pettibone folgen 130.000 Abonnenten auf YouTube549, 150.000 Follower auf Twitter550 und im rechten Antaios Verlag veröffentlichte sie „Jung, weiblich, rechts“.551

Es sind aber vor allem junge Männer, die heteronome und konservative Geschlechterrollen promoten, die in den sozialen Netzwerken zu zentralen Figuren der Szene aufsteigen. Es gibt nur wenige weibliche zentrale Kaderfiguren bei den Identitären, z.B. Melanie Schmitz, Paula Winterfelt, Alina Wychera oder Ingrid Weiss. Die Identitären setzen jedoch bewusst darauf, die

545 Vgl. STROBL / UFER 2020, Deplatforming von Rechtsextremen. Das Sperren der Identitären trifft die Bewegung. In: DEUTSCHLANDFUNK KULTUR. https://www.deutschlandfunkkultur.de/deplatforming-von-rechtsextremen-das- sperren-der.2156.de.html?dram:article_id=481959 [3.9.2020]. 546 Vgl. Ebda. 547 Ebda. 548 SCHMID 2019, Martin Sellner, der rechtsextreme Influencer. In: DER STANDARD. https://www.derstandard.at/ story/2000100472277/martin-sellner-der-rechtsextreme-influencer-unter-terrorverdacht [5.9.2020]. 549 SELLNER o.J; YouTube. https://www.youtube.com/channel/UCesrUK_dMDBZAf7cnjQPdgQ [4.9.2020]. 550 SELLNER o.J; Twitter. https://twitter.com/brittpettibone?lang=de [4.9.2020]. 551 PETTIBONE o.J; Jung, weiblich, rechts. In: VERLAG ANTAIOS. https://antaios.de/gesamtverzeichnis-antaios/ einzeltitel/84112/jung-weiblich-rechts [4.9.2020]. Seite 110 wenigen Frauen vor allem Online in den Mittelpunkt zu stellen und nutzen sie intensiv für Imagepolitik.552

„Über den Aktivismus von Frauen in der IB erfolgt eine besondere Legitimierung von Rassismus und des Antifeminismus: Die Identitären agitieren gegen Muslime und Flüchtlinge – so machen es auch die Frauen in ihren Reihen. […] Die Behauptung der IB, man sei als ganze ‚Generation‘ das ‚Opfer‘ (Opfer der Eliten, Opfer von ‚Multikulti‘ o.Ä.), wird von Frauen verstärkt, weil sie unmittelbar mit ihren Körpern die Projektionsflächen dieser Bedrohungserzählungen sind.“553

Weitere zentrale Figuren der identitären Szene sind Götz Kubitschek, Chef des Verlag Antaios, Herausgeber von Sezession und Unterstützer der Identitären. Caroline Sommerfeld, Autorin bei Sezession und Mitglied der Identitären, sowie Martin Lichtmesz (eigentlich Martin Semlitsch), er schreibt ebenfalls für Sezession und ist ein ideologischer Vordenker der Identitären. Lichtmesz und Sommerfeld verfassten zusammen das Buch Mit Linken leben, das als unmittelbare Reaktion auf das Buch Mit Rechten reden von Daniel-Pascal Zorn, Maximilian Steinbeis und Per Leo veröffentlicht wurde und dessen Präsentation bei der Frankfurter Buchmesse 2017554 für handfeste Auseinandersetzungen sorgte. Weitere zentrale Figuren rund um die Identitären sind der Leiter des rechten Projekts EinProzent, Roman Möseneder, der vor allem auf Twitter provoziert und auf den neurechten Medien Sezession, Infodirekt und Wochenblick publiziert. Sowie Anführer der mittlerweile aufgelösten „Trollarmee“ Reconquista Germanica Nikolai Alexander (Deckname), über ihn ist aber nur wenig bekannt. Er verbreitete auf YouTube Videos – die teilweise länger als

552 Vgl. GLÖSEL 2017, Funktionen und Handlungsräume von Frauen in der „Identitären Bewegung“. In: BILDUNGSWERKSTATT FÜR ANTIFASCHISMUS UND ZIVILCOURAGE ( BIWAZ). https:// biwaz.wordpress.com/2017/09/21/funktionen-und-handlungsraeume-von-frauen-in-der-identitaeren-bewegung/ [16.10.2019]. 553 Vgl. Ebda. 554 Die Frankfurter Buchmesse 2017 ließ die Auftritte von rechten Verlagen wie Junge Freiheit, Manuscriptum und Antaios, „im Sinne der Meinungsfreiheit“ zu, „die für uns nicht relativierbar ist“. Rief aber zeitgleich zur aktiven Auseinandersetzung mit den rechten Verlegern auf. Zur Eskalation kam es als der Antaios-Verlag, Götz Kubitschek und Ellen Kositza, das Buch „Mit Linken leben“, von Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld-Lenthen gemeinsam im Gespräch mit Björn Höcke der AfD vorgestellt wurde. Etwa 80 Demonstrant*innen hielten der Veranstaltung mit Sprechchören und Plakaten entgegen. (Vgl. OBSERVE’EM 2017, Mit Linken leben - Buchvorstellung. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=FM6xnw7nsoE [7.8.2020].) Zur weiteren Auseinandersetzungen kam es beim Auftritt der Identitären von Martin Sellner und Mario Müller, es wurde laut und der Direktor der Frankfurter Buchmesse Juergen Boos startet einen Interventionversuch, als die Zuschauer*innen mit Chören „Wo wart ihr Silvester“ (in Bezug auf die sexuellen Übergriffe die in Köln 2015 passierten) reagierten. Das Resümee: hilflose Veranstalter, gewalttätige Angriffe von rechts auf Demonstrant*innen und Journalist*innen, sowie fragwürdiges Verhalten der Polizei und Sachbeschädigung der rechten Verlagsstände. Einige der rechten Verleger sind schon seit Jahren auf der Buchmesse vertreten, aber 2017 war das Jahr, in dem die AfD in den deutschen Bundestag gewählt wurde. (Vgl. OBSERVE’EM 2017, Skandal auf Frankfurter Buchmesse. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=zXJIV-6Vfj0 [8.9.2020]. / WEIH 2019, Kubitschek greift auf Buchmesse Journalisten an - und die Polizei unterstützt ihn dabei. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU. https://www.fr.de/politik/ buchmesse-frankfurt-kubitschek-greift-journalisten-polizei-unterstuetzt-13136430.html [8.8.2020].) Seite 111 eine Stunde waren und bis zu 50.000 mal geklickt wurden – in denen er gezielte Anweisungen zu teils hetzerischen „Trollkampagnen“ verbreitete555:

„In konzertierten Aktionen fluteten sie [Anm. Reconquista Germanica] die sozialen Medien mit zum Teil menschenverachtender Propaganda, posteten massenhaft Kommentare voller Hass unter den YouTube-Videos politisch Andersdenkender. Einige Hashtags brachten sie in die Trending Topics auf Twitter, mitunter kaperten sie bereits bestehende mit ihren eigenen rassistischen Botschaften.“556

Die größte Internetkonferenz Europas, re:publica 2019, setzte sich im Zuge des Vortrag The Kids are Alt-Right. Wie die Neue Rechte Influencer erschafft und nutzt von Patrick Stegmann und Sören Musyal mit dem Erfolg rechter Influencer-Netzwerke auseinander. Nach Stegmann und Musyal sei der Aufstieg rechter Influencer*innen zwar beunruhigend, aber keinesfalls überraschend:

„Das Internet war immer schon ein Ort von Gegenkulturen - und damit auch für politische Bewegungen der extremen Rechten. Tatsächlich zählen Rechtsextreme schon zu den sehr frühen Nutzer*innen des Internets, sie betrieben eigene Messageboards und griffen Foren von z.B. jüdischen Seiten an.“557

Stegmann und Musyal argumentieren, dass sich beinahe unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit eine eigene, sehr erfolgreiche Szene rechte Influencer*innen entwicklen konnte. Im deutschsprachigen Raum sei die rechte Influencer-Szene außerdem verhältnismäßig stark institutionalisiert und organisatorisch gut eingebunden in ein Netzwerk aus Parteien, Medien und

Finanziers.558 Unzählige identitäre Influcener*innen betreiben rechte Stimmungsmache, erwecken vermehrt Aufmerksamkeit und inszenieren sich als eine vermeintliche „Mehrheitsmeinung“ im Netz. Durch die digitale Omnipräsenz der Identitären und ständige Provokationen durch ihr breites Netzwerk sorgen sie oft selbst für die mediale Rückkoppelung ihrer Botschaften. Das Internet ist – als Medium für die „Agitation von partizipationsfernen Personen“ – der ideale Raum für

Mobilisierungsprozesse und die intensivere Einbindung in neurechte Denkweisen.559

„Um ihre Inhalte zu pushen, hat sich die IB im Internet für Personalisierung entschieden: raus aus dem konspirativen-verborgenen Rechtsextremismus, hin zum Gesicht zeigen und zum persönlichen Einstehen für die vertretene Ideologie.“560

555 ALEXANDER, o.J; YouTube. https://www.youtube.com/c/NikolaiAlexander/videos [8.9.2020]. 556 LAUFER 2020, Neue Studie zeigt Wirksamkeit von Gegenrede im Netz. In: NETZPOLITIK. https://netzpolitik.org/ 2020/reconquista-internet-neue-studie-zeigt-wirksamkeit-von-gegenrede-im-netz/#vorschaltbanner [9.9.2020]. 557 STEGEMANN / MUSYAL 2019, The Kids are Alt-Right. Wie die Neue Rechte Influencer erschafft und nutzt. In: RE;PUBLICA 19 (6.5.2019 13:45–14:15), https://19.re-publica.com/de/session/kids-alt-right-neue-rechte-influencer- erschafft-nutzt [7.12.2019]. 558 Vgl. Ebda. 559 Vgl. SALZBORN 2017, S. 163. 560 RAFAEL 2018, S. 130. Seite 112 Netzwerke und Hierachien

Die vergleichsweise geringe Zahl an Aktivisten*innen der Identitären, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Großteil der Aktivitäten im wachsenden Resonanzraum des Internet abspielen. Plattformen wie Twitter und YouTube werden ständig mit identitären Inhalten und Frames bedient. Zur Einflussnahme erweitern die Identitären ihre Handlungsräume im Netz kontinuierlich, so dürfte sich das erweiterte Unterstützterfeld inzwischen auf mehrere zehntausend

Personen belaufen.561 Trotzdem handelt es sich um keine „Bewegung“ bzw. Massenorganisation, denn die Gruppe weist stark hierarchische und patriarchale Strukturen eines elitären Netzwerkes auf und besteht aus einem rein europäischen Umfeld von Produzent*innen, Rezipient*innen, Sympathisant*innen und einem Multiplikator*innen-Netzwerk.562

Nach Bruns, Glösel und Strobl nimmt das Mulitplikator*innen Netzwerk eine wichtige Funktion bei den Identitären ein. Es dient dazu kurzfristige Aufmerksamkeit durch Aktionen und mediale Berichterstattung zu erhalten. Mulitplikator*innen sind dahingehend „Personen, die aufgrund ihrer Bekanntheit und einflussreichen Position […] öffentliche Debatten zu Themen beeinflussen.“563 Die Identitären nutzen Aussagen und Publikationen dieser Personen, „um ihre eigenen Ansichten zu untermauern und potenzielle Sympathisant*innen zu überzeugen“ und eigene Botschaften zu festigen und bekräftigen.564 Egal aus welchem Bereich – Politik, Wissenschaft, Journalismus, Kulinarik, Populärkultur oder Sport – die „Neue Rechte“ greift Positionen und Äußerungen von in der Öffentlichkeit bekannten Personen auf, wenn sie der „eigenen ideologischen Grundhaltung entsprechen.“565 Mulitplikator*innen der Identitären sind etwa der von Red Bull gesponserte Sportler Felix Baumgartner, oder die Autoren Thilo Sarrazin und Akif Pirinçci. Ziel der Identitären – wie diese Beispiele zeigen – ist es, über ein einflussreiches Netzwerk an Multiplikator*innen auf den politischen Diskurs einzuwirken und über „metapolitische“ Einflussnahme, „in die Köpfe der Menschen vorzudringen und sich damit Zustimmung und langfristige Erfolge zu erarbeiten.“566

561 Vgl. SPEIT 2018, S. 10. 562 BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 245–246, 299. 563 Ebda. S. 245–246. 564 Ebda. 565 Ebda. 566 Ebda. Seite 113 Essentieller Anknüpfungspunkt sind aber die Verbindungen der Identitären zu den bestehenden politisch-rechten Netzwerken, wie der deutschen AfD und österreichischen FPÖ. Denn mit ihren Wahlprogrammen und Parolen bieten diese Akteur*innen viele Anknüpfungspunkte. Dabei sind es nicht nur ideologische, sondern auch personelle Gemeinsamkeiten die zum Tragen kommen: So wurde Anfang April 2019 aufgedeckt, dass die Verflechtungen der damals regierenden FPÖ mit den Identitären enger sind als bis lang angenommen. Während Kanzler Sebastian Kurz eine klare Distanzierung der FPÖ von der Identitären forderte, stellten sich einige FPÖ Funktionäre und Mitglieder schützend vor Martin Sellner und die Identitären. In dem Zusammenhang wurde einer breiten Öffentlichkeit erstmals bekannt, dass der ehemaligen Aula-Herausgeber und Grazer FPÖ- Gemeinderat Heinrich Sickl der Vermieter der Identitären-Zentrale in der Grazer Schönaugasse war.567 Auch zwischen AfD und Identitären besteht ein reger Austausch, so werden gemeinsam Aktionen organisiert oder demonstriert, außerdem gibt es zwischen AfD und Identitären eine personelle Nähe.568

Die Beziehungen zu einschlägigen Medien und Publizist*innen der Szene sind ebenso Teil des politischen Arms der Identitären. Die Zusammenarbeit mit dem Antaios Verlag von Götz Kubitschek ist für die neurechte Szene von Identitären bis AfD höchst relevant. Kubitschek gilt als Starverleger der Szene und sprach einst davon, dass er den „Riss in der deutschen Gesellschaft“ gern vergrößern würde. Er sagt auch über sich selbst, „wie jeder andere Publizist im neurechten Milieu versuche ich als Influencer zu wirken“.569 Kubitschek gilt nicht nur als Vordenker der Szene, sondern auch als ein tonangebender Stratege. 2007 initiierte er etwa die Gruppierung Konservativ- Subversive Aktion (KSA) und übernahm darin explizit linke Strategien und Terminologien.570 Die Gruppierung bietet die methodische Grundlage für verschiedenste Aktionen der Identitären. Kubitschek dazu: „Wenn die Identitären je meine Schüler gewesen wären, hätten sie mich längst

übertroffen.“571 Kubitschek wirkt ungeachtet dessen auch als eine Art Ausbilder für Talente der Szene. So lud er etwa Martin Sellner zu sich nach Schnellroda ein, wo Sellner mehrere Monate lebte. Kubitschek betont, dass letztlich er derjenige gewesen sei, der den Identitären enorm

567 Vgl. SCHMIDT / SCHMID / RUEP / ROHRHOFER / ARORA 2019, Die Verflechtung der Freiheitlichen mit Identitären ist enger als bisher bekannt. In: DER STANDARD https://www.derstandard.at/story/2000100679918/fpoe- und-identitaere-verflochten-quer-durchs-land [12.1.2020]. 568 Vgl. BOOK 2018, S. 118–120. 569 FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 50–51. 570 Vgl. Ebda. 571 Ebda. Seite 114 geholfen habe.572 Weitere Funktionäre, die Kubitschek „entdeckt“ hat, sind Felix Menzel, Publizist einer rechten Jugendzeitschrift und Aktivist der Identitären, oder Philip Stein, Leiter des rechten

Vereins EinProzent.573 Der Verein EinProzent spielt generell eine zentrale Rolle im Netzwerk der Identitären und fungiert als Art Lobbygruppe, PR-Agentur, Plattform zur Vernetzung und Crowdfunding-Portal. Unter anderem finanziert der Verein den YouTube Kanal Laut Gedacht, den die beiden Identitären Alexander ‚Malenki‘ Kleine und Philip Thaler betreiben. Die Gründer des Projekts EinProzent wiederum sind Jürgen Elsässer, Chefredakteur der rechten Zeitschrift Compact, sowie Karl Albrecht Schachtschneider, Mitglied der AfD-nahen Stiftung Desiderius-Erasmus-Stiftung und Götz Kubitschek. Mittlerweile hat Philip Stein den Vorsitz übernommen und die Gründer haben sich zurückgezogen.574

Andere Gruppierungen mit denen die Identitären (inter-)agieren sind etwa Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) oder die rechtsextreme „Trollfabrik“ Reconquista Germanica, welche sich zwar mittlerweile aufgelöst hat, aber eine zentrale Rolle bei der erfolgreichen Verbreitung identitärer Botschaften spielte. Die „Trollarmee“ verfolgte das Ziel, den Diskurs vor allem via sozialer Medien zu beeinflussen, um damit vermehrt Druck auf die Tagespolitik auszuüben.575 Im Sommer 2017 gründete sich die Gruppe mit dem Ziel, die Bundestagswahl in Deutschland zu Gunsten der AfD zu beeinflussen. Ihre Mitgliederzahlen wurden auf deutlich mehr als 10.000 geschätzt.576 Der rechtsextreme Chat auf Discord577 wiederum funktionierte auf Basis von strikten Hierachien und klar erteilten thematischen und geographischen Verantwortungsbereichen, mit militärischen Anweisungen und mit einem an die Wehrmacht angelehnten Vokabular. AfD- und Mitgliedern der Identitären wurde bewusst ein einfacher Zugang erlaubt.578

572 Vgl. BARENBERG / SPEIT 2019, „Die Identitären sind geistige Brandstifter“. In: DEUTSCHLANDFUNK. https:// www.deutschlandfunk.de/rechtsextremismus-experte-speit-die-identitaeren-sind.694.de.html?dram:article_id=453672 [23.3.2020]. 573 Vgl. FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 51. 574 Vgl. FUCHS / MIDDELHOFF 2019, „Ein Prozent“: Die Wutmacher. In: ZEIT ONLINE. https://www.zeit.de/ 2019/12/ein-prozent-verein-neue-rechte [27.2.2020]. 575 Vgl. KREIßL, EBNER, URBAN, GUHL 2018, S. 6. 576 Vgl. Ebda. S. 16. 577 Discord ist eine Online Chat App, die ursprünglich für Fans von Videospielen entwickelt wurde, mittlerweile aber auch etliche rechtsextreme Kanäle umfasst.(Vgl. ISD (2018), S. 5.) 578 Vgl. ANDERS 2018, Lösch Dich! So organisiert ist der Hate im Netz. Doku über Hater und Trolle. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=zvKjfWSPI7s [13.12.2019]. Seite 115 Weitere Aufschlüsse über die hierarchischen Strukturen der Identitären bietet das interne Strategiepapier: „Identitäre Sommerakademie 2015. Von Karl Martell bis Charles de Gaulle“,579 welches am 17. Februar 2017 von Mitgliedern der Identitären aus Allgäu, bei einem „Stammtisch“ hinterlassen wurde. Die „Stammtisch“-Teilnehmer*innen verließen fluchtartig das Lokal, als Gegner*innen der rechtsextremen Gruppe am Veranstaltungsort auftauchten, die anschließend das interne Dokument veröffentlichten.580 Darin wird darauf hingewiesen, dass man sich in einer Art „Front Patrioten“ die Rechte vereinen müsse, „um ein Maximum an Macht und Geld zu erlangen“ und eine „vernünftige rechte Bewegung“ zu gründen.581

„Das bedeutet nicht, dass sie alle IB-Mitglieder werden müssen, sondern dass sie sich um die identitäteren Kernwerte sammeln und unsere Parolen und Bilder annehmen. […] Wir müssen den religiös-konservativen […] und den liberalen-islamkritischen Flügel vereinen. Die Alte Rechte hat keinen Platz in dieser Front, denn er ist kein vernünftiger Flügel des Spektrums, sondern nur eine ausgediente und unzugängliche Version der IB. Wir verrichten ihre Arbeit viel besser.“582

Das geleakte Strategiepapier stellt auf mehr als 50 Seiten dar, wie Aktionen genau geplant werden sollen, wie Identitäre politischen Raum schaffen sollen für Treffen, wie man debattiert, wie Reden zu verfassen und halten sind, wie Grafiken und Flugblätter gestaltet und verteilt werden, wie man richtige Parolen und Bilder findet. In 6 Schritten wird etwa genau erklärt, wie ein Banner für Demonstrationen hergestellt werden kann. Aus all dem Genannten geht hervor, dass die Identitären unter einer strengen Hierarchie agieren: so wird etwa bei der Herstellung von neuen Bannern darauf verwiesen, dass vorerst der „Leiter“ der Gruppe gefragt werden müsse, „ob es [Anm.: Banner] zur

Corporate Identity der Bewegung passt.“583 Es gibt weiters genaue Anweisungen dazu wie mit Polizei und Geheimdiensten umgegangen werden soll bzw. eine „Checkliste für Hausdurchsuchungen“.584

Es sind die stark hierarchischen Strukturen und die erweiterten losen Netzwerke zu rechten Parteien und „neurechten“ Medien, die ein breites Umfeld an Unterstützer*innen der Identitären sichern. Die Verbindungen zu den Netzwerken werden auch im Rahmen von die Online-Aktivitäten der Identitären ersichtlich.

579 IB STRATEGIEPAPIER 2015, o.S. 580 Vgl. STÖRUNGSMELDER 2017, Interne Strategiepapiere der Identitären Bewegung geleaked. In: ZEIT ONLINE. https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2017/02/28/identitaere-bewegung-leak-straff-organisiert23168_23168 [1.8.2020]. 581 Ebda. 582 Ebda. 583 Ebda. 584 Vgl. Ebda. Seite 116 Virtuelle und reale Angriffe auf den demokratischen Diskurs

Hier soll der Frage nach der Verbindung von „virtuellen“ und „realen Aktionen“, (welche als „Angriffe“ gegen einen demokratischen Grundkonsens verstanden werden können) nachgegangen werden. Die Identitären sind aktuell ein virtuelles Phänomen, die ihre Protestaktionen im „realen Raum“ immer zur Inszenierung im „virtuellen Raum“ nutzen.

„Das Internet ermöglicht mit einem geringeren Organisationsaufwand die Simulation eines kontinuierlichen Protestgeschehens, das überregional – gar transnational und international vernetzt – aufrechterhalten wird, so dass eine Diskrepanz zwischen den eigentlichen Aktionen ‚auf der Straße‘ […] und dem virtuellen Echo, das diese Aktionen aufgrund viraler Verbreitung im Internet erfahren, entsteht.“585

Es ist vor allem die Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, „die technikaffinen 20- bis 30-jährigen - oft männlichen - Identitären“, die die „Spielarten und dunklen Nischen“ des Netzes kennt und für eigene Interessen nutzt und adaptiert.586 Die Online- und Offlinewelten des Rechtsextremismus verschmelzen daher zunehmend miteinander. Das Onlineangebot von rechtsextremen Gruppierungen steigt stark an und reicht von der Nutzung von Social-Media und Messenger-Diensten, der Gestaltung eigener Webseiten und Blogs bis hin zur Entwicklung eigener Apps. Die Identitären haben ihre „Rekrutierung von der Straße ins Internet verlegt. Ihre wichtigste Zielgruppe: Jugendliche“:

„Um Jugendliche zu ködern, nutzt sie [Anm. die Identitäre] geglättete Botschaften und unverdächtige Begriffe, inszeniert kleine und provokative Aktionen für das Internet und setzt dabei vor allem auf durchgestylte Optik. Einige wenige Aktivistinnen und Aktivisten können so mit gut geschnittenen, provokant gestalteten Videoclips Millionen User erreichen. Die Aktionen richten sich nicht mehr an unmittelbar Beteiligte, sondern sind maßgeschneidert für ein junges Onlinepublikum.“587

Julia Ebner, Wissenschaftlerin vom Institut for Strategic Dialog (ISD) in London, argumentiert in ihrem Buch Radikalisierungsmaschinen, dass alle extremistischen Gruppen besonders gut und schnell sind neue Medien und technische Entwicklungen für eigene Zwecke zu nutzen. Für ihre Recherchen verfolgte und mischte sich Ebner Undercover unter Extremist*innen. Unter anderem schleuste sie sich auch bei den Identitären ein. Sie stellt in ihrer Studie dar, dass das gesamte extremistische Spektrum als „early adopters“ von neuen Technologien angesehen werden kann.

585 HENTGES / KÖKGIRAN / NOTTBOHM 2014, S. 9. 586 FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 160. 587 Vgl. BEYERSDÖRFER / IPSEN / EISENTRAUT / WÖRNER-SCHAPPERT / JELLONNEK 2017, S. 5-8. Seite 117 „Um labile, empfängliche junge Menschen in ihre Netze zu locken, nutzen Extremisten das gesamte technologische Spektrum, von aggressiven Anwerbekampagnen in den sozialen Medien bis hin zu intensiven Überprüfungsphasen mit verschlüsselten Apps. Spektakuläre Aktionen, die man in der realen Welt durchführt, streamt man live und lässt sie so auf Facebook und Twitter trenden, um auch über sein bereits angestammtes Publikum hinaus Aufmerksamkeit zu bekommen. Bestimmte Communitiys im Netz versucht man entweder mit direkten Referenzen auf die aktuelle Jugendkultur oder mit Gamer-Wortschatz zu kriegen, und Neumitglieder fordert man auf Ergebnisse von Gentests online zu stellen und sich auf Live-Voice-Interviews einzulassen.“588

Ebner tauchte in das Rekrutierungsprozedere von Identitären und amerikanischen Neonazi-Gruppen und stellte fest, dass die Szene Gamifizierung589 zur Rekrutierung nutzt, eigene Apps zur internationalen Vernetzung baut und viele professionelle Hacker hat.590

Nach Ebner ist es gerade diese Kombination von Offline und Online-Inszenierung, die rechtsextreme Meinungen und Standpunkte der Identitären in den Mainstream tragen. Mit provokanten Aktionen gelingt es den Identitären „schrittweise das Fenster des sozial Akzeptierten, des Tragbaren zu verschieben – nach rechts zu verschieben.“591

Doch welche Ebenen nutzten die Identitären zur Online-Mobilisierung? Im Mittelpunkt stehen im Folgenden die Strategien und Technologien, die die Identitären anwenden, um den Online-Diskurs zu beeinflussen. Weiters wird dabei die Frage nach dem Übergang von Online- zur Offline-Welt in den Fokus gestellt. Welche Rolle spielt der „reale Raum“, die „Aktion auf der Straße“, um öffentlich-mediale Aufmerksamkeit zu generieren und den Diskurs zu steuern?

588 EBNER 2019, S. 15. 589 Gamifizierung bzw. engl. Gamification ist die Übertragung von spieltypischen Elementen, Vorgängen und Prinzipien in nichtspielerische Kontexte mit dem Ziel der Verhaltensänderung und Motivationssteigerung bei Anwender*innen. (Vgl. PARBEL 2020, Gamification als Strategie. Wenn Faschisten Faschisten spielen. In: NETZPOLITIK. https:// netzpolitik.org/2020/wenn-faschisten-faschisten-spielen/ [20.2.2020].) 590 Vgl. KARL-RENNER-INSTITUT 2019, Buchvorstellung und Diskussion. Julia Ebner: Radikalisierungsmaschinen. Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch? v=_fvihdqFLT0 [19.11.2019]. 591 ALTERMEIER 2019, Deshalb sind Extremisten im Netz so erfolgreich. in: BR24. https://www.br.de/nachrichten/ kultur/deshalb-sind-extremisten-im-netz-so-erfolgreich,RgkxHQm [4.3.2020]. Seite 118 Zwischen Mainstream- und Alternativen Plattformen

„Sie [Anm. Akteur*innen der Neue Rechte] organisieren Shitstorms gegen ihre Gegner, fluten die sozialen Netzwerke mit beleidigenden Bildern oder Hashtags und sammeln privateste Informationen über ihre Gegner in geheimen Internet-Kollektiven. Das Netz ist zu einem wichtigen Gefechtsfeld der organisierten Neuen Rechten geworden. Mit geringem Aufwand und niedrigen Kosten können sich einzelne Personen und Gruppen über große Entfernungen verbinden - und neue Interessenten ansprechen.“592

Julia Ebner war mit Jakob Guhl und Jan Rau an den Recherchen des Londoner Institute for Strategic Dialog (ISD) zu „Das Online-Ökosystem Rechtsextremer Akteure“ beteiligt, um die Radikalisierung von extremistischen und terroristischen Gruppen auf Mainstream-Plattformen und alternativen Plattformen, sowie die rechtspopulistische Medienlandschaft („alternative Nachrichtenquellen“) zu analysieren. Ausgangspunkt der Analyse ist die Zunahme terroristischer und extremistischer Anschläge, deren Attentäter*innen die Taten in Online-Livestreams übertrugen oder rassistische „Manifeste“ im Netz veröffentlichten.593 Die Taten wurden von Gleichgesinnten auf diversen Plattformen häufig verherrlicht. Attentäter wie jene von Pittsburgh, San Diego und El Paso oder Christchurch waren bereits vor durchgeführten Anschlägen „tief in rechtsextreme Online- Subkulturen eingetaucht“ und wurden – nach den Anschlägen – auf diversen alternativen

Plattformen für ihre Taten bewundert.594

„Seit einigen Jahren stehen extremistische und terroristische Gruppen auf Mainstream- Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, aber die jüngsten Gewalttaten müssen unseren Blick auf die rechtsextremen Online-Subkulturen lenken. Alternative Plattformen wie 4chan und Gab, Messenger-Dienste wie Telegram und Gaming-Apps wie Discord bilden ein Biotop, in dem sich Rechtsextreme vernetzen, radikalisieren, inspirieren und Aktionen planen und zwar bislang weitgehend im Schatten von Strafverfolgung und Gesetzen.“595

Die gezielte „Verbreitung von Desinformation“, die „koordinierte Belästigung von Politikerinnen“ und die „Meme Kampagnen, mit denen Wahlen und politische Debatten beeinflusst werden sollen“ sind Maßnahmen der Rechtsextremen für virtuelle Angriffe auf den Diskurs. Daneben prägt auch eine „umfangreiche rechtspopulistische Medienlandschaft, die sich gegen die sogenannten Mainstream-Medien wendet und diese aktiv diskreditiert“ das „Online Ökosystem der Rechtsextremismus“. Ebner, Guhl und Rau benennen ein „Ökosystem“ bei „rechtsextremen Online- Subkulturen“, welches „diejenigen, die die Demokratie unterminieren wollen, mit einem sicheren

592 FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 159. 593 GUHL / EBNER / RAU 2020, S. 1–2. 594 FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 159. 595 GUHL / EBNER / RAU 2020, S. 2. Seite 119 Rückzugsraum oder auch ‚Safe Space‘“ versorgt und „als Pipeline radikalisierender Inhalte“ fungiert.596 Die Analyse des ISD zeigt ein „toxisches rechtsextremes Informations- und Kommunikatios-Ökosystem“, welches „den Boden für den rechtsextremen Terrorismus bereitet“ und in den letzten Jahren massiv zugenommen hat.597

Mittlerweile werden von den Identitären vorrangig sowohl Twitter als auch YouTube als Propagandainstrumente genutzt, da die Identitären von den meisten Mainstream-Plattformen wie Facebook und Instagram gesperrt wurden. Die koordinierte Propagandastrategie für Twitter wird zunächst meist auf Messenger-Diensten wie Telegram oder Discord von zentralen Kaderfiguren organisiert, um dann zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Art „virtuellem Flashmob“ (eine sogenannte „Trendingraids“598) verbreitet zu werden.599 Dabei werden kurze Texte, Videos oder

Bilder als vermeintlich „humoristische oder satirische Beiträge“600 geteilt, um rechtsextreme, menschenverachtende und demokratiefeindliche Positionen zu tarnen. Das wichtigste Werkzeug, um auf Twitter einen Post zum „Trenden“ zu bringen und möglichst weit zu verbreiten, ist die Auswahl von Hashtags und Schlagwörtern, die in sozialen Medien Nachrichten zu einem bestimmten Thema auffindbar machen. Durch das Kapern von Hashtags auf Twitter wird der Diskurs zum Thema beeinflusst und Aufmerksamkeit erreicht. „Gleichsam soll die massenhafte Verbreitung eine hohe Relevanz rechtsextremer Positionen vortäuschen.“601 Ziel ist es, Hashtags, die an aktuelle Diskurse anknüpfen, „durch massenhafte Nutzung zum ‚Trenden’ zu bringen.602“ Dabei sind vor allem Fake-Profile und Social Bots (also Programme, die in sozialen Netzen User*innen simulieren und Inhalte posten) ein Mittel um eine vermeintliche „Masse“ und „Mehrheit“ zu erzeugen.603 Die Dokumentation „Lösch Dich“ von dem YouTuber Rayk Anders – der selbst immer wieder zur Zielscheibe von rechter Trolle (Reconquista Germanica) und der Identitären wurde – veranschaulicht wie rechtsextreme Gruppen versuchen, durch die Anwendung dieser technischen Hilfsmittel den Algorithmus auf sozialen Plattformen wie Twitter zu ihren Gunsten zu manipulieren. Das Doku-Team war für die Recherchen undercover als Trolle und Hater

596 Vgl. GUHL / EBNER / RAU 2020, S. 3. 597 Vgl. Ebda. 598 In sogenannten Raids werden Social-Media Seiten von gegnerischen Parteien, Aktivisten oder Medien zu einer fixierten Uhrzeit mit Hasskommentaren überflutet. (Vgl. DER STANDARD 2018, Wie Identitäre im Netz rechtsextreme Hasskampagnen koordinieren. https://www.derstandard.at/story/2000082969521/wie-identitaere- rechtsextreme-hasskampagnen-im-netz-koordinieren [1.9.2020].) 599 Vgl. HASS IM NETZ, Hass via Hashtag: Identitäre rekrutieren über Twitter. https://www.hass-im-netz.info/themen/ artikel/hass-via-hashtag [23.4.2020]. 600 Vgl. Ebda. 601 Vgl. Ebda. 602 Ebda. 603 Vgl. Ebda. Seite 120 im Netz unterwegs und veranschaulicht die Taktiken der Rechten von Shitstorms, Mobbingattacken bis hin zur Wahlmanipulation.604

Um auf Mainstream-Medien eine vermeintlich „rechte Mehrheit“ zu generieren, werden vor allem alternative Plattformen zur Verbreitung rechtsextremer Konzepte genutzt und Kampagnen für Twitter und ähnliche Kanäle geplant. So haben die Recherchen des ISD „auf zehn alternativen Plattformen 379 rechtsextreme und rechtspopulistische Kanäle identifiziert“605. Dazu zählen:

„der Messenger-Dienst Telegram (129 Kanäle), das russische soziale Netzwerk VK (115 Gruppen), das Videoportal Bitchute (79 Kanäle) sowie die sozialen Netzwerke Gab (38 Kanäle), Reddit (8 Gruppen), Minds (5 Communities) und Voat (5 Communities).“606

Die Recherche-Ergebnisse des ISD ergeben, dass das häufigste Thema in rechtsextremistischen Gruppen auf alternativen Plattformen die „Einwanderung“ ist, konkret „das angeblich gesetzeswidrige Verhalten von Migranten und Angriffe auf (zumeist linke) politische Gegner“.607 Der vom ISD trainierte Algorithmus zur entsprechenden Identifizierung und Klassifizierung von antisemitischen Inhalten erkannte, dass auf 4chan608 56,9% der Threads eine „klar antisemitische

Narrative“ enthielten.609 Die Analyse des ISD kategorisiert unter den Plattformen zwei unterschiedliche Gruppen: einerseits jene, die für „unpolitische Zwecke (etwa Gaming) konzipiert“ sind und von „rechtsextremen Communities zweckentfremdet worden sind,“ andererseits sind es Plattformen mit „libertären Idealen“, die die „rechtsextremen Communities auf der Grundlage der

Meinungsfreiheit verteidigen“.610

In der Kritik von Seiten rechter Protagonist*innen steht immer wieder das 2017 von der deutschen Bundesregierung ausgearbeitete NetzDG Gesetz, dass Plattformen zwingt, illegale Hassreden innerhalb von 24 Stunden zu entfernen. Aber bei alternativen Plattformen werden „gegenwärtig nicht die gleichen rechtlichen Pflichten“611 angelegt. In der Öffentlichkeit wird häufig darüber

604 Vgl. ANDERS 2018, Lösch Dich! So organisiert ist der Hate im Netz. Doku über Hater und Trolle. in: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=zvKjfWSPI7s [13.12.2019]. 605 GUHL / EBNER / RAU 2020, S. 3. 606 Ebda. 607 Ebda. S.5. 608 4chan war ursprünglich als Plattform zum Austausch von Animes und Mangas gedacht. Jedoch ist das Imageboard seit den frühen 2010er Jahren zu einem wichtigen Treffpunkt für Rechtsextremist*innen geworden. Vor allem in der Gruppe /pol/ (Politically Incorrect) werden rassistische, sexistische, antisemitische und antimuslimische Inhalte diskutiert, für Twitter aufgearbeitet und dort verbreitet. (Vgl. BELLTOWER NEWS o.J; Lexikon: 4Chan. https:// www.belltower.news/lexikon/4chan/ [1.9.2020]; GUHL / EBNER / RAU 2020, S. 4.) 609 GUHL / EBNER / RAU 2020, S. 5. 610 Vgl. Ebda. 611 Ebda. S. 3. Seite 121 angenommen, dass das Sperren von extremistischen Gruppen auf Mainstream-Plattformen zu einer massenhaften Abwanderung auf alternative oder verschlüsselte Plattformen führen würde, jedoch ergibt die Forschung des ISD, „dass die Sperrung der Accounts rechtsextremer Gruppen auf Mainstream-Plattformen ihre Reichweite verringert und offenbar nicht zur direkten Abwanderung ihrer Follower auf alternative Plattformen führt.“612

Die Identitären sehen sich selbst vor dem Hintergrund des im Netz ausgetragenen Kampfes als „Infokrieger im Infokrieg“. #Infokrieg ist etwa eine explizit so benannte Discord-Gruppe, die via Messenger-Diensten rechtsextreme Kampagnen plant und 2017 versuchte die deutsche Bundestagswahl zu beeinflussen.613 Um eine vermeintliche Meinungshoheit auf den soziale Medien zu propagieren, inszenieren die Identitären gemeinsam mit der rechtsextremen „Trollarmee“, Reconquista Germanica, einen „memetic warfare“ oder „Meme-War“, also eine moderne Form der psychologischen Kriegführung. Das „Meme“ ist ein Kulturphänomen aus den frühen 2000er Jahren und wird über Internetplattformen verbreitet. Dafür werden Bilder, Texte oder Videos aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen und zu Memes mit einer meist humoristischen und gesellschaftskritischen Aussage montiert.

„Dazu werden originelle Memes produziert, also kleine Filmsequenzen oder Fotos, die mit witzigen kurzen Texten versehen werden, so wie sie Jugendliche auch aus anderen Zusammenhängen kennen. Doch vermittelt werden auf diese Weise unterschwellig Islamfeindlichkeit und Verschwörungstheorien, die Abwertung Fremder, Rassismus und Hass. Die Identitären folgen damit der klassischen rechtsextremen Normalisierungsstrategie […].“614

Rechte Akteur*innen nutzen Memes als „Waffe im Meinungskrieg“, da Memes „einfach zu erstellen und noch einfacher zu verbreiten [Anm.: sind]. […] Memes sind perfekt um Feind und Erzählung vereinfacht darzustellen. Sie schweissen eine Gruppe zusammen.“615 Das populärste Meme der rechten Szene ist wohl „Pepe the Frog“. Die einst unpolitische Comic-Figur wurde zuerst von der amerikanischen Alt-Right Szene gekapert. Zuerst tauchten abgewandelte Versionen des Froschs auf dem Imageboard 4chan auf und inzwischen ist er zum festen Bestandteil der „neurechten“ Popkultur geworden.616 Das Meme erlebte vor allem im Wahlkampf von Donald

612 GUHL / EBNER / RAU 2020, S.6. 613 Vgl. KREIßL / EBNER / URBAN / GUHL 2018. S. 6. 614 RAFAEL 2018, S. 127. 615 COLAK 2020, Walulis: Wie rechte Memes für Propaganda nutzen. In: DASDING https://www.dasding.de/lifestyle/ social-media/propaganda-mit-memes-100.html [15.5.2020]. 616 Vgl. LOTTERSBERGER 2017, Die Codes der „Neuen Rechten“. In: FM4. https://fm4v3.orf.at/stories/1777530/ index.html [19.1.2020]. Seite 122 Trump eine Hochkonjunktur, die Trump-Kampagne nutzte „den Frosch und damit rechte Propaganda.“617 So nahm 2016 auch die Anti-Defamation League, eine Organisation die gegen Diskriminierung und Diffamierung von Juden eintritt, Pepe in ihre Datenbank der Hasssymbole auf, da das Meme mittlerweile ein Symbol der „White-Supremacy-Bewegung“ ist618 (Vgl. Abb. 18).

Abb. 18.: Die Wandlung von „Pepe the Frog“619

Memes bieten eine niederschwellige Möglichkeit der Teilhabe und stellt für junge User*innen eine Gefahr dar.

„Der Online-Aktivismus wird als Erlebnis ausgegeben und es wird eine Wirkmächtigkeit des eigenen Handelns suggeriert, die Jugendlichen attraktiv erscheint. […] Anziehend wirkt nicht zuletzt, dass der Online-Aktivismus ein niedrigschwelliges Mitmach-Angebot darstellt, an dem sich junge Menschen per Smartphone leicht beteiligen können.“620

Es wird gezielt versucht, junge Menschen „zu beeinflussen und als Aktive zu gewinnen“. Mit einer „kriegerischen Wort- und Bildsprache“ inszenieren sich die Identitären als „Tabubrecher“ in einem „heroischen Kampf“ gegen die Medien.621

2018 veröffentlichte die antifaschistische Initiative Hooligans gegen Satzbau ein Handbuch, dass in rechtsextremen Foren aus dem Umfeld der Identitären und der Reconquista Germanica kursiert und eine Anleitung für „Shitpostings“ und zur „memetischen Kriegsführung“ beinhaltete.622 Martin Sellner verlinkte zudem das Handbuch für Medienguerillas auf seiner Webseite. Die Anleitung

617 KÜHL 2016, Meme: Wo Frösche sind, da sind auch Rechte. In: ZEIT ONLINE. https://www.zeit.de/digital/internet/ 2016-09/meme-pepe-frosch-alt-right-donald-trump/komplettansicht [14.1.2020]. 618 Vgl. Ebda. 619 LOTTERSBERGER 2017, Die Codes der „Neuen Rechten“. In: FM4. https://fm4v3.orf.at/stories/1777530/ index.html [19.1.2020]. 620 Vgl. HASS IM NETZ 2017, Hass via Hashtag: Identitäre rekrutieren über Twitter. https://www.hass-im-netz.info/ themen/artikel/hass-via-hashtag [23.4.2020]. 621 Ebda. 622 Vgl. DER STANDARD 2018, Angebliches „Hassposting“-Handbuch Rechtsextremer aufgetaucht. https:// www.derstandard.de/story/2000072294111/angebliches-hassposting-handbuch-rechtsextremer-aufgetaucht [22.10.2019]. Seite 123 skizziert in 4 Schritten wie man „Opfer im Internet verarscht“. Anfangs solle man sich nach der „Anleitung zum Hass“ erstmals den „richtigen Gegner“ suchen:

„Folge/ Like die Accounts (bzw infiltriere Foren) von allen Parteien, insbesondere den Grünen, bekannten Feministinnen, Regierungslakaien wie Till Schweiger oder Böhmermann und sämtlicher Propaganda-Regierungspresse, wie ARD, ZDF, Spiegel und dem Rest der Fake-News-Mischpoke. […] Sag ihnen die Meinung, verwickel sie in Diskussionen, markiere ihre Lügen als #fakenews und trolle den Fick aus ihnen heraus.“623

Weiters ist davon die Rede in Diskussionen die Gegner nicht überzeugen zu wollen, sondern dass es darum gehe „wer vom Publikum Recht erhält“. Neben Personen aus dem öffentlichen Leben sind „klassische Opfer“ auf Twitter oder Facebook „junge Frauen, die direkt von der Uni kommen,“ weil sie „nicht gewöhnt [Anm. sind] einzustecken. Die kann man eigentlich immer ziemlich einfach auseinandernehmen.“ Der Guide rät außerdem dazu, Gegner zu beleidigen, „ziehe jedes Register. Lass nichts aus. Schwacher Punkt ist oftmals die Familie.“624 Das Handbuch beschreibt eine Menge an Werkzeugen, um den Gegner online zu demütigen, wie beispielsweise das Erstellen von Accounts mit Profilbild und Namen der Gegner: „Fange dann an bizarre und möglichst dumme Sachen zu posten, um Deine Gegner zu diskreditieren und zu demütigen.“625 Wenn der Verdacht des Rassismus von Gegnern erhoben wird, solle man „großzügig die Nazikeule einsetzen“ und die Gesichter der Gegner auf „Bilder aus dem dritten Reich“ photoshoppen. Außerdem wird angeleitet, alle Taktiken im „Rudel“ anzuwenden, da es effektiver sei mit Freunden oder Fake-Accounts zu kämpfen. Es geht darum, eine „virtuelle Armee“ zu schaffen, um den Gegner zu provozieren und das letzte Wort zu haben.626 Es wird auch spezifisch die memetische Kriegsführung dargestellt, man sollte andere User*innen informieren, dass unter bestimmten Hashtags „eine Informationsschlacht stattfindet und Unterstützung anfordern“. Es sollen „gute Hashtags“ und „gute Memes entwickelt und […] in Twitter injiziert“ werden, um ein rechtes Narrativ in den Diskurs zu bringen. So ist auch im Handbuch zu lesen, dass man „in Deutschland […] teilweise gerade einmal 1000 Tweets pro Stunde, um ein Hashtag auf Twitter zum trenden zu bringen (in den USA sind es eher 20.000/h)“ brauche.627 Dazu führt Rafael aus:

623 HANDBUCH FÜR MEDIENGUERILLAS o.J; S. 1. 624 Ebda. 625 Ebda. S. 1–2. 626 Ebda. S. 2–3. 627 Ebda. S. 4. Seite 124 „‚Meme Wars‘ und ‚Infokrieg‘ mit ‚Troll-Armeen‘ sind längst mehr als nur Theorie. Auf der Plattform Discord etwa treffen sich die ‚virtuellen Armeen‘ […] zum Strategieaustausch und verabreden sich zu konkreten Aktionen.“628

Auf der Vernetzungsplattform aus dem Computer- und Onlinespiele-Bereich wird „die Verbreitung von rechtsextremer Ideologie und Rassimus tatsächlich wie ein Computerspiel aufgebaut - im Marketing heißt das Gamification, wenn aus Inhalten ein Spiel gemacht wird. Hier ist es ein Spiel aus Hass.“629 Es geht den rechtsextremen „Trollen“ darum, mit unterschiedlichen Techniken und Taktiken die Algorithmen der sozialen Medien zu manipulieren und koordinierten Hass im Netz zu verbreiten umso den Online-Diskurs gezielt zu beeinflussen.630 Nach Ebner „kombinieren [Anm. rechtsextreme Akteur*innen] raffinierten Social-Media-Guerilla-Aktivismus mit organisierten

Trollen und gezielter Medienmanipulation.“631

Neben einer intensiven Nutzung von sozialen Mainstream- und alternativen Medien, streben die Identitären aber auch die Entwicklung einer eigenen Smartphone-App an, um Repressionen von großen Plattformanbietern entgegenzuwirken bzw. den technischen Angeboten mit eigenen Alternativen zu entgegnen. So begann Martin Sellner 2017 mit der Entwicklung einer App namens Patriot Peer, einer mehrsprachigen Android-Anwendung für die „Vernetzung von Patriot*innen und Aktivist*innen“. Die App wird als „App für die schweigende Mehrheit“ vermarktet.632 Sie soll so funktionieren, dass die Nutzer*innen ein Profil erstellen, dabei dient die Netzwerk-App zunächst als Ortungsfunktion, um mit anderen User*innen in Kontakt treten zu können. Auf spielerische Weise baut die App dann Hierarchien auf, denn es geht ums „Punkte sammeln“ bei Veranstaltungen der Identitären und politischen Aktionen. „Der Hass, der durch die IB verbreitet wird, soll nun auch noch Punkte und Spaß bringen und die Hierarchien unter einander festigen“633, hält die TAZ zum Zweck der App fest. Die App dient als spielerische „Kaderschmiede“ der Identitären und soll rechtes und völkisches Gedankengut hip, smartphone- und wettbewerbsfähig machen.634

628 RAFAEL 2018, S. 139. 629 Ebda. 630 Vgl. KREIßL / EBNER / URBAN / GUHL 2018. S. 17. 631 FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 160. 632 BRUST 2018, App der identitären Bewegung: Rechtsextreme Scheinspielereien. In: TAZ. https://taz.de/App-der- identitaeren-Bewegung/!5511139/ [20.11.2019]. 633 Ebda. 634 Ebda. Seite 125 Zwischen Straße und Öffentlichkeitsarbeit

Samuel Salzborn argumentiert, dass das Internet vorerst als Medium für die Agitation von partizipationsfernen Personen diene, die bereits über eine rechte Weltanschauung verfügen. Das Internet scheint dazu perfekt, um diese Menschen tiefer in die „neurechte“ Denkweise einzubinden. Nach Salzborn folgen die Identitären im realen Raum konkret der Strategie, möglichst viele spektakuläre Aktionen zu organisieren (die meist gegen Zuwanderung gerichtet sind), diese zu filmen und dann online zu vermarkten. Obwohl oft nur eine kleine Zahl von Aktivist*innen auf der Straße beteiligt sind, werden die Aktionen im Netz so inszeniert als seien sie eine große Bewegung.635

Meist erzeugen die Identitären erst durch Vor-, Auf- und Nachbearbeitung im Netz Schlagzeilen und Aufmerksamkeit. Auch Christian Bendl vom Institut für Sprachwissenschaft der Universität

Wien analysiert anhand der Identitären „Protest als diskursive Raum-Zeit-Aneignugen“.636 Er kategorisiert drei Ebenen solcher Aneignungen im identitären Protest: 1. Das Vorfeld des Protests (Kontext und Ankündigung) 2. Den Protest im Raum (Raumaneignung und Handlungsaspekt) 3. Das mediale Nachfeld des Protests (Medienarbeit).637 Die Identitären wenden Protesthandlungen als Kommunikationsverfahren an, welche der allgemein akzeptierten Meinung entgegnen, einem „öffentlichen Interesse“ folgen und „öffentlich wahrnehmbar sind“.638 Bei der Analyse von Protestformen der Identitären muss nach Bendl neben dem „materiell-sozialen“ Raum somit auch immer der „öffentlich-virtuelle“ Raum berücksichtigt werden.

Zu diesem Zweck produzieren die Identitären massenhaft Bild-, Ton- und Videomaterial bei kurzen Aktionen auf der Straße, um dieses Material später professionell als großen Protest via sozialen Medien zu inszenieren. So verdeutlicht auch Martin Sellner im Gespräch mit dem Magazin profil, welche Strategie verfolgt wird, um mediale Aufmerksamkeit zu erlangen: „Das Bild ist das Wichtigste […] Die Schlagzeile ist realer als die Aktion. Das hat Greenpeace schon lange verstanden - und wir jetzt auch.“639

635 Vgl. SALZBORN 2015, S. 74. 636 BENDL 2018, S. 73. 637 Vgl. Ebda. 75–95. 638 Vgl. Ebda. S. 80. 639 WINTER 2017, Recht extrem: So provozieren die Identitären. In: PROFIL. https://www.profil.at/oesterreich/ identitaere-hilfsaktionen-mittelmeer-8205044 [4.6.2020]. Seite 126 Nach Bruns, Glösel und Strobl wenden die Identitären nur einen recht „überschaubaren Pool an Aktionsformen“ an, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Die Aktionen der Identitären folgen einem bestimmten Schema: sie sind kostengünstig, brauchen wenig Vorbereitung und wenige Personen. Graffitis werden im öffentlichen Raum hinterlassen und fotografiert, Veranstaltungen werden gestört und gefilmt, Denkmäler werden verunstaltet oder Brunnen mit Kunstblut eingefärbt. Andere beliebte Protestformen der Identitären sind das Aufhängen von Transparenten, Rollenspiele, Kletteraktionen oder Blockaden. Alle Aktionen der Identitären, so klein sie auch sind, werden fotografiert und gefilmt, „ins Netz gestellt und damit medial aufgeblasen“.640

Im Strategiepapier der Identitären sind genaue Anweisungen zur Planung von „Aktionen“ zu finden. So ist hier zu lesen, dass 5-7 Tage vor Aktionen eine Pressemitteilung versendet werden soll mit dem Hinweis: „Lege die Aktion nicht auf einen Samstag, wenn du in den unabhängigen

Zeitungen stehen willst. Ihre Journalisten arbeiten oft nicht am Wochenende.“641 Aktivist*innen werden dazu angehalten, nach Aktionen den Kontakt zur Presse zu suchen und mit Journalist*innen Kontakt aufzunehmen, um Richtigstellungen einzufordern. Die Identitären haben eine penibel ausgearbeitete Pressestrategie, um die mediale Berichterstattung zu beeinflussen und die Ökonomie der Aufmerksamkeit zu betreiben.642 Selbst das Verteilen von Flugblätter soll fotografiert werden, „bringe deine Kamera mit. Deine Fotos müssen in Hochauflösung sein. Fotografiere die Aktivisten beim Verteilen und das Lächeln der Passanten die mit ihnen reden.“643 Im Dokument wird formuliert, dass die Aktivist*innen ein „lebendiges Flugblatt“ sind:

„Da du ein ‚lebendiges Flugblatt' bist, müssen dein Aussehen, dein Lächeln und deine Höflichkeit die Menschen verführen. Unser natürliches Publikum - junge europäische Männer - sucht eine Gemeinschaft, die ihnen Schutz bietet.“644

Als ein lebendiges Symbol, müssen Aktivist*innen stets nach „dem Image der IB verpflichtet handeln“.645 Aus dem internen Strategie-Dokument geht das Selbstverständnis der Identitären hervor, die die Mitglieder „als Teil einer straff hierarchisch organisierten Gruppe mit revolutionärem Anspruch“646 begreifen:

640 Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017 S. 281. 641 IB STRATEGIEPAPIER o.J; o.S. 642Vgl. Ebda. 643 Ebda. 644 Ebda. 645 BATZER 2019, S. 117. 646 Ebda. Seite 127 „Der Einzelne wird dazu angehalten, sich als Akteur im öffentlichen Raum zu verstehen, der mit seiner Erscheinung, seinem Auftreten und der Inszenierung seiner Person stets die IB repräsentiert.“647

J a n B a t z e r – Wi s s e n s c h a f t l i c h e r M i t a r b e i t e r a m K o m p e t e n z z e n t r u m f ü r Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration der Friedrich- Schiller-Universität Jena – kennzeichnet zwei Ausdrucksformen, die die Identitären für ihrer Darstellung als „aktivistische“ Gruppe nutzen: Erstens polarisierende Darstellungen von Themen, um Botschaften der Identitären zu transportieren. So sollen „[m]öglichst einfache Parolen und Bilder […] den Menschen, die (noch) kein Teil der Bewegung sind, einen Bezug zu den Identitären bieten.“648 Als zweite Form nutzen die Identitären einen Akt des „zivilen Ungehorsam“. Mit Protestformen wie der Bildung von Menschenketten, Rollenspielen, Blockaden, usw. die eher an linke Störaktionen erinnern, reiht sich „die Gruppe als rebellische und systemkritische Gegenbewegung ein.“649

Eine Aktion, die auf Provokation und zivilen Ungehorsam als Ausdrucksform setzte, war etwa eine der frühen Störaktionen der Identitären im Jahr 2016. Die Aktion, die an der Uni Wien mit wenig Aufwand inszeniert wurde, erreichte viel mediale Aufmerksamkeit. Die Uni Wien hatte zu einer kostenlosen Theateraufführung von Elfriede Jelinkes „Die Schutzbefohlene“ eingeladen, an der Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak als Darsteller*innen mitwirkten. Etwa 700 Zuschauer*innen waren im Audimax, als rund 30 Identitäre den Saal und Bühne stürmten. Es wurde Kunstblut in die Menge gespritzt, ein Banner mit der Aufschrift „Heuchler! unser Widerstand gegen eure Dekadenz“650 wurde entrollt. Außerdem warfen die Identitären Flugblätter ins Publikum, auf denen „Multikulti tötet“ zu lesen war. Die ganze Aktion war nach Polizeiangaben nach einem Handgemenge nach ca. 7 Minuten vorbei. Die Darsteller*innen, allesamt Flüchtlinge, und das Publikum waren geschockt.651

647 BATZER 2019, S. 117. 648 Ebda. 649 Ebda. 650 STOPPT DIE RECHTEN 2016, Blut und Tod – die rechtsextreme Symbolik der Identitären. https:// www.stopptdierechten.at/2016/08/26/blut-und-tod-die-rechtsextreme-symbolik-der-identitaren/ [1.9.2020]. 651 ZEIT ONLINE 2016, Rechtsextreme stürmen Jelinek-Aufführung in Wien. https://www.zeit.de/gesellschaft/ zeitgeschehen/2016-04/identitaere-bewegung-wien-theater-elfriede-jelinek-die-schutzbefohlenen [18.2.2020]. Seite 128 Abb. 19: Störaktion im Audimax 2016:652

Kurz nach der Störaktion veröffentlichten die Identitären auf ihrer Homepage unter dem Titel „Ästhetische Intervention bei Jelinkes ‚Die Schutzbefohlenen‘“ eine Stellungnahme:

„‚Die Aktion richtet sich nicht gegen die Asylanten auf der Bühne, sondern gegen die Heuchler im Publikum und der Politik‘, sagte ein Aktivist noch vor Ort. Sie richtete sich gegen die Politiker, die in ihren Parallelwelten leben: Frei von islamistischem Terror, Vergewaltigungen und Bevölkerungsaustausch. Elfriede Jelinek ist eine davon. Sie und ihre scheinheiligen Theaterstücke, die niemals die Opfer auf europäischer Seite zeigen, sind ein Symbol für alles, was in unserem Land falsch läuft. […] Es gibt keine ruhige Minute für die Profiteure des Bevölkerungsaustausches mehr! Identitäre bleiben solange aktiv, bis sie aus den Parlamenten, Redaktionen und Fernsehstudios verschwunden sind!“653

Wie ausgeführt wird hier eine Opfer-Täter-Umkehrung sichtbar: Die „Europäer“ seien das Opfer von Einwanderungspolitik und des „Bevölkerungsaustauschs“. Die Identitären stellten die Störaktion zugleich als „ästhetische Intervention“ dar. Bei der medialen Inszenierung helfen vor allem Videos, die ebenfalls kurz nach der Aktion veröffentlicht wurden. Das „Aktionsvideo Audimax 14.4.2016“ auf Youtube zeigt zu Beginn eine Bild-Text-Montage, die nochmals die zuvor angeführte Stellungnahme visualisieren soll. Ein Foto von Elfriede Jelinek wird mit den Wörtern „Die Österreich hasst“ eingeblendet. Als Overvoice ist Martin Sellner zu hören, der die „linke Kultur“ anklagt: „Die ‚Multikultis‘ haben uns den Terror und Chaos nach Europa gebracht“654, während Bilder von Terrorattentaten und Flüchtlingen eingeblendet werden. Er spricht davon, dass

652 RUDELSTORFER 2016, In: Stoppt die Rechten. Blut und Tod – die rechtsextreme Symbolik der Identitären. https:// www.stopptdierechten.at/2016/08/26/blut-und-tod-die-rechtsextreme-symbolik-der-identitaren/ [1.9.2020]. 653 IB HOMEPAGE 2016, Ästhetische Intervention bei Jelinkes ‚Die Schutzbefohlenen‘. https://www.identitaere- bewegung.at/aesthetische-intervention-jelineks-die-schutzbefohlenen/ [13.5.2020]. 654 Ebda. Seite 129 die Identitären die „Opfer von Bataclan, Brüssel und Köln nicht vergessen“ und daher nun beim Theaterstück Die Schutzbefohlenen intervenieren. Im Video folgen dann verwackelte Bilder von der Störaktion selbst, man sieht die Mitglieder der Identitären auf deren Weg zur Uni und anschließend die Stürmung des Audimax. Die Inszenierung wurde mit Handykameras gefilmt, um die Aktion spontan wirken zu lassen. Die ganze Aktion bis zur Flucht der Identitären wurde gefilmt, wobei man jubelnde Identitäre sieht und Polizeisirenen ins Video geschnitten wurden. Das Video ist mit einer theatralisch-dramatischen Musik unterlegt und gegen Ende des ca. dreieinhalb Minuten Videos, wird die zentrale Botschaft der Aktion eingeblendet: „Den 68er schmeckte ihre eigene Medizin überhaupt nicht […] Komm in die Bewegung“.655 Das Video wurde am 17.4.2016 auf YouTube veröffentlicht und 30.917 mal aufgerufen.656 Die Strategie der Identitären ging auf, durch Provokation im realen Raum und eine professionelle PR- Strategie, war der mediale Nachhall groß und das Ziel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erreichen war erreicht. Eine Störaktion die nur wenige Minuten dauerte, ein polizeiliches Nachspiel wegen Körperverletzung, Störung einer Versammlung und Sachbeschädigung, provozierte eine breite Berichterstattung.657

Jan Batzer konstatiert, dass die Identitären ähnlich den Nationalsozialist*innen ihren revolutionären Ausdruck, den sie sich als politische „Bewegung“ gegeben haben, nicht aufgrund von dessen Wirkungsmacht zur gesellschaftlichen Veränderung gegeben haben, sondern vielmehr aufgrund ihres ästhetischen Gehalts. Die Inszenierungspraxis der Identitären folgt ebenso einer Ästhetisierung des politischen Lebens und sie will „moderne Kommunikationsmittel nutzen, um ihre Mitglieder zu aktivieren.“658 Dabei bedienen sich die Identitären „jugend- und subkultureller Praktiken und Codes indem sie mediengebundenes Symbolkapital neben einer Überhöhung und Ästhetisierung des Alltäglichen einsetzen.“659 Schließlich wird neben der Ästhetisierung des

Protestes auch der „vermeintliche Alltag der Aktivisten“660 ästhetisiert. Dies wird sichtbar in der

655 Vgl. IB HOMEPAGE 2016, Ästhetische Intervention bei Jelinkes ‚Die Schutzbefohlenen‘. https://www.identitaere- bewegung.at/aesthetische-intervention-jelineks-die-schutzbefohlenen/ [13.5.2020]. 656 IBÖ 2016, Aktionsvideo Audimax - 14.4.2016. In: YouTube https://www.youtube.com/watch? time_continue=29&v=S2B8lDve1EE&feature=emb_title [13.5.2020]. 657 STERKL 2016, Theaterstück gestürmt: Verfassungsschutz ermittelt gegen Identitäre. In: DER STANDARD. https:// www.derstandard.at/story/2000034939397/identitaere-stuermten-theaterstueck-verfassungsschutz-ermittelt [19.5.2020]. 658 BATZER 2019, S. 121. 659 Ebda. 660 Ebda. Seite 130 bereits skizzierten Formulierung des „lebendigen Flugblatt“661, welche Aktivist*innen inszeniert, immer abrufbereit zu sein, um für „die Sache“ einzutreten.662 Batzer dazu:

„In dem öffentlichkeitswirksamen, medialen Vorgehen besteht der eigentliche Zweck der Aktionen. Da der Aktivismus keine unmittelbaren Resultate schaffen kann, dient er der Produktion von Erzählungen, derer sich die IB bedienen kann. Als metapolitische Aktion strebt diese keine realpolitischen Ergebnisse an, sondern schafft Narrative über eine gewünschte Politik für eine gewünschte Realität. Oder wie sie es selbst ausdrücken: ‚Gleichzeitig geben wir eine Erzählung vor, um die aktuellen Ereignisse in ein neues Licht zu stellen und eine alternative Vision anzubieten.‘ [Anm. Zitat aus dem Strategiepapier]. Diese alternative Vision schafft das Bild einer bedrohten nationalen Identität. Diese Bedrohung müssen die Menschen – laut IB – erkennen, da sonst der Verlust eben jener Identität und mit ihr die Auflösung der Volksgemeinschaft folgen würde.“663

Der politische Aktivismus der Identitären ist somit vorrangig ein „symbolischer“, da es darum geht, den Anschein zu erwecken, dass sie eine „Bewegung“ und politisch handlungsfähig sind. Obwohl die aktionistischen Handlungsformen der Identitären oftmals keine unmittelbaren politischen Resultate nach sich ziehen, erlangen sie immer wieder mediale Aufmerksamkeit und schaffen auf diese Weise „diskursive Ereignisse“. Durch überproportionale Berichterstattung von provokativen Störaktionen und die professionelle Inszenierung im Netz etablieren die Identitären einen krisenbeladenden Diskurs über die Bedrohung von „Identität“.

661 BATZER 2019, S. 121. 662 Vgl. Ebda. S. 119–121. 663 Ebda. S. 121. Seite 131 6. Diskursfigur „die letzte Generation“

Die beschriebene diskursive kommunikative Praxis der Identitären durch Abgrenzungsprozesse (Form und Inhalt), Verbreitungsmechanismen (ästhetische Normalisierung und Popularisierung) und verschiedene Mobilisierungsebenen (Online und Offline) soll im Folgenden als Grundlage dienen, um eine diskursanalytische Tiefenanalyse der zentralen Diskursfigur der „letzten Generation“ durchzuführen. Die Erzählung von der „letzten Generation“, die einen angeblich drohenden Bevölkerungsaustausch aufhalten kann, bietet sich insbesondere an, um die Mobilisierung vom virtuellen zum realen Raum darzustellen, da die Diskursfigur der „letzten Generation“ über viele verschiedene Ebenen zwischen Online- und Offline-Welt in unterschiedlichsten Formen visualisiert wird. Die Kommunikations-Strategien, Rhetoriken und Narrative, sowie Ästhetik und popkulturelle Bezüge und das Zusammenspiel aus Offline und Online-Welt werden anhand der „letzten Generation" analysiert werden und sichtbar machen, wie die Diskursfigur die Grenzen des Sagbaren nach rechts verschiebt. Konkret und exemplarisch soll anhand des YouTube-Video „Zukunft für Europa“ und der Aktion „Defend Europe“ die Diskursfigur der „letzten Generation“ dargestellt werden.

Die Identitären inszenieren sich selbst als „letzten Generation“, die einen vermeintlich geplanten Austausch der weißen Mehrheitsbevölkerung Europas durch muslimische oder „nicht-weiße“ Einwander*innen verhindern könne. Hinter dem Austausch stehe eine angeblich „geheime Elite“ (gemeint sind: EU, Globalisten oder immer noch von einer „jüdischen Verschwörung“ gesprochen). Den „Großen Austausch“ zu stoppen ist dementsprechend die wichtigste Agenda der Identitären, wie auch der Kampf für eine kulturelle Hegemonie Europas. Die Figur der „letzen Generation“, der es noch möglich sei jenen „Austausch“ aufzuhalten, wird mit Imagination einer „Endzeitstimmung“ verbunden. Die Identitären fantasieren geradezu panisch eine Bedrohung des vermeintlich unbemerkten „Bevölkerungsaustauschs“ herbei. Das Narrativ „eine Generation, ein Schicksal, eine letzte Chance!“664 wird verbunden mit einer beschwörenden Rhetorik, die zugleich ein hohes Gewaltpotential aufweist. Die Etablierung eines verschwörungstheoretisch abgesicherten Bedrohungsszenarios und die Aufforderung an die „letzte Generation“ jene Bedrohung zu verhindern, dienen den Identitären dazu, ihre politische Forderung zu rechtfertigen, dass „alles“ was ihrer Meinung nach nicht nach Europa gehört „verschwinden“ soll. Die identitäre Kernphantasie

664 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND 2016, Zukunft für Europa - Identitäre Bewegung. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=rPXI6tA31yI [18.4.2020]. Seite 132 von „Remigration“ und einer globalen ethnischen „Entmischung“ lasse sich in einer globalisierten Welt nur mehr über den gewaltvollen Weg umsetzen. Dabei handelt es sich nicht mehr bloß um die Einführung einer neuen Sprache und Bilder im öffentlichen Diskurs, sondern um einen konkreten Aufruf zur Gewalt.

Kämpferische (Bild-) Sprache

Es ist eine einheitliche (Bild-)Sprache und eine „Rhetorik der Angst“, die ein bedrohliches und gewaltvolles Narrativ verbreitet. Es ist nicht nur die Sprache, die Kampf- bis Kriegsmetaphern und Gewaltdispositionen spiegelt, auch die identitäre Bildsprache verdeutlicht dies. Die Identitären versuchen auf möglichst vielen Ebenen die Diskursfigur der „letzten Generation“ zu verbreiten, wie das Video „Zukunft für Europa“ der Identitären Bewegung Deutschland (IBD) bzw. das

Vorgängervideo der französischen Génération Identitaire (GI)665 mit dem Titel „Kriegserklärung“ zeigt.

Das Video „Zukunft für Europa“ wirkt wie ein Trailer oder Werbevideo der Identitären. Durch Hintergrundmusik, Kameraperspektive und das inszenierte Auftreten der Protagonist*innen werden die Botschaften poppig und modern visualisiert und rechtsextreme Aussagen normalisiert. In der Beschreibung zum Video „Zukunft für Europa“ ist etwa zu lesen:

„Uns eint das Schicksal, die letzte Generation zu sein, die das Ruder noch einmal herumreißen kann! Uns eint die Selbsterkenntnis die Phalanx zu sein, die es braucht, um gegen die selbstzerstörerische, herrschende Multikulti-Ideologie vorzugehen, welche die Massenzuwanderung und die Islamisierung und damit das letztliche Verschwinden einer Tausende Jahre alten Völkerfamilie und Kulturtradition namens Europa vorantreibt. Wir stehen zusammen in unserem Streben für den Schutz unserer Heimat, die Wiederherstellung der Freiheit und Souveränität unseres Landes und kämpfen für den Erhalt unserer ethnokulturellen Identität!“666

Es ist ein Krieg der Worte, den die Identitären im Video betreiben, sie wollen das „Ruder herumreißen“ und „formieren sich zur Phalanx“, um für den „Erhalt der ethnokulturellen Identität zu kämpfen“. Weiters ist in der Beschreibung zum Video zu lesen, dass sich „eine Jugend zur Rückeroberung ihrer Identität formiert“. Der 2016 entstandene Kurz-Film „Zukunft für Europa“ dauert 2:42 Minuten, hat bis heute 588.917 Aufrufe und ist als prominente Selbstdarstellung der Identitären zu werten. Mit kurzen Sätzen stellen die Protagonist*innen die wichtigsten

665 Frankreich gilt als Ursprungsland und die GI als Vorbild für alle Ablegergruppen der Identitären in Europa. (Vgl. BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 71.) 666 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND 2016, Zukunft für Europa - Identitäre Bewegung. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=rPXI6tA31yI [18.4.2020]. Seite 133 ideologischen Fragmente der Identitären dar. Einleitend spricht der führende Kopf der Identitären Martin Sellner in die Kamera: „Ihr macht eine Politik, die unsere Werte und Traditionen für die multikulturelle Utopie opfer[n].“667 Einerseits richtet er sich gegen eine plurale Gesellschaft und mit diesen kämpferischen Aussagen werden die Zuschauer*innen direkt angesprochen: „Ihr liebt und fördert das Fremde und hasst das Eigene“ oder „Ihr predigt die Vielfalt der Kulturen, doch betreibt ihr Zerstörung“. Andererseits wird ein Bedrohungsszenario für Europa gezeichnet, z.B.: in den Worten „Unser Europa liegt im Sterben“668 und „Ihr bevölkert unsere Heimat mit Fremden, die wir nicht verstehen“669. Außerdem fordert er eine homogene „Volksgemeinschaft“ im Sinne des Konzepts des „Ethnopluralismus“: „Ihr redet von Europa und vergesst seine Völker“, „Wir fordern das Ende einer Politik, die uns das Anrecht auf unsere Identität und unsere Selbstbestimmung abspricht“, „Wir stehen bereit für die Rückeroberung“ und „Wir sind die Jugend ohne

Migrationshintergrund“670. Die kurzen Einzeiler teilen die Gesellschaft antagonistischen Gruppen zu, einerseits die Forderung einer „Wir“-Gruppe nach einer „ethnopluralistischen“ Weltordnung und andererseits die Anschuldigungen an die „Ihr“-Gruppe, welche die „Zerstörung Europas“ durch „Multikulturalismus“ vorantreibe. Durch diese Aussagen wird ein Denken in Freund-Feind-

Schemata verankert.671

Die kämpferische Sprache und die verwendeten Kriegsmetaphern sollen die Entschlossenheit der Identitären verdeutlichen. Durch einen auffordernden Tonfall und epische Orchester-Musik wird die angebliche Dringlichkeit ihrer Forderungen und Aussagen untermalt. Die Protagonist*innen sind Mitglieder und zentrale Kaderfiguren der Identitären aus Österreich und Deutschland. Die Gesichter werden mit Nahaufnahmen und kurzer Distanz zur Kamera gefilmt. Im Zentrum der Einstellungsgröße steht das Gesicht der Protagonist*innen, im Hintergrund ist verschwommen ein Wald zu sehen (Motiv der Naturalisierung). Sie alle richten pessimistische Blicke direkt in die Kamera, um die vermeintlich drohende Gefahr des „Großen Austausch“ hervorzuheben. Wie bereits dargestellt, ist das Motiv „Gesicht zeigen“ eine typische Strategie der Identitären (Vgl. Kapitel Motiv-Vielfalt). Weitere Motive sind etwa der Bezug auf die Rückeroberung Europas „Reconquista“ und die Aufforderung zu handeln, zum Schutz der europäischen „Identität“. Die

667 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND 2016, Zukunft für Europa - Identitäre Bewegung. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=rPXI6tA31yI [18.4.2020]. 668 Ebda. 669 Ebda. 670 Ebda. 671 Vgl. PEHAM o.J; Rechtsextremismus als politische und pädagogische Herausforderung. S.4. In: DÖW. https:// www.doew.at/cms/download/5gm50/peham_rechtsextremismus_paedagogik.pdf [29.7.2020]. Seite 134 Protagonist*innen inszenieren „Identität“ als „Rettungsanker“ der „letzten Generation“, die durch Globalisierung verunsichert und bedroht ist. Es sind die wiederkehrenden Motive „Jugend“ und „Heteronormativität“, welche durch die Protagonist*innen dargestellt werden und durch Aussagen wie, „Ihr macht Menschen zu Waren und Kinder zu Objekten und erklärt Geschlechter und Familien für überflüssig“, verfestigt werden.

Die Macher*innen des Videos nahmen sich das Video der Génération Identitaire zum Vorbild, in dem die Mitglieder der französischen Génération Identitaire eine „Kriegserklärung“ formulieren. Das 2013 veröffentlichte Video verbreitete sich schnell im Netz und wurde mit Untertiteln in mehrere Sprachen übersetzt. Stilistische Gemeinsamkeiten zwischen dem Video der deutschen und französischen Gruppierung sind offensichtlich. Die Protagonist*innen blicken direkt mit emotionalisierendem Blick in die Kamera, das Video „Kriegserklärung“ ist schwarz-weiß und im Hintergrund ist ein Orchester zu hören (der Soundtrack zum Film Inception von Hans Zimmer). Die „Kriegserklärung“ ist sprachlich radikaler, einige Jahre nach dem Erschienen des französischen Videos hat die deutsche Gruppierung der Identitären die gleichen Forderungen, jedoch sind die Aussagen gemäßigter formuliert. In kurzen Sätzen prangern die französischen Identitären den „Kollaps“ der pluralen „Multikulti-Gesellschaft“ an und richten sich gegen Globalisierung und Zuwanderung. Sie sprechen von einer „aufgezwungen Rassenvermischung“ und richten sich gegen das Sozialsystem, das „Fremde“ angeblich bevorzuge. Gegen diese Zustände gelte es „aktiv zu handeln“ und sich „zur Wehr zu setzen“. Auch hier wird der Aufruf zum Kampf der „letzten Generation“ gegen den „Großen Austausch“ sichtbar:

„Wir haben den Fernseher ausgeschaltet und gehen auf die Straße. Wir haben unsere Botschaften auf die Wände geschrieben. Haben sie in Lautsprecher gerufen: ‚Jugend an die Macht‘ und haben unsere Lambda Flaggen gehisst. […] versteht ihr das nicht? Wir werden nicht zurückweichen, wir werden nicht nachgeben. Wir haben die Schnauze voll von eurer Feigheit“672

Ebenso wird im Video „Zukunft für Europa“ auf eine Teilung der Gesellschaft gebaut. „Wir“ die „letzte Generation“, die das Opfer von „Multikulti“ und den „68er“ sei, sowie die „Anderen“, die „Fremden“, die Schuld am politischen Zustand und am drohenden „Kollaps“ haben.

672 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND 2016, Zukunft für Europa - Identitäre Bewegung. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=rPXI6tA31yI [18.4.2020]. Seite 135 „Unsere Generation ist das Opfer der 68er, die sich selbst befreien wollten von Tradition, Wissen und autoritärer Erziehung. Aber sie haben es nur geschafft sich von ihrer Verantwortung zu befreien.“673

Durch Aussagen wie „Unser Land, unser Blut, unsere Identität“674, wird die rassistische Blut-und- Boden-Ideologie mit dem Begriff der „Identität“ verschleiert. „Identität“ ersetzt den belasteten Begriff der „Rasse“. Abschließend wir die politische Dringlichkeit des Videos verdeutlicht: „Glaubt nicht dies ist nur ein Manifest. Es ist eine Kriegserklärung“. Hier wird eine Rhetorik der absoluten Entschlossenheit sichtbar, welche die Identitären pflegen und Anhänger*innen zur Tat drängen soll.

An dieser Stelle stellt sich die Frage, wohin die „Kriegserklärung“ bzw. der inszenierte Krieg der Worte führt? Das Ziel wird in einer Aussage aus dem Video „Zukunft für Europa“ deutlich formuliert:

„Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache. Wir wollen keinen Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.“675

Das Zitat stammt vom Vordenker der „Neuen Rechten“ Götz Kubitschek. Die Identitären wollen nicht in demokratischen Dialog treten, sie wollen Recht bekommen und dazu wird eine andere, eine neue Sprache im Diskurs etabliert. Die „Neue Rechte“ ist auf Provokation aus.676 So sagte Kubitschek 2018 ganz offen, dass er „strikt“ dafür ist, „dass der Riss [Anm. durch die Gesellschaft] noch tiefer wird, dass die Sprache noch deutlicher wird.“677 Im Text Provokation schreibt Kubitschek dazu, dass die Krise in der sich Deutschland befinde „eine grundlegende Veränderung der Tonlage im Land notwendig“678 mache:

„Neben der Wirkungsrichtung unserer Provokation nach außen (mit den Zielen Zuspitzung, Konfrontation, Aufmerksamkeit), gibt es ebenso eine Wirkungsrichtung nach innen. Sie zielt auf Beispiel, Mobilisierung und Rekrutierung. Eine gelungene provokante Aktion ist ein Beispiel für Kreativität, Organisationsfähigkeit und Durchsetzungskraft. Im günstigen Fall mobilisiert sie Nachahmer oder originelle Kräfte und weckt ein Milieu, eine Szene […]. Das wichtigste jedoch ist die Rekrutierung Unentschlossener und Suchender.“679

673 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND 2016, Zukunft für Europa - Identitäre Bewegung. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=rPXI6tA31yI [18.4.2020]. 674 DAS ATHENAEUM 2013, Génération Identitaire - Kriegserklärung. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch? v=TUyTyg6XnsA [13.4.2020]. 675 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND 2016, Zukunft für Europa - Identitäre Bewegung. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=rPXI6tA31yI [18.4.2020]. 676 KUBITSCHEK 2006, Provokation! In: SEZESSION. https://sezession.de/6174/provokation [15.4.2020]. 677 FUCHS / MIDDELHOFF 2019, S. 15 678 KUBITSCHEK 2006, Provokation! In: SEZESSION. https://sezession.de/6174/provokation [15.4.2020]. 679 Ebda. Seite 136 Provokation hat nach Kubitschek eine „doppelte Wirkungsrichtung“: Einerseits richtet sich die Provokation gegen Gegner und wirkt störend und beunruhigend, was in den beiden beschriebenen Videos klar deutlich wird. Andererseits fasst Provokation „diejenigen ins Auge, die sie von der

Legitimität des eigenen Handelns überzeugen will.“680

Symbolwelt und PR-Provokation

Neben einer neuen kämpferischen Sprache und Bildern, sind es „symbolische“ Aktionen, die den Identitären als Waffen im Diskurs der Provokation dienen. Warum symbolisch? Die Aktionen der Identitären erreichen unmittelbar kaum etwas, sondern es geht vielmehr darum, das Bild einer handlungsfähigen „Protest-Bewegung“ zu erzeugen und bestimmte Narrative im Diskurs zu verankern. Für die Erzeugung jener Imagination sind essentielle Mittel die filmische, fotografische und grafische Vor- und Nachbearbeitung bzw. auch die unmittelbare Dokumentation von identitären Aktionen auf sozialen Medien, mit dem Ziel, diese medial rezipierbar und um Inhalte distribuierter zu machen681 (Vgl. Kapitel: Zwischen Straße und Öffentlichkeitsarbeit).

Ein extremes Beispiel für eine „symbolische“ Aktion dieser Art, welche einerseits als PR- Provokation angelegt war und andererseits die Szene übers Netz mobilisierte, war die „Mission Defend Europe“. 2017 rief die „letzte Generation“ zum Kampf für eine „Festung Europas“ und zur Verteidigung der Grenzen im Mittelmeer auf. Zu dieser Zeit häufte sich die mediale Berichterstattung über Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Flüchtlinge vor dem Ertrinken retteten. Der Vorwurf der Identitären, die „NGOs betätigen sich im Mittelmeer als

Schleppergehilfen“,682 setzte auf eine Kriminalisierung der Arbeit von NGOs durch eine gezielte Symbolpolitik. Die identitäre Strategie war es, in einer beispiellosen Verleumdungskampagne Hilfsorganisationen und NGOS zu denunzieren und zu kriminalisieren.

So charterten Anfang August 2017 eine Handvoll Identitäre aus Deutschland, Österreich, Frankreich, England und Italien ein Schiff, die C-Star, um auf offener See NGOs bei Hilfseinsätzen zu verfolgen und Flüchtlinge in ihre Heimat zurückzubringen.

„Es war ein zynisches Spiel mit kalkulierter Schockwirkung“, so beschreibt die Zeitschrift Profil diese „PR-Aktion“ der Identitären. Die Kampagne „Defend Europe“ sicherte den Identitären einige

680 KELLERSHOHN 2009, S. 280. 681 BENDL 2018, S. 73. 682 IBÖ 2017, Jahresbericht. S.18. http://www.identitaere-bewegung.at/wp-content/uploads/2018/04/ jahresbericht2017.pdf [3.4.2020]. Seite 137 Tage das Interesse einer breiten europäischen Öffentlichkeit und mediale Aufmerksamkeit. Obwohl die Aktion nach wenigen Tagen scheiterte, da das Schiff wegen eines Maschinenschadens auf dem offenen Mittelmeer manövrierunfähig wurde, verbuchten die Identitären die Mission trotzdem als „vollen Erfolg“. Denn auch wenn politisch wenig erreicht wurde, so waren die Identitären kurzzeitig als zentrale politische Akteure und ihre Aussagen im medialen Diskurs in ganz Europa präsent. Dieses Resümee könnte nach Jan Batzer,

„als der verzweifelte Versuch einer Umdeutung des eigenen Versagens angesehen werden, was wohl zum Teil auch der Wahrheit entspricht. Allerdings würde damit auch ein wesentlicher Teil des Wirkens der Identitären Bewegung ausgeklammert werden: die gezielte, selbstbewusste Darstellung der Gruppen und ihrer Akteure als intellektuelle Elite. Jede vermeintlich politische Aktion dient zugleich auch als Präsentationsfläche.“683

Die Identitären betreiben bewusst ein „symbolisches Handeln“, um Aufmerksamkeit zu erlangen. In Bezug auf den Terminus „symbolisch“ verweist Klaus Schönberger darauf, dass dies „durchaus relevant ist [Anm. und] eben nicht folgenlos oder beliebig bleibt.“ Denn das Ziel der skizzierten „symbolischen Aktion“ „war nämlich nicht der, dass sie die Rettung de facto behinderten, sondern die Erzeugung der Imagination, dass sie es können.“684 Weder Logistik noch Ressourcen waren für das Vorhaben ausreichend, obwohl die Identitären eine beachtliche Summe an finanzieller Unterstützung generieren konnten, wie der Leiter der IB Berlin, Robert Timm, im Gespräch mit der Jungen Freiheit verdeutlicht:

„Unsere primäre Aufgabe ist es, die Arbeit der NGOs zu kontrollieren und zu dokumentieren […] Wir sind sechs Aktivisten. Dazu kommt eine achtköpfige Besatzung des Schiffes. […] Tatsächlich war die Vorlaufzeit für die Größe des Projekts sehr kurz.“685

Und Timm weiters: „Wir tun das, was eigentlich Aufgabe der Regierung wäre“, denn

„letzten Endes wollen wir in diesem Land weiterleben, und wenn unsere eigene Regierung vorgibt, an dem Chaos nichts ändern zu können, dann müssen wir eben beweisen, daß das geht. Und wenn es nur symbolisch ist.“686

Hier wird deutlich, dass es nie der Plan der Identitären war die NGOs tatsächlich an ihrer Arbeit zu hindern und Flüchtlinge zu stoppen, sondern dass sie sich mit vergleichsweise wenig Mittel als

683 BATZER 2019, S. 115. 684 SCHÖNBERGER 2019, Identitäre: Proteste auf der "Höhe der Zeit“. In: DER STANDARD. https:// www.derstandard.at/story/2000100594213/identitaere-proteste-auf-der-hoehe-der-zeit [17.5.2020]. 685 STEINWANDTER 2017, Interview zu „Defend Europe“: „Wir tun das, was eigentlich Aufgabe der Regierung wäre.“ In: JUNGE FREIHEIT. https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2017/wir-tun-das-was-eigentlich-aufgabe-der- regierung-waere/ [4.5.2020]. 686 Ebda. Seite 138 Imagination einer handlungsfähigen „Bewegung“ inszenieren. Es geht primär darum, das Narrativ der „letzten Generation“ die aktiv wird, um „Europa zu verteidigen“, durch ein symbolisch aufladbares Ereignis in der öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Die Kampagne „Defend Europe“ hätte nach Andrea Röpke vorschnell als „Aufschneiderei“ abgetan werden können, „wären da nicht die sozialen Medien“687.

„Viele Tausend Follower in mehreren europäischen Ländern und Nordamerika folgten der Inszenierung […] schon bevor die überhaupt die »C-Star« bestiegen hatten. Der Zeitpunkt wenige Wochen vor der Bundestagswahl war geschickt gewählt, die Flüchtlingszahlen waren bereits rückläufig. Doch das Thema wurde am Kochen gehalten.“688

Bereits im Vorfeld der Aktion „Defend Europe“ konnten die Identitären über soziale Medien eine breite Unterstützung durch rechte Akteur*innen, finanzielle Mittel und internationale Aufmerksamkeit verbuchen. Begleitet wurde die Kampagne von einem Spendenaufruf, bei dem laut Angaben der Identitären bereits in einer ersten Sammlung via Paypal ca. 64.000 Euro lukriert werden konnten. Jedoch fror der Bezahldienst das Konto ein und die Spenden gingen zurück. Danach wechselten die Identitären auf die Crowdfunding-Plattform wesearchr, die von dem US- amerikanischen Alt-Right Aktivisten Charles Johnson betrieben wird, und sammelten in einem zweiten Anlauf ca. 123.000 US-Dollar.689 Die Recherchen des antirassistischen und antifaschistischen Magazins HOPE not hate (Hnh) aus Großbritannien zeigt, wie stark die Vernetzung der internationalen Rechten für die Mobilisierung der Identitären inzwischen geworden ist. Unterstützung für die Aktion gab es unter anderem von , dem ehemaligen Leiter „Grand Wizard of the Knights“ des Ku Klux Klans, welcher sich an seine 50.000 Twitter-Abonnent*innen wandte, um Unterstützung für die „C-Star“ zu gewinnen: „Defend Europe Identitarian SAR690 has a ship, now needs money to get to the

Mediterranean. Donate now! #DefendEurope“.691 Weitere Unterstützung gab es auch von anderen Akteur*innen der US-amerikanischen Alt-Right-Szene, darunter Richard Spencers von AltRight.com, Jared Taylors American Renaissance und einer zu dem Zeitpunkt weltweit führenden

687 RÖPKE 2018, S. 18. 688 Ebda. 689 JAKOB 2017, Anti-Flüchtlings-Mission der Identitären: Wegen Schlepperei festgenommen. In: TAZ. https://taz.de/ Anti-Fluechtlings-Mission-der-Identitaeren/!5437440/ [18.5.2020]. 690 SAR: humanitäre und ehrenamtliche Arbeit der „search-and-rescue“ (SAR)-Schiffe zur Rettung von MigrantInnen und Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. (Vgl. MURDOCH 2017, Das Scheitern der Mission >Defend Europe<. In: DER RECHTE RAND. https://www.der-rechte-rand.de/archive/2540/no-defend-europe/ [18.4.2020].) 691 DUKE 2017, o.T. In: Twitter [Eigener Screenshot von 17.7.2020]. Seite 139 Neonazi-Website , die mittlerweile durch den Provider abgeschaltete wurde.692 Diese weltweite Unterstützung zeigt, dass die Identitären eine hohe Mobilisierungsfähigkeit haben bzw. auf Finanzkraft durch internationale Vernetzung zugreifen können. Ohne die Online- Mobilisierung und Spendenkampagne hätte die Offline-Aktion nie durchgeführt werden können. So war die Inszenierung im Vorfeld und im Nachspann der Aktion von großer Bedeutung, um international Aufmerksamkeit zu erlangen. Auch die Inszenierung während und nach der Aktion waren Teil einer Strategie, die Kampagne online größer aufzublasen als sie eigentlich war.

Fraglos ist festzustellen, dass „Defend Europe“ durch gezielte Provokation, professionelle Vermarktung, internationale Vernetzung und richtiges Timing viel mediale Aufmerksamkeit und großen Einfluss auf den öffentlichen Diskurs in Fragen der Migration nahm und die Grenzen des Sagbaren, durch negative Frames wie „Schlepper-NGOs“, aufweichte.

Überhöhte Selbstdarstellung und diskursive Wirkung

Die Identitären waren rhetorisch imstande über soziale Medien eine rein „symbolischen Aktion“ so zu inszenieren, dass aus einer „Mücke ein Elefant“ wurde, verkauft wurden zudem die Romantik der Aktion „auf hoher See“.693 Dies war wohl eine der paradoxesten Provokationen der Identitären, denn die öffentliche Aufregung und das mediale Echo darüber waren groß, obwohl es weder materiell, noch logistisch möglich gewesen wäre, die NGOs durch diese Aktion an ihrer Seenotrettung zu hindern. Die Erfolgsstory der Aktion beginnt für die Identitären jedoch bei der medialen Aufmerksamkeit, die zur Diskreditierung der Flüchtlingshilfsorganisationen beitrug. Es gelang den Diskurs so zu steuern, dass die NGOs mit „Schleppern“ gleichgesetzt wurden. Behauptet wurde gar, sie würden miteinander Absprache halten. Die Folgen des medialen Spektakels war, dass „Hilfsorganisationen […] ohne Beweise kriminalisiert, ihre humanistische Arbeit in einigen europäischen Ländern von konservativen Medien infrage gestellt“694 wurde und die diskursive Einflussnahme der Identitären erneut ein Stück weit abgesichert wurde. Die Identitären schafften es, ein Narrativ im Diskurs zu verankern, das die Arbeit von Flüchtlingshilfsorganisationen in Frage stellte:

692 Vgl. MURDOCH 2017, Das Scheitern der Mission >Defend Europe<. In: DER RECHTE RAND. https://www.der- rechte-rand.de/archive/2540/no-defend-europe/ [18.4.2020]. 693 SCHÖNBERGER 2019, Identitäre: Proteste auf der „Höhe der Zeit“. In: DER STANDARD. https:// www.derstandard.at/story/2000100594213/identitaere-proteste-auf-der-hoehe-der-zeit [17.5.2020]. 694 RÖPKE 2018 zit. n. REDAKTION BELLTOWER NEWS 2018, „Defend Europe“: Wie „Identitäre“ PR Einfluss genommen hat. https://www.belltower.news/defend-europe-wie-identitaere-pr-einfluss-genommen-hat-48258/ [18.5.2020]. Seite 140 „Gemeinsam mit anderen interessierten politischen Kräften, zum Beispiel in Italien und auch in Österreich, wurde diese Aktion Teil jenes Diskurses, der die Handlungsfähigkeit der Seenothilfe einschränken sollte.“695

Die mediale Kampagne zu „Defend Europe“ hatte zwar keinen unmittelbaren politischen Effekt, nahm aber indirekt Einfluss auf den öffentlich-medialen Diskurs um die Außengrenzsicherung der EU bzw. die Seenotrettung im Mittelmeer. Auch wenn man keine politische Veränderung erzielte, konnte man den allgemeinen Sprachgebrauch und die im politischen Diskurs präsente Narrative stark beeinflussen. Das Narrativ der „Schlepper-NGOs“ als Feindbild bzw. die „Verteidigung Europas“ wurden salonfähig. In der Debatte über EU-Grenzschutz bzw. Seenotrettung übernahmen in der Folge verschiedene politische Parteien die Sprache und Botschaften der Identitären. Als unmittelbare Reaktion auf die Kampagne „Defend Europe“ im Mittelmeer, forderte etwa der damalige Innenminister Wolfgang Sobotka in einer Presseaussendung, es bräuchte „jetzt Maßnahmen zur Schließung der Mittelmeerroute“696.

„Neben dem menschenverachtenden Geschäft der Schlepper mit unzähligen Toten und den illegalen Anlandungen hat sich die Situation durch Rechtsextreme zusehends verschärft. Politische Extremisten, die im Mittelmeer NGOs angreifen sind ein klares Zeichen für Radikalisierungstendenzen in Europa. Wir müssen dieser Entwicklung klar entgegentreten und auf europäischer Ebene dafür Sorge tragen, dass sich die Situation auf dem Mittelmeer normalisiert und die Fluchtroute geschlossen wird. Wir als Staatengemeinschaft dürfen dieses Feld nicht Ewiggestrigen überlassen. Neben einem wirkungsvollen Schutz der EU-Außengrenze ist dafür auch eine klare Auslegung und Anwendung der Asylgesetze notwendig.“697

Die Identitären reklamierten die Stellungnahme Sobotkas auf ihrer Homepage als „einen vollen Erfolg“ und resümierten, dass der ehemalige Minister „die Wirksamkeit unserer Kampagne […] durch eine Presseaussendung bestätigte.“698 Kurz, Lopatka und Sobotka sprachen auch von der Notwendigkeit der Schließung der Flucht-Routen über das Mittelmeer. Was die Identitären wiederum dazu veranlasst über Facebook zu posten: „Kurz und Co kündigen an, dass die

Mittelmeerroute geschlossen werden soll. Wir setzen uns jetzt schon dafür in Bewegung.“699 2018

695 SCHÖNBERGER 2019, Identitäre: Proteste auf der „Höhe der Zeit“. In: DER STANDARD. https:// www.derstandard.at/story/2000100594213/identitaere-proteste-auf-der-hoehe-der-zeit [17.5.2020]. 696 APA 2017, Sobotka: „Braucht jetzt Maßnahmen zur Schließung der Mittelmeerroute“. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170813_OTS0014/sobotka-braucht-jetzt-massnahmen-zur-schliessung- der-mittelmeerroute [14.10.2019]. 697 Ebda. 698 IBÖ 2017, Jahresbericht. S.20. http://www.identitaere-bewegung.at/wp-content/uploads/2018/04/ jahresbericht2017.pdf [3.4.2020]. 699 RAUSCHER 2017, Identitäre: Unter Dschibutis Flagge. In: DER STANDARD. https://www.derstandard.at/story/ 2000061273941/unter-dschibutis-flagge [14.4.2020]. Seite 141 übernahm ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz in einem Interview mit der FAZ sogar den negativen Frame der Identitären und setzte die Seenotretter-NGOs mit Schleppern gleich:

„Es kann doch nicht sein, dass ein paar Nichtregierungsorganisationen das klare Ziel der 28 Staats- und Regierungschefs in Europa konterkarieren. Und das nicht nur mit dem Ziel, Leben zu retten, sondern gemeinsam mit den Schleppern Menschen nach Mitteleuropa zu bringen.“700

Hier wird deutlich, dass die Identitären es schafften ihre vereinfachten Botschaften und Lösungen in den politischen Diskurs der „Mitte“ einzubringen:

„Es ist ein höchst komplexes Problem, das die Identitären perfide auf einen simplen Nenner bringen: An allem, was im Mittelmeer passiert, tragen linke NGOs die Schuld. Stoppt man sie, wird alles gut.“701

In ganz Europa wurde „Defend Europe“ zur zentralen und konsensbildenden Parole der extremen Rechten und war zugleich „eine zeitgemäße Umschreibung ihrer White-Power-Ideologie“702 Mit Publicity-Kampagnen, wie „Defend Europe“, brachten die Identitären die „Metapher der Verteidigung“ in den politischen Diskurs und zielten darauf ab, pauschal „Geflüchtete und Muslime zu Aggressoren zu erklären und die gegen sie gerichtete Ausgrenzung und Gewalt als ‚Notwehrhandlung‘ zu legitimieren“.703 Die Identitären inszenieren sich als handlungsfähiges Gegengewicht zur politisch gewählten Volksvertretung704 und als „demokratische Kraft, die den

‚Kontrollverlust‘ der Regierungen kompensieren will.“705 Durch diese übersteigerte Selbstdarstellung wird die menschenverachtende „Mission“ zu einer „Art Kriegseinsatz gegen Menschen auf der Flucht, die nichts haben außer dem nackten Leben“706 inszeniert und propagiert, dass die Identitären imstande wären, „mit einem einzigen Schiff den über 1700 Kilometer langen Küstenabschnitt vor ‚afrikanischen Eindringlingen‘ nach Europa abzusichern“.707

700 DER STANDARD 2018, Kurz setzt Schlepper und Hilfs-NGOs faktisch gleich. https://www.derstandard.at/story/ 2000089290517/kurz-setzt-schlepper-und-seenotretter-faktisch-gleich [13.4.2020]. 701 ZOTTER 2017, Mittelmeerroute: Die zynische PR-Aktion der Identitären. In: PROFIL. https://www.profil.at/ ausland/mittelmeerroute-pr-aktion-identitaeren-8322224 [15.5.2020]. 702 AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVEN o.J; ‚Defend Europe‘. https://dasversteckspiel.de/die-symbolwelt/ rassismus/defend-europe-316.html [3.5.2020]. 703 Ebda. 704 Vgl. HASLINGER (Hrsg.) / ZETTELBAUER 2009. 705 BADEN-WÜRTTEMBERGER LANDESAMT FÜR VERFASSUNGSSCHUTZ 2018, Die Kampagne „Defend Europe Alps“ der „Identitären Bewegung“. https://www.verfassungsschutz-bw.de/,Lde/Startseite/Arbeitsfelder/ Die+Kampagne+_Defend+Europe+Alps_+der+_Identitaeren+Bewegung_ [13.4.2020]. 706 RÖPKE 2018 zit. n. REDAKTION BELLTOWER NEWS 2018, „Defend Europe“: Wie „Identitäre“ PR Einfluss genommen hat. https://www.belltower.news/defend-europe-wie-identitaere-pr-einfluss-genommen-hat-48258/ [18.5.2020]. 707 RÖPKE 2018, S. 17–18. Seite 142 Die übersteigerte Selbstdarstellung als Gegengewicht zur „unfähigen“ Politik wird in einem Post des Twitter-Account von „Defend Europe“ (rund 27.000 Follower, Stand Juni 2020) sichtbar, indem ein Sieg verbucht wurde: „When politicians fail it's our job to #DefendEurope“708 (Vgl. Abb. 20).

Abb. 20: Tweet „Defend Europe“ 2017:709

Der YouTube-Kanal von „Defend Europe“ hat heute noch 5270 Abonnent*innen (Stand Juni 2020), dort inszeniert man die „Mission“ mit Videotagebüchern und Interviews der Aktivisten710. Auch eine angeblich „internationale Pressekonferenz"711 zum Ablauf „Defend Europe“ wurde veranstaltet und via YouTube gestreamt. Mehrere Videos inszenieren den politischen „Erfolg“, sie tragen Titel wie „Our mission is already a success!“712 oder „The successes of Defend Europe“713. In diesen Videos sprechen die Aktivisten von einer „historischen Schande für unsere politische Führungen“, weil eine „Handvoll Aktivisten ein Boot […] chartern muss, um Europa zu verteidigen“. Sie nennen sich selbst „Game-Changer“, denn ihre Aktion auf dem Schiff sei ein „Symbol für die Macht des

708 DEFEND EUROPE 2017, o.T. In: Twitter [Eigener Screenshot von 5.6.2020]. 709 Ebda. 710 In der Folge wird bewusst auf ein Gendern verzichtet, da an der Aktion nur männlich Mitglieder der Identitären teilnahmen. 711 DEFEND EUROPE 2017, International press conference for the end of 1st Defend Europe mission. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=iswqv0CLXds [7.6.2020]. 712 DEFEND EUROPE 2017, Our mission is already a success! In: YouTube. https://www.youtube.com/watch? v=xmoV8oAYvnE [4.6.2020]. 713 DEFEND EUROPE 2017, The successes of Defend Europe. In: YouTube. https://www.youtube.com/watch? v=NpsDDtOC-yc [5.8.2020]. Seite 143 Volkes gegen die Macht von Eliten“. Die europäische Politik wird aufgeladet im Sinne der australischen „No-Way“-Politik zu handeln: „Wir sind hier um Leben zu retten, Europa zu verteidigen und die Schlepperei […] zu beenden. […] Defend Europe ist der Ruf zu Handeln.“714

Die YouTube-Videos während der „Mission“ werden wie auch andere vergleichbare Medien heroisch inszeniert, indem die Aktivisten an Board der „C-Star“ interviewt werden, über den angeblichen Erfolg ihrer Tätigkeiten berichten und provozierende Parolen verbreiten. Die Videos des Kanals „Defend Europe“ erhalten durchschnittlich 10.000 Klicks. Als Martin Sellner auf seinem YouTube-Kanal Videos von Bord teilte, wurden sie bis zu 50.000 mal geklickt. Während die männlichen Aktivisten an Bord sich als heldenhafte „Retter Europas“ inszenieren und für die inhaltlichen Grundlagen der Aktion zuständig aufscheinen, so dienen die Aktivistinnen als Mittel einer dynamischen hippen Kommunikation. Weibliche Mitglieder der Identitären posten Bilder von sich in „Defend Europe“-T-Shirts um die Mission zu vermarkten und werden – ganz geschlechterstereotyp – als Sinnbild für Schönheit und Jugend inszeniert.715 Wie bereits analysiert, ist bei der Identitären vor allem das Motiv „sex sells“ beliebt, um politische Aktionen zu vermarkten (Vgl. Abb. 21).

Abb. 21: Aktivistinnen der Identitären in „Defend Europe“-Shirts:716

Insgesamt wird durch politische Strategien wie bei der „Mission: Defend Europe“ auch die Figur der „letzten Generation“ im öffentlichen Diskurs etabliert und zugleich eine Krisenwahrnehmung erzeugt. Durch die Omnipräsenz der Aktion auf der „C-Star“ in mehreren Sprachen (deutsch, französisch, englisch, italienisch, spanisch, ungarisch, tschechisch, dänisch und griechisch), sowie durch Unterstützung und der Zusammenarbeit mit der internationaler Rechten konnte ein breites Resonanzfeld erzeugt werden. Die andauernde Nennung von Feindbildern – in diesem Falle die

714 DEFEND EUROPE 2017, Our mission is already a success! In: YouTube https://www.youtube.com/watch? v=xmoV8oAYvnE [4.6.2020]. 715 Vgl. BATZER 2019, S. 123. 716 IBÖ 2017, Jahresbericht, S. 20. Seite 144 Bedrohung durch hilflose Flüchtlinge auf dem Mittelmeer – führt zu einer „Rhetorik der Angst“. Das Narrativ der „bedrohten Identität“ und der „letzten Generation“ im „Kampf um Europa“ will man massentauglich inszenieren und in den politischen Diskurs hineintragen. Die Strategie des „symbolischen“ Handelns zielt auf mediale Präsenz und darauf sich als entscheidende Akteur*innen im politischen Diskurs zu legitimieren. Provokationen sollen verstören und einschüchtern und nicht argumentativ überzeugen – auch dadurch werden die Grenzen des gesellschaftlichen Akzeptieren verschoben.717

Exkurs: „Generation Breivik“

Hier sollen die Auswirkungen politischer Strategien in Zusammenhang mit terroristischen Attentaten gezeigt werden. Das Narrativ der „letzten Generation“ besagt, dass „eben auch buchstäblich alles getan und riskiert werden“718 muss um das angestrebte politische Ziel zu erreichen. So spricht Andreas Peham im Jugendmagazin Vice nicht von einer Génération Identitaire, sondern unter Bezug auf den wegen mehrfachen Mordes verurteilten norwegischen Rechtsterroristen, Anders Breivik,719 von einer „Generation Breivik“. Peham: „Kriegerklärungen“ wie jene der Génération Identitaire können „Menschen wie Anders Breivik zu ihren Taten motivieren.“720

„Nicht weil Martin Sellner ein Breivik ist, aber weil Leute wie Martin Sellner Leute wie Anders Breivik zu ihren Taten motivieren, indem sie sagen ‚Europa geht unter und wir sind die letzte Generation, die das aufhalten kann‘. Weil, was heißt das, wenn ich das wörtlich nehme? Dann muss alles erlaubt sein, um den Untergang Europas zu verhindern.“721

Mittlerweile ist das, was Peham am 12. Mai 2017 beschreibt, noch deutlicher geworden, durch Anschläge wie jene in Christchurch oder Hanau. Denn durch den medialen Diskurs um die „letzte Generation“ die gegen den „Großen Austausch“ kämpft, wird eine Bewegung von einer Online- zu einer Offline-Mobilisierung sichtbar. Die Ideologie, „die Gewalt als scheinbar letzte

717 SCHÖNBERGER 2019, Identitäre: Proteste auf der „Höhe der Zeit“. In: DER STANDARD. https:// www.derstandard.at/story/2000100594213/identitaere-proteste-auf-der-hoehe-der-zeit [17.5.2020]. 718 BONVALOT 2018, S. 218. 719 Anders Breivik ist ein norwegischer Rechtsterrorist, der 2011 in einem Zeltlager der sozialdemokratischen Jugendorganisation (AUF) 77 Menschen, darunter vorwiegend Jugendliche unter 18 Jahren, tötete. In einem Manifest und Video das er wenige Stunden vor dem Anschlag ins Netz stellt, begründet er sein Motiv, dass von „Multikulti“, „Globalisten“ und der „Islam“ eine Bedrohung für Europa ausgehe. Er wollte die regierenden Sozialdemokrat*innen die für die Immigrations- und Einwanderungspolitik verantwortlich seien „so hart wie möglich“ treffen. (Vgl. FAZ 2011, „Etliche“ weitere Zellen im Ausland. https://www.faz.net/aktuell/politik/attentate-in-norwegen/erklaerung-des- anwalts-etliche-weitere-zellen-im-ausland-11115168.html [2.9.2020].) 720 DONNERBAUER 2017, Rechtsextremismus in Österreich: Eine Analyse der letzten 10 Jahre. In: Vice https:// www.vice.com/de/article/mgme34/rechtsextremismus-in-osterreich-eine-analyse-der-letzten-10-jahre [15.6.2020]. 721 Ebda. Seite 145 Lösungsmöglichkeit […] präsentiert“,722 wird übers Netz auf der ganzen Welt verbreitet und motiviert Anhänger*innen dazu, das politische Konzept auch in die Tat umzusetzen. Das zeigen auch die rechtsterroristischen Anschläge aus der jüngeren Vergangenheit deutlich: die Identitären säen Gewalt, anstatt sie selbst auszuüben.

Aktuell lassen sich vermehrt rechtsextreme Anschläge in ganz Europa wahrnehmen, die durch eine gewaltvolle Ideologie und eine popularisierte Verschwörungstheorie zum „Großen Austausch“ motiviert sind. So legitimierte etwa der Attentäter von Christchurch seine Tat, die Ermordung von insgesamt 51 Menschen und die Verletzung von rund 50 Menschen. Der Attentäter glaubte offenkundig an den von den Identitären propagierten geplanten „Bevölkerungsaustausch“ und stand vor seiner Tat mit Martin Sellner über Emails in Kontakt, spendete der Identitären Geld und benannte sein Manifest zur Tat „The Great Replacement“723. Nicht nur der Titel seines Manifest weist Überschneidungen mit der Identitären auf, sondern er berief sein ideologisches Handeln auch auf das rassistische Konzept des Ethnopluralismus. 724

Das rechtsextremistisch motivierte Terror-Attentat von Christchurch ist ein Beispiel für die gewaltvollen Auswirkungen der identitären Ideologie und zeigt, wozu eine kämpferische Sprache führen kann. Den Anschlag verbreitete der Attentäter mit einer Helmkamera live auf Facebook, das Video wurde mehr als 1,5 Millionen Mal verbreitet.725 Anschläge werden immer öfter live übers Netz gestreamt und rufen zur Nachahmung auf. Der Attentäter von Christchurch wurde im August 2020 zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung verurteilt.726

Im Oktober 2019 versuchte ein deutscher Rechtsextremist einen Massenmord in einer Synagoge zu verüben. Am höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, wollte er in die Synagoge von Halle eindringen, um die dort versammelte jüdischen Gemeinde zu ermorden. Jedoch gelang es ihm nicht ins Gebäude einzudringen, worauf er zwei Menschen auf offener Straße tötete und auf seiner Flucht zwei weitere Menschen verletzte. Auch er verfasste im Vorhinein ein verschwörungstheoretisch

722 Vgl. FORSCHUNGSGRUPPE IDEOLOGIEN UND POLITIKEN DER UNGLEICHHEIT (FIPU) 2019, Die Gefährlichkeit der Identitären: Gewalt der Worte. In: DER STANDARD. https://www.derstandard.at/story/ 2000101112578/die-gefaehrlichkeit-der-identitaeren-gewalt-der-worte [14.3.2020]. 723 ÖNNERFORS Önnerfors 2019, ‚The Great Replacement‘ – Decoding the Christchurch Terrorist Manifesto. In: CENTRE FOR ANALYSIS OF THE RADICAL RIGHT(CARR). https://www.radicalrightanalysis.com/2019/03/18/ the-great-replacement-decoding-the-christchurch-terrorist-manifesto/ [1.9.2020]. 724 Ebda. 725 DER STANDARD 2019, Auszüge aus Christchurch-Video gezeigt: TV Sender muss Strafe zahlen. https:// www.derstandard.at/story/2000107586843/auszuege-aus-christchurch-video-gezeigt-tv-sender-muss-strafe-zahlen [3.6.2020]. 726 DER STANDARD 2020, Christchurch-Attentäter zu lebenslanger Haft verurteilt. https://www.derstandard.at/story/ 2000119609538/christchurch-attentaeter-zu-lebenslanger-haft-verurteilt [9.9.2020]. Seite 146 argumentiertes Manifest – „das mit Anspielungen auf die Gamer-Szene gespickt ist“727 – filmte die Tat mit einer Helmkamera in Videospielästhetik und streamte alles live im Netz.728 Julia Ebner nennt dies eine „Gamifizierung von Terrorismus“, da im Manifest zum Attentat etwa weitere Ziele gelistet waren, wie z.B.: „eine Jüdin zu töten oder eine Moschee niederzubrennen. […] Jede weitere erfüllte Aufgabe bringe diesem Verständnis nach Punkte. Nach Balliets Tat hätten viele Online- Nutzer dazu aufgerufen, seinen makabren Score zu toppen,“ so Julia Ebner.729 Ebner führt auch weiters aus, dass der Attentäter von Christchurch möglicherweise ein Vorbild für Balliets war. SO sieht Ebner ähnliche Muster wie beim Terroranschlang in Christchurch:730

„Diese Art von Terrorismus, dieser inspirative Terrorismus oder Copycat-Terrorismus, kann auch für künftige Attentäter eine Inspiration sein.“731

Am 21. Juli 2020 startete der Prozess gegen Balliet, der den Anschlag aus „einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus“ verübte.732 Es sind 18 Verhandlungstage für den Prozess angesetzt, letzter Termin ist der 14. Oktober und dem Täter droht eine lebenslange

Haftstrafe.733

Ein weiteres Beispiel ist der Attentäter von Hanau, der im Februar 2020, zehn Menschen vor einer Shishabar ermordete. Auch er verfasste ein schriftliches Manifest zur Tat, indem er sich auf einen vermeintlichen „Bevölkerungsaustausch“ bezog. Er benutzte zwar nicht die gleichen Begriffe, aber der Inhalt ist den „ideologischen Ausrichtungen“ der Identitären zum Verwechseln ähnlich. So spricht der Hanauer Täter von der Bedrohung durch „außereuropäische Einwanderer“, dass „gewisse Personen“ die Einwanderung „steuern“.734 Prozess gegen den dringend Tatverdächtigen kann es keinen geben, da er seine Mutter tötete und sich dann das Leben nahm.735

727 KLAUS 2020, Prozessauftakt zu Halle-Attentat-„Ein solcher Anschlag kann wieder passieren“. In: ZDF. https:// www.zdf.de/nachrichten/digitales/halle-prozess-attentaeter-radikalisierung-100.html [6.9.2020]. 728 BIERMANN / HOMMERICH / MUSHARBACH/ POLKE-MAJEWSKI 2019, Anschlag in Halle: Attentäter mordete aus Judenhass. In: ZEIT ONLINE. https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-10/anschlag-halle- helmkamera-stream-einzeltaeter [4.9.2020]. 729 KLAUS 2020, Prozessauftakt zu Halle-Attentat-„Ein solcher Anschlag kann wieder passieren“. In: ZDF. https:// www.zdf.de/nachrichten/digitales/halle-prozess-attentaeter-radikalisierung-100.html [6.9.2020]. 730 Vgl. Ebda. 731 Ebda. 732 Ebda. 733 Vgl. Ebda. 734 LAUER 2020, Wie das BKA den Hanau-Attentäter entpolitisiert. In: BELLTOWER NEWS. https:// www.belltower.news/verschwoerungstheorien-und-rechtsextremismus-wie-das-bka-den-hanau-taeter- entpolitisiert-97719/ [17.5.2020]. 735 HESSENSCHAU.DE 2020, Hanau-Attentat war Thema im Landtag. Zu wenige Antworten auf zu viele Fragen. https://www.hessenschau.de/gesellschaft/hanau-attentat-zu-wenige-antworten-auf-zu-viele-fragen,hanau-opfer- landtag-100.html [8.9.2020]. Seite 147 Heute nutzen Rechtsextreme das Netz zur Mobilisierung und die „Freude an Spielen“, um ihr Gedankengut zu verbreiten und ihre Taten zu glorifizieren. Nach dem Videokünstler Arne Vogelgesang machen sich Rechte aktuell „Elemente von Spielen auf perfide Weise zunutze“ und er beobachtet, „dass rechte Attentäter für ihre Anschläge zunehmend Games als Vorbild nehmen“.736 Denn „ohne Wiederholungen ist es kein Spiel. Die Häufung rechtsextremer Anschläge nach Christchurch, die alle nach einem ähnlichen Schema abliefen, belegt das.“737 Demnach ist ein klarer Trend erkennbar, Gamification wird strategisch zur Verbreitung der Ideologie genutzt und hat viele Varianten. Mit Memes, Livestreams im sogenannten Lets-Play-Stil (Gamer dokumentieren und kommentieren ihr Spiel, die Videos werden auf Videoportalen oder Live-Stream-Plattformen teilweise millionenfach geklickt), das Verarbeiten von DIY-Anleitungen für Waffen (Attentäter von

Halle) will man rechtsextreme Ideologie verbreiten.738

Jan Rathje von der Amadeu Antonio Stiftung spricht davon, dass rechtsextreme terrorisitische Täter zwar einzeln handeln, doch sie eint das rassistische Weltbild und die Partizipation an einem weltweiten rechtsextremen Kontext. Das zentrale verschwörungsideologische Motiv der extremen Rechten, wenn es in Richtung Terror geht, ist nach Rathje der Mythos des „Großen Austausch“. Es ist die uralte Geschichte vom mutmaßlichen Genozid an den Weißen. „Bereits in ‚Mein Kampf‘ schreibt Hitler davon. Es ist ein sehr altes Motiv, das jetzt wieder wirkmächtig wird.“739

736 PARBEL 2020, Gamification als Strategie. Wenn Faschisten Faschisten spielen. In: NETZPOLITIK https:// netzpolitik.org/2020/wenn-faschisten-faschisten-spielen/ [20.2.2020]. 737 Ebda. 738 Ebda. 739 HASSELBACH 2020, Motiv: Der angebliche „große Austausch“. In: DW. https://www.dw.com/de/motiv-der- angebliche-gro%C3%9Fe-austausch/a-52445990 [1.6.2020]. Seite 148 7. Resümee

Ziel der vorliegenden Arbeit war es die aufgeworfene Fragestellung, auf welche Weise die Identitären am öffentlich-politische Diskurs teilnehmen, zu beantworten. Wie werden rechtsextreme Aussagen im Diskurs legitimiert. Zu diesem Zwecke wurden weiterführende Fragen diskutiert, welche die zentralen Diskursstrategien der Identitären dekonstruieren sollten.

Einerseits versuchen sich die Identitären mit bestimmten Abgrenzungsmechanismen vom Rechtsextremismus zu distanzieren. Dabei setzen sie bewusst auf eine neue Begriffswahl, auf Umdeutungen und Umwertungen von Begriffen und Theorien sowie eine „Rhetorik der Angst“. Es werden meist bewusst vom Entstehungszusammenhang eher linksorientierte Theorien, wie beispielsweise jene der „kulturellen Hegemonie“ von Antonio Gramsci herangezogen, dem ursprünglichen Kontext entzogen, um eigene politische Deutungen anschlussfähig an die gesellschaftliche Mitte zu formulieren. Dieses Vorgehen findet bei der gesamten „Neuen Rechten“ großen Zuspruch und Anwendung. Sie versuchen mit einem „Gramscianismus von rechts“ oder einem „Kulturkampf von rechts“ über Sprache und Kultur eine gesellschaftliche Mehrheitsposition zu generieren, um die „Eroberung der kulturellen Hegemonie“ zu erreichen und die politische Kultur schleichend nach rechts zu verschieben. Begriffe wie „Rassismus“ werden einfach umgedeutet oder abgelehnt, um eine vermeintliche Gleichsetzung von „rechts“ und „links“ zu propagieren. So sei es nach Ansicht der Identitären etwa antirassistisch, wenn Menschen nicht zur Assimilation gezwungen werden, sondern in ihre Herkunftsländer zurück gebracht werden, damit sie dort ihre eigentliche „kulturelle Identität“ ausleben können. Anstatt den Rassismus-Begriff zu verbannen, wird er mit einem neuen Inhalt gefüllt, um einer strafrechtlichen relevanten Verurteilung als „rassistisch“ oder verhetzend aus dem Weg zu gehen. Dabei argumentieren die Identitären stets für den „Erhalt der ethnokulturellen Identität“ und fordern „Remigration“ von Flüchtlingen, Migrant*innen und Asylsuchenden. Der ideologische Grundkern des vertretenen „Ethnopluralismus“ bedeutet nichts anderes, als dass jedes „Volk“, jede „Identität“ bzw. Jede „Kultur“ einem bestimmten „Raum“ zugeordnet werden könne. Die Argumentation die sich anstatt auf „Rasse“ auf „Volk“, „Identität“ und „Kultur“ bezieht, wird als „Rassimus ohne Rasse“740 bezeichnet. Dabei stellt die Verwendung von unverbrauchten Begriffen wie etwa „Ethnopluralismus“ statt „Rassismus“ oder „Remigration“ statt „Ausländer raus“ eine wichtige Strategie dar, mit der sich die Identitären vom Rechtsextremismus abgrenzen.

740 Vgl. PURTSCHELLER / SCHIEDEL 1994, S. 29 Seite 149 Die vermeintliche Gefahr die für die „kulturelle Identität“ von „fremden“ Kulturen ausgehe, zeigt einmal mehr den wenig verdeckten herkömmlichen Rassismus der Identitären. Anstatt wie früher mit einem biologischen Rassismus zu argumentieren, wird nun mit einem kulturell fundierten Rassismus-Begriff argumentiert. In beiden Fällen legitimiert das Konzept Ungleichheit Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt.

Das zentrale Narrativ der Identitären ist die verschwörungstheoretisch fundierte Erzählung über den „Großen Austausch“. Dabei wird durch eine unbelastete Sprache zugleich ein kriegerischer Kontext und „Endzeitstimmung“ erzeugt. Die Parallele zum NS-Konzept der „Umvolkung“ liegt auf der Hand. Der angeblich geplante „Bevölkerungsaustausch“ etabliert zugleich ein Bedrohungsszenario und einen Krisendiskurs, der versucht über „Rhetoriken der Angst“, eine „letzte Generation“ im Kampf gegen den „Großen Austausch“ zu mobilisieren. Mit großer Wirkung: nicht zuletzt die jüngsten rechtsextrem motivierten Terroranschläge, wie in Christchurch, Halle oder Hanau verdeutlichen, dass die getätigten Aussagen der Identitären brandgefährlich sind. Die Identitären sind zwar selbst keine Attentäter, dennoch verbreiten sie mit ihrer rechtsextremen und rassistischen Ideologie einen Nährboden für Hass und Hetzte gegen Migration und Zuwanderung. Vor allem in den Köpfen der Menschen mit einer bereits extremen Weltanschauung, kann die Sprache der Identitären motivierend wirken, um ihren Hass in Gewalt umzusetzen. Augenscheinlich hat die von den Identitären etablierte Sprache eine gewaltbefürwortende Dimension. Es sind aber nicht bloß die Worte, die offenkundig Gewalt generieren können, sondern auch die Bildsprache der Identitären. Die Identitären versuchen zwar sich mit ihrem ästhetischen Auftreten von Stereotypen wie dem gewalttätigen „Neonazi in Springerstiefel und Bomberjacke“ abzugrenzen und die „klassischen“ germanischen Schriften und Runen der „Alten Rechten“ aus ihrer Optik zu verbannen. Jedoch wird bei genauerer Betrachtung sichtbar, dass sich die als jung, hip und modern inszeniernden „Nazi- Hipster“, „Nipster“ oder „Ibster“, nur oberflächlich von gewalttätigen Rechtsextremist*innen unterscheiden. Es sind die immer wiederkehrenden Motive in Videos und Memes, die einen Handlungsauftrag für die „letzte Generation“ gegen den „Großen Austausch“ bringen sollen – unterschwellig als letzte Lösungsmöglichkeit. Die Ästhetik und Popularisierung der Motive der Identitären wirkt gewaltverherrlichend. So werden Sticker mit dem Schlagwort „Reconquista“ gedruckt und die „Jugend Europas“ aufgerufen, gegen „Islamisierung“ zu kämpfen. Weiters beziehen sich die Identitären auf historische islamfeindliche Figuren wie Prinz Eugen, Leonidas oder Karl Martell, um Identifikationen mit „Rettern Europas“ zu schaffen, die auch den „Untergang des Abendlandes“ aufhalten konnten. Mit realen historischen Bezugspunkten wird es nicht so genau

Seite 150 genommen. Weiters ist die Etablierung einer „Corporate Identity", einer Marke mit hohen Wiedererkennungswert, eine zentrale Strategie, um das Lebensgefühl der „letzten Generation“, die zum Widerstand gegen die angeblich drohende „Überfremdung“ aufgerufen wird, professionell zu vermarkten. Im eigenen Online-Shops wie „Phalanx Europa“ wird ein identitärer „Lebensstil“ verkauft und eine Ästhetisierung des Alltags betrieben. Auf Tassen mit dem Schriftzug „Defend Europe Make Love“ oder T-Shirts mit dem Aufdruck „Fighting for the Rebirth of Europe“, „Festung Europa“, „Heimatschützer“ usw. wird mit vielfältigen Produkten geworben, bis hin zu einem eigenen identitären Bier. Die Identitären knüpfen an einer Nationalisierung des Alltags an, die bereits im 19. Jahrhundert begonnen wurde.741 Durch eine einheitliche Ästhetik soll ein identitärer Lifestyle die Gruppenzugehörigkeit stärken und Identifikationsmöglichkeiten anbieten. Im neuen Stil werden alte rechtsextreme Botschaften inszeniert. Hierbei ist vor allem der Bezug zur Popkultur anstatt von Historie eine zentrale Strategie, um sich einerseits vom Rechtsextremismus abzugrenzen und „neurechte“ Ideologien zu verbreiten. Vorbelastete oder strafbare Kennzeichnungen werden durch popkulturelle Symbole ersetzt, wie z.B. das Lambda-Logo. Bezug genommen wird nicht auf die griechische Geschichte, sondern auf eine historisch inakkurate Verfilmung „300“. Solche Elemente dienen den Identitären als identitätsstiftendes Merkmal und werden über das Netz schnell verbreitet. Der Bezug zu popkulturellen Elementen und Artefakten dient dazu, rechtsextreme Botschaften und Bilder im Diskurs ästhetisch zu pluralisieren und zu normalisieren. Rechte Ressentiments werden im Rahmen modebewusster und popkultureller Aufmachung mit Propaganda verschränkt. Die zeitgemäße Visualisierung, Symbolik und Ästhetik wird dazu genutzt, um eine Ideologie der Ungleichheit zu propagieren. „Humoristische“ Contentformen wie Memes, die mit kreativen Komponenten plakativ Hetzparolen verbreiten, sind zweifellos weniger schnell durchschaubar als die Parolen der „Alten Rechten“. Die skizzierten Verbreitungsprozesse verschleiern nationalistische bis rechtsextreme Inhalte. Daraus ergibt sich eine für demokratische Gesellschaften gefährliche Mischung, die Rassismus als „cool“, „modern“ und „harmlos“ darstellt. Die Mischung aus Pop und Propaganda sowie Humor und Hetze, dient den Identitären dazu, in der virtuellen Welt potentielle Anhänger*innen zu gewinnen und diesen Identifikationsmöglichkeiten zu bieten, um sie in der realen Welt für politische Aktionen zu mobilisieren.

741 Vgl. ZETTELBAUER 2005. Seite 151 Das dritte Thema, das in der vorliegenden Arbeit dargestellt wurde, bezieht sich auf die Mobilisierungseben der Identitären: Hier zeigt sich ein unmittelbares Zusammenspiel von Online- und Offline-Welten. Durch Anwendung neuer Techniken haben sich politische Taktiken entwickelt, um über den Online-Diskurs den realpolitischen Diskurs zu beeinflussen. Die zentralen Kaderfiguren sind es, die als Akteure im Diskurs teilnehmen, wie etwa Martin Sellner, der szeneintern als „Star“ gilt und auf ganz spezifische Weise rechtsextreme Aussagen in die öffentlich politische Diskussion einbringt bzw. unter seiner Anhänger*innenschaft im Netz verbreitet. Es ist eine Art „Personenkult“ der rechten Szene entstanden und Akteur*innen, wie Sellner, haben sich eigene Kommunikationskanäle über Soziale Medien aufgebaut, um gezielt Aufmerksamkeit für ihre Ideologie zu schaffen. Während sich die „Alte Rechte“ – von der Neonaziszene bis zu den Burschenschaften – tendenziell kamerascheu verhält und Informationen nicht nach außen gelangen, treten die Identitären gänzlich anders auf. Sie stehen gerne vor Kamera und Mikro, stellen sich im Netz öffentlich zur Schau und geben ihre Meinung offen und schamlos in zahlreichen Videos preis. Die Identitären haben Werkzeuge und Taktiken entwickelt, um den Anschein einer rechten Mehrheitsmeinung im Netz zu erzeugen. Das Netz ist der ideale Ort, um potentielle Anhänger*innen und tendenziell nicht aktivistische Personen mit rechter Weltanschauung, in „neurechte“ Denkweisen und Handlungsformen einzubinden.

Die Strategien der Identitären werden beständig weiter entwickelt und angepasst, das Adaptieren neuer Technologien im Netz spielt eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Botschaften, Begriffen und Bildern bzw. bei der Mobilisierung ihres Unterstützer*innenfeldes. Aktionen im „realen“ Raum werden immer auch für den „virtuellen“ Raum inszeniert, um die öffentliche Meinung im Sinne der Identitären zu beeinflussen. „Realpolitische“ Aktionen dienen dazu sich anschließend Online als „Bewegung“ zu inszenieren. Die Identitären besetzen öffentliche Gebäude, steigen auf das Brandenburger Tor, stellen Hinrichtungen nach, stören Vorlesungen und Veranstaltungen. Dabei wird alles gefilmt und fotografiert, um virtuell die „symbolischen“ und relativ kleine Aktionen zu etwas Größerem aufzublasen. Die Online- und Offline-Welten der Identitären stehen in einer direkten und engen Wechselwirkung zueinander. Aktuell mögen die Identitären vorwiegend ein virtuelles Phänomen sein, jedoch schaffen sie es immer wieder über rein „symbolische“ Aktionen realpolitische Kontexte zu beeinflussen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Seite 152 Die politische Strategie der Identitären ist höchst wandlungsfähig, man passt sich ständig den politischen Rahmenbedingungen und Umbrüchen in der Gesellschaft an. Bisher hat die Strategie der Identitären tendenziell gelangt, aber nach dem Christchurch-Attentat in Neuseeland und den Ermittlungen gegen Martin Sellner (hatte Email-Kontakt mit dem Attentäter) zeugt sich aktuell, dass sich die Identitären und „Neuen Rechten“ weiterentwickeln, um sich weiterhin als Akteur*innen im öffentlich-politischen Diskurs zu legitimieren So erklärte auch Götz Kubitschek, dass die Identitären „bis zur Unberührbarkeit kontaminiert“ seien. So entstand Beginn 2020 die neue Gruppierung „Die Österreicher - DO5“, die sich den neuen Bedingungen angepasst hat und sich aus den Identitären speist. Man distanziert sich oberflächlich durch ein neues Logo und einen neuen Namen von den Identitären. Akteur*innen, Auftreten und Aussagen bleiben politisch gleich, ebenso die politischen Ziele der „patriotischen Sammelbewegung“.

Die ständige Anpassung an neue politische-diskursive Gegebenheiten, eine andauernde Wiederholung von rechtsextremen Aussagen und Ideen, die Inszenierung einer popkulturellen Ästhetik, die Gleichsetzung von rechts und links, eine virtuelle Omnipräsenz von zentralen Akteuren, sowie „symbolische“ PR-Aktionen, müssen als Strategien erkannt werden, die rechtsextremen Positionen schaffen Akzeptanz und Legitimität im öffentlich-politischen Diskurs. Durch rhetorische, visuelle, aktionistische und mediale Provokationen machen die Identitären auf sich aufmerksam und verschieben den Diskurs nach rechts. Hinsichtlich der Themen Migration und Einwanderung ist es den Identitären bereits gelungen, rechtsextreme Inhalte in den politischen Diskurs einer gesellschaftlichen „Mitte“ zu verschieben. Insbesondere muslimische Immigrant*innen und Geflüchtete werden als „Gefahr“ bzw. Liberale und Linke als „Feind*innen“ klassifiziert und gleichzeitig ein positiv besetzter Nationalismus-Begriff im Sinne einer „völkisch- kulturalistischen Identität“ propagiert. Rechtspopulistische und konservative Politiker*innen – gleichwohl wie rechtsextreme Attentäter – übernehmen Formulierungen wie „den Großen Austausch“. Mittlerweile ist die identitäre Sprache im Alltag angekommen, was dazu führt, dass im gesellschaftlichen Diskurs häufig stärker über die „völkische Zusammensetzung“ Europas anstatt über Fluchtgründe und Herausforderungen einer komplexen in Umbruch begriffenen spätmodernen Welt diskutiert wird.

Seite 153 Bibliographie

Sekundärliteratur

AFTENBERGER Ines. (2007): Die Neue Rechte und der Neorassimus. Grazer Universitätsverlag, Leykam.

BATZER Jan (2019): Zur Ästhetik der Identitären Bewegung. In: BOEHNKE Lukas / THRAN Malte / WUNDERWALD Jacob (Hg.): Rechtspopulismus im Fokus. Theoretische und praktische Herausforderungen für die politische Bildung. Springer VS, Wiesbaden, S. 115–134.

BAILER Brigitte (2018): Vorwort I. In: GOETZ Judith / SEDLACEK Joseph M. / WINKLER Alexander (Hg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identitären‘. Marta Press, Hamburg, S. 13–16.

BENDL Christian / SPITZMÜLLER Jürgen, (2017): ‚Rassismus‘ ohne Rassismus? Ethnoseparatistische Diskurse in sozialen Netzwerken In: Wiener Linguistische Gazette (WLG) 80. Universität Wien, Institut für Sprachwissenschaft, S. 1–26.

BENDL Christian (2018): Protest als diskursive Raum-Zeit-Aneignung. Das Beispiel der Identitären Bewegung Österreich. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik 68, De Gruyter, S. 73– 102.

BERENDSEN Eva / RHEIN Katharina / UHLIG Tom (2019): Extrem Unbrauchbar. Über Gleichsetzung von links und rechts. Verbrecher Verlag, Berlin.

BEYERSDÖRFER Alexandra / IPSEN Flemming / EISENTRAUT Steffen / WÖRNER- SCHAPPERT Michael, JELLONNEK Fabian (2017): Vernetzter Hass. Wie Rechtsextreme im Social Web Jugendliche umwerben. In: Broschüre jugendschutz.net.

BOEHNKE Lukas (2019): Rechter Kulturkampf heute: Identitätskonstruktion und Framing- Strategien der Identitären Bewegung. In: BOEHNKE Lukas / THRAN Malte / WUNDERWALD Jacob (Hg.): Rechtspopulismus im Fokus. Theoretische und praktische Herausforderungen für die politische Bildung. Springer VS, Wiesbaden, S. 89–114.

BOEHNKE Lukas / THRAN Malte (2019) Defizitäre Populismusbegriffe: Von der Defizitperspektive zur ideologietheoretischen Analysekompetenz. n: BOEHNKE Lukas / THRAN Malte / WUNDERWALD Jacob (Hg.): Rechtspopulismus im Fokus. Theoretische und praktische Herausforderungen für die politische Bildung. Springer VS, Wiesbaden. S.9–30.

BONVALOT Michael (2018): Österreich als Warnung. Gründung, Aufstieg und internationale Bedeutung der Identitären Bewegung Österreich. In: SPEIT Andreas (Hg.): Das Netzwerk der Identitären. Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten. Ch. Links Verlag, Berlin, S. 202–225.

BOOK Carina (2017): Mit Metapolitik zur ‚Konservativen Revolution‘? Über Umfeld und Strategien der ‚Identitären Bewegung‘ in Deutschland. In: GOETZ Judith / SEDLACEK Joseph

Seite 154 M. / WINKLER Alexander (Hg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identitären‘. Marta Press, Hamburg, S. 113–133.

BRUNS Julian / GLÖSEL Kathrin / STROBL Natascha (2017): Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa (3. Auflage). Unrast Verlag, Münster.

BRUNS Julian / STROBL Natascha (2015): (Anti-)Emanzipatorische Antworten von Rechts. In: Momentum Quarterly. Zeitschrift für sozialen Fortschritt. Vol. 4 (4), S. 205–274.

DUNKEL Barbara / GOLLASCH Christoph / PADBERG Kai (2019): Nicht zu fassen. Das Extremismuskonzept und neue rechte Konstellationen. Sammelband zur Konferenz „Nicht zu fassen: Das Extremismuskonzept und neue rechte Bewegungen“ 9. und 10. Juni 2017 TU Berlin, Universitätsverlag TU Berlin.

EBNER Julia (2019): Radikalisierungsmaschinen. Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren. Suhrkamp Nova, Berlin.

FALLEND Franz, / HABERSACK Florian / HEINISCH Reinhard (2018): Rechtspopulismus in Österreich. Zur Entwicklung der FPÖ. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift der Bundeszentrale für Politische Bildung) 68. Jg; Nr. 34–35, S. 33–40.

FISCHER Heinz (2015): Einer im Vordergrund: Tara Borodajkewyvz. Ephelant Verlag, Wien.

FUCHS Christian / MIDDELHOFF Paul (2019): Das Netzwerk der Neuen Rechten. Wer sie lenkt, wer sie finanziert und wie sie die Gesellschaft verändern (2. Auflage). Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg.

GANZ Kathrin / MESMER Anna-Katarina (2015): Anti-Genderismus im Internet. Digitale Öffentlichkeiten als Labor eines neuen Kulturkampfes. In: HARK Sabine /VILLA Paula-Irene (Hg.): Anti-Generismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen. transcript Verlag, Bielefeld, S. 59–79.

GENSING Patrick (2018): Zwischen PR und Realität Die Wahrnehmung der Identitären Bewegung durch die Medien. In: SPEIT Andreas (Hg.): Das Netzwerk der Identitären. Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten. Ch. Links Verlag, Berlin, S. 189–202.

GOETZ Judith (2018): „… in die mediale Debatte eindringen“ - ‚Identitäre' Selbstinszenierung und ihre Rezeption durch österreichische Medien. In: GOETZ Judith / SEDLACEK Joseph M. / WINKLER Alexander (Hg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identitären‘. Marta Press, Hamburg, S. 91–132.

GÖSCH Katharina (2013): Die Identitären Österreichs. ZARA (Hg.): Rassismus Report 2013 Einzelfall-Bericht über rassistische Übergriffe und Strukturen in Österreich, S.57–56.

GRIGORI Eva / SCHULTER Bernd (2016): Elitäre Selbstinszenierung der ‚Ibster‘. In: der rechte Rand, Magazin von und für AntifaschistInnen, ‚Identitäre Bewegung‘ FaschistInnen mit Hakenkreis. 27. Jg; Nr. 163, Ch. Links Verlag, Berlin, S. 28–29.

Seite 155 GUHL Jakob / EBNER Julia / RAU Jan (2020) Das Online-Ökosystem Rechtsextremer Akteure. Institut of Strategic Dialoge (Hg.).

HAFENEGER Benno (2014): Die Identitären: vorübergehendes Phänomen oder neue Bewegung? In: Friedrich-Ebert Stiftung (Hg.): Expertisen für Demokratie. Projekt gegen Rechtsextremismus Nr. 1, Berlin.

HEITHER Dietrich (2004): Neurechte Einflüsse auf studentische Verbindungen. „In irgendeiner Form national oppositionell“, Ansichten, Akteure und Aktivitäten in der ,Deutschen Burschenschaft’ In: GESSENHARTER Wolfgang / PFEIFFER Thomas (Hg.): Die Neue Rechte. Eine Gefahr für die Demokratie? VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 117–134.

HENTGES Gudrun / KÖKGIRAN Gürcan / NOTTBOHM Kristina (2014): Die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) – Bewegung oder virtuelles Phänomen? In: Forschungsportal Soziale Bewegung Plus. Analysen zu Demokratie und Gesellschaft. Jg. 27; Supplement zu Heft 3, Lucius & Lucius, Stuttgart.

HUNTINGTON Samuel P. (1996): Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert (5. Auflage). Europa Verlag München/Wien.

IB Strategiepapier (2015): Identitäre Sommerakademie 2015. Von Karl Martell bis Charles de Gaulle.

JANZEN David (2013): Mythos Sparta. In: der rechte Rand, Magazin von und für AntifaschistInnen, ‚Identitäre Bewegung‘. 24. Jg; Nr. 143, Ch. Links Verlag, Berlin, S. 24.

KELLERSHOHN Helmut (2009): Widerstand und Provokation: Strategische Optionen im Umkreis des „Instituts für Staatspolitik“. In: BRAUN Stephan / GEISLER Alexander / GERSTER Martin (Hg.): Strategien der extremen Rechten: Hintergründe - Analysen - Antworten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 246–259.

KREISSL Philip / EBNER Julia / URBAN Alexander / GUHL Jakob (2018): Hass auf Knopfdruck. Rechtsextreme Trollfabriken und das Ökosystem koordinierter Hasskampagnen im Netz. Institute for Strategic Dialoge (Hg.)

LEHNER Sabine (2018): Rhetorik der Angst am Beispiel der ‚Identitären‘. Zur Konstruktion von Bedrohungen, Krisen und Gefahren. . In: GOETZ Judith / SEDLACEK Joseph M. / WINKLER Alexander (Hg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identitären‘. Marta Press, Hamburg, S. 133–166.

MENSE Thorsten (2018): „Jugendliche ohne Migrationshintergrund“. Ethnische Identität und völkischer Nationalismus bei den ‚Identitären‘. In: GOETZ Judith / SEDLACEK Joseph M. / WINKLER Alexander (Hg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identitären‘. Marta Press, Hamburg, S. 227–251.

MAYER Patrick: DIe Mitte der Nation. ‚Extremismustheorie‘ und die Wahrnehmung von Rassismus. In: DUNKEL Barbara / GOLLASCH Christoph / PADBERG Kai (Hg.): Nicht zu fassen. Das Extremismuskonzept und neue rechte Konstellationen. Sammelband zur Konferenz

Seite 156 „Nicht zu fassen: Das Extremismuskonzept und neue rechte Bewegungen“ 9. und 10. Juni 2017 TU Berlin, Universitätsverlag TU Berlin, S. 189–219.

MEYER Emil / PETERS Ulrich (2017): ReInvestigate THOR STEINAR. Die kritische Auseinandersetzung mit einer umstrittenen Marke. BiKuLAR e.V. Berlin.

NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR INNERES UND SPORT, Abteilung Verfassungsschutz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (2017): Identitäre Bewegung Deutschland. Ideologie und Aktionsfelder. PAULIK Kevin (2017): Die Serialität von Internet-Memes. Verlag Werner Hülsbusch, Glückstadt.

PRIESTER Karin (2010): Fließende Grenzen zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa? In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Extremismus. 44/2010, Bundeszentrale für politische Bildung, S. 33–39.

PRIESTER Karin (2012): Wesensmerkmale des Populismus. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Populismus. 62. Jg; Nr. 5–6, Bundeszentrale für politische Bildung, S. 3–9.

PURTSCHELLER Wolfgang (1994): Die Ordnung, die sie meinen. „Neue Rechte“ in Österreich. Picus Verlag, Wien.

RAFAEL Simone (2018): Identitäre im Internet. Von Crowdfunding bis Meme Wars. In: SPEIT Andreas (Hg.): Das Netzwerk der Identitären. Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten. Ch. Links Verlag, Berlin, S. 127–141.

REITER Margot (2019): Die Ehemaligen: Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ. Wallstein Verlag.

RÖPKE Andrea (2018): Vorwort II. In: GOETZ Judith / SEDLACEK Joseph M. / WINKLER Alexander (Hg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identitären‘. Marta Press, Hamburg, S. 17–24.

SALZBORN Samuel (2015): Rechtsextremismus. Erscheinungsformen und Erklärungsansätze (2. Auflage), Nomos, Baden-Baden.

SALZBORN Samuel (2018): Heidegger für Halbgebildete – Identitäre Heimatideologie zwischen Fiktion und Propaganda. In: Wissen schafft Demokratie, Schriftenreihe des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft. Schwerpunkt: Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Heft 3, S. 159–169.

SARASIN Philipp (2007): Diskursanalyse. In: GOERTZ Hans-Jürgen (Hg.): Geschichte ein Grundkurs (3. Revidierte und erweitere Auflage), Rowohlt Verlag, Hamburg, S. 199–218.

SCHELLENBERG Britta (2014): Rassismus, extrem rechte Morde und Terrorismus in Deutschland am Beispiel der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). In: Expertisen für Demokratie, Nr. 3.

SCHLOSSER Horst Dieter (2013): Sprache unterm Hakenkreuz. Eine andere Geschichte des Nationalsozialismus. Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, V&R unipress GmbH, Köln.

Seite 157 SCHWARZ Karoline (2020): Hasskrieger. Der neue globale Rechtsextremismus. Verlag Herder, Freiburg.

SIGL Johanna (2018): Identitäre Zweigeschlechtlichkeit. Über männliche Inszenierungen und Geschlechterkonstruktionen bei den Identitären. In: SPEIT Andreas (Hg.): Das Netzwerk der Identitären. Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten. Ch. Links Verlag, Berlin, S. 160–173.

SPEIT Andreas (2018) Avantgarde rückwärts. Die geistigen Grundlagen der Identitären Bewegung. In: SPEIT Andreas (Hg.): Das Netzwerk der Identitären. Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten. Ch. Links Verlag, Berlin, S. 56–72.

STRECKNER Bernd (2013): Die visuelle Politik der Identitären. In: der rechte Rand, Magazin von und für AntifaschistInnen, ‚Identitäre Bewegung‘. 24. Jg; Nr. 143, Ch. Links Verlag, Berlin, S. 22– 23.

UHL Heidemarie (2001): Das „erste Opfer“. Der österreichische Opfermythos und seine Transformationen in der Zweiten Republik. In: Österreichische Zeitschrift ÖZP 2001/1, Wien/Graz. S. 19–34.

UHL Heidemarie (2018): Österreichs ambivalenter Umgang mit der NS-Vergangenheit. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Österreich. 68. Jg; Nr. 34–35, Bundeszentrale für politische Bildung, S. 47–54.

WIMBAUER Christine / MOTAKEF Mona / TESCHLADE Julia (2015): Prekäre Selbstverständlichkeiten. Neun prekarisierungstheoretische Thesen zu Diskursen gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung. In: HARK Sabine / VILLA Paula-Irene (Hg.): Anti-Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen. Transkript Verlag, Bielefeld, S. 41–59.

WINKLER Alexander (2018): „Aus dem Schatten des Nationalsozialismus…“ Die ‚Identitären‘ als modernisierte From des Rechtsextremismus in Österreich. In: GOETZ Judith / SEDLACEK Joseph M. / WINKLER Alexander (Hg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identitären‘. Marta Press, Hamburg, S. 31–90.

ZETTELBAUER Heidrun (2005): Die Liebe sei Euer Heldentum“. Geschlecht und Nation in völkischen Vereinen der Habsburgermonarchie. Campus Verlag, Frankfurt/New York.

ZETTELBAUER Heidrun (2009): „Mithelferinnen am nationalen Werk, tragen wir jede unser Scherflein bei.“ Geschlechteridentitäten in deutschen Schutzvereinen der Habsburgermonarchie. HASLINGER Peter (Hg.): Schutzvereine in Ostmitteleuropa. Vereinswesen, Sprachenkonflikte und Dynamiken nationaler Mobilisierung 1860–1939. Verlag Herder-Institut, Marburg, S. 79–111.

ZIMMERMANN Barbara / RESCH Stefan (2017): Protest als Eintrittskarte in den Diskurs. Zur Positionierung im Rahmen eines ›Protest-Genres‹. In: SPITZMÜLLER Jürgen / FLUBACHER Mi- Cha / BENDL Christian (Hg.): Soziale Positionierung als Praxis und Praktik Theoretische Konzepte und methodische Zugänge. Wiener Linguistische Gazette, Nr. 81, Universität Wien, S. 75–105.

Seite 158 (Internet-)Quellen

AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVEN (o.J.): »Defend Europe«. In: https:// dasversteckspiel.de/die-symbolwelt/rassismus/defend-europe-316.html. [3.5.2020]

AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVEN (o.J.): Islamfeindliche Symbole. In: https:// dasversteckspiel.de/die-symbolwelt/rassismus/islamfeindliche-symbole-129.html [20.4.2020].

AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVEN (o.J.): Blood & Honour (B&H) / 28. In: https:// dasversteckspiel.de/die-symbolwelt/gruppen-organisationen-und-netzwerke/blood-honour-b- h-28.html [5.8.2020].

ALTERMEIER Katharina (2019): Deshalb sind Extremisten im Netz so erfolgreich. In: BR24, https://www.br.de/nachrichten/kultur/deshalb-sind-extremisten-im-netz-so-erfolgreich,RgkxHQm [4.3.2020].

ANDERS Rayk (2018): Lösch Dich! So organisiert ist der Hate im Netz. Doku über Hater und Trolle. In: YouTube, https://www.youtube.com/watch?v=zvKjfWSPI7s. [13.12.2020].

AYYADI Kira (2019): Rechte Cyberkultur, Glossar über die extrem rechte digitale Subkultur. In: Redaktion Belltower.News, https://www.belltower.news/rechte-cyberkultur-glossar-ueber-die- extrem-rechte-digitale-subkultur-84077/ [2.3.2020].

BADEN-WÜRTTEMBERGER LANDESAMT FÜR VERFASSUNGSSCHUTZ (2018): Die Kampagne „Defend Europe Alps“ der „Identitären Bewegung“. In: https://www.verfassungsschutz- bw.de/,Lde/Startseite/Arbeitsfelder/ Die+Kampagne+_Defend+Europe+Alps_+der+_Identitaeren+Bewegung_. [13.4.2020].

BARNETT David (2019): Is Fight Club’s Tyler Durden film’s most misunderstood man? In: BBC, http://www.bbc.com/culture/story/20190717-is-fight-clubs-tyler-durden-films-most-misunderstood- man [1.4.2020].

BELLTOWER.NEWS (o.J.): Lexikon: 4Chan. In: https://www.belltower.news/lexikon/4chan/ [1.9.2020].

BERENBERG Jasper / SPEIT Andreas (2019): „Die Identitären sind geistige Brandstifter“. In: Deutschlandfunk, https://www.deutschlandfunk.de/rechtsextremismus-experte-speit-die- identitaeren-sind.694.de.html?dram:article_id=453672 [23.3.2020].

BEYER Lukas (2017): Das Netzwerk Kubitschek – Teil 1. In: Zeit Online Blog Störungsmelder, https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2017/02/16/das-netzwerk-kubitschek-teil-1_23120 [24.10.2019].

BIERMANN Kai / HOMMERICH Luisa / MUSHARBASH Yassin / POLKE-MAJEWSKI Karsten (2019): Anschlag in Halle: Attentäter mordete aus Judenhass. In: Zeit Online, https://www.zeit.de/ gesellschaft/zeitgeschehen/2019-10/anschlag-halle-helmkamera-stream-einzeltaeter [4.9.2020].

Seite 159 BONVALOT Michael (2020): Morde und Briefbomben – war Fuchs ein Einzeltäter? In: https:// www.bonvalot.net/war-der-briefbomben-taeter-und-moerder-franz-fuchs-ein-einzeltaeter-803/ [23.7.2020].

BRUMLIK Micha (2016): Das alte Denken der neuen Rechten. Mit Heidegger und Evola gegen die offene Gesellschaft. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 3/2016, S. 81–91. In: https:// blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2016/maerz/das-alte-denken-der-neuen-rechten. [14.11.2019].

BRUNS Julian / MÖLLER Lara (2015): Festung Europa. ein Begriff und seine Bedeutung. In: Mosaik, https://mosaik-blog.at/festung-europa-ein-begriff-und-seine-bedeutung/ [7.8.2020].

BRUST Susanne (2018): App der identitären Bewegung: Rechtsextreme Scheinspielereien. In: taz, https://taz.de/App-der-identitaeren-Bewegung/!5511139/ [20.11.2019].

BVT (2019): Verfassungsschutzbericht 2018. In: https://www.bvt.gv.at/bmi_documents/2344.pdf [14.1.2020]

COLAK Dilara (2020) Walulis: Wie rechte Memes für Propaganda nutzen. In: https:// www.dasding.de/lifestyle/social-media/propaganda-mit-memes-100.html [15.5.2020].

C O L D W E L L L e o n a r d ( o . J ) : D e r I m p f H o l o c a u s t . I n : https:// www.krebspatientenadvokatfoundation.com/der-impf-holocaust/ [23.9.220].

COLDWELL Leonard (2019): Was ist IBSM. In: https://www.drleonardcoldwelldeutschland.com/ about/ [23.9.2020].

DAHRENDORF Ralf (2019): Warum es die Demokratie so schwer gegen den Populismus hat. In: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article196864875/Ralf-Dahrendorf-Acht-immer-noch- aktuelle-Thesen-zum-Populismus.html [10.9.2019]

DAS ATHENAEUM (2013): Génération Identitaire - Kriegserklärung. In: YouTube, https:// www.youtube.com/watch?v=TUyTyg6XnsA [Download 23.7.2020].

DER ECKHART (2014): Monatszeitung für Politik, Volkstum und Kultur. Im Gespräch mit Alexander Markovics. In: http://www.dereckart.at/im-gespraech-mit-alexander-markovics/ [12.10.2019].

DEFEND EUROPE (2017): International press conference for the end of 1st Defend Europe mission. In: YouTube, https://www.youtube.com/watch?v=iswqv0CLXds. [Download 23.7.2020].

DEFEND EUROPE (2017): Our mission is already a success! In: YouTube, https:// www.youtube.com/watch?v=xmoV8oAYvnE [Download 23.7.2020].

DER STANDARD (2018): Angebliches "Hassposting"-Handbuch Rechtsextremer aufgetaucht. In: https://www.derstandard.de/story/2000072294111/angebliches-hassposting-handbuch- rechtsextremer-aufgetaucht. [22.7.2019].

Seite 160 DER STANDARD (2018): Wie Identitäre im Netz rechtsextreme Hasskampagnen koordinieren. In: https://www.derstandard.at/story/2000082969521/wie-identitaere-rechtsextreme-hasskampagnen- im-netz-koordinieren [1.9.2020].

DER STANDARD (2018), Kurz setzt Schlepper und Hilfs-NGOs faktisch gleich. In: https:// www.derstandard.at/story/2000089290517/kurz-setzt-schlepper-und-seenotretter-faktisch-gleich. [13.4.2020].

DER STANDARD (2019): Auszüge aus Christchurch-Video gezeigt: TV Sender muss Strafe zahlen. In: https://www.derstandard.at/story/2000107586843/auszuege-aus-christchurch-video- gezeigt-tv-sender-muss-strafe-zahlen [3.6.2020].

DER STANDARD (2020) Christchurch-Attentäter zu lebenslanger Haft verurteilt. In: https:// www.derstandard.at/story/2000119609538/christchurch-attentaeter-zu-lebenslanger-haft-verurteilt [9.9.2020].

DIE ÖSTERREICHER (o.J.): Der 5-Punkte-Plan gegen den Bevölkerungsaustausch. In: https:// www.die-oesterreicher.at/5-punkte-plan/ [1.3.2020].

DOKUMENTATIONSARCHIV DES ÖSTERREICHISCHEN WIDERSTANDS (o.J.): Entnazifizierung in Österreich. In: https://ausstellung.de.doew.at/m28sm129.html. [18.2.2020].

DOKUMENTATIONSARCHIV DES ÖSTERREICHISCHEN WIDERSTANDS (o.J.): Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ). In: http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme- organisationen/identitaere-bewegung-oesterreich-iboe [2.9.2019].

DONNERBAUER Paul (2017): Rechtsextremismus in Österreich: Eine Analyse der letzten 10 Jahre. In: Vice, https://www.vice.com/de/article/mgme34/rechtsextremismus-in-osterreich-eine- analyse-der-letzten-10-jahre [15.6.2020].

DROBINSKI Matthias (2018): Wofür der Begriff "Konservative Revolution" steht. In: Süddeutsche Zeitung, https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtes-vokabular-wofuer-der-begriff-konservative- revolution-steht-1.3815738 [11.11.2019]

DUKE David (2017): Twitter. In: Eigener Screenshot [Download 17.7.2020]. FRANK Arno (2017): Symbole von Jungfaschisten, Neue rechte Posterboys. In: taz, https://taz.de/ Symbole-von-Jungfaschisten/!5382279/ [3.11.2019]

FORSCHUNGSGRUPPE IDEOLOGIEN UND POLITIKEN DER UNGLEICHHEIT (2019): Die Gefährlichkeit der Identitären: Gewalt der Worte. In: der Standard, https://www.derstandard.at/ story/2000101112578/die-gefaehrlichkeit-der-identitaeren-gewalt-der-worte. [14.3.2020].

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (2011): „Etliche“ weitere Zellen im Ausland. In: https://www.faz.net/aktuell/politik/attentate-in-norwegen/erklaerung-des-anwalts-etliche-weitere- zellen-im-ausland-11115168.html [2.9.2020].

FUCHS Christian / MIDDELHOFF Paul (2019): „Ein Prozent“: Die Wutmacher. In: Zeit Online, https://www.zeit.de/2019/12/ein-prozent-verein-neue-rechte [27.2.2020]

Seite 161 GARREL Théo (2015): Kleidung von Identitären für Identitäre. In: Redaktion Belltower.News, https://www.belltower.news/phalanx-europa-kleidung-von-identitaeren-fuer-identitaere-38906/ [14.1.2020].

GLÖSEL Kathrin (2017): Funktionen und Handlungsräume von Frauen in der „Identitären Bewegung“. In: https://biwaz.wordpress.com/2017/09/21/funktionen-und- handlungsraeume-von-frauen-in-der-identitaeren-bewegung/ [16.10.2019].

GLÖSEL Kathrin (2019): Alles, was du über die Identitäre Bewegung wissen solltest. In: Kontrast, https://kontrast.at/identitaere-bewegung/ [3.6.2020].

GÖTTERSTURMBUND (2013): Non-konforme Betrachtungen über Anime und Manga aus neurechter Perspektive. In: https://goettersturmbund.wordpress.com/2013/10/30/manga-in-rechts- kulturellen-milieus/ [18.8.2020].

GOGOS Manuel (2017): Die popkulturelle Strategie der Identitären. Rechtsextremismus der Zukunft. In: https://jungle.world/artikel/2017/06/rechtsextremismus-der-zukunft [12.12.2019].

HAIM Adrian Jonas (2020): Identitäre Luftsoldaten. In: Nu Jüdisches Magazin für Politik und Kultur, https://nunu.at/artikel/identitaere-luftsoldaten/ [16.6.2020].

HASS IM NETZ (o.J.), Hass via Hashtag: Identitäre rekrutieren über Twitter. In: https://www.hass- im-netz.info/themen/artikel/hass-via-hashtag [2.5.2020].

HASSELBACH Christoph (2020) Motiv: Der angebliche "große Austausch“. In: DW, https:// www.dw.com/de/motiv-der-angebliche-gro%C3%9Fe-austausch/a-52445990 [1.6.2020].

HORACZEK Nina (2018): „Wir schaffen die siebte Million“. In: Falter 04/2018, https:// www.falter.at/zeitung/20180123/wir-schaffen-die-siebte-million [7.6.2020].

HUBER Martin (2001): Der Heldenplatz-Skandal. In: https://thomasbernhard.at/das-werk/drama/ heldenplatzskandal/ [10.11.2019].

IB Homepage (o.J.): Unsere Forderungen. In: https://www.identitaere-bewegung.at/unser-weg/ [17.9.2019].

IBD Redaktion (2016): Europa, Jugend, Reconquista. Gesehen am 11.12.2019 auf https:// blog.identitaere-bewegung.de/europa-jugend-reconquista/ [11.12.2019].

IBÖ (2016): Aktionsvideo Audimax - 14.4.2016. In: YouTube, https://www.youtube.com/watch? time_continue=29&v=S2B8lDve1EE&feature=emb_title [Download: 23.7.2020].

IB Homepage (2016): Ästhetische Intervention bei Jelinkes ‚Die Schutzbefohlenen‘. In: https:// www.identitaere-bewegung.at/aesthetische-intervention-jelineks-die-schutzbefohlenen/ [13.5.2020].

IB (o.J.): 100% Identität – 0% Rassismus. In: https://identitaerebewegung.wordpress.com/ positionierungen/100-identitat-0-rassismus/ [14.12.2019]

Seite 162 IBD (2016): Zukunft für Europa - Identitäre Bewegung. In: YouTube, https://www.youtube.com/ watch?v=rPXI6tA31yI [Download: 17.9.2020].

IBD (o.J.): Was heißt für euch eigentlich „Identität“? In: https://www.identitaere-bewegung.de/faq/ was-heisst-fuer-euch-eigentlich-identitaet/ [24.11.2019].

IBÖ (2017) Jahresbericht. In: http://www.identitaere-bewegung.at/wp-content/uploads/2018/04/ jahresbericht2017.pdf [20.10.2019].

JACOBSON Lenz (2018): Krasse Meinungen wehen uns mit voller Wucht ins Gesicht. Was gestern noch als radikal galt, ist heute schon normal. Weil sich die Diskurse entgrenzen, macht ein altes Konzept Karriere: das Overton-Fenster. In: Zeit Online, https://www.zeit.de/politik/deutschland/ 2018-07/overtone-fenster-diskussionen-debatten-diskurse-radikal/komplettansicht [13.12.2019].

JAKOB Christian (2017): Anti-Flüchtlings-Mission der Identitären: Wegen Schlepperei festgenommen. In: taz, https://taz.de/Anti-Fluechtlings-Mission-der-Identitaeren/!5437440/ [18.5.2020].

KARL-RENNER-INSTITUT (2019): Julia Ebner, Buchvorstellung und Diskussion: Radikalisierungsmaschinen. Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren. In: YouTube, https://www.youtube.com/watch?v=_fvihdqFLT0 [19.11.2019]

KELLER Florian / JANSER Daniela (2019): Blut, Schweiss und Zähne: Die Lieblingsfilme der neuen Rechten. In: Die Wochenzeitung (WOZ) Nr. 04/2019. In: https://www.woz.ch/-94c8 [23.3.2020].

KELLERSHOHN Herlmut (2016): „Es geht um Einfluss auf die Köpfe“ – Das Institut für Staatspolitik. In: Bundeszentrale für politische Bildung. In: Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/230002/es-geht-um-einfluss-auf-die- koepfe-das-institut-fuer-staatspolitik [22.10.2019].

KLAUS Julia (2020): Prozessauftakt zu Halle-Attentat-„Ein solcher Anschlag kann wieder passieren“. In: ZDF, https://www.zdf.de/nachrichten/digitales/halle-prozess-attentaeter- radikalisierung-100.html [6.9.2020].

KREIL Christian (2020): Wie die Identitären, „Die Österreicher“ und ein Medizinguru zusammengehören. In: der Standard, https://www.derstandard.at/story/2000113127197/wie-die- identitaeren-die-oesterreicher-do5-und-ein-bizarrer-medizinguru [23.3.2020].

KONTRAST (2020): „Die Grenze ist das Strafrecht“. Die gesammelten 78 rechtsextremen „Einzelfälle“ der FPÖ seit Dezember 2017. In: https://kontrast.at/die-gesammelten-einzelfaelle-der- fpoe/ [18.7.2020].

KUBITSCHEK Götz (2006): Provokation! In: Sezession 12, https://sezession.de/6174/provokation [15.4.2020].

Seite 163 KÜHL Eike (2016): Meme: Wo Frösche sind, da sind auch Rechte. In: Zeit Online, https:// www.zeit.de/digital/internet/2016-09/meme-pepe-frosch-alt-right-donald-trump/komplettansicht [14.1.2020]

LASKOWSKI Wolfgang / SCHWARZ Patrick (2015): Rechtsintellektuelles Kraftwerk. In: Der Rechte Rand Magazin, Ausgabe 157, https://www.der-rechte-rand.de/archive/4560/neue-rechte- oesterreich/ [24.10.2019].

LAUER Stefan (2020): Wie das BKA den Hanau-Attentäter entpolitisierte. In: Redaktion Belltower. New, https://www.belltower.news/verschwoerungstheorien-und-rechtsextremismus-wie-das-bka- den-hanau-taeter-entpolitisiert-97719/ [17.5.2020].

LAUFER Daniel (2020): Neue Studie zeigt Wirksamkeit von Gegenrede im Netz. In: Netzpolitik, https://netzpolitik.org/2020/reconquista-internet-neue-studie-zeigt-wirksamkeit-von-gegenrede-im- netz/#vorschaltbanner [9.9.2020].

LAUT GEDACHT (2019): Ist Klima-Greta ein Fake? Laut Gedacht #112. In: YouTube, https:// www.youtube.com/watch?v=KXWjNjs8-cc. [Download 23.7.2020].

LAUT GEDACHT (2019): Herbert Grönemeyer. Hetze gegen Rechts. Laut Gedacht #141. In: YouTube, https://www.youtube.com/watch?v=Porh1Wpympg [Download 23.7.2020].

LOTTERSBERGER Lukas (2017): Die Codes der "Neuen Rechten“. In: FM4, https://fm4v3.orf.at/ stories/1777530/index.html [19.1.2020].

MAUTHAUSEN KOMITEE ÖSTERREICH (2018): Die FPÖ und der Rechtsextremismus. Einzelfälle und Serientäter. In: https://www.mkoe.at/sites/default/files/files/aktuelles/MKOE- Broschuere-FPOE-Einzelfaelle-und-Serientaeter-2018.pdf [17.7.2020].

MAYERL Manuel (2017): Männlichkeitskonstruktionen der Identitären Bewegung Österreich. In: Journal für Psychologie, Jg. 25, Ausgabe 2: Kritische Männerarbeit: Positionen, aktuelle Entwicklungen und psychosoziale Praxis. In: https://www.journal-fuer-psychologie.de/index.php/ jfp/article/view/446/490 [14.12.2019].

MEINHART Edith (2014): Das verquere Weltbild der Identitären. In: Profil, https://www.profil.at/ oesterreich/das-weltbild-identitaeren-353357 [10.11.2019].

MROZEK Bodo (2017): Unter falscher Flagge. Rechte „Identitäre” setzen auf Antiken-Pop. Die Geschichte ihrer Symbole dürfte ihnen kaum gefallen. In: https://pophistory.hypotheses.org/2561 [11.12.2019].

MOSKAUER DEKLARATION (1943) In: https://www.hdgoe.at/CMS/items/uploads/Website/ module_image/Moskauer_Deklaration.jpg [2.5.2020].

MÖCHEL Kid / SCHREIBER Dominik (2019): Rechtsextreme Szene in Österreich: „Gewaltbereitschaft als Ideologie“. In: Kurier, https://kurier.at/chronik/oesterreich/rechtsextreme- szene-gewaltbereitschaft-als-ideologie/400645364 [22.1.2020].

Seite 164 MURDOCH Simon (2017): Das Scheitern der Mission >Defend Europe<. In: Der Rechte Rand, Ausgabe 168, In: https://www.der-rechte-rand.de/archive/2540/no-defend-europe/ [18.4.2020].

NABERT Alexander (2019): Identitäre Bewegung auf YouTube. Martin Sellner ist wieder da. In: taz, https://taz.de/Identitaere-Bewegung-auf-YouTube/!5619243/ [11.10.2019].

OBSERVE’EM (2017): Skandal auf Frankfurter Buchmesse. In: YouTube, https:// www.youtube.com/watch?v=zXJIV-6Vfj0 [8.9.2020].

OBSERVE’EM (2017): Mit Linken Leben - Buchvorstellung. In: YouTube, https:// www.youtube.com/watch?v=FM6xnw7nsoE [7.8.2020].

ORF News (2018): Rückblick auf einen Theaterskandal. 30 Jahre „Heldenplatz“. In: https://orf.at/ stories/3088162/ [19.11.2019].

ÖNNERFORS Andreas (2019): ‚The Great Replacement‘ – Decoding the Christchurch Terrorist Manifesto. In: CARR, https://www.radicalrightanalysis.com/2019/03/18/the-great-replacement- decoding-the-christchurch-terrorist-manifesto/ [1.9.2020].

PARBEL Lucia (2020): Gamification als Strategie. Wenn Faschisten Faschisten spielen. In: Netzpolitik, https://netzpolitik.org/2020/wenn-faschisten-faschisten-spielen/ [20.2.2020].

PEHAM Andreas (o.J.): Rechtsextremismus als politische und pädagogische Herausforderung. In: DÖW, https://www.doew.at/cms/download/5gm50/peham_rechtsextremismus_paedagogik.pdf [1.12.2019].

PFAHL-TRAUGHBER Armin (2019): Was die „Neue Rechte“ ist – und was nicht. In: Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/ 284268/was-die-neue-rechte-ist-und-was-nicht [18.8.2020].

RAUSCHER Hans (2001): Haider spielt jetzt mit dem Antisemitismus. In: der Standard. In: der Standard, https://www.derstandard.at/story/496047/haider-spielt-jetzt-mit-dem-antisemitismus [10.12.2019].

RAUSCHER Hans (2016): „Ich habe im Krieg nichts anderes getan als meine Pflicht erfüllt“. In: der Standard, https://www.derstandard.at/story/2000031874110/ich-habe-im-krieg-nichts-anderes- getan-als-meine-pflicht [12.3.2020].

RAUSCHER Hans (2017): Identitäre: Unter Dschibutis Flagge. In: der Standard, https:// www.derstandard.at/story/2000061273941/unter-dschibutis-flagge [14.4.2020].

RECKWITZ Andreas (2017): Zwischen Hyperkultur und Kulturessenzialismus. In: Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240826/ zwischen-hyperkultur-und-kulturessenzialismus [1.9.2020].

REIBENWEIN Michaela / SCHEIBER Oliver (2013): Rechte Aktivisten besetzten Votivkirche. In: Kurier, https://kurier.at/chronik/wien/rechte-aktivisten-besetzen-votivkirche/3.340.531 [3.12.2019].

Seite 165 REDAKTION BELLTOWER.NEWS (2008): Was bedeutet Ethnopluralismus? In: https:// www.belltower.news/was-bedeutet-ethnopluralismus-50808/ [12.12.2019].

REDAKTION BELLTOWER.NEWS (2017): Die „Neue Rechte“ auf YouTube. Früher NPD. Jetzt >Identitäre Bewegung<. In: https://www.belltower.news/die-neue-rechte-auf-youtube-frueher-npd- jetzt-identitaere-bewegung-43640/ [28.11.2019].

REDAKTION BELLTOWER.NEWS (2018): Defend Europe“: Wie „Identitäre“ PR Einfluss genommen hat. In: https://www.belltower.news/defend-europe-wie-identitaere-pr-einfluss- genommen-hat-48258/ [18.5.2020].

RODEWALD Marie (2019): Rechter Feminismus in der ‚Identitären Bewegung‘? How to red pill a woman. In: https://media.ccc.de/v/36c3-115-rechter-feminismus-in-der-identitren-bewegung-oder- how-to-red-pill-a-woman#t=681 [2.5.2020].

SCHIEDEL Heribert (2015): Neue Rechte in Österreich. In: Der Rechte Rand, Ausgabe 157, https:// www.der-rechte-rand.de/archive/4560/neue-rechte-oesterreich/ [24.10.2019].

SCHMIDT Colette / SCHMID Fabian / RUEP Stefanie / ROHRHOFER Markus / ARORA Steffen. (2019): Die Verflechtung der Freiheitlichen mit Identitären ist enger als bisher bekannt. In: der Standard. In: der Standard, https://www.derstandard.at/story/2000100679918/fpoe-und-identitaere- verflochten-quer-durchs-land [12.1.2020].

SCHMID Fabian (2019): Martin Sellner, der rechtsextreme Influencer. In: der Standard, https:// www.derstandard.at/story/2000100472277/martin-sellner-der-rechtsextreme-influencer-unter- terrorverdacht [5.9.2020].

SCHÖNBERGER Klaus (2019): Identitäre: Proteste auf der „Höhe der Zeit“. In: der Standard Blog, https://www.derstandard.at/story/2000100594213/identitaere-proteste-auf-der-hoehe-der-zeit [17.5.2020].

SELLNER Martin (2017): „Identitär! Geschichte eines Aufbruchs“. In Verlag Antaios, Schnellroda 2017) zit. n. Blog UNWIDERSTEHLICH (2017), Gramsci von rechts – Kulturrevolution. In: https://www.unwiderstehlich.org/gramsci-von-rechts-kulturrevolution/ [13.11.2019].

SELLNER Martin, Frauen wehrt euch! 120 Dezibel #120db. In: YouTube, https:// www.youtube.com/watch?v=FSXphiFknyQ [Download 23.7.2020].

SELLNER Martin (2019) Was fehlt: ein neurechtes Kontinuum. In: Sezession, https://sezession.de/ 60814/was-fehlt-das-neurechte-kontinuum [12.12.2019].

SPEIT Andreas (2018): „Ausländer raus“ mit anderen Worten. In: Deutschlandfunk Kultur, https:// www.deutschlandfunkkultur.de/andreas-speit-das-netzwerk-der-identitaeren-auslaender-raus. 1270.de.html?dram:article_id=436748 [12.1.2020].

STEGEMANN Patrick, MUYSAL Sören (2019): The Kids are Alt-Right. Wie die Neue Rechte Influencer erschafft und nutzt. RE;PUBLICA 19 (6.5.2019 13:45–14:15), https://19.re- publica.com/de/session/kids-alt-right-neue-rechte-influencer-erschafft-nutzt [7.9.2019].

Seite 166 STEINWANDTER Lukas (2017): Interview zu „Defend Europe“: „Wir tun das, was eigentlich Aufgabe der Regierung wäre“. In: Junge Freiheit, https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2017/ wir-tun-das-was-eigentlich-aufgabe-der-regierung-waere/ [4.5.2020]

STERKL Maria (2016): Theaterstück gestürmt: Verfassungsschutz ermittelt gegen Identitäre. In: der Standard, https://www.derstandard.at/story/2000034939397/identitaere-stuermten-theaterstueck- verfassungsschutz-ermittelt [19.5.2020].

STOPPT DIE RECHTEN (2017): ‚radikal feminin‘ – Die ‚Identitäre Bewegung‘ und der (Anti)Feminismus. In: https://www.stopptdierechten.at/2017/09/15/radikal-feminin-die-identitaere- bewegung-und-der-antifeminismus/ [17.2.2020].

STÖRUNGSMELDER BLOG (2017): Bilder, Bilder, Bilder – wie Medien mit den Identitären umgehen sollten. In: Zeit Online, https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2017/05/22/bilder-bilder- bilder-wie-medien-mit-den-identitaeren-umgehen-sollten_23812 [28.8.2020]

STÖRUNGSMELDER BLOG (2017): Interne Strategiepapiere der Identitären Bewegung geleaked. In: Zeit Online, https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2017/02/28/identitaere-bewegung-leak-straff- organisiert23168_23168 [1.8.2020].

STÖSS Richard (2007): Die "neue Rechte" in der Bundesrepublik. In: Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41435/die-neue-rechte-in-der- bundesrepublik?p=all [7.5.2020].

STÖSS Richard (2015): Kritische Anmerkungen zur Verwendung des Extremismuskonzepts in den Sozialwissenschaften. In: Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de/politik/ extremismus/rechtsextremismus/200099/kritische-anmerkungen-zur-verwendung-des- extremismuskonzepts-in-den-sozialwissenschaften [20.8.2019].

STROBL Natascha (2013): Kommunikationsstrategien der Neuen Rechten. In: Blog Schmetterlingssammlung, https://schmetterlingssammlung.net/2013/04/16/ kommunikationsstrategien-der-neuen-rechten-2/ [14.9.2019].

STROBL Natascha (o.J.): Theorie der Ungleichheit – die Ideologie der Neuen Rechten. In: https:// www.oeh.univie.ac.at/zeitgenossin/theorie-der-ungleichheit-die-ideologie-der-neuen-rechten [11.8.2019].

STROBL Natascha (2020): „Die extreme Rechte fantasiert einen Kriegszustand herbei“: Die Rechten und die Sprache. In: Frankfurter Rundschau, https://www.fr.de/politik/extremismus- forscherin-analysiert-sprache-rechtsextremen-13553622.html [20.4.2020].

STROBL Natascha / UFER Gesa (2020): Deplatforming von Rechtsextremen. Das Sperren der Identitären trifft die Bewegung. In: Deutschlandfunk Kultur, https://www.deutschlandfunkkultur.de/ deplatforming-von-rechtsextremen-das-sperren-der.2156.de.html?dram:article_id=481959 [3.9.2020].

Seite 167 VBLOG IB (2013): Identitäre Bewegung Bochum - Identitäre Solidarität mit den Bochumer Arbeitern. https://www.youtube.com/watch?v=Etewmug3N_U [Download 10.9.2020].

VEY Judith (2015): Gegen-hegemoniale Perspektiven. Analyse linker Krisenproteste in Deutschland 2009/2010. In: VSA Verlag, Hamburg, https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/ pdfs/sonst_publikationen/VSA_Vey_Gegen-hegemoniale_Perspektiven.pdf [14.10.2019].

VOTIVKIRCHE – DIE WAHRHEIT (2013): Votickirche die Wahrheit Augenzeugenbericht. In: Facebook, https://www.facebook.com/VotivkircheDieWahrheit/posts/388806101215360?__tn__=K- R [24.11.2019].

WAGNER Robert (2019): Die Saat der „Identitären Bewegung“ geht auf - Teil 2. In: Redaktion Belltower.News, https://www.belltower.news/christchurch-die-saat-der-identitaeren-bewegung- geht-auf-teil-2-82995/ [3.2.2020].

WEIH Ulrich (2019): Kubitschek greift auf Buchmesse Journalisten an - und die Polizei unterstützt ihn dabei. In: Frankfurter Rundschau, https://www.fr.de/politik/buchmesse-frankfurt-kubitschek- greift-journalisten-polizei-unterstuetzt-13136430.html [8.8.2020].

WINTER Jakob (2017): Recht extrem: So provozieren die Identitären In: Profil.https:// www.profil.at/oesterreich/identitaere-hilfsaktionen-mittelmeer-8205044 [4.6.2020].

YouTube Kanal Schnellroda 2017, Gewaltloser Widerstand – Martin Sellner beim IfS. https:// www.youtube.com/watch?v=3gjTgCAYwaA [20.8.2020].

ZEIT ONLINE (2016): Rechtsextreme stürmen Jelinek-Aufführung in Wien. In: https:// www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-04/identitaere-bewegung-wien-theater-elfriede- jelinek-die-schutzbefohlenen [18.2.2020].

ZILLMER Arne (2013): „Likes“ für Rassisten: Wie die Identitären im Internet für sich werben. In: Zeit Online, Störungsmelder Blog, https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2013/02/12/likes-fur- rassisten-wie-die-identitaren-im-internet-fur-sich-werben_11343 [6.3.2020].

ZOTTER Christoph (2017): Mittelmeerroute: Die zynische PR-Aktion der Identitären. In: Profil, https://www.profil.at/ausland/mittelmeerroute-pr-aktion-identitaeren-8322224. [15.5.2020].

Seite 168 Abbildungsverzeichnis

1. Abbildung: „Pils Identitär“ aus dem Online Shop „Phalanx Europa“: Quelle: PHALANX EUROPA (o.J): In: https://phalanx-europa.com/markenshops/pils-identitaer/ [9.8.2020].

2. Abbildung: Tasse „Make Love & Defend Europe“ aus dem Online Shop Phalanx Europa: Quelle: PHALANX EUROPA (o.J.): In: https://phalanx-europa.com/accessoires/tassen/322/tasse- make-love?c=126 [14.5.2020].

3. Abbildung: „Herrenshirt: Build that Wall“ aus dem Online Shop Phalanx Europa: Quelle: PHALANX EUROPA (o.J.): In: https://phalanx-europa.com/herren/shirts/151/herrenshirt- retro-wanderer?c=61 [14.5.2020].

4. Abbildung: „Herrenshirt: Satisfaction“ aus dem Online-ShopPhalanx Europa: Quelle: PHALANX EUROPA (o.J.): In: https://phalanx-europa.com/herren/shirts/590/herrenshirt- satisfaction?c=61 [14.4.2020].

5. Abbildung: Die Geschichten unserer Vorfahren sind die Geschichten unserer Kinder: Quelle: BRUNS / GLÖSEL / STROBL (2017), S. 270.

6. Abbildung: Kampagne „unseren Kindern zuliebe“ der Identitären Steiermark: Quelle: IBÖ (2017): Jahresbericht, S. 8. In: http://www.identitaere-bewegung.at/wp-content/ uploads/2018/04/jahresbericht2017.pdf [Gesehen am 15.5.2020].

7. Abbilung: Eric Cartman von Southpark: Respect my Identity: Quelle: BRUNS / GLÖSEL / STROBL 2017, S. 279.

8. Abbildung: Reconquista Sticker: Quelle: IBD (2016): Europa, Jugend, Reconquista. In: Blog IDENTITÄRE BEWEGUNG https:// blog.identitaere-bewegung.de/europa-jugend-reconquista/ [11.12.2019].

9. Abbildung: Ingrid Weiss Twitter: „Fighting for the rebirth of Europe“: Quelle: WEISS (2017): o.T. In: Twitter, https://twitter.com/ingridwss/media?lang=de [3.2.2020].

10. Abbildung: „Zu schön für einen Schleier“1.: Quelle: STÖRUNGSMELDER 2013, „Likes“ für Rassisten: Wie die Identitären im Internet für sich werben. In: ZEIT ONLINE https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2013/02/12/likes-fur-rassisten-wie- die-identitaren-im-internet-fur-sich-werben_11343 [4.1.2020].

11. Abbildung: „Zu schön für einen Schleier“ 2.: Quelle: AfD KÖLN (2017): o.T. In: Twitter. https://twitter.com/just1ofyou/status/ 859087480569647104 [13.2.2020].

12. Abbildung: Do it Again! Prinz Eugen, Leonidas, Karl Martell: Quelle: AGENTUR FÜR SOZIALE PERSPEKTIVE (o.J.): Islamfeindliche Symbole. In: https:// dasversteckspiel.de/die-symbolwelt/rassismus/islamfeindliche-symbole-129.html [20.4.2020].

Seite 169 13. Abbildung: Avatar Meme: „100% identitär 0% Rassismus“: Quelle: LANZKE 2012, Die Identitären, ein ernstzunehmendes neues Phänomen oder nur Nebellichter? In: BELLTOWER NEWS. https://www.belltower.news/die-identitaeren-ein- ernstzunehmendes-neues-phaenomen-oder-nur-nebellichter-35454/ [4.4.2020].

14. Abbildung: Aktion der Identitären Bewegung Berlin (2012): Quelle: MROZEK (2017): Unter falscher Flagge. Rechte „Identitäre” setzen auf Antiken-Pop. Die Geschichte ihrer Symbole dürfte ihnen kaum gefallen. In: Blog POPHISTORY. https:// pophistory.hypotheses.org/2561 [11.12.2019].

15. Abbildung Meme Nausicaä: „Identitäre sind Überflieger“: Quelle: GÖTTERSTURMBUND 2013, Non-konforme Betrachtungen über Anime und Manga aus neurechter Perspektive. https://goettersturmbund.wordpress.com/2013/10/30/manga-in-rechts- kulturellen-milieus/ [18.8.2020].

16. Abbildung: Meme Prinzessin Mononoke „Reconquista“: Quelle: GÖTTERSTURMBUND 2013, Non-konforme Betrachtungen über Anime und Manga aus neurechter Perspektive. https://goettersturmbund.wordpress.com/2013/10/30/manga-in-rechts- kulturellen-milieus/ [18.8.2020].

17. Abbildung: Meme Tyler Durden: Eine Generation, ein Schicksal, eine Chance, Europa. Quelle: LANZKE 2012, Die Identitären, ein ernstzunehmendes neues Phänomen oder nur Nebellichter? In: BELLTOWER NEWS. https://www.belltower.news/die-identitaeren-ein- ernstzunehmendes-neues-phaenomen-oder-nur-nebellichter-35454/ [24.4.2020].

18. Abbildung: Die Wandlung von „Pepe the Frog“: Quelle: LOTTERSBERGER 2017, Die Codes der „Neuen Rechten“. In: FM4. https://fm4v3.orf.at/ stories/1777530/index.html [19.1.2020].

19. Abbildung: Störaktion im Audimax 2016: Quelle: RUDELSTORFER (2016) In: Stoppt die Rechten. Blut und Tod – die rechtsextreme Symbolik der Identitären. https://www.stopptdierechten.at/2016/08/26/blut-und-tod-die- rechtsextreme-symbolik-der-identitaren/ [1.9.2020].

20. Abbildung: Tweet „Defend Europe“ 1. August 2017. Quelle: DEFEND EUROPE (2017) In: Twitter [Eigener Screenshot von 5.6.2020].

21. Aktivistinnen der Identitären in „Defend Europe“-Shirts: Quelle: IBÖ (2017): Jahresbericht, S. 20. In: http://www.identitaere-bewegung.at/wp-content/ uploads/2018/04/jahresbericht2017.pdf [Gesehen am 15.5.2020].

Seite 170