printSeptember 2016 DAS MAGAZIN DES WDR

DAS MUSIK-EXPERIMENT Vivaldi goes Hip-Hop

Bettina Böttinger: Zehn Jahre »Kölner Treff « »Zimmer frei«: Eine TV-Legende verabschiedet sich Sonia Seymour Mikich: Die Chefi n bleibt an Bord ZUKUNFTS- AUSSICHTEN Foto: WDR / Sachs

Diese Jugendlichen treiben sich gerade im Grand Canyon herum – virtuell. Tom Buhrow hat zweiundzwanzig Virtual- Reality-Brillen für das WDR Studio Zwei angeschafft. Dort können Schüler Radio und TV machen – und neuerdings Erfahrungen mit der Virtual-Reality-Brille. Der Intendant ist von der neuen Technik überzeugt: „Für den WDR erge- ben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten, Inhalte zu erzählen.“ »Quarks & Co« hat seine Zuschauer bereits in eine erheblich unwirtlichere Umgebung entführt und eine 360-Grad-Reportage über Tschernobyl produziert.

2 BITTE LÄCHELN Foto: WDR/Foto: Anneck

Wenn Sie den Typen in der Mitte nicht kennen, liegt es vermutlich daran, dass Sie volljährig sind. Es handelt ich um Youtube-Star Mr. Trashpack, der auf seinem Youtube-Kanal regelmäßig über andere Youtube-Stars spricht. Marvin Fischer (links) und Maike Greine (rechts) trafen den Schnellredner für 1LIVE diGGi bei den Videodays, Europas größtem Youtuber-Treffen, das zu sich einer Kreischalarm-Veranstaltung für viele tausend jugendlicher Fans entwickelt hat. Das WDR-Internetradio sendete erstmalig zwei mal vier Stunden live aus der Köln-Arena für die Zahnspangen-Zielgruppe.

3 SCHWEIGEN DIE WÄLDER? Foto: laif Foto:

Peter Wohlleben sieht den Wald trotz der vielen Bäume ganz genau. Mit seinem Überraschungs-Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ wurde der Eifeler zum berühmtesten Förster Deutschlands. Darin vermenschlicht er zwar Buche, Eiche und Nordmanntanne als Freunde, beschreibt den Wald als Gemeinschaft, die ihre Kinder säugt und sich gegenseitig vor Gefahren warnt. Aber alles auf streng wissenschaftlicher Grundlage. »Planet Wissen« stellt Wohlleben am 23. September um 13.00 Uhr in der Sendung „Der Wald – Die geheime Sprache der Bäume“ vor.

4 KUH-KUCK! Foto: WDR/Grande Foto:

Eine nette Chefin: Birgit Schulte Bisping bedankt sich bei ihrer Kuh Karin (Name von der Redaktion geändert) für die gute Milch. Die Landfrau stellt in ihrer Hofkäserei in Telgte daraus Käse und Joghurt her. Für »Land & Lecker« kocht sie mit fünf Kolleginnen aus dem ruralen NRW um die Wette. Neben Leckereien aus der Landküche zeigen die neuen Episoden, wie den kreativen Unternehmerinnen die Balance zwischen Familientradition und Zeitenwandel gelingt. Jetzt zur besten Sendezeit: Ab 5. September montags um 20.15 Uhr im WDR Fernsehen.

5 KLEINGELD FÜR KLAUS Foto: WDR/Kost

Dieser Straßenmusiker hat auf jeden Fall schon mal 50 Euro im Saxophon-Koffer. Denn so viel bekommt Klaus Doldinger als Komponist der »Tatort«-Titel-Melodie für jede neue Folge überwiesen. Wiederholungen bringen einen Fünfer. Da muss mancher Fußgängerzonen-Charlie-Parker lange für tröten. Im Kölner »Tatort« spielt die 80-jährige Jazzlegende, die damals Udo Lindenberg an die Trommeln setzte, erstmalig eine kleine Rolle. Den Kölner Kriminalisten scheint der Sound zu gefallen. Die Dreharbeiten fanden im Juli und August statt, ein Sendetermin steht noch nicht fest.

6 Inhalt

Titel 24 Das Vivaldi-Experiment: Interview mit Rapper MoTrip und Wayne Marshall, Chef- Editorial dirigent des WDR Funkhausorchesters 30 Der WDR überträgt den medial bedeut- samsten Wettbewerb für junge Klassik- musiker in Europa

Foto: AnneckFoto: 34 Jukka-Pekka Saraste, Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters, über einen Rock’n’ Roller der Klassik: Mahler 38 Zwei Bosse für die WDR Big Band 40 Der WDR Rundfunkchor machte bei einem spannenden Filmprojekt mit, das für den Prix Italia nominiert wurde / Der WDR sucht wieder den besten Chor im Westen Liebe Leserinnen und Leser, Talk 8 Jubiläum: Interview mit Bettina Böttinger lieben Sie Jazz, Pop oder Rap oder sind Sie über zehn Jahre »Kölner Treff« eher der Klassikliebhaber? Egal, welchen Panorama Musikgeschmack Sie vertreten, welcher 14 Neue WDR-Doku-Soap über das Tanz- musikalischen Generation Sie angehören, fieber in NRW / WDR 4 ab 2017 werbefrei der WDR bietet seinem Publikum zum Medienmenschen Saisonauftakt der vier Klangkörper aufre- Christine Westermann und Götz Alsmann 15 Thomas Hermanns moderiert künftig Foto: WDR/Knabe gende neue Projekte und Programme aus »Westart live« / Stefan Konarskes allen Sparten. Wir sprachen mit Rapper TV-WG feiert Abschied vom »Dortmunder Tatort« MoTrip und Wayne Marshall, Chefdirigent 44 Vertrag mit Fernsehchefredakteurin Sonia des WDR Funkhausorchesters, über das Seymour Mikich über die Pensionsgrenze cross-musikalische „Vivaldi Experiment“, Abschiedsparty hinaus verlängert trafen junge Musiker anlässlich des Fina- 16 »Zimmer frei«, die anarchische 49 Emanuela Penev, die neue stellvertre- les des „Eurovision Young Musicians“ und Show des WDR, macht nach erfolg- tende Unternehmenssprecherin / Repor- erfuhren von Chefdirigent Jukka-Pekka ter-Legende Herbert Watterott wird 75 Saraste die Pläne des WDR Sinfonieorches- reichen 20 Jahren Schluss. Wir erin- Show ters. Außerdem stellen wir die kongeniale nern an die kuriosen Anfänge und 16 Abschied von einer TV-Legende: Nach 20 neue Doppelspitze der WDR Big Band vor unvergessliche Momente deutscher Jahren ist Schluss mit »Zimmer frei« und rufen zum großen Wettbewerb „Der Unterhaltungskunst. Hörspiel beste Chor im Westen“ auf. Wenn Sie 42 Das größte Hörspiel aller Zeiten wurde in mitsingen wollen: Anmeldeschluss ist der nur 70 Tagen von 1401 Vorlesern komplett 9. September. eingesprochen In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen Nachruf beschwingten Sommerausklang 50 Ulrike Wischer, Hilde Junker-Seeliger 70 Jahre NRW Maja Lendzian 51 WDR setzte Festakt in Szene Perspektiven 52 Gesucht: Qualifizierter Nachwuchs an Fachinformatikern 54 WDR schafft Ausbildungsplätze für Flücht- linge / »Lokalzeit Köln« kommt ins Schulbuch

SONIA SEYMOUR MIKICH Sonia Seymour Mikich in ihrem Kölner Büro- Glosse Foto: WDR/Görgen 55 Christian Gottschalk über Musik im Mutiger Journalismus Fernsehen Berufsbilder Foto: WDR/Kost 44 Als Korrespondentin suchte Sonia Seymour Mikich das Aben- 56 Eine von uns: Fernsehfilmredakteurin Nina teuer, wagte sich in die Verstecke tschetschenischer Rebellen und Klamroth wurde für ihren mutigen Journalismus ausgezeichnet. Seit zwei Im Gespräch 58 Auf einen Weißwein mit Drehbuchautor Jahren ist die 65-Jährige Fernsehchefredakteurin. Wir sprachen mit Jürgen Werner ihr anlässlich einer nicht alltäglichen Vertragsverlängerung. 59 Service / Impressum

7 Zehn Jahre »Kölner Treff« mit Bettina Böttinger B. SPRICHT

Kölner Südstadt, im Hintergrund die Severintorburg: Bettina Böttinger trifft Köln und macht mit ihrem Moderationssessel Station an besonders schönen Plätzen. Fotos: WDR/Grande

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Bettina Böttinger ist die Meisterin des Crosstalks: Souverän zettelt sie die spannendsten Gespräche zwischen den interessantesten Zeitgenossen an. Denn wenn die Journalistin einlädt, kommen alle. Der »Kölner Treff« zählt zu den erfolgreichsten Talk-Sendungen im deutschen Fernsehen. Zum Zehnjährigen drehten wir den Spieß um und baten die Profi-Talkerin zum Interview.

„Das Leben ist wie eine Schachtel 60. Geburtstag, und im September hat ihr Pralinen, man weiß nie was man kriegt.“ WDR-Talk »Kölner Treff« zehnjähriges Till Quitmann sitzt mit Bettina Böttinger Jubiläum. auf einer Bank im Flughafen Köln/Bonn Weil das Zusammenspiel zwischen und gibt den Forrest Gump. Es ist der Quitmann und Böttinger so gut funk- Einstieg in eines seiner beliebten Klapp- tionierte, beschloss die Redaktion, das stuhlinterviews für die »Lokalzeit Köln«. gesamte Interview in zwei Teilen zu senden Die mitgebrachten Sitzmöbel werden heute (siehe Seite 13). Unmittelbar nach dem Dreh allerdings nicht gebraucht und zieren übernahm Christine Schilha für WDR zusammengeklappt das Bild. print Klappstuhl-Tills Platz auf der Bank. Es ist Urlaubszeit. Entsprechend viele Menschen wuseln um das WDR-Team Frau Böttinger, normalerweise stellen Sie die herum. Sie habe sich vorgenommen, ihrem Fragen. Wie fühlt sich der Rollenwechsel an? Fernweh häufiger nachzugeben, sagt Bet- Ach, ehrlich gesagt ganz gut. Es hat tina Böttinger. Dabei hat sie gerade ihren was von Ernte einfahren. Jetzt zum Jubi- Urlaub für dieses und diverse andere Inter- läum zeigt sich deutlich, was für ein Ver- views unterbrochen. Die viel beschäftigte gnügen die Leute am »Kölner Treff« haben, Moderatorin und Produzentin steht der- wie sehr sie die Sendung schätzen. Das zeit im Fokus, denn im Juli feierte sie ihren freut mich und mein Team sehr. Dazu kam

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Till Quitmann führt gleich mit Bettina Böttinger eines seiner berüchtigten „Klapp- stuhlinterviews“ für die »Lokalzeit Köln«. Anschließend bittet WDR print zum Inter- view auf dem Köln/Bon- ner Flughafen.

auch noch Lob vom WDR: ein sehr schöner 1985 fingen Sie als Redakteurin beim WDR ungewöhnlich freche Medienshow war Brief vom Intendanten Tom Buhrow und an. Wie kam es zum Schritt ans Mikro und live vor Publikum – da habe ich gemerkt, eine beeindruckende Rede des Fernsehdi- vor die Kamera? dass ich das gerne mache. Wir haben das rektors Jörg Schönenborn. Ich habe gerade Ans Mikro sehr früh. Ich habe Fernsehen unter die Lupe und aufs Korn eine tolle Zeit. damals die Hörfunksendung »Guten genommen. Das hat uns sehr viel Ver- Morgen aus Köln« gemacht und wurde gnügen bereitet, aber auch so manchen Dabei wollten Sie ja eigentlich Lehrerin wer- gefragt, ob ich nicht auch »Zwischen Ärger eingebracht. den … Rhein und Weser« moderieren wolle Das stimmt nicht ganz. Ich hatte – ein Flaggschiff am Nachmittag auf In einer Sendung haben Sie dem jungen nach dem Abitur keine Ahnung, was ich WDR 2. Ich war nie in meinem Leben Stefan Raab auf den Kopf gehauen. Was hat beruflich machen wollte. Ich habe Ger- so aufgeregt wie bei der ersten Sendung. Sie da geritten? manistik und Geschichte studiert, weil es Und dann kam das Fernsehen. Ich wurde [Lacht] Daran habe ich mich auch mich interessierte. Die Perspektive war, sehr jung Redaktionsleiterin von »Hier erst jetzt wieder erinnert, als ich den Aus- irgendwann zu unterrichten, aber eigent- und Heute« und habe die Sendung auch schnitt sah. Na ja, ich sagte ja: Wir haben lich wollte ich das nicht wirklich. Als ich im Wechsel mit anderen moderiert. Das uns viel rausgenommen damals. Der Raab dann freie Mitarbeiterin bei einer Zeitung waren alles ganz klar journalistische hatte ein wirklich frauenfeindliches Lied wurde, war klar: Journalismus, das ist mein Stationen. Der erste Schritt in Richtung herausgebracht mit der Zeile „Frauen soll Weg! Es war eine sehr gute und glücklich Unterhaltung kam 1991 mit »Parlazzo«. man hauen“. Da habe ich den Spieß eben machende Wahl. Die von Annette Dittert konzipierte, umgedreht. ➔

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2006 haben Sie mit dem »Kölner Treff« ein Stück Fernsehgeschichte wiederbelebt. Die Talkshow lief von 1976 bis 1983 im WDR. Welche Erinnerung haben Sie daran? Ich habe im Kopf, dass die Kombina- tion aus dem Journalisten Dieter Thoma, damals Hörfunkchefredakteur des WDR, und dem Unterhalter Alfred Biolek sehr gut funktionierte. Wenn man sich aber heute eine Sendung aus dem Archiv anschaut, dann stellt man fest: Mein lieber Scholli, da liegen Lichtjahre dazwischen, was das Tempo angeht, die Art, Gespräche anzu- fangen, die Art, Fernsehen zu machen. Das Neue damals war, dass die beiden auch „normale Leute“ ins Studio holten. Das machte den Reiz aus, deshalb blieb die Sendung in positiver Erinnerung. Und deshalb kam der WDR auch auf die Idee, den Titel nochmal aufzunehmen.

Was haben Sie anders gemacht? Das Konzept war anfangs, in Dop- pelmoderation mit Achim Winter die Gespräche nacheinander zu führen, auf dem bekannten „Jetzt zum Jubiläum zeigt Sofa. Das war nicht mein Fall und hat einfach nicht sich deutlich, was für ein hingehauen. Die erste Sen- dung hatte eine dramatische Quote von 2,8 Prozent. Wir Vergnügen die Leute am Der »Kölner Treff« steht für Begegnungen. Das Jubiläum ihrer Sendung nimmt Bettina Böttinger zum Anlass für einen Streifzug mit Fotografin Melanie Grande durch Köln. Auf sind dann bald zur klassi- der Severinstraße, eine der beliebtesten Straßen der Stadt, trifft sie Mehmet Sahan vor seinem türkischen Supermarkt. »Kölner schen Talkrunde überge- gangen, und ich habe die Nach so vielen Jahren Talk – kommt da nicht Treff« haben, Moderation alleine über- die Neugier abhanden und Routine auf? nommen. Nee, dagegen hilft eine ganz banale wie sehr sie Tatsache: Kein Leben ist langweilig! Dazu Nun läuft die Sendung seit kommt, dass ich nie genau weiß, wie die die Sendung zehn Jahren. Dreimal im Kombination der Gäste funktioniert, wel- Monat erreichen Sie 1,4 Mil- che Dynamik entsteht. Auch wenn wir uns schätzen.“ lionen Zuschauer. Was macht natürlich im Vorfeld Gedanken machen, Bettina Böttinger mit den Erfolg aus? wie das zusammenpasst. Mein Team und WDR print-Autorin Sie bietet ein gewisses ich suchen gerne nach Parallelen. Denn ich Christine Schilha Maß an Amüsement, das bemühe mich, die Gäste nicht nur nachein- zum Freitagabend passt, ander abzuhandeln, sondern eine richtige eine rheinische Lockerheit, ohne albern Gesprächsrunde zu etablieren. Auch das zu werden. Gleichzeitig bemühen wir uns, kommt beim Publikum gut an. gute Gastgeber zu sein. Jeder Gast – egal ob prominent oder nicht – bekommt die Was ist für Sie eine perfekte Gesprächsrunde? gleiche Aufmerksamkeit und Wertschät- In einer perfekten Runde entsteht eine zung. Das spiegeln uns die Gäste oft und ganz bestimmte Energie, die nur in dieser sagen: „Bei euch herrscht eine besondere Situation entstehen kann – aufgrund dieser Atmosphäre, wir kommen gerne.“ Und Gäste, ihres Interesses füreinander und dem, ich glaube, auch das Publikum schätzt was wir nicht planen können: wenn plötzlich das sehr. Sympathie aufflammt, sich Gemeinsamkei-

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Sind Sie eigentlich privat auch eine Plau- dertasche oder schweigen Sie da zum Aus- gleich? Mein Temperament ist nicht nur fern- sehtauglich, ich bin auch sonst nicht still. Ich bin aber auch keine, die zwanghaft jede Tischgesellschaft unterhalten muss. Im Gegenteil, wenn ich privat interessante Menschen treffe, kann ich mich auch den ganzen Abend zurücknehmen und zuhö- ren. Zuhören habe ich ja als Talkerin auch gelernt. Ich glaube schon, dass mich diese Tätigkeit, die ich jetzt so lange ausübe, sehr geprägt hat. Und es hat auch mein Men- schenbild geprägt. Vielleicht sogar zu sehr zum Positiven.

Wie meinen Sie das? Die Menschen, mit denen ich zu tun habe, sind in der Regel sehr freundlich. Und ich bin es auch. Es sind sehr oft sehr menschliche und warme Begegnungen. Was ich da freitagabends erlebe, strahlt meist noch auf meine Wochenenden aus. Und dann kommt die bittere Realität, wenn ich Nachrichten schaue und sehe, in was für einer Zeit wir leben.

Der »Kölner Treff« steht für Begegnungen. Das Jubiläum ihrer Sendung nimmt Bettina Böttinger zum Anlass für einen Streifzug mit Fotografin Melanie Grande durch Köln. Auf der Severinstraße, eine der beliebtesten Straßen der Stadt, trifft sie Mehmet Sahan vor seinem türkischen Supermarkt.

ten offenbaren. Wenn die Runde ganz dicht Führen Sie heute Gespräche anders, als zu wird, dann kommt das bei den Zuschauern Beginn Ihrer Talkshow-Karriere? an. Nach einer Sendung, die etwas Vergnüg- Ja. Bei »B.trifft« waren die Gesprä- »Kölner Treff« liches und Leichtes hat und gleichzeitig che noch viel journalistischer angelegt. Jubiläumssendung mit Mariele Gedanken auslöst, die noch nachhängen, Da hatte ich immer das Ziel, mehr raus- Millowitsch, Walter Sittler, Gaby fahre ich sehr glücklich nach Hause. zukriegen, als der Gast erzählen wollte. Köster, Till Brönner, Bülent Ceylan, Diesen Anspruch habe ich heute nicht Enissa Amani Wie schmal ist der Grat zwischen dem Gast mehr. Ich versuche, als Gastgeberin WDR FERNSEHEN nahezukommen und ihm zu nahezutreten? eine Atmosphäre herzustellen, und bin FR / 2. September / 22:00 – 23:40 Darüber mache ich mir als Gastgebe- nicht auf einem Erkenntnisgewinn-Trip. rin vorher Gedanken. Jeder Mensch hat Das ist eine andere Herangehensweise, danach online: eine andere Grenze. Manche sagen: Darü- an die ich mich selbst erst gewöhnen www.wdr.de/k/koelnertreff ber möchte ich nicht sprechen. Das akzep- musste. tieren wir selbstverständlich. Und die 1/30 Gäste wissen, dass sie sich darauf verlassen Gibt es einen Gast, den Sie noch nicht in der Zehn Jahre Kölner Treff in Bildern können. Wir lassen sie auch nicht alleine, Sendung hatten, aber schon immer haben www.wdr.de/k/10jahre etwa wenn sie mal von einem anderen Gast wollten? angepampt werden. Das heißt aber nicht, Nein. So wichtig ist niemand. Ich habe #Klappstuhl: Till trifft Bettina dass wir weichgespült sind. Ich erlaube so viele beeindruckende Persönlichkeiten Böttinger (Teil I und II) mir, die Gäste auch mal auf den Arm zu kennengelernt, dass ich nicht denke: Aber in der Lokalzeit aus Köln nehmen, sie aus der Reserve zu locken. Die Boris Becker müsste unbedingt noch kom- Allermeisten kommen damit klar. men. online: www.wdr.de/k/klappstuhl

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Let’s Dance! Nordrhein-Westfalen bittet zum Tanz! Die neue WDR-Doku-Soap »Tanzfieber – mein bewegtes Leben« taucht ab 5. Septem- ber hautnah ein in die Lebenswelten von Tanzlehrern, Tänzern und Tanzbegeister- ten in unserem Land. Tanzen ist Leidenschaft! Und für die Protagonisten der neuen sechsteiligen WDR- Doku-Soap ist es ihr Leben. So fand zum Bei- spiel Hanno Liesner in seinem Tanzverein „Funky“ eine neue Lebensaufgabe, nachdem er mit Sozialstunden bei der Lebenshilfe Münster Buße per Gerichtsbeschluss hatte leisten müssen: „Egal ob behindert oder nicht: Wir haben einen Ort, an dem nur die gemeinsame Liebe zum Tanzen zeleb- riert wird.“ Dass Tanzen und Liebe zusam- mengehören, zeigen auch die Düsseldorfer Eheleute Rudolf (75) und Gudrun Pekel (62) „Dornröschen“ in einer Choreographie des russischen Ballettstars Rudolf Nurejew: Tanzlehrer Marcos eindrucksvoll auf dem Parkett: Sie gehören Souza Araujo tanzt den Nussknacker. Foto: WDR/ITV/Kohr zu den ältesten sowie erfolgreichsten Paaren der brasilianische Profitänzer Marcos Souza „Tanzen ist etwas Wunderbares, es ist alles in in ihrer Klasse und schreiten seit mehr als Araujo: Früher auf fast allen großen Bühnen einem: Liebe und Leid, Erfolg und Niederlage, 40 Jahren im gleichen Takt durchs Leben. in seinem Heimatland und in Deutschland Glück und Schmerz.“ EB Weniger um Liebe, sondern um eiserne Dis- unterwegs, führt er heute eine eigene kleine Tanzfieber – mein bewegtes Leben ziplin und Hingabe geht es bei der Latein- Tanzschule in Sprockhövel, zusammen mit Formation vom TSZ Velbert: Hier tanzt nur, seinem Mann Walter. Carsten Wiese, verant- WDR FERNSEHEN wer auch absolute Bestleistung zeigt. Oder wortlicher Redakteur der neuen Doku-Soap: MO / ab 5. September / 21:00

WDR 4: Ab 2017 werbefrei „ONE – Eins für euch“ Schon länger setzt WDR 4 ist künftig werbefrei. Der Rundfunkrat hat einem ent- Einsfestival verstärkt sprechenden Vorschlag der Geschäftsleitung zugestimmt. Damit auf Fiktion und Unter- setzt der WDR eine rechtliche Vorgabe des Landes NRW um: Mitte haltung. Jetzt passte der Februar trat das neue WDR-Gesetz in Kraft, das unter anderem eine vom WDR verantwor- Reduzierung der Radiowerbung vorgibt. tete digitale Fernseh- „Bei WDR 4 müssen wir durch den Wegfall nur minimal in den sender seinen Namen Programmablauf eingreifen, was letztendlich auch den Hörerinnen den neuen Inhalten an. Vom 3. September an heißt der Sender und Hörern zugutekommt“, begründet Hörfunkdirektorin Valerie „ONE“. Mit dem Claim wird daraus: „ONE – Eins für Euch“. Weber die Entscheidung. „Außerdem entsteht dem WDR durch die- „Der alte Name passte einfach nicht mehr zum Sender. Wenn sen Werbeverzicht auch der vergleichsweise wir die Leute fragen, woran sie bei ,Einsfestival‘ denken, hören geringste finanzielle Schaden.“ WDR 4 hatte wir häufig ,klassische Musik‘ und ,Kultursender‘“, erklärt ONE- bisher im Jahresdurchschnitt werktags 15 Projektleiterin Karin Egle. Minuten Werbung gesendet. Der neue Look knüpft an das etablierte Einsfestival-Design Gemäß der Neuerungen des WDR- an und präsentiert sich mit starken Farben und spezieller Bild- Gesetzes werden ab 2017 dann noch 1LIVE sprache. ONE wird den Fokus auf Film, Serie und Comedy (35 Minuten werktags im Jahresdurch- legen. Zu den aktuellen ONE-Programm-Highlights zählen der schnitt) und WDR 2 (40 Minuten werk- US-Late-Night-Hit »The Tonight Show Starring Jimmy Fallon«, tags im Jahresdurchschnitt) Werbung die australische Krimiserie »Miss Fishers mysteriöse Mord- ausstrahlen. Die Entscheidung, welche fälle«, die Emmy-prämierte US-Serie »Nurse Jackie« und das WDR-Welle als einzige von 2019 an noch WDR-Hörfunkdirektorin eigenproduzierte Gossip-Magazin »Shuffle« mit Lena Liebkind. Radiowerbung sendet, wird der WDR im Valerie Weber Egle: „Es soll aufregender und unterhaltender werden – und Sommer 2018 treffen. EB Foto: WDR/Sachs einen guten Schuss Glamour wollen wir ONE verpassen.“ EB

14 Jürgen Werner auf Seite 58 Seite auf Werner Jürgen mit Drehbuchautor Interview das auch Siehe daran.“ arbeiten wir doch füllen, Lücke leicht, zu nicht diese wird Es freuen. Kossik mund-Tatorts von Daniel Finale würdiges ein sich auf dürfen Fans des Dort „Die Tönsmann: Frank Redakteur dem aus Team Kossik Umständen ausscheidet. sich welchen unter auch, klärt Dann sehen sein. zu Ersten im Jahr nächstes wird und abgedreht bereits ist Dortmund, aus Ermittlerteam das Schritt. seinen Konarske begründete terprojekten“, Thea und Film- verschiedenen ich in arbeite Dort Paris. in mittlerweile liegt Lebensmittelpunkt mein Doch sein. zu Ermittlergruppe besonderen ganz Teil ein froh, der Schauspieler. dieser sehr bin „Ich betonte worden, getroffen dem Produktionsteam dem und mit WDR enger in Zeit Abstimmung und vor längerer bereits eigenen Wunsch seinen auf sei Die Entscheidung Zuschauern. 1200 vor rund park Westfalen Dortmunder im neuen Folge „Zahltag“ derTeam bei Open-Air-Premiere August Mitte der Kripo- dem vierköpfigen aus der Ermittler verriet er 2017 Das wird haben. Kossik Daniel kommissar WDR-»Tatort« Ober als Einsatz letzten Seinen aus. Stefan Konarske verabschiedet sich vom »Tatort« Pop als Kultur in den 1980ern hat mich über selbst geschriebene geschriebene über selbst mich hat den 1980ern in Kultur Pop als des Anerkennung die aber angesteuert, den Dramaturgen-Job direkt eigentlich ich hätte Theaterwissenschaftler studierter „Als hat. von Ugearbeitet Eund menführung der Zusam an Karriere gesamten seiner in der einen Fernsehprofi, Kulturflaggschiff sein moderieren. »Westart live« gard, Bon Wechsel im Matthias mit dann, wird Bochumer gebürtige Der Kultur: Sachen in Hermanns Thomas macht September 26. Ab Contest. Song Eurovision zum scheidung Vorent der deutschen Moderator genialer kon bis 2008 Helga« vonund 2006 war und derGastgeber NDR-Variety-Show »Thomas Comedy Clubs«, des »Quatsch seur, Gründer 26. September.26. am er gibt Einstand Seinen Fernsehens. WDR des Kultursendung der innovativen neuer Moderator wird Hermanns mas Verstärkung: Tho »Westart erhält live« »Westart live« moderiert Hermanns Thomas „Sturm“ (Arbeitstitel), der zehnte Fall für für Fall der zehnte (Arbeitstitel), „Sturm“ dem aus Dortmunder steigt Konarske Stefan Mit Hermanns verpflichtet der WDR für für WDR der verpflichtet Hermanns Mit Komiker,Er ist Drehbuchautor, Regis ------der interessantesten Sofaparty der Nation“. Nation“. der Sofaparty interessantesten der „Gastgeber neue der Hermanns, Thomas - - - - neusten WDR-Krimis bekannt. WDR-Krimis neusten Dortmund->>Tatort<< des dem aus Ausstieg Open-Air-Premiere der gibt seinen Konarske Stefan bei Medienmenschen mal den. den. der Nation“ wer zu Sofaparty der interessantesten „Gastgeber WDR-»Tatort« aus Dortmund aus WDR-»Tatort« Zahltag SO /9.SO /20:15 Oktober Erste Das

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Christine Westermann und Götz Alsmann – ein Moderatorentraumpaar mit unverwechselbarem Stil, von 1996 (links) bis heute (oben). Fotos: WDR/Galuschka/Knabe

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Schrille Kostümspektakel, meister- derem gemacht habe, meint Müller-Erdorf. liche bis schräge Hausmusik, skurrile Bil- Und das von Beginn an für viel Beachtung derrätsel, sehr persönliche Gespräche und sorgte: Ungezählte Schauspielerinnen, Poli- überraschende Geständnisse, rotzfreche tiker, Sängerinnen, Kabarettisten, Promi- Kabarettisten, irrwitzige Spielaktionen und nente aller Art haben sich seit dem Start um abgedrehte Parodien. Das war »Zimmer frei!« Aufnahme in die WG beworben, manche von der allerersten Sendung bis zum Bild- sogar zwei Mal. schirmabschied mit der 699. Folge. Dabei war alles ganz anders geplant. Nach nur 18 Ausga- Letzter Gast: Thomas Gottschalk ben, gesendet innerhalb von sechs Wochen, sollte eigentlich wieder Schluss sein: „Das Am 18.9. führen Christine und „Götzi- Scheitern war quasi Teil des Konzepts“, sagt Mausi“ das letzte Bewerbungsgespräch. Und Michael Müller-Erdorf. Er war einer von vier zwar mit Thomas Gottschalk. Am 25.9. Autoren, die sich 1996 Spiele, Bilderrätsel steigt dann als 700. Folge die 120 Minuten und Aktionen für die Gäste ausdachten. Das lange Abschiedsparty mit 20 prominenten Team: eine bunte Mannschaft aus verschie- Gästen. Mit dabei sind: Guido Cantz, Clueso, denen Abteilungen des Senders, die dafür Kim Fisher, Jorge González, Thomas gesorgt hat, dass der WDR Hermanns, Maite Kelly, Guido Maria zwei Jahrzehnte lang einen Kretschmer, Mariele Millowitsch, Oliver „»Zimmer frei!« ist wie eine solchen Unterhaltungsklas- Mommsen, Katrin Müller-Hohenstein, Jens siker zeigen konnte. Einen Riewa, Mary Roos, Semino Rossi, Florian große Familie. Alle sind „Dauerbrenner“, wie WDR- Silbereisen, Oliver Welke und Anne Will. Intendant Tom Buhrow sagt. Danach ist Schluss. Deutschlands berühm- aufeinander „Das ist vor allem Christine teste Fernseh-WG löst sich auf. Westermann und Götz Als- Es wären auch doppelt so viele Promi- eingespielt.“ mann mit ihrem unverwech- nente zur letzten Sendung gekommen. „Nicht selbaren Stil zu verdanken. wenige Promis kommen auf die Redaktion Ihre langjährige, aber heiße zu“, sagt Produktionsleiterin Gaby Montag, Moderationsaffäre im WDR „und fragen, ob sie mitmachen können. Produktionsleite- Fernsehen hat uns immer wieder begeistert Das gibt es sonst auch nicht. Wir sind eben rin Gaby Montag und überrascht. Danken möchte ich auch echt eine Marke“. Seit zehn Jahren begleitet Foto: WDR/Knabe dem gesamten WDR-Team. Die festen und Montag die Sendung „von der Anmeldung freien Kolleginnen und Kollegen unserer des Programmvorhabens bis zur Abrech- großen Show-Eigenproduktion können auf nung am Schluss“. Denn auch Chaos und dieses Sahnestückchen der Fernsehunter- Glamour wollen verwaltet werden. Sie wird haltung mächtig stolz sein.“ diese große Show-Eigenproduktion des WDR vermissen: „Das ist wie eine große Familie. Mit Moik fing alles an In den letzten zehn Jahren haben fast immer dieselben Leute zusammengearbeitet. Alle Als ersten Gast begrüßten Christine sind aufeinander eingespielt und die Moti- Westermann und Götz Alsmann am 9. Juli vation ist sehr hoch.“ 1996 das Volksmusikschwergewicht Karl Redakteur Michael Kerkmann über- Moik. Das muss man sich auf der Zunge nahm die Sendung 2010, gerade mal ein Jahr zergehen lassen. Es treten auf: ein Musiker, nach seinem Volontariat: „Als blutjunger Musikwissenschaftler und TV-Moderator, Redakteur war das für mich wirklich eine der außerdem als Professor Bop im Radio Mammutaufgabe.“ Die kompletten Bauten eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte. sind handgemacht, die Zimmer von der Dazu eine gestandene Journalistin aus der Szenenbildnerin Isabel Linnenbecker ent- »Aktuellen Stunde«, die sich aufs Parkett der worfen. Kerkmann: „Wir haben ganz Bock- Unterhaltung wagt und eben Karl Moik. Für lemünd beschäftigt.“ In dem Stadtteil am viele Zuschauer damals – um es freundlich Rande Kölns befinden sich die Werkstätten zu formulieren – eine Reizfigur. Das sieht des WDR. Auch Maske und Kostüm kön- so gar nicht nach Zielgruppenanalyse aus, nen sich bei »Zimmer frei!« richtig austoben, sondern spricht für einen gewissen Über- wenn man bedenkt, welche Verkleidungen mut. Es sei stets das „Anarchische“ an der Gäste und Moderatoren bei den Spielen Sendung gewesen, das sie zu etwas Beson- anlegen mussten – ➔

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Eine Legende der Fernsehunter- haltung zum Abschied: Thomas Gottschalk ist in der 699. Sen- dung der allerletzte Bewerber um das WG-Zimmer. Wird er einziehen dürfen? Foto: WDR/Knabe

Der erste Gast: Karl Moik. Er bekam das Zimmer. Foto: WDR/Seip

Erdbeere in Schokolade am Spieß für Sandra Maischberger von Harald Juhnke did it his way. Selbstverständlich auch bei »Zimmer frei!«. Der große Christine Westermann Foto: WDR/Seip Entertainer sorgte kurz vor seinem Tod für einen bewegenden Moment. Foto: WDR/Hohl

19 Show

und dass Götz Alsmann am Ende jeder Doch auch an laute und alberne Sendung eine skurille Kopfbedeckung Momente erinnert sich der Autor gerne. trägt. „Das macht die Sendung aus“, sagt Zum Beispiel die „Schlacht im Teutobur- Kerkmann, „und dass sie so bunt ist wie das ger Wald“ als Operninszenierung mit dem Leben. Man kann albern sein, kann aber Rundfunkchor. „Da ist der Funke zum Pub- auch tiefschürfende Gespräche führen.“ likum übergesprungen“, sagt er „wie so oft, Während Show-Redakteure heutzu- wenn Götz und Christine keine Hemmun- tage meist gemeinsam mit Produktionsfir- gen hatten und diesen Mut zur Lächerlich- men ein Gesamtprodukt entwickeln, ging keit und Selbstentäußerung gezeigt haben.“ bei »Zimmer frei!« alles über Kerkmanns In zwei Best-of-Sendungen erinnert Redaktionsschreibtisch. „Dadurch war ich der WDR an solche Momente: Nina Hagen in der Lage, eine Show bis ins Detail zu ver- und ihre Ufo-Theorien, beim stehen. So konnte ich die kreative Arbeit der Wasserballett (ohne Wasser), Kim Fishers verschiedenen Gewerke begreifen und wert- Lachanfall und andere Höhepunkte aus schätzen – Erfahrungen, die 20 Jahren Kindergeburtstag mit Alkohol – später in andere Produktio- denn auch Sekt, Bier und Eierlikör waren „Die Sendung ist so bunt wie nen wie »Frag doch mal die echt bei »Zimmer frei!«. Maus« eingeflossen sind.“ Fragt man die Beteiligten nach dem das Leben. Man kann albern Eine andere Besonder- „Erfolgsgeheimnis“ der Sendung, wieder- heit der Produktion erklärt holen sich zwei Antworten. Erstens: die gute sein. Aber man kann auch Gaby Montag: „Es gibt keine Zusammenarbeit des Teams. Alle geben ihr Generalprobe, und die Auf- Bestes. Und zweitens: Christine und Götz. tiefschürfende zeichnung wird nie abge- „Die sind zu allem bereit“, sagt Gaby Mon- brochen. Das funktioniert tag, „sind sich für nichts zu schade. Ob Gespräche mit den beiden Moderato- Torte ins Gesicht oder Schlammbad.“ Für ren, weil sie sehr spontan Michael Kerkmann „ergänzen sich beide führen.“ sind.“ Wenn ein Spiel nicht sehr in ihren Talenten und Fähigkeiten und richtig funktioniert, dann sind dabei einfach authentisch. Das spüren bekommt es nicht nur das Studiopublikum, die Zuschauer.“ Götz Alsmann ist immer Michael Kerkmann, sondern auch der Fernsehzuschauer mit. voll dabei: „Auch wenn es um nichts geht, WDR-Redakteur Wenn ein Gespräch sich spannend entwi- ist er sehr scharf darauf, das Spiel zu gewin- ckelt, wird auch mal ein Spiel spontan aus nen.“ Und seine Kollegin habe eben „die- der Sendung geworfen. Das ist manchmal sen ureigenen Christine-Westermann-Stil. schmerzhaft für die Produktionsleiterin, Emphatisch, gut zuhörend und manchmal „denn das hat ja auch Geld gekostet. Aber mit vermeintlicher Naivität“. so ist das Format nun mal“.

Viele unvergessliche Fernsehmomente WDR FERNSEHEN Dieser Mut zur Spontaneität, die unter- Zimmer frei! – Der Abschied schiedlichen Temperamente des Modera- Das große Special zum 20-Jährigen torenpaars, die Bereitschaft von Licht, Ton SO / 25. September / 22:15 und Kamera, immer wieder blitzschnell zu reagieren, auch wenn Götz Alsmann spon- Zimmer frei! – Das Making of tan durch die Kulisse zum Klavier rennt, Hinter den Kulissen der Kult-WG all das schafft Möglichkeiten, die immer SO/ 25. September / 00:15 wieder zu unvergesslichen Fernsehmomen- ten führen. So ein Moment war für Müller- Zimmer frei! – Best of Erdorf die „Hausmusik“ mit Harald Juhnke: Das Kultigste aus 20 Jahren, Teil 1 Der Entertainer trägt einen knallgrünen SO / 2. Oktober / 22:45 Riesen-Poncho vom Spiel zuvor über dem Anzug und singt seine deutsche Version Best of, Teil 2 von „My Way“. Götz sitzt im roten Umhang SO / 9. Oktober / 22:45 am Piano, Christine in Gelb und sichtlich berührt auf dem Sofa. Es ist der letzte Fern- »Zimmer frei!« online sehauftritt Juhnkes. wdr.de/fernsehen/zimmer-frei

20 Raab: 1997 erklärte Stefan Raab bei »Zimmer frei!« die Sache mit den Bienen und den Blumen. Als optische Hilfsmittel gab es eine Stock­ puppen-Biene und einen Strauß Kunstblumen. Diese Chance ließ Raab nicht liegen. Die Biene wurde zur „Metapher für Götz Alsmann“. Die „anmutigen Blumen“ standen für Christine Westermann. Und natürlich, so Raab weiter, „kommt jetzt der kleine Götz und riecht.“ Später bei der Hausmusik sang er noch das Lied von der Biene Maja, wobei Götz und Christine beide ein Bienenkostüm trugen: ein Themenabend quasi. Foto: WDR/Hohl

Wickert: Im Jahr 2000 war Ulrich Wickert zu Gast in der Sendung. WDR print zeigt eines der wenigen existierenden Fotos des damaligen »Tagesthemen«-Moderators beim »Zimmer frei!«-Wasserballett. Zu beachten ist die Anmutung von Anmut im Antlitz des Anchormans. Foto: WDR/Hohl

Elstner: Sein Besuch im März 2000 ist fast schon legendär, weil er in der Sendung ganz offen über seine Schlafgewohnhei- ten plauderte, Stichwort Hagen: Nina Hagen war zwei Löffelchen-Stellung. Mal zu Gast. 1999 erzählte sie Auch Frank Elstner von ihrer 1981 stattgefundenen gehörte zu den Glückli- Begegnung mit einem Ufo. chen, die sich ein zweites Und zwar sehr detailreich und Mal um das Zimmer ausführlich. Christine sagte im bewerben durften. Er Rückblick, sie wisse nicht, ob versäumte dabei nicht, Hagen sie „auf den Arm genom- die Geschichte men habe“. Bei ihrem zweiten zu erzählen, wie er Auftritt 2012 hatte Frau Hagen damals »Wetten, dann zum christlichen Glauben dass ..?« erfunden hat. gefunden – zu Gott, ihrem Ein Thema, das er später „Arbeitgeber“. Fast hätte sie in der WDR-Sendung diesen Besuch in der Sendung »Die unwahrscheinlichen verschieben müssen, weil sie Ereignisse im Leben von Ärger mit dem Teufel hatte: Frank Elstner« nochmal mit viel Selbstironie aufgriff. „Ich habe über Satanismus Foto: WDR/Seip aufgeklärt, und dann kam eine schwarze Katze!“ Und die biss sie. Immer was los, bei der Sängerin. Foto: WDR/Seip

Fisher: Auch Kim Fishers Lachanfälle sind in die Sendungsannalen einge- gangen. Ob am Esstisch, auf dem Sofa oder beim heißen Flirt mit einem Hai (bewegt und gesprochen vom groß- artigen Puppenspieler Martin Reinl): Wenn die Sängerin und Moderatorin losprustet, steckt sie den Saal und die TV-Zuschauer gleichermaßen an. Foto: WDR/Seip

Maiwald: Armin Maiwald erklärt, warum er im »Zimmer frei!«-Fragebo- gen als schönstes Kindheitserlebnis schrieb: „Die ungeahnte Stille nach der Kapitulation.“ Denn der spätere „Maus“-Macher wuchs im Lärm des Krieges auf. Darüber hatte er bei seiner ersten Einladung in einem beein- druckenden Gespräch auf dem Zimmer bereits ausführlich gesprochen: ein berührender Moment zwischen Scherzen und Spielen. Foto: WDR/Knabe

21 WIR SPRECHEN MUSIK

22 „Fanta 4 haben mir Deutsch beigebracht.“ Hin- ter dieser verblüffend einfachen Aussage, die Rapper MoTrip auf der Pressekonferenz zum „Vivaldi Experiment“ (S. 24) getroffen hat, steckt eine eigentlich gar nicht so überraschende Er- kenntnis: Es gibt sie also doch, die Weltsprache Musik, die Brücken baut, Wege öffnet, Men- schen verbindet. Und kann für vieles gelten, was der WDR mit seinen beiden Orchestern, der Big Band, dem Rundfunkchor und vielen weiteren Künstlerinnen und Künstlern auf die Bühnen bringt. Zum Beispiel beim Vivaldi-Musikprojekt, mit dem die ARD unter Federführung des WDR Klassik und Rap, Profi-Musiker und Schüler zu- sammenbringt. Das funktioniert, weil es dabei immer um ureigene menschliche Emotionen WIR geht. Sagt Dr. Christoph Stahl, Leiter der Haupt- abteilung Orchester und Chor. „Über die Gren- zen der Jahrhunderte und die Grenzen der Kul- SPRECHEN turen hinweg sind es die elementaren Gefühle, die alle Menschen kennen und verbinden, und die kaum eine andere Kunst tiefer anrühren kann als die Musik. Freude und Trauer, Liebe MUSIK und Schmerz, Geborgenheit und Distanz: alle Menschen kennen diese Gefühle, egal welcher Herkunft.“ Solche Erfahrungen machen alle vier Klangkörper des WDR. Zum Saisonauftakt stel- len wir spannende Projekte aller Orchester vor.

23 Das Musikexperiment des WDR Vivaldi goes Hip-Hop

24 Verbinden Klassik und Rap: MoTrip und Wayne Marshall. Vivaldi goes Hip-Hop Foto: WDR/Fußwinkel

25 Musik

Musik ist eine universelle Sprache, Musik verbindet Menschen – egal ob Pop, Klassik, Jazz oder Rap. Rap- per MoTrip und Wayne Marshall, Chefdirigent des WDR Funkhaus- orchesters, schlagen für junge Men­ schen eine Brücke von Hip-Hop zum klassischen Komponisten Antonio Vivaldi. Musik überwindet aber nicht nur Grenzen zwischen jungen und alten Menschen, son- dern auch zwischen den Kultu- ren. Im Interview sprechen beide darüber, wie gut sie die jeweils ande- re Seite beim „Vivaldi-Experiment” kennengelernt haben.

Klassische Komponisten wurden zu ihren Lebzeiten wie Popstars verehrt. Welchem würde es auch noch im Jahr 2016 so gehen? WAYNE MARSHALL: Mozart! Er war ein brillanter Komponist, aber gleichzeitig ein sehr verrückter Typ. Exzentrisch, ideenreich und brillant – er wäre auch heute noch ein großer Popstar.

Trotzdem interessieren sich vergleichsweise eher wenige junge Leute für klassische Musik. Warum? MOTRIP: Die Musik ist teilweise Jahrhunderte alt und die Mög- lichkeiten des Musikschaffens waren damals noch ganz andere. Auch die Instrumente waren andere als in der Computer-Musik von heute. Das Internet, die Technik und den Fortschritt im Allgemeinen – den hört man auch in der Musik. Wir machen heute die Klassik für in 300 Jahren. Umso spannender ist es, da eine Brücke für die Menschen zu schlagen, die sonst vielleicht keinen direkten Zugang zu Klassik haben. Ich selbst höre mir im Radio auch oft gerne so etwas an. Rein aus Interesse, weiß dann aber auch nie: Wer ist das gerade? Was für ein Stück ist das? Unser Experiment könnte also ganz interessant sein, um eine Tür zu öffnen. MARSHALL: Durch das Internet entgeht vielen Menschen öfters das Live-Gefühl von Musik. Sie verbringen mehr Zeit zu Hause, gehen auch deswegen nicht mehr so oft auf klassische Konzerte, wie man es noch zu meiner Schulzeit gemacht hat. ➔

26 Ender

Sophie

Lisa-Marie

Melissa

Luis Ender Tökmel

Melissa

Jonas

Wenn am 30. September das große Abschlusskonzert des „Vivaldi-Experiments“ stattfindet, dann wird auch eine „Update-Version“ von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ live auf die Bühne gebracht. Für diesen Hip-Hop-Klassik-Crossover mit dem Rapper MoTrip haben Hunderte Schülerinnen und Schüler Videos aufgenommen, in denen sie den Refrain seines Stücks „Auserwählt“ mitsingen. Sein Song basiert auf Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Aus den Videos entsteht ein virtueller Chor für das Stück. Fotos: WDR/Screenshot

27 Musik

Die junge Geigerin Mariella Haubs spielt eine große Rolle beim „Vivaldi Experiment“. Derzeit studiert sie in New York an der Juilliard School in der Klasse von Itzhak Perl- man und Catherine Cho. Foto: Screenshot

„Egal ob Pop, Klassik, Jazz oder Rap, Musik ist eine universelle Sprache, die jeder spricht.“ Wayne Marshall

Ich komme aus einer Familie, in der wir jeden Sonntag in die ein großer Musik-Fan ist. Und zwar von allen Genres. Viel Rock, viel Kirche gingen. In unserer Schule wurde klassische Musik unter- Klassik. Als er davon erfuhr, dass wir an diesem Projekt teilnehmen, richtet, ich konnte dort auch auftreten. Heute ist das anders. Klas- hat er mir seine Vivaldi-CD gegeben. Seitdem pumpe ich sie im Auto. sische Musik hat in vielen Schulen nicht mehr dieselbe Priorität wie vielleicht früher noch. Jungen Menschen wird nicht mehr Im Auto, beim Einkaufen, in der Telefonwarteschleife – heutzutage vermittelt, dass sie sich mit Klassik auseinandersetzen sollten. ist Musik überall. Ändert sich dadurch der Stellenwert, die Bedeu- tung von Musik? Hören Sie denn selbst manchmal auch Hip-Hop? MARSHALL: Nein, das glaube ich nicht. Ob man die MARSHALL: Manchmal schon. Es ist nicht mein absolutes Musik mag oder nicht, sie ist um uns herum und man hört sie. Lieblings-Genre, aber es fasziniert mich. Man darf auch nicht Sie ist immer da. Wie das gesprochene Wort. Manchmal gibt es vergessen, dass es sogar schon in George Gershwins Oper „Porgy Momente, in denen man sich Stille wünscht. In einem Restaurant, and Bess“ einen kleinen Rap gab: In einer Szene spricht Maria einer Bar oder im Taxi. Manchmal möchte man nur Stille, denn über den Drogendealer Sportin‘ Life, den sie sehr verachtet. Sie Stille zu hören ist auch wundervoll. Aber selbst, wenn alles völlig sagt, was sie über ihn denkt und ihm am liebsten antun würde. still ist – selbst dann schwirrt Musik durch den Kopf. Vielleicht sogar am lautesten, wenn alles still ist. Und was waren bislang deine Berührungspunkte mit Klassik, MoTrip? Welche Bedeutung hat Musik denn nun wirklich in unserer heutigen MOTRIP: Klingt vielleicht lustig, aber das muss mein Handy- Gesellschaft? klingelton gewesen sein. Da waren so ein paar „Dedelem, dedelems“ MARSHALL: Musik verbindet Menschen. Egal ob Pop, Klas- dabei – ich glaube, das war der „Türkische Marsch“ von Mozart. sik, Jazz oder Rap. Sie ist eine universelle Sprache, die jeder spricht. Berührungspunkte also ganz banal da, wo man es mitbekommt. Aber Es ist nur eine Frage, welchen Teil dieser Sprache man verstehen eben auch nie so ganz bewusst. Ich habe mir nie ein Buch über Klas- will. Eine Welt ohne Musik kann ich mir nicht vorstellen. Musik sik oder alte Platten gekauft. Höchstens mein Schwiegervater, der ist immer Teil des Lebens.

28 Musik

Zuschauer werden. Als Orchester sind wir es gewohnt, eine große Bandbreite an Musik zu spielen. Deswegen ist es für uns auch schön, durch diesen Rahmen eine große Bandbreite an Publikum zu errei- chen. Und ich als Dirigent stehe dem Ganzen sehr offen gegenüber. Ich habe Lust, bei diesem Projekt mitzumachen. Es ist etwas Neues. Kein klassisches Klassik-Konzert. Es verbindet zwei Strömungen.

Beim „Vivaldi-Experiment“ konnten auch ganz viele Schüler Musikproduzent Peter Saurbier mitmachen. Beim Abschlusskonzert singst du den Refrain von („Tony Mono“, „Auserwählt“ mit einem virtuellen Chor. Hast du schon die ersten rechts), WDR- Mitsing-Videos gesehen? Hörfunkdirek- MOTRIP: Ja klar. Schon beim ersten Video hatte ich tat- torin Valerie sächlich eine Gänsehaut. Das Schönste am ganzen Projekt ist, Weber, Rapper MoTrip und dass so viele Menschen eingeladen werden mitzumachen. Das Chefdirigent baut Brücken, und es hinterlässt auch Brücken, über die die Men- Wayne Marshall schen langfristig gehen können. Es ist toll, dass ein so frischer stellten auf und gleichzeitig so ernst gemeinter Text bei so vielen Menschen einer Presse- ankommt. Und sie sogar dazu bewegt mitzumachen. Ganz gleich, konferenz im 1LIVE Haus aus welchem Motiv. Darüber freue ich mich. „Das Vivaldi- Experiment“ Kann man als klassischer Musiker auch etwas von Rappern lernen? vor. Im Rahmen MARSHALL: Für mich geht es bei der Musik ums Gefühl. des bundeswei- Im Hip-Hop geht es mehr um Texte und um instinktives Musik- ten Musik- vermittlungs- machen. So habe ich auch angefangen und erst mit sieben oder projekts „Ein acht Jahren begonnen, Noten zu lesen. Noch heute nutze ich diese ARD-Konzert Erfahrung und vertraue in manchen Momenten hauptsächlich auf macht Schule“ meine Instinkte. Diese zwei verschiedenen Herangehensweisen setzt der WDR zu kombinieren wird spannend. Nicht jedes Orchester hat die dabei auf die Verbindung von Möglichkeit, so etwas in diesem Maß auszuprobieren. Deswegen Klassik und Rap. freuen wir uns besonders auf das Konzert. Foto: WDR/Fußwinkel Hat dich Vivaldi umgekehrt beim Schreiben des Texts zu „Auser- wählt“ beeinflusst? MOTRIP: Ich glaube, ohne Musik MOTRIP: Sehr! Weil mich auch hätten wir noch mehr Kriege. Es gäbe „Meine erste Berührung die Lebensgeschichte dieses Mannes noch mehr unnötige Grenzen. Musik hat interessiert hat. Er war nicht nur schon viele Grenzen gesprengt. So etwas mit Klassik war ein ein hervorragender Künstler, der es schaffen vielleicht nur Sportler und Musi- geschafft hat, mit seiner Musik Jahr- ker. Ein Fußballfest kann viele Menschen Handy-Klingelton.“ MoTrip hunderte zu überleben. Er hat sich verbinden und genauso ist es zum Bei- auch sozial engagiert und das vor spiel bei einem Udo Lindenberg-Konzert. allem in einer Zeit, in der das wahr- Musik ist essenziell für uns. Schon die ursprünglichsten Völker, scheinlich noch nicht so ausgeprägt war, wie es das mit all den die noch ganz weit von der Zivilisation, wie wir sie heute kennen, Organisationen heute ist. Er ging in ein Waisenhaus und hat weg waren, hatten die Musik für sich entdeckt. Das Gruppensingen Menschen geholfen, die es nötig hatten. Er half Musikern auf am Lagerfeuer, das ein Gemeinschaftsgefühl entfacht hat. Das hält die Beine, die dadurch später zu europaweitem Ruhm gelangten. bis heute an. Musik ist essenziell für uns alle. Ich bin stolz, dass Was er gemacht hat, ist vorbildlich und sehr inspirierend. Und es weltweit, aber vor allem auch in Deutschland, so gepusht wird. zwar nicht nur in der Musik. Dass man hier gerade beim WDR so viel Kraft in dieses Projekt Mit Wayne Marshall und MoTrip sprach Marc Möllmann. steckt, um das den Jugendlichen noch näher zu bringen. Das finde ich sehr wertvoll. MARSHALL: Ich finde das Projekt auch sehr wichtig. Wir Das Vivaldi-Experiment Das Abschlusskonzert als sprechen damit ein neues Publikum an. Bei dem Konzert wird ein WDR FERNSEHEN Video-Livestream sehr junges Publikum ein klassisches Orchester erleben, das es in FR / 30. September / 11:00 www.vivaldiexperiment.de einem anderen Kontext vielleicht nie so sehen würde. Es kennt MoTrip sehr gut, aber in einem anderen Umfeld. Wir bringen neue WDR 3 facebook.com/ Elemente mit. Es wird auch eine neue visuelle Erfahrung für die FR / 30. September / 11:00 vivaldiexperiment/

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Für Deutschland tritt der 16-jährige Hornist Raul Maria Dignola aus Dortmund an. Foto: WDR/privat

Julian Rachlin, Vorsitzen- der der Finaljury (r.) JUNGE Foto: Guldener KLASSIKER Dieser eine Tag hat sein ganzes Leben Er ist medial der bedeutsamste Wettbe- verändert und seine Karriere bestimmt. Es war der 31. Mai 1988, als der damals 14-jäh- werb für junge Klassikmusiker in Europa. rige Julian Rachlin an der Geige den Euro- vision Young Musicians (EYM) gewann. Am 3. September überträgt der WDR das Heute blickt der in Österreich lebende Klassik-Star zurück. Wie viele erfolgreiche Finale des Eurovision Young Musicians EYM-Musiker – zum Beispiel die Geigerin- nen Julia Fischer und Lidia Baich – bekam (EYM) mit elf Kandidaten live und multi- Rachlin nach dem Finalsieg sofort zahl- reiche Angebote für große Engagements, medial aus Köln. Besonders im Fokus: die er natürlich angenommen hat. Dazu zählten ein Auftritt bei den Berliner Fest- das junge Publikum via Webstream. spielen unter Lorin Maazel und bei den Wiener Philharmonikern unter Riccardo Muti sowie ein Plattenvertrag mit Sony.

30 31 Nun sitzt Rachlin selbst der Final- jury des 18. EYM vor und beurteilt am 3. September in Köln die Leistungen des Musikernachwuchses. Bereits in der ersten Minute spüre man, wer ein großes Talent besitzt, sagt er. Was vorher im Musiker­ leben war, zähle nicht bei der Bewertung, alles hänge von dieser einen Performance ab, die müsse perfekt sitzen. Weitere Jury- mitglieder, die darüber zu befinden haben, sind die norwegische Trompeterin Tine Thing Helseth, der britische Cellist und Dirigent Jonathan Cohen, der österreichi- sche Tubaspieler Andreas Martin Hofmeir sowie die deutsch-japanische Pianistin Alice Sara Ott.

Überzeugen in sechseinhalb Minuten

Dem Urteil der Jury muss sich auch Raul Maria Dignola stellen, der für Deutschland auf der großen Bühne antritt. Der 16-jährige Dortmunder hat sein ins- trumentales Frühstudium mit der Note 1,0 abgeschlossen, ist mehrfacher Preis- träger von „Jugend musiziert“ und gehört dem Bundesjugendorchester an. Er spielt ein eher seltenes Instrument: das Horn. „Mich fasziniert der Klang des Horns, der der menschlichen Stimme sehr nahe kommt“, erzählt Raul, das sei der Grund für ihn gewesen, 2008 von der Trompete aufs Horn umzusteigen. Mit ein bis zwei Auch beim EYM 2016 steht die Bühne wieder auf dem Kölner Roncalli-Platz zu Füßen des Doms. Foto: WDR/Langer Stunden Üben am Tag komme er aus. Das höre sich im Vergleich zu einem Pianis- ten oder Geiger nach wenig an, doch für Redakteur und ein Blechblasinstru- „Inhaltlich konzentrieren wir Redaktionslei- ment sei das ein gutes ter WDR Klassik Pensum, da dafür viel uns auf Präsentationsformen Lothar Mattner. Kondition verlangt Dementsprechend werde. Das Horn zähle und Show-Dramaturgien, die habe man dieses zu den schwierigen Jahr das Strea- Instrumenten, daher gezielt ein junges Publikum ming ausgeweitet, gehöre es nicht zu den neben dem WDR „begehrtesten“. Ein ansprechen.“ bei der Europäi- guter Hornist könne schen Rundfunk- Stücke sogar ohne das WDR-Redakteur Lothar Mattner union (EBU) und Instrument spielen, Arte Concert. Tanja Nagel nur auf dem Mundstück. von Henryk Wieniawski antrat, hatte noch „Inhaltlich kon- Foto: WDR/Fußwinkel Maximal sechseinhalb Minuten Zeit mehr als doppelt so viel, nämlich 15 Minu- zentrieren wir uns haben Raul Maria Dignola und die ande- ten. Alles ist schnelllebiger geworden. Ein auf Präsentationsformen und Show-Dra- ren Kandidaten, um mit ihrem Auftritt die Zeichen dafür sei auch die Tatsache, dass maturgien, die gezielt ein junges Publikum Jury zu überzeugen. Rachlin, der vor 28 Jah- für viele junge Zuschauer, die man vor ansprechen.“ Dazu gehörten auch musi- ren auf der Bühne des Concertgebouw in allem gewinnen wolle, „Fernsehen gleich kalisch inspirierte Sideacts und vor allem Amsterdam mit dem Violinkonzert op. 22 Internet“ sei, sagt der verantwortliche ein auch bei jungen Menschen bekanntes

32 Wien. In diesem Jahr erwartet der WDR eine noch höhere Zuschauerbeteiligung, weil man das Ereignis noch stärker bewor- ben habe. Das Finale wird live im WDR Fernsehen, WDR Radio und im Livestream übertragen sowie auf Facebook, Twitter und Instagram gepostet.

Hope und Kallert moderieren

Anders als der „große Bruder“ Eurovi- sion Song Contest entscheidet beim EYM nur die Fachjury. „Tatsächlich ist über das Zuschauer-Voting immer wieder innerhalb der Steering Group der EBU diskutiert worden“, sagt WDR-Herstellungsleiterin Tanja Nagel, die den EYM als ausführende Produzentin betreut. „Wenn man sich aber die zu bewertenden Kriterien ansieht wie künstlerische Persönlichkeit, genaue Wie- dergabe der Komposition, Qualität des Klangs und allgemeine Musikalität, wird schnell klar, dass nur eine Fachjury eine faire Bewertung vornehmen kann.“ Raul setzt dabei auf die Leidenschaft zur Musik, die wie ein Funke überspringen könne. „Wenn die Jury sieht, dass ein Gleichaltri- ger so stark für die Musik lebt, das steckt an wie beim Sport.“ Seine Konkurrenten im Wettbewerb treten mit Klavier, Geige, Cello, Kontrabass, Saxofon und einem tra- ditionellen kroatischen Saiteninstrument Auch beim EYM 2016 steht die Bühne wieder auf dem Kölner Roncalli-Platz zu Füßen des Doms. Foto: WDR/Langer an. Der Jüngste der Runde ist elf Jahre alt, kommt aus Malta und spielt seit sieben Jahren Klavier. Raul Maria Dignola zieht mit dem musikalisches die elf Kandidaten für das Finale durchge- ersten Satz aus dem 2. Hornkonzert von Repertoire. setzt haben. Zugelassen waren Musiker bis Mozart ins Finale. Ein Hornist war zuletzt Das zwei- 19 Jahre und alle Instrumente, für die Kon- beim EYM-Finale 1988 am Start. Das Jahr, stündige Finale zerte mit Orchesterbegleitung komponiert in dem Julian Rachlin gewann. vor der Kulisse wurden. Peter Reuter des Kölner Doms Der 1982 von der EBU ins Leben geru- präsentieren der fene Wettbewerb europäischer Jugendli- britische Star-Gei- cher zählt zu den bedeutendsten Musik- ger Daniel Hope wettbewerben auf internationaler Bühne (»WDR 3 Persön- und gastiert alle zwei Jahre in einer euro- lich mit Daniel päischen Metropole. Die damalige Premi- Hope«) und WDR- ere fand in Manchester statt. 2014 kam Eurovision Young Musicians Lothar Mattner Fernsehmoderato- der EYM zum ersten Mal nach Köln. Beim Foto: WDR/Heckl rin Tamina Kallert Pitch für 2016 fiel die Wahl erneut auf Köln, WDR FERNSEHEN (»Wunderschön«), da der WDR mit seiner Art der Umsetzung SA / 3. September / 20:15 die selbst Geige spielt. Begleitet werden die EBU überzeugen konnte. Livestream die Solisten vom WDR Sinfonieorchester Vor zwei Jahren sahen 1,2 Millionen www.youngmusicians.tv unter der Leitung von Clemens Schuldt. Vor Zuschauer die Übertragung aus der Dom- dem Finale fanden in den teilnehmenden stadt. Das entspricht einem Zuwachs von Homepage Ländern Vorrunden statt, aus denen sich 27 Prozent gegenüber dem EYM 2012 aus www.eym.wdr.de

33 Musik „BEI MUSIK BIN ICH ZIEMLICH HEFTIG“ Jukka-Pekka Saraste führt seit sechs Jahren das WDR Sinfonieorchester Köln. Eine Ehe, wie er augenzwinkernd sagt. Im Interview spricht er darüber, wie im Orchester Musiker aus 20 Nationen zusammenarbeiten und warum Kom- ponisten manchmal unangenehme Zeitgenossen sein müssen.

In der kommenden Konzertsaison steht unter anderem Mahlers Neunte auf dem Plan. Unbestreitbar war Mahler ein großartiger Komponist. Aber ihm wird nachgesagt, dass er etwas merkwür- dig mit seinen Musikern umgegangen ist. Angeblich hat er sie schikaniert, geschlagen, wie Soldaten gedrillt und wie Sklaven behandelt. Die Musiker hätten Mahler nicht selten gern umge- bracht. Mahler wird als heftige Person beschrieben, als impulsiver und aufbrausender Mensch. Er konnte sehr wütend werden und es war sicherlich nicht angenehm, mit ihm zu arbeiten. Und man merkt das in seiner Musik. Bei ihm gibt es plötzliche musikalische Ausbrüche, fast eine Art von „Unterwelt“, die zum Leben erweckt wird. Meiner Meinung nach, muss ein guter Komponist solche Eigenschaften besitzen. Schön ist das nicht. Nett auch nicht. Aber es bringt diese Art von Spannung, die das Sein und Jukka-Pekka Saraste zählt zu die Welt von Mahler in Frage stellt. Und es ist sehr komplex den herausragenden und sehr aufregend. ➔ Dirigenten seiner Generation. Fotos: WDR/Broede

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Außerdem sagten Sie einmal, dass Mahler meisten verändert? „Rock’n’Roll“ sein kann. Könnten Sie das Vieles hat sich verändert, insbesondere erläutern? natürlich die Kommunikation. Mittlerweile Gäbe es heutzutage jemanden, der wie weiß das Orchester, was ich will, und darauf Mahler komponiert, würde er sich sicher- zu reagieren, fällt den Musikern leicht. Das lich an Unterhaltungsmusik oder sogar an ist das Schöne an einer langen Zusammen- moderner elektronischer Musik wie Techno arbeit: Alles wird besser und besser – und bedienen. Mahler wurde von diversen musi- spontaner. Meiner Meinung nach ist das die kalischen Strömungen inspiriert, die zu sei- größte Veränderung. Natürlich haben sich ner Zeit allgegenwärtig waren. Jeder kannte noch andere Dinge verändert, zum Beispiel, die Charakteristika, die die damalige Musik dass wir mittlerweile viele gute Solisten und ausmachten. Andere Komponisten hätten Tutti-Spieler haben. Man kann sagen, dass sie auch einsetzen können, aber niemals so das Orchester erwachsener geworden ist. offen, wie Mahler es in seinen Sinfonien tat. Sie haben einmal gesagt, es sei ähnlich wie in Sie selbst haben Mahler als „sehr heftige Per- einer Ehe, in der es das Wichtigste ist, ehrlich zu sein. Natürlich. Wenn’s mal „Anna Vinnitskaya ist ein schwierig wird, entstehen Irritationen und Missver- Star ihrer Generation und ständnisse, das ist keine Überraschung. Aber auch eine sehr interessante das gehört zu einer guten Pianistin. Ich bin mir sicher, Ehe dazu. (lacht) Eine der Solistinnen der dass sie den ‚wahren‘ nächsten Saison ist Anna Vinnitskaya. Was erwarten Bartók herbringt.“ Sie von ihr? Sie ist ja noch sehr jung. sönlichkeit“ beschrieben. Fasziniert Sie das? Wir haben schon zusammen in zwei Sie scheinen ja eher ruhig zu sein … Orchestern gespielt. Sie ist ein Star ihrer Ich glaube, bei der Musik bin ich ziem- Generation und eine sehr interessante lich heftig. Und ich kann mich leicht in Kom- Pianistin. Ich bin mir sicher, dass sie den ponisten wie Mahler hineinversetzen, weil „wahren“ Bartók herbringt. Sie ist eine sehr ich es geradezu körperlich spüre, wenn sich inspirierende Künstlerin. Stimmungen ändern. Aber Mahlers musika- lische Präsenz ist anders als meine. Sie haben mal gesagt, dass der musikalische Ausdruck wichtiger sei als das technische Und Ihr Arbeiten mit einem Orchester ist Beherrschen eines Instrumentes. Welchen selbstverständlich ebenfalls anders. Wie Ausdruck erwarten Sie von Bartók? könnte man Ihre Art beschreiben? Sie be- Bartók hat sich seine eigene musikalische handeln Ihre Musiker hoffentlich nicht wie Welt erschaffen, sozusagen. Er begann mit eher Soldaten, oder? romantischen Kompositionen und wurde dar- Es ist immer ein Prozess, bei dem man aufhin von ländlicher Musik aus Ungarn ins- flexibel sein und mit den verschiedensten piriert. Er bediente sich einzigartiger Klänge, Methoden arbeiten muss. Manchmal ist es bei den besonderen Akkorden und den rhyth- notwendig, viele Details sehr genau zu pro- mischen Eigenarten ungarischer Volksmusik. ben. Und manchmal kann man den Musi- Durch diese Einflüsse kreierte er seinen eige- kern vertrauen und davon ausgehen, dass sie nen Stil. Es ist für uns sehr spannend, diesen fühlen, was ich mir vorstelle. In diesem Fall Musikstil im Orchester nachzustellen. ist es sehr viel angenehmer und inspirieren- Hat es etwas zu tun mit der Emanzipation der der, wenn alles auf natürliche Art entsteht. osteuropäischen modernen Musik? Musik brauchte schon immer Impulse Sie sind nun seit sechs Jahren Chefdirigent. und Verbindungen zu bereits existierenden Wenn Sie zurückblicken: Was hat sich am Stilen. Denken wir zum Beispiel mal darüber

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nach, was mit der Musik zur Zeit der Klas- wie das englische „heavy“. Es ist viel inte- sik passierte, als Komponisten sich etwa von ressanter, sich auf Deutsch über Musik zu türkischer Musik inspirieren ließen. Damals unterhalten. Meiner Meinung nach kommt bestand ein großes Interesse an ausländi- es auf die Herkunft des Stückes an. Es ist zum schen Stilen – das war der Anreiz, Neues zu Beispiel leichter, ein französisches Stück auf schaffen. Jeder ist immer auf der Suche nach Französisch zu beschreiben. Die Nationalität Frische und Quellen der Inspiration. des Komponisten spielt eine wichtige Rolle.

Wo können Musiker diese Frische heute Herbert von Karajan hat einmal gesagt, ein finden? Dirigent unter 40 sei ein Anfänger. Sie sind Heute? Heute geht es in die verschie- jetzt 60. Haben Sie sich als Anfänger gesehen, densten Richtungen. Es ist immer wichtig, als Sie das WDR Orchester lange vor Ihrer Zeit neue Inspirationen zu suchen. Ich freue als Chefdirigent zum ersten Mal trafen? mich schon auf unser Silvesterkonzert, wel- Ich glaube, das Leben des Dirigenten, ches türkisch inspiriert ist. Ich bin jeden- seine Erfahrung, ist entscheidender. Wenn falls überzeugt, dass klassische Musik auch man sehr erfahren ist, spielt das Alter keine jüngeren Leuten gefallen kann. Rolle. Wenn man gesund ist und viele Ener- giereserven hat, fällt vieles leichter. 60 Jahre Viele junge asiatische Musiker sind sehr gut alt zu sein, ist da kein großer Meilenstein. ausgebildet. Was macht für junge Koreaner, Was war der bewegendste, schönste Moment Chinesen oder Japaner den Reiz alter euro- in dieser Zeit? päischer Musik aus? Ich weiß es wirklich nicht. Ich glaube, Ist das positiv oder negativ? Nun, der wichtigste Moment meiner Karriere war es gibt ja zum Beispiel auch viele jüngere in der Tat der Tag, als ich zum Chefdirigen- Leute in Finnland, die im Stile Mozarts ten des WDR Orchesters ernannt wurde. Das spielen. Ich habe schon viele Jugendliche kennengelernt, die ihren eigenen Stil ohne „Das deutsche musikalische klassische Einflüsse ent- wickelten. Es ist verwun- Vokabular ist sehr reich. derlich, wie eine Person einen solchen Stil ohne Es ist viel interessanter, sich traditionelle Klassikausbil- dung aufbauen kann. Ich auf Deutsch über Musik zu bin der Meinung, es spielt keine Rolle, woher jemand unterhalten.“ stammt – jeder ist in der Lage so etwas zu schaffen. Orchester und vor allem ich waren in diesem Moment sehr begeistert von den Möglichkei- In Ihrem Orchester sind mittlerweile 20 Nati- ten der Zusammenarbeit. Ich war von Anfang onen vertreten. Sie sind der einzige Finne, an überzeugt, dass wir gut zusammenarbei- nicht wahr? ten werden. Ja, ich glaube schon. Mit Jukka-Pekka Saraste sprach Sascha Woltersdorf. Übersetzung aus dem Englischen: Welche Sprache wird im Orchester gespro- Florian Claus. chen? Unsere Hauptsprache ist Deutsch, manchmal muss ich jedoch Englisch spre- chen, um bestimmte Dinge genauer zu erläutern. Gibt es manche Dinge, die auf Englisch oder in noch anderen Sprachen besser erklärt werden Mit Beginn der Saison 2010/2011 übernahm Jukka-Pekka Saraste das können? Amt des Chefdirigenten beim WDR Das deutsche musikalische Vokabular Sinfonieorchester Köln. ist sehr reich. Jeder weiß, dass der deutsche Begriff „schwer“ nicht dasselbe bedeutet

37 Bob Mintzer ist neuer Chefdirigent der WDR Big Band. Foto: WDR

ZWEI BOSSE FÜR DIE BIG BAND

Bob Mintzer (oben) und Vince Mendoza (r.) führen von Beginn der Saison 2016/17 an die WDR Big Band. Die Doppelspitze soll für noch mehr kreative Freiräume sorgen.

38 Musik

Ganz oben, an der Spitze, WDR Big Band einen zweiten weht ein rauer Wind: Das spürt hervorgehobenen festen Pol, auch die WDR Big Band. Als der die musikalischen Akzente häufige Grammy-Kandidatin noch einmal anders setzt. Die – und Gewinnerin – zählt sie Doppellösung als Weg zu kom- weltweit zu den Spitzenensem- promissloser Brillanz: passt. bles im Bereich des orchestra- Auch der acht Jahre jün- len Jazz und ist zugleich breit gere Mendoza ist an der Ost- verwurzelt als verlässlicher küste aufgewachsen, nur vierzig Pfleger des swingenden Reper- Kilometer entfernt von Mintzer, toires im Sendegebiet. Jede und seit die Yellowjackets 1991 Neubesetzung, und erst recht die ersten Arrangementaufträge jeder Wechsel in der Leitung, an Mendoza vergaben, kreu- soll helfen, ihre Ausnahmestel- zen sich die Wege der beiden lung zu untermauern. „Zuerst“, Vince Mendoza ist „1. Gastdirigent“ und „Composer in Residence“. Foto: WDR/Kaiser Orchesterspezialisten immer rekapituliert Lucas Schmid, wieder. Beide arbeiteten häufig „haben wir die Musiker der Band nach Vorschlägen für die Leitung mit der WDR Big Band und dem Metropole Orkest aus Hilversum der Band gefragt, und dann war die Auswahl schon sehr zusam- in den Niederlanden, beide sind vielfach mit Preisen ausgezeich- mengeschrumpft.“ Einige Sitzungen und Sondierungsgespräche net und berühren sich in ihrem stringenten Arbeitsethos, im später war klar, dass eigentlich nur einer dafür in Frage kommt, ab Farbenreichtum ihrer klanglichen Visionen, in einer Vorliebe für Sommer 2016 als Chefdirigent vor der WDR Big Band zu stehen: unwiderstehliche Rhythmen und im außerordentlichen Geschick der Saxofonist, Komponist und Arrangeur Bob Mintzer. im Umgang mit Rhythmusgruppen. Dabei sind es in Mendozas Geboren 1953 an der Ostküste der USA, ist Mintzer ein in allen Fall vor allem die von iberischen Rhythmen und Flamenco-Klän- Wassern der Jazzmoderne gewaschener Instrumentalist. Lehrjahre gen inspirierten Orchesterarbeiten, die in Europa seinen Ruf als ZWEI BOSSE FÜR DIE BIG BAND verbrachte er an der Seite des Schlagzeugers Art Blakey und später im außerordentlich präzise arbeitender Arrangeur und Orchesterlei- Thad Jones/Mel Lewis Orchestra, bevor er 1978 ein eigenes Orchester ter begründen: Mit einer hochdifferenzierten Klangfarbenpalette gründete, mit dem er den Swing in all seinen Aggregatszuständen orchestriert Mendoza feinziselierte Sound-Architekturen, die zelebrierte. Daneben tummelte sich Mintzer auch in der Welt des musikalisch den Übertritt zwischen verschiedenen Kulturkreisen rockorientierten Groove, arbeitete mit dem legendären Bassisten Jaco wie zwangsläufig erscheinen lassen. Pastorius zusammen und gehört seit 1991 zu der All-Star-Fusionband Yellowjackets. Gestützt auf derart vielseitige Erfahrungen, ist Mintzer „Very Personal“, „Focus on Brazil“ und noch mehr Programme ein Brückenbauer zwischen Tradition und Moderne des Jazz, ein akribischer Arbeiter, der größten Wert auf Klangkultur legt und auf Nach dem großen Begrüßungskonzert für den neuen Chefdiri- der swingenden Basis seine eigenen Akzente setzt. Seine eleganten genten am 4. September, für das Bob Mintzer eine breite Palette an und rhythmisch experimentierfreudigen Arrangements zählen seit neuen Stücken geschrieben hat, mit denen er das ganze Spektrum Langem zu den von vielen Bands gespielten Klassikern des Genres. der modernen Jazzstilistiken abbildet, werden Mintzer und Men- Mit der WDR Big Band verbinden ihn Zuneigung und eine gemein- doza jeweils mit mehreren neu geschriebenen Programmen den same Erfolgsgeschichte, die mehr als 30 Jahre umspannt. Saisonplan der WDR Big Band bestimmen. Im Dezember adaptiert Vince Mendoza für die Kölner die Musik des Schlagzeugers Anto- Zwei feste Pole, die Akzente verschieden setzen nio Sanchez, der im Frühjahr für seine Filmmusik für „Birdman“ mit einem Grammy geehrt wurde. Zwei Monate später präsentiert Doch weil das Schreiben von Arrangements sehr viel Zeit und er „Focus on Brazil“, ein brasilianisch getöntes Programm mit der Akribie erfordert und Musiker der obersten Güteklasse weltweit Sängerin Luciana Souza. Mintzer dagegen steht im März mit „Very sehr gefragt sind, ersann Lucas Schmid eine kreative Lösung, die Personal“ am Pult, mit einem Programm, das er ganz speziell für die dem neuen Chefdirigenten neben seiner Haupttätigkeit in Köln Musiker der WDR Big Band schreibt, damit jede und jeder Einzelne den Freiraum sichert, für besonders glamouröse Herausforderun- von ihnen seine außerordentliche Individualität und Spielfreude gen am Wegesrand offen zu bleiben. Mit Vince Mendoza, einem optimal zur Geltung bringen kann. Gewissermaßen lässt sich dieses langjährigen Freund und Kollegen von Mintzer, in der Rolle eines Programm verstehen als ein herzerwärmendes Gegenmittel gegen „1. Gastdirigenten“ und „Composer in Residence“ bekommt die den so rauen Wind auf dem Gipfel. Stefan Hentz

39 WDR Rundfunkchor WDR/ScreenshotFoto: LICHTSPIEL FÜR DEN PRIX ITALIA Der WDR Rundfunkchor hat Rachmaninows „Ganznächtliche Vigil“ als Konzertfilm zwischen Tag und Nacht inszeniert. Spielort: Eine spätgotische Kölner Kirche.

40 Musik

Der Film „Rachmaninow Ganznächtliche Vigil op. WDR CHORWETTBEWERB 2016: 37“ zeigt einen Auftritt des WDR Rundfunkchors als effektvoll gestaltetes Konzert zwischen Tag und Nacht. Regisseur Enrique Sánchez Lansch (unter anderem »Der beste Chor im Westen« »Rhythm is it!«) setzte die Chormitglieder und ihren Der WDR ist wieder auf der Suche nach wunderschönen Stimmen Dirigenten Nicolas Fink in einer spätgotischen Kirche und tollen Klängen, die das Publikum faszinieren. »Der beste Chor in Szene. Der WDR hofft nun, dass der Film auch die Jury im Westen!« lautet der Titel, der beim WDR-Chorwettbewerb 2016 des europäischen Fernseh-, Hörfunk- und Internetwett- vergeben wird. Dafür werden kreative und motivierte Chöre aus bewerbs Prix Italia überzeugt, für den der Film nomi- NRW mit mindestens zwölf Mitgliedern gesucht. Sie können sich niert ist. Der Prix Italia gilt als einer der renommiertesten noch bis zum 9. September um die Teilnahme bewerben unter Wettbewerbe seiner Art in Europa. Die „Ganznächtliche derbestechor.wdr.de. Mit einem maximal drei Minuten langen Vigil“ wurde von der ARD in der Kategorie TV Perfor- Video sollen die Chöre ihr Können zeigen. ming Arts eingereicht, zusammen mit der WDR/Arte- Produktion „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“ über Der Kemper den Choreografen Martin Schläpfer (Redaktion: Sabine Werks-Chor Rollberg). Die Auszeichnungen werden in diesem Jahr war 2015 der vom 30. September bis zum 2. Oktober auf Lampedusa beste im Wes- vergeben. ten. Foto: WDR/Weinberger Das Licht von Abend, tiefer Nacht und frühem Morgen

Der Filmdreh mit dem Rundfunkchor fand in der „Kunststation“ der Kölner Kirche St. Peter statt, die mit einem leeren Raum ohne Kirchenbänke viele gestalterische Möglichkeiten bot. Der sakrale Rahmen passt zur „Ganz- nächtlichen Vigil“: Das Werk besteht aus 15 Gesängen wie 300 Chöre haben im vergangenen Jahr beim WDR-Wettbewerb Stundengebete, die über die ganze Nacht verteilt gesungen mitgemacht. Mit seiner unnachahmlichen Interpretation von werden. Eine ganze Nacht lang mussten die Sängerinnen „The Lion Sleeps Tonight“ holte der Kemper Werks-Chor aus und Sänger ihre Stimmbänder allerdings nicht schwingen Olpe den Titel. lassen. Man habe während der Produktion im Juli 2015 Der Contest wird 2016 noch größer aufgezogen als im Vorjahr: etwa eine Woche lang in Abschnitten und mit Playback Aus allen Einsendungen kommen 20 Chöre zu vier großen Regi- produziert, berichtet WDR-Redakteur Lothar Mattner aus onalentscheidungen, die zwischen dem 2. und 12. November der Programmgruppe Doku/Kultur und Geschichte. Und stattfinden. Hier werden acht Halbfinalisten ermittelt. Nach den doch durchzieht den Film eine Lichtstimmung, die zur regionalen Vorentscheiden werden den Gesangsgruppen, die sich Folge der Gesänge vom frühen Abend durch die tiefe Nacht fürs Halbfinale am 9. Dezember – live im WDR Fernsehen – qua- bis in den Morgen passt. Vor den Fenstern der Kirche wird lifizieren, Musikprofis zur Seite gestellt. Diese unterstützen als es langsam dunkel und später wieder hell – was nicht nur Coaches den weiteren Weg ihrer Schützlinge. am gesetzten Licht liegt, sondern daran, dass die entspre- In den Wettbewerben müssen die Sängerinnen und Sänger eine chenden Bilder tatsächlich nachts gedreht wurden. »Das prominente Jury und das jeweilige Saalpublikum begeistern. Fünf war sehr aufwendig«, sagt Mattner. Gruppen ziehen ins große Finale am 16. Dezember ein, auch live im WDR Fernsehen. Dann bestimmt ausschließlich das Publikum, Kunstvolle Inszenierungen wer zum besten Chor im Westen gekürt wird. Der Gewinner darf sich auf ein gemeinsames Konzert mit den Profis vom WDR Rund- Wie auch der Rest dieser kunstvollen Inszenierung, funkchor in ihrer Heimatstadt freuen. kp die ihre Wirkung aus dem Zusammenspiel vieler Kunst- griffe bezieht: Feiner Kunstnebel steigt empor, die Sänge- Der beste Chor im Westen! rinnen und Sänger stehen mal im Hauptschiff verteilt, mal Zweiteilige Doku über den Einzug ins Halbfinale auf der Empore, mal im Kreis um ihren Dirigenten Nicolas WDR FERNSEHEN Fink gruppiert. Die Kamera, meist in ruhiger Bewegung, FR / 25. November / 21:00 gleitet an steinernen Säulen entlang oder verweilt auf dem FR / 2. Dezember / 21:00 üppigen Rubens-Gemälde, das in der Kirche hängt. Zu Beginn und am Ende des Films schwebt sie über den Sän- Halbfinale gerinnen und Sängern, die sich im Kirchenschiff in Form FR / 9. Dezember / 20:15 eines russisch-orthodoxen Kreuzes aufgestellt haben. Finale Internetseite zum Wettbewerb Barbara Buchholz FR / 16. Dezember / 20:15 derbestechor.wdr.de

41 Hörspiel

Halbfertig und schon 40 Stunden lang. „unendliches spiel unendlicher spaß“, das „größte Hörspiel aller Zeiten“, wurde Dank reger Beteiligung in nur 70 Tagen komplett eingesprochen. Eine Zwischenbilanz. Der Reiz, Teil eines Hörspiels zu sein

Von Christian Gottschalk informieren, ob Ihre Aufnahme im Unend- „Wenn wir nicht 1401 Leute lichen Spiel verwendet werden konnte.“ 14 finden, die jeder eine Seite lesen, Tage später bekam ich eine weitere Mail, in ist das Projekt gescheitert“, sagte der stand, dass es durch die unerwartet rege Andreas Ammer, als ich ihn im Feb- Beteiligung leider zu längeren Wartezeiten ruar für WDR print traf. Der Künst- komme. Dann hörte ich nichts mehr von ler, der zusammen mit den Musikern der Redaktion. Andreas Gerth und Martin Gretsch- mann eine „unendliche“ Komposi- Das Problem der großen Resonanz tionsmaschine zur Begleitung des Hörspielprojekts schuf, machte sich Redakteurin Christina Hänsel erklärt: offenbar ernsthaft Sorgen. Deshalb „Unser Problem war, dass das Projekt so gut Die „Goldene Maschine“ steht versprach ich ihm, selbst eine Seite des angekommen ist. Unsere Hauptschwierig- im Foyer der Kunstsammlung Romans „Unendlicher Spaß“ von David Fos- keit bestand darin, dass der Prozess der Auf- NRW K 20 in Düsseldorf. ter Wallace einzusprechen und im Notfall nahme so schnell ging.“ Schon nach 70 Tagen Fotos: WDR/Anneck noch Freunde und Bekannte einzuspannen. hatten zahlreiche Freiwillige alle 1401 Seiten Die Idee, Teil des größten Hörspiels aller des Romans eingesprochen. Angelegt war Zeiten zu sein, reizte mich wirklich, zumal das Mammutprojekt aber für ein Jahr. Für die ich glaube, ein guter Vorleser zu sein. An inhaltliche Kontrolle der Einsendungen war einem Sonntag Ende März war es soweit: Ich hauptsächlich nur eine einzige Person beauf- reservierte mir auf unendlichesspiel.de die tragt worden. Die Lektorin Katja Herzke Seite 928, auf der es um Theorien rund um überprüfte, ob das Eingesprochene mit der die Serie M.A.S.H. geht – und eine Person Vorlage wortwörtlich übereinstimmt. Dieser mit dem Namen Marathe taucht auf. Das Vorgang ist mittlerweile abgeschlossen. Aber System gab mir eine Stunde Zeit, den Text auch technische Kontrolle und gegebenen- einzusprechen und hochzuladen. Bis ich falls Ausbesserung gehört zu den nötigen die knapp drei Minuten Text wortgetreu, Arbeitsschritten, die noch vor dem eigentli- ohne mich bei den englischen Namen zu chen Arrangement des Hörspiels liegen. Die verhaspeln und zu meiner eigenen Zufrie- normalerweise beim WDR für Audiorestau- denheit eingesprochen hatte, vergingen rationen zuständige Tontechnikerin Kerstin zwei Stunden (ich konnte die Reservie- Grimm-Franken unterstützt das Künstlertrio rung verlängern). Kurz nachdem ich meine bei diesem aufwändigen Vorgehen. Aus die- Datei hochgeladen hatte, erhielt ich eine sem Grund warten etliche Sprecherinnen automatisierte E-Mail: „Vielen Dank für und Sprecher bis heute auf die Veröffentli- Ihre Aufnahme. Wir werden Sie per E-Mail chung „ihrer“ Seite. Ich auch.

42 Hörspiel

Andreas Ammer und Andreas Gerth investieren nach der Kontrolle auch noch die eine oder andere Arbeitsstunde in das Hörspiel, das am Ende, im Herbst dieses Jahres, etwa 90 Stunden umfassen wird. Sie verknüpfen die Musik der „Goldenen Maschine“ mit den eingelesenen Seiten. Die Maschine ist ein selbst komponieren- der analoger Synthesizer, der derzeit im Foyer der Kunstsammlung NRW K20 in Düsseldorf steht und dort unentwegt und ohne sich zu wiederholen Musik spielt. Das Ganze klingt ein bisschen so, als würde ein durchgeknallter Musiktüftler im Proberaum experimentieren, bevor die anderen aus der Band da sind, nur besser. Zwischen sphärisch-melodischem Knarzen und reduziertem rhythmischen Klatschen bewegt sich die Musik und bildet einen hypnotischen Klangteppich als Hinter- grund für die unterschiedlichsten Stim- men: Männer und Frauen, junge und alte, mal in professionellem Hochdeutsch, mal mit deutlichem Einschlag diverser deut- scher Dialekte. Christina Hänsel ist mit der Qualität der Aufnahmen zufrieden: „Maximal ein Drittel der Einsendungen war unbrauchbar, meist wegen technischer Probleme. Man hörte zu viele Plopper oder das Rauschen war zu laut. Kleine Verspre- cher haben wir drin gelassen, wenn sie nicht sinnentstellend waren.“

Spielerischer Zugang

Das als schwer zugänglich geltende Werk eignet sich merkwürdigerweise ganz hervorragend für diesen schnipselhaften Zugang, den die Website bietet. Denn jede Seite für sich erzählt durchaus Verständ- liches, allein der Gesamtzusammenhang entschlüsselt sich nicht so einfach. „Der Roman ist sehr überbordend, aber kein hermetisches Werk. Man kann sich in die Episoden reinfallen lassen“, sagt Hänsel. Etwa die Hälfte des Buches steht bereits auf der Webseite zum Anhören und zum Download zur Verfügung: 40 Stunden „unendliches spiel unendlicher spaß“. Und immer noch wird die Seite laut Hänsel rege frequentiert. Das Hörspiel bietet einen spielerischen Zugang zu einem Werk, das vom TIME-Magazin zu einem der 100 ein- flussreichsten Romane seit 1923 gewählt „Die Idee, Teil des größten Hörspiels aller Zeiten zu sein, reizte mich.“ WDR print-Autor Christian Gottschalk wurde. Und ich habe dabei geholfen. Falls ist einer der 1401 Vorleser. ich gut genug war, beim Sprechen.

43 DIE CHEFIN bleibt an Bord

44 Medienmenschen

Auf eine erfahrene, profilierte und urteilsstarke Journalistin wie Sonia Seymour Mikich will der WDR in diesen Zeiten nicht verzichten. Deshalb wurde der Vertrag der 65-Jährigen über die Pensionsgrenze hin- aus bis Ende 2018 verlängert. Maja Lendzian sprach mit der Fernsehchefredakteurin über die kommenden Herausforderungen. DIE CHEFIN bleibt an Bord

Sonia Seymour Mikich Erdogan hat kürzlich wieder einmal die zeigen, wenn ich zu einer Chefredak- hat sie aufbewahrt: Massen mobilisiert und die Zähne Richtung teurskonferenz gehe! Das ist Herausfor- die Ausgabe der New York Times mit der EU gefletscht. Frau Mikich, wären Sie jetzt derung, pures Abenteuer. Aber ernsthaft Schlagzeile „Obama“ lieber in der Türkei als hier in Köln? gesprochen: Das Reporterleben, das Impro- nach dem historischen Fahnenmeere, alles was nach Gleichschal- visierte, das Risikobereite, das fehlt mir Wahlsieg 2008. tung oder Gleichmachen aussieht, ist mir schon sehr. Bleibe aber neugierig auf die Fotos: WDR/Görgen suspekt. Nein, ich wäre nicht gerne dort, Welt und lasse mich immer wieder gerne auch weil es schwierig ist, differenzierte überraschen: Wenn wir wie jetzt über Ero- Fragen zu stellen, wie mir Kollegen erzählt sion von Demokratie diskutieren, ist das haben: Es wird übel genommen, und es für mich pure Provokation und turnt mein wird emotionalisiert. Hirn an.

Nicht nur die Politiker, sondern auch der Sie waren 2008 in Harlem, als klar war, Bürger auf der Straße nimmt übel. Die Situ- dass Obama der erste schwarze Präsident ation damals, als Sie kurz nach dem Zusam- der USA werden würde – Ihr aufregendstes menbruch des Sowjetreiches aus Russland Erlebnis als Berichterstatterin, wie zu lesen berichteten, war anders. war. Wie beurteilen Sie seine Amtsperioden? Damals in Russland hatten viele Men- Obama hat viele Probleme auf der schen einfach Lust darauf zu hören, was so eine Welt nicht lösen können oder wollen, weil Westfrau zu erzählen hat. Und sie hatten Lust, er sich außenpolitisch sehr zurückgehal- Fragen zu stellen, sich wirklich auszutauschen. ten hat. Gleichzeitig ist der Drohnenkrieg noch schlimmer betrieben worden, und er Die Deutsche Presse-Agentur zitierte Sie hat Guantanamo im Grunde genommen kürzlich mit den Worten „Journalismus nicht gelöst. Innenpolitisch hat er das Aus- hatte für mich immer auch einen Abenteu- einanderdriften von Arm und Reich nicht eranteil.“ Wo steckt dieser Anteil in Ihrem gepackt, er hat Big Business und die Wall- Job als Chefredakteurin? street nicht wirklich in Schranken weisen (Lacht) Könnte ich Ihnen jedes Mal können und so weiter. ➔

45 Medienmenschen

Es gibt aber auch Entwicklungen, tern sehen, aber es gibt auch die Tradition, die hoffnungsvoll stimmen: Die Gesund- Amerika kritisch zu begleiten, Politik und heitsreform, die für viele Menschen einen Defizite anzuprangern. echten Fortschritt bedeutet. Dann auch das Europa? Ein kontinuierliches Puls- Ideelle: Dass es nicht mehr nur unter alten fühlen, das würde ich mir wünschen. Wir weißen Männern ausgemacht wird, wer die Journalisten haben oft Europa so behan- mächtigste Nation der Erde regiert. Des- delt, wie es überhaupt nicht behandelt wegen: gemischte Bilanz, würde ich sagen. werden darf: nämlich als Elite-Projekt. Letztendlich erlebten die USA acht Jahre Etwas ganz Banales, was mir auffällt: Wir Blockade-Politik seitens des Kongresses. bringen regelmäßig die Arbeitslosenzahlen in Deutschland, und die sind bekanntlich Das Rennen Clinton contra Trump gehört zu ganz gut, weil sie niedrig sind. Wir müssten den wichtigsten Ereignissen Ihrer Amtszeit, aber gleichzeitig die Arbeitslosenzahlen denn der WDR ist in der USA-Berichterstat- aus den anderen europäischen Ländern ins tung federführender Sender. Wie werden Verhältnis setzen, damit die Menschen hier Sie das Spektakel diesmal für die sehen, wie gut es ihrem Land geht. Außer- Zuschauer aufbereiten? dem könnten wir so eine Beziehung zu „Die Gesprächssendung Die Wahlnacht haben wir in unseren europäischen Nachbarn herstellen der ARD als Event geplant: Es wird und erklären: Hey, das steckt in Frankreich »Ihre Meinung« ist eine unterschiedliche Gesprächsrun- dahinter, wenn die Jugend da auf die Straße den geben, wir werden uns sehr geht. Antwort auf die Frage, auf die Entwicklung der Zahlen konzentrieren und auf Fragen, wie Zu Ihren ersten Herausforderungen als Chef- wie wir mit dem Ver- sich Deutschland auf den nächsten redakteurin gehörte vermutlich die Frage: Präsidenten oder die nächste Prä- Wie gehen wir mit dem Vertrauensverlust trauensverlust der sidentin einzustellen hat. der Leitmedien um? Welche Antworten Ich persönlich freue mich haben Sie gefunden auf dem Höhepunkt der Leitmedien umgehen.“ auf ein kleines „Extra“: Andreas Ukraine-Krise? Cichowicz vom NDR und ich wer- Nach den ersten Schocks, als uns das den kurz vor der Wahl die „Lange Ame- Vertrauen scheinbar – ich muss das Wort rikanacht“ machen. Wir schauen in die „scheinbar“ betonen, – entzogen wurde, besten Reportagen der vergangenen Jahre haben wir die Herausforderung erkannt: und ziehen so ein Resümee der Amtszeit Wenn die großen Ereignisse, Anschläge, Obamas. Und wir werden durchs Land rei- Katastrophen stattfinden, schalten die sen und Stimmen einfangen. Leute zunächst die Öffentlich-Rechtlichen Ich werde mich auf den Aspekt Ras- ein. Und dann erst gehen sie in ihre Sozi- sismus konzentrieren und möchte gerne alen Medien. noch einmal mit den Schwarzen reden, die Und dennoch der Vertrauensverlust. ich damals in Harlem getroffen habe. Die Warum? Weil es auch gerade aus dem Netz Wahlnacht 2008, das waren großartige viel Kritik, zum Teil auch berechtigte, an Momente, die sehr ans Herz gingen. Ich unserer Berichterstattung gab und wir versuche auch, mit dem afro-amerikani- uns am Anfang nicht schnell oder deut- schen Schriftsteller Ta-Nehisi Coates zu lich genug dazu positionierten. Dann aber sprechen. Er sagt, dass die USA auch heute, haben wir alles abgearbeitet – routiniert 2016, ein zutiefst rassistisches Land sind. und ohne Schaum vorm Mund. Ohne Über- Alles andere sei Schönfärberei. heblichkeit. Ich erinnere mich zum Beispiel an Gerade jetzt, da die Medien sehr viel über die Klage, wir würden über Russland US-Politik berichten, fällt es noch mehr auf, „unfreundlich“ berichten. Ich habe dafür dass europäische Länder selten vorkommen gesorgt, dass ein 60-Minüter ins erste Pro- – mal abgesehen vom Brexit und der Grie- gramm kam, 60 Minuten Pulsfühlen bei chenlandkrise. den Russen: Sie sollten sagen, warum sie Ob es nun viele Menschen mögen Putin gut finden, sogar verehren. Das war oder nicht: Die USA sind unser Partner der Versuch, differenziert zu berichten. im Krieg und Frieden und nach wie vor Denn es gibt immer zwei Perspektiven auf eine Weltmacht. Das kann man ganz nüch- eine Sachlage.

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Den Vorwurf „Lügenmedien“ oder nicht so glamourös. Ich bin aber felsen- „Merkel-Medium“ haben wir in vielen fest davon überzeugt, dass die Investiga- Talkrunden aufgegriffen. tion die journalistische Spielart ist, die Besonders gelungen fand ich unse- uns von allen unterscheidet. Der WDR ren Versuch, im WDR Fernsehen die ist sehr gut beraten gewesen, sich darauf Gesprächssendung »Ihre Meinung« mit einzulassen, wir haben vieles enthüllt, Bettina Böttinger zu machen. Zuhörer, wir haben auch wieder Punkte zurück- Zuschauer, User waren nicht mehr wie geholt an Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Petersilie drumherum garniert, sondern Und warum? Weil Investigation sich fast mit ihren Fragen und Meinungen Mit- immer dreht um Machtmissbrauch, um telpunkt eines Austausches. Das ist für Absprachen, Korruption. Journalismus mich ein großartiges Experiment, das wir dient nicht der Zerstreuung und Ablen- im Herbst weiterführen, und eine weitere kung, sondern der Demokratie. Das Antwort auf die Frage, wie wir mit dem honoriert unser Publikum. Ich würde mir Vertrauensverlust umgehen. wünschen, dass wir noch viel, viel mehr dahinein investierten, denn Investigation Die Medien treibt schon wieder eine neue ist auch eine Überlebensgarantie für die Diskussion um. Wie berichtet der WDR Öffentlich-Rechtlichen. künftig über Amokläufe und terroristische Taten? Wie sehen Sie das? Sie stehen für den hinterfragenden Journa- Ich bin froh, dass die Diskussion eröff- lismus: gegen den Strich bürsten, kritisch net wurde. Ich habe mir aber noch keine bleiben, politisch sein. Wie muss moder- abschließende Meinung gebildet. Als ich nes Fernsehen aussehen, wenn man die- noch aus Russland berichtete, gehörte ich sen inhaltlichen Anspruch mit einer Form zu jenen, die sagten, man muss die Grau- verbindet, die den neuen Sehgewohnheiten samkeiten des Krieges, des Terrors zeigen gerecht wird? und nicht irgendwie wegschnörkeln. Dazu Ich gehöre nicht zu den gehört dann auch das Gesicht, der Name Leuten, die sagen, Fernsehen „Ich fand es immer sehr eines Täters. Ich wollte an Schmerzgren- muss unanstrengend sein um zen gehen. jeden Preis. Gleichzeitig können wichtig in allen Jobs, die Was inzwischen nicht mehr geht: das wir nicht an den veränderten Übernehmen von Material, das Täter oder Erwartungen des Publikums ich hatte, um mich herum Organisationen selber hergestellt haben. vorbei etwas präsentieren und Diese triumphalen Videobilder. Ich will auf nur auf Inhalt setzen. Viele eine angstfreie Atmos­ keinen Fall zur IS-Propaganda beitragen. Menschen sind mittlerweile Die Diskussion führen wir gerade. daran gewöhnt, dass Fernsehen phäre zu verbreiten.“ gut auszusehen hat. Das heißt Wo viel Schatten, ist auch viel Licht: die Grafikeinsatz, das kann auch Musikein- Panama-Papers. Der WDR war im Recher- satz bedeuten, was ich – das möchte ich che-Team Russland Putins Machtelite auf betonen – überhaupt nicht liebe. Das heißt der Spur. Wie geht es weiter. Ist ein neuer auf jeden Fall, sich sehr viel mehr Gedan- Scoop zu erwarten? ken um Dramaturgie, Filmanfänge, Spra- (Lacht) Es gibt nicht jeden Tag und che, Protagonisten zu machen als wir es auch nicht jedes Jahr einen Scoop, das war früher getan haben. schon wirklich außergewöhnlich und ich bin sehr stolz darauf, dass unsere Leute Als Sie vor zwei Jahren Chefredakteurin mit an Bord waren. Der ursprüngliche wurden, haben Sie Ihre Mitarbeiter zu Impuls, da muss man fair sein, kam von Blitzdates geladen. Was wollten Sie in der der Süddeutschen Zeitung. Was wir dazu kurzen Zeit vor allem von ihnen erfahren? beigetragen haben, war höchst relevant. Ich wollte Zufriedenheit und Sorgen Investigation ist aber nicht immer abtasten und vor allen Dingen das Gefühl so heldenhaft schön und von vielen vermitteln, dass da eine nahbare Chef- Schlagzeilen geadelt. Sondern perma- redakteurin ist. Ich fand es immer sehr nentes Wühlen, Datenbänke und Akten wichtig in allen Jobs, die ich hatte, um durchschauen, Spuren verfolgen, sich mit mich herum eine angstfreie Atmosphäre Informanten treffen: Das ist überhaupt zu verbreiten. ➔

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SONIA SEYMOUR MIKICH wurde am 13. Juli 1951 in Oxford als Tochter einer Deutschen und eines Serben geboren. An der RWTH Aachen studierte sie Poli- tologie, Soziologie und Philoso- phie. Mikich hatte bereits Erfah- rung als Zeitungsjournalistin, bevor sie 1982 beim WDR volon- tierte. In den 90er Jahren arbeitete die Kosmopolitin als ARD-Korres- pondentin und Studioleiterin in Moskau und Paris. 1998 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande für ihre journalistische Arbeit in Russland ausgezeich- net; zahlreiche Fernsehpreise folgten. 2002 übernahm Mikich die »Monitor«-Redaktionsleitung und Moderation des Politmaga- zins. 2014 folgte die Ernennung zur Chefredakteurin Fernsehen. Ihre publizistische Führung sei in diesen Zeiten wichtiger denn je, begründete Fernsehdirektor Jörg Schönenborn die Verlängerung ihres Vertrages als Chefredak- teurin über die Pensionsgrenze hinaus bis Ende 2018. In diese Zeit fallen die Wahlen in den USA, in Die Fernsehchefredakteurin ist bekennender Nachrichten-Junkie: „Für den Journalismus muss man Leidenschaft haben Deutschland und NRW. und dann ist es ein Job, der einen 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche fordert“, sagt Mikich.

Es ist merkwürdig, dass eine Chefre- wird für die Kollegen sehr schön, weil dann dann leider auch, sich damit abzufinden, dakteurin das sagt, aber es ist so: Es gibt ihr Spielfeld viel, viel größer sein wird. dass die materiellen Voraussetzungen ent- wenig das mich weniger interessiert schieden schlechter geworden als Status. sind. Aber jeden Abend ins Bett „Am Ende des Prozesses wird zu gehen mit dem Gefühl, etwas Sie haben strukturelle Veränderun- Relevantes getan zu haben, das gen vorgenommen, beispielsweise die stehen, dass jemand hier in ist großartig und müsste über Redaktion der »Tagesschau« mit der vieles hinwegtrösten, was nicht Programmgruppe Ausland vernetzt. NRW über ein Zechenun- großartig ist. Welche Ziele verfolgen Sie damit? Der Nachwuchs muss sich Wir hatten ein Jahr mit unend- glück berichten kann, aber fit machen für alle Ausspielungs- lich vielen Sondersendungen, weil wege, die es gibt, und „Hier, ich einfach viel passierte. Terroran- auch fit ist, die Wahlen in will!“ schreien, gerade, wenn schläge, Katastrophen, Kriege. Und es kompliziert oder anstren- siehe da, aus dem journalistischen Russland zu analysieren.“ gend ist. Und er sollte von der Impuls haben immer wieder Leute Gewissheit ausgehen, dass es aus der Programmgruppe Ausland wenige Berufe gibt, die eine so und vom Aktuellen zusammengearbeitet Sie haben eine Bilderbuchkarriere hinge- unendliche Vielfalt, so viel Sinn anbieten und besten Journalismus gemacht. Das legt. Doch in den 1970er Jahren war der – bis ins hohe Alter hinein (lacht). war ein Aha-Erlebnis: Es ist eigentlich Einstieg in den Journalismus, damals noch Mir macht es momentan am meisten relativ wurscht, ob was vor der Haustür, in ein angesehener Berufsstand, etwas leichter Freude, wenn andere Leute glänzen. Ich Washington oder Moskau passiert, du hast als heute. Was raten Sie dem Nachwuchs in habe meine große Befriedigung im Job erlebt die Aufgabe, sehr schnell gut abgesicherte Zeiten des Zeitungssterbens und der Aus- und erlebe sie noch immer. Jetzt sind andere Recherchen zu senden. beutung der jungen Leute in meist schlecht dran. Mein Motto: Das Schlimmste verhü- Am Ende des Prozesses wird stehen, dass oder gar nicht bezahlten Praktika? ten und das Beste ermöglichen. jemand hier in Nordrhein-Westfalen über ein Journalismus ist Herzenssache, Zechenunglück berichten kann, aber auch fit keine Karriere-Autobahn. Man muss Lei- ist, Wahlen in Russland zu analysieren. Das denschaft haben. Und Leidenschaft heißt

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EMANUELA PENEV „Starkes Team für die Kommunikation“ Emanuela Penev (41) ist seit August neue stellvertretende Un- ternehmenssprecherin des WDR sowie stellvertretende Leite- rin der Abteilung Presse und Information.

„Emanuela Penev kennt den WDR von Grund auf, ist multi- medial orientiert und hat im Laufe ihrer Karriere viele kreative und wichtige Impulse gesetzt“, begründete WDR-Intendant Tom Buhrow seine Personalentscheidung. „Mit Unternehmenssprecherin Ingrid Schmitz und ihr hat der WDR ein starkes Team für die Kommuni- kation nach außen und nach innen.“ Die gebürtige Duisburgerin hatte bereits während ihres Studiums der Kommunikationswissenschaft, Anglistik und Germanistik als freie Autorin im Studio Essen gearbeitet, bevor sie 2006 ein Programmvolontariat beim WDR absolvierte. Von 2007 bis 2011 war Emanuela Penev als Redakteurin und Repor- terin in den WDR-Studios Köln und Düsseldorf tätig. Zuletzt „Wichtige Impulse gesetzt“: Emanuela Penev, die neue stellvertretende betreute sie in denselben Funktionen dokumentarische Formate Unternehmensprecherin und stellvertretende Leiterin der Abteilung Presse im »Hier und Heute«-Team. EB und Information Foto: WDR/Sachs

HERBERT WATTEROTT Reporter-Legende der Tour de France wird 75

Herbert Watterott, die Reporterlegende Luft, während er den Autor in seiner TV- der Tour de France, wird am 21. Septem- Show humorvoll ausquetschte. 30 Sekun- ber 75 Jahre alt. Eine Würdigung seines den aus dem Hut musste Watterott ein WDR-Kollegen Günther Baumhauer. Rennfinale kommentieren. Bravo! Da war er wieder: „Der rote Teufelslappen tausend Rennradfahren war und ist noch Meter vor dem Ziel, die Sprinter formier- immer sein Sport Nummer eins. 41 Mal ten sich ...“ Auch nach zehn Jahren lohnt hat er die berühmte Frankreichrunde als es noch, die Show von damals im Internet WDR-Reporter kommentierend begleitet. Er anzuklicken. kannte die Rennfahrer alle von A bis Z, von Zur Blütezeit der Sechs-Tage-Rennen Altig bis Zabel. Auch international war er war der Junge aus dem Bergischen Land in mit den Großen des Radsports eng vertraut. Köln, Dortmund oder Berlin als sachkun- Der Belgier Eddy Merckx war für Watti der diger Hallensprecher natürlich dabei. Und Größte. Seine letzten Reporterjahre aller- beim diesjährigen Rennen „Rund um Köln“ dings waren von den Doping-Affären der saß der Kommentier-Oldie am Bensberger Profigilde und den daraus resultierenden Schloss zur Freude der Zuschauer ebenfalls langjährigen Sendeeinschränkungen in der am Mikrofon und gab Wissenswertes von ARD getrübt. sich. Sein Einsatz beim Wohltätigkeits- Wer als Kollege viele Jahre Büronachbar rennen in Oldenburg Mitte August endete von Watterott war, weiß zu berichten, wie dagegen mit einem Sturz und einigen Kno- mühsam zu einer Zeit ohne Internet mit ent- chenbrüchen. Herbert Watterott 2005: Leidenschaftlicher sprechenden Info-Quellen die Vorbereitung In seiner Heimat ist der WDR-Mann Radsport-Reporter und Radfahrer Foto: WDR/Sachs für Live-Reportagen war. Gleich mehrere über Jahrzehnte selbst tausende Kilome- Karteikästen schleppte der Radsportreporter Als Watterott vor zehn Jahren in den ter mit dem Rennrad gestrampelt. „Bergauf da mit in die Sprecherkabine, um im rechten Ruhestand ging, hatte er schon ein Buch bergab, da lernt man zu schätzen, was die Moment den passenden Kommentar zum im geschrieben: „Tour de France – live“. Die- Radsportler leisten“, sagt der Mann mit der Bild angebotenen Fahrer zu haben. ses Buch schwenkte Harald Schmidt in der unverkennbaren Radsportstimme.

49 Nachruf

ULRIKE WISCHER † Eine leidenschaftliche Journalistin Ulrike Wischer, Leiterin und Hintergrund, kritisch und der elf »Lokalzeit-Ausga- heimatverbunden, auf Augen- ben« im WDR Fernsehen, höhe und nicht von oben herab. ist am 1. August im Alter Dabei scheute sie keine Ausein- von 56 Jahren gestorben. andersetzung – mit niemandem Gabi Ludwig, die Chef- –, wenn es darum ging, diese redakteurin der Landes- Sendung voranzubringen. programme, erinnert an In beispielhaften Work- eine leidenschaftliche shop-Prozessen gelang es Journalistin, die das ak- Ulrike Wischer immer wie- tuelle regionale WDR- der, zusammen mit ihren Magazin an die Spitze Mitarbeiterinnen und Mitar- der erfolgreichsten WDR- beitern in den Studios einen Programme führte. gemeinsamen Spirit zu kre- ieren und so den immensen Leidenschaft, Energie, Erfolg zu ermöglichen: die Mut, Lebenslust – Ulrike »Lokalzeit« zur Lieblings- Wischer hat gebrannt für sendung so vieler Nordrhein- die Dinge, die ihr am Her- Westfalen zu machen. zen lagen, vor allem für Mit dieser ungeheuren „ihre“ »Lokalzeit«. In den Energie hatte sie schon ihre Ulrike Wischer leitete zehn Jahre lang die elf regionalen Lokalzeit-Ausgaben. Foto: WDR vergangenen zehn Jahren vorherigen Aufgaben erledigt: kämpfte sie als Leiterin der So leitete sie das Studio Aachen Programmgruppe Regionales mit allen Fasern ihres Seins für ihre und die »Aktuelle Stunde«. Ihre Kreativität, ihre Ideen waren Vision von einem Fernsehen aus und für den Nahbereich: Aktualität Motor für diese leidenschaftliche Journalistin.

HILDE JUNKER-SEELIGER † Ihr Engagement galt zeitlebens dem WDR Hilde Junker-Seeliger hat von 1975 bis ihrer Vorgängerin. Bei ihren Analysen 1985 als erste weibliche Vorsitzende die habe Junker-Seeliger immer die finanzi- Arbeit des WDR-Rundfunkrats wesent- ellen und wirtschaftlichen Aspekte des lich geprägt. Sie starb 93-jährig am 30. Juli. Senders im Blick gehabt. Zudem sei sie mit ihrem erfolgreichen gesellschaftspo- Über 33 Jahre war die Sozialdemo- litischen Wirken eine Wegbereiterin und kratin und Gewerkschafterin Mitglied ein Vorbild für Frauen in Führungsposi- der WDR-Gremien und hat in verschie- tionen gewesen. denen Positionen große Verantwor- Die Bielefelderin setzte sich Zeit tung übernommen. „Aufgrund ihrer ihres Lebens für den öffentlich-rechtli- umfangreichen kommunalpolitischen chen Rundfunk ein. 1955 hatte Hilde Jun- und gewerkschaftlichen Erfahrungen ker-Seeliger ihre Arbeit im Rundfunkrat hat Hilde Junker-Seeliger die Frauen- begonnen. 20 Jahre später wurde sie die förderung und Regionalität als zen- erste weibliche WDR-Rundfunkratsvor- trale Themen erkannt und aufgegriffen, sitzende, danach war sie bis 1988 Mitglied zwei Themen, die auch heute noch von im WDR-Verwaltungsrat. Außerdem war großer Bedeutung für den WDR sind“, sie Kommunalabgeordnete der SPD und im würdigt Ruth Hieronymi, Vorsitzende Bundesvorstand des Deutschen Gewerk- des WDR-Rundfunkrats, die Verdienste schaftsbundes tätig. EB Hilde Junker-Seeliger im Jahr 1978 Foto: WDR

50 Thomas Roth führte durch die Veranstaltung in der Düsseldorfer Tonhalle, das WDR Sinfonieorchester spielte zum Geburtstag die Rheinische Sinfonie. Fotos: WDR/Sachs 70 JAHRE NRW Eine Erfolgsgeschichte: das „dynamic Bundesland“

Wenn das Land an Rhein und Ruhr desland Nordrhein-Westfalen. Prinz Geburtstag feiert, dann ist der William war deshalb als Vertreter WDR nicht nur als Berichterstatter Großbritanniens angereist, um zu dabei. Der Sender für den Westen gratulieren. Das „dynamic Bundes- hat schließlich als Chronist die land“ sei eine Erfolgsgeschichte, sagte Geschichte Nordrhein-Westfalens seine Hoheit und versprach: „Die Tiefe mitgestaltet. unserer Freundschaft wird sich nicht verändern.“ Dafür gab es ausgiebigen „Ein Bundesland mit sehr bewe- Applaus von den 1300 Gästen aus allen gender Geschichte, aber jung genug, um Bereichen der Gesellschaft, darunter auch noch neue Geschichte zu schrei- WDR-Intendant Tom Buhrow. ben“, sagte »Tagesthemen«-Anchorman „NRW ist ein starkes Stück Thomas Roth zu Beginn der Feier am Gruppenbild mit Prinz (v. l.): Carina Gödecke, Präsidentin des Deutschland“, sagte Angela Merkel 23. August in der Düsseldorfer Tonhalle. Landtags NRW, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Prinz William, in ihrer Ansprache. Im vergangenen Der WDR-Journalist führte durch die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Norbert Lammert, Jahr nahm NRW mehr Flüchtlinge als Präsident des Deutschen Bundestages Veranstaltung, in der die Historie NRWs jedes andere Bundesland auf, die Bun- anhand von Ausschnitten aus der WDR-Doku-Reihe »Unser Land« deskanzlerin lobte diese Integrationsleistung. Darauf bezog sich auch aufgerollt wurde: vom Nachkriegs-Wirtschaftswunder dank Kohle Hannelore Kraft: „Anpacken“, so die Ministerpräsidentin, „das ist und Stahl bis zum Strukturwandel. Und das WDR Sinfonieorchester in der DNA des Landes angelegt.“ Nordrhein-Westfalen sei auch in spielte unter der Leitung von Jukka-Pekka Saraste dem Geburtstags- Zukunft eine Heimat „für alle, die anpacken wollen“. CSh kind mit der „Rheinischen Sinfonie“ Robert Schumanns ein beson- »Doku am Freitag«: Unser Land in sechs Teilen deres Ständchen. Den ersten Satz des Werkes kannte im Land früher jeder als Titelmelodie der WDR-Sendung »Hier und Heute«. WDR FERNSEHEN

1946 schufen die britischen Besatzer in der „Operation Mar- FR / bis zum 23. September / 20:15 – 21:00 / riage“ aus der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen das Bun- www1.wdr.de/fernsehen/doku-am-freitag/unser-land/

51 Perspektiven

Wer eine fundierte IT-Ausbildung mit einer spannenden und abwechslungs­ reichen Tätigkeit bei den Medien verbinden will, sollte sich bis zum 30. September beim WDR bewerben. Qualifizierter Nachwuchs an Fachinformatikern – sehr gerne auch weiblicher – wird noch gesucht. VIEL MEHR ALS COMP UTER-NERDS

28 Server in Düsseldorf, 30 in Köln läuft. Sie helfen zum Beispiel, wenn die E-Mail-Verschlüsselungen aus. Um seine und diverse weitere Server und Speicher- Maus oder die Tastatur nicht funktioniert Kenntnisse noch weiter zu vertiefen, nahm systeme in den neun anderen NRW-Studios oder E-Mails nicht abgerufen werden kön- der 26-Jährige im Anschluss an seine Aus- des WDR sind nötig, damit Autorinnen, nen. Die Azubis durchlaufen in der Regel bildung ein Studium der IT-Sicherheit auf. Kameraleute, Redakteure und Cutter Mate- sämtliche Stationen – vom Support für PCs Nun arbeitet er parallel zum Studium einen rial digital austauschen können. Alexander und Smartphones über die Telefonzentrale Tag die Woche im WDR. Das Unternehmen Gast arbeitet bereits seit seiner Ausbildungs- bis zur Server-Administration und Geräte- fördert Mitarbeiter wie ihn mit Zuschüssen zeit am Ausbau dieser Techniklandschaft bereitstellung. Sie arbeiten sowohl in der zu anfallenden Studiengebühren. für die Fernsehproduktion mit: „Wir haben Verwaltung als auch dort, wo Fernsehen Während Systemintegratoren sich da in den vergangenen vier Jahren ganz und Radio gemacht werden. mehr um die Hardware kümmern, sind schön was an Hardware hingestellt“, so der Anwendungsentwickler für die Software 24-Jährige. Bald sollen 428 Terrabyte für den Ausbildung und Studium parallel zuständig. Tim Netzer lernte beim WDR schnellen Medienaustausch zur Verfügung die Grundlagen der SAP und Abap-Pro- stehen. Das reicht für einen Durchlauf von Timm Börgers hat allerdings die Hälfte grammierung. Er hatte mit verschiedenen 7000 Stunden Video. Für die Archivierung seiner Ausbildung auf eigenen Wunsch in Anwendungen zu tun, die der WDR etwa bereits gesendeter Beiträge gibt es weiteren der IT-Sicherheit verbracht: „Das hat mich für die Personalverwaltung, für die Abrech- Speicherplatz. „Das war ein ziemlich gro- am meisten interessiert, und so konnte nung von Honoraren oder zur Erstellung ßes Projekt, an dem ich wachsen konnte.“ ich meinen Ausbilder überzeugen.“ Die von Websites braucht. Zum Ende seiner Mit Erfolg: Der WDR hat Gast nach seiner immer wichtiger werdende Abteilung Ausbildung kam er dann zur Agenturversor- Ausbildung übernommen. Nun arbeitet wehrt Hacker-Angriffe auf den WDR ab gung. Seit sechs Jahren stellt der 28-Jährige er fest angestellt als Fachinformatiker im oder verhindert, dass brisante Recherche- dort sicher, dass Meldungen der Deutschen Bereich Systemintegration. Er und seine ergebnisse investigativer Journalisten aus- Presse-Agentur oder anderer Informations- Kollegen sorgen im ganzen Unternehmen gespäht werden. Börgers kennt sich mit dienste über das Redaktionssystem überall dafür, dass informationstechnisch alles Viren- und Datenschutz, Firewalls und dorthin gelangen, wo sie gebraucht werden.

52 Hier zieht die IT Strippen: die Fachinformatiker Alexander ­Gast, Timm Börgers und Tim Netzer (v. l.) in einem Server- raum des WDR. Foto: WDR/Dahmen

schulte Senioren am PC. Soziale Kompeten- zen sind nicht nur hier gefordert. „Auch im Bereich Support hat man ja immer mit Men- schen zu tun“, meint Börgers. „Wir suchen vielfältig interessierte und kontaktfreudige Bewerber“, betont Ashauer, „keine Compu- ter-Nerds mit Tunnelblick.“

Schülerinnenpraktika und „Girls‘ Days“

Wissbegierde, Eigeninitiative und Teamfähigkeit nennen die drei Absolven- ten als unerlässliche Voraussetzungen für den Job. Diese Eigenschaften würden auch im Laufe des Auswahlverfahrens getestet. Bewerben kann sich jede(r) mit mindestens mittlerer Reife und einer gewissen Affinität zu Technik und Naturwissenschaften. Wer Praktika im IT-Bereich vorweisen kann, hat bessere Chancen, eingeladen zu werden. Trotz intensiver Bemühungen um VIEL MEHR ALS COMP UTER-NERDS weiblichen Nachwuchs – etwa über „Girls‘ Days“ oder Schülerinnenpraktika – scheint sich das Berufswahlverhalten nach wie gar nichts mehr.“ Damit ein- vor an traditionellen Rollenbildern zu „Der WDR betreut her gehe natürlich auch eine orientieren. „Maximal zehn Prozent der große Verantwortung und Bewerbungen im IT-Bereich kommen von Azubis besonders ein hoher Druck. Frauen“, bedauert Ashauer. „Wir freuen uns „Wer Fachinformati- über jede!“ Auch Börgers, Gast und Netzer intensiv.“ ker werden will, denkt viel- hatten in ihren Ausbildungs-Jahrgängen leicht nicht zuerst an den nur jeweils eine Kollegin. Mehr Frauen Dr. Michael Ashauer, Leiter Zentrale WDR“, erklärt Dr. Michael würden die Atmosphäre in der Abteilung Personalentwicklung Foto: WDR/Fürst-Fastré Ashauer, der beim WDR die auflockern, glauben die Jungs. „Die haben Zentrale Personalentwick- andere Lösungsansätze, sind meist kreati- „Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass es lung leitet. Dabei habe sich mit der Digita- ver“, ist Börgers überzeugt. „Der Beruf hat ja jeden Tag aktuelle WDR-Nachrichten gibt“, lisierung der Medienproduktion auch das noch immer so einen Nerd-Stempel“, meint sagt Netzer sichtlich stolz. Berufsbild gewandelt, sei wesentlich pro- Gast, „vielleicht schreckt das Frauen ab.“ Der WDR als Ausbilder und Arbeitge- duktionsnäher geworden. Zudem würden Christine Schilha ber biete den großen Vorteil, dass man in Azubis im WDR besonders intensiv betreut: so viele Bereiche reinschauen könne, meint Fachbezogene Seminare ergänzen Berufs- Börgers. „In einem kleineren Unternehmen schule und Tätigkeit im Betrieb. Eigenstän- ist man viel festgefahrener.“ Sein Kollege diges Arbeiten werde gefördert. Gast findet es besonders spannend, für Ein soziales Projekt ist fester Bestand- Bei Fragen an die WDR-Ausbilder: den größten öffentlich-rechtlichen Sender teil der dreijährigen Ausbildung. Der Jahr- [email protected] Deutschlands tätig zu sein und hinter die gang, dem Gast und Börgers angehörten, Kulissen schauen zu können. „Wir machen stattete eine Gesamtschule mit 30 ausran- Informationen zu den Ausbildungsberu- das Programm für Westdeutschland“, sagt gierten WDR-Rechnern aus und führte fen im WDR und Bewerbungsformulare: er, „ohne IT läuft im Fernsehen und Radio die Kids in den Umgang damit ein. Netzer wdr.de/k/karriere

53 Perspektiven WDR bildet Flüchtlinge aus Die »Lokalzeit« Der WDR ist nicht nur bekannt als Jahren noch mehr Ausbildungsverträge Medienbetrieb, sondern auch als enga- mit Geflüchteten geben wird: „Bis jetzt Köln kommt ins gierter Ausbilder. Neuerdings gibt er sind wir noch im ‚Übungs-Modus‘. Im Flüchtlingen mit Praktika und Ausbil- nächsten Jahr rechnen wir mit deutlich Schulbuch dungsplätzen Perspektiven auf eine mehr Bewerbungen, wenn alle, die in den „Wie gelangt eine Information in die bessere Zukunft. vergangenen Jahren nach Deutschland Medien?“ Das wollte Philine Lissner, kamen, registriert wurden und Sprach- Koordinatorin des Bachem Verlags für „Jetzt muss ich nur noch lernen, in kurse absolviert haben.“ das Schulbuch „Köln, wie geht das?“, Köln einen Parkplatz zu finden“, meint bei einem Besuch im WDR Studio Köln Khaled Kakeh. Der Syrer ist vor fünf Jah- Voraussetzung: Deutschkenntnisse herausfinden. ren aus Aleppo nach Libyen geflüchtet und dann im März 2015 über das Mittelmeer Im Februar beschloss die Geschäftslei- Dabei erhielt sie authentische Ein- nach Italien und später nach Deutschland tung des WDR, durch Praktika zur Integra- blicke in die Arbeit der Hörfunk- und gekommen. In seinem früheren Leben tion der zahlreichen AsylbewerberInnen bei- Fernsehjournalisten: Der stellvertretende hat er LKW hunderte Kilometer durch zutragen. Voraussetzung sind ausreichende Studioleiter Lothar Lenz lud die Verlags- die Wüste gefahren. Beim WDR bekam er Deutschkenntnisse. Acht Praktikumsplätze mitarbeiterin zu Konferenzen ein, zeigte Schnitt- und Arbeitsräume und beant- wortete alle Fragen, die dabei aufkamen. Er ist sich der anspruchsvollen Aufgabe, ein Sachbuch für Kinder zu machen, bewusst: „Um für Kinder zu schreiben, braucht man echt Gehirnschmalz. Ich habe davor großen Respekt.“

Interessant, aber hektisch

Das Lehrbuch soll Viertklässlern in regionalen Grundschulen neben anderen Mehreteab Kesete hat im August Ammar Haddad aus Syrien, hier mit Marita Schulz vom WDR- grundlegenden Themen über Köln die seine Ausbildung zum Bauten- und Personal­management und Ausbildungsleiter Silvan Leggio, war der lokale Medienberichterstattung erklären. Objektbeschichter begonnen. erste Flüchtling, der ein Praktikum beim WDR absolvierte. Fotos: WDR Um einen realistischen Einblick hinter die Kulissen zu erhalten, nahm Philine deshalb ein Praktikum in der Wort-, Musik- in den verschiedensten Bereichen sind seit- Lissner an der Konferenz der Hörfunk- und Außenproduktion. Hier fährt mit den dem vergeben worden. Weitere Anfragen Redaktion teil sowie an der Gesamtkonfe- großen Wagen auch eine Menge Technik sind in Bearbeitung. renz der WDR-»Lokalzeit«, bestehend aus mit. Vorerst wird Kakeh noch auf dem Bei- Ob Flüchtlinge arbeiten beziehungs- Radioredaktion und Fernsehredaktion. fahrersitz Platz nehmen, denn seine Fahr- weise ein Praktikum oder eine Ausbildung Dort wurden die Sendungen vom Vortag kenntnisse werden hier nicht anerkannt. absolvieren dürfen, hängt von den unter- diskutiert, die neuen konzipiert und auch Er macht zunächst den PKW-Führerschein schiedlich definierten Aufenthaltstiteln die Planung für die kommende Woche für Deutschland und dann im Rahmen sei- ab: Ist jemand asylsuchend, hat er oder sie besprochen. ner Ausbildung den für LKW. Ab 1. Sep- eine Aufenthaltsgestattung oder nur eine Welche von diesen Themen es dann tember erlernt er nämlich beim WDR den Duldung? Und die Gesetzeslage ändert sich tatsächlich in die Sendung geschafft hat- Beruf des Kraftfahrers. laufend. Eine Herausforderung für das Per- ten, davon konnte sich Philine Lissner am Kakeh ist der zweite Azubi beim sonalmanagement, die Marita Schulz gerne Abend überzeugen: In der Senderegie WDR mit Flüchtlingsgeschichte. Auch annahm: „Die IHK-Stiftung und der WDR verfolgte sie die Kurzausgabe der »Lokal- Mehreteab Kesete konnte im August aus gingen fast gleichzeitig aufeinander zu und zeit«. Vorher nahm sie die Chance wahr, seinem Praktikum in eine Ausbildung kooperieren seitdem intensiv. Schnell hat sich einmal den Moderatoren-Platz von wechseln. Der Eritreer wird Bauten- und sich über persönliche Initiativen und Kon- Henning Quanz und das Studio genauer Objektbeschichter und kann, wenn er ein takte zu Ehrenamtlern und Institutionen im anzuschauen. Nach einem Tag mit vielen drittes Ausbildungsjahr dranhängt, den vergangenen halben Jahr ein richtiges Netz- neuen Eindrücken verließ Philine Lissner Gesellenbrief als Maler und Lackierer werk entwickelt.“ Marita Schulz wird nicht abends das Studio: „Sehr interessant, aber machen. Ausbildungsleiter Silvan Leggio nur beraten, sie ist längst Ratgeberin – man manchmal doch ganz schön hektisch.“ EB ist sich sicher, dass es in den kommenden hilft sich gegenseitig. CSh

54 Glosse

CHRISTIAN GOTTSCHALK VON BRENNENDEN DRACHEN, SEXY MUSIK- JOURNALISTEN UND – ERBSENZÄHLERN

Ginge es bei Musik nur um Musik, wäre es Unsinn, Konzerte im Fern- sehen zu übertragen. Dann könnten Kiss ungeschminkt singen, Miley Cyrus vollständig bekleidet, und AC/DC würden im Sitzen spielen. Aber Rock‘n‘Roll ist Show-Business. Andrea Berg zum Beispiel hat einen feuerspeienden Dra- chen auf der Bühne. Neulich zog sie sich bei einem Live-Auftritt Verbren- nungen zweiten und dritten Grades zu. Die Sängerin dachte an ihren Hit „Die Gefühle haben Schweigepflicht“ und sang das Lied knallhart zu Ende. Das ist Rock‘n‘Roll! Der Frontmann von Rammstein hätte sich bestimmt sofort acht Wochen krankschreiben lassen. Der hat übrigens selber eine Pyrotechniker-Ausbildung, vermutlich um Personal einzusparen. James Last war da anders, er hat sich Zeit seines Lebens geweigert, den Busführerschein zu machen. Aber ich schweife ab. Musik im Fernsehen, da denkt der in Ehren ergraute Rockfan Marke „55-jähriger Jeanstyp“ gerne an den »WDR «. Der brachte damals die ganz großen Bands ins Wohnzimmer, und weil das Ganze zeitgleich im Radio übertragen wurde, sogar in Stereo. So traf man sich mit den anderen Langhaarigen bei Bier, Lambrusco und selbst gedrehten Zigaretten, und sobald der große mit seinem sexy britischen Akzent die Bands ansagte, flippten alle aus. Hat mir meine Redakteurin erzählt. Die sehr mit mir schimpfte, nachdem ich Alan Bangs aus diesem Text gekürzt hatte. Jetzt ist er wieder drin. Der ungemein gut aussehende und extrem sympathische Musikjournalist, wenn ich hier mal ganz offen meine eigene Meinung sagen darf. Ich selber war übrigens nie eingeladen zu den Fernseh-Partys. Ich hatte eine schwere Jugend. Ob Klassik im Bild gut rüberkommt, hängt sehr von der Frisur und dem Temperament des Dirigenten ab. Die Haare müssen halt schön fliegen. Jazz im Fernsehen ist auch toll, weil Jazzmusiker zwar nicht tanzen, aber dennoch enorm transpirieren. Außerdem können sie teilweise sehr schnell spielen. Ich wollte schon immer mal mit einem Jazzstück an einem Luftgitarren­ wettbewerb teilnehmen und mich gar nicht bewegen – außer im Gesicht. Will man junge Menschen heute für irgendetwas begeistern, holt man sich einen Rapper dazu, und das Dolle ist: Das funktioniert. Siehe „Das Vivaldi- Experiment“ (Bericht Seite 24). Das hätte Vivaldi jetzt auch nicht gedacht, dass seine Grooves gesampelt werden und MoTrip die Lines dazu droppt. Leider befindet sich im Refrain ein Grammatikfehler: „Zeit, um endlich aufzuste- hen, jeder Mensch ist auserwählt, hat seine Gründe hier zu sein, auf diesem kleinen blauen Planet.“ Planeten, Herr MoTrip, Planeten! Dativ! Aber derlei Fehler finden sich in den größten Hits. Marmor, Stein und Eisen brechen ja genau genommen, um das berühmteste Beispiel zu nennen. Der Bayerische Rundfunk weigerte sich damals, den Hit zu spielen. Der Grammatik wegen. „Mit 66 ist noch lang noch nicht Schluss“ klingt auch eher zweifelhaft. Oder Sportfreunde Stiller: „Ich wollte Dir nur mal eben sagen, dass Du das Größte für mich bist. Und sichergehen, ob Du denn dasselbe für mich fühlst.“ Finde die beiden Fehler! Ja, ich bin ein Besserwisser. Meine Klassenkameraden hätten während der Rocknächte sehr viel von mir lernen können!

Christian Gottschalk (war früher mal Gitarrist der Band Illustration: Zubinski von „Frauke und die schönen Männer“ )

55 Eine von uns: NINA KLAMROTH

Extra-Vorführung für WDR print: Nina Klamroth zeigt uns in den »Tatort«-Produktionen immer an ihrer Seite: der Produzent. Im ihrem Büro im Kölner Vierscheibenhaus den neuesten »Tatort« aus aktuellen Fall ist es Produzentin Iris Kiefer, die neben Autorin Elke Münster. Gewohnt giftig agieren Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Schuch und Regisseur Lars Jessen ihre stärkste Partnerin ist. Mit Professor Boerne (Jan-Josef Liefers) miteinander. Dann plötzlich wird ihr zusammen hat sie das Thema in Auftrag gegeben und an der es ungemütlich im Schreibtischstuhl. Der Plot nimmt eine grausige Drehbuchentwicklung gearbeitet. Wendung: Eine der Hauptfiguren windet sich in einer Blutlache … Mehr wird an dieser Stelle noch nicht verraten. Und der Film ist Ein neues Projekt: Komödie mit Charly Hübner zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht ganz fertig. „Wir sind gerade im Feinschnitt, und dann kommt noch die Musik hinzu“, erklärt Praktisch bedeutet das nichts anderes als immer wieder ver- unsere Gastgeberin. werfen, neu überlegen, ausprobieren: Der Drehbuchautor liefert erst Nina Klamroth ist verantwortliche Redakteurin des Lieblings- einmal ein Exposé; fünf Seiten nur, auf denen er die Geschichte »Tatorts« der ARD-Krimi-Fangemeinde; am 25. September wird skizziert und die in größerer Runde mit dem Regisseur, dem Pro- Münster zum 30. Mal die Kulisse einer tödlichen Tat sein. „Redak- duzenten und der Redakteurin besprochen wird. Die Ergebnisse tion Nina Klamroth“ steht später im Vorspann. Was Schauspieler der Diskussion fließen in das so genannte Treatment ein, das dann oder der Regisseur bei einem Krimi zu tun haben, ist den meisten vielleicht schon 25 Seiten lang ist. Und wieder wird der Vorschlag klar. Aber welche Aufgaben hat ein Redakteur beim Film? mit allen Beteiligten diskutiert: Trägt die Story über 90 Minuten? Ist Ihre Arbeit ist ungeheuer vielfältig und einfach spannend, sie spannend und nachvollziehbar? Gibt es genug Verdächtige, oder denn oft weiß sie nicht, was der nächste Tag bringt, sagt Klamroth, entlarven die Zuschauer den Mörder sofort? Das sei hauptsächlich die den Film von der ersten Idee bis zur Ausstrahlung begleitet. Bei dramaturgische Arbeit, erklärt Klamroth. „In meinem Arbeitsver-

56 Nina Klamroth in ihrem WDR-Büro. WDR-Büro. in ihrem Klamroth Nina Nachfolger von ,Herr Lehmann‘, der kommendes Jahr in die Kinos Kinos die Nachfolger der in Lehmann‘, von kommendes ,Herr Jahr Sven-Regener-Verfilmung“, eine „Ein ist sie. „Das verrät Mystery“. „Magical abgedreht: sie hat gerade Außerdem einen Kinofilm schen. der Deut den Versicherungswahn darin karikieren Brambach tin »Mord aus Bärbel Aussicht«, die mit Meike Droste, Erste. Mar und Temme „Frau ist Das Glück“, sucht das für Hauptabendserie eine Fast fertig Hübner Strunk. Charly mit Komödie Heinz eine und dreht und den über Kölner Oppenheim-Esch-Skandal sie Satire eine entwickelt Derzeit Kinofilme. und Fernseh- Serien, kommen Hinzu Zwei »Tatorte«sie seit Münsteraner 2009. sie macht hier. pro Jahr ist WDR Beim studiert. Babelsberg in der Filmhochschule an tion Erfahrung. ihrer von muss.“die ganz 37-Jährige profitiert Da eingreifen nicht ich da dass ich weiß, und Vertrauen da das ist dann zusammenarbeiten, „Wenn häufiger sie ein: wir schränkt dings Aller abnehmen. alles Redakteurin verantwortliche als Klamroth muss und kann Kostümbild zum Bis hin Drehorte. die bestimmen geeignet und Komponist ist werüberlegen als auch gemeinsam, Redaktion und Produzent Regie, werden. sein dabei Schauspieler ihrem Schreibtisch: das Ortsschild Ortsschild das ihrem Schreibtisch: von Hengasch, dem fiktiven Ort, Ort, fiktiven dem Hengasch, von Die auffälligste Requisite hinter auffälligste Die Ursprünglich hat Nina Klamroth Film- und Fernsehproduk und Film- Klamroth Nina hat Ursprünglich wo sich »Mord mit Aussicht« »Mord sich wo abspielt. abspielt. Foto: WDR/Fußwinkel Foto: ting, entscheidet also, welche entscheidet also, ting, Cas ins geht Klamroth ihm Mit Jessen. Lars auf Wahl ten Münster-»Tatorts«die fiel neues des Fall Im Prozedere. übliche das WDR-Redakteurin aus“, dieRegisseur erläutert einen gemeinsam auch suchen vorantreibt. Geschichte die sie dass ausgearbeitet, so ist lung Hand die und Dialoge, und Persönlichkeit Figuren die men bekom Hier Drehbucharbeit. den Autor eigentliche die für beginnt ist, abgenommen zent Produ und von Redakteurin Aufgaben‘.“ besonderen mit steht ja auch ,Dramaturgin trag Jahren Kult. Mitverantwortlich für denfür Erfolg ist eine von uns: Der »Tatort« aus Münster oder »Mord mit Aussicht« sind seit Fernsehfilm, Kinound Fernsehfilm, Serie. Nina Klamroth, Redakteurin Redakteurin Klamroth, Nina die schräge Krimi-Komödie „Der Produzent und ich und Produzent „Der Treatment das wenn Erst, im Programmbereich Programmbereich im Berufsbilder ------da warum blutüberströmt am Boden liegt. liegt. Boden am blutüberströmt warum da wer sich auch aufklären, Teil wird ist Jobs. Und– auch das dann ihres stellen Publikums des den Fragen Gelegenheit dieser bei werden sich Schauspieler die und Die Redakteurin ausverkauft. einer Viertelstunde »Tatort« ihrem von nach der Regel in innerhalb Karten die sind und verrückt Münsteraner die dass Klamroth, weiß Erfahrung Aus ren Art: der besonde Premiere eine – organisiert Schloss vor dem Münsteraner verstärkt. der Postproduktion werden in Fußtritte und Auch Schussgeräusche synchronisieren“, Klamroth. erläutert nach- kommen und nochmal Schauspieler müssen die war, dann verständlich nicht „Wenn beginnen. akustisch irgendwas kann ändern. mehr nichts Bildschnitt am Redaktion und Regie dass heißt, das erreicht, lock“ der ist „Picture Dann zusammengesetzt. Schnitt im Szene einer Bilder ausgewählten Einstellungen unterschiedlichen werden den aus ist, die abgedreht der wenn Film sie. Erst berichtet zugeliefert“, Muster, genannten so die digital Material, vom Drehort eigenes „Wir Büro. ihr jeden auf bekommen Tag mehr sich dann verlagert Hauptarbeit werden Ihre besprochen müssen. Details sche produktionstechni wenn oder Presseterminen zu nur eigentlich aber Set, am wieder und hin zwar Klamroth ist Dreharbeiten Wie werde ich Fernsehfilm Fernsehfilme, Serien und das Kino mitbringen. Kino das und Serien Fernsehfilme, für Leidenschaft ausgeprägte eine sollte will, ergreifen Fernsehfilmredakteurs des Beruf Wer den Erfahrung. berufliche einschlägige Volontariat ein oder eine Hochschulstudium, abgeschlossenes ein jeden Fall auf ist setzung - Voraus Filmhochschule. einer an Pro-duktion der Studium oder ein Produzent als Tätigkeiten Laufbahnen, filmwissenschaftliche tische, journalis beispielsweise gibt Werdegang. Es vorgezeichneten keinen gibt es fest maturgen des Fernsehfilmredakteurs/Dra den Beruf Für Für den »Münster-Tatort« 30. Für Team sie hat Jubiläum ihrem mit ein Ton der Musik, und Nachbearbeitung, Phase Die nächste anschließen. Während der Während anschließen. Postproduktion Monate drei bis zweieinhalb sichdie etwa an Drehzeit, reine die dauert Wochen vier Ungefähr hinaus. schon Stadium über dieses ist „Feierstunde“ dem Arbeitstitel Klamroth. erläutert Schnitt“, im schon film Kino beim Exposé-Stadium, im »Tatort« noch vielleicht wir sind vorangeschritten sind. „Beim weit unterschiedlich jeweils Projekte einzelnen die weil geschehen, parallel tatsächlich kann alles Das kommen wird.“ ­redakteur WDR? im Der aktuelle »Tatort« aktuelle Der mit - - Koordinator »Tatort«-ARD und filmchef WDR-Fernseh Henke, Gebhard Ute Riechert - 57 - Foto: WDR/Sachs - - Auf einen Weißwein mit Jürgen Werner Jürgen Werner (52) ist gerade zurück aus Bozen. Wenn er an einem kniffeligen »Tatort«-Drehbuch sitzt, zieht er sich gerne in die Berge zurück, wo Handy und Internet nur sporadisch funktionieren. Der Autor ist klassischer Quereinsteiger: Stu- diert hat der Schwabe Luft- und Raumfahrttechnik, erst mit 30 machte er aus seiner Leidenschaft einen Beruf und schrieb so- gar Götz Georges Kultfigur Schimanski die Abenteuer auf den Leib. Wir treffen uns in seiner Heimatstadt Stuttgart in der traditionsreichen Weinstube Fröhlich, bis heute das Szene­ lokal von Künstlern und Intellektuellen.

Sie schreiben gerade an einem »Dortmund-Tatort«. Wie geht es Jürgen Werner arbeitet aktuell an einer neuen Figur für den »Tatort« aus Dortmund. denn nun weiter, nachdem Kommissar Daniel Kossik das Team Foto: WDR/Anneck verlassen wird? (Siehe auch Seite 15) Stefan Konarske ist ein toller Schauspieler, aber er hat sich aus seinem Beruf erzählt. Aber verglichen mit der Realität sind wir leider entschieden, etwas anderes zu machen. Wir werden eine neue selbst bei einem harten »Tatort« noch weit von der Wahrheit entfernt. Figur einbauen mit einer neuen Biographie. Daran arbeite ich gerade. Woher kommen die Ideen für diese komplexen Geschichten? Dürfen Sie schon etwas verraten? Ich lese sehr viele Zeitungen und Nur so viel: Die Art und Weise, wie er „Und dann lege ich Zeitschriften. Entweder gibt es einen reinkommt, ist hoffentlich ungewöhnlich. interessanten Kriminalfall, aus dem Wir haben uns bemüht, nicht den Stan- irgendwo die Leiche hin man ein Fragment nehmen kann. Oder dard zu machen – morgens geht die Tür ich greife ein gesellschaftliches Thema auf und der neue Kommissar ist da. und schaue, was sich auf. Zum Beispiel Bürgerwehren. Dann beschäftige ich mich damit, wie so eine Wer entscheidet über die Geschichte, entwickelt.“ Bürgerwehr aufgebaut ist. Und dann lege haben Sie freie Hand? ich irgendwo die Leiche hin und schaue, Die Produzentin Sonja Goslicki, Redakteur Frank Tönsmann was sich entwickelt. und ich haben gemeinsam überlegt: Versuchen wir es mit einem Dreierteam? Nein, Dortmund steht für ein Viererteam. Kommt Sie schreiben auch Forsthaus Falkenau und Traumschiff … eine Frau, ein Mann, ein Älterer, ein Jüngerer? Alles war offen. Ich Drehbuchschreiben ist ein Handwerksberuf. Ich habe mich von habe anschließend Vorschläge gemacht, wir haben eine Richtung der Soap über Vorabendserien und den Sonntagsfilm an den »Tatort« gefunden, jetzt schreibe ich die erste Fassung. herangetastet. Zum Handwerk kommt aber noch etwas anderes: Wie weit lasse ich mich auf die Figuren ein? Das ist vor allem beim Steht eine Geschichte vorher immer komplett fest? »Tatort« wichtig: glaubwürdige Figuren, das muss in sich stimmig Mit Frank Tönsmann arbeite ich schon lange zusammen. Wir sein. Das passiert aus dem Bauch heraus, das kann man nicht lernen. besprechen die Details im Vorfeld, aber er gibt mir auch die Freiheit, Da gehen Handwerk und Wahnsinn Hand in Hand. es einfach mal laufen zu lassen. Manchmal tun die Figuren dann Dinge, mit denen ich vorher gar nicht gerechnet habe. Sie entwickeln Was bedeutet es, wenn man wie beim »Dortmund-Tatort« vier Kom- ein Eigenleben. Wieso geht der jetzt aus der Tür? Moment mal! Das ist missare gleichzeitig im Blick haben muss? der schönste Moment, das ist dann wie ein Rausch beim Schreiben. Man muss den Plot so bauen, dass alle Vier ständig in Bewe- gung sind; das macht es schwierig. Die Fälle müssen komplexer und Wie loten Sie Dramatik, Spektakularität und Glaubwürdigkeit aus? schneller werden, gleichzeitig gibt es aber auch nicht mehr Geld Beim »Tatort« steigt man ja schon in die Tiefen menschlicher Abgründe. für mehr Schauspieler. Die Folgen werden mittlerweile auch von Beim »Dortmund-Tatort« haben wir am Anfang vielleicht ein biss- verschiedenen Autoren geschrieben und von verschiedenen Firmen chen übertrieben. Faber war nur noch auf Pille, hat mit dem Baseball- produziert. Da muss der Redakteur, Frank Tönsmann, alle Fäden schläger sein Büro zertrümmert. Da haben wir jetzt einen guten Weg zusammenhalten, damit die Horizontalen – die privaten Geschich- gefunden. Aber trotzdem gilt erst einmal: Vollgas geben, ruhig mal ten der Kommissare, die sich über mehrere Folgen ziehen – stimmig über die Stränge schlagen. Danach loten Redaktion, Produktion und bleiben. Einen »Tatort« will man gut machen, da ist man schon ein Autor gemeinsam aus, wie weit wir letztendlich gehen. Ich spreche bisschen nervös. Das ist im positiven Sinne Stress. auch immer mit einem echten Kommissar, der mir manchmal etwas Mit Jürgen Werner sprach Ina Sperl

58 Service

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WDR 2 Hotline + 49 (0) 221 567 89 222 DasErste Zuschauerredaktion +49 (0) 89 59002 3344 Faxline + 49 (0) 221 567 89 220 [email protected] Verkehrsinfo (Sprachserver) + 49 (0) 221 168 030 50

WDR 3 Hörertelefon + 49 (0) 221 567 89 333 Radioprogramminformation + 49 (0) 221 220 29 60 Faxline + 49 (0) 221 567 89 330 [email protected] Besucherservice + 49 (0) 221 220 67 44

WDR 4 Hörertelefon + 49 (0) 221 567 89 444 Maus & Co. Der Laden + 49 (0) 221 257 21 34 Faxline + 49 (0) 221 567 89 440 (Shop WDR-Arkaden) [email protected]

WDR im Internet www.wdr.de WDR 5 Hotline + 49 (0) 221 567 89 555 Faxline + 49 (0) 221 567 89 550 WDR per Post Westdeutscher [email protected] Rundfunk Köln 50600 Köln KIRAKA Hotline 0800 220 5555 [email protected]

* 20 Cent pro Anruf aus dem deutschen Festnetz, max. 60 Cent pro Anruf aus dem deutschen Mobilfunketz FUNKHAUS Hotline + 49 (0) 221 567 89 777 EUROPA Faxline + 49 (0) 221 567 89 770 [email protected] WDR print WDR print WDR Hotline + 49 (0) 221 567 89 999 als blätter­ abonnieren bares PDF FERNSEHEN print.wdr.de wdr.de/k/print-abo

Impressum Bildrecherche: Maria Lutze (Dokumenta- (Justiziariat), Dr. Wolfgang Maier-Sigrist tion und Archive), Bild-Kommunikation (phoenix), Anthon Sax (Produktion & Herausgegeben von der Abteilung Presse Technik), Christiane Seitz (Personalrat) und Information des Westdeutschen Titel-Foto: Rapper MoTrip (l.) und Wayne Andrea Schedel (HA Betriebsmanagement), Rundfunks Köln, Leiterin Ingrid Schmitz. Marshall, Chefdirigent des WDR Funkhaus­ Carsten Schwecke (Verwaltungsdirektion), WDR print erscheint monatlich und kann orchesters Köln Elke Thommessen (Personalrat). kostenlos bezogen werden. Foto: WDR/Fußwinkel Layout & Produktion: MedienDesign, Redaktion: Maja Lendzian (Leitung), Redaktionsbeirat: Anja Arp (Personalrat), Düsseldorf Sascha Woltersdorf; Redaktionsassistenz: Klaus Bochenek (Hörfunk), Martina Marita Berens, Susanne Enders Ewringmann (Marketing), Markus Druck: Schaffrath DruckMedien, Geldern Haus Forum, Raum 102, 50600 Köln. Gerlach (Produktion & Technik), Catrin Gedruckt auf ProfiSilk – Umweltpapier Telefon: 0221-220 7144 Grabkowsky (Intendanz), Peer Hartnack zertifiziert nach EMAS, ISO 14001, ISO Fax: 0221-220-7108, (Direktion Produktion und Technik), 9001, OHSAS 18001, ECF, FSC®, PEFC E-Mail: [email protected] Christiane Hinz (Fernsehen), Ulrich Horstmann (Hörfunk), Birgit Lehmann Redaktionsschluss der Oktober-Ausgabe (Studio Düsseldorf), Michael Libertus ist der 9. September 2016

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BOB BOB!

mintzer Great to have you here Die WDR Big Band startet mit ihrem neuen Chefdirigenten Bob Mintzer in die Saison 2016/2017.

Mehr Infos online oder bei facebook.com/wdrbigband

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