Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik

26-1 | 2007 Fakten und Statistiken 2007

Electronic version URL: http://journals.openedition.org/sjep/95 DOI: 10.4000/sjep.95 ISSN: 1663-9677

Publisher Institut de hautes études internationales et du développement

Printed version Date of publication: 1 avril 2007 ISBN: 978-2-88247-067-6 ISSN: 1660-5926

Electronic reference Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007, « Fakten und Statistiken 2007 » [Online], Online erschienen am: 24 Juni 2013, abgerufen am 24 September 2020. URL : http:// journals.openedition.org/sjep/95 ; DOI : https://doi.org/10.4000/sjep.95

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Das Schweizerische Jahrbuch für Entwicklungspolitik ist ein unerlässliches Werkzeug für alle Leserinnen und Leser, die ihre Kenntnisse der bilateralen und multilateralen Beziehungen der Schweiz mit Afrika, Asien, Lateinamerika und den Oststaaten vertiefen wollen.

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TABLE OF CONTENTS

Einführung - In einer Welt im Wandel, welche Positionierung für die Entwicklungszusammenarbeit ? Catherine Schümperli Younossian

1. Teil : Fakten Jahresübersicht 2006

1. Aussenpolitik Xavier Tschumi Canosa

2. Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern Gérard Perroulaz

3. Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS Tanja Guggenbühl

4. Humanitäre Hilfe Gérard Perroulaz

5. Aussenwirtschaftspolitik Nadine Keim

6. Welthandel Nadine Keim

7. Internationale Finanzbeziehungen Bruno Gurtner

8. Finanzplatz Schweiz Marc Dufournet

9. Menschliche Entwicklung und Menschenrechte Tanja Guggenbühl

10. Umwelt und Entwicklung Xavier Tschumi Canosa

11. Friedens- und Sicherheitspolitik Xavier Tschumi Canosa

12. Asylpolitik und Migrationsfragen Rosita Fibbi

2. Teil : Statistiken

A. Im Internet verfügbare statistische Daten Tanja Guggenbühl, Gérard Perroulaz and Xavier Tschumi Canosa

B. Übersicht über die Finanz- und Handelsströme zwischen der Schweiz und den Entwicklungs-ländern Tanja Guggenbühl, Gérard Perroulaz and Xavier Tschumi Canosa

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C.Merkmale der Finanz- und Handelsströme zwischen der Schweiz und den Entwicklungs ländern Tanja Guggenbühl, Gérard Perroulaz and Xavier Tschumi Canosa

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Einführung - In einer Welt im Wandel, welche Positionierung für die Entwicklungszusammenarbeit ?

Catherine Schümperli Younossian

EDITOR'S NOTE

Wir danken der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), welche das Zustandekommen dieses Werks ermöglicht hat.

1 Das Jahrbuch hat zum Ziel, die wichtigsten Ereignisse betreffend die Entwicklungspolitik der Schweiz zu präsentieren. Jedoch geht es auch darum, diese Ereignisse im Rahmen der Veränderungen auf der internationalen Bühne zu sehen und die Folgen des Wandels für den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu ermessen. Seit Anfang der 90er Jahre ist eine deutliche Weiterentwicklung des Kräfteverhältnisses zwischen Staaten festzustellen.

Osteuropäische Staaten, ein Übergangsprozess mit unterschiedlichem Tempo

2 Im Mai 2004 nahm die Europäische Union acht neue Staaten auf : die Baltischen Staaten (Litauen, Lettland, Estland) sowie fünf mitteleuropäische Länder (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien). Im Januar 2007 kamen Rumänien und Bulgarien zur EU hinzu. Allerdings wird nur ein Drittel der 27 Transitionsländer von der Europäischen Kommission als stabile Rechtsstaaten mit einer wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft betrachtet, die den EU-Beitritt rechtfertigt. Fünfzehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sind die politischen und wirtschaftlichen Reformen bei der Mehrheit dieser Länder, die sich sehr stark voneinander unterscheiden, noch nicht abgeschlossen. In Südosteuropa (Ex-Jugoslawien) und in vielen Ländern der

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Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), insbesondere in Zentralasien (Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan) und im Südkaukasus (Georgien, Armenien und Aserbaidschan) bleibt die soziale, politische und wirtschaftliche Lage nach wie vor unsicher.

3 Die Schweiz, die ihre ersten Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit in dieser Region 1990 durchführte, hat im November 2006 ein Gesetz über die künftige Tätigkeit der Zusammenarbeit erlassen.Diese Gesetzesgrundlage erlaubt es, dem Parlament weitere Kreditanträge zu unterbreiten. Das Gesetz wurde von den Eidgenössischen Räten mit grosser Mehrheit angenommen, jedoch von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) angefochten, die das Referendum ergriff.Der Gesetzestext wurde schliesslich in der Volksabstimmung im Herbst 2006 vom Schweizer Volk mit knapper Mehrheit (53,4 % der Stimmen) angenommen.Das neue Gesetz betrifft zwei Hilfsformen der Schweiz : Zum einen ermöglicht es die Fortsetzung der Transitionshilfe (herkömmliche Entwicklungshilfe) für die Entwicklungsländer Osteuropas (Südosteuropa, Zentralasien und Südkaukasus). Zum anderen schafft es die rechtlichen Grundlagen für den Beitrag der Schweiz zur Verringerung des wirtschaftlichen und sozialen Gefälles in der erweiterten Europäischen Union.

4 Die Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit wurden somit in der Schweiz sowie in anderen Ländern an die neuen Verhältnisse der Oststaaten angepasst. Der Entwicklungshilfeausschuss der OECD (DAC) überarbeitete im Jahr 2005 auch die Liste der Empfängerländer öffentlicher Hilfe. Die ursprüngliche Zweiteilung der Liste in Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe (APD) und Empfängerländer öffentlicher Hilfe (AP) wurde abgeschafft ; die Liste besteht nur noch aus einem Teil. Weissrussland und die Ukraine wurden in die neue Liste der Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe aufgenommen. Die übrigen Länder, die in der Vergangenheit öffentliche Hilfe erhielten, (Bulgarien, Tschechische , Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Russland und Slowakei) erscheinen nicht mehr in den DAC-Statistiken. Mit dieser statistischen Vereinfachung wird unbemerkt ein neues Bild dieser Staaten vermittelt.

Neue internationale Schwergewichte : China und Indien

5 Seit kurzem steht das Aufkommen einiger „Länder des Südens“, die allgemein mit dem Begriff „BRIC“ (Brasilien, Russland, Indien, China) bezeichnet werden, im Rampenlicht. Falls ihr derzeitiges Wachstumstempo anhält, dürfte das kumulierte Bruttoinlandsprodukt dieser Länder in rund dreissig Jahren jenes der heutigen sechs grössten Volkswirtschaften (Vereinigte Staaten, Japan, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien) übertreffen. Die Wirtschaft der BRIC-Länder bleibt zwar instabil und ihr Markt volatil, doch nimmt das politische Gewicht dieser Staaten von Jahr zu Jahr zu. 2006 hat der Bundesrat spezifische Strategien für die Wirtschaftspolitik der Schweiz gegenüber den BRIC-Ländern verabschiedet. Das Einleitungskapitel des Berichts zur Aussenwirtschaftspolitik 20061 befasst sich mit der weltwirtschaftlichen Bedeutung der BRIC-Länder und mit den Implikationen für die Schweiz.

6 Das Aufkommen dieser neuen Wirtschaftsmächte hat auch Auswirkungen auf andere Entwicklungsregionen. Zur Veranschaulichung der Problematik versuchten Forscher der OECD, das Gewicht und den Einfluss Chinas und Indiens auf dem afrikanischen

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Kontinent zu messen : China und Indien würden wegen ihrer Grösse, wegen des sensationellen Wachstumstempos, des enormen Verbrauchs an natürlichen Ressourcen und der Zunahme ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht die Weltwirtschaft unweigerlich umgestalten und deren Spielregeln beeinflussen2. Die Studie zieht das Fazit, dass die afrikanischen Länder den wirtschaftlichen Sprung Chinas und Indiens nicht nur passiv miterleben, sondern auch aktiv daran teilnehmen. Die Wirtschaftsmacht der beiden asiatischen Riesen beeinflusst bereits heute die Wachstumsmuster in Afrika, besonders derjenigen Länder, die Erdöl und Grundstoffe exportieren. So drängt sich die Feststellung auf, dass bestimmte afrikanische Länder sich heute von ihren traditionellen OECD-Partnern abwenden und den beiden neuen Wirtschaftsmächten zuwenden. Das Handelsvolumen ist ein anschauliches Beispiel dafür :Der Handel zwischen China und dem afrikanischen Kontinent nahm zwischen 1980 und 2005 um das 50fache zu ; er stieg von 12,39 Milliarden Dollar im Jahr 2002 auf 40 Milliarden im Jahr 2005 und 50 Milliarden im Jahr 20063 an.

7 Das Forum China-Afrika, das im November 2006 in Peking tagte, hat diesen Bündniswechsel noch bestätigt. Nur wenige Medien berichteten über die Veranstaltung, obwohl 48 Staatschefs (von 53 afrikanischen Ländern) dem Appell des Präsidenten der Volksrepublik China, Hu Jintao, Folge leisteten. Wie ein Artikel der Zeitschrift L‘Hebdo festhält, sind diese Beziehungen nicht nur rein kommerzieller Art : Peking beabsichtige, zur Entwicklung des Schwarzen Kontinents beizutragen, und entsende Tausende von Arbeitnehmern und Entwicklungshelfern in allen Sektoren : Bauwesen (Strassen, Eisenbahn, Amtsbauten, Hotelanlagen, Mietsgebäude), Gesundheitswesen (Eröffnung von Krankenhäusern und Krankenstationen, Versorgung mit Generika, chinesische Medizin, Impfungen, Prävention von Aids und Malaria), kultureller Austausch (Tausende Stipendien für ein Studium in China, chinesische Kulturwochen in Afrika).4

8 Die neue Situation wirft zahlreiche Fragen auf : Wie wirkt sich die starke und rasch wachsende Nachfrage nach natürlichen Ressourcen (Rohstoffe und Erdöl) auf die Umwelt aus ? Wie beeinflussen die massiven Importe von Produkten Made in China die lokalen Märkte ? Wie lassen sich die Asymmetrie des neuen Handelsaustauschs und neue Abhängigkeiten bewältigen ? Auf welche Weise werden die ehemaligen Kolonialmetropolen ihr Angebot und ihre Haltung gegenüber den afrikanischen Ländern überprüfen ? Wie wird garantiert, dass die neuen Konzepte und Praktiken der Entwicklungszusammenarbeit, die im Rahmen des DAC eingeführt wurden (Erklärung von Rom über die Harmonisierung der Hilfe, Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Hilfe), in diesem neuen Kontext ihre Gültigkeit behalten können ? Dies sind einige der wichtigsten Fragen, vor denen die traditionellen Akteure der Entwicklungszusammenarbeit stehen.

9 Auf einer anderen Ebene geht es jetzt nachstehend um die Probleme der schweizerischen Entwicklungspolitik.

Schweizerische Entwicklungszusammenarbeit : politische Termine im Jahr 2007

10 2007 ist für die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz ein entscheidendes Jahr. Die Entwicklungszusammenarbeit geniesst zwar einen guten Ruf und besitzt in der Schweizer Bevölkerung grossen Rückhalt, wurde aber in den letzten Jahren von den

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konservativen Kreisen heftig unter Beschuss genommen. Diese Kreise sind darauf aus, der Entwicklungszusammenarbeit „die Flügel zu stutzen“, indem sie versuchen, die Finanzierung zu reduzieren und mit technischen Argumenten die Funktionsweise zu diskreditieren.

11 2007 muss das Parlament in einem angespannten politischen Klima den Finanzrahmen für die öffentliche Entwicklungshilfe (APD) der nächsten vier bis fünf Jahre festlegen. Im Laufe des Jahres 2007 müssen nämlich fünf neue Rahmenkredite für folgende Bereiche genehmigt werden : humanitäre Hilfe, Globaler Umweltfonds (GEF), Zusammenarbeit in Osteuropa, wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen (SECO), technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe für die Länder des Südens (DEZA). Zu dieser finanziellen Dimension kommen noch die politischen Auswirkungen hinzu, die von dem im Dezember 2006 veröffentlichten Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates unweigerlich aufgeworfen werden5.

12 Die parlamentarischen Beratungen im Jahr 2007 über die Zuweisung der Beträge für die Entwicklungszusammenarbeit sind aus der Warte der nationalen Politik wichtig. Sie werden Hinweise auf die unterschiedlichen Positionen zu diesem Kapitel der Aussenpolitik der Schweiz und Aufschluss über den Willen zum schweizerischen Engagement in der internationalen Zusammenarbeit geben. Die Schweiz bringt 0,44 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für die öffentliche Entwicklungshilfe auf und liegt damit unter den 22 DAC-Ländern an elfter Stelle. Die Verbesserung dieses Prozentsatzes geht zwar auf eine neue Verbuchung des Aggregats der öffentlichen Entwickungshilfe zurück, jedoch ist auch zu erwähnen, dass viele Länder diese vom DAC festgelegte Definition frei auslegen.

13 Das finanzielle Engagement eines Staates entgeht der Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft nicht. Deshalb steht hier das „Image“ der Schweiz auf dem Spiel. Die Industrieländer, die den Löwenanteil der Finanzierung der öffentlichen Entwickungshilfe bestreiten, legen Wert auf eine gerechte Aufteilung. Gerechtigkeit setzt jedoch voraus, dass die reichsten Länder sich stärker als die anderen engagieren. In dieser Hinsicht hat die Schweiz angesichts ihres Lebensstandards offensichtlich noch einige Anstrengungen zu leisten.

Vertiefung der Thematik der Entwicklungsfinanzierung : Dossier des Jahrbuchs 2007

14 Die Frage der Entwicklungsfinanzierung steht im Mittelpunkt der Diskussionen über die internationale Zusammenarbeit. Das Konzept wird indes zu häufig einschränkend als öffentliche Entwicklungshilfe (APD) ausgelegt – eine Teilsicht, da diese Hilfsflüsse im Vergleich zu anderen internationalen Finanzflüssen, die sich ebenfalls auf die Entwicklung auswirken, zum Beispiel Auslandsinvestitionen, oft lächerlich gering sind. Die Beträge öffentlicher Entwicklungshilfe (108 Milliarden Dollar im Jahr 2005) müssen auch gegenüber den Geldüberweisungen der Migranten in die Heimat relativiert werden, die gemäss der Internationalen Organisation für Migration (IMO) 2005 insgesamt rund 167 Milliarden Dollar betrugen.

15 Ein Erfolg der Konferenz von Monterrey im Jahr 2002 bestand darin, dass ein globaler Aktionsplan erstellt wurde, der die wichtigsten Finanzierungsquellen für die

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Entwicklung offenlegte. Die Konferenz stellte fest – ohne die Bedeutung der öffentlichen Entwicklungshilfe herunterzuspielen –, dass auch die massivste Aussenhilfe niemals die grundlegenden Reformen ersetzen kann, die die Volkswirtschaften brauchen. Als wichtigster Durchbruch der Konferenz von Monterrey gilt, dass die Finanzierung der Entwicklung mit der Identifizierung von sechs komplementären Handlungsbereichen nun breiter gesehen wird. Die öffentliche Entwicklungshilfe, die weiterhin einen Tragpfeiler der Entwicklungszusammenarbeit bildet, wird ergänzt durch die Mobilisierung nationaler Ressourcen, innovative Finanzierungsmechanismen (z.B. neue Abgaben auf Kerosin, Flugtickets oder Waffen), Auslandsinvestitionen, die Schuldenfrage (und mithin die Entschuldung) und den internationalen Handel. So wird fünf Jahre nach der Konferenz von Monterrey das nächste Dossier des Jahrbuchs, das im Herbst 2007 erscheint, die Initiativen und Fortschritte in diesem Bereich umreissen.

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16 Ein herzlicher Dank des Redaktionskomitees geht an die Autorinnen und Autoren der im vorliegenden Band Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik veröffentlichten Texte sowie an die zahlreichen Spezialisten bei den Bundesbehörden, den Entwicklungs-NRO und Akademikerkreisen, welche durch ihre kritische Überprüfung und ihre wertvollen Ratschläge unserer Publikation zu ihrer Seriosität verholfen haben. Unser Dank geht auch an all jene, die zur Gestaltung, Realisierung und Übersetzung des Werks beigetragen haben. Auf ihrer Kompetenz und ihrem Engagement beruht die Zuverlässigkeit dieses Nachschlagewerks.

NOTES

1. Bundesrat, Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2006 vom 10 Januar 2007 (BBl 2007 897). 2. A. Golstein, N. Pinaud, H. Reisen und X. Chen, L’essor de la Chine et de l’Inde. Quels enjeux pour l’Afrique ?, Etudes du Centre de développement, Paris, OCDE, 2006. 3. „Comment la Chine a conquis les Africains“, L’Hebdo, 25. Januar 2007. 4. Ibid. 5. Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Kohärenz und strategische Führung der Aktivitäten der DEZA, 8. Dezember 2006.

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AUTHOR

CATHERINE SCHÜMPERLI YOUNOSSIAN Redaktionsleiterin Lehr- und Forschungsbeauftragte am Institut universitaire d’études du développement

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1. Teil : Fakten Jahresübersicht 2006

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1. Aussenpolitik

Xavier Tschumi Canosa

1.1. Die Schweiz und die UNO

1.1.1. Prozess der UNO-Reform

1 Der Prozess der UNO-Reform wurde 1997 vom damaligen Generalsekretär Kofi Annan eingeleitet. Die Reformen, deren Umsetzung in den Kompetenzbereich des Generalsekretärs fällt, waren 2006 weitgehend abgeschlossen. Anders verhält es sich dagegen mit den Reformen, die einen Beschluss der Mitgliedsstaaten der UNO erfordern : Diese Reformen sind institutioneller Natur und betreffen hauptsächlich die Arbeitsweise der zentralen UN-Organe, vor allem die Generalversammlung, den Sicherheitsrat und den Wirtschafts- und Sozialrat.

Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 1, 1.3.1. Reformen in den Vereinten Nationen, S. 8-10.

2 Der Bericht des UN-Generalsekretärs, In grösserer Freiheit1, fasst die Ziele zusammen, die dieser im Zuge des Reformprozesses erreichen will (Teil V : „Stärkung der Vereinten Nationen“). In seinem letzten Jahresbericht über die Tätigkeiten der UNO vor der Amtsübergabe an den Südkoreaner Ban Ki-Moon am 1. Januar 2007 kam Kofi Annan noch einmal auf den Reformprozess zu sprechen, den er zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit gemacht hatte2.

Reform des Sicherheitsrates

3 Von allen laufenden Reformen ist jene des Sicherheitsrates von zentraler Bedeutung. Zwar sind die meisten Mitgliedsstaaten der UNO von der Notwendigkeit dieser Reform überzeugt, jedoch ist es ihnen bislang nicht gelungen, eine gemeinsame Handlungsgrundlage für die Modalitäten zu finden. Die Reform betrifft zwei klar voneinander abgegrenzte Aspekte, nämlich einerseits die Zusammensetzung des Sicherheitsrates, deren Neugestaltung eine Änderung der Charta der Vereinten Nationen erfordern würde, und andererseits die Arbeitsmethoden des Rates, die

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abhängig vom politischen Willen der Mitgliedsstaaten der UNO relativ zügig reformiert werden könnten.

4 Die Schweiz teilt die Auffassung der Mehrheit, wonach eine Reform des Sicherheitsrates notwendig ist. Aus pragmatischen Gründen hat sie sich in erster Linie mit den Arbeitsmethoden des Rates befasst und im Hinblick auf die 60. Tagung der Generalversammlung einen Resolutionsentwurf eingereicht3.

5 Der Entwurf nennt drei aus Schweizer Sicht wichtige Themen. Das erste ist der Gebrauch des Vetorechts innerhalb des Sicherheitsrates. Es sei nicht annehmbar, dass die Organisation durch den Gebrauch des Vetorechts – oder die Drohung, davon Gebrauch zu machen – in Fällen von Völkermord, bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder in schweren Krisen, die ein entschlossenes Vorgehen der Völkergemeinschaft erfordern, gelähmt werde4. Aus diesem Grund wird sich die Schweiz bei einer wie auch immer gearteten Erweiterung des Sicherheitsrates der Vergabe neuer Vetorechte widersetzen. Das zweite für die Schweiz wichtige Thema ist die Verbesserung der Arbeitsweise der Subsidiärorgane des Sicherheitsrates und insbesondere der Sanktionsausschüsse. Nur zu oft fällten diese Ausschüsse ihre Entscheidungen erst spät – teilweise sogar erst nach Jahren – und teilten diese den betroffenen Staaten nicht oder in nicht gebührender Form mit5. Der dritte Aspekt bezieht sich auf die Erstellung von Listen mit Personen oder Einheiten, gegen die Sanktionen verhängt werden. Es müsse ein angemessener Überprüfungsmechanismus geschaffen werden, der es jenen, die behaupten, fälschlicherweise auf diese Liste gesetzt worden zu sein, erlaubt, ihren Standpunkt geltend zu machen6.

6 Die Schweiz hat den Entwurf im Plenum eingebracht, da sie der Auffassung ist, eine Resolution der Generalversammlung könne massgeblich zu dieser Entwicklung beitragen, indem sie Klarheit schaffe und die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitgliedsländer an den Rat deutlich zum Ausdruck bringe7. Der Resolutionsentwurf wurde im Juli 2006 zusammen mit weiteren Vorschlägen zur Reform des Sicherheitsrates geprüft. Allerdings konnten sich die Delegationen nicht auf eine gemeinsame Sichtweise einigen, sondern schlugen fünf verschiedene Reformmodelle vor8.

7 Die Divergenzen wurden in die 61. Tagung der Generalversammlung hineingetragen, die am 12. September 2006 eröffnet wurde. Den teilnehmenden Delegationen ist es bisher nicht gelungen, einen Konsens zur Reform des Sicherheitsrates zu finden. Am 11. und 12. Dezember 2006 verharrten die Mitgliedsländer auf ihren Positionen, und weder der von der Schweiz unterstützte Resolutionsentwurf, noch andere Vorschläge kamen durch. Allerdings zeigte sich die Vorsitzende der Generalversammlung relativ optimistisch, dass 2007 ein bedeutender Durchbruch erzielt werden könne9.

8 Zu Beginn des Jahres 2006 hatte der Bundesrat übrigens in einem Bericht festgehalten, dass eine eventuelle Schweizer Kandidatur für den UN-Sicherheitsrat in nächster Zeit nicht vorgesehen sei10. Dennoch hob Bundesrätin Micheline Calmy-Rey in ihrer Eröffnungsansprache zur jährlichen Botschafterkonferenz vom August 2006 öffentlich die Vorteile eines Sitzes im Sicherheitsrat hervor (siehe unten Punkt 1.3.1).

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1.1.2. Politik der Schweiz als Gaststaat internationaler Organisationen und Konferenzen

9 Die Gaststaatpolitik, das heisst die Aufnahme von internationalen Organisationen und Konferenzen auf dem Hoheitsgebiet der Eidgenossenschaft, ist ein traditionelles und wichtiges Instrument der schweizerischen Aussenpolitik, dessen Bedeutung allerdings oft unterschätzt wird. Diese Politik konzentriert sich auf gewisse Schwerpunktbereiche, in denen die Schweiz – insbesondere das internationale Genf – den Organisationen, die sich hier niederlassen wollen, entscheidende Vorteile bieten kann. Dabei handelt es sich um die Bereiche Friede, Sicherheit und Abrüstung ; humanitäre Fragen und Menschenrechte ; Gesundheit ; Arbeit, Wirtschaft, Handel und Wissenschaft, nachhaltige Entwicklung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen.

10 Ziel dieser Politik ist es, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, und zwar sowohl in materieller Hinsicht (Infrastruktur, einschliesslich Bau und Unterhalt von Gebäuden, Sicherheit von Anlagen entsprechend den Anforderungen des Völkerrechts), als auch in immaterieller Hinsicht. Zu den immateriellen Rahmenbedingungen gehören neben den diplomatischen, kulturellen und wissenschaftlichen Veranstaltungen, welche die Schweiz aufnehmen kann, vor allem auch die Rechtsgrundlagen der Gaststaatpolitik. Diese werden durch verschiedene Gesetzestexte gewährleistet. Um die Gaststaatpolitik der Schweiz transparenter und berechenbarer zu gestalten, hat der Bundesrat am 13. September 2006 eine Botschaft zum Gaststaatgesetz (GStG) vorgelegt, nachdem ein entsprechendes Vernehmlassungsverfahren gezeigt hatte, dass die Zusammenführung der verschiedenen gesetzgeberischen Bestimmungen in einem einzigen Bundesgesetz mehrheitlich befürwortet wird11. Der mit der Botschaft vorgelegte Gesetzesentwurf muss nun in beiden Kammern des Parlaments behandelt werden. Anfang Januar 2007 hat die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats beschlossen, auf die Vorlage einzutreten.

1.1.3. Schweizer Kandidaturen für durch Wahl bestimmte Posten im UN-System

11 Ein Anliegen der schweizerischen Aussenpolitik sind Schweizer Kandidaturen für durch Wahl bestimmte Ämter innerhalb des UN-Systems und allgemein die Förderung von Schweizer Bewerbungen für Beamtenstellen in multilateralen Organisationen. Bezüglich der durch Wahl zu besetzenden Posten hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) im Juni 2004 eine Datenbank namens EDA-IO- Vote erstellt. In dieser Datenbank werden die Kandidaturen und die Wahlen für alle seither frei gewordenen Stellen in der UNO erfasst. Sobald eine solche durch Wahl zu bestimmende Position frei wird, werden diese Daten analysiert, um zu „entscheiden, ob eine Schweizer Kandidatur angemeldet oder ob im konkreten Fall die Kandidatur eines anderen Mitgliedsstaates unterstützt werden soll“12, welcher im Gegenzug eine künftige Schweizer Kandidatur unterstützen könnte.

12 Allerdings beruhen die Kriterien für die Wahl in diese Positionen nicht ausschliesslich auf der Qualität der beruflichen Profile der Bewerberinnen und Bewerber und auf der Stimmenarithmetik. Ein Beispiel dafür, dass politische Überlegungen dabei eine zuweilen gewichtige Rolle spielen können, ist die Wahl für die Direktion des Welternährungsprogramms (WFP). Der Direktor der Direktion für Entwicklung und

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Zusammenarbeit (DEZA), Walter Fust, verlor die Wahl an die amerikanische Bewerberin Josette Sheeran, obwohl er als Favorit gehandelt wurde. In einem Interview erklärte er, man habe ihm zu verstehen gegeben, das Auswahlverfahren sei frei von politischem Kalkül, und schliesslich habe man feststellen müssen, dass das Gegenteil der Fall sei13.

1.1.4. Die Schweiz und die UNO : Jahresbilanz 2005 und Schwerpunkte für 2006-2007

13 Der Millennium+5-Gipfel (14.-16. September 2005) und das 60-Jahr-Jubiläum der Weltorganisation waren für die UNO – somit auch für alle Mitgliedsstaaten, darunter die Schweiz – die prägenden Ereignisse des Jahres 2005. Im Bericht 2006 über das Verhältnis der Schweiz zur UNO zieht der Bundesrat eine dieser Ereignisse und fasst die eingeleiteten Folgemassnahmen zusammen14. Der Bundesrat betrachtet das Schlussdokument des Millennium+5-Gipfels als relativ zufriedenstellend. Einige Entscheidungen oder Bestimmungen entsprechen weitgehend den Erwartungen der Schweiz, wie beispielsweise der Beschluss, zwei neue Organe (den Menschenrechtsrat und die Friedenskonsolidierungskommission) im UN-System einzusetzen. Hingegen bedauert die Schweiz, dass gewisse Kapitel (z.B. über Abrüstung und Nichtweitergabe) ersatzlos aus der endgültigen Fassung der Erklärung gestrichen wurden, oder aber aufgrund der weitreichenden Divergenzen unter den Staaten verwässert wurden (namentlich der Abschnitt „Friede und kollektive Sicherheit“).

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 1, 1.1.3. Weltgipfel 2005, S. 7-8 ; Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 9, 9.4. UN-Menschenrechtsrat,Kapitel 11, 11.1.1.Friedenskonsolidierungskommission der Vereinten Nationen.

14 Ebenfalls zufriedenstellend aus Schweizer Sicht ist, dass das Schlussdokument Verhandlungsspielraum für gewisse Themen beliess, die der Schweiz am Herzen liegen und für die sie sich bereits im Vorfeld des Gipfels eingesetzt hatte. Das wichtigste Thema betrifft den UN-Sicherheitsrat, insbesondere seine Zusammensetzung und die Arbeitsmethoden (siehe oben Punkt 1.1.1.).

Prioritäten der Schweiz für die 61. Tagung der Generalversammlung

15 Für die 61. Tagung der UN-Generalversammlung hat sich die Schweiz sieben Schwerpunkte gesetzt, die allesamt einen mehr oder weniger starken Bezug zur laufenden Reform der UNO aufweisen15 : • Menschenrechtsrat : Aktive Beteiligung an den Arbeiten im Geiste der Zusammenarbeit. Bereitstellung geeigneter Arbeitsbedingungen in Übereinstimmung mit der Gaststaatpolitik. • Sicherheitsrat : Fortsetzung der Gespräche über den Resolutionsentwurf zur Reform der Arbeitsmethoden. • Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) : Engagement zugunsten der laufenden Reform. Integration in das Rotationsschema für durch Wahl zu besetzende Posten. Beibehaltung von Genf und New York als abwechselnde Tagungsorte. • Generalversammlung : Unterstützung des laufenden Revitalisierungsprozesses. Verstärkung der Zusammenarbeit mit den anderen UN-Organen, insbesondere mit dem Sicherheitsrat. • Management und interne Aufsicht der UNO : Überprüfung des adäquaten Einsatzes der finanziellen Mittel und der Ergebnisse der beschlossenen Massnahmen.

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• Operationelle Tätigkeit und institutionelle Kohärenz : Beitrag zur Stärkung der operationellen Tätigkeit der UNO und der institutionellen Kohärenz in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Umwelt und humanitäre Fragen. • Nachhaltige Entwicklung : Unterstützung bei der Umsetzung der internationalen Agenda zur nachhaltigen Entwicklung (Umweltgouvernanz, weltweiter Kampf gegen HIV/Aids, Dialog über internationale Migration).

1.2. „Europabericht 2006“

16 Am 28. Juni 2006 hat der Bundesrat seinen Europabericht 200616 verabschiedet. Im Oktober 2005 hatte er der Bundesverwaltung das Mandat zur Ausarbeitung dieses Berichts erteilt, der sämtliche Instrumente aufführen sollte, mit denen die Interessen der Schweiz im Rahmen ihrer Europapolitik bestmöglich gewahrt werden können.

17 Die Europapolitik ist ein wesentlicher Bestandteil der schweizerischen Aussenpolitik, deren oberstes Ziel es ist, die Interessen des Landes zu wahren. Diese Interessen können einerseits materieller Art sein und die laufende Verbesserung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) erforderlich machen. Dies wurde bislang anhand der bilateralen Abkommen erreicht. Andererseits vertreten sowohl die Schweiz als auch Europa gewisse gemeinsame Werte, namentlich die Rechtsförderung (Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit) oder die nachhaltige Entwicklung. Die schweizerische Europapolitik ist von diesen Werten geprägt. Indem sie für diese Werte eintritt, wird die Schweiz ihrer Verantwortung gegenüber Europa gerecht, mit dem sie eine Schicksalsgemeinschaft bildet.

18 Auf die Frage nach dem Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union geht der Europabericht 2006 nicht ein : „Die Ausgangsfrage ist weniger : ,Will die Schweiz Mitglied der EU sein oder nicht ?‘ Die zentrale Frage heisst vielmehr : ‚Auf welche Weise und mit welchen Instrumenten erreicht sie die fundamentalen Staatsziele und die Ziele der Aussenpolitik am besten ?‘“17

19 Als Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage dient der Grundsatz, wonach die Beziehungen der Schweiz zur EU so ausgestaltet werden müssen, dass die Interessen des Landes jederzeit optimal gewahrt bleiben. Dies bedingt für die Schweiz eine dynamische Beurteilung ihrer Interessen (die Interessen von heute sind nicht zwangsläufig jene von morgen) und der Instrumente, die ihr zur Interessenwahrung zur Verfügung stehen. In diesem Sinne ist die europäische Integration der Schweiz nicht als Selbstzweck, sondern als Prozess zu verstehen.

20 Der Europabericht 2006 gelangt zum Schluss, dass mit dem heute bestehenden Vertragswerk zwischen der Schweiz und der EU die Ziele der Eidgenossenschaft erreicht werden können, vorausgesetzt, dieses Vertragswerk wird an die sich laufend verändernden Anforderungen angepasst.

21 In Anbetracht dessen, dass sich die Europäische Union auf weitere Staaten ausdehnen wird, insbesondere auf osteuropäische Länder, die früher Partner im Rahmen von Programmen der Entwicklungszusammenarbeit waren, weist der Europabericht 2006 ferner darauf hin, dass die schweizerische Europapolitik der Solidarität mit diesen Ländern, wie auch der Mitverantwortung der Schweiz an der Stabilität und Wohlfahrt Europas Rechnung tragen muss.

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Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 3, 3.2. Beitrag der Schweiz zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten in der erweiterten Europäischen Union.

1.3. Weitere Themen der schweizerischen Aussenpolitik

1.3.1. Jährliche Botschafterkonferenz (Bern, 21.-24. August 2006)

22 Vom 21. bis 24. August 2006 fand in Bern die jährliche Botschafterkonferenz statt. Sie bietet allen Teilnehmern Gelegenheit, „gemeinsam zu überlegen, wie die Schweiz ihre Aussenpolitik gestalten soll“18. In ihrer Eröffnungsansprache plädierte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey für eine Einflusspolitik, die sich auf die Macht des Rechts und die Neutralität stützt und der Position der Schweiz als von EU-Mitgliedern umgebenes Land Rechnung trägt.

23 Im Bereich des Völkerrechts und der internationalen Gouvernanz kann die helvetische Diplomatie zwar einige Erfolge verbuchen, namentlich mit der Schaffung des Menschenrechtsrates und der Einführung eines zusätzlichen Emblems für die Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, jedoch ist sich die Schweiz auch bewusst, dass sie ihre aussenpolitischen Bemühungen fortsetzen muss, damit die internationalen Beziehungen vermehrt dem Recht unterstellt werden. Zur Erreichung dieses Ziels ist laut Auffassung der Bundesrätin eine Reform des Sicherheitsrates nötig, die sowohl auf die Zusammensetzung als auch auf die Arbeitsmethoden des Rates abzielt (siehe oben Punkt 1.1.1.). In diesem Zusammenhang erwähnte Micheline Calmy-Rey die Vorteile, die sich für die Schweiz aus einer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat ergeben könnten : Stärkung des Gewichts und der Kompetenzen des EDA, namentlich seines Aussennetzes, Verbesserung der Beschlussfähigkeit innerhalb der Bundesverwaltung sowie die Gelegenheit, sich auf internationaler Ebene zu profilieren.

24 Diese Ausführungen liessen die Neutralitätsdebatte im Inland prompt neu aufflammen, nachdem die Bundesrätin bereits einige Wochen zuvor mit ihrer Stellungnahme zum Krieg im Libanon für Gesprächsstoff gesorgt hatte. Der Bundesrat selbst ist in dieser polemischen Frage gespalten und beauftragte das EDA, einen Bericht zur Neutralität zu erarbeiten.

25 Die Schweizerische Volkspartei (SVP) erklärte, eine Kandidatur der Schweiz für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat sei mit der helvetischen Neutralität unvereinbar. Seinerseits vertritt Peter Maurer, Leiter der Ständigen Mission der Schweiz bei den Vereinten Nationen, die Ansicht, dass es zwischen einem solchen Engagement und der Neutralität keinen Widerspruch gebe.

Jahrbuch 2006, Nr. 2 (Dossier Frieden und Sicherheit : Herausforderungen für die internationale Zusammenarbeit), Xavier Tschumi Canosa, „Schweizerische Sicherheits- und Friedenspolitik : Strategierahmen und Aussagen der Akteure“, S. 151-169, siehe S. 152-154.

26 Neben ihrem Eintreten für das Recht und für eine aktive Konzeption der Neutralität kam die Bundesrätin in ihrer Ansprache auch auf die Europafrage zu sprechen : „Durch ihre Existenz schlechthin, durch die Rolle, die sie auf dem europäischen Kontinent

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wahrnimmt, schützt die EU die Schweiz. Sie liefert die Voraussetzungen für unseren Frieden und Wohlstand.“19 Diese Feststellung wird für die Aussenpolitik der Schweiz zur Herausforderung, zumal die EU ihrerseits ihre Aufmerksamkeit auf die Beitrittskandidaten oder künftigen EU-Mitgliedsstaaten in Osteuropa richtet.

1.3.2. Schweizerische Aussenpolitik betreffend die Entwicklungsländer

27 Auch wenn die Agenda der schweizerischen Aussenpolitik zweifellos von der UNO und Europa dominiert wird, nehmen die Entwicklungsländer – neben dem vom Schweizerischen Jahrbuch für Entwicklungspolitik erfassten, breiten entwicklungspolitischen Bereich – ebenfalls eine wichtige Stellung ein. Das beweisen die Staatsbesuche, die Bundesrätin Micheline Calmy-Rey diesen Ländern abstattet. Obwohl diese Besuche häufig mehrere Ziele verfolgen, verdeutlichen sie eine Komponente der Schweizer Aussenpolitik, die auf dem Bilateralismus beruht.

28 In diesem Zusammenhang kommen die Einhaltung der Menschenrechte oder die Rolle der Guten Dienste der Schweiz regelmässig zur Sprache. So wurde beispielsweise im Februar 2006 anlässlich des Besuchs des chinesischen Aussenministers Li Zhaoxing in der Schweiz die Menschenrechtssituation ohne Tabu erörtert20. Diese Offenheit ist namentlich dem seit 1991 gepflegten politischen Dialog zwischen den beiden Ländern zu verdanken. Bei ihrem Besuch in China im Oktober 2006 liess es sich die Bundesrätin nicht nehmen, die Tibetfrage anzusprechen – ein Thema, das sie übrigens bei jeder sich bietenden Gelegenheit anschneidet. Dies zeigt, dass mit China auch über sensibelste Fragen diskutiert werden kann21.

29 Ein weiteres Beispiel für diese Dialogbereitschaft ist der Besuch der Bundes rätin in Aserbaidschan vom Februar 2006, bei dem auch das Thema Berg-Karabach zur Sprache kam22. Frau Calmy-Rey bekräftigte die Position der Schweiz, welche die 1992 im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gegründete Minsker Gruppe unterstützt, deren Aufgabe es ist, einen politischen Ausweg aus dem Konflikt um diese abtrünnige Republik zu finden. Anlässlich ihres Besuchs machte die Bundesrätin deutlich, die Schweiz sei jederzeit bereit, den direkten Kontakt zwischen Aserbaidschan und Armenien zu erleichtern. Im Juni 2006 stattete Micheline Calmy-Rey auch Armenien einen Besuch ab, der unter anderem ebenfalls das Ziel verfolgte, den Weg für eine Lösung des Konflikts zu ebnen.

30 In der Vergangenheit hatte die Schweiz im Rahmen der Guten Dienste bereits mehrere Treffen zwischen den Präsidenten der beiden Länder organisiert, ohne sich jedoch als aktive Vermittlerin in der Sache zu beteiligen.

BIBLIOGRAPHY

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QUELLEN

Bundesrat, Bericht 2006 über das Verhältnis der Schweiz zur UNO und zu den internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz vom 31. Mai 2006 (BBl 2006 5635).

Bundesrat, Europabericht 2006 vom 28. Juni 2006 (BBl 2006 6815).

Schwok, René, Suisse – Union européenne. L’adhésion impossible ?, coll. Le Savoir suisse, Nr. 35, Lausanne, Presses polytechniques et universitaires romandes, 2006, 144 S., http:// www.lesavoirsuisse.ch.

INTERNET-ADRESSEN

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) : http://www.eda.admin.ch.

Integrationsbüro EDA/EVD : http://www.europa.admin.ch.

Sicherheitsrat der Vereinten Nationen : http://www.un.org/Docs/sc/.

Ständige Vertretung der Schweiz bei den Vereinten Nationen : http://www.eda.admin.ch >Themen >Internationale Organisationen >Vereinte Nationen >Missionen der Schweiz >Mission New York.

NOTES

1. Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zuhanden der Generalversammlung anlässlich des Weltgipfels vom September 2005, In größerer Freiheit : Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle, Dokument A/59/2005,New York, 21. März 2005, http:// www.unis.unvienna.org/pdf/a-59-2005-ger.pdf. 2. Vereinte Nationen, Bericht des Generalsekretärs über die Tätigkeit der Vereinten Nationen, A/61/1, New York, 2006, S. 36-44. 3. Costa Rica, Jordan, Liechtenstein, Singapore and : Draft Resolution. Improving the Working Methods of the Security Council, 60th Session of the General Assembly, Agenda item 120, Document A/60/L.49, 17. März 2006. 4. Statement by H.E. Mr. Peter Maurer, Permanent Representative of Switzerland to the United Nations. 60th session of the General Assembly, Reform of the Security Council (Agenda items 117 & 120), New York, 20. Juli 2006, S. 7. 5. Ibid., S. 8. 6. Ibid. Siehe dazu auch die aufschlussreiche Diskussion zwischen Ständerat Dick Marty und Bundesrätin Micheline Calmy-Rey im Anschluss an die von Ständerat Marty eingereichte Interpellation (05.3697 – Interpellation. Verletzung der Menschenrechte unter dem Schutz der Uno mit Beihilfe der Schweiz ?, eingereicht von Dick Marty am 7. Oktober 2005). 7. Statement by H.E. Mr. Peter Maurer, Permanent Representative of Switzerland to the United Nations, 60th session of the General Assembly, Open-Ended Working Group on the question of equitable representation on and increase in the Membership of the Security Council and related matters, New York, 20. April 2006. 8. General Assembly, „General Assembly resumes debate on Security Council reform, with several divergent proposals still under consideration“, Plenary, 94th & 95th Meetings, Press Release, Document GA/10484, New York, 20. Juli 2006. 9. „Press Conference by the President of General Assembly, Sheikha Haya Rashed al Khalifa“, 21. Dezember 2006, Press Release.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 19

10. Bundesrat, Bericht 2006 über das Verhältnis der Schweiz zur UNO und zu den internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz vom 31. Mai 2006 (BBl 2006 5635). 11. Bundesrat, Botschaft zum Bundesgesetz über die von der Schweiz als Gaststaat gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge (Gaststaatgesetz, GStG) vom 13. September 2006 (BBl 2006 8017). 12. Bundesrat, Bericht 2006 über das Verhältnis der Schweiz zur UNO, op. cit., S. 5679. 13. „Questions à Walter Fust, patron de la Direction du développement et de la coopération (DDC)“, Le Temps, 9. November 2006. 14. Bundesrat, Bericht 2006 über das Verhältnis der Schweiz zur UNO, op. cit. 15. Ibid., S. 5687. 16. Bundesrat, Europabericht 2006 vom 28. Juni 2006 (BBl 2006 6815). 17. Ibid., S. 6982. 18. Micheline Calmy-Rey, Machtpolitik – Einflusspolitik : Möglichkeiten und Grenzen einer Einflusspolitik, Bern, 21. August 2006, S. 14. 19. Ibid., S. 9. 20. „Li Zhaoxing a défendu la politique de son pays“, Le Courrier, 3. Februar 2006. 21. Swissinfo, La Chine s’intéresse toujours à la Suisse, 30. Oktober 2006. 22. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan erheben Anspruch auf die abtrünnige, international nicht anerkannte Republik Berg-Karabach. Die bewaffneten Auseinandersetzungen wurden zwar 1994 beigelegt, aber eine politische Lösung dieser Frage lässt noch immer auf sich warten.

ABSTRACTS

Die Schweiz hat sich massgeblich im Prozess der UNO-Reform engagiert, der 1997 vom damaligen Generalsekretär Kofi Annan lanciert worden war, insbesondere in der Reform betreffend die Zusammensetzung und die Arbeitsmethoden des Sicherheitsrates. Die Debatte in der UN- Generalversammlung über einen entsprechenden Resolutionsentwurf, an dessen Erarbeitung sich die Schweiz beteiligt hatte, war 2006 noch im Gang. Im Juni 2006 hat der Bundesrat den „Europabericht 2006“ verabschiedet. Dieser erörtert die Instrumente der schweizerischen Europapolitik, welche am ehesten geeignet sind, die Interessen der Schweiz jederzeit zu wahren. Die Volksabstimmung vom 26. November 2006 über den Beitrag der Schweiz an die neuen EU- Mitgliedsländer hat einmal mehr gezeigt, dass die Frage nach dem Platz der Schweiz in Europa ein beherrschendes Thema der Aussenpolitik des Landes ist. Die schweizerische Aussenpolitik gegenüber den Entwicklungsländern beruht im Wesentlichen auf dem– zuweilen seit Jahren gepflegten – bilateralen politischen Dialog mit den einzelnen Ländern. Im Mittelpunkt dieses Dialogs steht häufig die Menschenrechtssituation in den betreffenden Ländern, so auch im Fall Chinas, das Bundesrätin Micheline Calmy-Rey im Oktober 2006 besuchte.

AUTHOR

XAVIER TSCHUMI CANOSA Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IUED.

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2. Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern

Gérard Perroulaz

2.1. Entwicklungshilfeausschuss der OECD

1 DerEntwicklungshilfeausschuss (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) ist das Hauptorgan, in dessen Rahmen die Entwicklungshilfeagenturen der Mitgliedsstaaten ihre Aktivitäten koordinieren. Ziele des DAC sind vor allem die Harmonisierung der Aktionen der Mitgliedsländer, das Eintreten für eine Steigerung der öffentlichen Entwicklungshilfe sowie die Verbesserung der Wirksamkeit der Hilfe. In den letzten Jahren befassten sich die Arbeiten des DAC vor allem mit den „Entwicklungspartnerschaften“, den Millenniums- Entwicklungszielen und der Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Hilfe1.

2 Das DAC veröffentlicht alljährlich Statistiken zu den Finanzflüssen in die Entwicklungsländer und zur öffentlichen Entwicklungshilfe der Mitgliedsstaaten. Der Ausschuss passt, gemäss einem festgesetzten Verfahren und auf Konsensbasis periodisch die Richtlinien für die Berechnung und Verbuchung der verschiedenen Instrumente und Massnahmen an, die im Aggregat der öffentlichen Entwicklungshilfe aufgeführt werden können. Die Überprüfung der Politik der Entwicklungszusammenarbeit durch gleichrangige Partner (Peer Review) ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der DAC-Tätigkeit. Die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz wurde im Jahr 2005 überprüft2.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 2, 2.2.1. Memorandum der Schweiz an das DAC, 2004, und 2.2.2. Bericht zur Prüfung der Schweiz durch das DAC, S. 25-29.

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2.1.1. Förderung guter institutioneller Praktiken füreine verbesserte Politikkohärenz

3 Die Bedeutung einer besseren Kohärenz der Politiken der Länder des Nordens gegenüber den Entwicklungsländern wurde vom DAC seit Anfang der 90er Jahre hervorgehoben. Die Mitglieder des Entwicklungshilfeausschusses haben sich verpflichtet, die Folgen ihrer Innen-und Aussenpolitik auf die Länder des Südens und Ostens stärker zu berücksichtigen.

4 Die DAC-Leitlinien zur Armutsbekämpfung bildeten eine Reflexionsgrundlage für die Festsetzung der Komponenten einer besseren Politikkohärenz3. Die periodischen Überprüfungen des DAC befassen sich regelmässig mit der Berücksichtigung von „Kohärenz im Dienst der Entwicklung“. In Prüfungen jüngeren Datums wurden eine Reihe von Kohärenzproblemen aufgeworfen. Dabei handelt es sich insbesondere um Agrarpolitik, Lieferbindung der Hilfe, Waffenausfuhren, Korruption, Exportkredite, Fischereipolitik, Schutz der geistigen Eigentumsrechte, Investitionspolitik, Migrations- und Flüchtlingspolitik, Geldwäscherei und Kapitalflucht, Handelspolitk sowie Einfuhrschranken für Produkte aus Entwicklungsländern.

5 Aufgrund der Lehren aus den Peer Reviews und Workshops zu dieser Thematik veröffentlichte die OECD 2005 eine Analyse der institutionellen Mechanismen, die in den Ländern des Nordens eine bessere Berücksichtigung der Inkohärenzprobleme zwischen verschiedenen Politikbereichen fördern4. Die Studie zeigt auf, wie die einzelnen Regierungen der DAC-Länder bei ihrem Versuch vorgehen, die Herausforderung anzunehmen. Politisches Engagement auf hochrangiger Ebene (mit politischer Führung) und Aktionsrahmen sind für ein Vorgehen im Sinne besserer Politikkohärenz notwendig, jedoch genügt dies nicht. Zusätzlich sind konkrete Massnahmen für eine Umsetzung auf allen Verwaltungsstufen erforderlich. Folgende Faktoren sind für das DAC besonders wichtig : • Analysefähigkeit ; • ein adäquates Verfahren zur Identifizierung und Anhörungder Beteiligten ; • institutionelle Mechanismen zur Koordination der Politiken ; • eine kohärenzförderliche administrative Kultur (mit informellen Arbeitspraktiken und Informationsaustausch) ; • effektive Verhandlungskompetenzen, vor allem für das Entwicklungshilfeministerium oder die Entwicklungsagentur ; • Stärkung der Kapazitäten in den Entwicklungsländern (Verhandlungs-und Analysekapazitäten) zur Ermittlung der negativen Auswirkungen inkohärenter Politiken der OECD-Staaten, zum Beispiel im Handel.

2.1.2. Entwicklungszentrum der OECD

6 Wenn der Entwicklungshilfeausschuss (DAC) die zwischenstaatliche Instanz für die Harmonisierung der Hilfe darstellt, so führt das Entwicklungszentrum der OECD seinerseits Forschungsarbeiten durch und bildet den Think Tank für das DAC. Das Entwicklungszentrum unternimmt derzeit eine Reihe Studien über Mittel zur Förderung von Politiken, die eine positive Wirkung zeitigen könnten, indem sie die Aktionen der Entwicklungszusammenarbeit stärken. Die laufenden Arbeiten untersuchen potenzielle Synergien zwischen den die Entwicklung fördernden Politiken

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und den Auswirkungen der Hilfe, der Investitionen, der Migrationen und der Handelspolitik der OECD-Staaten auf die Entwicklung5. Ein erster Bericht befasste sich mit Kohärenzfragen in den ostasiatischen Ländern6.

7 Ein 2006 publizierter, weiterer Bericht untersucht die zwischen der Entwicklungshilfe und den anderen Nord-Süd-Flüssen anzustrebende Komplementarität7. Gemäss den Ergebnissen der Studie wird die Entwicklungshilfe gezielt progressiv eingesetzt, das heisst, dass die Länder mit den niedrigsten Einkommen effektiv einen verhältnismässig hohen Anteil der Hilfe erhalten. Jedoch konzentrieren sich die übrigen Flüsse (Handel, Investitionen) in einer kleinen Anzahl von Entwicklungsländern und vor allem in Ländern mit relativ hohem Einkommen. Folglich erhalten die ärmsten Entwicklungsländer zwar einen bedeutenden Umfang an Hilfe, doch nicht die anderen ergänzenden Flüsse, die es ihnen ermöglichen könnten, die Komplementarität zwischen diesen Politiken zu nutzen und sich langfristig von ihrer Hilfeabhängigkeit zu befreien.

2.2. Volumen der öffentlichen Entwicklungshilfe der DAC-Länder und der Schweiz

2.2.1. Kürzliche Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe der DAC-Länder

8 Die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe8 der DAC-Mitgliedsländer hat sich zwischen 2004 und 2005 von 79,4 auf 106,8 Milliarden Dollar stark erhöht9. Damit erreichte der Gesamtbetrag der öffentlichen Entwicklungshilfe in absolutem Wert ein nie dagewesenes Niveau und stieg von 2004 auf 2005 um 32 Prozent. Dieser Zuwachs der Hilfe erklärt sich hauptsächlich aus zwei Faktoren : • Schuldenerlass für den Irak und Nigeria durch den Pariser Klub. Die Schuldenerlasse durch die DAC-Länder beliefen sich 2005 auf 22,7 Milliarden Dollar ; davon entfielen 13,9 Milliarden auf den Irak und 5,5 Milliarden auf Nigeria. • Hilfe für die vom Tsunami im Dezember 2004 betroffenen Länder, die einer Steigerung der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen um 2,2 Milliarden Dollar entspricht. (Insgesamt erhöhte sich die humanitäre Hilfe der DAC-Länder auf 8,7 Milliarden Dollar).

9 Die Hauptempfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe der DAC-Länder im Jahr 2005 waren der Irak (21,7 Milliarden Dollar), Nigeria (6,4 Milliarden Dollar), Afghanistan (2,8 Milliarden Dollar), Indonesien (2,5 Milliarden Dollar), Vietnam (1,9 Milliarden), Äthiopien (1,9 Milliarden), die Demokratische Republik Kongo (1,8 Milliarden), der Sudan (1,8 Milliarden) und China (1,8 Milliarden Dollar)10.

Tabelle 2.1 : Öffentliche Entwicklungshilfe sämtlicher DAC-Länder, 1996-2005 (in Milliarden Dollar und in Prozent des BNE)

a Öffentliche Netto-Entwicklungshilfe = öffentliche Entwicklungshilfe abzüglich Rückzahlungen früherer Entwicklungshilfedarlehen. Quellen : DAC, Coopération pour le Développement, Rapport annuel 2006, Paris, 2007, Statistischer Anhang und Online-Statistiken des DAC.

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10 In Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) ausgedrückt, betrug die öffentliche Entwicklungshilfe(APD)der DAC-Länder im Jahr 2005 0,33 Prozent, (2004 : 0,26 %), womit sie erneut den Anteil der 90er Jahre (bis 1992) erreichte. Die Durchschnittsleistung der DAC-Mitgliedsländer (Mittelwert der individuellen APD/ BNE-Anteile) machte 0,47 Prozent aus. 2002 hatte die Europäische Union beschlossen, ihre öffentliche Entwicklungshilfe bis 2006 allmählich auf 0,39 Prozent ihres kumulierten Einkommens anzuheben, wobei jeder Mitgliedsstaat mindestens den Satz von 0,33 Prozent erreichen sollte. Die einzigen Länder, welche das von den Vereinten Nationen für die öffentliche Entwicklungshilfe gesetzte Ziel von 0,7 Prozent des BNE übertreffen, sind Dänemark, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Schweden.

Jahrbuch 2007, Nr. 1, Statistiken, Teil C, Tabelle C.6 zur öffentlichen Entwicklungshilfe der DAC-Länder.

Schuldenerlass : steigender Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe der DAC- Länder

11 Tabelle C.7 in Teil C der Statistiken dieses Jahrbuchs zeigt, dass die Entschuldungsmassnahmen der DAC-Länder im Jahr 2005 insgesamt 22,7 Milliarden Dollar, das heisst über ein Fünftel der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe erreicht haben. Der Anteil der Schuldenerleichterungen macht etwa ein Drittel der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe von Ländern wie Deutschland, Frankreich, England oder Italien und sogar 57 Prozent der Hilfe Österreichs aus. In der Schweiz erreichen diese Entschuldungsmassnahmen 12,7 Prozent der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe11.

12 Ohne die Schuldenerleichterungen und die übrigen in den letzten Jahren verbuchten neuen Elemente wäre die Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe viel geringer ausgefallen, ja sie wäre sogar in einigen Ländern inexistent gewesen. Die Plattform europäischer Nichtregierungsorganisationen (NRO), Concord, veröffentlichte 2006 eine Studie, die alle Länder der Europäischen Union umfasst. Sie enthält Schemata über die Entwicklung der öffentlichen Entwicklungshilfe mit oder ohne die neuen Komponenten, die in immer mehr Ländern bei der Berechnung der öffentlichen Entwicklungshilfe Eingang finden (Entschuldungsmassnahmen, Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Flüchtlingen im Land sowie Ausgaben für Studierende aus Entwicklungsländern im betreffenden Land). Gemäss diesen Berechnungen soll sich rund ein Drittel der öffentlichen Entwicklungshilfe der EU- Staaten aus diesen Komponenten zusammensetzen12.

13 Eine Koalition französischer NRO, Coordination Sud, prangerte die statistische Aufblähung der Hilfe an die armen Länder an. Laut Coordination Sud sei die öffentliche Entwicklungshilfe Frankreichs im Jahr 2005 um 3,9 Milliarden Euro, das heisst 49 Prozent ihres offiziellen Niveaus von 8 Milliarden Euro, überhöht gewesen. 2,5 Milliarden Euro bestehen aus Schuldenstreichungen (davon 1,6 Milliarden Euro gegenüber Nigeria und dem Irak) und 1,4 Milliarden Euro öffentlicher Entwicklungshilfe betreffen Kosten für ausländische Studierende in Frankreich13, Aufwendungen für den Aufenthalt von Flüchtlingen und Kredite an die französischen Überseegebiete14. Coordination Sud stellt nicht die Notwendigkeit der Schuldenerlasse an sich infrage. Sie ficht jedoch die Modalitäten der Verbuchung dieser Erlasse im Aggregat der öffentlichen Entwicklungshilfe an, da der Betrag in der öffentlichen

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Entwicklungshilfe der Nominalwert der gestrichenen Schuld (Kapital und Zinsen) im Jahr des Schuldenerlasses sei, wohingegen diese Schuld in den meisten Fällen niemals, auch in Jahrzehnten nicht, zurückgezahlt werden könnte15. Diese Schuldenstreichungen sind gewiss legitim, doch ist ihre tatsächliche Auswirkung auf die Minderung der Armut diskutabel. Die Forderungen waren häufig an Exportkredite gebunden, die ohne Unterscheidung oder mit dem Ziel gewährt wurden, die Exporteure zu unterstützen.

14 Die Hilfe für Afrika bleibt weiterhin ein wichtiges Anliegen der internationalen Gemeinschaft. Eine Intensivierung der Hilfeanstrengungen war insbesondere auf dem G-8-Gipfel in Gleneagles und auf dem Millenniums+5-Gipfel beschlossen worden. Wenn man jedoch den Schuldenerlass an Nigeria ausschliesst, so hat die öffentliche Entwicklungshilfe für Afrika südlich der Sahara in Wirklichkeit von 2004 auf 2005 real um 2,1 Prozent abgenommen. Die Schuldenerlasse und die humanitäre Hilfe machen die gesamte Erhöhung der Hilfeleistungen an diese Region seit dem Jahr 2002 aus16.

2.2.2. Neue Klassifikation der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe und geschichtliche Entwicklung

15 Das DAC erstellt seit den 60er Jahren die Liste der Empfängerländer der Hilfe, deren Flüsse in die öffentliche Entwicklungshilfe eingeschlossen werden können. Diese Liste wurde mehrmals angepasst, um dem höheren Entwicklungsstand einiger Länder sowie dem Fall der Berliner Mauer Rechnung zu tragen. So wurden Spanien (1983), Portugal (1991) und Griechenland (1995) von der Liste der Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe gestrichen, während andere Länder nach und nach hinzugefügt wurden : Albanien 1989, Südafrika 1991 (zuerst Hilfe für die Gemeinschaften der Schwarzen, dann allgemeine Hilfe), die zentralasiatischen Länder 1992, Armenien, Georgien und Aserbaidschan 1993, die Gebiete unter palästinensischer Verwaltung 1994, Moldawien 1997, Weissrussland, Libyen und die Ukraine 2005.

16 1993 beschloss das DAC, die Länderliste in zwei Teile aufzuteilen : Teil I mit den „traditionellen“ Entwicklungsländern und Teil II mit den Transitionsländern, denen die als „fortgeschrittener“ bezeichneten Entwicklungsländer und einige mittel- und osteuropäische Länder angehören. Unter „öffentlicher Entwicklungshilfe“ wurden nur Hilfeleistungen an Entwicklungsländer von Teil I verbucht. Die Hilfe für die Länder von Teil II wurde getrennt als „öffentliche Hilfe“ verbucht.

17 Die Zusammensetzung der Länder von Teil II der Liste änderte sich ständig. So fanden sich einige Länder des früheren Ostblocks (wie Ex-Jugoslawien und Albanien) unter den Entwicklungsländern von Teil I wieder, während andere Länder (z.B. Rumänien, Bulgarien, die Ukraine und mitteleuropäische Länder) dem Teil II zugeordnet wurden. Immer mehr Länder wurden vom Teil I in die Kategorie der „fortgeschritteneren Entwicklungsländer“ des Teils II versetzt : Bahamas, Brunei, Katar, Kuweit, Singapur und Vereinte Arabische Emirate 1996, Bermudas, Cayman-Inseln, Falkland-Inseln, Hongkong, Israel, chinesisch Taipeh und Zypern 1997, Gibraltar, Korea, Libyen und Macao im Jahr 2000, Malta und Slowenien 2003.

18 Die Erweiterung der Europäischen Union hat die Situation erneut verändert. Der Entwicklungshilfeausschuss der OECD hat eine neue Einheitsliste der Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe eingeführt und beschlossen, ab 2005 keine Angaben

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mehr über Länder zusammenzutragen, die nicht auf dieser Liste aufgeführt sind, somit keine Daten mehr über die Hilfe für die Transitionsländer zu veröffentlichen17.

Jahrbuch 2007, Nr. 1, Neue DAC-Liste der Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe am Schluss des Jahrbuchs.

2.2.3.Volumen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz und neueste Entwicklung

19 Wie bei der Gesamtheit der DAC-Länder zu beobachten war, hat das Volumen der von der Schweiz aufgebrachten öffentlichen Entwicklungshilfe in den letzten Jahren merklich zugenommen. Die Hilfe der Schweiz stieg von 2004 auf 2005 real um 13,7 Prozent18 von 1921 Millionen Franken (2004) auf 2200,8 Millionen Franken (2005) an.

20 Nachdem die öffentliche Entwicklungshilfe in den Jahren 1993 bis 2002 eine Durchschnittsrate von 0,32 bis 0,36 Prozent des BNE erreicht hatte, stieg sie von 0,33 Prozent 2002 auf 0,37 Prozent 2003, 0,4 Prozent 2004 und 0,44 Prozent 2005 an. Die Schweiz, die sich dem von den Vereinten Nationen für die öffentliche Entwicklungshilfe festgesetzten Zielwert von 0,7 Prozent des BNE nicht angeschlossen hat, engagierte sich namentlich auf dem Erdgipfel in Rio 1992, das Ziel von 0,4 Prozent allmählich zu erreichen.

21 Der Hauptfaktor für die kürzlich erfolgte ziemlich starke Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz liegt eher in einer vom Bundesrat beschlossenen neuen Verbuchungder öffentlichen Entwicklungshilfe, als in einer wirklichen Anhebung des Hilfsvolumens : • Vor 2004 gab die Schweiz lediglich die Aufenthaltskosten der anerkannten Flüchtlinge im ersten Jahr an. Seit dem Jahr 2004 verbucht sie unter der öffentlichen Entwicklungshilfe die mit der Präsenz aller Asylbewerber aus Entwicklungsländern im ersten Aufenthaltsjahr in der Schweiz verbundenen Aufwendungen (2005 wurden dadurch 161,7 Millionen Franken an Hilfe für die Asylbewerber in der öffentlichen Entwicklungshilfe verbucht). • Seit 2003 werden mehr Friedensförderungsmassnahmen (Zuständigkeit des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, VBS) und Aktionen ziviler Konfliktbewältigung (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, EDA, Politische Abteilung IV) in der öffentlichen Entwicklungshilfe verbucht. Die Gesamtheit dieser Aktionen erreichte 2005 respektive 44 und 43,5 Millionen Franken. • Schenkungen von Militärmaterial zu humanitären Zwecken werden seit 2005 ebenfalls in der öffentlichen Entwicklungshilfe zu 50 Prozent ihres Werts, mit 22,7 Millionen Franken für dieses Jahr berücksichtigt. • Seit 2003 umfasst die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz die bilateralen Schuldenerlasse zum Nominalwert. Im Anschluss an die Entscheide des Pariser Klubs hat die Schweiz Abkommen über umfangreiche Schuldenerlasse gegenüber dem Irak und Nigeria abgeschlossen19. Diese in der öffentlichen Entwicklungshilfe berücksichtigte Schuldenerleichterung stellt keine effektive Ausgabe dar und hat keinen Einfluss auf den Bundeshaushalt. Die Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe von 2004 auf 2005 ist grossenteils auf die Schuldenerlasse der Schweiz für den Irak, Nigeria und die Demokratische Republik Kongo zurückzuführen, die sich respektive auf 202 Millionen, 62 Millionen und 14,5 Millionen Franken belaufen. Ohne diese Schuldenerlasse hätte die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz im Jahr 2005 0,39 Prozent des BNE statt 0,40

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Prozent erreicht und das Volumen der Hilfe wäre von 2004 auf 2005 sogar zurückgegangen. Die mit dem Irak und Nigeria abgeschlossenen Entschuldungsabkommen werden auch noch die in den Jahren 2006 und 2007 aufgebrachte öffentliche Entwicklungshilfe aufblähen.

22 Die Grafik 2.1 zeigt die Entwicklung der öffentlichen Entwicklungshilfe seit 2002 auf und gibt den Umfang der neuen Komponenten im Vergleich zur traditionellen öffentlichen Entwicklungshilfe an. Daraus wird ersichtlich, dass die erwähnten Änderungen den Umfang der Hilfe merklich aufgebläht haben, der sich von 2002 bis 2005 von 1,5 auf 2,2 Miliarden Franken um über 50 Prozent erhöhte. Ohne diese neuen Elemente würde die Steigerung im gleichen Zeitraum lediglich 13 Prozent betragen, und die öffentliche Entwicklungshilfe als Anteil des BNE würde 2005 0,33 Prozent statt der gemeldeten 0,44 Prozent erreichen und läge damit auf dem gleichen Durchschnittsniveau wie in den 90er Jahren.

23 Alliance Sud hat diese Rechentricks kritisiert, die darauf abzielen, eine Anhebung der öffentlichen Entwicklungshilfe auszuweisen20.

& Jahrbuch 2007, Nr. 1, Statistiken, Teil C.4, und Punkt 2.2.1. oben zu den Komponenten der öffentlichen Entwicklungshilfe verschiedener DAC- Länder.

Grafik 2.1 : Entwicklung einiger Komponenten der öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz, 2002-2005 (in Millionen Franken)

Quellen : DEZA, Aide de la Suisse aux pays en développement. Statistiques, Bern, DEZA, Jahrgänge 2003 bis 2005.

2.2.4. Übersicht über die öffentliche und private Entwicklungshilfe der Schweiz

24 Von der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz in Höhe von 2,2 Milliarden Franken im Jahr 2005 wurden 59,4 Prozent der operationellen Tätigkeit von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), 22 Prozent vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) (10 % ohne Schuldenerlasse) und etwas unter ein Fünftel durch andere Departemente und Bundesämter verwaltet. Der Anteil der von der DEZA verwalteten öffentlichen Entwicklungshilfe ist in den letzten Jahren - hauptsächlich wegen der in die Berechnung der öffentlichen Entwicklungshilfe aufgenommenen neuen Instrumente - zurückgegangen. Tabelle 2.2 gibt eine Übersicht

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über die gesamte öffentliche und private Entwicklungshilfe der Schweizfür die Entwicklungsländer.

25 Vom Gesamtbetrag der bilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe, die 2005 1,74 Milliarden Franken erreicht, sind 30,5 Prozent (521,1 Millionen Franken) für Länder des asiatischen Kontinents bestimmt. Mit 394 Millionen Franken, einem Anteil von 22,6 Prozent der bilateralen Hilfe, steht Afrika nach Asien an zweiter Stelle der Hilfe der Schweiz. Die europäischen Entwicklungsländer erhalten 8,7 Prozent der gesamten Schweizer Hilfe (151 Millionen Franken) und Lateinamerika 8,3 Prozent (145 Millionen Franken). 30,5 Prozent der bilateralen Hilfe (regionale Projekte, Beiträge an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz) lassen sich geografisch nicht aufteilen.

Hilfe der Kantone und Gemeinden

26 In diesem Zusammenhang ist die Rolle der Schweizer lokalen Körperschaften in der internationalen Zusammenarbeit zu erwähnen. Die Kantone haben im Jahr 2005 27 Millionen Franken und die Gemeinden 12,5 Millionen Franken an öffentlicher Entwicklungshilfe aufgebracht. Diese Beiträge dienen meist zur Finanzierung der Einsätze schweizerischer Nichtregierungsorganisationen vor Ort, was in der Welschschweiz in erster Linie über die kantonalen NRO-Föderationen für Entwicklungszusammenarbeit erfolgt. Die Beiträge der Schweizer Kantone und Gemeinden haben seit 2001 zugenommen und sind von 23 Millionen Franken im Jahr 2001 auf 39,5Millionen Franken im Jahr 2005 angestiegen. Ein neues Orientierungsinstrument der DEZA erläutert die Formen der Zusammenarbeit zwischen der DEZA und den lokalen Körperschaften21.

Rolle der NRO in der Entwicklungszusammenarbeit

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Tabelle 2.2 : Öffentliche und private Entwicklungshilfe (APD) der Schweiz für die Entwicklungsländer, 2004 und 2005 (in Millionen Franken)

a Die Broschüre Aide de la Suisse aux pays en développement. Statistiques 2005 erschien im Frühjahr 2007, mehrere Monate nach dem Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2005. Somit wurden diese Zahlen revidiert und unterscheiden sich von den im Bericht veröffentlichten Zahlen. Quelle : DEZA, Aide de la Suisse aux pays en développement. Statistiques 2005, Bern, 2007.

27 Die von den Nichtregierungsorganisationen durchgeführten humanitären Einsätze und Projekte der Entwicklungszusammenarbeit werden hauptsächlich aus Eigenmitteln (Erträge aus Sammlungen in der Schweiz) sowie aus Beiträgen von Bund, Kantonen und Gemeinden finanziert. Die DEZA finanziert Projekte der NRO durch drei verschiedene Mittel : • Programmbeiträge : Diese an ein Dutzend NRO ausgezahlten Beiträge finanzieren von den NRO selbst ausgewählte Projekte. • Mandate : Die DEZA kann die Verwaltung von Projekten gänzlich oder teilweise an NRO übertragen. In diesem Fall wählt die DEZA die Projekte aus. • Beiträge humanitärer Hilfe : Ein Teil der Nahrungsmittelhilfe kann beispielsweise über die NRO zu den Opfern befördert werden.

28 Tabelle 2.2 führt auch die Entwicklungshilfebeträge auf, die von den Nichtregierungsorganisationen verwaltet und aus deren Eigenmitteln (Mitgliedsbeiträge und Sammelerträge) finanziert werden. Die Hilfe der NRO hat sich von 2004 auf 2005 - vor allem wegen der aussergewöhnlichen Spendeneingänge nach dem Tsunami im Indischen Ozean - von 322 auf 414 Millionen Franken beträchtlich erhöht. So haben die NRO 2005 15,8 Prozent der gesamten öffentlichen und privaten Hilfe der Schweiz und 19 Prozent der gesamten bilateralen Hilfe verwaltet. Weitere Aktivitäten der NRO werden von Kantonen oder Gemeinden und durch die Programmbeiträge der DEZA an die Hilfswerke (2005 : 62 Millionen Franken) finanziert.

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Die Nichtregierungsorganisationen stellen somit einen wichtigen Akteur der internationalen Zusammenarbeit dar, und zwar durch die humanitären Einsätze und die Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, aber auch durch ihre Verankerung in der Schweizer Bevölkerung und ihre Tätigkeit in den Bereichen Information, Sensibilisierung und Entwicklungsbildung.

2.3. Schweizer Politik der Entwicklungszusammenarbeit

29 Eine Reihe gobaler Probleme werden zunehmend offenkundig und sichtbar : Armut und soziale Gegensätze, marginalisierte Regionen in der Weltwirtschaft, zerfallende Staaten, Klimawandel und Biodiversität, transnationale Migration, Gesundheitsprobleme wie das Lungensyndrom SARS, Vogelgrippe und HIV/Aids. Diese Probleme mit grossen Risiken betreffen Staaten ganz unterschiedlich und können die Handlungsfähigkeit einzelner überfordern. Die OECD-Länder vermögen es nicht, die Probleme im Alleingang zu lösen. Die Probleme erfordern eine globale Perspektive, verstärkte multilaterale Kooperation sowie die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern.

30 Je dichter die Welt vernetzt wird, umso bedeutender werden globale und regionale öffentliche Güter. Beispiele hierfür sind stabile Finanzmärkte, internationale Sicherheit, Gesundheit, Klima, usw. Der Schutz bzw. die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter kann aber nur gelingen, wenn die Entwicklungsländer in der Lage sind, Armut zu mindern, Gesundheitsrisiken zu bewältigen oder grenzüberschreitende Krisen zu verhindern.

31 Der Bundesrat hat im Mai 2006 die künftige Ausrichtung der Entwicklungspolitik der Schweiz skizziert22. Diese soll die „wohlverstandenen Eigeninteressen“ der Schweiz in einer „globalisierten Welt“ wahrnehmen helfen. Nach dem Motto „Armutsminderung und globale Sicherheit in globaler Partnerschaft“ hat der Bundesrat drei strategische Schwerpunkte festgelegt. Die Entwicklungspolitik und die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz sollen : 1. einen Beitrag zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele, das heisst zur weltweiten Armutsminderung leisten ; 2. einen Beitrag zu Sicherheit und Stabilität, das heisst zur Bewältigung systemischer Sicherheitsrisiken leisten ; 3. zu einer entwicklungsförderlichen Globalisierung beitragen.

32 Die Entwicklungspolitik der Schweiz soll mit der Armutsbekämpfung auch Beiträge zur Gestaltung der Globalisierung leisten und zur internationalen Friedenssicherung bzw. zur Bewältigung systemischer Risiken beitragen.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 2, 2.1. Millenniums-Entwicklungsziele 2005–eine Zwischenbilanz, S. 15-23.

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2.3.1. Übersicht über die Rahmenkredite für die Entwicklungszusammenarbeit

33 Das Gesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit vom 19. März 1976 bildet die Rechtsgrundlage für die Aktionen der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe, und das im November 2006 durch Volksabstimmung angenommene Osthilfegesetz bildet die rechtliche Grundlage für die Hilfe für die Transitionsländer.

Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 3, 3.3. Transitionshilfe für Osteuropa und die GUS.

34 Der Bundesrat unterbreitet dem Parlament die Botschaften, um die Rahmenkredite im Bereich der internationalen Zusammenarbeit für eine Mindestzeit von vier Jahren zu erhalten. Die jährlichen Ausgaben werden anschliessend im Rahmen des vom Parlament jedes Jahr verabschiedeten Jahresbudgets des Bundes beschlossen. Wie Tabelle 2.3 zeigt, sind die operationellen Aufwendungen für die internationale Zusammenarbeit durch mehrere Rahmenkredite abgedeckt, die von der DEZA, vom SECO oder von anderen Departementen der Bundesverwaltung verwaltet werden.

35 Im Jahr 2007 soll das Parlament mehrere Rahmenkredite zur Entwicklungszusammenarbeit, und zwar für die humanitäre Hilfe23, für die Ostzusammenarbeit24 und für Beiträge an den Globalen Umweltfonds25 verabschieden.

Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 4, 4.1. Neuer Rahmenkredit für die humanitäre Hilfe ; Kapitel 3, Punkt 3.3.2. zum Rahmenkredit für die Osthilfe.

36 Zwei neue Botschaften sollen veröffentlicht und vom Bundesrat bis zum Herbst 2007 geprüft werden : eine über wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen, die andere über die technische und finanzielle Zusammenarbeit zugunsten der Entwicklungsländer. DEZA und SECO werden dem Bundesrat ausserdem Vorschläge zur Erhöhung der Mittel für die multilaterale Entschuldung unterbreiten, und das Parlament ersuchte den Bundesrat um Berichte über die globalen öffentlichen Güter und zur Thematik „Jugend und Entwicklung“.

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Tabelle 2.3 : Wichtigste geltende Rahmenkredite der Entwicklungszusammenarbeit (Stand : Dezember 2006)

Quelle : DEZA.

2.3.2.Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates über die strategische Führung der Aktivitäten der DEZA

37 Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) hat am 8. Dezember 2006 einen Bericht über „Kohärenz und strategische Führung der Aktivitäten der DEZA“26 veröffentlicht. Anhand der Prüfung der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit durch den OECD-Entwicklungshilfeausschuss DAC und einer Evaluation durch die Parlamentarische Verwaltungskontrolle kritisiert die Geschäftsprüfungs kommission gewisse Aspekte der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit und formuliert Empfehlungen für die Zukunft.

38 Die Geschäftsprüfungskommission ist der Ansicht, dass die im Gesetz von 1976 über die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe festgelegten Themenschwerpunkte den gegenwärtigen Prioritäten der DEZA nur noch teilweise entsprechen, da beispielsweise die Budgethilfe nicht unter den Formen der Zusammenarbeit aufgeführt sei. Wie das DAC in seiner Prüfung der Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz bedauert auch die Geschäftsprüfungskommission die zu grosse geografische Zersplitterung der Hilfe. Es gebe zu viele Schwerpunktländer oder -regionen und der Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe für diese Länder sei zu gering. Auch die Themenschwerpunkte beträfen zu viele Bereiche. Die Verwaltung der Projekte werde zu wenig von Zielen geleitet.

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39 Die Kommission hat zahlreiche strategische Dokumente des Bundesrates (Botschaften) und der DEZA untersucht. Sie erachtet es derzeit für schwierig, einen Gesamtüberblick über die Zusammenarbeit zu gewinnen, da jede Botschaft einen Teil der Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit mit spezifischen strategischen Ausrichtungen betrifft. Die Botschaften erstrecken sich zudem über verschiedene Zeiträume und werden von diversen Ämtern verwaltet. Nach Ansicht der Kommission hat die DEZA zur Festsetzung ihrer Prioritäten ein „dichtes und sehr komplexes System an Strategien und Leitlinien“27 errichtet, das zum Beispiel strategische Dokumente für jeden Einsatzbereich, jedes Thema, jede multilaterale Institution, jeden Sektor oder jedes Schwerpunktland umfasst. Die Dokumente seien nicht immer klar untereinander hierarchisiert. Ferner seien einige Unterlagen nur von der DEZA verfasst, während andere in Abstimmung mit den betroffenen Ämtern ausgearbeitet werden. Die Kommission ist zwar der Ansicht, dass die Koordination zwischen DEZA und SECO sich in den letzten Jahren verbessert habe, jedoch sollten die Synergien noch verstärkt werden.

40 Schliesslich erachtet die Kommission, dass der Bundesrat die Erneuerung des Leitbilds Nord-Süd und des Aussenpolitischen Berichts 2000 zum Anlass nehmen sollte, um die Gesamtheit der Instrumente zur Umsetzung der internationalen Zusammenarbeit einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die Unterbreitung der für 2007 vorgesehenen neuen Botschaft über die technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe sollte die Gelegenheit bieten, um ein neues Gesetz über die Entwicklungszusammenarbeit vorzulegen.

41 Der Bericht der GPK-S würdigt die hohe fachliche Qualität und Professionalität, welche die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit aus der Sicht der internationalen Fachwelt, der Empfängerländer und der Schweizer Öffentlichkeit auszeichnet. Die Kommission weist die kritischen Äusserungen explizit zurück, wonach die Aktivitäten der DEZA den von Bundesrat und Parlament festgelegten Zielsetzungen und Prioritäten nicht entsprechen würden.

42 Der Bericht hat die Spannung zwischen der spezifischen Situation der DEZA und der generellen Situation der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit nur teilweise aufgenommen. Er beantwortet die Frage der „Kohärenz und strategischen Führung der DEZA“28 vornehmlich aus der Sicht der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit. Die Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen erscheint nur am Rande. Die DEZA und die anderen Akteure der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit erbringen aber ihre Leistungen im Geflecht der international vereinbarten und von der Schweiz mitgetragenen strategischen Ziele, Normen, Regeln und Institutionen. Auf den spezifischen Beitrag, den die DEZA bei der Umsetzung der zwischen Empfängerländern und internationalen (bi- und multilateralen) Organisationen festgelegten entwicklungspolitischen Prioritäten leistet, geht der Bericht zu wenig ein. Die Zusammenarbeit zwischen der DEZA und anderen Akteuren der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit wird auf der Analyseebene nur beschränkt diskutiert. Die Empfehlungen dagegen legen starkes Gewicht auf die Ausrichtung auf „eine Strategie“ in den Aussenbeziehungen der Schweiz, an denen sich die verschiedenen beteiligten Ämter orientieren sowie auf deren möglichst effiziente Zusammenarbeit.

43 Der Bundesrat wird die beiden von der Kommission eingereichten Motionen im Zusammenhang mit der Erarbeitung derBotschaft über die Weiterführung der technischen

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Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zu Gunsten von Entwicklungsländern 2008-2011 beantworten. Die Botschaft wird den Empfehlungen der Kommission weitgehend Rechnung tragen.

2.3.3. Hilfe für Afrika

44 Im Jahr 2006 stellten eine Reihe von Artikeln in der Schweizer Presse die Berechtigung der Fortsetzung der Hilfe für Afrika infrage. Die Debatte wurde im Oktober durch Äusserungen von Bundesrat neu angefacht, der offensichtlich die Wirksamkeit der Hilfe für Afrika anzweifelte29. Nach Ansicht vieler Beobachter haben dreissig Jahre Entwicklungszusammenarbeit und die bereitgestellten Milliarden Dollar nicht zu den erwarteten Entwicklungsergebnissen geführt.

45 Ende November 2006 wurde von Alliance Sud eine Tagung zu diesem Thema mit dem Titel „Leidet Afrika an zu viel Hilfe ?“ organisiert, aus der sich die Bedeutung vieler Entwicklungsprogramme im Kampf gegen die Armut in Afrika sowie die Notwendigkeit einer Erhöhung der Hilfe zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele ergab30. Die Qualität von Programmen zur Verbesserung von Gesundheit und Erziehung oder zum Kampf gegen die Ausbreitung von Aids ist anerkannt, ebenso wie die Wichtigkeit der Hilfe im Agrarbereich, bei Naturkatastrophen oder zum Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte. Mehrere Studien zeigen ferner die Grenzen der Hilfe an Regierungen auf, die keine „gute Regierungsführung“ gewährleisten, oder in fragilen Staaten.

46 Die ungenügende Wirksamkeit eines Teils der Hilfe sei auch das Ergebnis einer schlechten Politik der Länder des Nordens. Die Art der Hilfe sei oft von den früheren Kolonialmächten diktiert worden und war durch strategische Interessen der Länder des Nordens für die Rohstoffversorgung, den Kampf gegen den Kommunismus im Kontext des Kalten Krieges oder den Kampf gegen den Terrorismus motiviert. So wurde die Hilfe oft mehr auf die Präferenzen der Geldgeber und der Eliten des Südens als auf die Bedürfnisse der ärmsten Bevölkerungsgruppen ausgerichtet. Ein nicht unerheblicher Teil der Hilfe habe zur Finanzierung unproduktiver Ausgaben gedient, und die Harmonisierung der Aktionen unter Geberländern habe sich oft als unzureichend erwiesen31.

47 Für die DEZA ist es wichtig, die Entwicklungshilfe auf die ärnsten Länder zu konzentrieren. Die öffentliche Entwicklungshilfe für Afrika belief sich 2005 auf 394 Millionen Franken, was 22,6 Prozent der bilateralen Hilfe entspricht. 57 Prozent der Hilfe für Afrika geht an die „am wenigsten fortgeschrittenen Länder“ des Kontinents. Die Hilfe der schweizerischen Nichtregierungsorganisationen für Afrika belief sich auf 133,8 Millionen Franken, das heisst nahezu ein Drittel der gesamten Hilfe der NRO. In einem Kontext, in dem die Öffentlichkeit grosses Vertrauen in die Qualität der Hilfe der Schweiz setzt - wobei diese Qualität auch vom DAC anerkannt wird - ist es weiterhin eine bedeutende Herausforderung für die Zukunft, die konkreten Einsätze vor Ort besser bekannt zu machen.

2.3.4. Budgethilfe

48 Die allgemeine Budgethilfe ist ein relativ neues Instrument der Entwicklungszusammenarbeit. Sie unterscheidet sich klar von der traditionellen Hilfe

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in Form von Projekten oder Programmen in einem gegebenen Land. Die Budgethilfe nimmt in einigen Mitgliedsländern des DAC immer mehr Bedeutung an. Global wird 5 Prozent der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe der DAC-Länder (und rund 3 % der öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz) in Form von Budgethilfe vergeben.

49 Das SECO leistet Budgethilfe an Mosambik, Tansania, Burkina Faso, Ghana und Nicaragua32. Die DEZA ist im Bereich der sektoriellen Budgethilfe tätig. Vor kurzem wurden Evaluationen dieses Instruments der Entwicklungszusammenarbeit auf internationaler Ebene (DAC)33 und auch in der Schweiz34 vorgenommen. Ein vom SECO im Juni 2006 oganisiertes Symposium brachte Vertreter von Hilfswerken, Akademikerkreisen und der Bundesverwaltung zu einer Diskussion über die Budgethilfe zusammen35.

50 Bei dieser Form von Entwicklungszusammenarbeit zahlt das Geberland dem Partnerland Mittel aus, die direkt ins Budget des Partnerstaates einfliessen, anstatt vom Geberstaat verwaltete Projekte zu finanzieren. Als Voraussetzung für diese Art von Hilfe muss das Land Kriterien guter Regierungsführung erfüllen und eine Entwicklungsstrategie ausarbeiten. Die Ergebnisse werden im Rahmen eines Politikdialogs zwichen den Geberländern und dem betreffenden Land periodisch überprüft.

51 Mehrere vom SECO bzw. in der Evaluation der OECD vorgebrachte Argumente sprechen für dieses Instrument36. Zum einen ergibt sich eine Vereinfachung der Verfahren : Das „Empfängerland“ braucht sich nicht mehr den unzähligen Forderungen, Gewohnheiten, Prioritäten und Evaluationssystemen der verschiedenen Geberländer zu unterwerfen. Die Verwaltung der Budgethilfe erfolgt durch ein Kartell der Geberländer im Rahmen einer gemeinsamen Verhandlung, bei der die Schweiz eine wichtige Rolle im Politikdialog spielen kann. Ferner weist die Analyse des DAC nach, dass die Budgethilfe im Grossen und Ganzen einen positiven Beitrag zur makroökonomischen Stabilität und zur Kohärenz zwischen den sektoriellen Prioritäten leistet (z.B. sich nicht darauf zu beschränken, Schulen zu bauen, sondern auch die Einstellung von Lehrkräften und damit den Personalaufwand vorzusehen). Schliesslich legt das Hilfeempfängerland seine Prioritäten betreffend die öffentlichen Ausgaben fest, im Gegensatz zu dem, was im Rahmen der Strukturanpassungsprogramme vor sich ging, die von den Ländern des Nordens und den Bretton-Woods-Institutionen auferlegt wurden. Das Parlament behält eine Kontrolle über das nationale Budget und die angekündigten Prioritäten.

52 Manche stellen diese „Unabhängigkeit“ angesichts des Gewichts der Geberländer im Politikdialog in Zweifel. Die Entwicklungsländer sind bei der Formulierung ihrer Armutsbekämpfungsstrategien nicht wirklich frei. Alliance Sud weist auch auf Befürchtungen gegenüber diesem Instrument hin37 : Es handelt sich dabei um eine vor allem unter Staaten abgewickelte Hilfe, und es könnte sich für die Vertreter der Zivilgesellschaft schwierig erweisen, sich Gehör zu verschaffen, da die NRO (des Nordens und Südens) es schwerer haben, Partner in diesem Prozess zu sein. Partizipation, Transparenz und demokratische Kontrolle sind insgesamt weiterhin unzureichend, wie auch die Verfolgbarkeit der Hilfe, um sich zu vergewissern, dass die Mittel effektiv an die Armen gelangen. Zudem verringert dieses Instrument nicht die Abhängigkeit der Länder des Südens gegenüber der internationalen Hilfe. Die Meinungen in NRO-Kreisen betreffend die Budgethilfe sind indessen nuanciert, da

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einige Organisationen für diese Art der Hilfe sein können, wenn die Zivilgesellschaft am Prozess beteiligt ist und wenn eine demokratische Kontrolle besteht.

53 Es ergeben sich weitere Probleme, die im Übrigen nicht allein für die Budgethilfe spezifisch sind. Die Korruptionsrisiken und die Fungibilität der Hilfe können die Regierungen des Südens dazu verleiten, gewisse Sozialausgaben zu vernachlässigen, wenn sie der Meinung sind, dass Bildung und Gesundheitswesen bereits Schwerpunkte der internationalen Hilfe bilden.

2.3.5. Strategiepapier zur Korruptionsbekämpfung

54 1998 hatte die DEZA Leitlinien zur Korruptionsbekämpfung veröffentlicht38. Seitdem wurden die Mittel für den Kampf gegen die Korruption, namentlich durch die Annahme internationaler Konventionen zur Korruptionsbekämpfung ausgebaut. Die Schweiz ratifizierte im Jahr 2000 das OECD-Übereinkommen zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger und verstärkte das schweizerische Gesetz in diesem Bereich. 2003 unterzeichnete sie auch die UN-Konvention gegen Korruption, und sie sieht vor, die Strafrechts- und die Zivilrechtskonvention des Europarates gegen Korruption im Jahr 2008 zu ratifizieren. Angesichts dieser Entwicklung hat die DEZA 2006 eine neue Version ihrer Strategie zur Korruptionsbekämpfung herausgebracht39, welche vier Interventionsebenen der DEZA hervorhebt : • Zusammenarbeit mit der Exekutive, der Legislative und der Judikative (politischer Dialog mit den Partnerregierungen der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit) ; Unterstützung der Reformen der öffentlichen Verwaltung und Stärkung des öffentlichen Finanzwesens. • Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren zur Stärkung externer Kontrollmechanismen. • Tätigkeit in der Schweiz : Korruptionsverhütung in den Programmen der DEZA (Antikorruptionsklauseln in den DEZA-Verträgen), die Schweizer Privatunternehmen informieren, die Ratifizierung internationaler Konventionen fördern, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf das Problem der Kapitalflucht lenken. • Arbeit auf multilateraler Ebene.

2.3.6. Jahresthemen der DEZA : „Jugend und Entwicklung“und„Jahr der Wüsten“

55 Die DEZA organisiert regelmässig Informations- und Sensibilisierungskampagnen zu speziellen Themen, bei denen häufig die von den Vereinten Nationen lancierten Themen übernommen werden40. Mit Themen wie Berge, Wasser oder Sport ermöglichen es diese Kampagnen, die Aufmerksamkeit der Medien leichter zu erregen und die breite Öffentlichkeit zu informieren, und somit über den Kreis jener hinauszugehen, die bereits über die Nord-Süd-Fragen, die Aktionen der internationalen Gemeinschaft und die Schweizer Projekte informiert sind.

56 Mehrere Informationstätigkeiten wurden 2006 im Rahmen des „Internationalen Jahrs der Wüsten und der Wüstenbildung“ durchgeführt, wie zum Beispiel die vom Universitätsinstitut für Entwicklungsstudien (IUED) im April 2006 in Genf organisierte internationale Konferenz zum Thema „Desertifikation, Hunger und Armut“ sowie die Herausgabe einer Broschüre über die von der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit unterstützten Programme41.

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57 Die DEZA hat eine sich über zwei Jahre (2006-2007) erstreckende Kampagne zum Thema „Jugend und Entwicklung“ lanciert. Die Hälfte der Weltbevölkerung ist unter 25 Jahre und ein Viertel unter 14 Jahre alt. 1,3 Milliarden junger Menschen leben in den armen Ländern. Diese beträchtliche Anzahl stellt ein Entwicklungspotenzial dar. Der Weltentwicklungsbericht 2007 der Weltbank hält fest, dass Entwicklungsländer, die in die Gesundheit und Bildung von Jugendlichen zwischen 12 und 24 Jahren investieren, Wirtschaftswachstum und massive Armutsminderung verzeichnen werden42. Um diese Chance zu ergreifen, sind grosse Herausforderungen zu überwinden : Nahezu die Hälfte der Arbeitslosen ist unter 25 Jahre alt. 130 Millionen junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren sind Analphabeten. Die von der Weltbank vorgeschlagenen Massnahmen betreffen folgende Aspekte : • Zugang zum Unterrichtswesen und Qualität des Unterrichts ; • Förderung der Kompetenzen der Jugendlichen zur Selbstinformation, um ihre Fähigkeiten als verantwortungsvolle Entscheidungsträger zu verbessern ; • Förderung einer „zweiten Chance, um Jugendliche in Schwierigkeiten (Schulabbruch, Drogensucht, Kriminalität, Arbeitslosigkeit) wieder zu integrieren.

58 Die DEZA unterstützt mehrere spezifische Programme mit dem Ziel, die Rechte der Kinder zu fördern, die Grundschulbildung (insbesondere für Mädchen in Benin) und die Berufsbildung (Bangladesch) zu unterstützen und Jugendlichen Möglichkeiten für den Besuch von Lehrgängen zu bieten. Die DEZA unterstützt ferner das Projekt zur Konfliktumwandlung und Friedensförderung (Südosteuropa)43.

2.3.7. Jahreskonferenz der Entwicklungszusammenarbeit

59 Die Jahreskonferenz der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit fand am 25. August 2006 unter dem Motto „Mit vereinten Kräften - Entwicklung heisst Partnerschaft“ in Präsenz von 1500 Teilnehmern in Bern statt44. Die Diskussionen drehten sich um die Bedeutung von Partnerschaften in der Entwicklungszusammenarbeit. Am Beispiel Nicaraguas konnte die Kooperation der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit mit der Partnerregierung, den Hilfswerken, dem Privatsektor, den lokalen Gemeinschaften und den multilateralen Organisationen, die eine ergänzende Dimension zur bilateralen Hilfe bieten, veranschaulicht werden. Die Schweiz hat sich auch einer Gruppe von Geberländern angeschlossen, um Nicaragua Budgethilfe zu gewähren.

2.4. Bilaterale Zusammenarbeit der DEZA zugunsten der Länder des Südens

2.4.1. Schwerpunktländer und -gebiete

60 Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit der DEZA konzentrierte sich 2005 auf 17 Schwerpunktländer und sechs Sonderprogramme, jedoch ist die Anzahl der Länder, in denen die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit präsent ist, viel grösser : Zu den 17 Schwerpunktländern der bilateralen Hilfe der DEZA45 kommen acht Sonderprogramme hinzu, die Länder, in denen die humanitäre Hilfe (den Krisen und Naturkatastrophen entsprechend) bedeutend ist, einige für das SECO prioritäre Länder sowie die Länder Südosteuropas. Insgesamt fliesst rund die Hälfte der bilateralen

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Entwicklungshilfe der DEZA in die Schwerpunktländer der Entwicklungszusammenarbeit.

61 Die DEZA hat Anfang 2007 beschlossen, die Anzahl der Schwerpunktländer bis zum Jahr 2010 von 17 auf 14 zu reduzieren. Das Programm in Ecuador wird aufgegeben und die Einsätze in Bhutan und Indien verringert. Betreffend die Oststaaten werden die beiden Programme, die in den neuen EU-Mitgliedsstaaten Rumänien und Bulgarien durchgeführt werden, bis Ende 2007 abgeschlossen.

2.4.2. Geografische Aufteilung de bilateralen Hilfe der DEZA

62 Die gesamte bilaterale Hilfe der DEZA für die Entwicklungsländer belief sich 2005 auf 915,7 Millionen Franken. Davon entfielen 582,6 Millionen Franken auf Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, 271,2 Millionen Franken auf humanitäre Einsätze und 61,9 Millionen Franken auf Programmbeiträge an Schweizer NRO. Die zehn wichtigsten Partnerländer der DEZA sind folgende : Indien (28,2 Millionen Franken, von der DEZA 2005 ausgezahlt), Pakistan (23,2 Millionen Franken), Afghanistan (20,5 Millionen Franken), Nepal (18,6 Millionen Franken), Tansania (18,5 Millionen), Bolivien (17,8 Millionen), Westjordanland und Gazastreifen (17,3 Millionen), Mosambik (16,6 Millionen), Peru (16,0 Millionen) und der Tschad (15,4 Millionen).

Jahrbuch 2007, Nr. 1, Statistiken, Teil C, Tabelle C.8 über bilaterale Hilfe, mit Einzelheiten der bilateralen Hilfe der Schweiz für die wichtigsten Partnerländer.

2.4.3. Schwerpunktbereiche der Tätigkeit der DEZA

63 Im Mai 2006 hat der Bundesrat drei Hauptstossrichtungen für die Schweizer Entwicklungspolitik der nächsten Jahre festgelegt : • Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele und Minderung der Armut ; • Bewältigung systemischer Sicherheitsrisiken ; • Beitrag zu einer entwicklungsförderlichen Globalisierung.

64 Nach einer Prüfung des Gesamtbestands der Einsätze in den letzten Jahren hat die DEZA im Sommer 2006 beschlossen, ihre Tätigkeit auf zehn Schwerpunktthemen und zwei Transversalthemen zu konzentrieren - als jene Bereiche, bei denen die DEZA der Ansicht ist, dass die Schweiz dort besonders leistungsfähig sein kann. Dabei handelt es sich um folgende zehn Themen : Gesundheit, Erziehung, Wasser, Landwirtschaft/ländliche Entwicklung, Wirtschaft und Beschäftigung, Umwelt, Rechtsstaatlichkeit/Demokratie, Konfliktverhütung und Transformation, Migration, regionale und globale wirtschaftliche Integration. Gender - Gleichstellung und Gouvernanz sind die beiden Transversalthemen46.

2.5. Wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen des SECO

65 Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verwaltet einen Teil der Projekte der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, vor allem die wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen und den grössten Teil der Hilfe für Osteuropa. 2005

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hat das SECO Programme für einen Gesamtbetrag von 488 Millionen Franken, 22 Prozent der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe, verwaltet, davon 481,9 Millionen Franken für bilaterale Hilfe. Zu diesem Betrag kommen noch 32,9 Millionen Franken Osthilfe hinzu (nicht in der öffentlichen Entwicklungshilfe berücksichtigt). 2005 hat das SECO (ohne Schuldenerlasse in Höhe von 278,6 Millionen Franken) Programme für insgesamt 209,7 Millionen Franken (öffentliche Entwicklungshilfe) verwaltet, was unter dem Gesamtbetrag der öffentlichen Entwicklungshilfe von 220,7 Millionen Franken für 2004 lag.

66 Die zehn Entwicklungsländer, welche 2005 die Hauptpartner des SECO waren, sind folgende :derIrak (202 Millionen Franken), Nigeria (62,4 Millionen Franken), Ghana (14,6 Millionen Franken), die Demokratische Republik Kongo (14,5 Millionen Franken), Mosambik (12,5 Millionen Franken), Ägypten (10,9 Millionen Franken), Tansania (10,6 Millionen), Nicaragua (10,4 Millionen), die Ukraine (9,8 Millionen) und Burkina Faso (9,7 Millionen). Der Irak, Nigeria und die Demokratische Republik Kongo waren wegen der Schuldenerlasse besonders wichtige Partner.

67 Der prioritäre Kontinent für die Einsätze des SECO ist Asien (44 % der gesamten bilateralen Hilfe), gefolgt von Afrika (28 %). Bei den verpflichteten Beträgen sind die Schwerpunktbereiche im Jahr 2005 folgende : Schuldenerlasse (54,5 % der gesamten bilateralen Hilfe), Investitionsförderung (14,6 %), Infrastrukturfinanzierung (11 %), makroökonomische Hilfe (9,4 %) und Handelsförderung (8,4 %).

68 Tabelle 2.4 führt die Aufwendungen des SECO für die bilaterale Hilfe, nach Einsatzbereichen und Kontinenten (öffentliche Entwicklungshilfe und öffentliche Hilfe) an. Die Tabelle im Statistischen Teil des Jahrbuchs zeigt die bilaterale Hilfe mit den wichtigsten Partnerländern des SECO auf.

2.4 : Bilaterale Zusammenarbeit des SECO mit Entwicklungsländern, Oststaaten und der GUS, Geografische Aufteilung und Einsatzbereiche, 2005 (in Millionen Franken und Prozent)

Quelle : DEZA/SECO, Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2005, Bern, 2006, Tabelle 9 und 10, S. 20-21.

2.6. Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit

69 Die multilaterale Hilfe belief sich 2005 auf 456,7 Millionen Franken, was 21 Prozent der gesamten, von der Schweiz aufgebrachten öffentlichen Entwicklungshilfe entspricht. Das Gesamtvolumen der multilateralen Hilfe ist in den letzten Jahren relativ beständig geblieben. 57 Prozent der Hilfe geht an die Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen, namentlich die konzessionellen Fonds der Weltbank (Internationale

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Entwicklungsorganisation, IDA) und der Afrikanischen Entwicklungsbank (Afrikanischer Entwicklungsfonds, AfDF). 30 Prozent gehen an die Vereinten Nationen, davon entfallen die höchsten Beiträge auf das Entwicklungsprogramm (UNDP), das Kinderhilfswerk (UNICEF), den Bevölkerungsfonds (UNFPA), das Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und das Hilfswerk für die Palästinaflüchtlinge (UNRWA). Unter den übrigen multilateralen Institutionen (13 % der Beiträge) unterstützt die Schweiz vor allem den Globalen Umweltfonds (GEF), die Beratungsgruppe für internationale Agrarforschung (CGIAR) und das Internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) (siehe Tabelle 2.5).

70 Die multilateralen Beiträge an die einzelnen UN-Organisationen (oder sonstigen Institutionen) sind seit dem Jahr 2000 verhältnismässig stabil geblieben. In den letzten Jahren wurden infolge der Beschlüsse des DAC die Beiträge an einige Organisationen neu in die öffentlichen Entwicklungshilfe aufgenommen. Dabei handelt es sich um das Internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD, seit 2005), den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GF-ATM, seit 2003), die Internationale Tropenholzorganisation (ITTO) und das International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA) (beide seit 2002).

71 Die Beiträge an die internationalen Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen ändern sich etwas mehr von Jahr zu Jahr, besonders die Beiträge an die IDA, den Afrikanischen Entwicklungsfonds und den Entschuldungsfonds für hoch verschuldete arme Länder (HIPC). Die Schweiz beteiligt sich an den Verhandlungen, die im Jahr 2007 zur Wiederauffüllung der Mittel der IDA und des Afrikanischen Entwicklungsfonds führen sollten. Diese Institutionen gewähren den ärmsten Ländern Darlehen zu günstigeren Bedingungen als die Marktkonditionen und lassen ihnen technische Unterstützung zukommen.

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Tabelle 2.5 :Multilaterale öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz, allgemeine Beiträge, 2005 (in Millionen Franken)

BIBLIOGRAPHY a Die allgemeinen Beiträge an bestimmte UN-Organisationen (z.B. FAO und UNESCO) werden gemäss den Richtlinien des DAC nur teilweise angerechnet. Quelle : DEZA, Aide de la Suisse aux pays en développement. Statistiques 2005, Bern, 2007. Anmerkungen : Die multilaterale Hilfe umfasst die allgemeinen Beiträge an internationale Organisationen. Die Beiträge an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und die spezifischen Beiträge für von der Schweiz ausgewählte Programme sind in der bilateralen Hilfe enthalten.

QUELLEN

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Bernasconi, Jean-Luc, „Wirkungen der allgemeinen Budgethilfe - eine positive Zwischenbilanz“, Die Volkswirtschaft Nr. 12, 2006.

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INTERNET-ADRESSEN

Alliance Sud : http://www.alliancesud.ch

(Tagung zur Hilfe für Afrika : >Themen/Kampagnen >Entwicklungspolitik >Leidet Afrika an zu viel Hilfe ?)

Concord (Confédération européenne des ONG d’urgence et de développement) : http:// www.concordeurope.org.

Coordination Sud (französische NRO für internationale Solidarität) : http:// www.coordinationsud.org.

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) : http://www.deza.admin.ch.

Entwicklungshilfeausschuss der OECD (DAC) : http://www.oecd.org/dac.

Entwicklungszentrum der OECD : http://www.oecd.org/dev-fr.

Forum européen de coopération internationale : http://www.euforic.org.

Interportal (Portal für Entwicklungszusammenarbeit) : http://www.interportal.ch.

Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) : http://www.seco.admin.ch.

SECO, Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit : http://www.seco-cooperation.ch.

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NOTES

1. Betreffend den im Zusammenhang mit der Wirksamkeit der Hilfe eingeleiteten Prozess siehe die Website des DAC http://www.aidharmonisation.org. Eine weitere Website des DAC, http:// www.oecd.org/dac, liefert Informationen zu den von der Organisation behandelten Themen : Wirksamkeit der Hilfe, Hilfestatistik und Peer-Reviews, Konflikt und Frieden, Umwelt und Zusammenarbeit, Informationstechnologien, Millenniums-Entwicklungsziele und Armutsminderung, Stärkung der Handelskapazitäten für die Entwicklung, Befreiung der Hilfe von der Lieferbindung. 2. DAC, Examen par les pairs. Suisse, Paris, OECD, 2005, in Les Dossiers du CAD, Vol. 6, Nr. 3, 2005. 3. DAC, Les lignes directrices du CAD. La réduction de la pauvreté, Paris, OECD, 2001. 4. OECD, Objectif développement. La cohérence des politiques au service du développement. Promouvoir de bonnes pratiques institutionnelles, Paris, OECD, 2005, 182 S. 5. Centre de développement de l’OCDE, Programme de recherche „La cohérence des politiques pour le développement“, http://www.oecd.org/dev. 6. K. Fukasaku, M. Kawai, M.G. Plummer und A. Trzeciak-Duval, La cohérence des politiques des pays de OCDE à l’égard de l’Asie de l’Est : enjeux pour le développement, Cahiers de politique économique, Nr. 26, Centre de développement de l’OCDE, Paris, OECD, 2005. 7. Denis Cognau und Sylvie Lambert, L’aide au développement et les autres flux Nord-Sud : complémentarité ou substitution ?, doc. DEV/DOC(2006)05, Paris, OECD, Juni 2006, 50 S. 8. Die öffentliche Entwicklungshilfe wird von der OECD definiert als Gesamtheit der Finanzflüsse, die den Entwicklungsländern und -gebieten sowie den in der Entwicklung tätigen multilateralen Organisationen 1. vom öffentlichen Sektor, 2. mit dem hauptsächlichen Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung zu erleichtern und die Lebensbedingungen zu verbessern, 3. zu Vorzugsbedingungen (Geschenke oder Darlehen zu günstigeren Zinssätzen als jenen des Marktes) gewährt werden. 9. DAC, Données finales sur l’APD pour 2005, Dezember 2006, 10 S. 10. Quelle : DAC, Coopération pour le développement. Rapport 2006, Paris, OECD, 2007, Statistischer Anhang, Tabelle 25. 11. Ibid, Tabelle 1A. 12. EU Aid : Genuine Leadership or Misleading Figures ? An Independant Analysis of European Governments’ Aid Levels, Joint European NGO Report, April 2006, http://www.eurodad.org/ uploadstore/cms/docs/EuropeanAidReport.pdf. 13. Wenn es weitgehend zugelassen ist, die Stipendien für Studierende aus Entwicklungsländern in die öffentliche Entwicklungshilfe einzuschliessen, wie von der Schweiz gehandhabt, und wenn die Richtlinien des DAC es auch erlauben, die Studien in Bereichen in Verbindung mit der Entwicklung in die öffentliche Entwicklungshilfe einzubeziehen, so schliessen Frankreich (und andere Länder wie Österreich, Deutschland, Belgien und Kanada) auch die Schulgeldaufwendungen der Kosten aller Studenten aus Entwicklungsländern im Hochschulwesen (Abitur und Universitäten in Frankreich) in die öffentliche Entwicklungshilfe ein. Diese Art Kosten, die als „angerechnete Kosten der Studierenden“) („coûts imputés des étudiants“) bezeichnet werden, sind derzeit Gegenstand von Diskussionen im Rahmen des DAC. 14. Coordination Sud, Les ONG européennes dénoncent le gonflement de l’aide aux pays pauvres, Pressemitteilung, 5. April 2006, und L’APD française et la politique de coopération au développement. Etats des lieux, analyses et propositions, März 2006, (150 S. + Anhänge), erhältlich unter http:// www.coordinationsud.org. 15. Coordination Sud schlägt vor, man solle lediglich den Realwert der Schulden, d.h. ungefähr 10 % der Gesamtsumme in die öffentliche Entwicklungshilfe aufnehmen. 90 % der Schuldenerlasse seien in Wirklichkeit der Verzicht auf Forderungen, die von den

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Schuldnerländern niemals zurückgezahlt werden könnten. Der „Marktwert“ einer Schuld dieser Art liege zwangsläufig weit unter ihrem Nominalwert. 16. OECD, Le président du CAD appelle les donneurs à honorer les engagements souscrits à Gleneagles, Pressemitteilung, 6. Dezember 2006. 17. Betreffend die Geschichte der Liste der Hilfeempfängerländer sowie Informationen zur aktuellen Liste und die Liste selbst siehe http://www.oecd.org/cad >Statistiques de l’aide >Liste des bénéficiaires d’APD établie par le CAD. 18. DAC-Statistik, reale Erhöhung unter Berücksichtigung der Inflation und der Wechselkursschwankungen. 19. Das zwischen der Schweiz und Nigeria unterzeichnete bilaterale Entschuldungsabkommen umfasst einen Gesamtbetrag von 244 Millionen Franken. Als Neuerung werden 40 % des geschuldeten Betrags an die Schweiz zurückgezahlt und 60 % erlassen. Dieser Betrag stellt von der Exportrisikogarantie (ERG) gedeckte und vom Bund zurückgekaufte Kredite dar. Ein Grossteil des Entschuldungsabkommens mit dem Irak betrifft ebenfalls Forderungen der ERG aus den 80er Jahren. Das Abkommen umfasst einen Gesamtbetrag von 268 Millionen Franken. Auch in diesem Fall ist eine sich über mehrere Jahre erstreckende Entschuldung vorgesehen. 20. Quelle : http://www.alliance.sud.ch. 21. DEZA, Engagement der lokalen Körperschaften der Schweiz in der internationalen Zusammenarbeit. Stellungnahme und Rolle der DEZA.Bern, 2006. 22. Rede von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, Tagung „Leidet Afrika an zu viel Entwicklungshilfe ?“ organisiert von Alliance Sud, Bern, 24. November 2006, verfügbar unter http://www.alliancesud.ch. 23. Bundesrat, Botschaft über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft, vom 29. November 2006, (BBl 2006, 9617). 24. Bundesrat, Botschaft über die Weiterführung der Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas und der GUS, vom 15. Dezember 2006, (BBl 2007, 559). 25. Bundesrat, Botschaft über einen Rahmenkredit für die globale Umwelt, vom 29. September 2006 (BBl 2006 8525). 26. Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, (GPK-S), Kohärenz und strategische Führung der Aktivitäten der DEZA, 8. Dezember 2006, 35 S. 27. Ibid. S. 11. 28. Ibid., S. 5. 29. Betreffend die Hilfe für Afrika siehe beispielsweise : „Aider l’Afrique ? La question qui dérange“, Le Temps, 31. Oktober 2006 ; „Lutte contre la pauvreté : l’Afrique ratera les Objectifs du Millénaire“, Le Temps, 12. Oktober 2006 ; „Afrique : pourquoi sont-ils si pauvres ?“, Le Courrier, 13. Oktober 2006 ; „L’Afrique, victime de l’aide au développement et des Africains ?“, Le Courrier, 2. Dezember 2006. 30. http://www.alliancesud.ch >Themen/Kampagnen >Entwicklungspolitik >Leidet Afrika an zu viel Hilfe ? Das Dossier enthält den Wortlaut der Tagungsbeiträge, verweist aber auch auf zahlreiche Artikel und Studien, die zu diesem Thema erschienen sind. 31. Siehe folgende Beiträge zu der von Alliance Sud organisierten Tagung : Peter Niggli (Alliance Sud), Afrika ist selber schuld. Der Afrika-Blues der Nichtafrikaner ; Jürg Krummenacher (Caritas), Leidet Afrika an zu viel Hilfe ? 32. Die Strategie des SECO bezüglich der Budgethilfe wird unter http://www.seco- cooperation.admin.ch >Themen >Makroökonomische Unterstützung >Budgethilfe beschrieben. 33. International Development Department (IDD, University of Birmingham) and Associates, Evaluation of General Budget Support : Synthesis Report, University of Birmingham, Mai 2006, 350 S., http://www.oecd.org/dataoecd/42/38/36685401.pdf. Der Bericht hat folgende Länder untersucht : Burkina Faso, Malawi, Mosambik, Nicaragua, Ruanda, Uganda und Vietnam.

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34. Andrew Lawson, Richard Gerster and David Hoole, Learning from Experience with Performance Assessment Frameworks for General Budget Support, Synthesis Report, November 2005, erhältlich unter http://www.seco-cooperation.ch >Themen >Makroökonomische Unterstützung >Budgethilfe. 35. „Mehr Verantwortung unterstützter Staaten. Budgethilfe - Ein kontroverses Mittel der Entwicklungspolitik“, Neue Zürcher Zeitung, 1. Juli 2006. 36. Siehe insbesondere Jean-Luc Bernasconi, „Wirkungen der allgemeinen Budgethilfe - eine positive Zwischenbilanz“, Die Volkswirtschaft Nr. 12, 2006. 37. Siehe insbesondere „L’aide budgétaire comme instrument de la coopération au développement. Simple en théorie, ardu en pratique“, Global+ Nr. 19, Frühjahr 2006. „Débat sur l’aide budgétaire aux pays en développement. Tout sauf une panacée“, Global+ Nr. 20, Sommer 2006. 38. DEZA, Korruptionsbekämpfung. Leitlinien, Bern, 1998. 39. DEZA (Sektion Gouvernanz), Korruption bekämpfen. DEZA-Strategie, Bern, 2006, 22 S. 40. Internationales Jahr der Berge 2002, Internationales Jahr des Wassers 2003, Internationales Jahr des Sports 2005. 41. DEZA, Face à la sécheresse(projets et programmes de la DDC de lutte contre la désertification et dans les régions semi-arides), Bern, 2006, 36 S. (frz. und engl.) 42. Weltbank, Rapport sur le développement dans le monde 2007. Le développement et la prochaine génération, Washington, Banque mondiale, 2006. 43. Siehe Projektbeispiele auf der Website der DEZA unter http://www.deza.admin.ch >Jugend und Entwicklung. Siehe auch die Website von SECO und DEZA für Jugendliche : http:// www.youth-too.ch. 44. DEZA/SECO, „Entwicklung heisst Partnerschaft. Jahreskonferenz der Entwicklungszusammenarbeit“, Pressemitteilung,25. August 2006. „Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe“, Neue Zürcher Zeitung, 26.-27. August 2006. 45. Betreffend die Schwerpunktländer der DEZA, siehe die Tabelle über bilaterale Hilfe im Statistischen Teil dieses Jahrbuchs. Für zusätzliche Informationen über die Länderpogramme, siehe auch die Website der DEZA unter http://www.deza.admin.ch >Länder. 46. Für zusätzliche Informationen zu diesen Schwerpunktthemen siehe http:// www.deza.admin.ch >Themen.

ABSTRACTS

Nach einer Periode der Stagnation in den 90er Jahren hat sich die öffentliche Entwicklungshilfe der meisten Mitgliedsländer des OECD-Entwicklungshilfeausschusses (DAC), darunter auch die Schweiz, in den letzten Jahren stark erhöht. Das Volumen der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe der DAC-Länder verdoppelte sich seit 2001 und stieg zwischen 2001 und 2005 von 52,3 auf 106,8 Milliarden Dollar an. Im gleichen Zeitraum nahm die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz von 1,5 auf 2,2 Milliarden Franken zu. Nachdem die Hilfe zwischen 1993 und 2002 einen Durchschnitt von 0,32 bis 0,36 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) erreicht hatte, stieg sie von 0,33 Prozent des BNE im Jahr 2002 auf 0,44 Prozent im Jahr 2005. Die Schweiz, die sich dem Ziel der Vereinten Nationen für die öffentliche Entwicklungshilfe zur Erreichung von 0,7 Prozent des BNE nicht angeschlossen hat, engagierte sich auf dem Erdgipfel in

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Rio 1992, nach und nach das Ziel von 0,4 Prozent des BNE zu erreichen. Die Zusammensetzung der Hilfe hat sich jedoch geändert, wobei der Anteil der traditionellen technischen Zusammenarbeit und humanitären Hilfe immer geringer wird. Die Steigerung der öffentlichen Entwicklungshilfe ist zum grossen Teil auf neue Aufgaben der internationalen Zusammenarbeit (globale Umwelt, Friedensförderung) oder auf die verstärkte Einbeziehung anderer Komponenten in das Aggregat der öffentlichen Entwicklungshilfe (Aufwendungen für den Aufenthalt der Flüchtlinge in den Geberstaaten, Entschuldungsmassnahmen) zurückzuführen. Mehrere NRO-Koalitionen in der Schweiz oder in der Europäischen Union prangern diese neuen Berechnungsmethoden an, die sie als „Buchhaltungstricks“ bezeichnen, um die öffentliche Entwicklungshilfe aufzublähen, ohne zusätzliche Gelder für die langfristige Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Neben den Zielen für die Anhebung der öffentlichen Entwicklungshilfe, die zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele erforderlich ist, muss die Entwicklungszusammenarbeit auch mehr denn je die Notwendigkeit und die Wirksamkeit der internationalen Kooperation von neuem rechtfertigen. Im Jahr 2006 wurden in der Schweiz Reflexionen (mit kontrastierten Meinungen) zur Wirksamkeit der Hilfe für Afrika und zu einem neuen Instrument der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, der Budgethilfe, durchgeführt. 2007 wird ein wichtiges Jahr für die Erneuerung mehrerer Rahmenkredite der Entwicklungszusammenarbeit durch das Parlament und für die Festsetzung der Gesamtbeträge für die internationale Zusammenarbeit wie auch der Prioritäten der Hilfe.

AUTHOR

GÉRARD PERROULAZ Lehr- und Forschungsbeauftragter am IUED.

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3. Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS

Tanja Guggenbühl

3.1. Neues Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas

1 Am 26. November 2006 haben die Schweizer Stimmbürger das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas mit 53,4 Prozent Jastimmen angenommen1. Die Spaltung ergab sich vor allem zwischen Stadt und Land2. Das Tessin hat das Gesetz mit 62,9 Prozent abgelehnt. Im März 2006 hatte das Parlament das Gesetz über die Ostzusammenarbeit mit grosser Mehrheit angenommen3, doch machte das von der konservativen Rechten eingebrachte Referendum eine Volksabstimmung erforderlich.

2 Das neue Gesetz über die Ostzusammenarbeit dient als Rechtsgrundlage für zwei Formen der Schweizer Hilfe : zum einen für den EU-Erweiterungsbeitrag der Schweiz, zum anderen für die Fortsetzung der Transitionshilfe an die ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas und Zentralasiens in Ersetzung des Bundesbeschlusses von 1995. Die Geltungsdauer des neuen Gesetzes ist auf zehn Jahre beschränkt.

3.1.1. Referendum und Kampagnen in Verbindung mit der Volksabstimmung

3 Im Juli 2006 ergriffen drei Komitees ein Referendum gegen das Osthilfegesetz4. Diese Komitees wurden hauptsächlich von der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS), den Schweizer Demokraten und der Lega dei Tecinesi unterstützt. Die SVP kündigte in ihrer Argumentation an, sie widersetze sich nicht dem Prinzip der Zahlung einer Milliarde Franken als Kohäsionsbeitrag für die neuen EU-Staaten, sondern lediglich den Parlamentsbeschlüssen betreffend die finanzielle Verwaltung des Beitrags. Wörtlich

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führte die SVP an : „Das vorliegende Gesetz entspricht einem Freipass für nach oben offene Zahlungen an die EU, ohne dass eine Kompensation im Budget geregelt würde.“5 Zum anderen prangerte die SVP die vom Bundesrat beschlossenen Finanzierungsmodalitäten an, die eine Kompensation des Beitrags auch aus dem allgemeinen Bundeshaushalt und nicht nur durch Kürzungen bei den Budgets der beiden betroffenen Departmente vorsehen6.

4 Die Argumente des Bundesrates zugunsten des Osthilfegesetzes betrafen im Wesentlichen den Kohäsionsbeitrag, da die traditionelle Osthilfe von den Initiatoren des Referendums nicht infrage gestellt wurde. Die Hauptargumente waren die Festigung des bilateralen Wegs sowie die politischen und wirtschaftlichen Vorteile für die Schweiz. Das Argument der schweizerischen Solidarität trat hingegen eher in den Hintergrund. Der Bundesrat hob somit den entscheidenden Ausgang der Volksabstimmung für die Konsolidierung des bilateralen Wegs und die Förderung der Interessen der Schweiz in den bilateralen Beziehungen hervor. Er legte auch die politischen Vorteile eines solchen Beitrags dar – insbesondere was Sicherheit, Stabilität und Migrationsverhütung betrifft – wie auch die wirtschaftlichen Vorteile dank der Öffnung der Märkte der neuen EU-Mitgliedsländer. Schliesslich verwies der Bundesrat auf die Mitveranwortung, welche die Schweiz bei der Förderung von Demokratie und Armutsbekämpfung in Europa trage.

5 Ein Bündnis verschiedener Parteien nahm an der Kampagne für die Annahme des Gesetzes teil, um gegen das Referendum anzugehen. Die Koalition „Die Zusammenarbeit mit Europa kommt allen zugute“ umfasste Vertreter der Sozialdemokratischen Partei, der Freisinnigen, der Liberalen Partei, der Evangelischen Partei und der Grünen. Die Christlich-demokratische Partei führte ihre eigene Kampagne zugunsten des Osthilfegesetzes durch.

6 Die Wirtschaftsverbände schlossen sich ebenfalls zusammen, um für das Gesetz Kampagne zu machen. economiesuisse führte insbesondere die Vorteile der Ostzusammenarbeit an. Die Schweizer Wirtschaft sei auf gute Beziehungen zum wichtigsten Handelspartner angewiesen. Würde das Volk die Vorlage ablehnen, müsste die Schweiz mit negativen Konsequenzen rechnen. Wörtlich erklärte economiesuisse : „Nimmt die Beziehung Schaden, leiden darunter Schweizer Unternehmen. Sie hätten in den aufstrebenden Märkten einen schweren Stand“7.

7 Die Vertreter der Hilfswerke, die ihre Besorgnisse bezüglich Budgetkürzungen bei der öffentlichen Entwicklungshilfe für die Kompensation der Kohäsionsbeiträge zur EU- Erweiterung klar zum Ausdruck gebracht hatten, haben schliesslich für das Gesetz Kampagne gemacht. Der Beschluss des Bundesrates, einen Teil der Milliarde aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren, wie auch seine erneute Bekräftigung, die Südhilfe nicht zu belangen, brachten die Hilfswerke dazu, das Bundesgesetz zur Ostzusammenarbeit aktiv zu unterstützen8.

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Tabelle 3.1 : Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas

a Die Zahlungen werden sich jedoch über rund zehn Jahre (2007-2016) erstrecken. b Dabei handelt es sich um die zehn Länder, die der Europäischen Union im Mai 2004 beigetreten sind. c Nach dem EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien im Januar 2007 werden die Hilfsprogramme der Schweiz in diesen Ländern allmählich eingestellt. d Die Hilfe an die Russische Föderation wird wahrscheinlich ab 2008 eingestellt.

3.2. Beitrag der Schweiz zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten in der erweiterten Europäischen Union

8 Das neue Gesetz über die Ostzusammenarbeit bildet die Rechtsgrundlage für den Schweizer Beitrag zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten in der erweiterten EU. Die Schweiz wird im Rahmen ihres Kohäsionsbeitrags Projekte und Programme in den zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten finanzieren (siehe Tabelle 3.1) – mit besonderem Schwerpunkt auf den wirtschaftlich und sozial benachteiligten Regionen.

9 Hierzu ist zu betonen, dass diese Projekte nicht unter die Entwicklungszusammenarbeit fallen, sondern als Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU durchgeführt werden.

3.2.1. Memorandum of Understanding mit der EU über den Beitrag der Schweiz

10 Ein am 27. Februar 2006 unterzeichnetes Memorandum of Understanding9 (oder politische Absichtserklärung) zwischen der Schweiz und der Europäischen Union legt die Modalitäten des Schweizer Beitrags an die zehn neuen EU-Staaten fest.

11 Die der Unterzeichnung vorangegangenen Verhandlungen waren langwierig. Bereits im Jahr 2004, als die Schweiz im Begriff war, die zweite Runde der bilateralen Verhandlungen abzuschliessen, hatte sie die Absicht erklärt, einen EU- Kohäsionsbeitrag von einer Milliarde Franken zu leisten.

Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 3, 3.1. EU-Osterweiterung, S. 37-38.

12 Bevor das Abkommen unterzeichnet werden konnte, geriet die Ratifizierung der Bilateralen II zwischen der Europäischen Union und der Schweiz wegen Form und Inhalt des Schweizer Kohäsionsbeitrags ins Stocken10. Die hauptsächlichen Streitpunkte betrafen die Verteilung und Aufteilung des Schweizer Beitrags, das heisst die Autonomie der Schweiz, ihren Beitrag selbst zu verwalten. Die EU wünschte, dass der schweizerische Beitrag in den europäischen Kohäsionsfonds eingezahlt werde, der auch Spanien, Portugal und Griechenland zugute kommt. Hingegen wollte der Bundesrat

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einerseits eine bilaterale Hilfe mit jedem Empfängerland einsetzen (und keine Zahlung an den Kohäsionsfonds leisten), und andererseits seine Hilfe nur auf die neuen EU- Staaten beschränken. Die EU akzeptierte die Entscheidung der Schweiz schliesslich Anfang Februar 2006.

13 Bei der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding wies Bundesrätin Micheline Calmy-Rey darauf hin, dass der Beitrag der Schweiz ein Akt der Solidarität sei und gleichzeitig auch die Interessen der Schweiz wahre, da die Integration der neuen Mitgliedsstaaten in die europäischen Institutionen eine Garantie für Stabilität und Wohlstand des gesamten Kontinents darstelle11.

14 Das völkerrechtlich nicht verbindliche Memorandum of Understanding legt den Betrag und die Dauer des Engagements (das auf fünf Jahre beschränkt ist, aber eine Staffelung der Auszahlungen über zehn Jahre vorsieht), ferner die Aufteilung nach Ländern und die Einsatzbereiche fest. Folgende vier Schwerpunktbereiche wurden festgelegt : Sicherheit, Stabilität und Reformen ; Infrastruktur und Umwelt ; Förderung des Privatsektors ; menschliche und soziale Entwicklung.

15 Gemäss dem Memorandum of Understanding wird das Hauptempfängerland der Schweizer Hilfe (mit fast 50 % des Beitrags) Polen sein, gefolgt von Ungarn (131 Millionen Franken) und der Tschechischen Republik (110 Millionen Franken). Dieser von der EU vorgeschlagene Verteilschlüssel beruht auf demographischen und sozioökonomischen Kriterien. Die drei genannten Länder, wie auch die anderen neuen EU-Mitglieder werden somit erneut von der Schweiz unterstützt. Ein Teil von ihnen hatte bereits Transitionshilfe erhalten, die in der zweiten Hälfte der 90er Jahre finalisiert worden war.

3.2.2. Parlamentsdebatten zur Finanzierung des Schweizer Beitrags

16 Zuerst hatte der Bundesrat beschlossen, den Kohäsionsbeitrag durch Kompensation in den beiden betroffenen Departementen – Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und Volkswirtschaftsdepartement (EVD) – zu finanzieren. Angesichts des scharfen Protests der Hilfswerke gegen Kürzungen bei der Entwicklungshilfe, der im Parlament vor allem durch die Motion Leuthard zum Ausdruck kam, sah sich der Bundesrat gezwungen, seinen Beschluss zu revidieren.

Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 3, Debatte um EU-Kohäsionszahlungen und die Osthilfe, S. 41.

17 Die vom Parlament im Juni 2006 angenommene Motion Leuthard12 beauftragt den Bundesrat, den Beitrag der Schweiz nicht auf Kosten der öffentlichen Entwicklungshilfe zu finanzieren.

18 Im Juni 2006 kündigte der Bunderat eine Neuverteilung der Kompensationen des Erweiterungsbeitrags an13. 60 Prozent der Ausgaben entfallen auf die Budgets von EDA und EVD und 40 Prozent werden aus dem allgemeinen Bundeshaushalt refinanziert, insbesondere aus den Einnahmen, die sich aus der Umsetzung des mit der EU unterzeichneten Zinsbesteuerungsabkommens ergeben14. Ferner bestätigte der Bundesrat, dass die Kompensation keine Auswirkungen auf die Entwicklungshilfe für die Länder des Südens haben werde. Die Finanzierungsfrage soll erst im Sommer 2007 durch Parlamentsbeschluss geregelt werden.

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3.2.3. Nächste Etappen des Erweiterungsbeitrags

19 Auf der Grundlage des neuen Gesetzes über die Ostzusammenarbeit hat der Bundesrat im Parlament die Annahme eines Rahmenkredits von einer Milliarde Franken für den Kohäsionsbeitrag der Schweiz beantragt. „Dabei handelt es sich um einen Verpflichtungskredit des Bundes über fünf Jahre. Gemäss aktuellen Berechnungen werden sich die (...) Auszahlungen über ca. zehn Jahre (2007-2016) erstrecken“15. Der Antrag wird von den Eidgenössischen Räten an der Frühjahrs- und Sommersession 2007 behandelt.

20 Nach endgültiger Annahme des Rahmenkredits erteilt das Gesetz dem Bundesrat die Kompetenz, mit den zehn Empfängerländern bilaterale Rahmenabkommen auszuhandeln. Somit wird die Schweiz – in enger Zusammenarbeit mit jedem Empfängerland – die Umsetzung ihres Beitrags zu Hilfsprojekten und -programmen festlegen. Die Verhandlungen stützen sich auf die im Memorandum of Understanding festgelegten Grundsätze. Die Verantwortung für die operationelle Projektumsetzung obliegt den Empfängerländern ; die Schweiz übernimmt ihrerseits die Begleitung, Kontrolle und Evaluation der Projekte. Die ersten Projekte sollten bereits ab 2007 eingeleitet werden.

3.3. Transitionshilfe für Osteuropa und die GUS

21 Da die Gültigkeit des auf zehn Jahre befristeten Bundesbeschlusses von 1995 zu Ende geht, musste die Gesetzesgrundlage der Transitionshilfe für Osteuropa und die GUS von den Eigenössischen Räten erneuert werden. So ermöglicht es das von Parlament und Volk angenommene Bundesgesetz über die Ostzusammenarbeit der Schweiz, ihre technische und finanzielle Zusammenarbeit mit den Oststaaten fortzusetzen.

3.3.1. Schwerpunktbereiche und Einsatzländer von DEZA und SECO

22 Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und das Staats sekretariat für Wirtschaft (SECO) sind in zehn Schwerpunktländern aktiv16 und führen zwei Regionalprogramme im Südkaukasus und in Zentralasien durch. Im Jahr 2005 wurde die humanitäre Tätigkeit in Moldawien durch ein Programm für technische Zusammenarbeit ergänzt. Das Programm umfasst hauptsächlich Unterstützung in den Bereichen Mikrokredit, Berufsbildung und Verbesserung der medizinischen Behandlung.

23 Die den mitteleuropäischen Ländern und den Baltischen Staaten nach dem Fall der Berliner Mauer gewährte Transitionshilfe wurde ab 1997 schrittweise in andere Gebiete, vor allem nach Südosteuropa und in die GUS verlagert. Im Jahr 2004 erhielt nur noch die Slowakei Hilfe von der Schweiz in Höhe von 1,6 Millionen Franken. 2005 war die schweizerische Transitionshilfe für Mitteleuropa vollständig finalisiert.

24 Die zehn der Europäischen Union im Jahr 2004 beigetretenen Länder werden nach den neuen Kriterien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Übrigen nicht mehr als Entwicklungshilfeempfängerländer angesehen (siehe Rahmentext).

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Jahrbuch 2007, Nr. 1, Statistiken, Teil C, Tabelle C.11, Bilaterale Osthilfe von DEZA und SECO, 1996-2005.

Neue DAC-Liste der Hilfeempfängerländer

2005 beschloss der Entwicklungshilfeausschuss (DAC) der OECD, die Liste der Hilfeempfängerländer zu ändern. Diese zuvor aus zwei Teilen (Empfänger öffentlicher Entwicklungshilfe und Empfänger öffentlicher Hilfe) bestehende Liste umfasst jetzt nur noch einen Teil.

Empfängerländer der öffentlichen Hilfe waren bis 2005 (gemäss Mitteilungen von 2004) folgende Staaten : Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Russland, die Slowakei, Tschechien, die Ukraine, Ungarn und Weissrussland. Die Ukraine und Weissrussland wurden in die neue Liste der Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe integriert. Die anderen Länder werden in der DAC- Statistik nicht mehr aufgeführt.

Somit umfasst die neue Liste der Hilfeempfängerländer nur noch Empfänger der öffentlichen Entwicklungshilfe, das heisst alle Länder mit geringem und mittlerem Einkommen, ausser den Mitgliedsstaaten der G-8 oder der Europäischen Union (einschliesslich Bulgarien und Rumänien, die der EU im Januar 2007 beigetreten sind). Die neue Liste wird für Daten ab 2005 angewendet.

Jahrbuch 2007, Nr. 1, DAC-Liste der Hilfeempfängerländer am Schluss des Jahrbuchs.

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Tabelle 3.2 : DEZA/SECO : Bilaterale Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS nach Sektoren und Regionen, 2005 (in Millionen Franken)

a Seit 2005 haben DEZA und SECO eine neue Sektorklassifikation eingeführt. Für die DEZA waren die früheren Sektoren : Politik und Staatsaufbau, Wirtschaft/Bildung, Wissenschaft/Kultur, Landwirtschaft, Gesundheit/Soziales, Energie/Umwelt, andere Sektoren ; für das SECO : Energie, Umwelt, Infrastruktur, Finanzsektor, Handel, Investitionsförderung, andere Sektoren. Quelle : DEZA und SECO, Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2005, Bern, Tabelle 10, S. 21

3.3.2. Folgen des Erweiterungsbeitrags für die traditionelle Hilfe

25 Der Beitrag der Schweiz zur EU-Erweiterung kann Auswirkungen auf die Transitionshilfe für die Staaten Osteuropas und der GUS haben. Gemäss dem Finanzplan des Bundesrates vom Juni 2006 werden 60 Prozent der vorgesehenen Ausgaben (d.h. 60 Millionen Franken pro Jahr) durch Kürzungen des Transitions- hilfebudgets kompensiert. Obwohl die genauen Folgen für die Oststaaten derzeit noch nicht vorliegen, sind insbesondere Kürzungen durch Einstellung der Hilfsprogramme für Bulgarien, Rumänien und Russland vorgesehen. Jedoch wird Brüssel von der Schweiz sicherlich einen Kohäsionsbeitrag für die Länder Bulgarien und Rumänien fordern, die der EU am 1. Januar 2007 beigetreten sind.

26 Das Jahresbudget der schweizerischen Hilfe für die Transitionsländer, das 200 Millionen Franken erreicht und zwischen DEZA und SECO aufgeteilt ist, wird wahrscheinlich reduziert werden. Ein neuer Jahresbetrag von 140 bis 160 Millionen Franken wurde vom Bundesrat diesbezüglich genannt17. Der neue Finanzbetrag wird jedoch vom Parlament festgelegt.

27 Hierzu wurde dem Parlament vom Bundesrat ein vierter Rahmenkredit für die Fortsetzung der Transitionshilfe unterbreitet. Der Bundesrat beantragte die Gewährung eines Betrags von 650 Millionen Franken für eine Laufzeit von mindestens vier Jahren18.

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BIBLIOGRAPHY

QUELLEN

DEZA/SECO, Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2005, Bern.

Integrationsbüro EDA/EVD, DEZA und SECO, „Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten Europäischen Union“, Informationsblatt, Februar 2006.

Integrationsbüro EDA/EVD, DEZA und SECO, „Bundesgesetz Ostzusammenarbeit, Transitionshilfe und Erweiterungsbeitrag“, Informationsblatt, Oktober 2006.

Rat der Europäischen Union und Schweizerischer Bundesrat, Vereinbarung, http:// www.bundesgesetzost.admin.ch >Dokumentation >Offizielle Texte.

Alliance Sud, „Warum die Hilfswerke Ja sagen zum Osthilfegesetz“, Dossier für die Medienkonferenz vom 20. Oktober 2006, http://www.alliancesud.ch >Themen/Kampagnen >Entwicklungspolitik >Spezialdossier EU-Kohäsionsbeitrag >Dossier Medienkonferenz vom 20. Oktober 2006. economiesuisse, „Ohne Risiko weiter auf dem bewährten Weg. Konstruktive Zusammenarbeit mit Osteuropa“, dossierpolitik Nr. 35.2, 9. Oktober 2006.

SVP, „Bezahlen ohne Ende ? 2xNein zum Zulagen-Gesetz und den Ost-Milliarden“, Argumentarium, 25. September 2006.

Le Temps, „Une histoire de milliard“, 30. Oktober 2006.

INTERNET-ADRESSEN

Bundesversammlung, Zusammenarbeit mit Osteuropa : http://www.parlament.ch/d/do-osthilfe.

EDA und EVD, Beitrag zur Erweiterung der Europäischen Union : http:// www.erweiterungsbeitrag.ch.

Integrationsbüro EDA/EVD : http://www.europa.admin.ch.

NOTES

1. Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas vom 24. März 2006 (BBl 2006 3529). 2. Die durchschnittliche Annahmequote für die städtischen Gemeinden war 55,9 % gegenüber 43,6 % für die ländlichen Gemeinden. Quelle : Bundesamt für Statistik (BFS), „Abstimmung vom 26. November 2006“, http://www.bfs.admin.ch >Politik >Abstimmungen. 3. Das Gesetz wurde vom Nationalrat mit 127 Stimmen (bei 53 Gegenstimmen und 14 Enthaltungen) und vom Ständerat mit 37 Stimmen (bei einer Gegenstimme und 6 Enthaltungen) verabschiedet.

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4. Das „Referendumskomitee gegen die Milliardenzahlungen an die EU“, das „Komitee gegen die Ost-Milliardezahlung“ und das „Komitee gegen die Ost-Milliardezahlung c/o Schweizer Demokraten“. 5. SVP, „SVP-Referendum gegen das Osthilfegsetz“, Pressecommuniqué vom 24. März 2006. 6. SVP, „Bezahlen ohne Ende ? 2xNein zum Zulagen-Gesetz und den Ost-Milliarden“, Argumentarium, 25. September 2006. 7. economiesuisse, „Ohne Risiko weiter auf dem bewährten Weg. Konstruktive Zusammenarbeit mit Osteuropa“, dossierpolitik Nr. 35.2, 9. Oktober 2006. 8. Alliance Sud, „Warum die Hilfswerke Ja sagen zum Osthilfegesetz“, Dossier für die Medienkonferenz vom 20. Oktober 2006, http://www.alliancesud.ch >Themen/Kampagnen >Entwicklungspolitik >Spezialdossier EU-Kohäsionsbeitrag >Dossier Medienkonferenz vom 20.10.2006. 9. Memorandum of Unterstanding : http://www.bundesgesetzost.admin.ch> Dokumentation >Offizielle Texte. Integrationbüro EDA/EVD, „Memorandum of Unterstanding (Erweiterungsbeitrag)“, Pressemitteilung vom 27. Februar 2006. 10. Swissinfo, „Kohäsion : Brüssel löst endlich den Knoten“, 8. Februar 2006. 11. Integrationbüro EDA/EVD, Mündliche Stellungnahme von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, Brüssel, 27. Februar 2006, http://www.europa.admin.ch. 12. 05.3808, Motion Disparitätenzahlungen, eingereicht von Leuthard Doris am 14. Dezember 2005 im Nationalrat. Siehe : http://www.parlament.ch >Curia Vista – Geschäftsdatenbank >Suche nach Vorstössen und Geschäften. 13. EDA/EVD, „Finanzierung des Beitrags der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU“, Pressemitteilung vom 16. Juni 2006. 14. Das Zinsbesteuerungsabkommen sollte jährlich 50 Millionen Franken durch Zinsbesteuerung der Spareinlagen europäischer Steuerzahler in die Bundeskasse einbringen. 15. EDA/EVD, „Bundesrat genehmigt die Rahmenkredite für die traditionelle Osthilfe und den Erweite rungsbeitrag“, Pressemitteilung vom 15. Dezember 2006. 16. Es handelt sich um Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Mazedonien, Rumänien, Serbien und die Ukraine sowie um die Russische Föderation, Moldawien und den Kosovo, für die Sonderprogramme bestehen. 17. Schweizerische Eidgenossenschaft, Volksabstimmung vom 26. November 2006, Erläuterungen des Bundesrates, Informationsblatt. 18. EDA/EVD, „Bundesrat genehmigt die Rahmenkredite für die traditionelle Osthilfe und den Erweite rungsbeitrag“, Pressemitteilung vom 15. Dezember 2006.

ABSTRACTS

Die Transitionshilfe der Schweiz für Osteuropa und die GUS hat eine neue Gesetzesgrundlage. Das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas wurde vom Schweizer Volk am 26. November 2006 mit 53,4 Prozent Jastimmen nach einem Referendum angenommen. Das Gesetz umfasst auch die rechtliche Grundlage für den Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten Europäischen Union (EU). Es bestätigt somit die politische Absichtserklärung, die der Bundesrat in Form eines Memorandum

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of Understanding mit Brüssel im Februar 2006 unterzeichnet hatte. Das Memorandum legt die allgemeinen Modalitäten des Beitrags der Schweiz für die zehn neuen EU-Staaten fest. Der Bundesrat hat hierzu einen Rahmenkredit von einer Milliarde Franken zu Händen der Eidgenössischen Räte genehmigt. Zum anderen wurde die traditionelle Ostzusammenarbeit der Schweiz im Jahr 2006 fortgesetzt. Der Bundesrat hat dem Parlament einen Antrag für einen vierten Rahmenkredit unterbreitet, dessen Betrag jedoch geringer als bei den drei vorhergehenden Rahmenkrediten ist. Diese Frage wird von den Eidgenössischen Räten im Frühjahr 2007 diskutiert.

AUTHOR

TANJA GUGGENBÜHL Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IUED.

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4. Humanitäre Hilfe

Gérard Perroulaz

4.1. Neuer Rahmenkredit für die humanitäre Hilfe 2007-2011

1 Am 29. November 2006 hat der Bundesrat die Botschaft über die -1verabschiedet. Der Rahmenkredit setzt den Gesamtbetrag für die Finanzierung der Einsätze humanitärer Hilfe auf 1,5 Milliarden Franken für die Laufzeit von Mitte 2007 bis 2011 fest. Im ersten Teil der Botschaft werden die gegenwärtigen humanitären Herausforderungen sowie die Stossrichtungen der humanitären Hilfe für die nächsten Jahre angeführt. Im zweiten Teil wird zu den von 2001 bis 2005 erfolgten Einsätzen Bilanz gezogen. Ferner werden die Beziehungen der humanitären Hilfe zu den übrigen Bereichen der DEZA und den anderen Ämtern der Bundesverwaltung beschrieben.

4.1.1. Herausforderungen der humanitären Hilfe

2 Die humanitäre Hilfe muss sich zahlreichen Herausforderungen stellen, welche komplex und oft nicht sofort lösbar sind. Die Zahl der zwischenstaatlichen Konflikte wie auch die Anzahl der Flüchtlinge ist zwar seit Anfang der 90er Jahre beträchtlich zurückgegangen, hingegen weist die Botschaft auf die starke Zunahme der in den Ländern intern Vertriebenen hin, deren Anzahl zwischen 1982 und 2003 von 3 auf 23 Millionen gestiegen ist. Die Art der Konflikte hat sich somit verändert. An die Stelle des klassischen Kriegs zwischen zwei Staaten ist eine Vielzahl interner Konflikte zwischen zahlreichen bewaffneten Gruppen und mit erhöhter Gewalt gegen die Zivilbevölkerung getreten. Der Zugang zu den Opfern und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts sind schwierigergeworden. Jede Region hat ihre eigenen Probleme in einem besonderen historischen, kulturellen und sozialen Umfeld. Die Regierungsfähigkeit der Staaten ist angesichts der Kriminalisierung von Konflikten – namentlich in Form von Menschenhandel oder Handel mit Edelmetallen und Energieträgern zum Kauf von Waffen – oftmals geschwächt.

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3 Gewisse humanitäre Krisensituationen sind oft stark mediatisiert, was positive wie auch negative Aspekte hat. Die Mediatisierung ermöglicht es, Aufmerksamkeit zu erregen, finanzielle Ressourcen zu mobilisieren und zu konzentrieren, um der betroffenen Bevölkerung zu Hilfe zu kommen. Jedoch können diese Ressourcen dann für andere, weniger mediatisierte Krisen fehlen. Eine Stärkung der Einsatzkapazitäten der internationalen humanitären Hilfe ist notwendig.

4 Weiter hebt die Botschaft des Bundesrates hervor : „Humanitäre Krisen könnten oft vermieden werden. Hinter einer Dürre, einem Konflikt oder einer technologischen Katastrophe verbirgt sich meistens eine Vielfalt von Faktoren : Armut, soziale Ungerechtigkeit, schlechte Regierungsführung, Klimawandel und das Fehlen von Strategien zur Vorbereitung auf solche Risiken“2.

4.1.2. Aufgabenfelder der internationalen humanitären Hilfe des Bundes

5 Die DEZA hat die Schwerpunkte der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft (nachstehend „Humanitäre Hilfe des Bundes“) in ihrer Strategie 2005 der humanitären Hilfe3 festgelegt. entfaltet seine humanitäre Tätigkeit auf bilateraler und multilateraler Ebene in den vier folgenden Aufgabenbereichen : • Prävention mit dem Ziel, die Opferzahl und die Schäden bei Naturkatastrophen zu reduzieren. Die DEZA hat beschlossen, der Schaffung von Synergien zwischen der humanitären Hilfe und den Programmen der Entwicklungszusammenarbeit im Präventionsbereich grössere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. • Nothilfe zur Rettung und Überlebenssicherung von Menschen, die von Katastrophen und Konflikten heimgesucht werden. Die direkte Nothilfe des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) verfügt über mehrere Interventionsmechanismen, darunter Soforteinsatzteams, um die Bedürfnisse zu analysieren, erste Nothilfemassnahmen zu ergreifen und die Koordination mit den anderen Akteuren der internationalen Hilfe vor Ort sicherzustellen. Die Rettungskette Schweiz kommt bei Erdbeben zum Einsatz, um verschüttete Personen aus den Trümmern zu bergen und erste Hilfe zu leisten. Die Überlebenshilfe ermöglicht anschliessend, Notunterkünfte zu errichten und die Versorgung mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln zu gewährleisten. • Wiederaufbau nach Katastrophen und Konflikten, um die Basisinfrastruktur (Krankenhäuser, Schulen, Unterkünfte, Verkehrsverbindungen, usw.) wieder instand zu setzen. Ferner geht es darum, Güter und Material zur Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit oder für die Reparatur von Häusern bereitzustellen und die Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen. • Schutz- und Anwaltschaftfür die Opfer und deren Rechte. Die DEZA unterstützt humanitäre Akteure, die ein spezifisches Schutzmandat haben. Sie kann auch die Aufmerksamkeit der Behörden auf betroffenene Personen lenken, die Öffentlichkeit sensibilisieren und an die Verpflichtung erinnern, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren und für dessen Einhaltung zu sorgen. Diese Aktionen sollen in Zukunft noch verstärkt werden.

6 Die DEZA wacht bei ihrer Tätigkeit über die Anwendung des Prinzips Do No Harm. Das Prinzip erleichtert die systematische Festlegung von Methoden zur Umsetzung der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit, die bei der Regelung von Konflikten zur Stärkung der lokalen Kräfte für die Förderung von Frieden und

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Entwicklung beitragen sollen, anstatt Spannungen mangels Aufmerksamkeit zu schüren.

4.1.3. Beziehungen der DEZA zu anderen Bundesämtern

7 Die DEZA setzt die Politik der humanitären Hilfe der Schweiz um. Diese Politik hat jedoch offensichtliche Zusammenhänge mit anderen Tätigkeitsbereichen des Bundes : humanitäres Völkerrecht, Beteiligung an der Definition der Politik und der Praktiken auf internationaler Ebene (Policy-making), Menschenrechtspolitik, Politik der Flüchtlingsaufnahme, Friedensförderung, längerfristige Entwicklungszusammenarbeit. Die Botschaft setzt den Schwerpunkt besonders auf die erforderliche Abstimmung und Koordination mit anderen Tätigkeiten der Bundesverwaltung, wobei sie folgende Aspekte herausstellt : • Entwicklungspolitik. Friede und Stabilität werden auch durch langfristige Aktionen zur Armutsbekämpfung und zur Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gesichert. Da die Nothilfe sich nicht von den langfristigen Aktionen trennen lässt, muss der Konfliktverhütung im Rahmen von Programmen der Entwicklungszusammenarbeit und einer gleichzeitigen Umsetzung der Wiederaufbaumassnahmen und der Massnahmen langfristiger Zusammenarbeit nach Konflikten besondere Aufmerksamkeit zukommen. • Friedenspolitik. Die Einsätze der humanitären Hilfe werden durch Massnahmen der zivilen Friedensförderung und der Stärkung der Menschenrechte ergänzt, die von der Politischen Abteilung IV „Menschliche Sicherheit“ durchgeführt werden. Die Förderung von Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten kann dazu beitragen, gewisse Krisen zu verhüten und die Schwierigkeiten beim Zugang zu Opfern von Krisen und Konflikten zu lösen. • Vertreibung und Migration. Die Präventionsmassnahmen und die Nothilfe tragen dazu bei, Zwangsvertreibungen der betroffenen Bevölkerung zu begrenzen und die Vertreibung auf nahe gelegene Gebiete zu beschränken. Die Unterstützung beim Wiederaufbau ermöglicht die raschere Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Ursprungsregion. In der Schweiz wird die Interdepartementale Leitungsgruppe Rückkehrhilfe (ILR) vom Bundesamt für Migration (BFM) und der DEZA gemeinsam geführt. Dieses Organ plant die Programme zur Hilfe für die Rückkehr von Flüchtlingen, die dann vom Bundesamt für Migration finanziert und unter der Leitung der DEZA umgesetzt werden. • Wirtschaftssanktionen. Für die Schweiz ist darauf zu achten, dass die internationalen Sanktionen keine negativen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung oder die Wirtschaft anderer Länder nach sich ziehen. • Zivil-militärische Beziehungen. Dieser Bereich hat in den letzten Jahren international Bedeutung erlangt und wirft wichtige Fragen auf4. Die Schweizer Armee leistet verschiedene Formen der Unterstützung in Krisengebieten : Entsendung von Hubschraubern zur Beförderung der Nahrungsmittelhilfe und Nothilfe. Entsendung von Material (z.B. Notspitalausrüstung), Finanzierung von Entminungsaktionen. Gemäss dem Bundesrat müssen die Beziehungen zwischen den zivilen und militärischen Einsatzkräften stets unter Berücksichtigung der international anerkannten humanitären Grundsätze gestaltet werden. Eine militärische Unterstützung muss einen subsidiären Charakter haben – sie ergänzt die zivilen Mittel – und der zivilen Förderung unterstellt werden5. Der zivile und der militärische Teil der Friedensmission müssen sich ergänzen. Die humanitären Aktionen müssen von den Sicherheitsoperationen klar getrennt werden und dürfen nicht der Verfolgung von Sicherheitszielen dienen.

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4.1.4. Einsatz der Mittel für die Periode 2001-2005

8 Die Botschaft des Bundesrates erstattet Bericht über die von 2001 bis 2005 umgesetzten Aktionen. Sie führt konkrete Beispiele an für dank der Humanitären Hilfe des Bundes durchgeführte Einsätze, wie Hilfe an Vertriebene in Darfur, Hilfe ans südliche Afrika (schwierige Situation infolge der dreifachen Bedrohung durch die chronische Ernährungskrise, die HIV-Aids-Pandemie und leistungsschwache Regierungen), Schutz und Anwaltschaft für die Opfer von als Kriegswaffe eingesetzter Vergewaltigung in der Region der grossen Seen in Afrika, Hilfe für Osteuropa nach den Überschwemmungen im Sommer 2002, fortlaufende Unterstützung Weissrusslands nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, Hilfe für die Flüchtlinge im Nordkaukasus (Südossetien und Tschetschenien), Verhütung von Naturkatastrophen in den Andenstaaten.

9 Die Grafik 4.1 gibt zeigt die geografische Aufteilung der humanitären Hilfe für die Jahre 2001-2005. Afrika war das grösste Einsatzgebiet der humanitären Hilfe (mit 22,1 % des Gesamtbetrags), gefolgt von Osteuropa und der GUS (14,4 %), Asien (12,8 %), dem Mittleren Osten (7,8 %) und Lateinamerika (5,8 %). Der relative hohe Anteil der geografisch nicht aufgeteilten Mittel erklärt sich insbesondere durch die Beiträge an die internationalen Organisationen, einschliesslich des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).

10 Der kumulierte Gesamtbetrag der humanitären Hilfe für die Jahre 2001-2005 belief sich auf 1410,9 Millionen Franken. Davon wurden 64 Prozent (902 Millionen Franken) an die internationalen Organisationen und das IKRK ausgezahlt (siehe Grafik 4.2). 10 Prozent (143,3 Millionen Franken) dienten zur Finanzierung humanitärer Einsätze von Nichtregierungsorganisationen (NRO). Die direkten Aktionen des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) machten 19 Prozent der Hilfe (272 Millionen Franken) aus.

Grafik 4.1 : Geografische Aufteilung der humanitären Hilfe der Schweiz, 2001-2005

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Grafik 4.2 : Aufteilung der humanitären Hilfe der Schweiz nach internationalen Organisationen, 2001-2005

Quelle der Grafiken 4.1 und 4.2 : Bundesrat, Botschaft über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft, vom 29. November 2006, (BBl 2006, 9617). S. 9670-9671.

11 Neben dem IKRK unterhält die Schweiz vor allem Beziehungen zu fünf multilateralen Partnern, nämlich zum Welternährungsprogramm (WFP), zum UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), zum UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), zum UN-Büro für die Koordination humanitärer Angelegenheiten (OCHA) und zu der Internationalen Strategie zur Reduzierung von Katastrophen (ISDR). Andere internationale Organisationen sind ebenfalls Partner für die Humanitäre Hilfe des Bundes, namentlich das Büro für Krisenvorbeugung und Wiederaufbau des UN- Entwicklungsprogramms (UNDP/BCPR), die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRCRCS), der Kinderhilfsfonds der Vereinten Nationen (UNICEF) und die Internationale Organisation für Migration (IOM).

4.1.5. Zuteilung der Mittel des neuen Rahmenkredits der humanitären Hilfe

12 Die Aufteilung des für eine Laufzeit von mindestens vier Jahren vorgesehenen Finanzbetrags ist aus Tabelle 4.1 ersichtlich. Gegenüber dem vorherigen Rahmenkredit sieht die DEZA vor, die Nahrungsmittelhilfe und in geringerem Masse die Finanzhilfe zugunsten einer Erhöhung der Mittel für die direkten Einsätze und das IKRK zu reduzieren. Der Gesamtbudgetbetrag liegt jedoch unverändert bei 1,5 Milliarden Franken. Da der vorhergehende Rahmenkredit gegen Mitte des Jahres 2007 ausgeschöpft sein wird, muss das Parlament die neue Botschaft in seiner Sommersession 2007 prüfen.

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Tabelle 4.1 : Aufteilung der Mittel gemäss den letzten drei Rahmenkrediten der humanitären Hilfe (in Millionen Franken)

a Die Beiträge an das IKRK enthalten den Beitrag an das Sitzbudget und die Auszahlungen für die Aktionen im Feld. Bis 1997 wurde der Beitrag an das Sitzbudget des IKRK durch einen getrennten Rahmenkredit zugeteilt. b Finanzierung der von schweizerischen oder internationalen Partnerorganisationen durchgeführten Aktionen. c Die Verpflichtungsreserve gestattet es dem Bundesrat, auf Krisensituationen zu reagieren, ohne die Jahresbudgetstruktur der Humanitären Hilfe des Bundes ändern zu müssen. Quellen : Bundesrat, Botschaft über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft, vom 29. November 2006, (BBl 2006, 9617). S. 9654. Bundesrat, Botschaft über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft, vom 14. November 2001, (BBl 2002, 2221).

4.2. Eckdaten der Humanitären Hilfe des Bundes für 2005

4.2.1. Überblick über die Humanitäre Hilfe der Schweiz und ihrer wichtigsten Partner im Jahr 2005

13 Die humanitäre Hilfe der DEZA belief sich 2005 auf 303,7 Millionen Franken (gegenüber 280,9 Millionen im Jahr 2004). Davon entfielen 296,8 Millionen Franken auf die Entwicklungsländer und der Rest auf die Oststaaten, die nicht in der öffentlichen Hilfe für Entwicklungsländer und -gebiete inbegriffen sind. Tabelle 4.2gibt einen Überblick über die im Jahr 2005 ausgezahlte bilaterale und multilaterale humanitäre Hilfe und über die wichtigsten Partner der DEZA6. 113 Millionen Franken an humanitärer Hilfe liefen über die internationalen Organisationen und 94,5 Millionen Franken wurden zusätzlich über die Organisationen des Internationalen Roten Kreuzes geleitet7. Insgesamt wurden im Jahr 2005 68 Prozent der humanitären Hilfe über internationale Organisationen ausgezahlt, jedoch sind lediglich die allgemeinen Beiträge an die internationalen Organisationen (25,6 Millionen Franken, d.h. 8,4 % der gesamten Hilfe) in der multilateralen Hilfe inbegriffen.

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Tabelle 4.2 : Humanitäre Hilfe der DEZAa für 2005 (in Millionen Franken)

a umfasst die bilaterale und die multilaterale humanitäre Hilfe. b Die multilaterale Hilfe der DEZA besteht nur aus den allgemeinen Beiträgen an die humanitären UN- Organisationen (gemäss DAC-Leitlinien). Die bilaterale humanitäre Hilfe umfasst alle anderen Zahlungen : direkte Aktionen des SKH, Beiträge an NRO, Zahlungen an das IKRK, spezifische Beiträge an die internationalen Organisationen sowie die gesamte Nahrungsmittelhilfe (einschliesslich der Hilfe über das Welternährungsprogramm). Quelle : DEZA/SECO, Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2005, Bern, 2006, S. 18.

14 Die Nichtregierungsorganisationen erhielten von der DEZA 25,1 Millionen Franken zur Finanzierung ihrer humanitären Aktionen. Der Beitrag des Bundes zur Finanzierung von Projekten der NRO darf grundsätzlich 50 Prozent ihrer Kosten nicht übersteigen. Die wichtigsten NRO, denen diese Beträge 2005 zugute kamen, waren Caritas Schweiz (5,4 Millionen Franken), Terre des Hommes (3,9 Millionen Franken) und das Schweizerische Rote Kreuz (2,8 Millionen Franken). Die direkten Aktionen des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) beliefen sich 2005 auf 57,2 Millionen Franken (gegenüber 38,4 Millionen im Vorjahr). Die Anzahl der Einsätze des SKH hat sich mit insgesamt 389 Interventionen im Jahr 2005 deutlich erhöht, vor allem in Asien (mit 228 Interventionen gegenüber 98 im Vorjahr). Das SKH ist ein Milizkorps und umfasst 700 Personen, die für den Katastropheneinsatz bereit sind und nach Fachgruppen (Bau, Logistik, Information, Medizin, Rettung, Trink- und Abwasser) rekrutiert werden. Die Einsatztage im Jahr 2005 entsprachen 96 Vollzeitstellen.

15 Die Nahrungsmittelhilfe erreichte 2005 33 Millionen Franken. Davon liefen 19,3 Millionen über die internationalen Organisationen und 10,8 Millionen über die NRO. Die Nahrungsmittelhilfe umfasst schweizerische Milchprodukte (2005 : 19 Millionen Franken an gebundener Hilfe) sowie Getreide (14 Millionen Franken), das meist vor Ort oder in der näheren Umgebung gekauft wird.

16 Seit 2005 hat der Bund das Programm für die Weiterverwendung von Armeematerial (WAM) eingerichtet. Das Programm hat die Bereitstellung von überschüssigem Armeematerial zum Ziel, welches für Projekte der DEZA und anderer Organisationen mit ähnlichem Profil wiederverwendet werden kann. 2005 hat die Schweiz erstmals die Lieferung von Militärmaterial für die Humanitäre Hilfe in die Berechnung der

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öffentlichen Entwicklungshilfe eingeschlossen. Im Zusammenhang mit der Reorganisation der Schweizer Armee stösst die Armee Material ab, das im Rahmen von Entwicklungsprojekten oder humanitären Einsätzen weiterverwendet werden kann (medizinisches Material, Fahrzeuge, Werkzeuge, Textilien, Spitaleinheiten)8. So wurden beispielsweise im Oktober 2005 von der Armee stammende sanitäre Container an Pakistan in ein vom Erdbeben betroffenes Gebiet geliefert.

4.2.2. Geografische Aufteilung der humanitären Hilfe im Jahr 2005

17 Die Haupteinsatzgebiete der bilateralen humanitären Hilfe der DEZA im Jahr 2005 waren der Sudan, das Gebiet der Grossen Seen, der Kaukasus, Palästina, das vom Tsunami betroffene Katastrophengebiet in Asien, Pakistan und Afghanistan (siehe Tabelle 4.3).

18 Nach der Tsunamikatastrophe ist der Anteil der bilateralen humanitären Hilfe für die asiatischen Länder merklich gestiegen und machte 2005 26,5 Prozent der Hilfe (gegenüber 18,3 % im Vorjahr) aus. Nach Beendigung der Konflikte in Südosteuropa ging der Anteil Europas zwischen 2002 und 2005 stark zurück und fiel von 24 auf 6 Prozent der humanitären Hilfe ab.

Tabelle 4.3 : Bilaterale humanitäre Hilfe der DEZA für 2005 und die drei vorhergehenden Jahre (in Millionen Franken)

a umfasst die Beiträge an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und an

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die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRCRCS). b Gesamtbetrag der bilateralen humanitären Hilfe der DEZA für die Entwicklungsländer und Transitionsländer. Die bilaterale humanitäre Hilfe umfasst die direkten Aktionen des SKH, die Beiträge an die NRO, die Zahlungen an das IKRK, die spezifischen Beiträge an die internationalen Organisationen sowie die gesamte Nahrungsmittelhilfe (einschliesslich der Hilfe über das Welternährungsprogramm). Quellen : Statistischer Dienst der DEZA. DEZA/SECO, Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2005, Ausgaben 2003 bis 2005.

4.3. Wichtigste humanitäre Aktionen 2005 und 2006

4.3.1. Wiederaufbau nach dem Tsunami (ab Januar 2005)

19 Nach der Tsunamikatastrophe vom Dezember 2004, mit Seebeben und Flutwelle in rund zehn asiatischen Ländern, haben die Einsätze der humanitären Hilfe ein Rekordniveau erreicht. Als Folge der Katastrophe wurden Höchstbeträge an privaten Mitteln durch Sammlungen in der Öffentlichkeit zusammengetragen. Ende Juni 2005 erreichten die Spendeneingänge der Glückskette allein 228 Millionen Franken9, ohne die direkten Spendenzahlungen an verschiedene Hilfswerke zu berücksichtigen10. Ende November 2006, fast zwei Jahre nach dem Tsunami, hat die Glückskette in Bezug auf die dank der Spenden finanzierten Projekte Bilanz gezogen. Demgemäss wurden Projekte im Gesamtbetrag von 187,9 Millionen Franken vor Ort durchgeführt, und 40 Millionen Franken sind für bereits festgelegte Projekte vorbehalten. Somit habe es laut Glückskette – im Gegensatz zu den kurz nach der Spendensammlung geäusserten Befürchtungen – nicht zuviele Spenden gegeben. Die von der Glückskette finanzierten und von den Hilfswerken vor Ort durchgeführten Projekte konzentrierten sich auf Sri Lanka (42 Projekte in Höhe von 77,3 Millionen Franken), Indonesien (29 Projekte im Umfang von 66,7 Millionen Franken), Indien (38,3 Millionen Franken), Thailand (3,7 Millionen Franken), Somalia (1,8 Millionen Franken) sowie auf die Hilfe für von der Katastophe betroffene Schweizer.

20 Die Humanitäre Hilfe des Bundes für die Nothilfeaktionen in sieben von der Katastrophe betroffenen Ländern belief sich auf insgesamt 28 Millionen Franken, davon 25 Millionen Franken in Form eines vom Bundesrat bereitgestellten Nachtragskredits. Infolge der Zerstörung von Strassen, Brücken und Häfen gab es bei der Beförderung der Nothilfe grosse Schwierigkeiten. Ein Dutzend Staaten, darunter die Schweiz, stellten insgesamt rund hundert Helikopter für den Transport der internationalen Hilfe vor Ort zur Verfügung. In der Rehabilitationsphase konzentrierte sich die Humanitäre Hilfe des Bundes auf den Wiederaufbau von Schulen und Wohnhäusern (Sri Lanka, Thailand), auf den Bau von Fischerbooten (Thailand) und auf die Instandsetzung der Abwasseraufbereitungsanlage in Bandah Aceh (Indonesien). In Sri Lanka unterstützte ein Konsortium von Schweizer Institutionen das Programm der Regierung zum Wiederaufbau von Wohnhäusern (Cash for Rehabilitation Programme). Dank dieses innovativen Hilfssystems konnten den von der Zerstörung ihrer Wohnungen Betroffenen direkte Geldbeträge ausgezahlt werden. Die Realisierung dieses Programms in zwei Distrikten wurde von der DEZA, der Glückskette, dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) und dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS) gemeinsam betreut. Die DEZA brachte drei Millionen Franken und die Glückskette 15

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Millionen Franken auf, um den Wiederaufbau bzw. die Instandsetzung von rund 8500 Wohnhäusern bis Ende 2006 zu ermöglichen. Diese Hilfe wird noch bis mindestens Ende 2007 fortgesetzt.

21 Zwei Fischerdörfer auf den thailändischen Inseln Ko Phra Thong und Ko Kho Khao wurden am 2. Dezember 2006 eingeweiht. Der Entscheid betreffend diese Hilfe war im Anschluss an den Besuch von Micheline Calmy-Rey in der Region nach dem Tsunami getroffen worden. Die Fischerdörfer wurde völlig wieder instand gesetzt dank der Schweizer Hilfe, die dieses Projekt mit 4 Millionen Franken finanzierte (2 Millionen Franken durch die Glückskette, 1,7 Millionen Franken durch die DEZA und 300 000 Franken durch private Spenden).

22 Global haben zahlreiche Journalisten und mehrere Studien die Probleme hervorgehoben, die mit dem besonders massiven Zufluss an Finanzmitteln nach der Tsunamikatastrophe verbunden waren : Anhäufung des entsandten Materials auf den Flughäfen, schwierige Koordination der Hilfe mit der Präsenz zahlreicher staatlicher, internationaler und nichtstaatlicher Akteure vor Ort, scharfe Konkurrenz unter NRO, Teil der Hilfe unangepasst für die wirklichen Bedürfnisse vor Ort11. Insgesamt wurden mehr als 13,5 Milliarden Dollar durch die internationale Gemeinschaft nach dieser Katastrophe zusammengetragen.

& Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 4, 4.3.1. Humanitäre Aktion nach dem Tsunami, S. 54-57.

4.3.2. Humanitäre Krise in Darfur (Sudan)

23 Die Anzahl der Toten seit Beginn des Krieges im Darfurgebiet im Jahr 2003 wird auf 200 000 geschätzt. 240 000 Menschen leben in Flüchtlingslagern im Tschad und insgesamt zwei Millionen Menschen (d.h. ein Drittel der Bevölkerung Darfurs) ergriffen die Flucht. Eine halbe Million Menschen sind von der internationalen Hilfe abgeschnitten12. Die Situation für die Zivilbevölkerung ist weiterhin sehr prekär, trotz des 2005 abgeschlossenen Friedensabkommens, das allerdings nur von einem Teil der betroffenen Parteien im Jahr 2006 unterzeichnet wurde. Der Schutz und die Versorgung gestalten sich wegen der andauernden Kampfhandlungen schwierig, und die Helfer sind infolge der wiederholten Verletzungen des humanitären Völkerrechts grossen Gefahren ausgesetzt13. Seit 2004 hat die Schweiz 22 Millionen Franken an Hilfeleistungen für Flüchtlinge oder Vertriebene aufgebracht, namentlich durch die Finanzierung von Projekten des Welternährungsprogramms (WFP), des IKRK, des UN- Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der NRO Medair.

4.3.3. Erdbeben in Pakistan und im Kaschmirgebiet (Oktober 2005)

24 Anfang Oktober 2005 hatte ein heftiges Erdbeben das Kaschmirgebiet in Teilen Pakistans und Nordindiens erschüttert. Dabei handelte es sich um eines der stärksten Beben in der Geschichte Pakistans mit über 87 000 Todesopfern, 77 000 Schwerverletzten und rund drei Millionen Obdachlosen bei Herannahen des Winters. Die Glückskette finanzierte in einer ersten Phase ein Dutzend Projekte, die in Pakistan durch sechs Hilfswerke verwaltet wurden (Verteilung von Nothilfematerial und Notunterkünften, Trinkwasserversorgungssystemen, Holzheizungen). Die darauf

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folgende Wiederaufbauphase umfasste die Wiedererrichtung von Wohnhäusern, Schulen und Gesundheitszentren sowie psychosoziale Unterstützung für Kinder und Jugendliche. Drei Viertel der Spendensammlung der Glückskette, welche zwölf Millionen Franken erreichte, werden für die Nothilfe und ein Viertel für die Wiederaufbauphase eingesetzt.

25 Von der DEZA wurden elf Millionen Franken für Nothilfe, davon fünf Millionen über UN-Organisationen aufgebracht. In dieser Phase wurde das Schweizerische Korps für humanitäre Hilfe (SKH) für ärztliche Nothilfe und zur Verteilung von Zelten, Decken, Medikamenten und Kochgeräten vom Bund entsandt. In einer zweiten Phase wurden provisorische Bauten für Schulen und Gesundheitsposten errrichtet. Auch wurde Baumaterial und Werkzeug für den Bau temporärer Unterkünfte zur Verfügung gestellt.

26 Anschliessend engagierte sich die DEZA mit 22 Millionen Franken in der von 2006 bis 2009 vorgesehenen Wiederaufbauphase, insbesondere für den Wiederaufbau von Infrastruktureinrichtungen in rund fünfzig Dörfern und für die Ausbildung von technischem Personal für erdbebenfeste Bauten14.

4.3.4. Erdbeben auf Java (Mai 2006)

27 Das Erdbeben auf Java hat mehr als 6000 Tote, 15 000 Verletzte und über 150 000 Obdachlose gefordert. Ende Mai 2006 gaben die Schweizer Hilfswerke eine Million Franken zugunsten der Opfer für Nothilfe und Wiederaufbau frei. Die DEZA engagierte sich mit 250 000 Franken, und 130 000 Franken wurden an das indonesische Rote Kreuzausgezahlt.

4.3.5. Bewaffneter Konflikt im Libanon (Sommer 2006)

28 Nach dem bewaffneten Konflikt im Libanon im Juli 2006 und bis Ende September 2006 hat die Schweiz Hilfe für die Opfer finanziert, um die Rückkehr der internen Flüchtlinge in ihre Dörfer zu fördern, Schulen wieder instand zu setzen15, medizinische Versorgung zu leisten und nach der Verseuchung der Küstengewässer infolge der Bombardierung eines Treibstoffdepots Unterstützung zu gewähren16.

29 Die Schweiz beteiligt sich an den Entminungsaktionen im Libanon mit Systemen zur Entschärfung von Minen und nicht explodierten Bomben (Blindgängern). Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und die DEZA unterstützen die libanesische Regierung durch die Entsendung von Minenräummaterial (Spezialsysteme SM EOD), das die Beseitigung von Minen und Blindgängern ohne direkte Handhabung gestattet. Daneben werden Schutzkleidung und Metalldetektoren geliefert. Ferner beteiligt sich die Schweiz an der Ausbildung von Entschärfungsfachleuten. Gemäss den Vereinten Nationen sind die Felder und Olivenhaine im Südlibanon mit über einer Million nicht detonierter Streubomben (zwei pro Einwohner) verseucht. Dabei handelt es sich um schwer aufzufindende Sprengkörper, die eine umfangreiche Entminungsarbeit erfordern. (Im Kosovo beispielsweise wurden 25 000 Bomben in über zwei Jahren entschärft.) Insgesamt wurden 16 Millionen Dollar für humanitäre Hilfe im Nahen Osten eingesetzt. Die Hilfe für Palästina wird zum Grossteil über das Programm der Vereinten Nationen für die Palästinaflüchtlinge (UNWRA) geleitet.

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4.4. Tätigkeit verschiedener Akteure der humanitären Hilfe

4.4.1. Jahrestagung der Humanitären Hilfe 2006

30 Diese öffentliche Jahresveranstaltung bringt die Partner der Humanitären Hilfe der DEZA zusammen. Die Jahrestagung der Humanitären Hilfe 2006 fand am 7. April 2006 statt und war dem Thema der Vertriebenen infolge von Konflikten und Katastrophen gewidmet. Am Beispiel von vier Ländern wurden die Auswirkungen von Zwangswanderungen auf die betroffenen Bevölkerungsgruppen veranschaulicht. Bezüglich Uganda wurde auf die Bedeutung des Schutzes der Kinder gegen die militärische Zwangsrekrutierung hingewiesen. In Bosnien-Herzegowia stellt sich das Problem der schwierigen Integration ethnischer Minderheiten. Der Vertreter der UNWRA behandelte das Thema der Hilfe für die Palästinaflüchtlinge. Ferner wurde das Engagement der Schweiz für die Flüchtlinge aus Myanmar in Thailand angeschnitten.

4.4.2. Sechzigjähriges Bestehen der Glückskette

31 Die erste Radiosendung der Glückskette wurde am 26. September 1946 vom Westschweizer Rundfunk ausgestrahlt. Die wöchentliche Radiosendung wurde ab 1954 durch Sendungen anlässlich wichtiger Ereignisse – Naturkatastrophen oder Kriege – zum Zweck von Spendenaufrufen ersetzt. Im Verlauf ihres sechzigjährigen Bestehens hat die Glückskette über 900 Millionen Franken im Rahmen von 115 Sammelaktionen zusammengetragen. Die Glückskette führt die Projekte vor Ort nicht selber durch, sondern prüft die Vorschläge und gewährt Mittel für Projekte, die von den 32 Schweizer Partnerorganisationen eingereicht werden. Im Durchschnitt werden 15 Prozent der Spenden für Nothilfe im engeren Sinne, 70 Prozent für Wiederaufbauprojekte und 15 Prozent für längerfristige Entwicklungsprojekte eingesetzt. 2005 hat die Glückskette die Rekordsumme von 272 Millionen Franken zusammengetragen, davon 204 Millionen Franken nach dem Tsunami in Südasien17, 49,2 Millionen Franken nach den Unwettern in der Schweiz (August 2005), 10,9 Millionen Franken nach dem Erdbeben in Kaschmir und 2,3 Millionen Franken nach dem Wirbelsturm Stan in Mittelamerika. 1,1 Millionen Franken kamen für den Sudan und 750 000 Franken für die Bekämpfung der Hungersnot in Afrika zusammen18.

4.4.3. Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK)

32 Die 29. Internationale Konferenz des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds, die im Juni 2006 stattfand, änderte die Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, um das zusätzliche Emblem des roten Kristalls aufnehmen zu können. Im Anschluss an diese Entscheidung hat das IKRK die nationale israelische Gesellschaft (Magen David Adom) und den palästinensischen Roten Halbmond anerkannt. Die diplomatische Konferenz der Staaten hatte im Dezember 2005 das dritte Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen angenommen, das ein zusätzliches Emblem unter dem Namen „roter Kristall“ einführte. Die Schweiz hatte als

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Depositarstaat der Genfer Konventionen eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung der Annahme des Protokolls gespielt19.

& Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 4, 4.5. Neues Emblem für die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, S. 61-62.

33 Die Schweiz gehört zu den Hauptgeldgebern des IKRK. 2005 waren die wichtigsten Geber die Vereinigten Staaten (200 Millionen Franken), Grossbritannien (100 Millionen Franken), die Schweiz (93 Millionen Franken), die Europäische Kommission (90 Millionen Franken), die Niederlande (60 Millionen Franken) und Schweden (50 Millionen Franken)20. Die Aufwendungen des IKRK für Aktionen im Feld haben im Jahr 2006 eine Milliarde Franken überschritten. Die wichtigsten Einsätze für 2006 betrafen den Libanon (101 Millionen Franken), Pakistan (97 Millionen Franken), Israel (einschliesslich der besetzten Gebiete, 53 Millionen Franken), Somalia (42 Millionen Franken), Afghanistan (39 Millionen Franken) und den Irak (38 Millionen Franken). In seinem Finanzierungsappell vom Dezember 2006 strebte das IKRK über eine Milliarde Franken an, um seine Tätigkeit im Jahr 2007 zu finanzieren (843 Millionen Franken für die Aktionen im Feld et 160 Millionen Franken zur Finanzierung seines Genfer Sitzes (800 Beschäftigte).

34 Im Dezember 2006 lehnte der Bundesrat einen Antrag auf Erhöhung des Bundesbeitrags an das IKRK ab21. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey hatte vorgeschlagen, den Jahresbeitrag an das IKRK um 28 Millionen Franken aufzustocken, womit sich der Beitrag ab 2008 auf 120 Millionen Franken belaufen hätte. Dies, um den steigenden Bedürfnissen Rechnung zu tragen und die Position der Schweiz als zweitgrösster Geldgeber des IKRK nach den USA zu festigen.

BIBLIOGRAPHY

QUELLEN

Bundesrat, Botschaft über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft, vom 29. November 2006, (BBl 2006, 9617).

Caritas, Les défis humanitaires. Les dilemmes politiques de l’aide d’urgence, coll. Prise de position, Nr. 11, Luxemburg, Caritas Luxemburg ; Luzern, Caritas Schweiz, November 2005, 164 S.

DEZA,Pressemitteilungen 2006.

DEZA/SECO,Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2005, Bern, 2006, 24 S.

Glückskette, Jahresbericht 2005, 2006.

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INTERNET-ADRESSEN

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) : http://www.deza.admin.ch (>Humanitäre Hilfe).

Glückskette : http://www.glueckskette.ch.

Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) : http://www.icrc.org.

Médecins sans frontières : http://www.msf.ch.

UN-Büro für die Koordination humanitärer Angelegenheiten (OCHA) : http://ochaonline.un.org.

Welternährungsprogramm (WFP) : http://www.wfp.org.

NOTES

1. Bundesrat, Botschaft über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft, vom 29. November 2006, (BBl 2006, 9617). 2. Botschaft über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft, op. cit., S. 9625. 3. DEZA, Solidarität leben. Humanitäre Hilfe, Strategie 2005. Bern, DEZA, 2002, http:// www.deza.admin.ch. 4. Siehe insbesondere die Analyse der Organisation Caritas bezüglich der humanitären Herausforderungen und der zivil-militärischen Zusammenarbeit : Caritas, Les défis humanitaires. Les dilemmes politiques de l’aide d’urgence, coll. Prise de position, Nr. 11, Luxemburg, Caritas Luxemburg ; Luzern, Caritas Schweiz, November 2005, 164 S. Der Bericht stellt die politischen Dilemmata der Politik der humanitären Hilfe sowie die Risiken bezüglich Nebenwirkungen und Instrumentalisierung heraus. 5. Botschaft über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft, op. cit., S. 9642. 6. Zusätzliche Informationen über die Partner der DEZA finden sich unter http:// www.deza.admin.ch >Aktivitäten >Humanitäre Hilfe >Partnerorganisationen. 7. Das IKRK wird vom Entwicklungshilfeausschuss der OECD (DAC) als internationale Nichtregierungsorganisation angesehen, somit sind die Beiträge an das IKRK in der bilateralen öffentlichen Hilfe enthalten. 8. Siehe Projekt WAM unter http://www.deza.admin.ch >Projekte >Weiterverwendung Armee Material. 9. Private Mittel aus den Spendensammlungen der Glückskette. 10. Swissinfo, Tsunami : Glückskette finanziert 112 Projekte, 22. November 2006. 11. Vgl. beispielsweise die Untersuchung von Richard Werly, Tsunami. La vérité humanitaire, Paris, Editions du Jubilé, 2005. Siehe auch : „Tsunami : réquisitoire contre les ratés de l’aide internationale“, Le Temps, 15. Juli 2006. 12. Zahlen aus einem Artikel der DEZA, Krise in Darfur. Die Friedensappelle verhallen ungehört, 8. November 2006. 13. Ibid. Siehe auch das Gespräch mit Hansjürg Ambühl, HH+SKH – Sektion Afrika der DEZA, Krise in Darfur. Die Friedensappelle verhallen ungehört; ferner den Artikel „Kein Ende der Gesetzlosigkeit in Darfour“, Neue Zürcher Zeitung, 15.-16. April 2006. 14. Quellen : DEZA, „Erdbeben im Kaschmir. Der Wiederaufbau verläuft planmässig“, Medienmitteilung, 19. April 2006. Siehe auch auf der Website der DEZA unter http:// www.deza.admin.ch, Merkblatt zum Erdbeben in Pakistanvom 14. Dezember 2005 (>Länder

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>Pakistan >Erdbeben in Kaschmir sowie die gesamte Hilfe der Schweiz in Pakistan (unter >Länder >Pakistan), bzw. die Internetseite DEZA-Pakistan : http://www.sdcpakistan.org. 15. Instandsetzung von Schulen, die durch Bombardierungen beschädigt wurden oder zur Aufnahme der Vertriebenen eingesetzt wurden. 16. DEZA, „Humanitäre Hilfe der Schweiz im Libanon“, Pressemitteilung vom 29. September 2006 sowie das der Mitteilung beigefügte Merkblatt, http://www.deza.admin.ch >Aktuell >News >Suche nach Stichwort „Libanon“. 17. 23,4 Millionen Franken für die Tsunamiopfer waren in den letzten Tagen des Jahres 2004 eingegangen. 18. Glückskette, Jahresbericht 2005, 2006, http://www.glueckskette.ch. 19. „Le ,Cristal rouge‘ doit encore passer son baptême du feu“, Le Temps, 20. Juni 2006. „La Croix- Rouge toujours divisée sur son emblème“, Le Temps, 22. Juni 2006. „La Croix-Rouge accepte le cristal et accueille Israéliens et Palestiniens“, Le Temps, 23. Juni 2006. 20. Quelle für diesen Abschnitt : CICR, Vue d’ensemble des opérations du CICR 2007, http:// www.icrc.org/fre/appels-2007 (Stand Dezember 2006). 21. „Le Conseil fédéral chipote sur son soutien annuel au CICR“, Le Temps, 4. Dezember 2006.

ABSTRACTS

Der Bundesrat hat im November 2006 seine neue „Botschaft über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft“ vorgelegt. Die Botschaft vermittelt einen Überblick über die wichtigsten humanitären Aktionen der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) seit 2001 und führt die aktuellen und künftigen Herausforderungen der humanitären Hilfe auf. Ein grosser Teil der Botschaft befasst sich ferner mit der Analyse der Beziehungen zu den hauptsächlichen Partnern der DEZA (staatliche und multilaterale Partner, Hilfswerke) und mit der Koordination mit den anderen im Ausland tätigen Bundesämtern (Aktionen zur Förderung von Frieden und Menschenrechten, Zusammenarbeit der Armee, Flüchtlingshilfe, Staatssekretariat für Wirtschaft). Der neue Finanzbetrag für die Jahre 2007 bis 2011 beläuft sich auf 1,5 Milliarden Franken, was dem Gesamtbetrag des vorhergehenden Rahmenkredits entspricht. Die humanitäre Hilfe der Schweiz belief sich 2005 auf 303,7 Millionen Franken, 22,8 Millionen mehr als im Vorjahr. Die Haupteinsatzgebiete waren (in absteigender Reihenfolge der ausgezahlten Beträge) die vom Tsunami im Dezember 2004 betroffenen Länder in Asien, der Sudan (Darfurkrise), Afghanistan, die Region der Grossen Seen in Afrika, Pakistan (nach dem Erdbeben), der Kaukasus und Palästina. Rund ein Drittel der humanitären Hilfe der Schweiz entfällt auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Die direkten Einsätze des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) machen ein Fünftel der humanitären Hilfe aus. 37 Prozent der humanitären Hilfe läuft über UN-Organisationen, vor allem über das Welternährungsprogramm (WFP), das Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und das Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). 8 Prozent der öffentlichen humanitären Hilfe wird über die Partnerhilfswerke der DEZA geleitet.

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AUTHOR

GÉRARD PERROULAZ Lehr- und Forschungsbeauftragter am IUED.

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5. Aussenwirtschaftspolitik

Nadine Keim

5.1. Ausrichtungen der Aussenwirtschaftspolitik

5.1.1. Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2006

1 Der Bundesrat hat im Januar 2007 seinen alljährlichen Bericht zurAussenwirtschaftspolitik1verabschiedet. Gemäss dem Bericht 2006 bildeten die Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO), der Abschluss weiterer Freihandelsabkommen sowie die Erarbeitung länderspezifischer Strategien betreffend Brasilien, Russland, Indien und China (sog. BRIC-Länder) die Schwerpunkte.

Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 5, 5.1.1. Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2004,S. 58-59.

2 Laut dem Aussenwirtschaftsbericht des Bundesrates haben die Schwellenländer das Potenzial, in absehbarer Zukunft zu den bedeutenden Wirtschaftsmächten der Welt zu gehören. Ihr Anteil am Welthandel hat sich seit 1995 praktisch verdoppelt und macht zurzeit 10 Prozent aus. Die BRIC-Länder kommen bereits für ein Viertel des Weltwirtschaftswachstums auf und haben immer mehr Einfluss auf das Wachstum der Schweizer Wirtschaft. Die zunehmende Bedeutung der BRIC-Länder veranlasste das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD), erstmals länderspezifische Aussenwirtschaftsstrategien für diese Länder zu erarbeiten, die vom Bundesrat Ende 2006 verabschiedet wurden2.

5.1.2. Export- und Importförderung

3 Im Rahmen der Förderung der Aus- und Einfuhren der Schweiz sind 2006 die drei folgenden Themen im Zusammenhang mit den Entwicklungsländern hervorzuheben.

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Exportförderung

4 Im April 2006 hat die Schweiz eine Plattform zur Koordination ihrer Aktivitäten in China (China Coordination Platform, CCP) eingeführt3. Die Plattform ermöglicht es den verschiedenen aussenwirtschaftlichen Dienststellen der Schweiz, ihre Aktivitäten in China aufeinander abzustimmen, ihre Projekte vorzustellen und sich über Veranstaltungen und Messen zu informieren.

Importförderung

5 Ende November 2006 hat der Bundesrat ein Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (THG) eröffnet4. Mit dieser Revision soll das so genannte „Cassis-de-Dijon-Prinzip“ in der schweizerischen Gesetzgebung eingeführt werden5. Gemäss dem Bundesrat und Kreisen aus Wirtschaft und Politik6 hat die Einführung dieses Prinzips zum Ziel, den Wettbewerb in der Schweiz zu beleben, wie auch zur Senkung der Unternehmenskosten und der Konsumentenpreise beizutragen.

Volkswirtschaftliche Kosten der Zollschranken

6 Zum ersten Mal wurde in der Schweiz eine umfassende Erhebung über die volkswirtschaftlichen Kosten der Zollschrankendurchgeführt7. Die Studie ergab, dass sich diese zollbedingten Kosten auf rund 4 Milliarden Franken belaufen und 0,85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Schweiz ausmachen. Die Warenkontrolle an den Schweizer Grenzen penalisiert die Unternehmen stark. Infolgedessen verteuert der Übertritt der Schweizer Grenze nicht nur die schweizerischen Exporte, sondern auch die Importe aus Drittländern.

5.2. Bilaterale Wirtschaftsabkommen

7 Die Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz beruht im Wesentlichen auf drei Pfeilern: Beitritt zu den multilateralen WTO-Abkommen, Abkommen mit der Europäischen Union und bilaterale Abkommen mit den übrigen Ländern. Die bilateralen Abkommen umfassen Freihandelsabkommen, Investitionsschutzabkommen und Doppelbesteuerungsabkommen.

5.2.1. Schweizerische Strategie betreffend Freihandelsabkommen

8 Die Schweiz bevorzugt gegenwärtig den bilateralen Weg, indem sie Freihandelsabkommen abschliesst, um der weltweiten Verbreitung bilateraler und regionaler Verträge und den damit verbundenen Diskriminierungsrisiken entgegenzutreten. Dieser Weg ermöglicht es der Schweiz auch, ihre wirtschaftlichen Beziehungen mit bestimmten Ländern durch die Festsetzung von Regeln zu vertiefen, die über die auf multilateraler Ebene bestehenden Regeln hinausgehen (so genannte Abkommen „zweiter Generation“). Dieser Prozess wird noch verstärkt durch den Stillstand der Verhandlungen in der WTO, bei denen ein Konsens unter den 150 Mitgliedsstaaten immer schwieriger erscheint.

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Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 6, 6.2. WTO, Aussetzung der Verhandlungen.

9 Die Schweiz setzt den Abschluss von Freihandelsabkommen innerhalb der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA)8 weiter fort. Sie verfügt in diesem Rahmen über eine Reihe von Freihandelsabkommen mit Partnern in Europa, im Mittelmeerraum und in Übersee (siehe unten Punkt 5.2.2.). Mit dem Abschluss solcher Abkommen verfolgt die Schweiz das Ziel, ihren Unternehmen einen Zugang zu den internationalen Märkten zu garantieren, der zumindest dem Marktzugang ihrer ausländischen Konkurrenten in der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und Japan gleichkommt.

10 Historisch lassen sich drei verschiedene Phasen unterscheiden. In einer ersten Phase Anfang der 90er Jahre wurde der Schwerpunkt auf den Abschluss von Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und mittel- und osteuropäischen Ländern gelegt. Die EFTA schloss parallel zur Europäischen Union Abkommen ab, um den gegenseitigen Marktzugang zu verbessern und die Wirtschaftsreformen in den mittel- und osteuropäischen Ländern zu unterstützen. Seit Mitte der 90er Jahre wurden die Freihandelsabkommen allmählich auf den Mittelmeerraum ausgedehnt. Das Ziel war, an der von der Europäischen Union bis zum Jahr 2010 geplanten Grossen Freihandelszone Europa-Mittelmeer teilzunehmen. Schliesslich hat die EFTA in den letzten Jahren – angesichts der zunehmenden Abschlüsse regionaler Abkommen weltweit – damit begonnen, ihre Freihandelsabkommen auf Partner in der ganzen Welt auszudehnen.

11 Inhaltlich wurden die EFTA-Freihandelsabkommen nach und nach ausgebaut: • Die Freihandelsabkommen „erster Generation“ mit europäischen Ländern und Mittelmeerstaaten enthalten hauptsächlich Bestimmungen über den Abbau der Zölle und anderer Handelsbeschränkungen betreffend Industrieprodukte, Fisch und verarbeitete Landwirtschaftsprodukte9 sowie den Schutz der Rechte an geistigem Eigentum. • Die Freihandelsabkommen „zweiter Generation“ sind Abkommen mit einem viel grösseren Anwendungsbereich. Sie enthalten nicht nur Bestimmungen über den Warenverkehr und das geistige Eigentum, sondern auch Verpflichtungen in den Bereichen Dienstleistungen, Investitionen, öffentliches Beschaffungswesen und Wettbewerb. Einige Massnahmen dieser Abkommen haben eine Tragweite, die weit über die multilateralen WTO-Normen hinausgeht. Bislang wurden solche Abkommen lediglich mit Mexiko, Singapur, Chile und Südkorea abgeschlossen.

5.2.2. Freihandelsabkommen

12 Am 1. Januar 2007 existierten dreizehn von der EFTA abgeschlossene Freihandelsabkommen10. Seit 2005 sind drei Abkommen neu in Kraft getreten, und zwar mit Tunesien (Juni 2006), Südkorea (September 2006) und mit dem Libanon (Januar 2007). Im Verlauf des Jahres 2007 werden Abkommen mit der Südafrikanischen Zollunion (SACU), Ägypten, Kanada, dem Kooperationsrat der Golfstaaten und eventuell auch mit Thailand erwartet (siehe Tabelle 5.1). Mit folgenden Ländern sind Verhandlungen in Vorbereitung: Algerien, Indonesien, Syrien, Albanien, Kolumbien, Peru und Indien11.

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Freihandelsabkommen der Schweiz

13 Die Schweiz hat den grössten Teil ihrer Freihandelsabkommen im Rahmen der EFTA abgeschlossen. Bis heute ist sie bilateral an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (seit 1. Januar 1973)12 und an die Färöer-Inseln (seit 1. März 1995) gebunden. Ferner führt sie bilaterale Gespräche mit den Vereinigten Staaten und Japan.

Tabelle 5.1: Freihandelsabkommen der EFTA, (Stand: Ende 2006)

a Diese Abkommen wurden wegen des Beitritts Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union am 1. Januar 2007 aufgehoben. Quellen: SECO, http://www.seco-admin.ch > Aussenwirtschaft >Freihandelsabkommen/EFTA > Freihandelsabkommen. EFTA, „Réunion ministérielle de l’AELE“, Pressemitteilung, Genf, 1. Dezember 2006.

14 Die Schweiz und die USA haben beschlossen, keine Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufzunehmen. Zwischen September 2005 und Januar 2006 waren zwar Gespräche geführt worden, die aber – vor allem wegen der Frage der Landwirtschaft – nicht erfolgreich waren. Hingegen vereinbarten die beiden Staaten, ein Kooperationsforum für Handel und Investitionen einzurichten13. Das Forum hat zum Ziel, die Handelsbeziehungen auszubauen, die Niederlassung und die Tätigkeit ausländischer Investoren zu erleichtern und spezifische Sektorvereinbarungen auszuarbeiten. Der Bundesrat hat die Unterzeichnung eines Abkommens zur Einsetzung eines solchen Forums im Mai 2006 gebilligt und beschlossen, eine dahingehende Motion anzunehmen14.

15 Die Schweiz und Japan15 sind ihrerseits daran interessiert, Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufzunehmen. Seit Ende 2005 treffen sich schweizerische und japanische Vertreter, um diese Möglichkeit zu prüfen16. Ihre Arbeiten sollten 2007 zum Erfolg führen.

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Position der Wirtschaftskreise

16 Die Schweizer Wirtschaftskreise sind zwar am Abschluss bilateraler Abkommen interessiert, sind sich aber auch der Risiken bewusst. Für économiesuisse17 stellt die WTO die beste Art und Weise zur Organisation der Marktöffnung dar. Der Wirtschaftsverband ist jedoch der Ansicht, dass die Schweiz in Erwartung einer Wiederaufnahme der WTO-Verhandlungen weiterhin ihr Netzwerk an Freihandelsabkommen ausbauen sollte, um den Zugang ihrer Unternehmen zu den wichtigsten Auslandsmärkten zu verbessern. Andere Vertreter der Wirtschaftskreise heben die äusserst komplexe Funktionsmechanik des bilateralen Systems hervor und stellen sich Fragen bezüglich der Schwierigkeit, einen Gesamtüberblick zu behalten18.

5.2.3. Entwicklungsländer gegenüber Freihandelsabkommen

17 Die Zunahme der Freihandelsabkommen und gewisse Bestimmungen dieser Abkommen sind für die Entwicklungsländer nicht ohne Gefahr. Die Weltbank hat 86 bilaterale Abkommen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern gezählt, an denen 45 arme Länder – vor allem aus Osteuropa, Nordafrika und Lateinamerika –beteiligt sind19. Die Entwicklungsländer befinden sich damit in einem Umfeld, in dem sich nicht nur die bilateralen Abkommen, sondern auch die regionalen Handelsabkommen überlagern20. Diese Verflechtung verschiedener Systeme trägt nicht dazu bei, den Handelsaustausch oder administrative Schritte zu erleichtern. So hat jedes System beispielsweise seine eigenen Ursprungsregeln, seine Tarifniveaus und seine Umsetzungsfristen. Demzufolge sind die Handelsvorschriften immer komplexer und immer weniger aufeinander abgestimmt.

18 Von den Nichtregierungsorganisationen (NRO) wurden zahlreiche Kampagnen erarbeitet, um die Probleme der Entwicklungsländer in Bezug auf die Aushandlung bilateraler Abkommen und die Vielzahl dieser Abkommen anzuprangern (siehe Rahmentext). In einigen Entwicklungsländern, die solche Abkommen aushandeln, regte sich Widerstand über lokale NRO, der insbesondere durch eine internationale Kampagne unterstützt wurde21. In der Schweiz organisieren die NRO ebenfalls Sensibilisierungsaktionen22.

Probleme der Entwicklungsländer

Nach Ansicht vieler Experten bringen die Freihandelsabkommen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern zahlreiche Probleme für die schwächeren Partner mit sich. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Probleme:

- Die Abkommen schwächen die Tragweite der im Rahmen der multilateralen Institutionen, speziell der WTO, getroffenen Beschlüsse ab.

- Die Abkommen stellen ungleiche Partner einander gegenüber. Nur ein multilateraler Rahmen ermöglicht es den Entwicklungsländern, das Kräfteverhältnis etwas zu korrigieren.

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- Die Abkommen sind weitergehend als die Abkommen der WTO, namentlich in den Bereichen Investitionen, Dienstleistungen und geistiges Eigentum. Das Ergebnis ist, dass die Interessen von Exportunternehmen der Industrieländer einer Politik autonomer Entwicklung der armen Länder vorzugehen scheinen.

- Die Abkommen werden mit Märkten abgeschlossen, die für die Industrieländer wirtschaftlich interessant sind. Damit wird die Mehrheit der armen Länder übergangen.

- Die Abkommen unterhalten eine starke Abhängigkeit zwischen den Industriestaaten und den armen Ländern auf Kosten der Süd-Süd-Beziehungen, die den Entwicklungsländern indes einen interessanten Ansatz bieten.

- Die Abkommen sehen kaum spezifische oder Unterstützungsmassnahmen gemäss dem Entwicklungsstand des Landes vor. Dadurch entgehen die Industrieländer den bei der Aufnahme der Doha-Runde eingegangenen Verpflichtungen (Berücksichtigung der besonderen Situation der armen Länder).

- Die Abkommen weisen oft eine diplomatische und politische Dimension zwischen zwei Staaten auf. Die Verhandlungen finden im Allgemeinen unter Ausschluss von Bürgern und Kritikern statt.

Quelle: Bastienne Joerchel, „Freihandelsabkommen Nord-Süd. Arme Länder in der Falle“, Global+ (Alliance Sud), Nr. 20, Sommer 2006.

5.2.4. Investitionsschutzabkommen

19 2005 und 2006 hat die Schweiz sechs neue Investitionsschutzabkommen ab geschlossen23, namentlich mit Serbien und Montenegro, Aserbaidschan, Guyana, Kolumbien, Saudi-Arabien und Kenia (siehe Tabelle 5.2). Der Bundesrat hat im September 2006 eine Botschaft betreffend die fünf erstgenannten Länder verabschiedet24. Seit Anfang der 60er Jahre hat die Schweiz 120 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, davon waren Mitte 2006 105 Abkommen in Kraft. Zudem hat die Schweiz vier Freihandelsabkommen „zweiter Generation“ abgeschlossen, welche Investitionsbestimmungen enthalten (siehe oben Punkt 5.2.1.).

20 Vier Jahrzehnte lang war die Kompetenz zum Abschluss von Investitionsschutzabkommen dem Bundesrat übertragen worden. Erstmals seit 1963 unterbreitet der Bundesrat die Entwürfe wieder dem Parlament, da er die zunehmende Bedeutung der internationalen Investitionen bei der Globalisierung der Wirtschaft berücksichtigen will.

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Tabelle 5.2: Investitionsschutzabkommen, 2005-2006

a Zwischen Südkorea und der Schweiz, Island und Liechtenstein parallel zum Freihandelsabkommen abgeschlossenes Abkommen (siehe oben Punkt 5.2.2.). Quelle: SECO, http://www.seco-admin.ch >Aussenwirtschaftspolitik >Investitionen.

21 Weltweit hat sich die Zahl der Investitionsschutzabkommen seit den 90er Jahren explosiv entwickelt. Gemäss der UN-Konferenz über Handel und Entwicklung (UNCTAD) gibt es derzeit über 2000 solcher Abkommen, und die meisten wurden zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern abgeschlossen. Diese Abkommen, die darauf abzielen, die Auslandsinvestitionen weiter entwickelter Länder gegen Diskriminierungsaktionen der Gaststaaten zu schützen, haben konkrete Auswirkungen auf die Entwicklung der Gaststaaten und betreffen sensible Fragen, wie nationale Prioritäten und das Recht auf autonome Regulierung25.

5.3. Exportrisikogarantie (ERG)

5.3.1. Die ERG in Zahlen

22 Die Exportrisikogarantie (ERG) gestattet es schweizerischen Exporteuren, sich vor Risiken der Nichtzahlung bei Lieferungen von Gütern ins Ausland zu schützen. Im Jahr 2005 sind die Neugarantien gegenüber dem Vorjahr um 35 Prozent auf 1513 Millionen Franken zurückgegangen. Die Anzahl sämtlicher von der ERG verwalteten Garantien ist von 1055 auf 998 gesunken. Wie der ERG-Geschäftsberichterläutert, liegt einer der Gründe für diesen Rückgang in der Tatsache, dass 2005 keine Garantie für ein Grossprojekt von über 50 Millionen Franken erteilt wurde.

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Tabelle 5.3: Geografische Aufteilung der Neugarantien und des Gesamtengagements der ERG im Jahr 2005 (in Millionen Franken und Prozent)

Quelle: ERG, Geschäftsbericht 2005, 2006, S. 31.

23 2005 hat nahm der Anteil der Neugarantien für Europa merklich zu, während derjenige für Asien zurückging. Dies erklärt sich durch die rückläufige Garantienachfrage für China und eine erhöhte Nachfrage für Russland. Gemäss dem ERG- Geschäftsberichtkönnte sich diese Tendenz in Zukunft noch verstärken, da zahlreiche asiatische Länder fortan Risiken aufweisen, die vom Markt gedeckt werden können. Die Garantien für Afrika und für die ärmeren Länder sind weiterhin bescheiden bzw. aussergewöhnlich, da die afrikanischen Staaten und die ärmeren Länder kaum für Handelskredite infrage kommen.

Grafik 5.1: Wichtigste ERG-gedeckte Länder Gesamtengagement per 31. Dezember 2005 (in Millionen Franken)

Quelle: ERG, Geschäftsbericht 2005, 2006, S. 37-39.

24 Zwar ist die ERG in 94 Ländern engagiert, doch sind 79 Prozent ihrer Verpflichtungen auf zehn Länder verteilt (vgl. Grafik 5.1). Laut dem ERG-Geschäfts bericht ergibt sich diese Konzentration aus dem subsidiären Charakter der Exportrisikogarantie und ihren teils begrenzten Möglichkeiten in Bezug auf Exporte und auf die Finanzierung für sehr risikoreiche Märkte. Im Gegensatz zum Vorjahr hat die chemische Industrie 2005 den

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Maschinensektor mit 56 Prozent aller Neugarantien überholt. Dennoch weist die Maschinenindustrie weiterhin den grössten Anteil des ERG-Gesamtengagements auf.

Ilisustaudamm in der Türkei

Seit über fünfzig Jahren will die Türkei ein Wasserkraftwerk am Tigris errichten. Die Pläne dafür sind im Jahr 2001 aus ökologischen und sozialen Gründen gescheitert. Namentlich unter dem Druck der Nichtregierungsorganisationen stellten die betroffenen Exportkreditagenturen gewisse Bedingungen, welche die Banken und Bauunternehmen beunruhigten, woraufhin diese sich zurückzogen. Im Dezember 2005 kündigte die Türkei jedoch die Absicht an, das Projekt erneut zu lancieren, während die gleichen Probleme weiterhin bestehen.

Seither widersetzt sich eine Koalition aus rund hundert NRO dem Bau eines solchen Staudamms in der Türkei. Die Koalition befürchtet, dass das Stauwerk das fragile ökologische Gleichgewicht des Flusses zerstört und den Konflikt um das Wasser im Mittleren Osten wieder aufleben lässt. Zudem würden über 55.000 Personen umgesiedelt werden und ihr einzigartiges Kulturerbe würde unwiderbringlich zerstört. Ende 2005 wurde eine regionale Initiative lanciert, die rund dreissig Organisationen und Verbände umfassta. In der Schweiz hat die Erklärung von Bern, welche die türkische Initiative unterstützt, eine Kampagne gegen den Ilisu-Staudamm eingeleitetb.

Im Dezember 2006 erteilte der Bundesrat seine grundsätzliche Zusage für Exportrisikogarantien, vorbehaltlich gewisser Bedingungen und Begleitmassnahmenc. Die Lieferungen, die sich auf 225 Millionen Franken belaufen, werden von den Schweizer Firmen Alstom, Colenco, Maggia und Stucky übernommen. Die Bedingungen für die Grundsatzeinwilligung beruhen auf den seit 2001 im Rahmen der OECD bestehenden Umwelt- und Exportkreditkonventionen.

&Jahrbuch 2004, Nr. 1, Kapitel 5, 5.3. Exportrisikogarantie, Sozial- und Umweltnormen, S. 77-78.

Quelle: Déclaration de Berne, „Un barrage menaçant“, Solidaire, Nr. 186, Juni 2006.

a „Laissez vivre Hasankeyf“, http://www.hasankeyfgirisimi.org.

b 06.3027 Interpellation betreffend die Exportrisikogarantien für das neue Staudammprojekt Ilisu, von Remo Gysin am 8. März 2006 im Nationalrat eingereicht. Siehe: http://www.parlament.ch >Curia Vista – Geschäftsdatenbank >Suche nach Vorstössen und Geschäften.

c Bundesrat, „Exportrisikogarantien für das Wasserkraftwerk Ilisu in der Türkei“, Medienmitteilung, 15. Dezember 2006.

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5.3.2. Gründung der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV)

25 Am 1. Januar 2007 wurde die Exportrisikogarantie (ERG) durch eine öffentlich- rechtliche Anstalt, die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) ersetzt26. Die neue Institution hat das Angebot der ERG übernommen und dieses auf das private Käuferrisiko erweitert. Das Parlament nahm im Dezember 2005 das Bundesgesetz über die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERVG) an und der Bundesrat verabschiedete im Oktober 2006 die Verordnung über die Schweizerische Exportrisikoversicherung, welche die Ausführungsbestimmungen der SERV und die Anwendungsbestimmungen des Gesetzes enthält27. Die Verordnung und das Gesetz sind am 1. Januar 2007 in Kraft getreten.

26 Die neun Mitglieder des Verwaltungsrates der SERV wurden vom Bundesrat im April 2006 ernannt28. Gemäss dem SECO verfügt der Verwaltungsrat der SERV somit über die erforderlichen Kompetenzen im Wirtschafts-, Finanz- und Exportbereich sowie in den Bereichen Aussenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit. Die vom Bundesrat in seiner Botschaft 2004 für die Zusammensetzung des Verwaltungsrates vorgeschlagenen Grundsätze waren von linken Kreisen stark angefochten worden. Der neue Verwaltungsrat ist mit der Aufsicht über die Umsetzung der Schweizerischen Exportrisikoversicherung beauftragt. Im Hinblick auf diese Umwandlung ernannte das SECO im Januar 2006 einen neuen Direktor.

Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 5, 5.3.2. Revision des ERG-Gesetzes, S. 66-70; Jahrbuch 2006, Nr.1, Kapitel 5, 5.4.2. Revision des ERG-Gesetzes, S. 73.

5.4. Exportkontrolle und Sanktionen

5.4.1. Kriegsmaterialausfuhren

27 Das Bundesgesetz über die Kriegsmaterialausfuhr (KMG) regelt die Ausfuhr von Waffen, Waffensystemen, Munition und militärischen Sprengkörpern sowie Kampfausrüstungen29.

28 Im Jahr 2005 hat die Schweiz für 257,7 Millionen Franken Kriegsmaterial exportiert30, was 0,17 Prozent ihrer Gesamtausfuhren entspricht. Der Rückgang gegenüber 2004 beträgt 35 Prozent. 76 Prozent der Verkäufe waren für Europa, 14 Prozent für Nord- und Südamerika, 9 Prozent für Asien und 1 Prozent für Afrika bestimmt. Unter den 72 Abnehmerländern waren die wichtigsten Länder Deutschland, Dänemark, die Vereinigten Staaten, Schweden und Spanien. 2005 wurden 2153 Ausfuhrgesuche beim Staatssekretariat für Wirtschaft eingereicht; davon wurden neun abgelehnt und ein Antrag zurückgezogen31. In letzteren Fällen waren die Erhaltung des Friedens, der internationalen Sicherheit und der regionalen Stabilität – das heisst vom Kriegsmaterialgesetz vorgesehene Kriterien – infrage gestellt.

29 Im Jahr 2006 (bis Ende November) beliefen sich die schweizerischen Kriegsmaterialausfuhren auf 370 Millionen Franken. Im Dezember 2006 genehmigte der Bundesrat drei Ausfuhrgesuche für Kriegsmaterial. Dabei handelte es sich um 20 Flugabwehrsysteme mit Munition nach Saudi-Arabien (375 Millionen Franken), 21

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Flugabwehrsysteme mit Munition nach Pakistan (136 Millionen Franken) und 140 Sturmgewehre mit Zubehör und Ersatzteilen nach Indien (519.000 Franken)32.

30 Die Debatte über die Widersprüche zwischen der humanitären Politik der Schweiz und den Waffenausfuhren wurde 2006 im Parlament weitergeführt. Zwei Motionen33, welche respektive die Annullierung der Kriegsmaterialexporte in den Irak, Pakistan, Indien und Südkorea sowie ihre Suspendierung in den Nahen Osten forderten, wurden vom Bundesrat im März 2006 abgewiesen. Der Rat beabsichtigt, die notwendigen Evaluationen von Fall zu Fall vorzunehmen. Ferner hält der Bundesrat daran fest, dass die Schweizer Rüstungsindustrie die gleichen Chancen wie ihre hauptsächlichen ausländischen Konkurrenten auf dem Kriegsmaterialmarkt haben müsse.

31 Parallel dazu haben die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) und andere Organisationen im Juni 2006 eine neue Volksinitiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten lanciert34. Die Koalition will dem Waffenhandel ein Ende machen, um ein Signal für eine echte Friedenspolitik zu setzen. Die Initiative sieht auch Begleitmassnahmen zur Unterstützung der betroffenen Regionen und Beschäftigten vor.

5.4.2. Ausfuhren von Dual-Use-Gütern

32 Das Güterkontrollgesetz (GKG) regelt die Ausfuhren von Dual-Use-Gütern35 sowie von militärischen Ausrüstungsgütern, die nicht unter die Kontrolle des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) fallen. Dieses Gesetz bietet der Schweiz die Möglichkeit, die Entscheidungen umzusetzen, welche aufgrund internationaler Konventionen36 oder Exportkontrollregimes37 getroffen wurden. International ist die Schweiz das viertgrösste Ausfuhrland von Dual-Use-Gütern (rund 4 Milliarden Franken), nach den Vereinigten Staaten, Japan und Deutschland38. Hingegen sind die Kriegsmaterialausfuhren der Schweiz nicht sehr umfangreich (2005 : 257,7 Millionen Franken).

5.4.3. Sanktionspolitik

33 Das Embargogesetz gestattet es der Schweiz, von den Vereinten Nationen39, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) oder den wichtigsten Handelspartnern der Schweiz verhängte Sanktionen anzuwenden, um die Einhaltung des internationalen Völkerrechts zu gewährleisten. Im Jahr 2006 hat die Schweiz neue Wirtschaftsembargomassnahmen gegenüber Usbekistan, Weissrussland, Nordkorea und dem Libanon angewandt (siehe Tabelle 5.4)40.

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Tabelle 5.4: Verordnungen über derzeit in der Schweiz geltende Sanktionen (Stand: Ende 2006)

Quelle: SECO, http://www.seco-admin.ch >Aussenwirtschaftspolitik >Sanktionen/Embargos >Sanktionen der Schweiz.

5.5. Revision des Patentgesetzes

34 Im Verlauf des Jahres 2006 war das Bundesgesetz über die Erfindungspatente (PatG) Gegenstand ausgiebiger Parlamentsdebatten auf der Grundlage des vom Bundesrat im November 2005 unterbreiteten Entwurfs41. Dieser Entwurf bildet den zweiten Teil einer in drei Phasen vorgesehenen Revision42. Der Nationalrat nahm den Entwurf im Dezember 2006 als Erstrat mit 110 zu 51 Stimmen bei 25 Enthaltungen an. Er folgte dem Bundesrat mit Ausnahme einiger geringfügiger Abweichungen.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 10, 10.3.3. Revision des Patentgesetzes: Botschaft des Bundesrates, S. 174-175; Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 10, 10.3.3. Revision des Patentgesetzes; Kapitel 6, 6.2.2. Einzelheiten der Verhandlungen.

35 Drei Vorschläge betreffen insbesondere den Handel mit Entwicklungsländern: • Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen: Der Entwurf des Bundesrates schlägt vor, die Erteilung von Patenten an genau festgelegte Bedingungen und an gewisse Ausnahmen zu binden (Forschungsprivileg); • Obligatorische Angabe des Ursprungs der genetischen Ressourcen und des traditionellen Wissens: Dieser Vorschlag trägt zur Verbesserung der Transparenz bei und gestattet es, die sich aus der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen ergebenden, namentlich wirtschaftlichen Vorteile zu teilen; • Zwangslizenzen für den Export in Entwicklungsländer: Dieser Vorschlag bietet den Entwicklungsländern die Möglichkeit, in der Schweiz patentgeschützte pharmazeutische Produkte herzustellen, wenn die Länder diese Produkte zur Bewältigung öffentlicher Gesundheitsprobleme benötigen und selbst über keine genügende Produktionskapazität verfügen. Diese Bestimmung erlaubt es den Entwicklungsländern somit, ihre Möglichkeiten eines Appells an den Beschluss der Welthandelsorganisation (WTO) vom 6. Dezember 2005 auf die Schweiz auszudehnen43.

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36 Die Revision des Patentgesetzes hat die Geschäftswelt und die Zivilgesellschaft stark mobilisiert. Innerhalb des Industriesektors gingen die Interessen auseinander. Die grossen Firmen stehen für einen sehr ausgedehnten Patentschutz, während die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie die Forschungsinstitute für einen weniger umfassenden Patentschutz eintreten. Ferner haben sich zahlreiche nichtstaatliche Organisationen wie Bauernverbände, Verbraucher- oder Umweltschutzverbände sowie die Hilfswerke klar gegen die Patentierung des Lebenden ausgesprochen44.

BIBLIOGRAPHY

QUELLEN

Bundesrat, Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2006 sowie Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen, vom 10. Januar 2007, (BBl 2007 897). Erhältlich unter http://www.news-service.admin.ch/ NSBSubscriber/message/de/attachments/10142/20487/6460/AWB06_D.pdf.

Bundesrat, Botschaft betreffend die Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen mit Serbien und Montenegro, Guyana, Aserbaidschan, Saudi-Arabien und Kolumbien, vom 22. September 2006 (BBl 2006 8455).

Bundesrat, Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrags und der Ausführungsordnung, vom 23. November 2005 (BBl 2006 1).

Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV), ERG Geschäftsbericht 2005, 2006, erhältlich unter http://www.serv-ch.com/fileadmin/serv-dateien/Ueber_uns/gb/geschaeftsbericht_2005.pdf.

INTERNET-ADRESSEN

Alliance Sud: http://www.alliancesud.ch.

Avenir suisse: http://www.avenir-suisse.ch.

Bundesverwaltung: http://www.admin.ch.

Die Volkswirtschaft: http://www.DieVolkswirtschaft.ch.

Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE): http://www.ige.ch.

Erklärung von Bern: http://www.evb.ch.

Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA): http://www.gsoa.ch.

Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten: http://www.kriegsmaterial.ch.

Koordinationsplattform für China: http://www.chinaplatform.ch.

Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV): http://www.serv-ch.com.

Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO): http://www.seco-admin.ch.

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NOTES

1. Bundesrat, Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2006 sowie Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen, vom 10. Januar 2007, (BBl 2007 897). 2. Für Einzelheiten zu den BRIC-Ländern siehe Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2006, Punkt 1, S. 14-31. 3. Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), „Bund schafft Koordinationsplattform für seine China- Aktivitäten“, Medienmitteilung, 3. April 2006. Siehe http://www.chinaplattform.ch. Projektträger der China Coordination Platform sind das SECO, Location Switzerland, Präsenz Schweiz, Schweiz Tourismus, die OSEC, die Förderagentur für Innovation (KTI) und das Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF). 4. Bundesrat, „Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (THG): Eröffnung der Vernehmlassung“, Pressemitteilung, 29. November 2006. 5. Gemäss dem auf einen Entscheid des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zurückgehenden „Cassis-de-Dijon-Prinzip“ können aus einem anderen Mitgliedsstaat eingeführte Produkte, die nach den nationalen Vorschriften dieses Staates hergestellt worden sind, in der gesamten Europäischen Gemeinschaft in Verkehr gesetzt werden. Restriktionen zu diesem Prinzip sind nur zulässig, wenn sie durch ein übergeordnetes öffentliches Interesse motiviert sind. 6. 06.3260 Interpellation „Cassis-de-Dijon-Prinzip“, von derfreisinnig-liberalen Fraktionam 12. Juni 2006 im Nationalrat eingereicht. Siehe http://www.parlament.ch>Curia Vista – Geschäftsdatenbank >Suche nach Vorstössen und Geschäften. 7. Peter Moser und Ruedi Minsch, „Teure Grenzen. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Zollschranken: 3,8 Milliarden Franken“. Die Studie ist auf der Website von Avenir suisse unter http://www.avenir-suisse.ch erhältlich. Siehe auch den Artikel „Le coût économique des passages en douane. Résultats d’une enquête effectuée auprès des entreprises“ in La Vie économique, Nr. 3, 2006. 8. Der EFTA gehören heute Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz an. 9. Der Handel mit unverarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Basisagrarprodukte) wird in getrennten bilateralen Landwirtschaftsabkommen zwischen jedem einzelnen EFTA-Staat und dem Freihandelspartner abgeschlossen, da die EFTA keine gemeinsame Agrarpolitik hat. 10. Für weitere Einzelheiten zu den EFTA-Freihandelsabkommen siehe Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2006, Punkt 3.3., S. 60-63. 11. Ferner wurden Kooperationserklärungen mit folgenden Ländern abgeschlossen: Albanien, Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela), Serbien, Ukraine, Kolumbien und Peru. Die EFTA hat auf ihrer Tagung vom 1. Dezember 2006 zudem den Wunsch geäussert, Freihandelsabkommen mit China, Japan, Russland und der Ukraine abzuschliessen. 12. Die Schweiz ist auch an die Europäische Union gebunden durch die sieben seit 1. Juni 2002 in Kraft stehenden Sektorabkommen (Bilaterale Abkommen I) und die acht Sektorabkommen von 2004, von denen sechs bereits in Kraft stehen (Bilaterale Abkommen II). 13. Ram Etwareea, „Suisse-USA: les effets d’un échec“, Le Temps, 20. Januar 2006. Alain Campiotti, „Joseph Deiss lance un forum de négociations avec les Etats-Unis“, Le Temps, 26. Mai 2006. Bundesrat, „Besuch von Bundesrätin Doris Leuthard in Washington“, Medienmitteilung, 7. Dezember 2006. 14. 06.3022Motion betreffend die Einsetzung eines Kooperationsforums USA-Schweiz und den Abschluss eines Wirtschaftsabkommens mit den USA, von Peter Briner am 7. März 2006 im Ständerat eingereicht. Siehe http://www.parlament.ch >Curia Vista – Geschäftsdatenbank >Suche nach Vorstössen und Geschäften. 15. Edgar Bloch, „Accords de libre-échange: Washington bien après Tokyo“, L’Agefi, 7. Dezember 2006.

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16. SECO, „Erstes Treffen des schweiz-japanischen Regierungsausschusses für die exploratorischen Gespräche über ein Freihandelsabkommen“, Medienmitteilung, 1. November 2005. 17. economiesuisse, „Freihandelsabkommen im Aufwind“, dossierpolitikNr. 43, 4. Dezember 2006. 18. Sandrine Hanhardt Redondo, „Accords bilatéraux. Comment faire simple quand on a fait compliqué“, L’Agefi, 11. Oktober 2006. 19. World Bank, Global Economic Prospects 2005 : Trade, Regionalism, and Development, World Bank, Washington, 2005. 20. Gemäss der Weltbank gibt es über 200 regionale Handelsabkommen. Jedes Land gehört mehreren Vereinbarungen an. Ein afrikanisches Land ist im Durchschnitt Mitglied von vier Abkommen, ein lateinamerikanisches Land Mitglied von sieben Abkommen und ein Industriestaat gehört dreizehn Abkommen an (World Bank, op. cit.). 21. Die Kampagne wurde im September 2004 unter der Führung von Asia-Pacific Research Network, GATT Watchdog, Global Justice Ecology Project, GRAIN, IBON Foundation und XminY Solidariteitsfonds eingeleitet. Siehe http://www.bilaterals.org. 22. Zum Beispiel: Déclaration de Berne, „Accords bilatéraux et santé. La Suisse néglige le droit des malades“, Solidaire, Nr. 185, April 2006. 23. Die Schweiz hat 2006 keine Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. 24. Bundesrat, Botschaft betreffend die Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen mit Serbien und Montenegro, Guyana, Aserbaidschan, Saudi-Arabien und Kolumbien, vom 22. September 2006 (BBL 2006 8455). 25. Luke Eric Peterson, Bilateral Investment Treaties and Development Policy-Making, International Institute for Sustainable Development (IISD), Swiss Development Cooperation (SDC), November 2004. Konrad von Moltke, A Model International Investment Agreement for the Promotion of Sustainable Development, IISD, SDC, November 2004. Diese beiden Studien unterstreichen die Auswirkungen der Investitionsschutzabkommen auf die Entwicklung der armen Länder und schlagen ein Abkommensmodell vor, das die nachhaltige Entwicklung achtet. 26. Siehe neue Website der SERV: http://www.serv-ch.com. 27. SECO,„Schweizerische Exportrisikoversicherung startet Anfang 2007“, Medienmitteilung, 25. Ok tober 2006. 28. SECO, „Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV). Wahl des Verwaltungsrats“, Medienmitteilung, 12. April 2006. Es handelt sich um folgende Personen: Wilhelm Jaggi, gegenwärtig Schweizer Botschafter bei der OECD; Thomas Daum, Direktor von Swissmem und Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes; Beda Moor, Mitglied der Unia-Gewerkschaft; Chantal Ballet Emery, Mitglied der Direktion von economiesuisse; Max Gsell, Finanzfachmann; Caroline Gueissaz, Managementberaterin; Rolf Pfenninger, Mitglied der Direktion der Zürcher Kantonalbank; Beat Ochsé, Exportfachmann; Pietro Veglio, Exekutivdirektor der Schweiz bei der Weltbank. 29. SECO, http://www.seco-admin.ch >Aussenwirtschaftspolitik >Exportkontrollen >Internationale Verhandlungen. 30. Zum Vergleich sei angemerkt, dass die Europäische Union im gleichen Jahr für 26,3 Milliarden Franken Kriegsmaterial ausgeführt hat. 31. SECO, „Ausfuhr von Kriegsmaterial im Jahr 2005“, Medienmitteilung, 14. Februar2006. 32. Bundesrat,„Kriegsmaterialexporte nach Saudi-Arabien, Pakistan und Indien bewilligt“, EVD, Medienmitteilung, 15. Dezember 2006. 33. 05.3513 Motion betreffend die Suspendierung der Kriegsmaterialexporte in den Nahen Osten, von Boris Banga am 28. September 2006 im Nationalrat eingereicht. 05.3604 Motion gegen denKriegsmaterialexport nach dem Irak, Pakistan, Indien und Südkorea, von Michel Béguelin am

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6. Oktober 2005 im Ständerat eingereicht. Siehe: http://www.parlament.ch >Curia Vista – Geschäftsdatenbank >Suche nach Vorstössen und Geschäften. 34. Siehe Website der GSoA: http://www.gsoa.ch und Website der Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten: http://www.kriegsmaterial.ch. 35. Dual-Use-Güter können gleichzeitig zu zivilen und militärischen Zwecken verwendet werden. 36. Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ). 37. Es handelt sich um die vier rechtlich nicht bindenden Exportkontrollregimes: Gruppe der Nuklearlieferländer, Australiengruppe, Raketentechnologie-Kontrollregime, Wassenaar- Vereinbarung. 38. Othmar Wyss, Rebekka Wullimann, „Le contrôle à l’exportation des biens à double usage“, La Vie Economique Nr. 11, 2005. 39. Roland Vock, „UNO-Sanktionen: Umsetzung in der Schweiz“, Die Volkswirtschaft Nr. 11, 2005. 40. Siehe SECO: http://www.seco-admin.ch >Aussenwirtschaftspolitik >Sanktionen/Embargos >Sanktionen der Schweiz. 41. Bundesrat, Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrags und der Ausführungsordnung, vom 23. November 2005 (BBl 2006 1). Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), „Angemessener Patentschutz für Erfindungen in der Biotechnologie“, Medienmitteilung, 23. November 2005. Siehe Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum, http://www.ige.ch. 42. Die erste Revisionsphase war der Genehmigung von zwei Verträgen zum europäischen Patentsystem gewidmet. Die dritte Phase sollte sich mit der Schaffung einer einheitlichen Gerichtsbarkeit im Patentbereich und einer Berufsregelung für Patentanwälte befassen. 43. Daniel Kraus, „Revision des Patentgesetzes. Voraussetzungen für einen ausgewogenen Schutz.“, Die Volkswirtschaft Nr. 7/8, 2006. Thomas Cottier, „Patentgesetzrevision im europäischen und globalen Kontext.“,Die Volkswirtschaft Nr. 7/8, 2006. 44. Zum Beispiel: Erklärung von Bern, „Brevets sur les gènes“, Solidaire Nr. 184, Februar 2006. „Loi suisse sur les brevets. Le vivant toujours menacé“, Global+ (Alliance Sud) Nr. 19, Frühjahr 2006. Swissaid und Erklärung von Bern, Brevets biotechnologiques. Des monopoles sur la vie?, Kolloquium, Bern, 3. Mai 2006.

ABSTRACTS

Eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres 2006 im Bereich der Aussenwirtschaftspolitik war für die Schweiz die Entwicklung der vier Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China (BRICs). Diese Länder könnten in absehbarer Zeit zu den bedeutenden Wirtschaftsmächten der Welt aufschliessen und haben einen zunehmenden Einfluss auf das Wachstum der Schweizer Wirtschaft. Die Schweiz bevorzugt derzeit den bilateralen Weg mit dem Abschluss von Freihandelsabkommen, um der weltweiten Verbreitung bilateraler und regionaler Verträge und damit verbundenen Diskriminierungsrisiken Rechnung zu tragen. Dieser Weg ermöglicht es der Schweiz ausserdem, ihre Wirtschaftsbeziehungen mit einigen Ländern zu vertiefen, indem sie weitergehende Regeln als die multilateral bestehenden Vorschriften festsetzt. Die Zunahme der Freihandelsabkommen und gewisse Bestimmungen dieser Abkommen sind nicht ohne Gefahr für die Entwicklungsländer.

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Am 1. Januar 2007 wurde die Exportrisikogarantie (ERG) durch eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) ersetzt. Die neue Institution hat das Versicherungsangebot der ERG übernommen und auf das private Käuferrisiko ausgedehnt. Im Parlament wurde die Debatte über die Widersprüche zwischen der humanitären Politik der Schweiz und den Waffenexporten im Jahr 2006 fortgesetzt. Parallel dazu haben die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSOA) und andere Organisationen eine neue Volksinitiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten lanciert. Im Berichtsjahr 2006 war auch das Bundesgesetz über Erfindungspatente Gegenstand einer ausgiebigen Debatte im Parlament. Einige Änderungsvorschläge betreffen insbesondere den Handel mit den Entwicklungsländern.

AUTHOR

NADINE KEIM lic. ès sc. pol., unabhängige Konsulentin.

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6. Welthandel

Nadine Keim

6.1. Entwicklung der Handelsbeziehungen

1 Im Jahr 2005 nahm der gesamte Warenhandel nach dem ausserordentlichen Wachstum von 9 Prozent im Jahr 2004 real um 6,5 Prozent zu. Die Wachstumsrate von 2005 liegt über der durchschnittlichen Rate des letzten Jahrzehnts von knapp unter 6 Prozent1. Das Jahr 2005 war zudem vom Anstieg der Brennstoffpreise geprägt2. Diese Hausse hat je nachdem, ob ein Land Erdöl produziert oder nicht, sehr unterschiedliche Konsequenzen. Erdöl exportierende Länder verzeichnen so einen zunehmenden Anteil am Welthandel, während die Handelsbilanz der Vereinigten Staaten ein Rekordtief erreicht hat (793 Milliarden Dollar).

Tabelle 6.1 : Weltausfuhren von Waren und kommerziellen Dienstleistungen, 2003-2005 (in Milliarden Dollar und Prozent)

Quelle : WTO, International Trade Statistics 2006, Tabelle 1, Genf, 9. November 2006.

2 Die drastischen Preisschwankungen wirkten sich im Jahr 2005 nominal stark auf die Entwicklung der Handelsbeziehungen aus. Die Brennstoff- und Metallpreise stiegen um rund ein Drittel an, während die Preise vieler Agrarprodukte und Fertigwaren stabil blieben. Die Weltmarktpreise für Waren haben 2005 im Durchschnitt weniger zugenommen als 2004, vor allem dank des Preisrückgangs für Fertigwaren, die rund drei Viertel des Warenhandels ausmachen. Wegen dieser starken Preisschwankungen erreichte der Anteil der Brennstoffe am Warenhandel im Jahr 2005 den höchsten Stand seit zwanzig Jahren. Gleichzeitig verschärfte die Preisentwicklung den langfristigen Abwärtstrend der Agrarprodukte im Warenhandel. Ihr Anteil, der Anfang der 50er Jahre über 40 Prozent verzeichnete, fiel auf einen historischen Tiefstand von unter 8 Prozent.

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Tabelle 6.2 : Wertmässiges Wachstum des internationalen Warenhandels nach Regionen, 2005 (in Milliarden Dollar und Prozent)

Quelle : WTO,International Trade Statistics 2006, Tabelle I.3, Genf, 9. November 2006.

3 Die Warenexporte nahmen um 13 Prozent zu und überschritten damit erstmals die Marke von 10 000 Milliarden Dollar. Der Hauptgrund für das kräftige Anziehen der Exporte in Afrika, in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und im Mittleren Osten war die Entwicklung auf dem Erdölmarkt. Die Dienstleistungsexporte stiegen um 11 Prozent an und erreichten im Jahr 2005 2400 Milliarden Dollar. Dieser Anstieg lag deutlich unter demjenigen des Jahres 2004, aber etwas über dem durchschnittlichen Wachstum im Zeitraum 2000 bis 2005. In Asien lag die Zunahme des Dienstleistungshandels über dem weltweiten Durchschnitt, in Nordamerika und in Europa darunter.

6.1.1. Internationaler Warenhandel nach Regionen

4 Die Entwicklungsländer als Gruppe betrachtet verzeichneten 2005 wegen der steigenden Erdölpreise einen seit fünfzig Jahren unerreichten Anteil am Welthandel. Auch die ungebrochen kräftigen Warenexporte Chinas trugen zu den positiven Ergebnissen der Entwicklungsländer bei. Die chinesischen Importe entwickelten sich allerdings 2005 viel langsamer als 2004, während die Exportländer von Brennstoffen und anderen Mineralien ihre Einfuhren dank der relativen Preisentwicklung deutlich steigerten. Die Importe der GUS, Süd- und Zentralamerikas, Afrikas und des Mittleren Ostens wuchsen beinahe doppelt so schnell wie die weltweiten Importe im Durchschnitt. Die wichtigsten Industrieländer, die Nettoerdölimporteure sind (Europäische Union, Vereinigte Staaten und Japan), verzeichneten ein deutlich verlangsamtes Einfuhrwachstum.

5 Im Jahr 2005 erreichten die Anteile Afrikas und des Mittleren Ostens an den globalen Warenexporten den höchsten Stand seit Mitte der 80er Jahre. Das Wachstum des Warenhandels in Asien lag über dem Durchschnitt des Welthandelswachstums. Auch die am wenigsten entwickelten Länder (LDC) verzeichneten gegenüber den letzten Jahren eine Verbesserung der Handelsergebnisse, wobei ihr anfangs sehr geringer Anteil am Welthandel immer noch deutlich unter 1 Prozent beträgt.

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6 Die am wenigsten entwickelten Länder weisen sehr unterschiedliche Resultate aus3. Einige Exportländer von Grundprodukten schneiden gut ab. Im Jahr 2004 entfielen 35 Prozent der Gesamtexporte der Gruppe auf nur zwei Länder : Angola, das Erdöl exportiert, und Bangladesch, das Bekleidung ausführt. Im Vergleich dazu bestreiten die 13 letztplatzierten LDC weniger als 1 Prozent der Exporte der Gruppe, und die meisten dieser Länder weisen negative Wachstumsraten aus. Im Übrigen verlieren die Märkte der Industrieländer für die LDC allmählich an Bedeutung. Im Jahr 1995 absorbierten die Europäische Union und die Vereinigten Staaten 60 Prozent der Ausfuhren der LDC, im Jahr 2004 fiel diese Zahl auf 52 Prozent. China, der drittgrösste Exportmarkt, und andere Entwicklungsländer führen einen wachsenden Anteil an Produkten aus den LDC ein. Das Hauptproblem der meisten LDC bleibt nach wie vor die fehlende Diversifizierung der Produktion.

6.1.2. Handel mit Textilien und Bekleidung

7 Das Auslaufen des WTO-Abkommens über Textilien und Bekleidung am 1. Januar 2005 markierte den Beginn einer neuen Ära im internationalen Textil- und Bekleidungshandel4.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 6, 6.2. Der Fall der Textilien, S. 84-86.

8 Zum einen hatte die Beseitigung der Kontingente im Jahr 2005 kaum Folgen für die Herstellung, die Beschäftigung und die Preise in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. Die Zunahme der Importe wurde nämlich teilweise durch einen Rückgang der Importe aus den einkommensstarken Volkswirtschaften Ostasiens und durch neue Exportbeschränkungen gegenüber China kompensiert5. Mit Ausnahme der europäischen Bekleidungsproduktion setzten sich die in den Vorjahren beobachteten Produktionseinbrüche fort, ohne sich jedoch zu verschärfen. Der Beschäftigungsrückgang in diesem Sektor hat sich nicht zugespitzt, und die Preise sind stabil geblieben.

9 Zum anderen hat sich die Aufteilung der Anteile auf die Märkte der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten im Jahr 2005 grundlegend verändert. Die Lieferungen gewisser grosser Anbieter, die vom Kontingentsystem profitierten, wurden teilweise durch grössere Einkäufe aus Ländern wie China, Indien, Pakistan, Jordanien, der Türkei und Bulgarien ersetzt. Die Hochlohnländer Ostasiens verzeichneten starke Verkaufseinbussen und die meisten Anbieter, die das Präferenzsystem wahrgenommen hatten, verloren Marktanteile, besonders Afrika südlich der Sahara, Marokko und Bangladesch.

6.2. Welthandelsorganisation (WTO)

6.2.1. Stand der Verhandlungen

10 2006 sollte für die Welthandelsorganisation (WTO) ein Marathonjahr werden. Anlässlich der Ministerkonferenz von Hongkong im Dezember 2005 hatten die Mitglieder ihre Absicht bekräftigt, die Runde der Handelsverhandlungen vor Ende 2006 abzuschliessen, um die Klippe des Auslaufens des „Fast Track“-Verfahrens Mitte 2007 zu

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umschiffen, das es der US-Regierung erlaubt, ohne parlamentarische Ablehnung Handelsabkommen auszuhandeln6.

11 Im Januar kündigte der WTO-Generaldirektor Pascal Lamy an, dass noch 40 Prozent des Wegs zurückgelegt werden müssten, um die „Entwicklungsrunde“ von Doha unter Dach und Fach zu bringen. Daraus ergab sich ein sehr enger Zeitplan. Ende April : Modalitäten zur Festlegung der Formeln für die Zoll- und Subventionsverringerung für Landwirtschaft und Industriegüter ; Ende Juli : vollständige Produktlisten in diesen beiden Bereichen und Überarbeitung der Angebote im Dienstleistungsbereich ; Ende September : konkrete Vorschläge zur Umsetzung des „Entwicklungspakets“ (Development Package) für die am wenigsten entwickelten Länder ; Dezember : Finalisierung der Abkommen.

12 Allerdings wurde keine einzige Frist eingehalten. Anfang Mai spitzte sich die Lage derart zu, dass eine sechswöchige Runde intensiver und kontinuierlicher Verhandlungen eingeleitet wurde. Während dieser Zeit bemühten sich die WTO- Mitglieder, einen Konsens zu den Modalitäten über die Landwirtschaft und die Industriegüter zu erzielen. Das alles reichte jedoch nicht aus, um den Stillstand in den Verhandlungen zu überwinden, auch nicht die „Mini-Ministerkonferenz“ von Ende Juni und die politischen Impulse der G-87, die Mitte Juli in St. Petersburg tagte.

„Sonderbefugnisse“ des WTO-Generaldirektors

Der Ausschuss für Handelsverhandlungen erteilte Pascal Lamy am 1. Juli 2006 „Sonderbefugnisse“. Gemäss der Formulierung des europäischen Handelskommissars Peter Mandelson sollte der WTO-Generaldirektor nicht mehr nur als „Fazilitator“ unter den Mitgliedern agieren, sondern auch als „Katalysator“ wirken. Konkret führte der WTO-Generaldirektor intensive bilaterale Konsultationen (confession sessions) auf höchster Ebene mit den einflussreichsten Regierungen, um zu eruieren, inwiefern diese zu Zugeständnissen bereit wären, und um einen Konsensvorschlag auszuarbeiten. Pascal Lamy selbst sagt über seine Rolle, er sei je nach Umständen Schiedsrichter, Geburtshelfer, Dirigent, Coach, Cowboy, Anwalt und bisweilen Beichtvater.a

Es war das erste Mal, dass einem Generaldirektor solche Befugnisse eingeräumt wurden. Ohne die neue Rolle des Generaldirektors anzufechten, stellten einige Regierungen die Art und die Tragweite des Mandats infrage und äusserten Bedenken zu diesem neuen „top down“-Verhandlungsmodell, bei dem alles über den Generaldirektor läuft. Dabei erwähnten sie verschiedene Risiken : Konzentration auf die Interessen der grossen Länder und Marginalisierung der Anliegen der übrigen Länder ; eine quasi aufgezwungene Einigung, die kurzfristig akzeptiert werden muss ; fehlende Transparenz zum eigentlichen Inhalt der bilateralen Gespräche. Mehrere Entwicklungsländer erklärten sich zwar mit dem Mandat an den Generaldirektor einverstanden, knüpften dieses aber an die Voraussetzung, dass ein inklusiver und transparenter „down top“-Ansatz beibehalten werde. Pascal Lamy verpflichtete sich in einem Schreiben vom 7. Juli, diese Bedingung einzuhalten.

Quellen : International Centre for Trade and Sustainable Development (ICTSD), Bridges Weekly Trade News Digest, Vol. 10, Special Update, 3. Juli 2006. Third World

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Network (TWN), Uncertainty and Confusion at WTO after Failed Ministerial, Info Service on WTO and Trade Issues, 13. Juli 2006.

a „Pascal Lamy : ,Le protectionnisme fait un retour en force‘“, L’Hebdo, Nr. 49, 7. Dezember 2006.

13 Gestützt auf seine „Sonderbefugnisse“ (siehe obigen Rahmentext) organisierte der Generaldirektor Gespräche mit der G-68. Ein Konsens unter den sechs Schwergewichten des Welthandels bildet den Schlüssel zu einer breiteren Einigung. Es galt, dazu eine Art Dreiecksvereinbarung zu erzielen : • Die Vereinigten Staaten sollten als Reaktion auf die Anforderungen der Europäischen Union und der G-209 weitergehende Kürzungen ihrer internen Agrarstützung – die Ursache für die Überproduktion und den Rückgang der Preise auf den Weltmärkten – akzeptieren. • Die Europäische Union sollte ihren Agrarmarkt weiter öffnen, indem sie die Zölle senkt und die Anzahl der von Zollsenkungen befreiten „sensiblen Produkte“10 verringert. Die von der G-20 und den Vereinigten Staaten geforderte Öffnung stiess bei protektionistischen Mitgliedern wie Frankreich auf Widerstand. Die G-1011, zu der die Schweiz und Japan gehören, vertritt eine noch defensivere Position. • Entwicklungsländer wie Brasilien und Indien, aber auch Australien sollten die Märkte für Industriegüter und Dienstleistungen zunehmend öffnen und ausserdem die Zölle und sonstigen Hindernisse abbauen. Diese – amerikanischen und europäischen – Forderungen stiessen auf den Widerstand der Entwicklungsländer, welche um ihre jungen Industrien, ihre Arbeitsplätze in der Industrie und ihre Zolleinnahmen besorgt sind.

14 Die Verhandlungen drehten sich im Wesentlichen um den Inhalt der Dreiecksvereinbarung. Problematisch war, dass jedes Land der G-6 zu einem der drei Themen eine defensive Haltung vertrat. Pascal Lamy legte einen auf die „magische Zahl 20“ ausgerichteten Vorschlag auf den Tisch, doch fand sein Kompromissvorschlag keine Resonanz12. Zudem stellte sich die Frage, wer im Wechselspiel der gegenseitigen Zugeständnisse den ersten Schritt tun sollte. Für die Entwicklungsländer musste die Initiative von den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union kommen. Zudem konnten sich die Entwicklungsländer nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie die Verringerung der Agrarsubventionen des Nordens, – die enorme Preisverzerrungen auf den Weltmärkten verursachen,– mit der Öffnung ihrer Märkte mit all den damit verbundenen Risiken bezahlen sollten. Die Entwicklungsländer erklärten sich indessen konzessionsbereit, sofern die Industrieländer ihnen entsprechend entgegenkämen.

Aussetzung der Verhandlungen

15 Nach fünf Jahren Verhandlungen wurde die Doha-Runde Ende Juli bis auf weiteres suspendiert, da keine Einigung unter den Mitgliedern der G-6 zustande kam. Die Verhandlungen wurden in allen Sektoren aufgeschoben, um den Mitgliedern zu erlauben, die Situation zu prüfen, die möglichen Optionen zu untersuchen und die Positionen zu überdenken13. Seit September sind allerorts Appelle für eine rasche Wiederaufnahme der Verhandlungen zu vernehmen. Die stille Diplomatie ruhte nicht und die Mitglieder trafen weiterhin in Interessengruppen zusammen. Alle Mitglieder der WTO bestätigten ihr Engagement für die Doha-Runde und den Willen, die Verhandlungen auf der Basis der vorhandenen Texte und bei gleichem Ambitionsniveau wieder aufzunehmen.

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16 Ab November wurden die Verhandlungen informell wieder aufgenommen. Die Wiederaufnahme betrifft im Wesentlichen die Arbeiten auf technischer Ebene. Auf politischer Ebene fehlt nach wie vor eine Einigung zum „wie“ und „wann“ eines Wiederbeginns. Es ist noch nicht klar, welche Konsequenzen George Bushs Niederlage in den Kongresswahlen vom November hat. Mitte Dezember 2006 war von einer soft resumption – auf halbem Wege zwischen stiller Diplomatie und eigentlichen Verhandlungen – die Rede.

17 Die Aussetzung der Verhandlungen beeinträchtigt keineswegs den Betrieb der WTO als solcher. Die gesamten Abkommen der Uruguay-Runde werden nach wie vor angewandt und der Streitbeilegungsmechanismus funktioniert weiter. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich eine Verlagerung der Verhandlungen zur Streitbeilegung ergibt. Damit würden vor allem die Agrarbeihilfen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union angefochten. Gleichzeitig haben die Handelsmächte viel Energie in den Abschluss bilateraler Wirtschaftsabkommen gesteckt.

Positionen gegenüber der Unterbrechung der Verhandlungen

18 Obschon sich die grossen Handelspartner gegenseitig die Schuld am Scheitern der Verhandlungen zuschoben, wurden in erster Linie die Vereinigten Staaten an den Pranger gestellt. Brasilien, Indien und die Europäische Union gaben den USA die Schuld am Fiasko und warfen ihnen ihre Unnachgiebigkeit bezüglich der internen Stützung vor, während sie selbst eine gewisse Flexibilität bewiesen hatten. Die Vereinigten Staaten wehrten sich gegen diese Vorwürfe mit dem Argument, dass die Partner ihre Märkte nicht genügend geöffnet hätten und unter dem Deckmantel der sensiblen und speziellen Produkte protektionistische Massnahmen verfolgt hätten14.

Positionen in der Schweiz

19 Die Schweiz bedauerte, dass die Gespräche Ende Juli nicht abgeschlossen werden konnten und in den WTO-Verhandlungen kein Durchbruch zu erzielen war15. Sie bedauerte ferner, dass das Agrardossier einer für alle annehmbaren Lösung im Wege gestanden hatte. Gleichzeitig vertrat die schweizerische Delegation die Auffassung, dass die Zeit für eine Pause zum Nachdenken gekommen sei16. Die Schweiz erklärte sich bereit, auf der Grundlage der aktuellen Positionen, das heisst des Rahmenabkommens vom Juli 2004 und der Beschlüsse von Hongkong, weiterzuarbeiten. Nach Auffassung der Schweiz bleiben auch neben der Landwirtschaft noch zahlreiche Fragen offen, zum Beispiel betreffend Industriegüter, Dienstleistungen, Regeln oder die übrigen Verhandlungen der Doha-Runde. Die Schweiz ist der Ansicht, dass das Ausbleiben von Fortschritten in den Verhandlungen das multilaterale Handelssystem beeinträchtigt. Sie plädiert deshalb für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen, gibt sich aber keinen Illusionen hin. Nach Ansicht der schweizerischen Delegation muss noch ein langer Weg zurückgelegt werden, bis in den Verhandlungen ein Durchbruch erzielt wird.

20 economiesuisse äusserte den Wunsch, „sich bis zum Schluss für die gewichtigen Offensivinteressen der Schweizer Wirtschaft einzusetzen“, und zwar mit dem Abbau von Handelshemmnissen bei Industriegütern und der weiteren Liberalisierung des Dienstleistungshandels17. Der Wirtschaftsverband strebt Regeln an, die ausländische

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und lokale Unternehmen gleich behandeln, besonders in heute noch „geschlossenen“ Schwellenländern wie Indien und Brasilien.

21 Die Westschweizer Bauerngewerkschaft Uniterre begrüsste, in Übereinstimmung mit der Position der internationalen Bauernbewegung,18 das Scheitern der Doha-Runde. Der Schweizerische Bauernverband (SBV) dagegen reagierte mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist für den Verband kein Resultat besser als ein schlechtes Resultat. Andererseits zieht der SBV multilaterale Abkommen grundsätzlich bilateralen Abkommen vor19. Parallel dazu fand am 28. Juni unter der Ägide des SBV eine Pressekonferenz in Genf statt20 : Bauernverbände aus 53 Ländern Europas, Asiens, Afrikas und Amerikas, die Familienstrukturen aufweisen oder einen Grossteil an landwirtschaftlichen Produkten importieren, verliehen ihrer Sorge in Bezug auf die Agrarverhandlungen Ausdruck.

22 Alliance Sud führte den Misserfolg der Verhandlungen hauptsächlich darauf zurück, „dass die Industrieländer unfähig waren, bei den Verhandlungen die Entwicklungsziele ärmerer Länder ernst zu nehmen und die Versprechen, die sie in Doha abgaben, zu halten“21. Im gleichen Sinne prangerte die Erklärung von Bern die „klägliche Rolle“ der Schweizer Regierung an, die keinen Versuch unternommen habe, „ein entwicklungsfreundliches multilaterales Handelssystem zu unterstützen“22.

Positionen der Entwicklungsländer

23 Die Entwicklungsländer äusserten die grösste Enttäuschung über die Suspendierung der Verhandlungen, auch wenn die meisten von ihnen mit dem Verlauf der in Doha versprochenen „Entwicklungsrunde“ nicht zufrieden waren. Die Entwicklungsländer hatten sich in den Verhandlungen stark engagiert, weil ihnen klar war, dass sie ihre Interessen in einem multilateralen Gremium besser als auf bilateralem Wege mit den Industrieländern wahren konnten. Zudem wissen sie, dass nur ein Abkommen in der WTO den Stützungsmassnahmen im Agrarbereich, die ihren Volkswirtschaften schwer zu schaffen machen, ein Ende bereiten kann. Schliesslich befürchten sie, bestimmte Errungenschaften von Hongkong, wie die Beseitigung der Exportbeihilfen, die Aufhebung der Zölle und Kontingente für die Exporte der LDC, die Handelshilfe oder die Ausnahmeregelungen für die Nahrungsmittelsicherheit zu verlieren.

6.2.2. Einzelheiten der Verhandlungen

24 Nachstehend folgt ein kurzer Überblick über den Verhandlungsstand von Mitte Dezember 2006 zu den wichtigsten Dossiers der WTO : Landwirtschaft, Industriegüter, Dienstleistungen, geistiges Eigentum und Beitritte. Die Positionen haben seit den Beschlüssen, die im Rahmenabkommen vom Juli 2004 und auf der Ministerkonferenz von Hongkong im Dezember 2005 getroffen wurden, kaum Fortschritte gemacht. Die meisten Dossiers stolperten über die gleichen Hürden wie in den Vorjahren.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 6, 6.3.1. Stand der Verhandlungen im Jahr 2005, S. 87-92 ; 6.4. Ministerkonferenz von Hongkong : Hauptergebnisse, S. 94-96 ; Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 6, 6.2.3. Ergebnisse des Rahmenabkommens vom Juli 2004, S. 80-84.

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Landwirtschaft

25 Nachdem in Hongkong das Jahr 2013 als Termin für die Beseitigung der Ausfuhrsubventionen festgelegt wurde23, mussten noch der Marktzugang (Zollsenkung) sowie die interne Stützung geklärt werden. Die Länder konnten sich jedoch in ihren Diskussionen im Jahr 2006 nicht auf genauere Zahlen und Ziele einigen.

26 Hinsichtlich der Agrarzöllewurden sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Ausnahmen wegen der Nahrungsmittelsicherheit,das heisst „spezielle Produkte“ und Sonderschutzmassnahmen, wurden ebenfalls behandelt (siehe unten Punkt 6.2.3). Auch in der Frage der internen Stützung (Produktionsbeihilfen) mit handelsverzerrenden Auswirkungen auf den Weltagrarmärkten gingen die Positionen stark auseinander. Die Vereinigten Staaten hielten an ihrem Angebot vom Oktober 2005 fest, das eine Reduzierung um 53 Prozent, von 48 auf 23 Milliarden Dollar vorschlug. Diese Massnahme stellt niemanden zufrieden, da der Betrag über dem aktuellen Ausgabenniveau der USA (19,7 Milliarden Dollar) liegt. Die Vereinigten Staaten lassen sich somit die Möglichkeit offen, überhaupt nichts zu reduzieren, ja sogar die interne Stützung noch zu erhöhen.

27 Die WTO hat die Tendenz vieler Länder angeprangert, bezüglich der Subventionsbeträge zu „mogeln“, die sie an alle Bereiche ihrer Wirtschaft zahlen und damit den Welthandel verzerren24. Laut dem World Trade Report 2006 geben die Länder weltweit jährlich über 300 Milliarden Dollar für Subventionen aus25.

Industriegüter

28 In Hongkong wurde die Basis der im Rahmenabkommen vom Juli 2004 niedergelegten Marktliberalisierung für Industriegüter bestätigt und präzisiert26. Die Länder konnten sich jedoch im Jahr 2006 nicht auf die Modalitäten, besonders jene betreffend die schweizerische Zollsenkungsformel einigen. Der Grundsatz dieser Formel wurde in Hongkong angenommen und führt zu einer stärkeren Senkung der höheren Zölle. Davon sind insbesondere die Entwicklungsländer betroffen, die insgesamt viel höhere Industriezölle erheben als die Industrieländer. Im Juni 2006 legte die Verhandlungsgruppe NAMA-11, die elf Entwicklungsländer umfasst,27 Grundsätze für diese Verhandlungen vor28.

Dienstleistungen

29 Obwohl es in den Verhandlungen der Doha-Runde im Wesentlichen um Landwirtschaft und Industriegüter ging, spielen die Dienstleistungen für die Industrieländer, gerade auch für die Schweiz, weiterhin eine Schlüsselrolle. Nachdem der Versuch zur Einführung minimaler Marktöffnungsstandards scheiterte, galten die Bemühungen der Aufnahme plurilateraler Verhandlungen29. Diese wurden im März formell eingeleitet und erfassten über zwanzig Sektoren30. Schwellenländer wie Indien, Chile, Mexiko oder China haben sich im Jahr 2006 aktiv beteiligt und versucht, für ihre Interessen einzutreten und ihre langjährigen Forderungen durchzusetzen (z.B. freier grenzüberschreitender Personenverkehr zur Erbringung von Dienstleistungen).

30 Mehrere Nichtregierungsorganisationen (NRO) aus dem Norden und Süden31 zeigten sich im Juni 2006 über die Vorschläge einiger Industrieländer – vor allem der Schweiz32 – beunruhigt, die darauf abzielen, das Regulierungsrecht der Länder noch stärker

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einzuschränken. In der Schweiz protestierten Alliance Sud, die Erklärung von Bern, Pro Natura und der Schweizerische Gewerkschaftsbund bei der Regierung gegen eine solche Klausel33. Was die Kampagne „GATS-freie Zone“ betrifft, so wurde sie in der Schweiz fortgesetzt34.

Geistiges Eigentum

31 Die Thematik des geistigen Eigentums bildet, trotz der bisher untergeordneten Rolle in der Doha-Runde, eine grosse Herausforderung. Mehrere Themen im Zusammenhang mit dem Abkommen über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS) wurden diskutiert, darunter der Kampf gegen die Biopiraterie, die Umsetzung der geistigen Eigentumsrechte und die geografischen Herkunftsangaben. Im Oktober 2006 gab die Schweiz bekannt, dass sie den von der WTO im Dezember 2005 verabschiedeten Zusatz zum TRIPS-Abkommen ratifiziert habe35. Oxfam und Médecins sans frontières warfen den Industrieländern vor, den Geist des TRIPS-Abkommen zu missachten36.

Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 5, 5. 5. Revision des Patentgesetzes ; Kapitel 10, 10.3.3.Revision des Patentgesetzes.

Beitritte

32 Zwischen 1995 und 2006 nahm die WTO 22 neue Mitglieder auf37. Die jüngsten Beitritte betreffen Saudi-Arabien (11. Dezember 2005) und Vietnam (7. November 2006). Vietnam sollte nach elfjährigen Verhandlungen im Prinzip das 150. Mitglied der WTO werden38. Die Zivilgesellschaft äusserte Vorbehalte zum Beitritt Vietnams und argumentierte, die Industrieländer hätten Vietnam Zugeständnisse abverlangt, die über die geltenden WTO-Abkommen hinausgingen (Marktzugang, Landwirtschaft, geistiges Eigentum, usw.). Auch einige Experten wiesen darauf hin, dass an Vietnam anspruchsvollere Anforderungen gestellt wurden als an China39.

6.2.3. Aktuelle Entwicklungsdiskussion

33 2006 stand die Entwicklungsfrage im Vordergrund, insbesondere in der Kritik der Entwicklungsländer an der Doha-Runde. Nicht nur die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und die meisten Industrieländer, sondern praktisch auch das ganze WTO-Sekretariat plädierten nachdrücklich für die Idee, dass ein breiterer Marktzugang allen Vorteile bringe. Der Generaldirektor erfand sogar einen neuen Anhaltspunkt für die Doha-Runde, indem er betonte, dass dieses Abkommen, wie es auch immer beschaffen sei, „neue Handelsströme“ generieren müsse40. Allerdings glauben die wenigsten Entwicklungsländer, dass ein breiterer Marktzugang ihren entwicklungsspezifischen Bedürfnissen entsprechen könne. Sie bedauern, dass sich der Schwerpunkt von den Entwicklungsprioritäten auf die Rolle des Marktzugangs verlagert hat (siehe nachstehenden Rahmentext).

& Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 6, 6.3.1. Eine Entwicklungsrunde ?, S. 87-88.

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Zusammenschluss aller Entwicklungsländer

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vom Juli 2006, im Anschluss an die „Mini- Ministerkonferenz“ vom Juni haben die Vertreter der G-20, der G-33a, der AKP- Gruppea, der LDC, der afrikanischen Gruppe (bestehend aus den 41 afrikanischen WTO-Mitgliedern), der Gruppe der kleinen anfälligen Volkswirtschaften (Small Vulnerable Economies, SVE), der NAMA-11, der Gruppe Baumwolle-4b und der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) Vorbehalte am Verhandlungsverlauf der Doha-Runde geäussert. Alle Teilnehmer warfen den Industrieländern vor, sie würden erstens das Entwicklungsmandat der Doha-Runde nicht berücksichtigen und zweitens übertriebene Marktzugangsforderungen stellen.

Die Länder betonten jedoch auch die Bedeutung einer „Entwicklungsrunde“, die wesentlich dazu beitragen würde, dass ihre armen Bevölkerungen von den Handelsbeziehungen profitieren könnten. Damit dies Wirklichkeit werde, sollten folgende Prinzipien befolgt werden :

- „Entwicklungsrunde“: Ziel dürfe es nicht sein, die Märkte der Entwicklungsländer noch weiter für die Güter der Industrieländer zu öffnen, sondern die armen Bevölkerungen an den Vorteilen des Marktzugangs im Norden teilhaben zu lassen. Es sei nicht einzusehen, weshalb die Entwicklungsländer ihre Märkte weiter öffnen sollten, während die Industrieländer ihre Agrarsubventionen beibehalten.

- Landwirtschaft : Der grösste Fortschritt sollte bei den gravierendsten Handelsverzerrungen erzielt werden, das heisst bei den Agrarsubventionen. Bei Industriegütern sind Handelsverzerrungen schon seit Jahrzehnten verboten worden. Die Beseitigung dieser Verzerrungen sollte ohne Konzessionen als Gegenleistung erfolgen.

- Marktzugang : Zölle sollten nicht mit Subventionen gleichgesetzt werden. Sie bilden den einzig möglichen Schutzmechanismus gegen Subventionen und können nicht gesenkt werden, wenn die Agrarsubventionen beibehalten werden.

- Handelsflüsse : Doha soll zu einer Runde für die Handelsflüsse und -gewinne der Entwicklungsländer – nicht der Industrieländer – werden. Eine „Entwicklungsrunde“ darf die Entwicklungsländer nicht entindustrialisieren, sondern sollte die Marktschranken in den Industrieländern verringern, um neue Exportmöglichkeiten für den Süden zu erschliessen.

- Ungleichgewichte der Uruguay-Runde : Die Entwicklungsländer haben sich unter der Voraussetzung auf die Doha-Runde eingelassen, dass die Ungleichheiten und Ungleichgewichte der WTO-Abkommen im Verlauf der Verhandlungen berichtigt werden. Auch hier sollten diese Korrekturen ohne Zugeständnisse als Gegenleistung stattfinden.

- Nahrungsmittelsicherheit und „Entwicklungspaket“: Die in Hongkong gemachten Versprechen müssten eingehalten werden. Die spezielle Behandlung und die Flexibilitäten seien entscheidend, um die besonderen Verhältnisse der armen Länder zu berücksichtigen.

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Die Entwicklungsländer sprechen erst seit kurzem mit einer Stimme. Sie leiteten diesen Prozess erstmals am Ende der Ministerkonferenz in Hongkong mit einer noch kleinen Ländergruppe ein. Ihr Ziel ist, ihre Differenzen zu beseitigen, um eine schlagkräftigere gemeinsame Front in den Verhandlungen bilden zu können. Laut einigen Beobachtern muss der Beweis für die Wirksamkeit einer solchen Gruppierung, angesicht der äusserst unterschiedlichen Situationen, erst noch erbracht werden. Kleine und mittlere Entwicklungsländer vertreten nicht unbedingt die gleichen Interessen wie Schwellenländer, z.B. Korea, Singapur, Hongkong, Brasilien, Indien, Südafrika, Mexiko oder die Türkei.

Quelle : Pressekonferenz der Gruppierung der Entwicklungsländer, 1. Juli 2006, Genf.

a Siehe Abkürzungsverzeichnis am Schluss des Jahrbuchs.

b Benin, Burkina Faso, Mali und derTschad.

34 Nachstehend werden die gegenwärtig diskutierten hauptsächlichen Entwicklungsthemen kurz beschrieben : spezielle Produkte, Baumwolle, „Entwicklungspaket“ „Aid for Trade“ und Handelserleichterung.

Spezielle Produkte

35 Seit der Ministerkonferenz von Doha im Jahr 2001 haben sich die G-33 und die AKP- Gruppe unablässig für die Möglichkeit eines Mechanismus eingesetzt, der ihnen politischen Raum für ihre Entwicklungsprioritäten bietet41. Die Existenzmittel der kleinen Landwirte dieser Länder werden durch wachsende Importe zunehmend untergraben. In den Diskussionen der WTO im Jahr 2006 zeigten sich die Schwierigkeiten bei der Erstellung von Indikatoren zur Nahrungsmittelsicherheit und zur Sicherung der Existenzmittel, vor allem wegen der unterschiedlichen Verhältnisse dieser Länder. Dabei prallten quantitative Vorschläge und qualitative Massnahmen aufeinander.

Baumwolle

36 Die vier west- und zentralafrikanischen Länder Benin, Burkina Faso, Mali und Tschad, welche die C-4 bilden – legten zwei neue konkrete Vorschläge für die Agrarverhandlungen auf den Tisch42. Darin äussern sie ihre Wünsche betreffend die Umsetzung der zur Baumwolle eingegangenen Verpflichtungen im Rahmenabkommen vom Juli 2004 und in Hongkong, wo die Mitglieder erneut ihr Engagement bekräftigten, sicherzustellen, dass in den Landwirtschaftsverhandlungen und über den Unterausschuss für Baumwolle rasch ein ausdrücklicher Beschluss zur Baumwolle in ambitionierter und spezifischer Weise erzielt wird („… reaffirm our commitment to ensure having an explicit decision on cotton within the agriculture negotiations and through the Sub-Committee on Cotton ambitiously, expeditiously and specifically…“)43. Die afrikanischen Länder äusserten während des ganzen Jahres immer wieder die Befürchtung, dass die in Hongkong eingegangene Verpflichtung – nämlich die Möglichkeit auszuloten, einen Mechanismus zu schaffen, um sich mit den Einkommenseinbussen im Baumwollsektor bis zur Beendigung der Subventionen zu befassen44 („to explore the possibility of establishing… a mechanism to deal with

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income declines in the cotton sector until the end of the subsidies“) – weder erörtert, noch verwirklicht werde.

37 Die Europäische Union hat im Juni 2006 selber einen Vorschlag zum Thema Baumwolle eingebracht. Es war die erste schriftliche Reaktion zu dieser Frage, die nicht von den afrikanischen Ländern ausging. Darin werden ähnliche Forderungen bezüglich des Marktzugangs und der Exportbeihilfen gestellt. Ferner werden der Abbau der internen Stützung der Amber Box sowie Höchstgrenzen für die Blue Box gefordert. Die Vereinigten Staaten wehrten sich ihrerseits weiterhin gegen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den afrikanischen Vorschlägen. Nach ihrer Auffassung könne ein Resultat über die Baumwolle erst dann zur Sprache kommen, wenn ein Abkommen über die Landwirtschaft ausgehandelt worden sei. Allerdings wurden die meisten Exportsubventionen der USA für Baumwolle am 1. August 2006 aufgehoben45.

Jahrbuch 2004, Nr. 1, Kapitel 6, 6.2. WTO, Glossar mit Definition der Kategorien der internen Stützung, S. 92 ; 6.3. Baumwollinitiative, S. 98-105.

„Entwicklungspaket“

38 Mehrere Industrieländer – darunter die Mitglieder der Europäischen Union und die Schweiz – legten ein „Entwicklungspaket“ für die ärmsten Länder auf den Verhandlungstisch, um ein positives Signal für die Ministerkonferenz von Hongkong auszusenden46. Das Paket enthält mehrere Versprechen. Zuerst verpflichten sich die Industrieländer und die Entwicklungsländer, die dazu in der Lage sind, Produkten aus LDC zoll- und kontingentfreien Marktzugang zu gewähren („agree to implement duty- free and quota-free market access for products originating from LDCs“). Ausserdem ergreifen die Mitglieder zusätzliche Massnahmen, um an der Grenze wie auch in anderer Weise einen effektiven Marktzugang zu gewähren, einschliesslich vereinfachter und transparenter Ursprungsregeln zur Erleichterung der Ausfuhren aus den LDC („Members shall take additional measures to provide effective market access, both at the border and otherwise, including simplified and transparent rules of origin so as to facilitate exports from LDCs“)47. Neben den Versprechen betreffend Beitritte, Dienstleistungen und geistiges Eigentum bekräftigten die Länder ihre Verpflichtung, handelsbezogene technische Unterstützung und Kapazitätsaufbau für die LDC prioritär voranzutreiben, um ihnen zu helfen, ihre beschränkten menschlichen und institutionellen Kapazitäten im Handelsbereich zu überwinden („… reaffirm our commitment to enhance effective trade-related technical assistance and capacity building to LDCs on a priority basis in helping to overcome their limited human and institutional trade-related capacity…“)48.

39 Die konkreten Leistungen des „Entwicklungspakets“ waren 2006 dürftig. Die Schweiz hat vor diesem Hintergrund ihr Zollpräferenzsystem gegenüber den Entwicklungsländern und besonders den am wenigsten entwickelten Ländern revidiert (siehe unten Punkt 6.3.).

Aid for Trade

40 Die WTO-Mitglieder hatten während der Ministerkonferenz in Hongkong die Bedeutung einer Erweiterung der Handelshilfe betont. Aid for Trade sollte den Entwicklungsländern und besonders den LDC helfen, sich mit den Kapazitäten auf der

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Angebotsseite und der handelsbezogenen Infrastruktur auszustatten, die sie brauchen, um die WTO-Abkommen umzusetzen, Nutzen daraus zu ziehen und allgemein ihren Handel anzukurbeln („Aid for Trade should aim to help developing countries, particularly LDCs, to build the supply-side capacity and trade-related infrastructure that they need to assist them to implement and benefit from WTO Agreements and more broadly to expand their trade“49. Ferner anerkennen sie, dass die Handelshilfe die Entwicklungsvorteile, die sich aus einem erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde ergeben, nicht ersetzen, diese aber sinnvoll ergänzen kann („Aid for Trade cannot be a substitute for the development benefits that will result from a successful conclusion to the DDA… However ist can be a valuable complement to the DDA“50.

41 2006 setzte die WTO eine Task Force mit 13 Mitgliedern ein, welche Empfehlungen zur operativen Umsetzung des Konzepts Aid for Trade ausarbeitete 51. Die Empfehlungen wurden im Juli 2006 angenommen. Darin wird der Nachdruck auf die Art und Weise gelegt, wie Aid for Trade zur aktiven Integration der Entwicklungsländer in das multilaterale Handelssystem beitragen kann52. Wie die Task Force erklärte, müssen dafür zusätzliche, vorhersehbare und reale Finanzmittel gefunden werden. Die Vereinigten Staaten halten hingegen „angemessene“ Ressourcen für wichtiger als „zusätzliche“ Ressourcen. Die Task Force schlägt vor, keinen neuen Fonds zu schaffen, sondern vorrangig die existierenden Kanäle auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zu nutzen. Die Problematik Aid for Trade löste auch zahlreiche Diskussionen in der Zivilgesellschaft aus53.

Handelserleichterung

42 Die Handelserleichterung in der WTO verfolgt das Ziel, Hindernisse für Waren an den Grenzen, beispielsweise durch die Vereinfachung von Zollformalitäten abzubauen. In Hongkong hatten sich die Länder auf das im Rahmenabkommen vom Juli 2004 verankerte Mandat über die Handelserleichterung bezogen. Die WTO-Mitglieder waren in ihren Arbeiten im Jahr 2006 bestrebt, drei geltende Artikel des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT)54 zu klären, die technische Unterstützung auszubauen und die Zusammenarbeit unter den zuständigen Behörden zu steigern. Die Entwicklungsländer zeigten Interesse an den Verhandlungen, während die LDC Besorgnis über die Umsetzungskosten, die Fristen und die technische Unterstützung äusserten. Eine Gruppe von Ländern, darunter die Schweiz, legte einen Vorschlag vor, der ein mehrstufiges Verfahren vorsieht55.

6.2.4. Perspektiven

43 Das jährliche öffentliche Forum der WTO fand im September 2006 im Kontext der Suspendierung der Verhandlungen statt. Es hatte zum Thema : „What WTO for the XXI Century ?“. Generaldirektor Pascal Lamy sprach in seiner Eröffnungsansprache von einer unsicheren Zukunft der Doha-Runde. Man warte auf die Ambulanz, ohne zu wissen, wann sie am Unfallort eintreffen werde und ob sie die richtigen Instrumente und Medikamente mitbringen werde56. Die richtige Medizin hängt von der Diagnose ab. Anlässlich des Forums, aber auch auf zahlreichen Kundgebungen und in Publikationen verschiedenster Herkunft im zweiten Halbjahr 2006 prallten zwei unterschiedliche Analysen und Vorschläge aufeinander.

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44 Für die einen – das WTO-Sekretariat und die meisten Mitglieder – ist die Krise vor allem politisch und institutionell. Wie der indische und der brasilianische Handelsminister betonten, gehe es nicht um „Zahlen“, sondern um eine Frage der „Einstellung“, der „Wahnehmung“ und der „Leadership“. So sollen die diversen Länder die Pausevor allem dazu nutzen, ihren „Grabenkrieg“ zu beenden. De facto hat kein Land die derzeit als Verhandlungsgrundlage vorliegenden Texte infrage gestellt. Jedes Land muss zwei Aufgaben erledigen : einerseits seinen echten politischen Willen für den Abschluss der Doha-Runde klären und bekräftigen ; zweitens das Ausmass an Flexibilität und die Zugeständnisse festlegen, die es seiner öffentlichen Meinung und seinen verschiedenen Interessengruppen entsprechend zu leisten bereit ist.

45 Eine nicht zu unterschätzende Ursache für den Stillstand in der WTO bildet der beschränkte Handlungsspielraum gewisser Regierungen, die einem starken internen Druck ausgesetzt sind : Befürchtungen der französischen Landwirte, zu deren Sprachrohr sich Präsident Chirac macht ; Stimmengewicht der Agrar-, Baumwoll- und Zuckerlobby in den Vereinigten Staaten ; Massenselbstmorde indischer Bauern ; Arbeiter- und Gewerkschaftsproteste in Südafrika ; Bewegung der philippinischen Fischer ; Opposition in Agrarkreisen in der Schweiz, usw. Für die Entwicklungsländer ist es neben den gegenseitigen Konzessionen in den Verhandlungen entscheidend, dass die „Entwicklungsdimension“ der Doha-Runde (siehe oben Punkt 6.2.3.) ernst genommen wird.

46 Nach Auffassung anderer Akteure und Beobachter genügt ein solcher Ansatz nicht. Zahlreiche NRO sehen im Scheitern der Verhandlungen eine Systemkrise, in erster Linie das „Fiasko des globalen Modells“, welches die Ärmsten durch Liberalisierungen noch ärmer macht, die Landwirtschaft und die Industrialisierungsbemühungen vernichtet, die demokratische Kontrolle über die öffentlichen Dienste schwächt, die Umwelt zerstört und vor allem den multinationalen Konzernen zugute kommt57. Die Aussetzung der Verhandlungen sollte in diesem Sinne als Chance genutzt werden, um das internationale Handelssystem und die Rolle der WTO gemeinsam von Grund auf neu zu definieren ; um sich von der Illusion zu verabschieden, Entwicklung führe über die Marktöffnung, und einen neuen Kurs einzuschlagen ; um einen neuen multilateralen Rahmen zu erarbeiten, der die Handelsbeziehungen für die ärmsten Bevölkerungsgruppen wirklich vorteilhaft machen und das Recht der Länder achten würde, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wirtschaftspolitik durchzuführen58.

47 Die beiden Ansätze sind zwar unterschiedlich, aber nicht unbedingt widersprüchlich. Der erste ist hauptsächlich kurzfristig, der zweite längerfristig angelegt59. De facto ergeben sich mehrere Berührungspunkte zwischen dem Forderungskatalog der NRO und den Vorschlägen des WTO-Sekretariats und gewisser WTO-Mitglieder : • Auf internationaler Ebene : Der WTO-Generaldirektor60, der Premierminister von Lesotho61 und eine NRO wie IATP62 halten es für notwendig, den Mangel an Kohärenz unter den internationalen Organisationen, insbesondere der WTO, dem IWF und der Weltbank zu beheben. Eine Gruppe französischer NRO geht noch einen Schritt weiter. Sie fordert die Wiedereinbindung der WTO in das umfassendere multilaterale Gouvernanzsystem der UNO und die Unterordnung des Handelsrechts unter die grundlegenden Menschen- und Umweltrechte63. • Auf nationaler Ebene : Die Handelspolitik – und mithin die Positionen in der WTO – sollten in viel grösserer Übereinstimmung mit der Landwirtschafts-, Umwelt-, Migrations-,

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Sicherheits- und Entwicklungspolitik festgelegt werden64. Dies setzt eine demokratische und parlamentarische Kontrolle im Dialog mit der Zivilgesellschaft und der Bevölkerung voraus. • Auf der Ebene der WTO : Die WTO steht vor zwei Anforderungen. Die erste betrifft die Organisationskultur. Nach Auffassung gewisser NRO ist es an der Zeit, die merkantilistische Taktik des gegenseitigen Gebens und Nehmens zu beenden, mit der so komplexe Fragen wie die Entwicklung nicht ernsthaft behandelt werden können. Die zweite betrifft die Arbeitsstrukturen. Zu den wiederholten Forderungen der AKP-Länder gehören mehr Einbeziehung, mehr Transparenz und Demokratie in den Beschlussverfahren. Die Schweiz könnte sich in dieser Hinsicht problemlos ein WTO-Parlament vorstellen65. Als weiteren möglichen Ansatz schlagen die Schweiz66 und auch Frankreich den plurilateralen Weg vor.

Nicht behandelte oder neue Themen

48 Unabhängig von der Wiederaufnahme der Doha-Runde hat der gegenwärtige Stillstand eine Reihe bislang vernachlässigter Themen zutage gefördert, die nach und nach in den Vordergrund rücken könnten. Dabei handelt es sich insbesondere um die Wasserversorgung, um den Zusammenhang zwischen Handel und Sicherheit im Umfeld des internationalen Terrorismus sowie um den Handel mit Fälschungen (12 % des Welthandels). Ferner besteht die Frage der Rohstoffe, die für die Entwicklungsländer grosse Bedeutung besitzt. Im gleichen Sinne hat die afrikanische Gruppe im Juni 2006 einen Vorschlag unterbreitet67, der an die WTO-Mitglieder appelliert, sich mit den Problemen betreffend die Märkte der armen Länder (unstabile und unrentable Preise, strukturelle Überschüsse, usw.) zu beschäftigen.

49 Der CNN-Chef Ted Turner forderte anlässlich des jährlichen öffentlichen Forums der WTO, die Agrarsubventionen der reichen Länder für die Förderung von Biokraftstoffen zu verwenden. Nach seiner Auffassung würde dies Überproduktion und Handelsverzerrungen vermeiden, die Preise für landwirtschaftliche Produkte erhöhen, und die Bauern des Nordens und Südens kämen in den Genuss eines Energiemarkts ohne Grenzen. Nur wenige Experten glauben, dass diese Idee die Doha-Runde zu retten vermag. Dagegen steht fest, dass Biokraftstoffe, die derzeit einen starken Aufschwung erleben, künftig zu einer der grossen Herausforderungen des Welthandels werden68.

6.3. Überarbeitung der Zollpräferenzen

50 Die Schweiz hat 2006 ihr System der Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer revidiert69. Da der Bundesbeschluss über die Gewährung von Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer nur bis zum 28. Februar 2007 gilt, musste die bestehende Gesetzesgrundlage verlängert werden. Das Parlament stimmte der Umwandlung des Beschlusses in ein Gesetz im Oktober 2006 ohne Einwände zu. Das Gesetz sollte gleichzeitig mit der neuen Verordnung (siehe unten) am 1. März 2007 in Kraft treten. Zudem hat sich die Schweiz verpflichtet, demnächst die Verordnung über die Ursprungsregeln zu überarbeiten und zu vereinfachen70.

6.3.1. Zollpräferenzen

51 Im März 1972 führte die Schweiz ihr erstes Allgemeines Zollpräferenzsystem (APS) ein, um den Marktzugang für Produkte aus den Entwicklungsländern in der Schweiz aktiv zu fördern. Dieser allgemeinverbindliche befristete Bundesbeschluss, wurde 1981, 1991

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und 1996 verlängert und angepasst. In diesem Rahmen gewährt die Schweiz den Entwicklungsländern Zollpräferenzen für alle Industriegüter und für gewisse Agrargüter. Seit 2002 gewährt sie auf alle Agrarprodukte aus den LDC Tarifsenkungen um 55 bis 75 Prozent gegenüber den normalen Zolltarifen.

52 Der Anteil der Entwicklungsländer an den schweizerischen Gesamteinfuhren ist von 5,5 Prozent im Jahr 1999 (6,5 Milliarden Franken) auf 6,6 Prozent im Jahr 2004 (9,2 Milliarden Franken) gestiegen. Der Anteil der am wenigsten entwickelten Länder bleibt unverändert bei 0,12 Prozent (156-168 Millionen Franken). Im Jahr 2004 wurden 57 Prozent der Produkte aus den Entwicklungsländern und 67 Prozent der Produkte aus den LDC zollfrei in die Schweiz eingeführt.

53 Die Schweiz setzt mit dieser Revision das im Dezember 2005 in Hongkong abgegebene Versprechen weitgehend um. Die Mitglieder der WTO haben sich verpflichtet, langfristig für alle Produkte aus den LDC zollfreien Marktzugang und bis 2008 für mindestens 97 Prozent ihrer Zollposten kontingentfreien Marktzugang zu gewährleisten. Der Marktzugang soll auf klaren und einfachen Ursprungsregeln beruhen. Die Entwicklungsländer haben oft grosse Schwierigkeiten mit den Ursprungsregeln, da die Formalitäten häufig so schwerfällig und kompliziert sind, dass sie lieber auf die Präferenzen verzichten.

6.3.2. Überarbeitung der Verordnung

54 Gleichzeitig mit der Umwandlung des Bundesbeschlusses in ein Bundesgesetz wurde auch die Verordnung über die Präferenzzölle zugunsten der Entwicklungsländer revidiert. Die Schweiz leitete im Juli 2006 ein erstes Vernehmlassungsverfahren und im Januar 2007 ein zweites Verfahren ein. Dabei wurden folgende Grundsätze vorgeschlagen : • LDC : Ab 2007 werden Zölle und Kontingente für alle Produkte aufgehoben. Einzige Ausnahmen sind Zucker und Bruchreis, für welche die Zölle bis Mitte 2009 schrittweise aufgehoben werden. • Entwicklungsländer : Die Zölle werden auf alle Industrieprodukte und auf gewisse Agrarprodukte verringert. • Vorläufige Erweiterung : Die Schweiz schlägt eine Erweiterung der Präferenzen, die den LDC gewährt werden, auf die hoch verschuldeten armen Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HPIC) vor, deren Schulden im Rahmen der HPIC-Initiative noch nicht reduziert wurden. Dies betrifft die Elfenbeinküste, den Kongo und Kirgistan. • Ausschlussmechanismus : Die Schweiz schlägt vor, Produkte, die über 3,25 Prozent des Weltmarktes ausmachen und Produkte aus anderen armen Ländern verdrängen, von den Präferenzen auszunehmen. Im Übrigen wird die Agrarschutzklausel wieder aufgegriffen.

Stellungnahme der Akteure

55 Die Entwicklungsorganisationen unterstützen im Allgemeinen die Revision der Zollpräferenzen71. Sie begrüssen das Prinzip der Ausweitung der Zollpräferenzen auf die hoch verschuldeten armen Länder. Sie halten eine umgehende Lockerung der Ursprungsregeln für wesentlich und verweisen darauf, dass die Schweiz auf verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern nach wie vor Zollspitzen und hohe progressive Zölle erhebt.

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56 Der Schweizerische Bauernverband ist mit dem Nullzoll für die am wenigsten entwickelten Länder einverstanden, lehnt aber alle zusätzlichen Konzessionen für die übrigen Entwicklungsländer ab.

BIBLIOGRAPHY

QUELLEN

Welthandelsorganisation (WTO)

International Trade Statistics 2006, Genf, 9. November 2006.

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NOTES

1. World Trade Organisation (WTO), World Trade Report 2006, Genf, 24. Juli 2006. Schwerpunktthema : Subventionen. 2. WTO, „International Trade Statistics. Rise in fuel prices during 2005 lifts shares of oil- exporters in world trade while US trade deficit reaches record level“, Pressemitteilung Nr. 457, 9. November 2006. 3. Der World Trade Report 2006 der WTO widmet der Entwicklung der Handelsbeziehungen der am wenigsten entwickelten Länder zwischen 1995 und 2004 ein separates Kapitel (Developments in LDC Trade), S. 25-29. 4. Der World Trade Report 2006 der WTO enthält ein separates Kapitel über die jüngsten Tendenzen im Textil- und Bekleidungshandel (Trade in Textiles and Clothing), S. 13-20. 5. Die Europäische Union unterzeichnete am 10. Juni 2005 eine Vereinbarung mit China, die in zehn Textilkategorien eine Begrenzung der chinesischen Exporte bis Ende 2007 vorsieht. Die Vereinigten Staaten einigten sich am 8. November 2005 mit China auf Schutzmassnahmen für sieben Kategorien chinesischer Textilien bis Ende 2008. 6. Beim Fast Track handelt es sich um die Bewilligung des amerikanischen Kongresses an die Regierung, Handelsabkommen auszuhandeln und abzuschliessen. 7. Siehe Abkürzungsverzeichnis am Schluss des Jahrbuchs. 8. G-6 : Australien, Brasilien, USA, Indien, Japan und die Europäische Union. 9. Siehe Abkürzungsverzeichnis am Schluss des Jahrbuchs. 10. „Sensible Produkte“, siehe Fussnote 14. 11. Siehe Abkürzungsverzeichnis am Schluss des Jahrbuchs.

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12. Pascal Lamys Vorschlag beinhaltete für die Vereinigten Staaten eine Senkung der internen Stützung auf unter 20 Milliarden Dollar, für die Europäische Union eine Reduzierung der Landwirtschaftszölle gemäss den Modalitäten der G-20 und für die Entwicklungsländer die Festlegung der Industriezölle auf 20 %. International Centre for Trade and Sustainable Development (ICTSD), Bridges Weekly Trade News Digest, Vol. 10, Nr. 23, 28. Juni 2006. 13. Pascal Lamy, Talks suspended. „Today there are only losers“, Rede anlässlich einer informellen Sitzung des Ausschusses für Handelsverhandlungen, 24. Juli 2006. 14. Die Entwicklungsländer dürfen Produkte, die zur Nahrungsmittelsicherheit, zur ländlichen Entwicklung oder zur Sicherheit der Existenzmittel beitragen, als „spezielle Produkte“ bezeichnen. Alle Länder haben die Möglichkeit, Agrarprodukte, für deren Marktzugang zusätzliche Flexibilität gewährt werden soll, als „sensible Produkte“ zu bezeichnen. 15. Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Sprachregelung betreffend den Beschluss des Ausschusses für Handelsverhandlungen (TNC) vom 24. Juli 2006 und des Allgemeinen Rates (CG) vom 27. Juli 2006. 16. Luzius Wasescha, „Où va l’OMC ?“, La Vie économique, Nr. 9, 2006. 17. economiesuisse, „WTO. Fortschritte in der Doha-Runde dringlich“, Pressecommuniqué, 12. Juli 2006. 18. Via Campesina, „The Doha Round is Dead ! Time for Food Sovereignty“, Pressemitteilung, 29. Juli 2006. 19. SBV, „Besser nichts, als was Schlechtes“, Medienmitteilung, 24. Juli 2006. 20. Schweizerischer Bauernverband (SBV), „WTO – Bauernverbände der ganzen Welt wehren sich“, Medienmitteilung, 28. Juni 2006. 21. Alliance Sud, Schiffbruch der Doha-Runde als Chance für die WTO, 27. Juli 2006, http:// www.alliancesud.ch. 22. Erklärung von Bern, „WTO-Ministerkonferenz. Sinnlose Zwängerei“, Pressemitteilung, 1. Juli 2006. 23. Zwei weitere mit den Exportsubventionen verbundene Fragen, die in Hongkong nicht geregelt wurden, waren ebenfalls Gegenstand von Gesprächen : Staatshandelsunternehmen und Nahrungsmittelhilfe. 24. WTO, World Trade Report 2006, op. cit. 25. Die Schweiz hat in einem Schreiben an die WTO vom Herbst 2006 die Auffassung vertreten, die im Bericht verwendeten Zahlen und der an die Regierungen gerichtete Vorwurf, sie würden ihre Subventionen nicht ordnungsgemäss notifizieren, entsprächen nicht der Wirklichkeit. Die Zahl von 300 Milliarden Dollar umfasst die Direktzahlungen, die nur geringe handelsverzerrende Auswirkungen auf dem internationalen Markt verursachen. Für die Schweiz machen sie einen Grossteil der Ausgaben für Landwirtschaft und Ernährung aus. 2005 betrugen die Direktzahlungen 2,5 Milliarden Schweizer Franken, bei insgesamt 3,8 Milliarden Franken. 26. Zu den nichtlandwirtschaftlichen Gütern gehören die Industriegüter sowie die natürlichen Ressourcen. 27. NAMA : Non-agricultural Market Access, Markzugang für nichtlandwirtschaftliche Güter. Die im Herbst 2005 gebildete Verhandlungsgruppe NAMA 11 umfasst Ägypten, Argentinien, Bolivien, Brasilien, Indien, Indonesien, Namibia, die Philippinen, Südafrika, Tunesien und Venezuela. 28. NAMA-11, „NAMA-11 Ministerial Communiqué“, Press Release, 29. Juni 2006. 29. An den plurilateralen Verhandlungen der WTO beteiligen sich die Länder mit gleichgerichteten Zielen (den übrigen Ländern steht es grundsätzlich frei, sich den Verhandlungen und den Ergebnissen anzuschliessen oder nicht). 30. Dabei handelt es sich um Dienstleistungen in den Bereichen Energie, Umwelt, Bau, Informatik, Fernmeldeverkehr, Architektur und Ingenieurwesen, Finanzen, Recht, Post, Audiovisuelles, Ausbildung, Verkehr, Logistik, Computerspiele, Vertrieb, Landwirtschaft sowie betreffend die vier Erbringungs- oder Verbrauchsarten von Dienstleistungen im internationalen

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Handel (Erbringungsart 1 : grenzüberschreitend, Erbringungsart 2 : Verbrauch im Ausland, Erbringung 3 : gewerbliche Präsenz im Ausland, Erbringungsart 4 : Verkehr der natürlichen Personen) sowie betreffend die Ausnahmen betreffend die Meistbegünstigungsklausel (Most Favoured Nation, MFN). 31. South Centre, The Development Dimension of the GATS Domestic Regulation Negotiations, Analytical Note, SC/AN/TDP/SV/11, Genf, South Centre, August 2006. 32. WTO, Communication from Switzerland and Mexico, Proposal for Disciplines on Technical Standards in Services, S/WPDR/W/32/Rev.1, 20. Oktober 2005. 33. Koordination Schweiz-WTO, Brief an Bundesrat Joseph Deiss, 28. Juni 2006. Alliance Sud, Erklärung von Bern, Pro Natura und Schweizerischer Gewerkschaftsbund,„WTO : Schweiz hebelt ,das Recht zu regulieren‘ aus“, Medienmitteilung, 10. Juli 2006. Bundesrat Joseph Deiss hielt in seiner Antwort vom 20. Juli 2006 fest, dass die Einführung des Notwendigkeitstests das Recht der souveränen Länder, ihre Dienstleistungen zu regulieren, keineswegs beschneiden würde. 34. Die Kampagne „GATS-freie Zone“ appelliert an die Parlamente der Städte und Gemeinden, gegen eine möglicherweise aufgezwungene Privatisierung von Leistungen des Service public durch das Allgemeine Abkommen über den Dienstleistungshandel (GATS) zu protestieren. Siehe http:// www.schweiz.attac.org/-Kampagnen-gegen-das-GATS. 35. Gemäss dieser am 30. August 2003 gewährten Ausnahmeregelung haben ärmere Länder ohne Herstellungskapazitäten das Recht auf leichteren Zugang zu billigen Generika patentgeschützter Arzneimittel. Die Schweiz ist dabei, die Umsetzung solcher Zwangslizenzen auf nationaler Ebene vorzubereiten. Sie folgt dabei dem Beispiel Kanadas, Norwegens und der Europäischen Union. 36. Oxfam International, Patents vs. Patients : Five years after the Doha Declaration, Briefing Paper Nr. 95, November 2006. 37. Siehe die Website der WTO über die Beitrittsprotokolle : http://www.wto.org/english/ thewto_e/acc_e/completeacc_e.htm. 38. WTO, „General Council approves Viet Nam‘s membership“, Pressemitteilung, 7. November 2006. 39. Oxfam International, Do as I Say, not as I Do :The Unfair Terms for Viet Nam’s Entry to the WTO, Oxfam Briefing Note, 9. Mai 2005. TWN, Vietnam Receives Green Light to Join WTO, Info Service on WTO and Trade Issues, 2. November 2006. 40. ICTSD, Bridges Weekly Trade News Digest, Vol. 10, Nr. 23, 28. Juni 2006. 41. International Centre for Trade and Sustainable Development (ICTSD), Special Products and the Special Safeguard Mechanism : Strategic Options for Developing Countries, Issue Paper, Nr. 6, Genf, ICTSD, Dezember 2005. Die Industrieländer ihrerseits haben das Konzept „spezifische Produkte“ ausgehandelt. 42. WTO, Proposed modalities for cotton under the mandate of the Hong-Kong Ministerial. Declaration, gemeinsamer Vorschlag der Länder Benin, Burkina Faso, Mali und Tschad, TN/AG/SCC/GEN/4, 1. März 2006. WTO, Modalities and Disciplines on Cotton in the Agriculture Negotiations, Communication from the Co-Sponsors of the Sectoral Initiative in Favour of Cotton, TN/AG/SCC/GEN/6, 16. Juni 2006. 43. WTO, Ministerial Declaration Adopted on 18 December 2005, Baumwolle, Absätze 11 und 12, WT/ MIN(05)/DEC, 22. Dezember 2005. Alle hier aufgeführten Auszüge aus dieser Ministererklärung wurden von uns ins Deutsche übersetzt (Anmerkung der Redaktion). 44. Ibid. 45. IDEAS Centre, Nouvelles sur le coton. Différend sur le coton : les Etats-Unis font un pas dans la bonne direction en mettant en œuvre l’élimination des paiements au titre du programme STEP 2 – mais quand les autres pas vont-ils être franchis ?, Note d’information Nr. 48, Genf, IDEAS Centre, 22. August 2006. 46. WTO, Ministerial Declaration Adopted on 18 December 2005, op. cit., LDC, Absatz 47. 47. Ibid. 48. Ibid.

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49. Ibid., Aid for Trade, Absatz 57. 50. Ibid. 51. WTO, Recommandations of the Task Force on Aid for Trade, WT/AFT/1, 27. Juli 2006. 52. ICTSD, Bridges Weekly Trade News Digest, Vol. 10, Nr. 24, 5. Juli 2006. 53. Für weitere Einzelheiten siehe Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP), Can Aid Fix Trade ?, Minneapolis, IATP, September 2006. 54. Es handelt sich um die Transitfreiheit (Artikel V), Gebühren und Formalitäten für Einfuhren und Ausfuhren (Artikel VIII) und um die Veröffentlichung und Anwendung von handelsbezogenen Regelungen (Artikel X). 55. WTO, Communication from Armenia, Chile, China, Dominican Republic, Ecuador, The European Communities, Georgia, Guatemala, Honduras, Japan, Kyrgyz Republic, Mexico, Moldova, Nicaragua, Pakistan, Paraguay, Sri Lanka, Switzerland and Uruguay, TN/TF/W/137, 21. Juli 2006. 56. Pascal Lamy, What WTO for the XXI Century ?, Opening Remarks, WTO Public Forum, 25. September 2006. 57. Lori M. Wallach, „Indefinite Suspension of Doha Round WTO Expansion Negotiations Creates Opportunity to Rethink Current Global Trade System“, Pressemitteilung, Washington, Public Citizen, 24. Juli 2006. 58. Attac France, Fédération Artisans du Monde, Initiatives pour un autre monde (IPAM), Union syndicale Solidaires et Vamos !,La suspension des négociations de Doha marque un premier pas vers des règles commerciales dédiées au développement et aux droits, Positionspapier, 28. Juli 2006. IATP, „Echec des négociations à l’OMC. Le moment est venu de changer d’approche“, Pressemitteilung, IATP, Minneapolis, 24. Juli 2006. 59. Michel Egger, „Die WTO im Schlussspurt für neue Handelsliberalisierungen“, Global+ (Alliance Sud), Nr. 21, Herbst 2006. 60. Pascal Lamy, The WTO is „a laboratory for harnessing globalization“, Vortrag an der Universität Harvard (Cambridge, Massachusetts), 1. November 2006. 61. Pakalitha Bethuel Mosisili, Quelle OMC au XXIe siècle ?, Öffentliches Forum 2006 der WTO, Genf, 25. September 2006. 62. Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP), Putting Trade into Perspective : Why the Collapse of Doha Is an Opportunity for a Better Trading System, Minneapolis, IATP, 7. August 2006. 63. Attac France, Fédération Artisans du Monde, Initiatives pour un autre monde (IPAM), Union syndicale Solidaires et Vamos !, op. cit. 64. Die WTO hat ein Buch über die Herausforderungen der Partizipation der Länder an der WTO veröffentlicht : WTO, Managing the Challenges of WTO Participation : 45 Case Studies, Dezember 2005. Rund vierzig Länder werden anhand konkreter Probleme – z.B. betreffend Regeln, Streitbeilegung, Textilien, Landwirtschaft, Dienstleistungen, geistiges Eigentum oder Beitrittsprozesse – unter die Lupe genommen. Die einzelnen Fallstudien verdeutlichen, wie die Regierung, die Wirtschaftskreise und die Zivilgesellschaft mit der Beteiligung der Länder an der WTO umgehen. 65. Luzius Wasescha, „Où va l’OMC ?“, La Vie économique, Nr. 9, 2006. 66. Didier Chambovey, „L’échec à l’OMC, une mauvaise nouvelle pour le multilatéralisme“, Le Temps, 28. Juli 2006. 67. WTO, Modalities for Negotiations on Agricultural Commodity Issues, Vorschlag der afrikanischen Gruppe anlässlich der ausserordentlichen Tagung des Landwirtschaftsausschusses, TN/AG/GEN/ 18, 8. Juni 2006. Carin Smaller und Sophia Murphy, Sur le chemin du développement. Les pays africains montrent la voie, Kommentar, Minneapolis, IATP, 16. Juni 2006. 68. Michel Egger, „Guerre commerciale en vue“, Global+ (Alliance Sud), Nr. 22, Winter 2006. Europäische Union,Eine EU-Strategie für Biokraftstoffe, COM(2006) 34 final, 8. Februar 2006. 69. Bundesrat, Botschaft über ein Bundesgesetz zur Änderung des Bundesbeschlusses über die Gewährung von Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer, 1. März 2006 (BBl 2006 2936).

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70. Verordnung über die Ursprungsregeln für Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer vom 17. April 1996 (SR 946.39, AS 1996 1540). 71. Alliance Sud, Consultation sur la révision totale de l’ordonnance sur les préférences douanières en faveur des pays en développement, lettre à la Commission d’experts-douaniers, 15. August 2006.

ABSTRACTS

Der Welthandel hat sich im Jahr 2005 wegen eines Rückgangs der Wirtschaftstätigkeit abgeschwächt. Zudem hat die Preisentwicklung die Handelsstruktur stark beeinflusst. Der weitere Anstieg der Brennstoffpreise kontrastierte mit dem Rückgang der Exportpreise für Agrarprodukte und Fertigwaren und trug auch zu den Schwankungen der regionalen Handelsflüsse bei. Für die Welthandelsorganisation (WTO) war 2006 ein schwarzes Jahr. Nach einem von regen Aktivitäten geprägten ersten Halbjahr, in dem jedoch keine einzige Frist eingehalten wurde, mussten Generaldirektor Pascal Lamy und die Mitglieder sich damit abfinden, die Verhandlungen der Doha-Runde auszusetzen. Drei Themen erwiesen sich in den Diskussionen als Stolpersteine : der Marktzugang und die Produktionsbeihilfen für die Landwirtschaft sowie der Marktzugang für die Industriegüter. Jedes Mitglied der G-6 – Australien, Brasilien, die Europäische Union, Indien, Japan und die USA – vertrat zu einem der drei Themen eine defensive Position. Die technischen Arbeiten kamen seit Ende 2006 wieder in Gang, doch fehlt nach wie vor eine Einigung über das „wie“ und „wann“ eines Wiederbeginns auf politischer Ebene. Die Entwicklungsländer akzeptierten die Idee nicht, dass sie als Preis für den Abbau der Agrarbeihilfen des Nordens ihre Märkte öffnen sollten – mit allen damit verbundenen Risiken. Entscheidend ist für sie ausserdem, dass die „Entwicklungsdimension“ der Doha-Runde ernst genommen wird. Einige führen die Aussetzung der Verhandlungen auf politische und institutionelle Gründe zurück. Vor diesem Hintergrund soll die Pause vor allem dazu dienen, den „Grabenkrieg“ unter den Ländern zu überwinden. De facto hat kein Mitglied die Texte, die derzeit als Verhandlungsbasis auf dem Tisch liegen, infrage gestellt. Andere sehen im Stillstand der Verhandlungen jedoch das Zeichen einer Systemkrise. Die Schweiz hat im Jahr 2006 ihr Zollpräferenzsystem zugunsten der Entwicklungsländer überarbeitet. Sie hat insbesondere den Bundesbeschluss in ein Gesetz umgewandelt und die Zölle und Kontingente auf Produkte aus den am wenigsten fortgeschrittenen Ländern aufgehoben.

AUTHOR

NADINE KEIM lic. ès sc. pol. unabhängige Konsulentin.

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7. Internationale Finanzbeziehungen

Bruno Gurtner

7.1. Kapitalflüsse in Entwicklungs- und Transitionsländer

7.1.1. Übersicht

1 Die Nettokapitalflüsse aus privaten und öffentlichen Quellen in Entwicklungs- und Transitionsländer stiegen im Jahr 2005 gemäss Weltbank um 53 Milliarden Dollar auf 472 Milliarden Dollar an1 (vgl. Tabelle 7.1).

2 In diesen Zahlen sind allerdings eine Reihe von Kapitalabflüssen nicht mit einbezogen, so unter anderem Gewinnrückführungen bei privaten Investitionsflüssen, innergesellschaftliche Schuldzinsen, private und öffentliche Kapitalinvestitionen aus Entwicklungsländern in Industrieländern. Betrachtet man die gesamte Zahlungsbilanz, so haben Entwicklungsländer insgesamt erneut hohe Kapitalbeträge exportiert. Kapital fliesse „bergaufwärts“ von armen zu reichen Ländern, charakterisierte der Gouverneur der Bank of England den Trend2. Dies drückt sich in den Veränderungen der internationalen Reserven (Zunahme von 393 Milliarden Dollar) wie auch im Saldo der Zahlungsbilanz3 aller Entwicklungsländer (248,8 Milliarden Dollar) für Ende 2005 aus. Grösster Nettokapitalimporteur der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika mit einem Anteil von 65,4 Prozent, während China mit einem Anteil von 13,9 Prozent der zweitgrösste Nettokapitalexporteur der Welt hinter Japan ist4.

3 Sowohl der Internationale Währungsfonds (IWF) als auch die Weltbank wiesen bei verschiedensten Gelegenheiten darauf hin, dass die Empfängerländer eine vorsichtige Politik verfolgen sollten, damit sie aus den grösseren Kapitalzuströmen einen optimalen Nutzen ziehen könnten. Flexiblere Wechselkurssysteme, die Anhäufung internationaler Währungsreserven, der Verzicht auf eine übermässige kurzfristige Verschuldung und der Aufbau lokaler Kapitalmärkte gehören zu den Standardrezepten der Bretton-Woods-Institutionen. Insbesondere jene Länder, die binnen Kürze rasch

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gestiegene Erdöleinkommen absorbieren müssen, sollen sich vor drohenden Inflationsschüben absichern5.

Tabelle 7.1 : Kapitalflüsse in Entwicklungsländer 2000-2005 (in Milliarden Dollar)

a Schätzung, provisorisch ; b Zunahme der Reserven ; c vgl. Fussnote 3. Quelle : World Bank, Global Development Finance (GDF) 2006, Vol. I, Tabellen 1 und A.1. Anmerkung : GDF, Vol. II enthält detaillierte Angaben über Definitionen und Aggregationsmethoden sowie übersichtliche schematische Darstellungen (S. xi-xxv).

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Statistiken, Teil A, A.2.3. Zusammensetzung der Aussenschuld der Entwicklungsländer und der für sie bestimmten Finanzflüsse, S. 226-227.

7.1.2. Öffentliche Entwicklungsfinanzierung

4 Die öffentliche Entwicklungsfinanzierung war im Jahr 2005 deutlich negativ. Obschon die Gesamtsumme der als öffentliche Entwicklungshilfe angerechneten Leistungen markant anstieg, vermochte dies den starken Rückgang der öffentlichen Kredite nicht zu kompensieren. Die öffentlichen Kredite fielen netto um 71,4 Milliarden Dollar, während der Zustrom öffentlicher Hilfe laut Weltbank auf 52,6 Milliarden Dollar anstieg (Tabelle 7.1).

5 Zum dritten Mal hintereinander blieben die neuen öffentlichen Kredite deutlich unter den erfolgten Rückzahlungen. Innerhalb von drei Jahren haben die Entwicklungsländer insgesamt 112 Milliarden Dollar an Krediten zurückgezahlt. Ins Gewicht fielen im Jahr 2005 dabei insbesondere die (teils vorzeitige) Rückzahlung grosser Kredite an den IWF durch Argentinien (2,4 Milliarden Dollar), Brasilien (16,8 Milliarden Dollar), Indonesien (1 Milliarde Dollar), Russland (2,3 Milliarden Dollar) und die Türkei (4,2 Milliarden Dollar). Die Gesamtsumme ausstehender Kredite des IWF ist auf den Stand von 1990 gesunken. Weil der IWF derzeit nur sehr geringe Neukredite vergibt und einige grössere Schuldnerländer weitere Rückzahlungen planen, werden die

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Nettokapitalflüsse beim IWF in den nächsten Jahren weiterhin negativ sein (siehe unten Tabelle 7.5).

6 Auch die bilateralen öffentlichen Kredite sanken deutlich. 2005 zahlten insbesondere die Länder Russland (15 Milliarden Dollar), Polen (5,6 Milliarden Dollar) und Peru (2 Milliarden Dollar) ihre Schulden an die Gläubiger des Pariser Klubs zurück. Während Russland die Rückzahlung aus den hohen Erdöleinnahmen begleichen konnte, finanzierten Peru und Polen ihre Amortisation mittels Kreditaufnahme auf dem privaten Kapitalmarkt. Sie ersetzten also öffentliche durch private Schulden. Weitere Länder zahlten im Jahr 2006 bilaterale Schulden zurück (siehe unten Punkt 7.2.3.).

7 Mit 52,6 Milliarden Dollar weist die Weltbank für 2005 erneut eine Steigerung der öffentlichen Entwicklungshilfe (ohne technische Zusammenarbeit) aus. Noch grösser ist die Zunahme, wenn man die Angaben der OECD (DAC) in Betracht zieht. Danach stiegen die Leistungen der OECD-Mitgliedsländer von 79,6 auf 106,5 Milliarden Dollar an6. In diesen Zahlen sind jedoch auch Entschuldungen von 23 Milliarden Dollar (Irak, Nigeria) eingeschlossen.

Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 2, 2.2.1. Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe der DAC-Länder.

7.1.3. Private Kapitalflüsse

8 Erneut stiegen im Jahr 2005 die privaten Kapitalflüsse um insgesamt 94 Milliarden Dollar auf 490 Milliarden Dollar kräftig an (Tabelle 7.1)7. Seit dem Jahr 2001 sind die privaten Kapitalflüsse stetig gestiegen. Alle Regionen verzeichneten – verglichen mit dem Vorjahr – einen grösseren Zustrom. Am erneuten Anstieg sind alle Formen der privaten Kapitalflüsse (Investitions- und schuldenwirksame Kreditflüsse) beteiligt. Auch die Überweisungen von Migranten und Migrantinnen sind kräftig gewachsen. Zum Teil sind durch die zunehmende Integration vieler Entwicklungsländer in die globalen Finanzmärkte bedeutsame strukturelle Veränderungen im Gange. Das anhaltend hohe globale Wirtschaftswachstum, hohe Erdöl- und Rohstoffpreise trugen zum Anstieg der Kapitalströme bei.

Schuldenwirksame private Kapitalflüsse

9 Schuldenwirksame Kapitalflüsse sind gemäss Weltbank zwischen 2004 und 2005 um rund 44 Milliarden Dollar auf 191,6 Milliarden Dollar angestiegen. Während die kurzfristigen Kredite auf hohem Niveau praktisch stabil geblieben sind, stiegen sowohl Bankkredite als auch Obligationenaufnahmen um je über 60 Milliarden Dollar an (Tabelle 7.1)8.

10 Bei den Bonds (Obligationen) erwies sich 2005 als ein Rekordjahr. Angesichts der niedrigen Zinsaufschläge (Spreads) für Entwicklungsländer auf den als Massstab geltenden US-Schatzanweisungen nahmen Entwicklungsländer mit 367 Bondausgaben über 131 Milliarden Dollar brutto auf. Abzüglich Rückzahlungen alter Anleihen ergibt dies eine Nettosteigerung von 62 Milliarden Dollar. Insbesondere Länder wie Brasilien, Mexiko, Polen und die Philippinen konnten alte Anleihen mit günstigeren neuen Anleihen konvertieren, oder sie nutzten die vorteilhaften Bedingungen zu vorgezogenen Aufnahmen für die Finanzierung späterer Bedürfnisse.

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11 Allerdings konzentriert sich die Ausgabe dieser Anleihen zu 70 Prozent auf zehn Länder (Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Polen, Russland, die Türkei, Ungarn und Venezuela). Fünf weitere Länder beanspruchten die nächsten 10 Prozent am Gesamtanteil. Immerhin beteiligten sich insgesamt vierzig Länder an der Ausgabe von Bonds, das sind sechs mehr als in den beiden Vorjahren. Dabei gaben nicht nur Regierungen, sondern zunehmend auch Unternehmen aus Entwicklungsländern Obligationen aus.

12 Obligationen (Bonds) werden nicht mehr nur in Dollar begeben. Der Euro wird zunehmend auch von Entwicklungsländern benutzt. Zudem haben mehrere Länder einen Anleihenmarkt in ihrer eigenen lokalen Währung entwickelt. Die Weltbank führt an, das sich solche lokalen Märkte von lediglich 1,3 Billionen Dollar im Jahr 1997 auf 3,5 Billionen Dollar im Jahr 2005 entwickelt hätten. Dies reduziere natürlich Währungsrisiken sowie Probleme mit Fälligkeiten und sei deshalb hinsichtlich eines verbesserten Schuldenmanagements positiv zu bewerten9.

13 Vorteilhaft ist ferner die zunehmende Anwendung von so genannten „Credit Default Swaps“, derivate Instrumente zur Diversifizierung der Risiken, die es zunehmend auch institutionellen wie privaten Anlegern aus Industrieländern ermögliche, Bonds aus Entwicklungsländern zu zeichnen.

14 Auch die Bankkredite an Entwicklungsländer stiegen im Jahr 2005 von 39 Milliarden Dollar des Vorjahrs auf 67 Milliarden Dollar deutlich an. Brutto gewährten internationale private Banken Entwicklungsländern insgesamt 1261 neue Kredite in Höhe von 198 Milliarden Dollar. Brasilien, Chile, China, Indien, Mexiko, Polen, Russland, Südafrika und die Türkei absorbierten davon 70 Prozent. Die Empfängerländer nutzten die Kredite zur Finanzierung von Projekten in verschiedensten Sektoren, wobei Erdöl und Erdgas dominierten. 77 meist ärmere Länder erhielten keine Bankkredite.

Investitionsflüsse

15 Die direkten Auslandsinvestitionen (Foreign Direct Investments, FDI) haben sich in den letzten zwei Jahren von ihrem Tiefpunkt erholt und erreichten bis Ende 2005 einen neuen Höchststand von 237,5 Milliarden Dollar (Tabelle 7.1). Dies entspricht 2,8 Prozent des aggregierten Bruttosozialprodukts der Entwicklungsländer. Die Weltbank führt das Wachstum der FDI auf das verbesserte Investitionsklima in vielen Entwicklungsländern, auf hohe Rohstoffpreise und generell auf das hohe Wachstum der Weltwirtschaft und der Entwicklungsländer zurück. Schliesslich sei es auch wieder vermehrt zu Privatisierungen und zu grenzüberschreitenden Übernahmen von Unternehmen gekommen.

16 Nach wie vor erhalten zehn Länder (China, Russland, Brasilien, Mexiko, Tschechien, Polen, Chile, Südafrika, Indien und Malaysia) 65 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen. Die Länder mit niedrigem Einkommen zogen 23 Milliarden Dollar an. Nach Afrika südlich der Sahara flossen 17,6 Milliarden Dollar10, davon allein 7,2 Milliarden Dollar nach Südafrika. In regionaler Hinsicht verzeichneten jedoch die ressourcenreichen Länder Russland, Aserbeidschan und Kasachstan sowie die neuen EU-Mitgliedsländer den grössten Zuwachs. Gemäss der Weltbank wies China erstmals geringere FDI-Zuflüsse als im Vorjahr auf.

17 Auch Portfolioinvestitionen nahmen rasant zu und erreichten mit 61,4 Milliarden Dollar bisher unerreichte Höhen (Tabelle 7.1). Hier ist die Konzentration noch deutlicher als

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bei den ausländischen Direktinvestitionen. China, Indien und Thailand absorbierten 63 Prozent aller Portfolioinvestitionen in die Entwicklungsländer. Hohe Attraktionswerte wiesen auch die Börsen in Brasilien, Mexiko, Russland und in der Türkei auf. Institutionelle Investoren erhöhten ihre Anteile an den Investitionen an diesen Börsen und tätigten auch ausserbörsliche Investitionen (Private equity placements).

Der UNCTAD-Weltinvestitionsbericht 2006

18 Der starke Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen wird auch vom Weltinvestitionsbericht 2006 der UNCTAD bestätigt11. Danach stiegen die weltweiten FDI-Zuflüsse im Jahr 2005 auf 916 Milliarden Dollar an (Vorjahr : 711 Milliarden Dollar). Der Zufluss von FDI in die Entwicklungsländer erhöhte sich von 275 Milliarden Dollar (2004) auf 334 Milliarden Dollar im Berichtsjahr (Tabelle 7.2).

19 Afrika verzeichnete dabei einen starken Anstieg der zufliessenden Auslandsinvestitionen. Davon ging jedoch fast die Hälfte in die Erdöl produzierenden Länder Ägypten, Äquatorialguinea, Algerien, Nigeria, Sudan und Tschad, sowie nach Südafrika. Der Bericht weist ferner darauf hin, dass seit dem Auslaufen des Multifaserabkommens Ende 2004 eine Reihe ausländischer Textilproduzenten aus afrikanischen Ländern abgezogen sei.

7.2 : Ausländische Direktinvestitionen (FDI), nach Ländern und Regionen, in Milliarden Dollar. Zufliessende FDI (2003-2005), Abfliessende FDI (2003-2005), Bestand (2005)

Quelle : UNCTAD, World Investment Report 2006, Tabellen B.1 und B.2.

20 In Lateinamerika flossen beträchtlich mehr FDI nach Uruguay, Kolumbien, Venezuela, Ecuador und Peru, wohingegen die Zuströme nach Brasilien, Chile und Mexiko geringer waren als im Vorjahr. Asien bleibt in hohem Mass attraktiv, mit China und Hongkong an der Spitze. Diese beiden Staaten sowie Indien und Singapur sind ihrerseits zur Quelle hoher Auslandsinvestitionen geworden. Der UNCTAD-Bericht weist allerdings darauf hin, dass ein hoher Anteil der Hongkonger Investitionen in China lediglich umgeleitete

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Kapitalflüsse seien. Investoren aus China legen ihre Gelder zuerst in Hongkong an, bevor sie von finanziellen Anreizen in China mit Reinvestitionen profitieren (round- tripping).

Der Kapitalverkehr der Schweiz

21 Sowohl die schweizerischen Direktinvestitionen als auch die schweizerischen Portfolioinvestitionen im Ausland sind gemäss der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im Jahr 2005 deutlich gestiegen. Zunahmen erfuhren auch die Direktinvestitionen und die Portfolioinvestitionen des Auslands in der Schweiz12 (Tabelle 7.3).

22 Schweizerische Direktinvestitionen im Ausland verdoppelten sich angesichts der guten Ertragslage der Unternehmen im Jahr 2005 von 32 auf 67,6 Milliarden Franken. Dabei stiegen die einbehaltenen Gewinne der Tochtergesellschaften, die so genannten reinvestierten Erträge von 21 auf 41 Milliarden Franken. Zusätzlich tätigten Unternehmen mit Sitz in der Schweiz Akquisitionen im Ausland für 17 Milliarden Franken und stellten den mit ihnen verbundenen Unternehmen im Ausland per Saldo Kredite für 8 Milliarden Franken zur Verfügung.

23 In die EU-Länder flossen 26 Milliarden Franken, die Hälfte davon nach den Niederlanden. Deutlich gestiegen waren die Investitionen in Mittel- und Südamerika (6,5 Milliarden Franken), wobei allein 2,4 Milliarden Franken in die karibischen Finanzzentren flossen. Die Steigerung der Direktinvestitionen nach Asien blieb demgegenüber verhältnismässig gering. Ins Gewicht fielen hier deutlich niedrigere Investitionen in Singapur – einem Land, das gemäss der Schweizerischen Nationalbank häufig als Drehscheibe für Investitionen in anderen Ländern Asiens dient. Dies erklärt die mitunter starken Schwankungen. Afrika erhielt insgesamt fast 2 Milliarden Direktinvestitionen, wobei mehr als die Hälfte nach Südafrika floss.

Tabelle 7.3 : Schweizerische Direktinvestitionen im Ausland, 2002-2005 (in Millionen Franken)

a Die Zahlen für 2005 sind provisorisch. Quelle : SNB, Die Entwicklung der Direktinvestitionen 2005, Dezember 2006. Vgl. auch SNB, Zahlungsbilanz 2005, September 2006, http://www.snb.ch.

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24 Die ausländischen Direktinvestitionenin der Schweiz sanken im Berichtsjahr um 1,6 Milliarden Franken. Während aus Europa 22 Milliarden Franken zuflossen, zog Nordamerika über 24 Milliarden ab. Auffallend hoch waren wiederum die Werte für die Niederlande, die als Drehscheibe für Investitionen aus Drittländern dienen.

25 Portfolioinvestitionen schweizerischer Anleger im Ausland stiegen um 13 Milliarden Franken auf 66 Milliarden Franken, während ausländische Anleger mit 7 Milliarden Franken doppelt soviel in der Schweiz investierten als im Vorjahr. Die Schweizerische Nationalbank veröffentlicht keine nach Herkunfts- oder Zielländer gegliederte Statistik.

7.1.4. Überweisungen von Migrantinnen und Migranten

26 Auf 167 Milliarden Dollar schätzt die Weltbank aufgrund der IWF- Zahlungsbilanzstatistiken den Zustrom von Überweisungen der Migranten und Migrantinnen in ihre heimatlichen Entwicklungsländer für das Jahr 2005 (Tabelle 7.1). Für 2006 erwartet sie einen Betrag von 200 Milliarden Dollar13. Die Weltbank nimmt an, dass nicht erfasste, meist durch informelle Kanäle zugeflossene Gelder etwa halb so gross sind wie die statistisch erfassten Beträge14. Für viele Länder sei dies die Hauptquelle der externen Finanzierung. Die Weltbank hebt zudem die hohe Stetigkeit der Zuflüsse hervor.

27 Die Weltbank argumentiert, die Überweisungen würden mithelfen, die Armut zu vermindern. Sie würden für höhere Bildungs- und Gesundheitsausgaben verwendet sowie in Wohnhäuser, Landwirtschaft und Kleinunternehmen investiert.

28 Dies bestätigt auch eine vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Auftrag gegebene Studie zu den Überweisungen aus der Schweiz nach Serbien. Danach sind innerhalb eines Jahres 60 Millionen Franken aus der Schweiz nach Serbien transferiert worden, davon nur knapp ein Fünftel durch formelle Kanäle. Die von der Internationalen Organisation für Migration und dem Neuenburger universitären Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien gemeinschaftlich erstellte Untersuchung belegt, dass die Überweisungen 40 Prozent zu den (durchschnittlichen) Haushaltseinkommen von knapp 1000 Franken beitrugen. Ein Grossteil der Rimessen wird für Wasser, Elektrizität und Gas, Nahrung, Gesundheit verwendet und/oder in den Kauf, den Bau oder die Renovation von Wohnhäusern sowie in die Erweiterung der landwirtschaftlichen Produktion gesteckt15.

7.1.5. Süd-Süd-Kapitalflüsse

29 Entwicklungsländer werden mehr und mehr auch zu einer bedeutenden Quelle für Kapitalströme in andere Entwicklungsländer, sowohl in Form von Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen, Bankkrediten als auch von öffentlicher Hilfe. Die Weltbank stellt fest, dass die Datenlage mit hohen Unsicherheiten belastet sei, widmet diesen Süd-Süd- Kapitalflüssen jedoch ein ganzes Kapitel in ihrem Standardwerk Global Development Finance16. Fünfzig Entwicklungsländer berichteten über eigene Direktinvestitionen in anderen Entwicklungsländern. Solche Süd-Süd-FDI fliessen hautsächlich in Länder der gleichen Region und konzentrieren sich auf den Infrastrukturbereich und die Bergbauindustrien. Die Entwicklungsländer mit dem grössten Zufluss von Auslandsinvestitionen sind gleichzeitig auch jene, die den grössten Teil der Süd-Süd-

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Auslandsinvestitionen tätigen. Oft werden transnationale Unternehmen des Südens durch ihre Regierungen beim Kapitalexport unterstützt oder sind sogar staatseigene Unternehmen. Die Weltbanktöchter MIGA und International Finance Corporation (IFC) unterstützen diese Entwicklung.

30 Die Direktinvestitionen der Entwicklungsländer in anderen Entwicklungsländern stehen auch im Mittelpunkt des Weltinvestitionsberichts 2006 der UNCTAD17. Gemäss der UNCTAD können diese Süd-Süd-Flüsse die immer noch sehr geringe intraregionale Integration im Süden fördern und sind eine Konsequenz der Globalisierung. Nicht diskutiert werden im UNCTAD-Bericht allfällige Probleme, wie etwa die im südlichen Afrika beobachtete Verdrängung lokaler Unternehmen durch die dominanten südafrikanischen Konzerne. Im Norden wird zunehmend mit Argusaugen beobachtet, ob die südlichen transnationalen Unternehmen Umwelt- und Sozialstandards einhalten, und ob sie vermehrt zu korrupten Praktiken Zuflucht nehmen18.

7.1.6. Entwicklungsländer als Kapitalexporteure

31 Die in Tabelle 7.1 aufgeführten offiziellen und privaten Kapitalflüsse bilden nur die Sollseite der Gesamtbilanz. Zwar sind dort Amortisationen und Desinvestitionen abgezogen. Im Fall der öffentlichen Kredite sind diese Rückflüsse grösser und sind demnach als negative Zahlen ausgedrückt. Nicht eingeschlossen sind die Zahlen der Habenseite der Gesamtbilanz. Offizielle und Private in Entwicklungsländern transferieren zusammen seit der Jahrtausendwende mehr Mittel in die Industrieländer, als sie von diesen erhalten19.

32 Das drückt sich im positiven Saldo der Zahlungsbilanz der Entwicklungsländer insgesamt und in deren steigenden Währungsreserven aus. Im Jahr 2005 betrug der positive Saldo der Zahlungsbilanz aller Entwicklungsländer gemäss der Weltbank 248 Milliarden Dollar. Die Währungsreserven der Entwicklungsländer stiegen mit 393 Milliarden Dollar nahezu um den gleichen Betrag wie im Vorjahr (Tabelle 7.1). Zusätzlich veranschlagt die Weltbank den Zuwachs privater Anlagen aus Entwicklungsländern auf 258 Milliarden Dollar. Dies sei Ausdruck des gewachsenen freien Kapitalverkehrs und sei schwierig zu interpretieren, zumal der Betrag in den Zahlungsbilanzberechnungen unter „Fehler und Auslassungen“ subsumiert sei. „Der starke Zufluss von privaten Kapital in Entwicklungsländer hat weniger zu einer Steigerung der lokalen Investitionen als vielmehr zu einer bedeutenden Steigerung offizieller internationaler Währungsreserven und zu einer sehr deutlichen Ausweitung von Auslandsguthaben von Privaten geführt“20.

33 Bestätigt wird der Kapitalfluss aus dem Süden in den Norden durch den Internationalen Währungsfonds. Der IWF veranschlagt die internationalen Währungsreserven der Entwicklungsländer für das Jahr 2005 auf (provisorisch) 600 Milliarden Dollar und die privaten Kapitalinvestitionen auf 205 Milliarden Dollar. Für 2006 sagt er eine weitere Steigerung auf insgesamt 887 Milliarden voraus21.

34 Auch die Bank Credit Suisse beschäftigt sich in einer Studie mit den gegenseitigen Finanzströmen zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern. Sie untersucht abstossende und anziehende Faktoren (Pull- und Push-Faktoren) als Auslöser von Kapitalbewegungen und zeigt auf, wo die Hebel für eine Verringerung unerwünschter Kapitalabflüsse ansetzen müssten22.

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7.1.7. Neue innovative Finanzierungsmechanismen

35 Ende Februar/Anfang März 2006 fand auf Einladung des französischen Präsidenten Jacques Chirac eine Ministerkonferenz über innovative Finanzierungsmechanismen in Paris statt23. 93 Länder nahmen daran teil, darunter auch die Schweiz (ohne allerdings aktiv zu werden). Desgleichen beteiligten sich zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, darunter Alliance Süd, an der Konferenz.

36 Fünfzehn Länder bekundeten die Absicht, eine Abgabe auf Flugtickets einzuführen. Vierzig Länder schlossen sich zu einer Leading Group on Solidarity Levies to Fund Development zusammen, welche innovative Finanzierungsmechanismen weiter vorantreiben will. Neben der Abgabe auf Flugtickets soll vor allem ein Fonds für den Kauf von Medikamenten (International Drug Purchase Facility, IDPF) geschaffen werden.

37 Dieser Fazilität sollen hauptsächlich drei Funktionen zukommen : Erstens soll sie grössere Transparenz bei der Preisbildung von Medikamenten herstellen und preissenkend wirken. Zweitens soll sie nationale Vertriebssysteme stärken. Drittens soll sie die Qualitätskontrollen verbessern sowie die nationalen und internationalen Qualifikations- und Zulassungssysteme für Medikamente stärken. Finanziert werden soll die IDPF hauptsächlich durch die Flugticketabgaben, möglich wären aber auch normale Budgetbeiträge.

38 Mit dazu beitragen soll auch die Internationale Immunisierungsfazilität (International Financial Facility for Immunization, IFFIm). Dieser Fonds soll mit seinem zu schaffenden Kapitalbestand als Garantie auf den internationalen Finanzmärkten Kapital beschaffen, das dann der Finanzierung von Programmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria) zur Verfügung stehen soll. Dieses sog. Front-Loading von rasch verfügbaren Mitteln erbringe sofort Resultate und rechtfertige sich deshalb, argumentieren deren Verfechter, darunter auch grosse internationale NGO und die Bill-Gates-Stiftung sowie vor allem auch Vertreter internationaler Organisationen wie die UNICEF, die WHO und der Globale Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids und Tuberkulose.

39 Beschlüsse zu internationalen Steuern oder zur Bekämpfung der internationalen Steuerhinterziehung wurden nicht gefällt. Diese Themen wurden lediglich an Nebenveranstaltungen kontrovers thematisiert24.

40 Anfang Juli 2006 fand eine weitere Konferenz zu den gleichen Themen in Brasilia (ohne Beteiligung der Schweiz) statt. Die Zahl der Länder, die eine Flugticketabgabe einführen wollen, erhöhte sich auf neunzehn. Die technischen Arbeiten für den Medikamentenfonds wurden weiter vorangetrieben.

41 Am 19. September 2006 wurde im Rahmen der UN-Generalversammlung der Internationale Medikamentenfonds mit der Beteiligung von 44 Ländern gegründet. Zudem kamen die Vorarbeiten für die Internationale Immunisierungsfazilität (IFFIm) soweit voran, dass dem Projekt von Rating-Agenturen die Bonitätsnote AAA verliehen wurde25.

42 Weiterhin kein Gehör für eine Flugticketabgabe hat der Bundesrat. In seiner Antwort vom 18. Oktober 2006 auf das Postulat Rennwald bekräftigte er seinen Entscheid vom Mai 2005, sich nicht an globalen Steuern zu beteiligen. Er bevorzuge für die Entwicklungszusammenarbeit den regulären Budgetmechanismus. Falls sich eine entsprechende internationale Dynamik ergebe, zeige sich die Schweiz offen, eine

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Solidaritätsabgabe auf Flugtickets zu prüfen. Derzeit sei aber diesbezüglich kein Handlungsbedarf gegeben26.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 7, 7.1.5. Neue innovative Finanzierungsmechanismen, S. 110-111.

7.2. Aussenverschuldung

Die gesamte Aussenverschuldung der Entwicklungs- und Transitionsländer stieg im Jahr 2005 leicht an. Zwanzig HIPC-Ländern wurden die Restschulden gegenüber dem IWF, der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank gestrichen. Schuldenstreichungen gegenüber dem Irak und Nigeria im Rahmen des Pariser Klubs werden als öffentliche Entwicklungshilfe angerechnet.

7.2.1. Trends

Tabelle 7.4 : Die Gesamtverschuldung der Entwicklungs- und Transitionsländer, 1980, 1990, 2000, 2003-2005 (in Milliarden Dollar)

Quelle : World Bank, Global Development Finance 2006, Vol II, Washington, 2006.

43 Die gesamten Schulden der Entwicklungs- und Transitionsländer stiegen bis Ende 2006 auf 2800 Milliarden Dollar an, was einer Steigerung um 44 Milliarden Dollar gegenüber dem Vorjahr entspricht (Tabelle 7.4). Angestiegen sind insbesondere die privaten, nicht garantierten Kredite und Obligationenschulden sowie die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Deutlich gesunken sind die Schulden gegenüber dem IWF, den multilateralen Entwicklungsbanken und den bilateralen, öffentlichen Gläubigern.

44 Die Weltbank hat in ihrem Bericht Global Development Finance 2006 keine neuen Zahlen für Schuldenindikatoren global für alle Entwicklungsländer und für die verschiedenen Regionen publiziert27. Verfügbar sind hingegen Zahlen für das Verhältnis der Schulden zu den Exporten von Gütern und Dienstleistungen sowie für das Verhältnis des Schuldendienstes zu den Exporterlösen (Schulden-indikatoren) für zahlreiche einzelne Länder. Die meisten Länder, für die solche Verhältniszahlen verfügbar sind, konnten

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ihre Indikatoren verbessern. Einige mussten jedoch auch Verschlechterungen hinnehmen, zum Beispiel Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Weissrussland, u.a.

7.2.2. Multilaterale Entschuldungsinitiativen

45 Die multilateralen Finanzierungsorganisationen gewähren den hoch verschuldeten ärmsten Entwicklungsländern einen Schuldenerlass durch die 1996 eingeleitete HIPC- Initiative (Heavily Indebted Poor Country Initiative) und die im Jahr 2005 aufgegleiste Multilaterale Schuldeninitiative (Multilateral Debt Relief Initiative, MDRI).

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 7, 7.2.2. HIPC-Initiative und 7.2.3. Multilaterale Schuldeninitative (mit detaillierten Informationen über Struktur und Inhalt der Entschuldungsinitiativen), S. 113-115.

46 Bis zur Jahrestagung der Bretton-Woods-Institutionen vom September 2006 in Singapur konnten sich vierzig Länder für die HIPC-Initiative qualifizieren28. Zwanzig Länder hatten bis zu diesem Zeitpunkt den Completion Point erreicht, Malawi erst unmittelbar vor der Jahrestagung. Weitere zehn Länder hatten den Decision Point erreicht und erhielten seitdem Entschuldungen. Elf Länder stehen noch vor dem Decision Point. Als vorläufig letztes Land wurde Kirgistan im Januar 2006 als für den Schuldenerlass unter der HIPC-Initiative wählbar erklärt.

47 Die Entschuldungsmassnahmen sollen am Ende den Schuldenbestand um fast 90 Prozent reduzieren. Der Schuldendienst der bislang dreissig begünstigten Länder hat sich zwischen 1999 und 2005 im Durchschnitt um zwei Prozent des Bruttosozialprodukts verringert. IWF und Weltbank veranschlagen die kumulierte Summe der verminderten Schuldendienstzahlungen auf 600 Millionen Dollar. Derzeit werden jährlich etwa 2,5 Milliarden Dollar erlassen. Armutsvermindernde Staatsausgaben sind im gleichen Zeitraum um drei Prozent des Bruttosozialprodukts gestiegen.

48 Im April 2004 stellte die unabhängige Evaluationsgruppe (IEG) der Weltbank fest, die HIPC-Initiative habe die Schuldenquoten nur bei der Hälfte der begünstigten Länder unter die erforderlichen Grenzen senken können. Bei der anderen Hälfte (sämtlich afrikanische Staaten) sei die Schuldenbelastung wieder so hoch wie vor der Einleitung der Initiative. Dies verdeutliche, dass Entschuldungsmassnahmen allein nicht genügen, um ein tragbares Schuldenniveau zu erreichen. Eine Folge der HIPC-Initiative sei immerhin eine Verdoppelung des Nettozustroms neuer Mittel in Form von öffentlicher Hilfe gewesen29.

49 Der Internationale Währungsfonds hatte im Rahmen der von der G-8 initiierten Multilateralen Entschuldungsinitiative (Multilateral Debt Relief Initiative, MDRI) bereits im Dezember 2005 achtzehn HIPC-Ländern deren Restschulden gegenüber dem IWF erlassen. Mauretanien kam erst im Juni 2006 in diesen Genuss, nachdem das Land die nötigen Massnahmen nachträglich noch umgesetzt hatte. Die Vorbedingungen dafür waren ein mindestens sechs Monate dauernder zufriedenstellender makroökonomischer Leistungsausweis, eine ausreichende Verwirklichung von Armutsbekämpfungsmassnamen sowie ein angemessenes System im Management der öffentlichen Finanzen.

50 Ebenso hatte die Afrikanische Entwicklungsbank jenen afrikanischen HIPC-Ländern die Restschulden gestrichen, welche den Completion Point erreicht hatten.

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51 Die Weltbank, bzw. ihre Tochtergesellschaft, die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) ist nicht in der Lage, die Kosten dieser zusätzlichen Entschuldung aus eigenen Mitteln zu finanzieren, da dies die Ausleihfähigkeit der IDA mittelfristig beeinträchtigen würde. In langwierigen und zähen Verhandlungen einigten sich die Gebernationen schliesslich auf eine Kompensation der Kosten durch zusätzliche Beiträge. Die IDA streicht den HIPC-Ländern, die den Completion Point erreicht haben, ab 1. Juli 2006 die jeweils fällig werdenden Zinsen und Amortisationen. Allerdings werden nur jene Schuldenbestände gestrichen, die vor Ende 2003 eingegangen wurden.

52 Die Geber verpflichteten sich, die Kosten gemäss einem Dreistufenplan zu decken. Für die nächsten zwei Jahre (2007-2008, IDA, 14. Periode) leisten die Geber einen zusätzlichen Beitrag nach Massgabe ihrer bisherigen Beteiligung an der IDA. Für die Schweiz macht dies rund 27 Millionen Franken aus. Bislang hat der Bundesrat diese Mittel noch nicht bewilligt.

53 Für die Finanzjahre 2009 bis 2016 will die Weltbank die Schulden nur streichen, wenn die Geber die entsprechenden verbindlich zuzusagenden Kompensationszahlungen leisten. Für die Schweiz würde dies voraussichtlich insgesamt 211,5 Millionen Franken (Nettogegenwartswert) betragen. Für die dritte Phase (Finanzjahre 2017-2044) erwartet die Weltbank grundsätzlich Bereitschaftserklärungen. Für die Schweiz würden dann mutmasslich noch einmal 875 Millionen Franken (Nettogegenwartswert) fällig. Der Bundesrat hat über die Finanzierung der zweiten und dritten Phase noch nicht entschieden.

54 Nicht angeschlossen an die Multilaterale Entschuldungsinitiative (MDRI) ist die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB). Im November 2006 hat die Bank dennoch grundsätzlich beschlossen, den fünf ärmsten Ländern Lateinamerikas ebenfalls einen Teil ihrer Restschulden gegenüber der IDB zu erlassen. Dies wird Bolivien, Guyana, Honduras und Nicaragua betreffen. Haiti wird seinerseits in den Genuss kommen, sobald es die HIPC-Kriterien erfüllt. Die Details sollen zu Beginn des Jahres 2007 geregelt werden. Zumindest auf mittlere Frist will die IDB die Kosten selber tragen. Zusätzliche Beiträge der Geber sollten deshalb nicht notwendig sein30.

7.2.3. Umschuldung öffentlicher Schulden

55 Der Pariser Klub schloss im Jahr 2006 mit fünf Ländern multilaterale Umschuldungsabkommen ab31, nämlich mit Grenada (16 Millionen Dollar), Moldawien (150 Millionen Dollar), Kamerun (921 Millionen Dollar), Afghanistan (2,4 Milliarden Dollar), Malawi (180 Millionen Dollar) und Haiti (69 Millionen Dollar). Die Schweiz war am Abkommen mit Kamerun beteiligt.

56 Gleichzeit akzeptierte der Pariser Klub im Mai 2006 ein Angebot Algeriens für eine vorzeitige Rückzahlung der 1994/1995 umgeschuldeten Restschuld von bis zu 8 Milliarden Dollar. Nach längeren Verhandlungen stimmte der Pariser Klub ebenfalls einer vorzeitigen Rückzahlung aller russischen Altschulden in Umfang von 22 Milliarden Dollar zu, was die grösste vorzeitige Rückzahlung aller Zeiten darstellt. Bereits vor Jahresfrist hatte Russland 15 Milliarden Dollar vorzeitig zurückgezahlt. Ein Vorschlag Russlands an seine Gläubiger, die vorzeitige Rückzahlung zur Finanzierung der Multilateralen Entschuldungsinitiative (MDRI) zu verwenden, wurde nicht weiter verfolgt.

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57 Im Anschluss an multilaterale Abkommen des Pariser Klubs schloss die Schweiz im Jahr 2006 mit Brasilien, Algerien und Russland bilaterale Abkommen zur vorzeitigen Rückzahlung von Schulden ab. Brasilien beglich der Schweizerischen Exportrisikogarantie (ERG) im März 2006 49 Millionen Franken Restschulden vorzeitig. Algerien zahlte die noch ausstehenden Schulden von 82 Millionen Franken bis zum August 2006. Die vorzeitige Rückzahlung Russlands der noch ausstehenden Schuld im August 2006 betrug 340 Millionen Franken32.

58 Die Schweiz schloss im Jahr 2006 mit keinem Land bilaterale Umschuldungsabkommen ab.

59 Ende 2005 verzeichnete die Schweizerische Exportrisikogarantie noch 43 laufende bilaterale Umschuldungsabkommen mit 21 Ländern. Der Nominalbetrag des umgeschuldeten Kapitals belief sich auf 3 Milliarden Franken33.

60 Im Juni feierte der Pariser Klub sein fünfzigjähriges Bestehen mit zwei Workshops über seine Rolle in der internationalen Finanzarchitektur und in der Wiederherstellung der Schuldentragbarkeit34. Debattiert wurde unter anderem auch die Frage, ob die Entschuldungsmassnahmen das Risiko, dass entschuldete Länder künftig zu hohe Kredite aufnehmen, erhöhen würden. Sowohl Mitglieder des Pariser Klubs als auch die Weltbank und der IWF zeigten sich besorgt, dass Länder wie China, Indien oder Brasilien Kredite gewähren, welche die Schuldentragbarkeitsgrenzen einzelner Schuldnerländer überschreiten würden.

61 Verschiedene Länder strichen im Verlauf des Jahres 2006 Schulden gegenüber einzelnen Entwicklungsländern gänzlich oder teilweise. Norwegen erliess fünf Ländern (Ägypten, Ecuador, Peru, Jamaika und Sierra Leone) Schulden in Höhe von 80 Millionen Dollar, die auf Exporte von Schiffen zwischen 1976 und 1980 zurückzuführen sind. Die von Norwegen mit Exportrisikogarantie gedeckte Operation sei damals eine reine Arbeitsplatzbeschaffung gewesen. Die Schulden seien deshalb illegitim35.

62 Die Anrechenbarkeit der Entschuldungsmassnahmen als öffentliche Entwicklungshilfe nach den Kriterien der OECD (DAC) blieb weiterhin umstritten. Eine Publikation europäischer Nichtregierungsorganisationen zeigte auf, dass von insgesamt 45 Milliarden Euro öffentlicher Hilfe der EU-Länder allein 11,8 Milliarden Euro auf Entschuldungsmassnahmen – davon 9,2 Milliarden Euro auf den Irak und Nigeria – entfielen36. Das sei künstlich aufgeblähte Hilfe. Für die Schweiz wiesen DEZA und SECO für das Jahr 2005 für Entschuldungsmassnahmen im Pariser Klub 278,6 Millionen Franken von insgesamt 1744,1 Millionen Franken Entwicklungshilfe aus37.

7.3. Die Internationalen Finanzinstitutionen

IWF und Weltbank stehen unter Druck, sich neuen Entwicklungen anpassen zu müssen. Der IWF setzt eine neue mittelfristige Strategie um. Die Weltbank sucht mit Reformen, ihre Rolle gegenüber Länder mit mittlerem Einkommen neu zu definieren. Die Schweiz beteiligt sich an den Reformdiskussionen.

7.3.1. Die Schweiz in den Bretton-Woods-Institutionen

63 Wie üblich nahm die Schweiz sowohl an der Frühjahrstagung der Bretton-Woods- Institutionen in Washington als auch an der Jahresversammlung teil, die 2006 in

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Singapur stattfand. Bundesrat Hans-Rudolf Merz, Bundesrat Joseph Deiss (Frühjahrstagung), Bundesrätin Doris Leuthard (Jahrestagung) und Jean-Pierre Roth, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, vertraten die Schweiz38. In Singapur fand vorgängig auch ein Treffen der Schweizer Stimmrechtsgruppe statt. Ebenso nahm die Schweiz am Treffen der G-10 teil, wo sie für den Einsitz der Schweiz im Financial Stability Forum eintrat.

64 In einer Anfrage wollte Nationalrat Remo Gysin Auskunft darüber haben, wie sich die Schweiz in Singapur angesichts der von Singapur gegenüber 28 Vertretern von NGO verhängten Einreisesperren verhalten hatte. Der Bundesrat hatte sich gegen diese Einschränkungen gewandt und will auch darauf achten, dass sich die Türkei als nächste Veranstalterin der Jahresversammlung ausserhalb Washingtons im Jahr 2009 an entsprechende Abkommen hält. Nationalrat Gerhard Pfister interpellierte zu problematischen Mitgliedsstaaten der Schweizer Stimmrechtsgruppe. Schliesslich lehnte der Nationalrat eine bereits 2004 eingereichte Motion von Nationalrat Jean-Noel Rey über die Beziehung der Schweiz zu IWF und Weltbank ab. Eine Delegation der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates besuchte anlässlich eines USA- Besuchs auch den IWF und die Weltbank39.

Die Schweiz und der Internationale Währungsfonds (IWF)

Die Kredittätigkeit des IWF

Tabelle 7.5 : Kredittätigkeit des IWF, 2000-2006 (in Milliarden SZR, jeweils per 30. April)

Quelle : IMF, Annual Report 2006, Washington, 2006, Tabellen II.1 und II.5, http://www.imf.org/external/ pubs/ft/ar/2006/fra/index.htm.

65 Im Geschäftsjahr 2006 (1.5.05-30.4.06) stiegen die Rückzahlungen von Krediten auf insgesamt 36,9 Milliarden Sonderziehungsrechte (SZR) stark an (Tabelle 7.5). Angesichts der geringen Neuauszahlungen von Krediten ergab sich erneut ein negativer Ressourcentransfer. Viele Länder zahlten ihre Kredite vorzeitig zurück. Deshalb ist der Umfang der ausstehenden Kredite so beschränkt wie in den frühen 80er Jahren. Umgekehrt verfügte der IWF über rekordhohe ausleihbare Mittel. Da der IWF sein internes Verwaltungsbudget weitgehend durch Kommissionen auf Ausleihungen finanziert, kam er in eine Finanzklemme40.

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Die Politik der Schweiz im IWF41

66 Im Mittelpunkt stand die Diskussion und die Umsetzung der neuen mittelfristigen Strategie (Medium-Term Strategy)42. Hauptpunkte dieser neuen Strategie sind folgende Elemente : • Verstärkung der Überwachungstätigkeit, insbesondere hinsichtlich überregionaler und globaler Aspekte ; • verbesserte Zusammenarbeit mit Schwellenländern ; • Fokussierung der Tätigkeit mit den ärmsten Ländern ; • Stimmrechts- und Quotenreform ; • Technische Zusammenarbeit ; • Sicherung der eigenen Finanzbasis.

67 Grundsätzlich stimmte die Schweiz dem gesamten Paket mit einigen Vorbehalten zu. Hinsichtlich Quoten- und Stimmrechtsreform zeigte sich die Schweiz damit einverstanden, China, Korea, Mexiko und der Türkei unmittelbar eine geringe Quotenerhöhung einzuräumen. Sie unterstützt auch die vorgesehene zweite Phase, eine neue Quotenformel zu erarbeiten, die dann die Grundlage für eine weitere Anpassung der Quoten bilden soll. In diesem Rahmen soll zum Schutz der Stimmkraft der ärmsten Länder auch mindestens eine Verdoppelung der Basisstimmen erfolgen. Bei der Formel für die Quotenfestlegung besteht die Schweiz allerdings auf den Einbezug der Grösse des Finanzplatzes und die Offenheit der Wirtschaft als mitbestimmende Kriterien43. Alliance Süd betonte, die Schweiz solle sich aktiver an weitergehenden Reformbemühungen engagieren und nicht allein die Verteidigung ihres Sitzes im Exekutivrat vor Augen haben44. Schliesslich unterstützt die Schweiz ein transparenteres Verfahren für die Wahl des Geschäftsführenden Direktors.

68 Ein weiteres Hauptanliegen im Rahmen der mittelfristigen Strategie liegt darin, die Überwachungstätigkeit (Surveillance) des Fonds effektiver zu gestalten. Bei den informellen multilateralen Konsultationen der grossen Wirtschaftblöcke (China, Euro- Raum, Japan, Saudi-Arabien und USA) zur Überwachung globaler Ungleichgewichte verlangte die Schweiz, der Exekutivrat müsse einbezogen werden und ihm solle eine Aufsichtsfunktion zukommen. Zudem plädierte die Schweiz für ein vorsichtiges Vorgehen bei der Überwachung von Wechselkursen. Hingegen unterstützte sie voll das IWF-Programm zur Überwachung des Finanzsektors45. Im November 2006 evaluierte der IWF zum zweiten Mal den Schweizer Finanzplatz im Rahmen des Financial SectorAssessment Programme46.

69 Im Weiteren zeigte sich die Schweiz offen für die Schaffung eines neuen Liquiditätsinstruments für Schwellenländer mit guter Politik als Absicherungsmassnahme gegen plötzliche Finanzkrisen. Sie verlangte jedoch klare Vergabekriterien und nach oben begrenzte Ausleihvolumen. Zudem stützte die Schweiz den IWF in seinem fortlaufenden Engagement bei den ärmsten Ländern (Low-Income Countries) sowohl bezüglich der konzessionellen Mittelvergabe, als auch bei Politikberatung.

70 Ende Februar/Anfang März 2006 überprüfte der IWF im Rahmen der so genannten Artikel VI-Konsultation die Schweizer Wirtschaft47. Dabei drängte er darauf, die Schweiz solle gegenüber den ärmsten Entwicklungsländern weitere Handelsbarrieren abbauen. Erneut forderte der IWF zudem, die Schweiz solle ihre öffentliche Entwicklungshilfe bis zum Jahr 2010 auf 0,4 Prozent ihres Bruttosozialprodukts steigern, ohne damit allerdings auf die Tatsache einzugehen, dass die Schweiz dieses

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Ziel dank dem Einbezug von Entschuldungs- und Asylkosten bereits im vergangenen Jahr erfüllt hatte.

71 Noch keine Auswirkungen in der Stimmrechtsgruppe zeitigte die Unabhängigkeit Montenegros im Juni 2006. Zwar beantragte Montenegro die Mitgliedschaft beim Fonds, jedoch hält Serbien vorläufig die Mitgliedschaft für beide Länder. Das Schweizer Büro vertritt demnach bis auf Weiteres auch die Interessen Montenegros im IWF.

72 Thomas Moser von der Schweizerischen Nationalbank ersetzte am 1. April 2006 den bisherigen Exekutivdirektor Fritz Zurbrügg. Seit Anfang des Jahres 2006 präsidiert zudem Philipp Hildebrand, Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, die G-1048. Auf dem Rückweg vom Davoser Weltwirtschaftsforum machte der Geschäftsführende Direktor des IWF, Rodrigo de Rato, seinen ersten offiziellen Besuch in Bern49.

Die Schweiz und die Weltbank

Geschäftstätigkeit der Weltbank

73 Die IBRD steigerte die Gesamtsumme ihrer Kreditzusagen leicht auf 14,1 Milliarden Dollar und ihre Auszahlungen deutlich auf 11,8 Milliarden Dollar. Wegen weiterhin hoher Rückzahlungen war der Nettoressourcentransfer auch dieses Jahr negativ (Tabelle 7.6).

Tabelle 7.6 : Ressourcenfluss von IBRD und IDA, 2001-2006 (in Millionen Dollar, jeweils per 30. Juni)

Quelle : World Bank, Annual Report 2006, Washington, 2006, http://www.worldbank.org/annualreport.

74 Auch die IDA weitete ihre Kreditzusagen zu konzessionellen Bedingungen aus. Die Auszahlungen stagnierten jedoch. Netto war ein positiver Ressourcentransfer zu verzeichnen.

75 Die Internationale Finanzkorporation (IFC) und die Multilaterale Investitions garantieagentur (MIGA) konnten ihre Geschäftstätigkeiten leicht ausweiten50.

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Politik der Schweiz in der Weltbank51

76 Die Weltbank umreisst in ihrem Geschäftsbericht 2006 die wesentlichen Schwerpunkte ihrer Arbeit. Die Schweiz informierte in ziemlich zurückhaltender Weise, wie sie sich in den einzelnen Bereichen positionierte. Die Stärkung der Gouvernanz und die Bekämpfung der Korruption waren Hauptpunkte der laufenden Weltbankarbeit. Die Strategie des neuen Präsidenten Paul Wolfowitz ist in der Bank und unter den Mitgliedern nicht unumstritten. Der Schweizer Exekutivdirektor wies auf das Risiko einer möglichen Bestrafungsmentalität hin, welche den Kapitalfluss einschränken könnte. Er warnte ebenfalls vor der Gefahr einer neuen „Super-Konditionalität“ und kritisierte die ungleiche Behandlung der verschiedenen Kreditnehmerländer. Unbeantwortet ist die Frage, wie die Bank in Ländern mit signifikanten Schwächen operieren kann und soll. Grundsätzlich unterstützt die Schweiz die Strategie der Weltbank, verlangt aber von der Bank, dass sie die Länder darin unterstützt, ihr eigenes Gouvernanzsystem entwickeln zu können. Korruption sei sowohl ein Symptom für mangelhafte Gouvernanz als auch ein Hindernis für Entwicklung.

77 Welche Rolle soll die Bank in Ländern mit mittlerem Einkommen spielen, in denen 70 Prozent der Menschen leben, die täglich mit weniger als zwei Dollar pro Kopf auskommen müssen und die zum Teil vom Erreichen der Millenniumsziele weit entfernt sind ? Die Schweiz drückte den Wunsch aus, dass die Weltbank weiterhin in diesen Ländern tätig sein solle, dass sie aber die Prozeduren für Anleihen vereinfachen, die Programme besser fokussieren und vermehrt auf nationale Standards (Country Systems) abstützen solle.

78 Entwicklung im Einklang mit der Umwelt braucht mehr saubere Energie. Die Schweiz forderte, die Weltbank solle sich vor allem auf die Förderung von Pilotprojekten im Bereich der erneuerbaren Energiequellen konzentrieren und damit eine Umwandlung

der Wirtschaften in CO2-arme Produktionsweisen fördern. Dazu sollten auch bestehende Finanzierungsinstrumente wie der Globale Umweltfond (GEF) genutzt werden52.

79 Im Bereich Aid for Trade unterstützt die Schweiz die Bemühungen der Weltbank für regionale Kooperation und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der ärmsten Länder. Der schweizerische Exekutivdirektor befürchtete, der Misserfolg der Verhandlungen der Doha-Runde könne zu protektionistischen Massnahmen und zunehmenden Handelsdisputen führen. Ebenso bestehe ein Risiko, dass das Überhandnehmen bilateraler Handelsabkommen zu einer Komplizierung des multilateralen Systems beitrage. Die Weltbank solle in ihrem Engagement zugunsten eines grösseren Gewichts der Entwicklungsländer im Handelssystem fortfahren. Die IDA solle vermehrt handelsrelevante Vorhaben unterstützen.

80 Die Schweiz begrüsste das Vorgehen der Weltbank gegenüber dem Tschad in der Krise um die Verwendung der Erdöleinnahmen. Nachdem der tschadische Präsident Anfang 2006 einseitig das Gesetz über die Verwendung der Erdöleinnahmen abgeändert hatte, fror die Bank vorerst alle ihre Auszahlungen ein. Erst nach Verhandlungen, die zu einem Kompromiss führten, nahm die Weltbank ihre Zahlungen für armutsrelevante Sektoren teilweise wieder auf. Die bilaterale Hilfe der Schweiz war davon nicht berührt, zumal diese Hilfe weitestgehend über Regionalprogramme direkt der Bevölkerung zukommt.

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81 Neuer Exekutivdirektor für die von der Schweiz geführte Stimmrechtsgruppe ist seit dem 1. November 2006 Michel Mordasini. Er ersetzt den zurücktretenden Pietro Veglio.

82 Das finanzielle Engagement der Schweiz in der Weltbank ist aus Tabelle 7.7 ersichtlich.

Tabelle 7.7 : Finanzielles Engagement der Schweiz in der Weltbank 2003-2006 (in Millionen Franken)

a Die Zahlen betreffen die Finanzjahre der Weltbank (1.Juli bis 30. Juni). Quelle : Bundesrat, Aussenwirtschaftsberichte diverser Jahrgänge, http://www.seco.admin.ch/ publikationen und BBl.

7.3.2. Die Schweiz in den regionalen Entwicklungsbanken

83 Das laufende finanzielle Engagement der Schweiz in den regionalen Entwicklungsbanken ist insgesamt rückläufig (siehe nachstehend Tabelle 7.8). Einzig die Afrikanische Entwicklungsbank und ihr Entwicklungsfond erhielten im Jahr 2005 mehr Geld als im Vorjahr.

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7.8 : Finanzielles Engagement der Schweiz in den regionalen Entwicklungsbanken, 2003-2006 (in Millionen Franken)

a Interamerikanische Investitionsgesellschaft. b Fund for Special Operations. Quelle : Bundesrat, Aussenwirtschaftsberichte diverser Jahrgänge, http://www.seco.admin.ch/ publikationen und BBl.

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NOTES

1. World Bank (WB), Global Development Finance (GDF) 2006, The Development Potential of Surging Capital Flows, Vol. I, Washington, 2006, S. 2ff, http://www.worldbank.org/gdf2006. 2. Mervyn King, Governor of the Bank of England, Reform of the International Monetary Fund, Speech at the Indian Council for Research on International Economic Relations (ICRIER) in New Delhi, India, 20 February 2006, http://www.bankofengland.co.uk/publications/speeches/ speaker.htm#king. 3. Die Weltbank bezeichnet diese Zahl als Summe von Fehlern und Auslassungen in der Zahlungsbilanz plus den Erwerb von Wertschriften im Ausland (vgl. WB, GDF 2006, Tab. 1, Fussnote a, aaO.) 4. International Monetary Fund (IMF), Global Financial Stability Report, Washington, September 2006, Abb. 1, S. 79, http://www.imf.org/external/pubs/ft/GFSR. 5. WB, GDF 2006, Vol. I, S. 8ff. aaO. 6. OECD/DAC, „Aid flows top USD 100 billion in 2005“, Press Release, 4. April 2006, http:// www.oecd.org/dac. Weltbank- und DAC-Zahlen unterscheiden sich unter anderem deshalb, weil sich die OECD auf Angaben der Geberländer, die Weltbank aber auf Angaben der Entwicklungsländer stützt und weil damit die Zuflüsse nicht unbedingt zum gleichen Zeitpunkt registriert werden. Vgl. auch OECD, Development Co-operation Report 2005. Efforts and Policies of the Members of the Development Assistance Committee, Paris, 2006, http://www.oecd.org/cad >Publications & Documents >Annual Reports. 7. Das Wachstum der privaten Kapitalflüsse wird auch durch das von den grossen internationalen Banken finanzierte Institute of International Finance (IIF) ausgewiesen. Vgl. IIF, Capital Flows to Emerging Countries, Washington, 15. September 2006, http://www.iif.com. 8. Vgl. dazu auch Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), 76. Jahresbericht, Basel, 26. Juni 2006, und Quartalsbericht, http://www.bis.org. 9. WB, GDF 2006, Vol. 1, S. 6, aaO. 10. Ibid. S. 55. 11. UNCTAD, World Investment Report 2006. FDI from Developing and Transition Economies : Implications for Development. United Nations, New York, Geneva, 2006, http://www.unctad.org.wir. 12. SNB, Zahlungsbilanz der Schweiz, 2005, Zürich, September 2006 ; vgl. auch SNB, Die Entwicklung der Direktinvestitionen im Jahr 2005, Zürich, Dezember 2006, http://www.snb.ch.

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13. Zahlen gemäss WB, GDF 2006, Vol. I, aaO. In einem neuen Migration and Development Brief vom November 2005, „Remittance Trends 2006“, erhöhte die Weltbank ihre Schätzung für 2005 sogar auf 188 Milliarden und erwartet für 2006 199 Milliarden Dollar, http://www.worldbank.org/ prospects/migrationandremittances. 14. WB, GDF 2006, Vol. I, Box 1, S. 3, aaO. 15. Mathias Lerch, Janine Dahinden und Philippe Wanner, Remittance Behaviour of Serbian Migrants Living in Switzerland : A Survey, Swiss Forum for Migration and Population Studies, Neuenburg, September 2006, http://www.seco-cooperation.admin.ch/shop/00008/02002/index.html? lang=de. 16. WB, GDF 2006, Vol. I, S. 107ff, aaO. 17. UNCTAD, World Investment Report 2006, aaO. 18. Über positive und negative Aspekte von Süd-Süd-Direktinvestitionen siehe auch Buchs, Thierry und Meuwly Monteleone, Danielle, Süd-Süd-Direktinvestitionen : Ein neuer Vektor der wirtschaftlichen Entwicklung ? in Die Volkswirtschaft Nr.10, 2006, Bern, 2006, S. 59-62, http:// www.dievolkswirtschaft.ch. 19. Vgl. die Anmerkungen zur Tabelle 7.1. 20. WB, GDF 2006, Vol. I, S. 4 und Abb. 3, (unsere Übersetzung, Anmerkung der Redaktion). 21. Internationaler Währungsfonds, IMF, Global Financial Stability Report, Washington, April 2006, Tab. 1.3, http://www.imf.org/external/pubs/ft/GFSR/, sowie IMF, World Economic Outlook 2006 (WEO), Financial Systems and Economic Cycles, Washington, September 2006, Tab. 1.2 und Statistischer Anhang, Tab. 25ff., http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2006/02/index.htm. 22. Stahel, Fritz und Schuhmacher, Raffaela, Kapital in Bewegung – ein komplexes Phänomen, Credit Suisse Economic Briefing Nr. 43, Zürich, Credit Suisse, 2006, https://entry4.credit-suisse.ch/csfs/ research/p/d/de/publikationen/pub_ecobrief.jsp. 23. Informationen über die Konferenz von Paris und die nachfolgenden Konferenzen finden sich auf der Website der sog. Leading Group unterhttp://www.solidarity-globalization.org/ (ID und Passwort sind identisch : participant). 24. Vgl. Bruno Gurtner, Releasing the Hidden Billions for Development. Speaking Notes for the International Conference on Innovative Financing for Development, http://www.taxjustice.net unter : News. 25. Eurobondmarkt. „Kleines Rally der Ford-Anleihen“, Neue Zürcher Zeitung, 4. September 2006. 26. Postulat Rennwald 05-3821 : Abgabe auf Flugtickets. Antwort des Bundesrates vom 18.10.2006, http://www.parlament.ch. 27. Für aggregierte Zahlen bis 2004 vgl. Jahrbuch 2006, Nr. 1, Tabelle 19, S. 113, sowie für Zahlen einzelner Länder, WB, GDF 2006, Vol. II, Country Tables, aaO. 28. IMF/World Bank, Heavily Indebted Poor Country Initiative (HIPC) and Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI). Status of Implementation, Washington, August 2006, http://www.imf.org/ external/pp/longres.aspx?id=3887. Vgl. auch IMF/World Bank, HIPC-Initaitive : Statistical Update, Washington, March 2006, http://www.imf.org/extenal/np/hipc/doc.htm. Eine Übersicht bietet auch WB, GDF 2006, Vol. I, S. 87ff., aaO. 29. World Bank, Independent Evaluation Group (IEG), Debt Relief for the Poorest : An Evaluation Update of the HIPC-Initiative, Washington, April 2006, http://www.worldbank.org/ieg/hipc. Unter Schuldenquoten versteht man z.B. das Verhältnis der Schulden zum Bruttosozialprodukt oder zu den Exporterlösen, bzw. das Verhältnis des Schuldendienstes zu den Exporterlösen. 30. Inter-American Development Bank (IDB), „IDB Governors reach Agreement on Debt Relief for Bolivia, Guyana, Haiti, Honduras and Nicaragua“, Press Release, 17. November 2006, http:// www.iadb.org/news. 31. Auf der Website des Pariser Klubs sind die Details der einzelnen Abkommen unter http:// www.clubdeparis.org aufgeführt.

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32. Vgl. dazu die entsprechenden Medienmitteilungen des SECO : „Brasilien zahlt Schulden vorzeitig zurück“, 3. April 2006 ; „Algerien zahlt Schulden vorzeitig zurück“, 17. Juli 2006 ; „Russland zahlt seine Schulden gegenüber der Schweiz vorzeitig zurück“, 15. August 2006, http://www.seco.admin.ch >Aktuell >Medieninformation. 33. ERG, Geschäftsbericht 2005, http://www.serv-ch.com >Über uns >Finanzen. 34. Vgl. Pariser Klub, „50e anniversaire du Club de Paris et rencontre avec les créanciers privés“, Pressemitteilung, 14. Juni 2006, http://www.clubdeparis.org. Vgl. auch Jürgen Kaiser, „Le Club : Schuldenmanagement à la Lous XVI. 50 Jahre Pariser Club“, in Weltwirtschaft & Entwicklung, Informationsbrief, 14. Juni 2006, http://www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org sowie Comité pour l’annulation de la dette du tiers-monde (CADTM) France, Le Club de Paris chahuté pour ses 50 ans. Dossier spécial, Paris, 19. Juli 2006, http://www.cadtm.org. 35. Vgl. Eurodad, Debt Watch, 2. Oktober 2006, http://www.eurodad.org. 36. EU Aid : Genuine Leadership or Misleading Figures ?, An Independant Analysis of European Governments’ Aid Levels, Joint European NGO Report, April 2006, http://www.eurodad.org/ uploadstore/cms/docs/EuropeanAidReport.pdf. 37. DEZA-SECO, Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2005, Bern, 2006, http://www.deza.admin.ch oder http://www.seco-cooperation.admin.ch. 38. IWF und Weltbank publizieren Traktanden, Hintergrundpapiere, Abschriften von Medienkonferenzen, Abschlusskommuniqués und Reden (einschliesslich der schweizerischen Vertreter) auf ihrer Website http://www.imf.org/external/am/2006. Ferner berichten die Newsletters des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) sowie von SECO und DEZA eingehend über die Tagungen (vgl. Fussnoten 41 und 51). 39. Jahrestreffen von IWF und Weltbank. Anfrage Remo Gysin (06.1121) vom 3.10.2006. Schweizer Stimmrechtsgruppe IWF und Weltbank. Problematische Mitgliedstaaten. Interpellation Gerhard Pfister (06.3504) vom 4. Oktober 2006. Die Antwort des Bundesrates stand Ende 2006 noch aus. Beziehung der Schweiz zu IWF und Weltbank. Motion Jean-Noel Rey (04.3082) vom 17. März 2004. Bundesversammlung, „Besuch einer Delegation der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates in den USA“, Medienmitteilung, 24. Oktober 2006. Alle genannten Texte sind unter http://www.parlament.ch einsehbar. 40. Vgl. Bruno Gurtner, „Dem IWF laufen die Kunden davon“, Tages Anzeiger, 18. September 2006, http://www.tages-anzeiger.ch. 41. Soweit nicht andere Quellen angegeben sind, stützt sich dieser Abschnitt auf die beiden folgenden Publikationen : IMF, Executive Director for Azerbaijan, Kyrgyz Republic, Poland, Serbia, Switzerland, Tajikistan, Turkmenistan, Uzbekistan, Activity Report 2006, Washington, 2006, und EFV, Newsletter zum Internationalen Währungsfonds, Bern, diverse Ausgaben, http:// www.efv.admin.ch/d/themen/iwf/iwf_politik.php 42. IMF, A Medium-Term Strategy for the IMF : Meeting the Challenge of Globalization. Issue Brief, 1. April 2006, http://www.imf.org/external/np/exr/ib/2006/091106.htm und die dort aufgeführten weiteren Literaturangaben. Vgl. auch Darlena Tartari, „Der Internationale Währungsfonds und seine strategische Ausrichtung“ in Die Volkswirtschaft Nr. 7/8, 2006, http:// www.dievolkswirtschaft.ch, sowie Bruno Gurtner, „Die Macht des IWF schmilzt wie Schnee in der Sonne. Sechs Thesen zur Zukunft des IWF“, in Entwicklungspolitik Information Nord-Süd, Nr.13-14, Juli 2006, Frankfurt, http://www.entwicklungspolitik.org. 43. Für Grundlageninformationen zur Quotenreform siehe IMF, Quotas, Factsheet September 2006, http://www.imf.org/external/np/exr/facts/fre/quotasf.htm. 44. Bruno Gurtner, „Nur nicht auffallen. Die Schweiz und die Reformen des IWF“, in Alliance Süd, Global+ Nr. 23, Herbst 2006. 45. Vgl. dazu auch Jean-Pierre Roth, Internationale Währungsordnung oder -unordnung, Referat an der Universität St. Gallen, 14. November 2006, SNB, 2006, http://www.www.snb.ch.

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46. EFD, „IWF-Folgeevaluation zur Stabilität des Schweizer Finanzsystems“, Medienmitteilung vom 21. November 2006, http://www.efd.admin.ch. Die Resultate werden mit der nächsten Artikel VI-Konsultation veröffentlicht. 47. EFD, „Der IWF betont die Notwendigkeit weiterer Strukturreformen für die Schweiz“, Medienmitteilung vom 6. März 2006, http://www.efd.admin.ch, sowie die vom IWF dazu publizierten Dokumente unter http://www.imf.org/external/country/CHE/index.htm. 48. Bank for International Settlements (BIS), „Philipp Hildebrand to Chair the Deputies of the Group of Ten“, Media Release, 23. Januar 2006, http://www.bis.org/press/p060123.htm. 49. EFD, „Arbeitstreffen von Bundesrat Hans-Rudolf Merz mit IWF-Direktor Rodrigo de Rato“, Medienmitteilung, 31. Januar 2006, http://www.efd.admin.ch. 50. Vgl. dazu World Bank, Annual Report 2006, Washington, 2006, http://www.worldbank.org/ annualreport. 51. Soweit nicht andere Quellen angegeben sind, stützt sich dieser Abschnitt auf die beiden folgenden Publikationen : World Bank, Report by the Executive Director to the Governors of Azerbaijan, Kyrgyz Rpublic, Poland, Serbia-Montenegro, Switzerland, Tajikistan, Turkmenistan, Uzbekistan, The Annual Meetings, Washington, September 2006, http://www.seco-cooperation.ch ; SECO/DEZA, Newsletter – Zusammenarbeit mit der Weltbank und den regionalen Entwicklungsbanken (quartalsweise), http://www.seco-cooperation.ch >Themen >Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit >Aktuelle Geschäfte >Newsletter. Zusätzlich enthält der Aussenwirtschaftsbericht des Bundesrates jeweils weitere Informationen, die jedoch für das Jahr 2006 erst im Frühjahr 2007 verfügbar sind (BBl 2007 897). Vgl. auch die Reden des bundesrätlichen Vertreters beim Entwicklungsausschuss an der Frühjahrstagung und der Jahrestagung der Bretton-Woods-Institutionen. 52. Der Bundesrat hat Ende September 2006 einen neuen Rahmenkredit für den Globalen Umweltfonds über 109,77 Millionen Franken für die Jahre 2007 bis 2010 genehmigt. Vgl. dazu Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), „110 Millionen für die Globale Umwelt“, Medienmitteilung, 29. September 2006, http:// www.uvek.admin.ch.

ABSTRACTS

Die privaten Kapitalflüsse in Entwicklungs- und Transitionsländer sind im Jahr 2005 erneut angestiegen. Trotz höherer öffentlicher Entwicklungshilfe sank jedoch der Zufluss von öffentlichen Geldern, weil die Rückzahlung alter Kredite an multilaterale und bilaterale Gläubiger die Neuvergabe von Krediten überstieg. Einen weiteren Anstieg verzeichneten die Überweisungen von Migrantinnen und Migranten. Entwicklungsländer bauten ihre internationalen Währungsreserven weiter aus. Auch der private Sektor in Entwicklungsländern steigerten seine Anlagen im Ausland. Entwicklungsländer sind Nettokapitalexporteure. Insgesamt wuchs die Aussenverschuldung aller Entwicklungsländer nur geringfügig an. Zwanzig ärmsten Ländern wurden die Schulden gegenüber multilateralen Institutionen erlassen. Die Schweiz führte ihre Politik in den multilateralen Finanzierungsinstitutionen im gewohnten Rahmen fort.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 135

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BRUNO GURTNER Ökonom, bei Alliance Süd (der Arbeitsgemeinschaft Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas, HEKS) für den Bereich Internationale Finanzbeziehungen zuständig.

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8. Finanzplatz Schweiz

Marc Dufournet

8.1. Finanzplatz Schweiz und Kapitalflucht

1 Die Bedeutung des Finanzsektors innerhalb der schweizerischen Wirtschaft nimmt seit 2001 laufend zu. Trug der Sektor 2001 noch mit 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zur Wertschöpfung der Schweizer Volkswirtschaft bei, so liegt dieser Anteil heute gemäss Schätzungen des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) bei 14,4 Prozent1. Eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) bestätigt, dass auf dem Finanzplatz Schweiz (d.h. in der Schweiz selbst oder aber im Ausland unter der Kontrolle von Schweizer Banken) im Jahr 2005 4334 Milliarden Schweizer Franken verwaltet wurden ; das sind 26 Prozent mehr als 20042. Gemäss der Schweizerischen Nationalbank (SNB) beliefen sich die gesamten Auslandsverpflichtungen im Treuhandgeschäft der in der Schweiz niedergelassenen Banken zum 31. Dezember 2005 auf 290 Milliarden Franken3.

8.1.1. Zinsbesteuerungsabkommen mit der Europäischen Union

2 Nach dem In-Kraft-Treten des bilateralen Abkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) über die Zinsbesteuerung konnte Ende des vergangenen Jahres eine erste Bilanz gezogen werden. Zum 31. Dezember 2005 belief sich der Bruttoertrag aus der Erhebung des Steuerrückbehalts auf 159,4 Millionen Franken. 75 Prozent des Rückbehalts fällt an die begünstigten EU-Mitgliedsländer. Demzufolge wurden 119,57 Millionen Franken an die Wohnsitzstaaten der betreffenden Kunden überwiesen. Die restlichen 25 Prozent (39,85 Millionen Franken) dienen zur Deckung der Aufwendungen und werden zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt. Als Alternative zum Steuerrückbehalt bietet das Zinsbesteuerungsabkommen den ausländischen Bankkunden die Möglichkeit, ihre Zinserträge freiwillig der Steuerbehörden ihres Landes zu melden. In der Erfassungsperiode wurden 35 376 Meldungen über Zinserträge von insgesamt 109 Millionen Franken verzeichnet.

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Tabelle 8.1 : EU-Steuerrückbehalt : Definitive Zahlen für die Erfassungsperiode 2005

Quelle : Eidgenössisches Finanzdepartement, EU-Steuerrückbehalt : Schlussresultate der Erfassungsperiode 2005, Medienmitteilung, 29. Juni 2006, 3 S.

3 Ausschlaggebend für die Wahl zwischen dem Steuerrückbehalt und der freiwilligen Meldung der Zinserträge an die Steuerbehörden ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung, die von den in der EU steuerpflichtigen Kundinnen und Kunden des Finanzplatzes Schweiz durchgeführt wird. Dabei prüfen sie, ob in ihrem Fall der Informationsaustausch oder die Quellenbesteuerung günstiger ist. Statistisch gesehen lehnen mehr als 90 Prozent der betroffenen europäischen Kunden einen Informationsaustausch ab4. Die grosse Mehrheit von ihnen entscheidet sich demnach für einen Steuerrückbehalt von derzeit 15 Prozent der Zinserträge. Obwohl sie nur einen kurzen Zeitraum abdeckt, macht Tabelle 8.1 doch deutlich, dass je nach Wohnsitzland die eine oder andere Variante tendenziell bevorzugt wird.

4 Im Fall von Deutschland und Italien beispielsweise bewegt sich die Höhe des Steuerrückbehalts, der an diese beiden Länder überwiesen wurde, mit 24 bzw. 31 Millionen Schweizer Franken in einer vergleichbaren Grössenordnung. Bei den Zinserträgen, die von den Steuerpflichtigen der beiden Länder gemeldet wurden, zeigen sich dagegen markante Unterschiede : Wurden gegenüber den italienischen Steuerbehörden lediglich 2,5 Millionen Franken Zinserträge deklariert, waren es im Falle Deutschlands mehr als 66 Millionen. Dies beweist, dass die Entscheidung der betroffenen EU-Kunden vom Steuersystem in ihrem Wohnsitzstaat stark beeinflusst wird. Die schrittweise Anhebung des für die Zinserträge massgebenden Steuersatzes auf 35 Prozent bis ins Jahr 2011 muss bei dieser Entscheidung in den kommenden Jahren ebenfalls berücksichtigt werden5.

5 Das Abkommen mit der EU bezieht sich im Wesentlichen auf die Zinserträge auf Guthaben von natürlichen Personen. Daneben bietet der Finanzplatz Schweiz aber auch

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andere Anlagemöglichkeiten, die keiner Quellensteuer unterliegen ; dazu zählen beispielsweise Aktiengewinne, Dividenden, Versicherungsprodukte sowie Unternehmenserträge. Kundinnen und Kunden aus EU-Ländern können somit aus einer breiten Palette von Produkten auswählen, die nicht in den Geltungsbereich des Zinsbesteuerungsabkommens fallen.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 8, Zinsbesteuerungsabkommen mit der Europäischen Union, S. 129 ; Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 3, 3.2. Beitrag der Schweiz zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten in der erweiterten Europäischen Union.

8.2. Kampf gegen die Geldwäscherei

8.2.1. Tätigkeiten der OECD-Arbeitsgruppe gegen Geldwäscherei (FATF)

6 Die Arbeitsgruppe gegen Geldwäscherei, FATF) der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) wurde anlässlich des G-7-Gipfels von 1989 in Paris ins Leben gerufen. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist das Beschliessen und Umsetzen von Massnahmen, um den Missbrauch des Finanzsystems zu verbrecherischen Zwecken zu unterbinden.

7 Die Empfehlungen der FATF dienen als Arbeitsgrundlage bei der Bekämpfung der Geldwäscherei. Seit 2001 ist die FATF auch in der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung aktiv und hat verschiedene spezifische Empfehlungen zu diesem Thema herausgegeben. Die Liste der Publikationen der FATF reicht von Jahresberichten über Berichte zu den NCCTs6 und Empfehlungen (vierzig über die Geldwäscherei und neun spezifische Empfehlungen über die Terrorismusfinanzierung) bis hin zu normenspezifischen Erläuterungen.

8 2006 konnte die FATF mit Myanmar das letzte verbleibende Land von seiner Liste der nichtkooperativen Länder und Gebiete streichen. Das zwischenstaatliche Organ ist der Auffassung, dass das von internationalen Beobachtern immer wieder als Drogendiktatur gebrandmarkte Land bei der Umsetzung seines Dispositivs zur Geldwäschereibekämpfung ausgezeichnete Fortschritte erzielt hat. Erst im Oktober 2005 waren Nauru und im Juni 2006 auch Nigeria von der NCCT-Liste gestrichen worden. Die vom wichtigsten Erdöllieferanten Afrikas verzeichneten Fortschritte wurden von der FATF gelobt. Die zwischen Juni 2000 und Dezember 20017 erstellte Liste verzeichnet damit heute kein einziges nichtkooperatives Land oder Gebiet mehr.

9 Zusätzlich zur Erläuterung der verzeichneten Fortschritte definiert die FATF in ihrem Jahresbericht 2005-20068 verschiedene Stossrichtungen für die Zukunft. Die erste betrifft die Stärkung der Partnerschaften mit sämtlichen regionalen Organen nach dem Vorbild der FATF und die Konsolidierung der Vereinbarungen, die mit mehr als 140 in diesen Organen vertretenen Gerichtsbarkeiten getroffen wurden. Die FATF will einen Anerkennungsprozess erarbeiten, der es einigen dieser Organe ermöglichen soll, den Status eines „assoziierten Mitglieds“ zu erlangen. In diesem Sinne will die FATF ihre Tätigkeit verstärken und die Zahl ihrer Mitgliedsländer (derzeit 33) erhöhen. Gespräche über den Beitritt Chinas und über die Aufnahme Indiens als Beobachter sind im Gange.

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10 Parallel dazu führt die FATF seit 2005 einen Dialog mit dem Privatsektor. Gegenstand der Gespräche sind die namentlich von den Banken verzeichneten Schwierigkeiten bei der Anwendung der Empfehlungen. Zu den wichtigsten Themen zählen die Sorgfaltspflicht, die Identifizierung der Kunden, die Vereinheitlichung von Daten sowie die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Terrorismusfinanzierung. Dieser Dialog gründet auf der erklärten Absicht der FATF, die Themenbereiche Korruption, Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung gleichermassen abzudecken. Die Zusammenarbeit mit regionalen Organen wie der APG und der ESSAAMLG9 schliesslich entspricht der Notwendigkeit, mit spezifischen Massnahmen auf die Auswirkungen der Geldwäscherei auf die Entwicklungsländer einzugehen. Mehr Mitglieder, mehr Partnerschaften, ein globaler Ansatz und gezielte Massnahmen : So lauten die wichtigsten Postulate des jüngsten Berichts der FATF.

Die drei Tätigkeitsfelder der FATF

1. Einführung von Geldwäschereinormen und Errichtung von Programmen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung auf nationaler Ebene.

2. Beurteilung der Bemühungen der Staaten im Hinblick auf die Erarbeitung entsprechender Normen.

3. Identifizierung und Untersuchung von Techniken und Methoden der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung.

8.2.2. Geldwäschereibekämpfung in der Schweiz

11 In der Schweiz wurde das Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor (GwG) am 1. April 1998 in Kraft gesetzt. Gemäss diesem Gesetz sind seit dem 1. April 2000 sämtliche Finanzintermediäre (d.h. auch solche ausserhalb des Bankensektors) an die Sorgfaltspflicht gebunden. Das mit dem GwG eingeführte Dispositiv zur Bekämpfung der Geldwäscherei funktioniert nach dem Trichterprinzip10 : Am oberen Ende finden sich private Dispositive, die durch nachgelagerte öffentliche Kontrolldispositive ergänzt werden ; am untersten Ende sind die Justizorgane angesiedelt. Bei den privaten Dispositiven handelt es sich um interne Mechanismen der Finanzintermediäre, um Selbstregulierungsorganisationen (SRO) oder aber um Revisionsfirmen. Der Grundsatz der Selbstregulierung ist eine schweizerische Besonderheit. Entsprechend diesem Prinzip müssen sich die Finanzintermediäre des Nichtbankensektors einer durch die Kontrollstelle des EFD anerkannten Selbstregulierungsorganisation anschliessen. Ergänzend zu den privaten Dispositiven üben die Überwachungsbehörden – die Eidgenössische Bankenkommission (EBK), das Bundesamt für Privatversicherungen (BAP) und die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) – eine Kontrolltätigkeit aus. Diese Behörden, wie zum Beispiel die EBK, sind zwar administrativ dem EFD unterstellt, zählen aber nicht zur Bundesverwaltung.

12 Als Bindeglied zwischen privaten und öffentlichen Kontrolldispositiven kommt der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) eine Schlüsselfunktion zu. Alle Finanzintermediäre sind verpflichtet, verdächtige Transaktionen der MROS zu melden. Diese fungiert als

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Vermittlungsstelle und Filter zwischen den privaten Dispositiven und den Strafverfolgungsbehörden. Ein Teil der eingegangenen Meldungen wird über die Bundesanwaltschaft (BA) an die kantonalen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet und mündet schliesslich in ein Gerichtsverfahren. Dieses Trichterprinzip entspricht dem derzeit geltenden Geldwäschereidispositiv der Schweiz.

13 Als Mitglied der FATF musste sich die Schweiz einer Peer-Review unterziehen, deren Ergebnisse im Oktober 2005 in Form eines Berichts veröffentlicht wurden11. Der Bericht untersucht, wie die einzelnen Empfehlungen der FATF im Rahmen der schweizerischen Gesetzgebung angewendet werden. Gemäss dem Bericht entsprechen die Gesetzgebung, die Überwachung der Finanztransaktionen sowie die Arbeitsweise der Justiz im Grossen und Ganzen den Empfehlungen der FATF. Die Effizienz des schweizerischen Systems zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung wurde von der FATF anerkannt. Die Schweiz ist sich der Vorteile eines zweckmässigen Dispositivs durchaus bewusst, da es dazu beiträgt, die Risikofaktoren für die verschiedenen Institutionen (Geschäftsrisiken, Anlageverluste, Reputationsschäden) zu verringern und die Effizienz des Marktes zu steigern.

14 Im Anschluss an die Evaluierung der Einhaltung der Empfehlungen durch die FATF im Oktober 2005 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement, bis Mitte 2007 eine Botschaft zur Revision der Bundesgesetzgebung auszuarbeiten. Die revidierte Vorlage wird gewisse Elemente des Vernehmlassungsentwurfs aufgreifen, namentlich die Schaffung neuer Vortaten zur Geldwäscherei und die Einführung einer Meldepflicht bei Nichtzustandekommen einer Geschäftsbeziehung. Verschiedene der vorgeschlagenen Massnahmen beruhen auf dem Ergebnis der Länderprüfung durch die FATF, darunter beispielsweise die Mithilfe der Zollbehörden bei der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Nicht zuletzt enthält die revidierte Vorlage auch eine Verpflichtung für die Finanzintermediäre, den Zweck und die Art der vom Kunden gewünschten Geschäftsbeziehung festzustellen12. Trotz dieser Revision und der weitgehend konformen Überführung der FATF-Empfehlungen in das schweizerische Recht weist das Instrumentarium zur Bekämpfung der Geldwäscherei nach wie vor eine Reihe von Lücken auf.

15 Wie der zuständige Bundesrat Hans-Rudolf Merz bestätigte, wird die Schweiz nicht alle revidierten Empfehlungen der FATF anwenden. Aufgrund vehementer Proteste seitens der Wirtschaftsverbände und der bürgerlichen Parteien werden einige davon erst zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt oder überhaupt abgelehnt. Konkret verzichtet die Landesregierung darauf, weitere Sektoren wie den Immobilienmarkt oder den Verkauf von Schmuck und Kunstgegenständen der Geldwäschereiüberwachung zu unterstellen. Zudem werden Piraterie, Fälschung, Insiderdelikte, Menschenschmuggel und gewisse Bereiche des Warenschmuggels (z.B. Zigaretten) vorläufig nicht in die Liste der Delikte im Zusammenhang mit Geldwäscherei aufgenommen. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, diese Massnahmen seien unverhältnismässig und nur schwer durchführbar. Dagegen wird die Schweiz die europäische Regelung übernehmen müssen, wonach das Mitführen namhafter Bargeldbeträge beim Zoll gemeldet werden muss ; der Grenzbetrag wird auf 25 000 Franken festgesetzt. Die Insider-Strafnorm soll ebenfalls revidiert werden.

16 Gesamthaft betrachtet ist die Schweiz im Vergleich zu den EU-Ländern nunmehr im Rückstand. Als Rechtfertigung für die Ablehnung bzw. die verzögerte Einführung der revidierten Empfehlungen pochte Hans-Rudolf Merz auf das hohe Niveau der

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Überwachung des Bankensystems und argumentierte, dass das Überwachungsnetz mit zunehmender Grösse an Wirksamkeit einbüsse13. Die unvollständige Überführung der vierzig Empfehlungen (und der neun spezifischen Empfehlungen) der FATF lässt sich durch die Bedeutung erklären, die der Bundesrat einem „griffigen und wirtschaftsverträglichen Abwehrdispositiv zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung beimisst“14. Das EFD betont, bei der Ausgestaltung des Dispositivs sei auf ein vernünftiges, für die Finanzindustrie tragbares Verhältnis zwischen den Kosten und dem Nutzen der Regulierung zu achten15.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 8, 8.3.3. Drittes Länderexamen der FATF über die schweizerische Politik der Geldwäschereibekämpfung, S. 134.

8.2.3. Tätigkeiten der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS)

17 Der Jahresbericht der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS)16 bietet einen Überblick über die von den verschiedenen Finanzintermediären gemeldeten Verdachtsfälle. Die nachstehende Tabelle 8.2 enthält eine Gesamtschau über die gemeldeten verdächtigen Transaktionen.

18 In ihrem 8. Tätigkeitsbericht stellte die MROS bereits zum zweiten Mal in Folge einen Rückgang der Meldungen, und zwar von 821 auf 729 fest. Dies entspricht einer Abnahme um 11,2 Prozent (gegenüber 4,9 % im Jahr 2004). Die Zahlen des Jahres 2005 bestätigen eine bereits in den Vorjahren festgestellte Tendenz : Der grösste Teil der Meldungen stammt aus dem Zahlungsverkehrsbereich und von den Banken. Nach Kantonen aufgeschlüsselt wird ersichtlich, dass mehr als die Hälfte der Meldungen (52 %) auf Zürich, 16 Prozent auf Genf und 10 Prozent auf Bern entfallen17.

19 Der stärkste Rückgang gegenüber dem Vorjahr wurde beim Bankensektor verzeichnet, der im Berichtsjahr 47 Meldungen weniger erstattete als 2004 (–13,8%). Die MROS beurteilt diese Zahlen zurückhaltend und erinnert daran, es sei nicht ausgeschlossen, dass Gelder verbrecherischer Herkunft ausserhalb des Finanzsystems transferiert und gewaschen werden.

Tabelle 8.2 : Gesamtübersicht über die Geldwäscherei-Verdachtsmeldungen 2004-2005

Quelle : Meldestelle für Geldwäscherei (MROS),8.Jahresbericht 2005, Bundesamt für Polizei/EJPD, Bern, April 2006, S. 15.

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20 Auch die FATF mahnt in ihren Publikationen zur Zurückhaltung bei der Interpretation der Statistiken. Sie bedauert die angesichts der Bedeutung und Betriebsamkeit des Finanzplatzes Schweiz geringe Zahl der Verdachtsmeldungen. Den Grund dafür ortet sie in der typisch schweizerischen Ausgestaltung der Meldepflicht, die sie angesichts des eingeschränkten Geltungsbereichs als „restriktiv“ und sogar „dissuasiv“ qualifiziert18. Transparency International schliesst sich dieser Kritik an und vergleicht die Schweizer Zahlen mit jenen anderer bedeutender Finanzplätze. Die Organisation äussert den Verdacht, die rund 7000 in der Schweiz tätigen Finanzintermediäre nähmen es mit der Meldepflicht längst nicht so genau, wie sie eigentlich sollten. Zudem bedauert sie den geringen Personalbestand der Meldestelle, in der nur gerade acht Festangestellte die Überwachung eines der weltweit grössten Finanzplätze sicherstellen müssen. Transparency International weist auch auf die ihrer Meinung nach zu geringe Anzahl von Meldungen hin, die letztlich zu einer Verurteilung führen19.

21 Der Jahresbericht der MROS gibt ferner Auskunft über die Zahl der laufenden Verfahren sowie über die Entscheide, die von den Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone gefällt worden sind (Schuldspruch, Freispruch, Einstellung, Sistierung, Nichteröffnung und pendent). Der geringe Anteil der Meldungen, die schliesslich zu einem Schuldspruch führen (109 von 3219 Meldungen zwischen 1. April 1998 und 31. Dezember 2005), erhärtet die von Transparency International geäusserten Vermutungen. Hinzu kommt eine chronisch hohe Zahl von Pendenzen, wobei sich deren Anzahl gegenüber 2004 um 46 Prozent bzw. 1471 Fälle verringert hat.

Grafik 8.1 : Stand der weitergeleiteten Verdachtsmeldungen, 1.4.1998-31.12.2005

Quelle : Meldestelle für Geldwäscherei (MROS), 8. Jahresbericht 2005, Bern, Bundesamt für Polizei/ EJPD, 2006, S. 53.

22 MROS erklärt diese Zahlen mit verschiedenen Argumenten. Sie erinnert daran, dass Fälle von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung oftmals einen Auslandsbezug haben, was langwierige und schwierige internationale Ermittlungen erforderlich

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macht. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die damit verbundenen Rechtshilfeersuche im Ausland nicht nur aufwändig, sondern auch sehr zeitintensiv seien. Zudem sei die Zahl der Pendenzen zu relativieren, und zwar aufgrund einer juristischen Nuance : Unter den pendenten Fällen fänden sich wahrscheinlich auch solche, die bereits zu einem Urteil geführt hätten, jedoch der Meldestelle nicht mitgeteilt worden seien20. Der Jahresbericht 2005 weist aber auch noch auf einen weiteren Grund hin : Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Mitteilungspflicht der Strafverfolgungsbehörden gemäss Artikel 29 Absatz 2 des Geldwäschereigesetzes nach wie vor ungenügend eingehalten werde.

8.2.4. Ein einziges Überwachungsorgan : die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA)

23 Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK), das Bundesamt für Privatversicherungen (BAP) und die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei (Kst GwG) sollen in der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht zu einer einzigen Behörde zusammengeführt werden. Dieser Vorschlag wurde vom Bundesrat am 1. Februar 2006 gutgeheissen21 und wird gegenwärtig von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) geprüft. Die Vorlage wird dem Parlament Anfang 2007 unterbreitet. Obwohl die Notwendigkeit der Schaffung der FINMA umstritten ist, dürfte die neue Finanzmarktaufsichtsbehörde bereits im Jahr 2008 ihre Tätigkeit aufnehmen.

24 Mit diesem Schritt werden die Organe, die heute die staatliche Aufsicht über Banken, Versicherungen und andere Finanzintermediäre wahrnehmen, zur Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht zusammengefasst. Ziel dieser Vorlage unter der Federführung des EFD ist es, die Aufsicht über den Finanzmarkt zu stärken und der neu zu schaffenden Behörde auf dem internationalen Parkett mehr Gewicht zu verleihen. Die betroffenen Branchen begrüssen diesen Schritt, da er ihrer Meinung nach dazu beitragen wird, das Vertrauen in den Finanzplatz Schweiz zu stärken und sein Image zu verbessern.

25 Mit der Schaffung dieser Aufsichtsbehörde will sich die Schweiz den international üblichen Standards anpassen. Die wettbewerbsfähigsten Finanzzentren wie London oder Singapur verfügen bereits über eine integrierte Aufsichtsbehörde. Die Debatte in der Schweiz dreht sich im Wesentlichen um die Frage, welche Struktur dabei zu bevorzugen ist : sektoriell, das heisst je eine Abteilung für das Banken- und das Versicherungswesen, oder aber integriert, das heisst mit transversalen Funktionen für sämtliche betroffenen Sektoren. Laut dem heutigen Präsidenten der EBK, Eugen Haltiner, sprechen die Interdependenz der Märkte und die spezifischen Eigenschaften der in der FINMA zusammengefassten Bereiche für die Wahl einer gemischten Struktur22. Der Bereich der Pensionskassen dagegen wird getrennt behandelt.

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8.3. Kampf gegen das länderübergreifende organisierte Verbrechen

8.3.1. UN-Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität

26 Das am 15. November 2000 kraft Resolution verabschiedete Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität umfasst drei Zusatzprotokolle : das Protokoll zur Verhinderung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, das Protokoll gegen die Schlepperei und das Protokoll gegen die unerlaubte Herstellung und den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen. Die Schweiz hat das Übereinkommen am 12. Dezember 2000 unterzeichnet und die Konvention sowie die ersten beiden Zusatzprotokolle am 27. Oktober 2006 ratifiziert. Auf das dritte Protokoll ist der Bund noch nicht eingetreten.

8.3.2. Kampf gegen das organisierte Verbrechen in der Schweiz

27 Als Strafverfolgungsbehörde auf Bundesebene fungiert in der Schweiz die dem EJPD angegliederte Bundesanwaltschaft (BA). Diese Behörde leitet Strafverfahren nach dem Bundesstrafprozess ein. Im Fall von Delikten wie z.B. Geldwäscherei, Korruption auf internationaler Ebene oder organisiertem Verbrechen führt die Bundesanwaltschaft zusammen mit der Bundeskriminalpolizei (BKP) des Bundesamtes für Polizei (fedpol) die ersten Ermittlungen durch. Erhärtet sich der Tatverdacht, wird der Fall dem eidgenössischen Untersuchungsrichter übergeben, der die Voruntersuchung einleitet. Nach der Rücküberweisung der Akten an die Bundesanwaltschaft entscheidet diese, ob sie Anklage erheben will. Die Anklageschrift wird erstinstanzlich beim Bundesstrafgericht in Bellinzona eingereicht, zweite und letzte Instanz ist das Bundesgericht in Lausanne23. Die Bundesanwaltschaft, die eine Doppelrolle als Ermittlungs- und als Anklagebehörde wahrnimmt, durchlief kürzlich eine schwierige Phase, die im Juli 2006 mit dem Rücktritt des Bundesanwalts ihren Höhepunkt erreichte.

28 Nachdem Vorwürfe wegen Organisationsdefiziten, strukturellen Unzulänglichkeiten und sogar wegen Führungsmängeln laut geworden waren, gab Bundesrat Christoph Blocher eine Administrativuntersuchung und einen Untersuchungsbericht in Auftrag. Im Zentrum der Untersuchung standen die Haushaltsführung der Bundesanwaltschaft sowie die Frage, ob sie sich illegaler Methoden bedient habe. Sie gelangte zum Schluss, dass die Effizienz der Bundesanwaltschaft zu wünschen übrig lasse, entlastete aber Valentin Roschacher. Auslöser der Untersuchung war das Bekanntwerden der Affäre Ramos : Auf Anordnung des Bundesanwalts wurde im Zusammenhang mit laufenden Geldwäschereiermittlungen in der Schweiz ein ehemaliger kolumbianischer Drogenboss als Informant angeheuert24. Valentin Roschacher wurde von zahlreichen Politikerinnen und Politikern jeglicher Couleur wegen seiner Unnachgiebigkeit scharf unter Beschuss genommen. Sie warfen ihm vor, die Arbeitsweise der Bundesanwaltschaft sei undurchschaubar.

29 Den künftigen Bundesanwalt erwartet die schwierige Aufgabe, bei der Leitung seiner Behörde Spannungen und Konflikte mit dem EJPD zu vermeiden. Die

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Herausforderungen sind zahlreich. Als Erstes muss eine Bilanz vorgelegt werden, welche die 2002 eingeleitete Zentralisierung von Kompetenzen auf Bundesebene rechtfertigt. Als Zweites verlangt die Frage nach der Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft eine Antwort : Tatsächlich sieht ein von Bundesrat Christoph Blocher in Vorbereitung gegebener Gesetzesentwurf vor, die Überwachung der Behörde in die Hände einer einzigen Instanz zu legen, und zwar in jene des von ihm geleiteten EJPD. Zudem sollen in Zukunft allein die Staatsanwälte des Bundes Strafverfolgungen einleiten, Ermittlungen durchführen und vor Gericht als Ankläger auftreten. Mit dieser Zusammenlegung von Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichteramt werden die Beziehungen zwischen Bundesanwaltschaft und EJPD zweifellos neu definiert werden müssen25.

30 Ob diese Herausforderungen bewältigt werden können, hängt massgeblich von den Arbeiten des EJPD ab. Die Neuorganisation der Bundesanwaltschaft wird sich auf die Vorschläge stützen, die im Rahmen der von Fürsprecher Rolf Lüthi geleiteten Untersuchung formuliert wurden26 : Verzicht auf die Voruntersuchung, verstärkte Zusammenarbeit mit der Bundeskriminalpolizei und Rekrutierung einer gewissen Zahl von Ermittlern mit Spezialkenntnissen. Die Bestrebungen, in der Bundesanwaltschaft Ordnung zu schaffen, werden von Vertretern der Linken und der Rechten gleichermassen unterstützt. Der Rücktritt von Valentin Roschacher hat diesen Prozess beschleunigt. Die auf Druck von Christoph Blocher angeordnete Neuordnung ist zwar legitim, erfolgt aber sicher nicht ohne Hintergedanken. Der ehemalige Tessiner Staatsanwalt und heutige FDP-Ständerat Dick Marty wies darauf hin, es sei zu befürchten, dass der SVP-Bundesrat im Interesse des Finanzplatzes Schweiz der Ermittlungsbehörde des Bundes die Flügel stutzen wolle27.

8.4. Korruptionsbekämpfung und internationale Rechtshilfe

8.4.1. Korruptionsbekämpfung

Von der Schweiz unterzeichnete Übereinkommen

31 In ihrem jüngsten Strategiedokument zur Korruptionsbekämpfung28 erinnert die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) an mehrere Initiativen zum Kampf gegen die Korruption auf nationaler und internationaler Ebene, die von der Schweiz mitgetragen wurden, darunter das Strafrechts- und das Zivilrechtsübereinkommen des Europarates gegen die Korruption, das Übereinkommen der OECD über die Bekämpfung der Bestechung und die Konvention der Vereinten Nationen über die Korruptionsbekämpfung.

32 Die Mitwirkung an der Ausarbeitung dieser Konventionen, ihre Unterzeichnung und schliesslich ihre Ratifizierung erfordern Zeit und sind von den erforderlichen Anpassungen der schweizerischen Gesetzgebung und vom politischen Willen abhängig. Mit der Unterzeichnung einer Konvention drückt die Schweiz ihr Interesse aus, sich dem Übereinkommen anzuschliessen, und löst damit eine Reihe politischer und gesetzgeberischer Mechanismen aus : die Erstellung eines Berichts, die Ausarbeitung eines Vorentwurfs, ein Vernehmlassungsverfahren und die Einarbeitung der Stellungnahmen, das Verfassen einer Botschaft und deren Genehmigung durch den

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Bundesrat und schliesslich die Ratifizierung selbst. Dieser Prozess mündet schliesslich in eine endgültige Verpflichtung seitens der Schweiz, die Bestimmungen des Übereinkommens einzuhalten und umzusetzen.

33 Das UN-Übereinkommen gegen die Korruption beispielsweise wurde von der Schweiz im Dezember 2003 unterzeichnet. Gegenwärtig ist das EJPD dabei, eine Botschaft im Hinblick auf seine Ratifizierung auszuarbeiten. Im Dezember 2006 hat die Schweiz in Jordanien an der ersten Vertragsparteienkonferenz des UN-Übereinkommens gegen die Korruption teilgenommen ; die Ratifizierung des Übereinkommens dürfte aber nicht vor Ende 2007 oder Anfang 2008 erfolgen.

34 Andererseits hat die Schweiz das Zivilrechtsübereinkommen des Europarates vom 4. November 1999 nicht unterzeichnet. Dieses bietet Personen, die durch einen Akt der Korruption geschädigt wurden, eine wirksame Rekursmöglichkeit. Die für Zivilrechtsfragen zuständigen Bundesbehörden prüfen gegenwärtig mit auf eine spätere Unterzeichnung des Übereinkommens, welche Anpassungen im schweizerischen Recht erforderlich sind. Das Strafrechtsübereinkommen dagegen wurde von der Schweiz am 31. März 2006 ratifiziert, nachdem Stände- und Nationalrat am 7. Oktober 2005 grünes Licht gegeben hatten. Damit verpflichtet sich das EJPD im Namen der Schweiz, nicht nur die aktive Bestechung im Privatsektor strafrechtlich zu verfolgen, sondern auf Antrag auch die passive Bestechung. Diese Änderung gilt auch für die Bestechung ausländischer und internationaler Amtsträger. Mit der Ratifizierung wurden die Änderungen betreffend den unlauteren Wettbewerb auf den Privatbereich ausgeweitet. Die neuen Bestimmungen sind am 1. Juli 2006 in Kraft getreten. Parallel dazu hat die Schweiz im Mai 2000 das OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ratifiziert. Mit dem Beitritt zu diesem Übereinkommen hat die Schweiz einerseits die strafrechtlichen Bestimmungen über die Bestechung schweizerischer Amtsträger verschärft und andererseits die aktive Bestechung ausländischer Amtsträger ebenfalls in den Katalog der strafbaren Handlungen aufgenommen.

35 Dieser summarische Überblick über den Stand der Dinge in der Schweiz in Bezug auf die Korruptionsproblematik macht deutlich, dass der Bund einige wichtige Schritte unternommen hat. Bereits das dritte Jahr in Folge belegt die Schweiz auf der von Transparency International (TI) erstellten Korruptionsrangliste mit einem Korruptionswahrnehmungsindex von 9,1 Punkten (von maximal 10 Punkten) den siebten Rang. Der Hauptgrund für dieses gute Abschneiden ist laut Transparency International Schweiz die am 1. Juli 2006 in Kraft getretene Verschärfung des Strafrechts. Allerdings müssen nach Auffassung der NGO nach wie vor verschiedene Lücken in der schweizerischen Gesetzgebung geschlossen werden. Die Organisation mit Sitz in Berlin zeigt sich über die kürzlich erfolgte Überführung der Bestimmungen des Strafrechtsübereinkommens des Europarates nicht zufrieden : Sie beklagt, dass– entgegen der Absicht des Übereinkommens – die Privatbestechung lediglich als Vergehen (mit einer Busse oder einer Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren geahndet) und nicht als Verbrechen gilt (wofür eine Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren verhängt werden kann). Konkret bedeutet dies, dass ein Schweizer Unternehmen, das Schmiergelder an ein ausländisches Unternehmen zahlt, sich nur eines Vergehens, nicht aber eines Verbrechens schuldig macht.

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Tabelle 8.3 : Internationale Übereinkommen gegen die Korruption

Quellen : Internetseiten des Europarates, http://www.coe.int, des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, http://www.unodc.org, und der OECD, http://www.oecd.org.

Rechtlicher Schutz von Whistleblowers in Schweizer Unternehmen

36 Transparency International Schweiz legt besonderes Gewicht auf einen Aspekt, auf den bereits die OECD 2004 im Rahmen ihrer Überprüfung der schweizerischen Praxis der Korruptionsbekämpfung hingewiesen hatte : den Schutz von Personen, die auf korrupte Praktiken innerhalb einer Organisation, einer Institution, einer Verwaltungseinheit oder eines Unternehmens aufmerksam machen29. Diese so genannten Whistleblowers (Denunzianten) laufen Gefahr, mangelnder Loyalität beschuldigt zu werden und ihre Stelle zu verlieren. Deshalb forderte TI-Schweiz in einer gemeinsamen Aktion mit Nationalrat Remo Gysin und Ständerat Dick Marty einen besseren rechtlichen Schutz für Whistleblowers. Der Nationalrat hat die von Remo Gysin eingebrachte Motion30 gutgeheissen und damit den Bundesrat beauftragt, eine Rechtsgrundlage für den Schutz von Whistleblowersauszuarbeiten. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates führte eine Vorprüfung des Vorstosses durch31. Im Winter 2006-2007 wird sich das Parlament mit einem Gesetzesentwurf befassen.

37 Der Schweizerische Arbeitgeberverband ist der Auffassung, die Arbeitnehmer in der Schweiz seien durch das geltende Recht ausreichend geschützt, und kündigte an, er werde eine Stärkung des Kündigungsschutzes für Whistleblowers bekämpfen. Die Bankenkreise lehnen ihrerseits die von der Eidgenössischen Bankenkommission vorgeschlagenen Schutzmassnahmen für Denunziantenab. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) ist der Auffassung, dies „würde die interne Kultur sowie das Arbeitsklima der Banken massiv beeinflussen“32. Die Massnahmen seien kontraproduktiv und stellten einen Ansporn dar, Kollegen zu diffamieren und persönliche Rechnungen zu begleichen.

38 Demgegenüber wurde in anderen Bereichen des Privatsektors nicht zugewartet, bis eine Revision des schweizerischen Arbeitsrechts vorliegt. Verschiedene Schweizer Grossunternehmen bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, Verdachtsmomente über korrupte Machenschaften anonym über eine spezifische Anlaufstelle, eine Hotline oder via Internet mitzuteilen. Durch die Einrichtung solcher Informationskanäle ist es Unternehmen wie ABB, UBS oder Novartis gelungen, öffentliche Kritik zu vermeiden. Einmal mehr zeigt sich indessen, dass der Finanzplatz Schweiz auch in Bezug auf die Korruptionsbekämpfung sein Image pflegen muss.

Verwicklung von Schweizer Unternehmen in die Oil-for-Food-Affäre

39 Das 1995 eingeleitete Oil-for-Food-Programm sollte es dem Irak erlauben, durch beschränkte Erdölexporte die Beschaffung von humanitären Gütern zu finanzieren. Das von der UNO errichtete System wurde vom Regime des ehemaligen Diktators Saddam

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Hussein missbraucht. Dieses hatte ein weitreichendes Korruptionsnetz geknüpft und auf diese Weise knapp 1,4 Milliarden Dollar aus undurchsichtigen Kommissionszahlungen abgezweigt. Ein Grossteil der Erdöllieferverträge zwischen Privatunternehmen und dem Regime in Bagdad kam durch die Zahlung von Schmiergeldern zustande. Die Mehrheit dieser Transaktionen wurde über die Schweiz und namentlich über in Genf ansässige Erdölhändler oder Banken abgewickelt. Die Untersuchungen der unabhängigen Kommission unter Paul Volcker33 haben aufgezeigt, welche Rolle die Schweiz in diesem Skandal gespielt hat.

40 Laut Befund der Kommission soll beispielsweise der Direktor des UN-Programms, Benon Sevan, von einer Genfer Ölhandelsfirma (Africa Middle East Petroleum, AMEP) knapp 150 000 Dollar in bar entgegengenommen haben34. Dieses Geld, das von einem Schweizer Konto der Union Bancaire Privée überwiesen wurde, stammt aus dem Gewinn aus Lieferverträgen für irakisches Öl, die das Unternehmen über Benon Sevan abgewickelt hatte. Die Schweizer Behörden wurden vom Genfer Treuhandunternehmen Genevalor informiert.

41 Die Bedeutung Genfs als Drehscheibe des internationalen Erdölhandels ist unbestritten : Rund ein Drittel des weltweiten Rohölvolumens werden hier gehandelt, und der Finanzplatz ist auf die Absicherung von Finanzrisiken bei solchen Transaktionen spezialisiert. Es überrascht daher nicht, dass zahlreiche Genfer Handelsfirmen, Geschäftsanwälte und Banken im Zusammenhang mit der Affäre genannt werden. Im Oktober 2006 erliess der Genfer Untersuchungsrichter Jean- Bernard Schmid das erste Strafmandat gegen einen in der Rhonestadt operierenden Erdölhändler35.

42 Insgesamt werden im Bericht der Volcker-Kommission rund dreissig Schweizer Unternehmen erwähnt, darunter ABB, Agromatic, Ciba Specialities, Cilag, Roche, JMor Business Consulting, Mechtool, Novartis, Phonak und Sulzer.

&Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 5, 5.6.1. UN-Programm „Oil for Food“, S. 79.

8.4.2. Laufende Rechtshilfeverfahren (Bestechungs- und Potentatengelder)

43 Immer wieder landen Gelder, die von politisch exponierten Persönlichkeiten (politically exposed persons, PEPs) wie Staatschefs, hohe Beamte und ihre Angehörige abgezweigt wurden, auf Schweizer Bankkonten. Solche Gelder können blockiert und an das Herkunftsland zurückerstattet werden. Die Schweiz nimmt bei der Rückführung von so genannten Potentatengeldern, die auf internationalen Finanzplätzen deponiert wurden, eine Vorreiterrolle ein.

44 Im Zusammenhang mit Rechtshilfeersuchen, die an die Schweiz oder von der Schweiz gestellt wurden, sind umfangreiche Beträge auf Schweizer Konten gesperrt worden. Tabelle 8.4 vermittelt einen Eindruck von der Grössenordnung der Guthaben, die im Anschluss an Rechtshilfegesuche von Ländern des Südens blockiert wurden (wichtigste Affären, Stand 1. Januar 2005).

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Tabelle 8.4 : Im Zuge von Rechtshilfeersuchen gesperrte Guthaben (Auswahl), in Millionen Dollar (Stand : 1. Januar 2005)

Quelle : GAFI/OCDE, 3e Rapport d’évaluation mutuelle de la lutte anti-blanchiment de capitaux et contre le financement du terrorisme. Suisse, Paris, GAFI/OCDE, November 2005, S. 220.

45 Die Rückführung der Gelder kann beginnen, sobald ein Rechtshilfeverfahren eingeleitet wurde. Das grösste Problem dabei ist die Kontrolle der tatsächlichen Verwendung der zurückerstatteten Gelder : Die beteiligten Parteien müssen sicherstellen, dass die Gelder dem betroffenen Land als Ganzes zugute kommen und nicht von korrupten Politikern abgezweigt werden. An der Rückgabe sind namentlich die Weltbank (im Falle Nigerias) und die DEZA (im Fall Angolas) beteiligt, oder aber sie erfolgt im Rahmen einer Partnerschaft mit einem anderen Land, zum Beispiel mit den USA im Falle Kasachstans. Dass die Rückgabe der Gelder nur langsam vonstatten geht, ist darauf zurückzuführen, dass keine einschlägigen und international anerkannten Regeln vorliegen. Dies bedeutet, dass häufig auf bilateraler Ebene nach Lösungen gesucht werden muss36.

46 Viktor Vavricka, der beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) für das PEP-Dossier zuständig ist, weist darauf hin, dass die Schweiz in diesem Bereich ein umfangreiches Know-how zur Verfügung stellen kann37. Im Anschluss an die Durchführung eines informellen Treffens im Oktober 2006 bekräftigte die Schweiz ihren Willen, die Rückgabe von Potentatengeldern zu erleichtern. An dem Treffen mit dem Titel „Lausanne III“38 nahmen vierzig Experten aus zwanzig Industrie- und Entwicklungsländern, der Weltbank und der UNO teil. Bei den identifizierten Lösungsansätzen und „Best Practices“ legten die Teilnehmer besonderes Gewicht auf Transparenz und Einbindung der Zivilbevölkerung. Unter Berufung auf ihre nationale Souveränität äusserten die Herkunftsländer allerdings Vorbehalte gegenüber der Kontrolle der Verwendung der rückerstatteten Gelder. Diese internationalen Treffen und die bilateralen Verhandlungen mit den betroffenen Staaten verdeutlichen die pragmatische Vorgehensweise der Schweiz. Angesichts der rechtlichen Komplexität der Dossiers und der fehlenden konkreten Abwicklungsmodalitäten für die Rückführung der Gelder muss jeder Fall individuell geregelt werden.

47 Dieses Vorgehen wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Ohne die Verwendung der rückerstatteten Gelder für Entwicklungs- oder humanitäre Projekte grundsätzlich in Frage zu stellen, bedauern mehrere Schweizer NGO das Fehlen von Sanktionen. So wurden im Anschluss an die Rückgabe von 21 Millionen Dollar an Angola keine Sanktionen ergriffen39. Der Staatsanwalt des Kantons Genf schloss den Fall unter Berufung auf die Untersuchungsergebnisse ab : Niemand wurde als Opfer oder Kläger identifiziert, und es fand kein Betrug statt – dies obwohl mehrere Anhaltspunkte für eine gross angelegte Veruntreuung von öffentlichen Geldern sprachen. Aus Sicht der Aktion Finanzplatz Schweiz, der Erklärung von Bern und von Global Witness

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demonstriert die Schweiz auf diese Weise aller Welt, dass ihr Finanzplatz ungestraft zum Waschen von Geldern missbraucht werden kann. Zudem fordern diese NGO mehr Transparenz bei der Verwendung der Gelder.

BIBLIOGRAPHY

Rückführung und Verwendung von Potentatengeldern – der Fall Abacha

Im Jahr 2000 forderten eine Koalition von Schweizer NGO und eine Gruppe nigerianischer Organisationen erstmals, bei der Kontrolle der Verwendung der an die nigerianische Regierung zurückerstatteten Gelder die Zivilgesellschaft einzubinden. Damit sollte gewährleistet werden, dass die Gelder tatsächlich für Entwicklungsprojekte genutzt werden und nicht in der Staatskasse versickern. Ein im Dezember 2006 in der Basler Zeitung a erschienener Beitrag bestätigte diese Befürchtungen : Von den 700 Millionen Dollar, welche die Schweiz im Rahmen der Abacha-Affäre zurückerstattete, seien 200 Millionen verschwunden ! Laut Andreas Missbach von der Erklärung von Bern ist diese Grössenordnung durchaus realistischb. Von nigerianischer Seite wurde diese Meldung über den nigerianischen Botschafter umgehend dementiert. Das EDA liess seinerseits verlauten, man wolle mit einer Stellungnahme abwarten, bis der Bericht der Weltbankc über die Verwendung der zurückerstatteten Gelder vorliege. Dieser Bericht wurde im Dezember 2006 veröffentlicht und beurteilte die Beteiligung der NGO an den Monitoringstrukturen sowie die Auswahl und Planung der Projekte als Erfolg. Gleichzeitig wies der Bericht aber darauf hin, die effektiven Ausgaben für die einzelnen Projekte oder allfällige Informationslücken in Bezug auf den Stand der Projektarbeiten könnten nicht überprüft werden.

Auch das Nigerian Network on Stolen Assets legte einen unabhängigen Bericht vord. Eine Untersuchung von 54 Projekten, die offiziell mit den zurückgeführten Geldern finanziert wurden, förderte eine Reihe von Unregelmässigkeiten zutage : Von den 54 Projekten wurden viele bereits vor 2004 eingeleitet, 29 der 54 Projekte waren nicht fertig gestellt, einige wurden nicht umgesetzt, andere sind nicht operationell, und viele Projekte waren von der Zentralregierung geplant worden, ohne die Bedürfnisse der Begünstigten zur Kenntnis zu nehmen. Die vom Diktator beraubte Bevölkerung habe von der Rückgabe dieser Gelder nicht ausreichend profitiert. Die NGO-Koalitionzur fairen und transparenten Rückführung der Abacha- Gelder forderte die Schweizer Behörden auf, die Konsequenzen aus diesem Desaster zu ziehen : „Es darf nicht mehr vorkommen, dass das Bundesamt für Justiz einen Rückgabe-Entscheid vorantreibt, ohne die Verwendung der zurückgeführten Gelder zu beachten.“e

a „Abachas Millionen sind verschwunden“, Basler Zeitung, 5. Dezember 2006.

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b „Fonds Abacha : irrégularités constatées“, Le Temps, 6. Dezember 2006.

c World Bank, Utilization of Repatriated Abacha Loot : Results of the Field Monitoring Exercise, Report Prepared by the World Bank with Cooperation from the Federal Ministry of Finance, Abuja (Nigeria), Dezember 2006, 58 S.

d Nigerian Network on Stolen Assets (NNSA), Shadow Report on the PEMFAR Monitoring Exercise, Benin City (Nigeria), NNSA, Dezember 2006, 78 S., verfügbar unter http://www.evb.ch/abacha.

e NGO-Koalition zur fairen und transparenten Rückführung der Abacha-Gelder, „Abacha-Millionen : verschwendet statt verwendet“, Medienmitteilung, 18. Dezember 2006, http://www.evb.ch/p25011629.html.

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Internet-Adressen

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Bundesamt für Polizei (insbesondere Meldestelle für Geldwäscherei MROS) : http:// www.fedpol.admin.ch.

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Center for Peacebuilding : http://www.swisspeace.org/koff.

Erklärung von Bern (EvB) : http://www.evb.ch.

Europarat : http://www.coe.int.

Globales Netzwerk für Steuergerechtigkeit : http://www.taxjustice.net.

Multimedia-Plattform für Nachrichten und Informationen von swissinfo/SRI : http:// www.swissinfo.org.

OECD-Arbeitsgruppe gegen Geldwäscherei (FATF) : http://www.fatf-gafi.org.

OECD, Länderberichte und Informationen über die Tätigkeiten der OECD auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung : http://www.oecd.org/bribery.

Transparency International Schweiz : http://www.transparency.ch.

UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung : http://www.unodc.org.

Unabhängige Untersuchungskommission über das Oil-for-Food-Programm : http://www.iic- offp.org.

NOTES

1. EFD, Kennzahlen zum Finanzstandort Schweiz, Bern, EFD, aktualisiert im Dezember 2006, S. 3. 2. Nicolas Queloz, Boris Boller, Fabrice Haag, Analyse compréhensive et évaluative du dispositif suisse et premiers éléments de comparaison avec le dispositif canadien, rapport scientifique final remis au Fonds national suisse de la recherche scientifique, Département de droit pénal, Université de Fribourg, 2006, S. 2. [Deutsche Zusammenfassung : Kontrolldispositive der Geldwäscherei. Verständnisorientierte und evaluative Analyse des Schweizer Dispositivs und erste Vergleiche mit dem kanadischen Dispositiv. Zusammenfassung der Forschungsthematik und der wichtigsten Resultate]. 3. Diese Zahl erfasst alle Transaktionen, die von 104 Schweizer Banken auf Rechnung und Risiko ausländischer Kunden abgewickelt wurden. Schweizerische Nationalbank, Die Banken in der Schweiz 2005, Zürich, SNB, 2005 ; Tabelle 38, S. A132–A137 ; http://www.snb.ch. Eine grafische Darstellung der wichtigsten Herkunftsländer der Gelder findet sich im Teil „Statistiken“ des vorliegenden Jahrbuchs. 4. „Le private banking suisse est attaqué par les récents développements de la fiscalité“, Le Temps, Sondernummer Finance, 13. September 2006. 5. Zu den Bestimmungen des Zinsbesteuerungsabkommens siehe http://www.europa.eu sowie die Medienmitteilungen der Bundesverwaltung unter http://www.news.admin.ch. 6. NCCT : Non-Cooperative Countries and Territories (nichtkooperative Länder und Gebiete). 7. Ende 2001 fanden sich folgende NCCTs auf der Liste : Ägypten, Bahamas, Cayman-Inseln, Cook- Inseln, Dominica, Grenada, Guatemala, Indonesien, Israel, der Libanon, Liechtenstein, Marshall- Inseln, Myanmar, Nauru, Nigeria, Niue, Panama, Philippinen, Russland, St. Kitts and Nevis, St. Vincent, Ungarn und die Ukraine (Financial Action Tast Force [FATF], Annual Review of Non- Cooperative Countries and Territories 2005-2006, Paris, FATF, 23. Juni 2006, S. 24). 8. FATF, Annual Report 2005-2006, Paris, FATF, 23. Juni 2006, 20 S. 9. APG : Asia/Pacific Group on Money Laundering; ESAAMLG : Eastern and Southern Africa Anti-Money Laundering Group. 10. Vgl. Nicolas Queloz, Boris Boller, Fabrice Haag, op. cit.

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11. GAFI/OCDE, 3eRapport d’évaluation mutuelle de la lutte anti-blanchiment de capitaux et contre le financement du terrorisme, Suisse, Paris, GAFI/OCDE, November 2005, 252 S. + 35 S. Anhänge. Kurzbericht : 14. Oktober 2005, 24 S. 12. EFD, „Massgeschneiderte Revision der Geldwäschereigesetzgebung und rasche Teilrevision der Insider-Strafnorm“,Medienmitteilung, 29. September 2006, 3 S. 13. „Blanchiment : Hans-Rudolf Merz n’ira pas plus loin“, Le Temps, 19. Oktober 2006. 14. EFD, Massgeschneiderte Revision…, op. cit. 15. EFD, Umsetzung der FATF/GAFI-Empfehlungen in anderen Ländern und wirtschaftliche Auswirkungen der Empfehlungen ; Bericht in Erfüllung der Postulate 05.3175 und 05.3456 Stähelin vom 17. März und 17. Juni 2005, Mai 2006, S. 12. 16. Money Laundering Reporting Office Switzerland. 17. MROS, 8. Jahresbericht 2005, Bundesamt für Polizei (EJPD), Bern, 2006, S. 17. 18. GAFI/OCDE, 3e Rapport d’évaluation mutuelle de la lutte anti-blanchiment de capitaux et contre le financement du terrorisme. Suisse, op. cit., S. 13. 19. Weitere Informationen hierzu finden sich in dem Bericht über die Schweiz (S. 257-261) in : Transparency International, Global Corruption Report 2006, London/Ann Arbor, Pluto Press, 356 S. 20. Dies einfach nur deswegen, „weil keine Verurteilungen wegen Art. 260 ter Ziff. 1 (kriminelle Organisation), 305bis (Geldwäscherei) oder 305ter (mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften) StGB erfolgt sind (vgl. Art. 29 Abs. 2 GwG)“ (MROS, 8. Jahresbericht 2005, op. cit., S. 53). 21. Bundesrat, Botschaft zum Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz ; FINMAG)vom 1. Februar 2006 (BBl 2006 2829). 22. „La FINMA hésite encore à intégrer la surveillance des banques et des assurances“, Le Temps, 30. Oktober 2006. 23. Eine Beschreibung des Bundesstrafprozesses findet sich auf der Website http:// www.ba.admin.ch. 24. „Er ist sein heikelster Fall“, , 22. Juni 2006. 25. „Sévèrement épinglé, le Ministère public de la Confédération doit être consolidé“, Le Temps, 30. September 2006. 26. Rolf Lüthi, Administrativuntersuchung in der Bundesanwaltschaft, Bern, Markwalder & Partner, 15. September 2006, 38 S. 27. „Une avalanche de critiques a eu raison du procureur général“, Le Temps, 6. Juli 2006. 28. DEZA, Korruption bekämpfen, DEZA-Strategie, Bern, DEZA, 2006, 22 S. 29. Transparency International Schweiz : . 30. Nationalrat, 03.3121 Motion Gysin Remo. Gesetzlicher Schutz für Hinweisgeber von Korruption, eingereicht am 7. Mai 2003. 31. Ständerat, 03.3212 n Motion Nationalrat (Gysin Remo). Gesetzlicher Schutz für Hinweisgeber von Korruption. Bericht der Kommission für Rechtsfragen vom 21. Februar 2006. 32. SBVg, „EBK-Rundschreiben ,Interne Überwachung und Kontrolle‘: keine undifferenzierte staatliche Regulierung, sondern massgeschneiderte Lösungen“, Medienmitteilung, 3. August 2005, 2 S. 33. Zum Inhalt des Schlussberichts der unabhängigen Untersuchungskommission über das Oil- for-Food-Programm siehe http://www.iic-offp.org. 34. „La Suisse met en place sa défense dans le scandale du pétrole irakien“, Le Temps, 9. September 2006. 35. „Première condamnation en lien avec le scandale ‚Oil for Food‘“, Le Temps, 1. November 2006. 36. Vgl. die Internetseite des Center for Peacebuilding, http://www.swisspeace.org/koff. 37. „Argent des dictateurs : la Suisse vide ses coffres“,Le Monde, 16. Juli 2006. 38. Dieses informelle Treffen schloss an zwei frühere Anlässe mit dem Titel „Lausanne I“ bzw. „Lausanne II“ aus dem Jahr 2001 an. Siehe auch „La Suisse à la pointe pour accélérer la restitution de l’argent sale“, Le Temps, 11. Oktober 2006.

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39. „La Suisse va rendre des millions à l’Angola“, Le Courrier, 2. April 2005 ; Déclaration de Berne, L’Angola spolié, 2. Januar 2006.

ABSTRACTS

Im Jahr 2006 zeigte das In-Kraft-Treten des Zinsbesteuerungsabkommens mit der Europäischen Union in der Schweiz erste Wirkungen. Ob sich die europäischen Kundinnen und Kunden für einen Steuerrückbehalt oder aber für eine freiwillige Deklaration ihrer Guthaben entscheiden, hängt massgeblich vom Steuersystem in ihrem jeweiligen Wohnsitzland ab. Ein prägendes Ereignis war ferner die Bekanntgabe des Rücktritts von Bundesanwalt Valentin Roschacher für Ende 2006. Dieser Schritt dürfte der Beruhigung der Lage innerhalb der Bundesanwaltschaft – die von links wie von rechts scharf unter Beschuss geraten war – den Weg ebnen. Auch das Eidgenössische Finanzdepartement stand im Kreuzfeuer der Kritik : Dieses hatte die Absicht geäussert, den revidierten Empfehlungen der FATF nicht in ihrer Gesamtheit Folge zu leisten. Die wenigen Sanktionen sowie die mangelnde Transparenz in Bezug auf die Rückerstattung von Potentatengeldern riefen ebenfalls Unmut hervor. Abgesehen davon wurden im Berichtsjahr zwei wichtige Durchbrüche erzielt, nämlich mit der Ratifizierung des Strafrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption im März 2006 und des UN-Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität im Oktober. Zudem hat ein Genfer Untersuchungsrichter im Zusammenhang mit dem Oil-for-Food- Programm ein erstes Strafmandat erlassen. Bei den internationalen Bemühungen der Schweiz im Jahr 2006 ist schliesslich auch die Durchführung eines informellen Treffens von Regierungsexperten in Lausanne (Lausanne III) über die Rückgabe von Potentatengeldern zu nennen.

AUTHOR

MARC DUFOURNET Absolvent des IUED (2006).

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9. Menschliche Entwicklung und Menschenrechte

Tanja Guggenbühl

9.1. Kampf gegen HIV/Aids

9.1.1. Hochrangige Konferenz der Vereinten Nationen

1 Die Generalversammlung der Vereinten Nationen veranstaltete vom 31. Mai bis 2. Juni 2006 in New York ein hochrangiges Treffen zum Thema Aids mit dem Titel „Uniting the World against AIDS“. Das Hauptziel der Konferenz bestand darin, die seit der Annahme der Verpflichtungserklärung zu HIV/Aids (Declaration of Commitment on HIV/AIDS) im Jahr 2001 geleisteten Fortschritte zu evaluieren. Die Generalversammlung verabschiedete im Konsens eine politische Erklärung zu HIV/Aids, in der die Staaten das Engagement neu bekräftigten, das sie mit der Unterzeichnung der Erklärung von 2001 eingegangen waren1.

2 In dieser Erklärung hatten sich 189 Mitgliedsstaaten der UNO erstmals verpflichtet, Ziele im Kampf gegen die Aids-Epidemie gemäss einem festen Zeitplan zu erfüllen. Zu diesen Zielen gehörten unter anderem die Ausarbeitung von Programmen zur Prävention und Behandlung von HIV/Aids, um den universalen Zugang zur Behandlung möglichst weitgehend zu verwirklichen.

Jahrbuch 2002, Kapitel 4, 4.2. Ausserordentliche Generalversammlung der UNO zum Thema Aids, S. 197-200.

3 Die Schweizer Delegation betonte anlässlich der hochrangigen Konferenz die Notwendigkeit eines auf den Menschenrechten basierenden Ansatzes. Sie verwies insbesondere auf die Situation der Frauen und Mädchen und auf die Schutzmöglichkeiten, die ihnen zur Verfügung gestellt werden sollten. Ferner plädierte sie dafür, die multilateralen Massnahmen zu koordinieren und zu harmonisieren, und hob hervor, dass weltweit zusätzliche Finanzierungsquellen erforderlich seien.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 157

9.1.2. 10. Jahrestag von UNAIDS

4 2006 markierte zudem den 10. Jahrestag des Bestehens des HIV/Aids-Programms der Vereinten Nationen (UNAIDS). Die aus diesem Anlass veröffentlichte Sonderausgabe des Report on the global AIDS epidemic 2006 beschreibt die Geschichte der Reaktionen auf die Epidemie, namentlich seit der Annahme der Verpflichtungserklärung zu HIV/Aids im Jahr 2001 (siehe oben).

5 Der Bericht verweist darauf, dass der Zugang zu den Behandlungsmöglichkeiten erweitert wurde. Die Anzahl der mit Antiretroviralmedikamenten behandelten Personen in Ländern mit geringen oder mittleren Einkommen ist von 240’000 im Jahr 2001 auf 1,3 Millionen im Jahr 2005 gestiegen, wobei die Anzahl der mit HIV lebenden Personen in etwa die gleiche ist. Einige Länder haben zwar grosse Fortschritte erzielt, jedoch halten sich viele nicht an die Verpflichtungen aus der Erklärung2.

6 Im Bericht wird insbesondere bedauert, dass die HIV-Präventionsprogramme die am stärksten exponierten Bevölkerungsgruppen nicht erfassen. Die Erklärung verfolgte das Ziel, bis zum Jahr 2005 90 Prozent der Jugendlichen über Aids zu informieren. Erhebungen zufolge sind jedoch nur knapp 50 Prozent der Jugendlichen ausreichend aufgeklärt. Im Übrigen zeigen die Berichte von Organisationen der Zivilgesellschaft in über 30 Ländern, dass Stigmatisierung und Diskriminierung gegenüber Personen, die mit HIV leben, weiterhin gang und gäbe sind.

7 Laut den von UNAIDS und der WHO im November 2006 veröffentlichten Zahlen wird die Anzahl der mit HIV lebenden Personen auf insgesamt 39,5 Millionen geschätzt. Im Jahr 2006 starben 2,9 Millionen Menschen an Krankheiten im Zusammenhang mit Aids3.

9.1.3. 16. Internationale Aids-Konferenz, Toronto

8 Die 16. Internationale Aids-Konferenz tagte vom 13. bis 18. August 2006 in Toronto. Über 24’000 Teilnehmer aus mehr als 170 Ländern beteiligten sich an der Veranstaltung.

9 Die Teilnehmer verwiesen in diesem Jahr erneut auf die Grenzen des Zugangs zu Behandlungsmöglichkeiten und appellierten an die Akteure auf allen Ebenen, die notwendigen Massnahmen zu treffen, um bis zum Jahr 2010 den universalen Zugang zur Pflege und Behandlung von HIV/Aids zu gewährleisten. Ferner wurde eine Sondersitzung über die Entwicklung der weltweiten Reaktion auf die Aids-Epidemie während der vergangenen 25 Jahre abgehalten. Diese Sitzung hatte auch zum Ziel, aus den letzten Jahren Lehren zu ziehen und sich künftig um eine Beschleunigung der Forschungsarbeiten in den Bereichen Prävention und Pflege zu bemühen. Mehrmals wurde zudem darauf verwiesen, dass die jährliche HIV-Neuinfektionsrate, die derzeit 4 Millionen beträgt, unbedingt verringert werden müsse.

10 Die 17. Internationale Aids-Konferenz findet im Jahr 2008 in Mexiko statt.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 158

9.2. Weltgesundheitsorganisation (WHO)

9.2.1. 59. Weltgesundheitsversammlung

11 Die 59. Weltgesundheitsversammlung fand vom 22. bis 27. Mai 2006 in Genf statt. Die Diskussionen drehten sich hauptsächlich um den Mangel an Gesundheitspersonal, die Ausrottung der Kinderlähmung und die Garantie des universalen Zugangs zur Behandlung von HIV/Aids. Die Schweiz spielte auf dieser Tagung eine wichtige Rolle. Sie leitete zwei Arbeitsgruppen : die erste über öffentliche Gesundheit, Innovation, wesentliche Gesundheitsforschung und geis tige Eigentumsrechte, die zweite über die globale Strategie im Kampf gegen sexuell übertragbare Krankheiten.

12 Die 59. Tagung wurde mit einer Ehrung für WHO-Generaldirektor Lee Jong-Wook eröffnet, der kurz vor Beginn der Versammlung verstorben war4. Lee Jong-Wook hatte sich sehr für die Ausrottung von Poliomyelitis und für die Einführung eines weltweiten Medikamentenversorgungssystems engagiert.

13 Die Weltgesundheitsversammlung plädierte dafür, die Ausrottung der Kinderlähmung vollständig zu Ende zu führen. In einer Resolution werden Länder mit endemischer Kinderlähmung aufgefordert, die Immunisierungskampagnen zu intensivieren. Zudem werden alle Länder ermahnt, im Fall der Einschleppung des Poliovirus rasche Abwehrmassnahmen zu ergreifen.

14 Die Versammlung einigte sich darauf, gewisse Bestimmungen des (2005 verabschiedeten) Internationalen Sanitätsreglement noch vor dem offiziellen In-Kraft- Treten im Jahr 2007 freiwillig und unverzüglich umzusetzen. Dies betrifft in erster Linie die Vorschriften bezüglich der Vogelgrippe und einer eventuellen Pandemie menschlicher Grippe sowie der raschen und transparenten Fallmeldung.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 9, Punkt 9.2. zur Annahme des Internationalen Sanitätsreglements, S. 148.

15 Ferner wurde eine Resolution verabschiedet, die an die Länder appelliert, das Thema Ernährung in allen Politiken und Programmen betreffend HIV/Aids zu berücksichtigen. Die Versammlung unterstützte auch die Initiative der WHO zur Ausarbeitung eines Fünfjahresplans, der den universalen Zugang zur HIV/Aids-Behandlung für das Jahr 2010 anstrebt.

16 Weiterhin wurde eine globale Strategie zur Bekämpfung von sexuell übertragbaren Krankheiten (STD) angenommen. Diese Strategie soll den Ländern als Rahmen für die Verbesserung und Entwicklung der nationalen STD-Bekämpfungsprogramme dienen. Die Versammlung betonte, dass globale Interventionen, die neben Prävention und Behandlung von STD auch Sensibilisierungsmassnahmen namentlich für Jugendliche umfassen, eine Schlüsselrolle spielen.

Massnahmen gegen den Mangel an Gesundheitspersonal

17 Der weltweite Mangel an Gesundheitsfachkräften war ein besonderer Schwerpunkt der 59. Weltgesundheitstagung. Die Teilnehmer prüften die Notwendigkeit, diesen Mangel rasch zu beheben. Die Versammlung verabschiedete eine Resolution, in der die Länder aufgefordert werden, die Personalausbildung und die finanzielle Unterstützung von Ausbildungsanstalten des Gesundheitswesens in den Entwicklungsländern zu fördern.

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Zur Unterstützung dieser Resolution wurde die „Global Health Workforce Alliance“ geschlossen. Ihre Aufgabe besteht darin, nach konkreten Lösungen für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Gesundheitsfachkräfte zu suchen und die Migrationsprobleme zu bewältigen. Ausserdem soll die Allianz die Rolle eines internationalen Informationszentrums und Aufsichtsgremiums übernehmen.

18 Die Resolution beruht hauptsächlich auf dem World Health Report 20065, der dem Mangel an qualifizierten Gesundheitsfachkräften gewidmet ist. Der Bericht führt die Hauptursachen dieses Defizits auf : Emigration, hohe Sterblichkeit unter dem Pflegepersonal, kostspielige Ausbildung. Ferner vermittelt er einen Überblick über die Situation des Gesundheitspersonals weltweit und formuliert einen Zehnjahresaktionsplan (2006-2015), um dem Mangel abzuhelfen. Der Plan beruht auf nationalen Initiativen, wie auch auf internationaler Solidarität. Schwerpunkte sind Ausbildungsqualität, Weiterbildung, Bezahlung und Sicherheit bei der Arbeit.

9.2.2. Bericht der Kommission für geistige Eigentumsrechte, Innovation und öffentliche Gesundheit

19 Der im April 2006 veröffentlichte Bericht Public Health, Innovation and Intellecual Property Rights6 ist das Ergebnis der seit zwei Jahren geleisteten gemeinsamen Arbeit einer internationalen Kommission unter dem Vorsitz von Ruth Dreifuss, der Vertreter von Regierungen, Industrie, Wissenschaft, Recht und Wirtschaft angehören. Die von der WHO beauftragte Kommission sollte die Zusammenhänge zwischen geistigen Eigentumsrechten, Innovation und öffentlicher Gesundheit analysieren.

20 Der Bericht befasst sich im Wesentlichen mit den Problemen des Zugangs zu wesentlichen Medikamenten für die Bevölkerung in den ärmsten Regionen Afrikas und Asiens. Die Probleme gehen vor allem auf fehlende Finanzmittel, auf die mangelhaften Gesundheitssysteme sowie auf die beschränkte Entwicklung von Therapien für Krankheiten zurück, die in erster Linie die ärmeren Länder berühren.

21 Der Bericht umfasst über fünfzig konkrete und zielgerichtete Empfehlungen, mit denen die Gesundheitskrise in den Entwicklungsländern angegangen werden soll. Die Kommission plädiert für eine Förderung der Forschung betreffend Krankheiten, die vornehmlich in den Entwicklungsländern grassieren. Sie empfiehlt den Entwicklungsländern, die bestehenden Flexibilitäten im Bereich der geistigen Eigentumsrechte zu nutzen, um die von ihnen benötigten patentierten Medikamente und Impfstoffe herzustellen oder einzuführen.

22 Zudem werden die Industrieländer und die Pharmalaboratorien aufgerufen, Massnahmen zur Förderung des Technologietransfers und der lokalen Arzneimittelproduktion in den Entwicklungsländern zu ergreifen.

23 Die Verbesserung des universalen Medikamentenzugangs setzt auch eine Senkung der Behandlungskosten voraus. Deshalb fordert die Kommission von den pharmazeutischen Unternehmen, Anstrengungen hinsichtlich ihrer Preispolitik zu unternehmen und in den ärmsten Ländern keine Patente anzumelden. Nach Auffassung der Kommission tragen die Regierungen dieser Länder ebenfalls Verantwortung. Sie sollen sich um die Einholung eines besseren Produktangebots bemühen, indem sie den Wettbewerb spielen lassen.

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24 Der Bericht wurde der WHO im April 2006 übermittelt und auf der 59. Weltgesundheitsversammlung diskutiert. Die Versammlung beschloss, eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe einzusetzen und diese zu beauftragen, anhand der Empfehlungen des Berichts eine weltweite Strategie und einen globalen Aktionsplan auszuarbeiten7. Die Arbeitsgruppe wird den endgültigen Entwurf der Strategie und des Aktionsplans anlässlich der 61. Tagung im Jahr 2008 vorlegen.

9.3. Internationale Arbeitskonferenz – IAO

25 Die 95. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz fand vom 31. Mai bis 16. Juni 2006 in Genf statt8. Jedes Land ist an der Konferenz mit vier Delegierten (zwei für die Regierung, einer für die Arbeitgeber und einer für die Gewerkschaften) vertreten, die sich frei äussern und frei abstimmen können.

26 Die Internationale Arbeitskonferenz hat neue Normen verabschiedet, darunter das Übereinkommen über den Arbeitsschutz. Die schweizerische Regierungsdelegation stimmte als einzige gegen dieses Übereinkommen.

27 Die technische Zusammenarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) wurde zum ersten Mal seit 1999 neu überprüft. In der Aussprache ging es um die Arbeit der IAO im Aussendienst und um die diesbezügliche Zusammenarbeit mit den übrigen Institutionen der Vereinten Nationen. Das wichtigste Programm betrifft die Beseitigung der Kinderarbeit. Die Internationale Arbeitskonferenz kam zum Schluss, dass die Einbeziehung der dreigliedrigen Partner gestärkt werden müsse.

9.3.1. Durchführung von Arbeitsnormen

28 Anlässlich der 95. Tagung wurden 25 Fälle der Durchführung von Normen insbesondere in den Bereichen Gewerkschaftsfreiheit, Zwangsarbeit, Diskriminierung und Beschäftigungspolitik geprüft.

29 Mit Unterstützung der Sozialpartner und der Mitgliedsländer der IAO, darunter die Schweiz, schlossen die IAO und die kolumbianische Regierung ein als historisch bezeichnetes Abkommen ab. Die Abmachung sieht eine Dienststelle der IAO vor Ort vor, die zur Aufgabe hat, zu den als vorrangig eingestuften Fragen betreffend die Arbeitswelt wie auch Menschenrechte im Allgemeinen technische Unterstützung zu leisten. Hierbei handelt es sich um das Recht auf Leben, das Versammlungs- und Meinungsäusserungsrecht, die Vereinigungsfreiheit und die Unternehmensfreiheit.

30 Die Schweiz lieferte Erklärungen zur Umsetzung des IAO-Übereinkommens Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektiverhandlungen.

31 Wie jedes Jahr wurde im Rahmen der Durchführung der Normen eine allgemeine Untersuchung zur Diskussion gebracht. Dabei ging es um die Arbeitsinspektion, ein zentrales Instrument zum Schutz der Arbeitnehmer bei der Anwendung des geltenden Rechts auf nationaler Ebene.

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9.3.2. Neues Übereinkommen über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz

32 Laut Angaben der IAO sterben täglich 6’000 Arbeitnehmer infolge schlechter Arbeitsschutzbedingungen an ihrem Arbeitsplatz. Zur Förderung des Arbeitsschutzes wurden als Ergänzung des seit 1981 geschaffenen Normenrahmens ein Übereinkommen und eine Empfehlung verabschiedet. Die neuen Massnahmen beruhen auf der Globalen Strategie, die auf der Internationalen Arbeitskonferenz im Jahr 2003 angenommen wurde.Die Einführung und die Umsetzung nationaler Programme in den einzelnen Ländern sollten zur Entwicklung einer systemweiten und evaluierbaren Präventionskultur beitragen.

33 Die Schweiz hob sich durch ihr Nein gegen die Annahme des Übereinkommens hervor – die einzige Ablehnung unter den 178 anwesenden Ländern. Die Vertreter der schweizerischen Regierung stimmten dagegen, der Arbeitgebervertreter enthielt sich der Stimme und der Gewerkschaftsvertreter stimmte dafür. Nach Auffassung der Schweiz beruht die zur Abstimmung gebrachte normensetzende Urkunde – ein Übereinkommen – nicht mehr auf einem Ansatz, mit dem sich die sehr grosse Zahl geltender Übereinkommen zusammenfassen lässt, und ist deshalb weniger wirksam als andere Massnahmen (praktische Leitlinien, Kampagne usw.). Nach dem Nein der Schweiz forderten Stimmen aus Gewerkschaftskreisen, die schweizerische Delegation neu zusammenzusetzen. Die Schweiz wird gegenwärtig auf der Regierungsseite von Beamten des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (genauer gesagt des Staatssekretariats für Wirtschaft) vertreten. Die Gewerkschaften wünschen, dass Mitarbeiter des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten entsandt werden.

9.3.3. Arbeitsverhältnis

34 Die Konferenz verabschiedete weiterhin eine Empfehlung über das Arbeitsverhältnis. Dabei handelt es sich um eine nicht bindende Urkunde. Ziel der Empfehlung ist, dass die Staaten eine nationale Politik formulieren, um das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zu bestimmen, zwischen Beschäftigten und selbständigen Arbeitern zu unterscheiden und auf alle Formen von Arbeitsverträgen anwendbare Normen zu gewährleisten. Die Definition des Arbeitsverhältnisses ist entscheidend wichtig, weil der Arbeitsvertrag in vielen Ländern den Eintrittspunkt in das soziale Sicherheitssystem darstellt. Eine Liste mit Indikatoren zum Arbeitsverhältnis soll den Staaten helfen, zu ermitteln, wann ein solches Verhältnis vorliegt, das verschiedene Rechte und Pflichten mit sich bringt. Die Schweiz stimmte auch gegen die Annahme dieser Empfehlung.

9.3.4. Der Fall Myanmar

35 Myanmar stand, wie bereits im Jahr 2005, wiederholt im Kreuzfeuer der Kritik. Beanstandet wurde insbesondere die Anwendung der Normen zur Zwangsarbeit. Die Situation wurde als untragbar bezeichnet. Die Konferenz ermahnte die Regierung, sich auf glaubwürdigere Weise zu engagieren, um die Umsetzung der ratifizierten Normen zur Zwangsarbeit zu verbessern. In diesem Zusammenhang werden zwei Massnahmen

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vorausgesetzt. Die erste betrifft die Freilassung aller Personen, die wegen ihrer Beziehungen mit der IAO festgenommen wurden, sowie die Einstellung der diesbezüglichen Verfahren. Die zweite Massnahme sieht vor, dass mit der Unterstützung der IAO ein Mechanismus für die Entgegennahme von Klagen bezüglich der Zwangsarbeit eingerichtet wird. Die Frist für die Erfüllung dieser Forderungen wurde auf Oktober 2006 festgesetzt. Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes (IAA) soll die Umsetzung dieser Massnahmen kontrollieren. Er wird nach freiem Ermessen die diesbezüglichen Aktionen den Entwicklungen entsprechend beschliessen.

36 Die Vertreter Myanmars entgegneten darauf, dass sie mit der IAO zusammenarbeiten wollten, und kündigten die Freilassung einer Gefangenen an, die festgenommen worden war, weil sie Beamte wegen Zwangsarbeit angeklagt hatte. Die IAO hat über den Durchführungsausschuss den Reformwillen zur Kenntnis genommen, wartet aber auf die Umsetzung in die Praxis.

9.4. UN-Menschenrechtsrat

37 Die Schaffung des Menschenrechtsrats geht auf einen Beschluss zurück, der anlässlich des Weltgipfels der Vereinten Nationen im September 2005 auf Empfehlung von UN- Generalsekretär Kofi Annan gefasst wurde. Das neue Gremium löst die in Misskredit geratene Menschenrechtskommission ab.

38 Die Schweiz hat bei der Einsetzung des Rates eine wichtige Rolle gespielt, wie der Bundesrat in seinen beiden Berichten zur Menschenrechtsproblematik ausführt (siehe unten Punkt 9.5.2.)9. Anlässlich der 59. Tagung der Menschenrechtskommission hatte die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Micheline Calmy-Rey, die Notwendigkeit einer Reform der Kommission betont. Sie verurteilte die übermässige Politisierung der Arbeiten der Kommission, die deren Glaubwürdigkeit schade. Im Frühjahr 2003 beauftragte das EDA Professor Walter Kälin von der Universität Bern, Möglichkeiten zur Reform der Kommission zu prüfen, mit dem Ziel, deren Objektivität und Transparenz zu verbessern. Im August 2004 überreichte die Schweiz Kofi Annan eine Studie, die drei Modelle für die Schaffung eines Menschenrechtsrats vorschlug.

Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 9, Reform der Menschenrechtskommission, S. 152-154.

39 Die wesentlichen Punkte der Schweizer Studie flossen in den Bericht des Generalsekretärs Kofi Annan mit dem Titel In grösserer Freiheit : Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle ein. Dieser Bericht diente als Grundlage für die Errichtung des Menschenrechtsrats.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 9, 9.5.2. Bildung eines Menschenrechtsrates, S. 157-158.

40 Ferner setzte sich die Schweiz mit Nachdruck dafür ein, dass der künftige Rat wie bereits die Menschenrechtskommission seinen Sitz in Genf haben sollte.

41 Am 15. März 2006 wurde der Rat offiziell mit der Verabschiedung einer Resolution durch die Generalversammlung gegründet. Die Resolution wurde mit 170 zu vier

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Stimmen bei drei Enthaltungen angenommen10. Abgelehnt haben die Resolution unter anderem die USA und Israel.

42 Im Gegensatz zum Vorschlag Kofi Annans, der ein 24-köpfiges Gremium vorsah, zählt der Rat nun 47 Mitglieder11. Die Mitglieder werden von der Generalversammlung mit einfacher Mehrheit für eine dreijährige Amtszeit gewählt und können für eine zweite Amtszeit bestätigt werden12. Ausschlaggebend für die Wahl der Kandidaten sind ihre Beiträge zur Förderung und Wahrung der Menschenrechte sowie ihre freiwilligen Verpflichtungen in diesem Bereich13.

43 Der neue Menschenrechtsrat ist ein Unterorgan der Generalversammlung. Im Jahr 2011 wird die Generalversammlung die Satzung des Rates anhand einer Beurteilung seiner Leistungen (insbesondere der wirksamen Umsetzung der neuen Mechanismen des Rates) überarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt könnte eine Änderung der Charta der Vereinten Nationen anstehen, um dem Rat den Status eines Hauptorgans14 zu verleihen15.

44 Im neu gegründeten Menschenrechtsrat spielt die Schweiz eine besonders aktive Rolle : Zwei Schweizer sind dort für Sonderverfahren zuständig16, und der ständige Vertreter der Schweiz bei der UNO, Blaise Godet, ist einer der vier stellvertretenden Vorsitzenden des Rates und somit Mitglied des Vorstands17. Die beiden Hauptziele der Schweiz für die institutionelle Verankerung des neuen Organs sind die Stärkung des Systems der Sonderverfahren sowie die Entwicklung eines wirksamen Mechanismus für regelmässige Überprüfungen.

Menschenrechtsrat und Menschenrechtskommission : die wichtigsten Unterschiede auf einen Blick

In Bezug auf die Arbeitsweise unterscheidet sich der Menschenrechtsrat namentlich in folgenden Punkten von der Kommission :

- Höherer institutioneller Status. Im Gegensatz zur Kommission, die dem ECOSOC unterstellt war, ist der Rat ein Unterorgan der Generalversammlung. Laut Blaise Godet, ständiger Vertreter der Schweiz bei der UNO, dürfte die höhere Stellung in der UN-Hierarchie ein Garant für eine verstärkte Legitimation seina.

- Wahl und Suspendierung der Mitglieder. Die Anwärter auf einen Sitz im Rat müssen ein Bewerbungsverfahren durchlaufen. Sie werden aufgrund ihrer freiwilligen Beiträge zur Förderung und Wahrung der Menschenrechte gewählt und sind rechenschaftspflichtig. Während die Mitglieder der Kommission vom ECOSOC bestimmt wurden, werden die Mitglieder des Rates nunmehr von der Generalversammlung mit absoluter Mehrheit für eine Amtszeit von drei Jahren gewählt, wobei ein Mitglied nach zwei aufeinander folgenden Mandaten nicht mehr für die darauf folgende Periode wählbar ist. Die Kommission zählte 53 Mitglieder, der Rat hat 47 Mitglieder. Auch kann ein Mitglied des Rates, das sich schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat, von der Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Mitglieder suspendiert werden.

- Häufigere und längere Tagungen. Der Rat hält pro Jahr mindestens drei Tagungen von insgesamt mindestens zehn Wochen ab. Die Kommission dagegen tagte nur einmal jährlich während sechs Wochen.

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- Vereinfachte Einberufung von Sondertagungen. Um sich möglichst intensiv mit den anstehenden Prob lemen zu befassen und rasch auf Menschenrechtskrisen zu reagieren, können auf Antrag eines Mitglieds und mit Unterstützung eines Drittels der anwesenden Mitglieder Sondertagungen einberufen werden.

- Mechanismus für regelmässige Überprüfungen. Dieser Mechanismus ist der innovativste Aspekt des Rates. Er ermöglicht es, die Einhaltung der Menschenrechtsverpflichtungen aller Mitgliedsstaaten der UNO zu überprüfen. Wie die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, betonte, hängt der Erfolg dieses neuen Überprüfungsmechanismus von der effektiven Bereitschaft der Länder ab, sich einer Untersuchung zu stellenb.

a Blaise Godet, „La Suisse et les droits humains“, HEI écho, Nr. 34, Herbst 2006, S. 14-15.

b Nations Unies, „Le Conseil des droits de l’homme commence ses travaux par un dialogue avec la haut-commissaire aux droits de l’homme“, Pressemitteilung, 18. September 2006.

9.4.1. Erste Tagung des Menschenrechtsrats

45 Die erste Tagung des Menschenrechtsrats fand vom 19. bis 30. Juni 2006 in Genf statt. Im Rahmen seiner zweiwöchigen Zusammenkunft verabschiedete der Rat fünf Resolutionen, sieben Entscheidungen und zwei Erklärungen des Vorsitzenden18.

46 Zu den verabschiedeten Texten zählt unter anderem die Konvention zum Schutz aller Menschen vor Entführung und Verschleppung19. Die Konvention verankert den Grundsatz, wonach keinerlei aussergewöhnliche Umstände eine Entführung oder Verschleppung zu rechtfertigen vermögen (Art. 1, Abs. 2), und sieht die Einsetzung eines Ausschusses für Entführungen und Verschleppungen vor, dem zehn unabhängige, für vier Jahre gewählte Experten angehören. In Notsituationen können sich die Angehörigen einer verschwundenen Person an den Ausschuss wenden und die Einleitung einer Suche beantragen.

47 Die Generalversammlung nahm die Konvention am 20. Dezember 2006 an und schuf damit einen neuen völkerrechtlichen Straftatbestand, der sowohl in Friedenszeiten als auch im Krieg anwendbar ist. Die Konvention ist seit Februar 2007 zur Unterzeichnung aufgelegt.

48 Ferner verabschiedete der Rat die Erklärung der Rechte indigener Völker. Diese gesteht den indigenen Völkern das Recht zu, ihren politischen Status selbst zu wählen, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln und ihre politischen, juristischen und sozialen Institutionen beizubehalten, ohne dass dadurch ihre staatsbürgerlichen Rechte beschnitten werden. Die Arbeiten zu dieser Erklärung wurden vor 21 Jahren begonnen. Die Abstimmung über den nun vorliegenden Entwurf wurde von der Generalversammlung indessen auf September 2007 vertagt.

49 Ebenfalls verabschiedet wurde eine Resolution über die effektive Umsetzung der Erklärung und des Aktionsprogramms von Durban. Die Resolution fordert den UN- Hochkommissar für Menschenrechte auf, eine fünfköpfige Expertengruppe zu beauftragen, die bestehenden völkerrechtlichen Instrumente zur Bekämpfung von

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Rassismus, von Rassendiskriminierung, von Fremdenfeindlichkeit und der damit zusammenhängenden Intoleranz auf Lücken zu über prüfen und Empfehlungen darüber zu formulieren, mit welchen Mitteln oder auf welchem Wege diese Lücken geschlossen werden können.

50 Des Weiteren wurden Texte zum Recht auf Entwicklung, zur Geiselnahme und zur Menschenrechtssituation in den besetzten arabischen Gebieten angenommen.

51 Im Hinblick auf die Ausarbeitung von Empfehlungen zur Neubeurteilung, Verbesserung und Straffung der Mandate, Mechanismen, Funktionen und Befugnisse der ehemaligen Menschenrechtskommission wurde eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe gebildet. Diese wurde mit folgenden vier Hauptaufgaben betraut : • Ausarbeitung der Modalitäten für die regelmässige Überprüfung. Dieses neue Instrument soll es erlauben, die Einhaltung der Menschenrechtsverpflichtungen aller Länder zu kontrollieren. • Überprüfung der Sonderverfahren. Das System der Sonderverfahren umfasst neben Sonderberichterstattern und weiteren unabhängigen Experten auch Arbeitsgruppen, die sich mit Fragen der Bürger-, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Rechte befassen oder die Menschenrechtssituation in einzelnen Ländern untersuchen. • Beurteilung des Systems des vertraulichen Verfahrens, auch „1503-Verfahren“ genannt. Kraft dieses Verfahrens kann jede Person bei der UNO Klage einreichen. Falls diese Klagen fundiert sind oder wiederholt vorgebracht werden, kann ein Experte beauftragt werden, die Situation vor Ort zu untersuchen. Die Überprüfung dieses Verfahrens wird von der Schweiz geleitet werden. • Überprüfung der Mandate und Aufgaben der Unterkommission für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte. Unter anderem geht es darum, einen Vorschlag darüber auszuarbeiten, ob eine neue beratende Sachverständigengruppe eingesetzt werden soll (die dann zum Unterrat für Menschenrechte werden könnte), oder nicht.

52 Die Beschlussfassung über die regelmässige Überprüfung und über die Beurteilung der Mandate, Mechanismen, Funktionen und Befugnisse der ehemaligen Menschenrechtskommission ist für die vierte Tagung des Menschenrechtsrats im März und April 2007 geplant. Ferner ist eine ausserordentliche Fristverlängerung von einem Jahr für sämtliche Mandate und Sonderbeauftragten der früheren Kommission beschlossen worden.

9.4.2. Zweite Tagung des Menschenrechtsrats

53 Die zweite Tagung des Menschenrechtsrates wurde vom 18. September bis 6. Oktober 2006 in Genf abgehalten und nach einer Suspendierung am 27. und 28. November 2006 abgeschlossen. Im Mittelpunkt stand die Erörterung der Berichte, die von der ehemaligen Menschenrechtskommission in Auftrag gegeben worden waren.

54 An dieser zweiten Tagung brachte die Schweizer Delegation drei Resolutionsentwürfe ein, und zwar einen Entwurf zur Übergangsjustiz, einen über Nepal und einen zur Einhaltung der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus. Letztere Resolutionr ruft die Staaten auf, bei ihren Terrorismusbekämpfungsmassnahmen die Menschenrechte, das Flüchtlingsrecht und das humanitäre Völkerrecht zu achten und sich zu vergewissern, dass die von ihnen inhaftierten Personen gegen Folter und andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlung geschützt sind und über grundlegende rechtliche Garantien verfügen. Die beiden letztgenannten Entwürfe

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wurden vom Rat gutgeheissen, der Beschluss über die Resolution zur Übergangsjustiz wurde auf die vierte Tagung verschoben.

55 Der Sonderberichterstatter über aktuelle Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit verbundener Intoleranz, Doudou Diène, präsentierte eine erste Bilanz seines Besuchs in der Schweiz vom Januar 200620. Darin kritisierte er die Schwächen der politischen und gesetzgeberischen Strategie der Schweiz im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit21. Auch die Auswirkungen fremdenfeindlicher politischer Plattformen auf die Wahlen und die Kriminalisierung von Einwanderungs- und Asylbelangen wurden vom Sonderberichterstatter vermerkt. Der Schlussbericht des Sonderberichterstatters wird für März 2007 erwartet.

56 Anlässlich seiner zweiten Tagung wies der Rat zudem auf die gravierende Lage der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in Darfur hin. In diesem Zusammenhang verabschiedete der Rat eine Resolution, in der alle Parteien aufgefordert werden, von Verstössen gegen die Menschenrechte und gegen das humanitäre Völkerrecht Abstand zu nehmen.

9.4.3. Dritte Tagung des Menschenrechtsrats

57 Die dritte Tagung des Menschenrechtsrats schloss sich direkt an die zweite Tagung an und dauerte vom 29. November bis zum 8. Dezember 2006. Im Rahmen dieser Zusammenkunft wurden vier Entscheidungen und drei Resolutionen verabschiedet. Diese betreffen insbesondere die Eliminierung von Rassismus und Rassendiskriminierung, die Menschenrechtslage in den besetzten palästinensischen Gebieten und die regionale Zusammenarbeit zum Schutz der Menschenrechte im asiatischen und pazifischen Raum.

58 Die Überprüfung der Sonderverfahren, die Beibehaltung eines vertraulichen Verfahrens sowie die Einsetzung einer Sachverständigengruppe als Nachfolgerin der Unterkommission für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte bildeten die Schwerpunkte der Tagung. Die Beschlussfassung über die institutionellen Reformen soll anlässlich der fünften Tagung im Juni 2007 erfolgen.

59 In Anbetracht der zahlreichen Resolutions- und Entscheidungsentwürfe, die anlässlich der dritten Tagung eingebracht wurden, mussten die Debatten und die Beschlussfassung zu diesen Eingaben auf die vierte ordentliche Tagung verschoben werden.

9.4.4. Sondertagungen des Menschenrechtsrats

60 Neben den ordentlichen Tagungen des Menschenrechtsrats wurden vier Sondertagungen einberufen. Drei davon waren der Situation in den besetzten palästinensischen Gebieten und im Libanon gewidmet. Die Menschenrechtsverletzungen durch Israel wurden scharf verurteilt. Die Tatsache, dass drei Sondertagungen ausschliesslich zur Nahostproblematik durchgeführt wurden, rief zahlreiche Kritiker auf den Plan, welche die Wirksamkeit des Rates infrage stellten22. Auch UN- Generalsekretär Kofi Annan bedauerte die Einseitigkeit der Sondertagungen und forderte den Rat auf, sich auch mit anderen Krisen, wie jener in Darfur zu befassen23.

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61 Die vierte Sondertagung wurde auf Antrag der Länder der Europäischen Union, unterstützt von 33 der 47 Mitgliedsländer des Rates (darunter auch die Schweiz), zur Lage in Darfur einberufen. Auf dieser Tagung beschloss der Rat, eine hochrangige Mission nach Darfur zu entsenden, um sich vor Ort ein Bild über die Menschenrechtslage zu verschaffen.

9.4.5. Erste Reaktionen

62 Obwohl eine fundierte Bilanz über den Erfolg oder Misserfolg des neu geschaffenen Menschenrechtsrats frühestens im Juni 2007 möglich ist, wenn die Beschlüsse über seine institutionelle Verankerung getroffen werden, sind seit der zweiten Tagung kritische Stimmen laut geworden. Die mit der Einsetzung des Rates geweckten Erwartungen, insbesondere in Bezug auf grössere Glaubwürdigkeit und erhöhte Wirksamkeit bei der Förderung und beim Schutz der Grundfreiheiten, scheinen sich bislang nicht erfüllt zu haben. Die Kritiken bezogen sich auf verschiedene Probleme.

Beschränkte Innovation und Fortbestehen früherer Probleme

63 Die Nichtregierungsorganisationen zeigen sich insbesondere besorgt über die langwierigen Entscheidungsprozesse und die Reminiszenz der politischen Interessen der Mitgliedsstaaten. Amnesty International äusserte sich in ihrer öffentlichen Erklärung24 im Anschluss an die Suspendierung der zweiten Tagung enttäuscht über die Ineffizienz der Debatten : Selbst nach dreiwöchigen Grundsatzdiskussionen seien keinerlei konkrete Massnahmen zum Schutz der Menschenrechte beschlossen worden25. Zudem bedauerte die Organisation, dass die Hauptfaktoren für die Diskreditierung der ehemaligen Menschenrechtskommission, wie die politischen Manöver, auch auf der zweiten Tagung durchaus noch eine Rolle spielen und die Behandlung von massiven und systematischen Verstössen gegen die Menschenrechte verhindern.

64 Der Schweizer Menschenrechtsexperte Walter Kälin stellte fest, dass gegenüber der früheren Kommission zwar gewisse Verbesserungen erzielt worden seien, insbesondere die Möglichkeit, im Rahmen von Sondertagungen rasch auf dringliche Probleme einzugehen. Allerdings werde im Rat entlang derselben regionalen Linien politisiert wie früher in der Kommission26.

65 In einem Artikel in Le Monde diplomatique sprach Philippe Texier, Mitglied des UN- Ausschusses über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, von einem „halben Schritt nach vorn“27. Er bedauerte insbesondere, dass der neue Rat kein ständiges Organ sei und „nicht mehr Macht hat als das alte“, und dass die Mitglieder des Rates auf der Grundlage von Berichten gewählt worden seien, die sie selbst verfasst haben.

Befürchtungen betreffend die Gefährdung der Mechanismen der früheren Kommission

66 Verschiedene Experten und Beobachter äusserten sich besorgt über die künftige Rolle der Instrumente, die sich im Rahmen der Kommission bewährt haben.

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67 Der Vorschlag der Gruppe der afrikanischen Länder, einen Verhaltenskodex für die Verantwortlichen der Sonderverfahren einzuführen, sowie der Vorstoss Kubas, künftig auf Sonderberichterstatter zu verzichten, löste in Menschenrechtskreisen Kritik aus28.

68 Die Internationale Föderation der Menschenrechts-Ligen (FIDH) äusserte die Befürchtung, gewisse Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte könnten gefährdet sein, und publizierte ein Argumentarium für deren Beibehaltung29. In ihrem Bericht verurteilt die FIDH die Offensive gegen die Überprüfung der Menschenrechtssituation „nach Ländern“ und die zu befürchtende Bedrohung der Unabhängigkeit der Sonderberichterstatter.

9.5. Menschenrechtsberichte des Bundesrates

69 Am 31. Mai 2006 legte der Bundesrat dem Parlament zwei Berichte zum Thema Menschenrechte vor, in denen respektive die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz und die im Jahr 2005 durchgeführten Massnahmen zur Menschenrechtsförderung erörtert werden. Während sich der erstgenannte Bericht primär als Zusammenfassung der beschlossenen Strategien versteht, werden im Bericht über Frieden und Menschenrechte die diesbezüglichen Tätigkeiten konkreter erläutert.

9.5.1. Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz (2003-2007)

70 Der Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz wurde als Antwort auf das Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats vom 14. August 2000 erstellt30.

71 In diesem Postulat wurde der Bundesrat „beauftragt, dem Parlament einmal pro Legislatur in einem Situationsbericht Auskunft zu geben über die getroffenen, eingeleiteten und geplanten Massnahmen und Bemühungen zur Förderung einer wirksamen und kohärenten Menschenrechtspolitik“31. Zu den Schwerpunkten dieser Berichterstattung zählen insbesondere eine Übersicht über Zielsetzungen und Massnahmen der schweizerischen Menschenrechtspolitik, die Berücksichtigung der menschenrechtlichen Kriterien in den verschiedenen Politikbereichen (Entwicklungs-, Aussenwirtschafts-, Migrations- und Friedenspolitik), die Interessenkonflikte zwischen Menschenrechten und anderen Anliegen, die Massnahmen zur Stärkung von Wirksamkeit und Kohärenz der Aktivitäten sowie der Einbezug von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft.

72 Der Bundesrat präzisiert, dass der 2006 vorgelegte Bericht durch weitere Informationen ergänzt werden solle, die sich derzeit in Vorbereitung befinden. Dabei handelt es sich namentlich um Informationen über vergangene konkrete Aktionen sowie über die Verwendung der verschiedenen Rahmenkredite, die das Parlament für den Bereich der Aussenbeziehungen auf dem Gebiet der Menschenrechtspolitik bewilligt hat32.

73 Hingegen enthält der Bericht bereits Angaben zur Finanzierung der Tätigkeiten zur Förderung der Menschenrechte : 2005 beliefen sich die Kredite des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) für die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz auf 32 Millionen Franken (gegenüber 29

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Millionen im Jahr 2004). Diese Kredite verteilten sich auf die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die Politische Abteilung IV und die Direktion für Völkerrecht33.

74 Die gegenwärtigen und künftigen Schwerpunkte des Bundesrates im Bereich der Menschenrechtsaussenpolitik werden am Ende des Berichts dargelegt. Dazu zählen unter anderem der Schutz von besonders verletzlichen Gruppen (Minderheiten, Frauen, Kinder, Behinderte, Flüchtlinge und Gefangene), die systematische Integration der Menschenrechte in die aussenpolitischen Entscheidungsprozesse sowie die Zusammenarbeit mit anderen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren.

75 Der Generalsekretär der Schweizer Sektion von Amnesty International, Daniel Bolomey, begrüsste die im Bericht präsentierte Erörterung der globalen Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte, bedauerte aber, dass sich der Bericht nur auf allgemeiner Ebene bewege34. Insbesondere schweige sich der Bericht über die Grundzüge einer kohärenten Menschenrechtspolitik aus35. Ferner betonte er die Notwendigkeit, den Menschenrechten auch in der Innenpolitik einen Platz einzuräumen. In diesem Sinn richtete ein Förderverein einen Appell an den Bundesrat und das Parlament, um sie von Notwendigkeit der Schaffung einer nationalen Menschenrechtsorganisation zu überzeugen36. Aufgabe dieser Institution soll es sein, die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Schweiz in Bezug auf die Menschenrechte im Inland wie im Ausland zu überwachen und zu fördern37.

9.5.2. Bericht des Bundesrates über Massnahmen zur zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderung im Jahr 2005

76 Der Bericht über die zivile Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderung stellt die wichtigsten Instrumente zur Förderung der Menschenrechte im Rahmen der schweizerischen Aussenpolitik vor38.

Jahrbuch 2007, Nr. 1, zum Thema zivile Konfliktbearbeitung siehe Kapitel 11, 11.1.2. Friedensförderungspolitik der Schweiz : Bericht und Zahlen für 2005.

77 Hauptthemen des Berichts sind die Schaffung des UN-Menschenrechtsrats, die Menschenrechtsdialoge, die Partnerschaften sowie thematische Schwerpunkte.

78 Die Menschenrechtsdialoge sind Bestandteil der bilateralen Politik der Schweiz. Sie bestehen aus formalisierten, menschenrechtsspezifischen Gesprächen auf Regierungs- und Verwaltungsebene. 2005 setzte die Schweiz die bestehenden Dialoge mit China und dem Iran fort und initiierte neue Dialoge mit Vietnam und – auf lokaler Ebene – mit Indonesien.

79 Zu den thematischen Schwerpunkten der Schweiz zählen unter anderem die Durchsetzung der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung, der Schutz der Rechte der Frauen, die Rechte von intern Vertriebenen und die Migrationspolitik.

80 Ferner pflegt die Schweiz eine aktive Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und Hochschuleinrichtungen, darunter das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und der Europarat.

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81 Laut Bericht beliefen sich die Ausgaben für Tätigkeiten im Bereich der Menschenrechtsförderung im Jahr 2005 auf 6,7 Millionen Franken. Für diese Aktivitäten ist in erster Linie die Politische Abteilung IV (PA IV) des EDA zuständig.

BIBLIOGRAPHY

Quellen

Kampf gegen HIV/Aids

UNAIDS, Report on the global AIDS epidemic 2006, Sonderausgabe zum 10. Jahrestag von UNAIDS.

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Kommission für geistige Eigentumsrechte, Innovation und öffentliche Gesundheit, Public Health, Innovation and Intellectual Property Rights, WHO, 2006, http://www.who.int/intellectualproperty.

WHO, The World Health Report 2006. Working together for Health, 2006, http://www.who.int >publications.

WHO, „World Health Assembly concludes ; makes key decisions affecting global public health“, Pressemitteilung, 27. Mai 2006.

Internationale Arbeitskonferenz (IAO)

95. Internationale Arbeitskonferenz, Dokumente, http://www.ilo.org >International Labour Conference >95th session.

Prince, Jean-Claude, 95. Internationale Arbeitskonferenz, Zusammenfassung, Bern, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, 27. Juli 2006, http://www.sgb.ch/d-download/-standpunkte/ 060814f_jcp_Conf%E9rence_int_Travail.pdf.

Übereinkommen über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz (Ü 187), 2006, http://www.ilo.org/ ilolex/english/index.htm.

Menschenrechtsrat

Human Rights Council, Report of the Human Rights Council : 1st session, 1st special session, 2nd special session, Doc. A/61/53, http://daccessdds.un.org/doc/UNDOC/GEN/N06/140/10/PDF/ N0614010.pdf?OpenElement.

Amnesty International, UN Human Rights Council : Member governments must do more to build an effective Council, Public Statement IOR 40/035/2006, 11. Oktober 2006.

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Godet, Blaise, „La Suisse et les droits humains“, HEI écho, Nr. 34, Herbst 2006, S. 14-15.

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Bundesrat, Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz (2003-2007) vom 31. Mai 2006 (BBl 2006 6071).

Bundesrat, Frieden und Menschenrechte in der schweizerischen Aussenpolitik, Bericht 2005 über Massnahmen zur zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderung, genehmigt vom Bundesrat am 31. Mai 2006.

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HIV/Aids-Programm der Vereinten Nationen (UNAIDS) : http://www.unaids.org.

Humanrights.ch (Schweizerische Vereinigung für Menschenrechte) : http:// www.humanrights.ch

16. Internationale Aids-Konferenz, Toronto : http://www.aids2006.org.

Internationale Arbeitsorganisation (IAO) : http://www.ilo.org.

Menschenrechtsrat : http://www.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/index.htm.

Tribune des droits humains (Infosud, Swissinfo, Le Temps, Inter Press Service News Agency–IPS) : http://www.humanrights-geneva.info.

Weltgesundheitsorganisation (WHO) : http://www.who.int.

NOTES

1. Generalversammlung, Political Declaration on HIV/AIDS, vom 2. Juni 2006, Doc.A/RES/60/262, http://www.un.org/ga/aidsmeeting2006. 2. UNAIDS, Report on the global AIDS epidemic 2006, Sonderausgabe zum 10. Jahrestag von UNAIDS, S. 60-61. 3. UNAIDS und WHO, „Global AIDS epidemic continues to grow“, Pressemitteilung, 21. November 2006. 4. Am 9. November 2006 wurde die Chinesin Margaret Chan als Nachfolgerin von Lee Jong-Wook zur Generaldirektorin der WHO ernannt. 5. WHO, The World Health Report 2006. Working Together for Health, 2006, http://www.who.int >publications. 6. Kommission für geistige Eigentumsrechte, Innovation und öffentliche Gesundheit, Public Health, Innovation and Intellectual Property Rights, WHO, 2006, http://www.who.int/ intellectualproperty. 7. Die Arbeitsgruppe tagte erstmals am 4. und 8. Dezember 2006 in Genf.

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8. Die IAO berief 2006 eine ausserordentliche Konferenztagung über die Seeschifffahrt ein. Diese 94. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz fand vom 7. bis 23. Februar in Genf statt und mündete in der Verabschiedung einer neuen globalen Arbeitsnorm für den weltweiten Seeschifffahrtssektor, welche praktisch alle derzeit geltenden Übereinkommen und Empfehlungen über die Seearbeit umschliesst (http://www.ilo.org >Maritime Labour Convention >94th session). 9. Bundesrat, Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz (2003-2007) vom 31. Mai 2006 (BBl 2006 6071). Bundesrat, Frieden und Menschenrechte in der schweizerischen Aussenpolitik, Bericht 2005 über Massnahmen zur zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderung, genehmigt vom Bundesrat am 31. Mai 2006, 26 S. 10. General Assembly, Human Rights Council, Resolution adopted by the General Assembly, 60 th session, Doc. A/RES/60/251. 11. Die 47 Mitglieder des Rates sind : ofür die Gruppe der afrikanischen Staaten (13 Mitglieder) : Algerien, Dschibuti, Gabun, Ghana, Kamerun, Mali, Marokko, Mauritius, Nigeria, Sambia, Senegal, Südafrika und Tunesien ; ofür die Gruppe der asiatischen Staaten (13 Mitglieder) : Bahrain, Bangladesch, China, Indien, Indonesien, Japan, Jordanien, Malaysia, Pakistan, Philippinen, Republik Korea, Saudi-Arabien und Sri-Lanka ; ofür die Gruppe der osteuropäischen Staaten (6 Mitglieder) : Aserbaidschan, Polen, Rumänien, Russische Föderation, Tschechische Republik und Ukraine ; ofür die Gruppe der karibischen und lateinamerikanischen Staaten (8 Mitglieder) : Argentinien, Brasilien, Ecuador, Guatemala, Kuba, Mexiko, Peru und Uruguay. ofür die Gruppe der westeuropäischen und der restlichen Staaten (7 Mitglieder) : Deutschland, Finnland, Frankreich, Kanada, Niederlande, Schweiz und Vereinigtes Königreich. 12. Allerdings wurden bei dieser ersten Wahl einige Ausnahmen gemacht : Gewisse Länder wurden für zwei Jahre, andere wiederum für nur ein Jahr gewählt. Die Schweiz wurde für drei Jahre in den Rat gewählt. 13. Eine Übersicht über die Beiträge der Schweiz findet sich in folgendem Dokument : EDA, Freiwillige Beiträge und Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der Kandidatur für den Menschenrechtsrat (gemäss Resolution A/RES/60/251), Bern, EDA, 27. März 2006, http:// www.eda.admin.ch >Themen >Menschenrechte und humanitäre Politik >Menschenrechte >Menschenrechtsrat. 14. Ein Hauptorgan ist ein Gremium, dessen Existenz in der UN-Charta verankert ist. Zu den Hauptorganen zählen gemäss Charta die Generalversammlung, der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC), der Treuhandrat, der Internationale Gerichtshof und das Sekretariat (Kapitel 3, Artikel 7). 15. Kofi Annan, The Secretary-General’s Address to the Human Rights Council, Genf, 19. Juni 2006. 16. Walter Kälin ist Vertreter des Generalsekretärs für die Menschenrechte der intern Vertriebenen, und Jean Ziegler ist Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. 17. Der Vorstand des Rates setzt sich aus fünf Delegierten (je einer pro Ländergruppe), d.h. aus dem Vorsitzenden und seinen vier Stellvertretern zusammen. 18. Human Rights Council, Report of the Human Rights Council : 1st session, 1st special session, 2nd special session, Doc. A/61/53, http://daccessdds.un.org/doc/UNDOC/GEN/N06/140/10/PDF/ N0614010.pdf?OpenElement. 19. Artikel 2 dieser Konvention definiert Entführung und Verschleppung als Gefangennahme, Inhaftierung, Entführung oder jede andere Form von Freiheitsberaubung durch staatliche Behörden bzw. durch Personen oder Personengruppen, die mit der Erlaubnis, der Unterstützung oder dem Einverständnis des Staates agieren.

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20. Die Befunde stützen sich auf den Vorbericht über die Mission in der Schweiz (3. Februar 2006), Dok. E/CN.4/2006/16/Add.4, http://daccessdds.un.org/doc/UNDOC/GEN/G06/106/03/ PDF/G0610603.pdf. 21. Ibid., S. 4. 22. Besonders heftige Kritik wurde in den USA geübt. Auch in der Schweizer Presse blieben die Reaktionen nicht aus ; siehe dazu „Le Conseil des droits de l’homme en sursis“, Editorial, Le Temps, 14. November 2006. 23. „Darfour : Kofi Annan critique le Conseil des droits de l’homme“, Le Monde, 1. Dezember 2006. 24. Amnesty International, UN Human Rights Council : Member governments must do more to build an effective Council, Public Statement IOR 40/035/2006, 11. Oktober 2006. 25. Ibid. 26. Swissinfo, Wie weiter mit dem UNO-Menschenrechts-Rat ?, Gespräch mit Walter Kälin, 2. Dezember 2006. 27. „Der UN-Menschenrechtsrat – ein halber Schritt nach vorn“, Le Monde diplomatique, Oktober 2006. 28. Siehe insbesondere Human Rights Tribune, Autonomy of UN rapporteurs in peril, 16. November 2006. 29. FIDH, Advocacy Paper. Reform of the UN human rights protection mechanisms : protective capacities in danger, Paris, FIDH, 22. November 2006. 30. Bundesrat, Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz, op. cit. 31. Ibid., S. 6075. 32. Ibid. 33. Ibid., Anhang II, S. 6124-6125. 34. Daniel Bolomey, „Une institution nationale des droits humains manque en Suisse“, Le Temps, 18. Dezember 2006. 35. Ibid. 36. Förderverein Menschenrechtsinstitution, „Aufruf zur Schaffung einer Schweizer Menschenrechtsinstitution“, Pressecommuniqué, 7. Dezember 2006. Im Förderverein engagieren sich Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Institutionen der Zivilgesellschaft, unter ihnen auch Daniel Bolomey. Siehe http://www.foerderverein-mri.ch. 37. Ibid. 38. Bundesrat, Bericht 2005 über Massnahmen zur zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderung, op. cit.

ABSTRACTS

Unter den Aktivitäten im Bereich der Menschenrechte im Jahr 2006 stand die Schaffung des Menschenrechtsrats am 15. März 2006, in Ablösung der ehemaligen Menschenrechtskommission, im Mittelpunkt des Interesses. Die Einsetzung dieses Gremiums weckte hohe Erwartungen : Die Herausforderungen betreffen hauptsächlich die Transition der Instrumente, die sich in der früheren Kommission bewährt haben, sowie die Anwendung neuer Mechanismen, besonders der regelmässigen universalen Überprüfung. Der Erfolg bzw. Misserfolg der Einsetzung des Menschenrechtsrats lässt sich frühestens im Juni 2007 beurteilen, wenn die Beschlüsse über die

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institutionelle Verankerung des neuen Gremiums gefällt werden. Doch wurden bereits bei der Abhaltung der zweiten Tagung erste Kritiken laut. Im Rahmen der Aids-Bekämpfung feierte das Programm der Vereinten Nationen gegen HIV/Aids (UNAIDS) sein zehnjähriges Bestehen. Anlässlich dieses Jahrestags wurde ein spezieller Bericht publiziert, der die Geschichte der Aids-Bekämpfung nachzeichnet. Die 16. Internationale Aids- Konferenz tagte vom 13. bis 18. August 2006 in Toronto. Die Weltgesundheitsversammlung hielt ihre 59. Tagung ab. Im Vordergrund standen dabei der weltweite Mangel an Gesundheitsfachkräften und die Prüfung der Empfehlungen der Kommission für geistige Eigentumsrechte, Innovation und Gesundheit. Die Internationale Arbeitskonferenz, die vom 31. Mai bis zum 16. Juni in Genf ihre 95. Tagung abhielt, verabschiedete ein Übereinkommen über den Arbeitsschutz sowie eine Empfehlung über das Arbeitsverhältnis.

AUTHOR

TANJA GUGGENBÜHL Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IUED.

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10. Umwelt und Entwicklung

Xavier Tschumi Canosa

10.1.1. 14. Tagung der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (New York, 1.-12. Mai 2006)

1 Die 14. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (CSD-14) fand vom 1. bis 12. Mai 2006 in New York statt. Anlässlich dieser Tagung wurde der zweite zweijährige Verhandlungszyklus zu folgenden vier Themen eröffnet : Energie für nachhaltige Entwicklung, Atmosphäre und Luftverschmutzung, industrielle Entwicklung, Klimawandel.

2 In der ersten Tagung der neuen Verhandlungsphase ging es den teilnehmenden Delegationen hauptsächlich darum, die zu diesen Themen erreichten bzw. noch zu erreichenden Fortschritte zu evaluieren und Hindernisse bei diesen Fortschritten im Zusammenhang mit der Verwirklichung der Agenda 21, des Umsetzungsplans von Johannesburg und der Milleniums-Entwicklungsziele aufzuzeigen. Diese Tagung diente als Vorbereitung auf die 15. Tagung im Jahr 2007, die eine für die Regierungen verbindliche, politische Session sein wird.

3 Obwohl die Entwicklungsländer darauf beharrten, dass alle vier Themen in den Diskussionen gleichviel Aufmerksamkeit erhalten, stand die Frage der Energie für nachhaltige Entwicklung eindeutig im Vordergrund. Diese Frage umfasst mehrere Aspekte. Der wichtigste betrifft die jeweilige Rolle der erneuerbaren Energien und der fossilen Energien vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Preise fossiler Energien auf eine Kombination aus Energieressourcen, die den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung entsprechen.

4 Die vorherrschende Rolle der Energiefrage spiegelt sich im Inhalt des neuen Instruments Matrix1 wider, das vom Sekretariat der Kommission für nachhaltige Entwicklung ausgearbeitet wurde und viel mehr Fallstudien zur Energie für nachhaltige Entwicklung als zu den anderen Themen des Verhandlungszyklus enthält. Die Informationen im Matrix-Instrument stammen aus verschiedenen Quellen – nationale Quellen, UN-Organisationen oder Major Groups (Vertreter der Zivilgesellschaft) – und sind in Form einer laufend weitergeführten und aktualisierten Tabelle aufgemacht.

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Diese Tabelle enthält zu jedem Thema des zweijährigen Verhandlungszyklus eine Liste mit Fallstudien, welche Zwänge und Hindernisse, gelernte Lektionen, gute Praktiken sowie die Ergebnisse jeder Studie beleuchten. Ferner werden die wichtigsten an den Experimenten beteiligten Akteure in der Tabelle aufgeführt.

5 Die Schweiz erwähnte bezüglich der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Energie für nachhaltige Entwicklung vor allem folgende Aspekte : Verbesserung des Energiezugangs – erforderlich für die Entwicklungsländer ; Diversifizierung des Energiemix – durch vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien und die Verbreitung von Ad-hoc-Technologien ; Förderung der Energieeffizienz ; Garantie der Energiesicherheit ; Verringerung der negativen Folgen der Energieproduktion und des Energieverbrauchs für die Umwelt und die menschliche Gesundheit.

6 Wie die Schweiz feststellt, sind diese Herausforderungen mit zahlreichen Zwängen verbunden, wobei in erster Linie der Mangel an Finanzmitteln für die Umsetzung der notwendigen Massnahmen zu nennen ist. Gemäss der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der gesamte Investitionsbedarf im Energiesektor zwischen den Jahren 2004 und 2030 auf rund 17’000 Milliarden Dollar geschätzt, wovon die Hälfte auf die Entwicklungsländer entfällt. Die Finanzierung von Investitionen dieser Grössenordnung in den Entwicklungsländern zählt zu den grössten Herausforderungen, mit denen die Energieindustrien konfrontiert sind2. Die Schweiz sieht bereits voraus, welches Konfliktpotenzial diese Fragen anlässlich der 15. Tagung der Kommission (CSD-15) entfalten werden, auch wenn sie die sauberen Entwicklungsmechanismen3 als nicht unwesentlichen Lösungsansatz zur Finanzierung erneuerbarer Energien betrachtet.

7 In Bezug auf die Herausforderungen des Klimawandels dagegen – ein weiteres Thema des aktuellen Verhandlungszyklus der Kommission für nachhaltige Entwicklung – konnten sich die Delegationen anscheinend auf einen Konsens einigen. Diese Themen sollen in einem anderen Rahmen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der UN- Rahmenkonvention über Klimaänderungen (UNFCC) behandelt werden (siehe unten Punkt 10.2.).

8 Nach einer Woche thematischer Diskussionen war der zweite Teil der CSD-14 von zwei hochrangigen Dialogsessionen dominiert. An der ersten Session unter dem Motto Making a Difference beteiligten sich die anwesenden Minister sowie die Verantwortlichen der Privatwirtschaft und die Leiter der internationalen Finanzinstitutionen. Die Schweiz betonte, dass der Privatsektor unbedingt an den im Energiesektor benötigten Investitionen beteiligt werden müsse, dass dies aber transparente und vorhersehbare politische und gesetzliche Rahmenbedingungen erfordere. Die zweite Session des hochrangigen Segments unter dem Motto The Way Forward bestand aus Dialogen auf Ministerebene zum gesamten Themenkomplex, einschliesslich Querschnittsthemen wie die Gender-Frage im Energiebereich.

9 Zum Abschluss der 14. Tagung der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD-14) (einer Evaluationstagung) verabschiedeten die Delegationen die Zusammenfassung des Präsidenten – ein Dokument, das als Referenz für die politische Tagung von 2007 dienen soll.

10 Die CSD-14 hat zweifellos dazu beigetragen, die Position zugunsten einer Diversifizierung der Energieressourcen und einer intensiveren Nutzung alternativer Energien zu stärken. Hingegen zeichneten sich Meinungsverschiedenheiten unter den Delegationen bezüglich der Mittel ab. Die Industrieländer setzten sich für eine

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Schlüsselrolle des Privatsektors ein, der nicht nur innovative technische Lösungen, sondern auch die Finanzierung der hierzu erforderlichen Investitionen (durch öffentlich-private Partnerschaften) anbieten kann. Andere Länder brachten indessen ihre Befürchtungen vor einer übermässigen Deregulierung im Energiebereich sowie ihre Enttäuschung über das geringe Engagement des Privatsektors für erneuerbare Energien in einigen Ländern des Südens, besonders in Afrika, zum Ausdruck. Dagegen herrscht Übereinstimmung darüber, dass Lösungen in Energiefragen – sowohl aus der Umwelt- als auch aus der Entwicklungsperspektive – die internationale Zusammenarbeit, Technologietransfers und die Aufhebung der Zollschranken voraussetzen.

10.1.2. Bericht über den Umsetzungsstand der „Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002“

11 Die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 wurde vom Bundesrat am 27. März 2002 angenommen. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) erstellt jedes Jahr einen Bericht über den Stand der Umsetzung der Strategie. Die Grundlage bildet der technische Teil, welcher die Fortschritte zu 22 Massnahmen in zehn Handlungsfeldern im Detail aufführt4.

Jahrbuch 2003, Nr. 1, Kapitel 10, 10.1. Neue Strategie 2002 für die nachhaltige Entwicklung, S. 171-173.

12 Der 2006 veröffentlichte Bericht zieht eine gemischte Bilanz zur Verwirklichung dieser Massnahmen. Die Ziele betreffend einige Massnahmen wurden zwar erreicht, doch mussten andere aufgrund der laufenden Entlastungsprogramme im Bundeshaushalt angepasst oder gestrichen werden5. Eine der Schwächen der Strategie besteht gerade darin, dass sie nicht durch eine explizit zweckgebundene Finanzierung unterstützt wird. Dies hat vor allem Konsequenzen für die Aktionen auf internationaler Ebene, da die Schweiz nur wenig Mittel hat, um deren Verlauf zu beeinflussen.

13 Im Bericht ist ferner zu lesen, dass „das transversale Arbeiten innerhalb der Bundesverwaltung eine Herausforderung bleibt und noch kein kohärentes Verständnis der Nachhaltigen Entwicklung bei allen Bundesstellen etabliert werden konnte“6.

10.1.3. Erneuerung der „Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002“

14 Im Dezember 2006 war die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 Gegenstand eines Evaluationsberichts, mit einer Bilanz und Empfehlungen für die Erneuerung der Strategie auf der Grundlage der gemachten Erfahrungen7. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) wird dem Bundesrat die neue Strategie vor Ende 2007 unterbreiten. Dabei ist zu prüfen, wie diese Strategie auf zwei offensichtliche Schwachpunkte der aktuellen Strategie, nämlich „die ungenügende Verbindlichkeit der Strategie für die Umsetzungsakteure und die nicht angemessenen Ressourcen“8, eingehen kann.

15 Die Ausarbeitung der neuen Strategie Nachhaltige Entwicklung wird auf einem Vernehmlassungsverfahren in der Schweiz (Bund, Kantone, Gemeinden, inte ressierte Kreise) beruhen und zudem konzeptuelle Anhaltspunkte bei den nachhaltigen Entwicklungsstrategien in der Europäischen Union suchen. Dazu ist zu erwähnen, dass

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der Rat9 der Europäischen Union im Juni 2006 die erneuerte EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung verabschiedet hat10. Die erste im Jahr 2001 angenommene EU- Strategie hatte, wie die Strategie der Schweiz, ungenügende Fortschritte erzielt.

16 Obwohl sie in Sachen nachhaltige Entwicklung noch viel Arbeit zu leisten hat, hat die Schweiz im Januar 2006 vom Präsidenten der UN-Generalversammlung zusammen mit Mexiko den Auftrag erhalten, auf dem Konsultationsweg nach Lösungen zu suchen, die zur Stärkung der Koordination und der Effizienz der Umwelttätigkeiten in der UNO beitragen und eine bessere Anwendung der internationalen Abkommen im Umweltbereich garantieren sollen11. Die Schweiz sieht in diesem Mandat ein Zeichen der Anerkennung ihres bereits bewiesenen Engagements für Umweltfragen, insbesondere für eine bessere ökologische Gouvernanz im Rahmen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Die ständigen Vertreter der Schweiz und Mexikos bei der UNO legten dem Präsidenten der Generalversammlung im Juni 2006 ihren Bericht vor12. Der informelle Konsultationsprozess zeigte die Schwachstellen des institutionellen Rahmens der Umwelttätigkeiten in der UNO (Zersplitterung des Systems, Doppelarbeit, Kohärenzmangel) auf, welche die allgemeine Effizienz beeinträchtigen. Die Konsultation soll 2007 fortgesetzt werden, damit unter allen Delegationen ein Konsens zu Lösungen für diese Schwächen gefunden wird und danach gegebenenfalls eine diesbezügliche UN-Entschliessung verabschiedet werden kann. Die Schweiz und Mexiko werden ihre Bemühungen als Kopräsidenten des laufenden Prozesses fortsetzen.

10.1.4. Ökologischer Fussabdruck der Schweiz

17 Die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 soll langfristig die Fortschritte zu den festgesetzten Zielen messen. Als Instrument wird das Indikatorensystem MONET (Monitoring der nachhaltigen Entwicklung)13 verwendet. In den Jahresberichten über den Stand der Umsetzung der Strategie wird die Qualität von MONET regelmässig gelobt.

18 Ergänzend zu diesem komplexen, für den Laien schwer verständlichen Indikatorensystem wurde für die Schweiz anhand einer international angewandten Methodologie ein synthetischer Indikator – der ökologische Fussabdruck – errechnet. Vier Bundesämter veröffentlichten im November 2006 einen Bericht über die Resultate14. Der in globalen Hektaren15 pro Person ausgedrückte ökologische Fussabdruck wird mit der im selben Flächenmass gemessenen Biokapazität, d.h. der biologischen Produktivität einer Fläche, verglichen. Für die Schweiz lauten die jüngsten Zahlen (2002) respektive 4,7 und 1,6. Die Schweiz weist – wie übrigens die meisten Industrieländer – ein ökologisches Defizit aus, das sie durch Importe von Biokapazität,

vor allem natürliche Ressourcen, und durch Exporte von Abfällen wie CO2 kompensiert. Der Verbrauch von fossiler, nuklearer und grauer Energie macht allein zwei Drittel des ökologischen Fuss abdrucks der Schweiz im Jahr 2002 aus. Das Defizit war bereits im ersten, im Bericht gemessenen Jahr (1961) vorhanden und hat sich seither sogar verstärkt, da die Biokapazität der Schweiz mit der Zeit abzunehmen tendiert, während ihr ökologischer Fussabdruck sich vertieft.

19 Der Bericht über den ökologischen Fussabdruck der Schweiz umfasst auch die Berechnungen für die meisten Länder der Welt, über die die Organisation Global Footprint Network berichtet. Ferner zeigt die Verbindung des ökologischen

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Fussabdrucks eines Landes mit seinem Human Development Index (HDI) 16 im Bericht Folgendes : „Kaum ein Land befindet sich in einem Bereich von hohem HDI und kleinem Fussabdruck, den man als ‘nachhaltig’ bezeichnen könnte“17.

20 Im November 2006 veröffentlichten die DEZA und das Global Footprint Network eine spezifische Studie mit einer Untersuchung zum ökologischen Fussabdruck Afrikas18. Insgesamt ist daraus zu ersehen, dass Afrika im Jahr 1961 über eine Biokapazität von 3,5 globalen Hektaren pro Person verfügte und einen ökologischen Fussabdruck von nur 1,2 globalen Hektaren pro Person hinterliess. Im Jahr 2002 lauten die Zahlen respektive 1,1 und 1,3. Dieser starke Rückgang der afrikanischen Biokapazität pro Einwohner erklärt sich aus dem raschen Bevölkerungswachstum, denn aufgrund der Produktivitätsfortschritte in der Landwirtschaft konnte dennoch eine Steigerung der absoluten Biokapazität des afrikanischen Kontinents im Berichtszeitraum erzielt werden. Die Studie präsentiert ausserdem die Korrelation zwischen HDI und ökologischem Fussabdruck Afrikas im Jahr 2002. Bei allen Ländern des Kontinents mit Ausnahme Südafrikas und Libyens lag der ökologische Fussabdruck unter der Schwelle von 1,8 globalen Hektaren pro Person, die der durchschnittlichen Biokapazität der Erde entspricht. Kein einziges afrikanisches Land weist jedoch einen HDI über der Schwelle von 0,8 aus, die als Grenze für eine hohe menschliche Entwicklung gilt.

10.2. Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCC)

21 Klimaänderungen sind ein wichtiges globales Problem, nicht nur in den Ländern – meistens Entwicklungsländer –, die am ersten und härtesten davon betroffen sind oder sein werden, sondern auch in den Industrieländern. In den multilateralen Verhandlungen geht es künftig um die Verpflichtungen, welche die Industrieländer ab dem Jahr 2012 eingehen müssen, um die Anstrengungen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen fortzusetzen und zu vertiefen.

22 Der im Oktober 2006 veröffentlichte Stern-Bericht über die Ökonomie des Klimawandels erregte weltweit Aufsehen. Das lag nicht nur an der Aura des Verfassers, sondern auch an den Resultaten : Gemäss dem Bericht sind weltweit jährliche Investitionen von über 400 Milliarden Dollar notwendig, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden.

23 Die Schweiz beschäftigt sich derzeit mit ihren künftigen Zielen für die Reduktion von Treibhausgasen und erstellt Energieperspektiven mit dem Zeithorizont 2035-2050. Im Rahmen des schweizerischen CO2-Gesetzes wurde ausserdem eine Lenkungsabgabe auf Brennstoffe eingeführt, die etappenweise erhoben wird, und deren Höhe von den verursachten Emissionen abhängt. Die Lenkungsabgabe wurde im Parlament nach hartem Ringen, gegen die Stellungnahme der zuständigen Kommissionen und mit dem Ziel durchgesetzt, ein Mindestmass an Kohärenz zwischen den festgesetzten Klimazielen und den Mitteln, mit denen sich die Schweiz zu ihrer Verwirklichung ausstattet, zu wahren.

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10.2.1. 12. Vertragsparteienkonferenz der UNFCC und 2. Tagung der Vertrags-parteien des Kyoto-Protokolls (Nairobi, 6.-17. November 2006)

24 Die Weltklimakonferenz der UNO tagte vom 6. bis 17. November 2006 in Nairobi. Sie umfasste die 12. Vertragsparteienkonferenz des UN-Rahmenübereinkommens über Klimaänderungen (COP-12) und die 2. Tagung der Vertragsparteien des Kyoto- Protokolls (COP/MOP-2). Die Schweiz war auf Ministerebene durch Bundesrat Moritz Leuenberger (2006 Bundespräsident) vertreten.

25 Unter den zahlreichen Diskussionsthemen der Konferenz haben drei Themen aus der Perspektive des Südens besondere Bedeutung : • internationales Klimasystem nach 2012 ; • finanzielle und technologische Unterstützung der Entwicklungsländer ; • Anpassung an die negativen Auswirkungen des Klimawandels.

26 Um in Nairobi Kompromisse zu diesen Themen zu erleichtern und die Zahl der Verhandlungsoptionen zu begrenzen, veranstalteten die Schweiz und Kenia am 14. und 15. September 2006 in Rüschlikon (Kanton Zürich) eine gemeinsame informelle Vorbereitungssitzung, an der sich rund vierzig Delegationen, davon 25 auf Ministerebene, beteiligten, unter anderem auch Delegationen aus den USA und China.

Kyoto- Protokoll

27 Der Verpflichtungsbereich des Kyoto-Protokolls ist sowohl geografisch als auch zeitlich begrenzt. Geografisch werden 35 der 38 Länder vom Anhang B19 erfasst – alle Industrieländer, die zur Liste der grossen Treibhausgasemittenten gehören (siehe Tabelle 10.1). Die Vereinigten Staaten, Australien und Kroatien haben das Kyoto- Protokoll nicht ratifiziert20 und sind deswegen nicht an ihre jeweiligen Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgase (GHG) gebunden.

28 Die Tatsache, dass grosse Entwicklungsländer auf dieser Liste einen wichtigen Platz einnehmen, ohne den Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll zu unterliegen, verdeutlicht die Grenzen der geografischen Tragweite des Instruments.

29 Zeitlich gilt das Protokoll bis zum Jahr 2012. Der Blick auf die Entwicklung der Treibhausgase der einzelnen Länder zwischen 1994 und 2003, verglichen mit ihren im Kyoto-Protokoll festgelegten Zielen, zeigt deutlich, dass im Moment nur wenige Länder

ihre Zusagen einhalten. Überdies können die Industrieländer – über den CO2-Handel – ihre vertraglichen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll bis 2012 sogar dann erfüllen, wenn ihre Treibhausgasemissionen innerhalb der Landesgrenzen ansteigen. Doch selbst wenn die Ziele der Treibhausgasreduktion gemäss dem Kyoto-Protokoll bis 2012 tatsächlich erreicht würden, was noch keineswegs feststeht, so wäre dies nicht genug. Die Ziele müssen in einem zweiten Verpflichtungszeitraum nach 2012 durch weitere, noch festzulegende Ziele ergänzt werden.

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Tabelle 10.1 : Treibhausgasemissionen nach Ländern, 1994 und 2003 (in Millionen Tonnen CO2- Äquivalenten) und Emissionsreduktionsziele bis 2012 (in Prozenten gegenüber dem Stand von 1990)

a Emissionen von Treibhausgasen ohne Berücksichtigung der Veränderungen der Boden- und Forstnutzung (LULUCF). b Reduktionsziel für GHG bis 2012 gegenüber dem Stand von 1990 (gemäss Anhang B im Kyoto- Protokoll). c n.v. : nicht verfügbar. d Zahl 1999 (zuletzt verfügbare Angabe). e Zahl 2002 (zuletzt verfügbare Angabe). Quelle : UNFCCC, Key GHGData, Greenhouse Gaz Emissions Data for 1990-2003 submitted to the United Nations Framework Convention on Climate Change, Bonn, November 2005. Anmerkung : Kursiv gedruckt sind die Länder, die nicht zum Anhang B des Kyoto-Protokolls gehören und somit nicht von der Verpflichtung zur Verringerung der Treibhausgase betroffen sind.

30 Die 2005 eingeleiteten Diskussionen wurden somit im Jahr 2006 fortgesetzt. Dabei ging es um Fragen der Parteien, die sich an den Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen ab 2012 tbeteiligen müssen, und um den Inhalt und die wesentlichen Merkmale dieser zweiten Verpflichtungsperiode. Ziel ist es, ein neues internationales Klimasystem zu definieren und ab 2012 umzusetzen. Hierzu wurde anlässlich der vorhergehenden Konferenz eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe geschaffen.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 10. 10.2.1. 11. Vertragsparteienkonferenz der UNFCC und 1. Tagung der Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls, S. 166-168.

31 Die Länder, die gegenwärtig der Verpflichtung zur Reduktion ihrer Treibhausgase unterworfen sind, darunter die Schweiz, forderten in Nairobi, dass die grossen Emittenten unter den Entwicklungsländern im neuen Klimasystem ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Ausserdem verlangten sie, dass der Aufbau des neuen Systems klar definiert werde, bevor sie sich auf neue Emissionsreduktionsziele nach 2012 verpflichten.

32 Die Entwicklungsländer beharren ihrerseits darauf, dass die Länder vom Anhang B umgehend ihre quantifizierten Ziele festlegen. Sie anerkennen zwar, dass alle Länder gemeinsam für den Klimawandel verantwortlich sind, setzten sich aber in Nairobi erneut für ihre Vision einer differenzierten Verantwortung der Entwicklungsländer und der Industrieländer in diesem Bereich ein. Deshalb plädierten sie auch für eine

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Verstärkung der finanziellen und technologischen Unterstützung, die sie von den Industrieländern erhalten und die im Rahmenübereinkommen vorgesehen ist.

33 Zum Abschluss der Konferenz von Nairobi verabschiedeten die Parteien einen detaillierten Arbeitsplan für die nächsten Etappen, die zu einem Abkommen mit neuen Verpflichtungen für die Zeit nach 2012 führen sollen21.

Finanzielle und technologische Unterstützung der Entwicklungsländer

34 Dieses Thema, das für die Entwicklungsländer wichtig ist und für die Industrieländer eine vertragliche Verpflichtung gemäss der Konvention bedeutet, steht im Mittelpunkt eines anlässlich der COP-11 im Jahr 2005 eingeleiteten Dialogs betreffend die langfristige Zusammenarbeit unter allen Vertragsparteien der Rahmenkonvention. Dieser Dialog hat zum Ziel, die ärmsten Vertragsparteien in finanzieller und technologischer Hinsicht in die Lage zu versetzen, sich an den Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgase (mitigation) zu beteiligen und sich vor den schädlichen Folgen des Klimawandels zu schützen (adaptation – siehe unten).

35 Finanziell gesehen wird der grösste Teil der Klimahilfe für die Entwicklungsländer vom Globalen Umweltfonds (GEF) ausgerichtet, der drei spezielle Klimafonds verwaltet : den Anpassungsfonds, den speziellen Klimaänderungsfonds und den Fonds für die am wenigsten entwickelten Länder. In Nairobi kam eine Einigung zur Verwaltung des im Kyoto-Protokoll vorgesehenen Anpassungsfonds zustande. Gleichzeitig wurde das Reglement für den speziellen Klimaänderungsfonds angenommen.

36 Die Schweiz wirkt seit 1991 an der Finanzierung der Tätigkeit des GEF mit. Im Hinblick auf die vierte Wiederauffüllung des Umweltfonds hat der Bundesrat dem Parlament im September 2006 eine Botschaft über einen Rahmenkredit für die globale Umwelt vorgelegt22. Ein Teil der für den Rahmenkredit beantragten 110 Millionen Franken soll die klimaspezifischen Tätigkeiten des Globalen Umweltfonds abdecken. Zwischen 2007 und 2010 soll ein zweckgebundener Betrag von 6,15 Millionen Franken in die gemäss den Marrakesch-Vereinbarungen (COP-7, 2001) errichteten Klimafonds fliessen.

37 Die technologische Unterstützung zugunsten der Entwicklungsländer wird weitgehend über die Flexibilitätsmechanismen gemäss dem Kyoto-Protokoll, insbesondere über den sauberen Entwicklungsmechanismus abgewickelt. Mit diesem Mechanismus können die Industrieländer in nachhaltige und treibhausgasmindernde Projekte in Entwicklungsländern investieren und im Gegenzug handelbare Emissionskredite erhalten. Der UN-Generalsekretär Kofi Annan kündigte in seiner Ansprache vor der Konferenz in Nairobi eine wegweisende Initiative der Vereinten Nationen an. Dabei geht es um den so genannten „Rahmen von Nairobi“, der die Kapazitäten der Entwicklungsländer, besonders der afrikanischen Länder, steigern und ihren Zugang zu Projekten erleichtern soll, die diesen sauberen Entwicklungsmechanismus anwenden.

Anpassung an die negativen Auswirkungen des Klimawandels

38 Mit dem Klimawandel ist eine Dynamik im Gange, die sich auch mit den striktester Verringerungen der Treibhausgasemissionen noch jahrzehntelang fortsetzen und alle Länder in noch unbekanntem Ausmass in Mitleidenschaft ziehen wird. Die negativen Folgen dieser Dynamik zeichnen sich bereits ab und erfordern auch Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft. „Wir sind heute nicht mehr nur aufgerufen, die Ursachen zu bekämpfen, sondern auch unmittelbar drohende Schäden abzuwehren

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und dort, wo wir das nicht können, ihre Folgen zu tragen und ihre Bezahlung zu organisieren“23. Gestützt auf diese Vision appellierte Bundesrat Moritz Leuenberger an alle Minister, die an der Klimakonferenz in Nairobi teilnahmen, über die Einführung

einer globalen CO2-Abgabe nachzudenken, die jede Person bzw. jede Unternehmung, die Emissionen verursacht, proportional zur Menge entrichten müsste. Eine solche Steuer würde einerseits zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen (weil der Preis des Energieträgers verteuert würde) und andererseits sicherstellen, dass die Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel finanziert werden können. Zudem würde sie einen Ausgleich für die Ungerechtigkeit des Klimawandels schaffen, weil nämlich diejenigen Länder, die bis jetzt am wenigsten dazu beigetragen haben, am härtesten von den Folgen getroffen werden.

39 Dieser Vorschlag wurde von den Parteien während des hochrangigen Segments der Konferenz nicht diskutiert, auch wenn er die zentrale Frage der Solidarität unter den Ländern gegenüber dem Klimawandel aufwirft.

10.2.2. Stern-Bericht über die Ökonomie des Klimawandels

40 Der Stern-Bericht über die Ökonomie des Klimawandels24 erschien genau zum richtigen Zeitpunkt, um auch die grössten Treibhausgasemissionen verursachenden Länder davon zu überzeugen, unverzüglich verbindliche Ziele zur Verringerung ihrer Emissionen festzusetzen und diese rasch zu erreichen. Die unabhängige Studie geht auf einen Auftrag zurück, den der britische Schatzkanzler (Finanzminister) Gordon Brown dem ehemaligen Chefökonom der Weltbank, Nicholas Stern, erteilte.

41 Der Verfasser stellt zunächst Folgendes fest : „Der Klimawandel bedeutet eine einzigartige Herausforderung für Volkswirtschaften : Er ist das grösste und weittragendste Versagen des Marktes, das es je gegeben hat“25. Der Stern-Bericht führt zu einem einfachen Fazit : Nichtstun wird viel mehr kosten, als entschlossenes und frühzeitiges Handeln. Die Kosten des Nichtstuns werden mit 5 bis 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts (BIP)26 beziffert, während Ausgaben von nur einem Prozent dieses Betrags ausreichen würden, um die schlimms ten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Für den Kampf gegen den Klimawandel würden jährliche Investitionen von rund 444 Milliarden Dollar benötigt, um die 27 Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre unter der Schwelle von 550 ppm CO2- Äquivalenten zu halten. Diese Zahl ist höher als das schweizerische BIP des Jahres 2005 (366 Milliarden Dollar).

42 Zwischen der einleitenden Feststellung und der Schlussfolgerung plädiert der Stern- Bericht für eine weltweite Reaktion, die auf drei Handlungsschwerpunkte setzt : Festsetzung des Kohlenstoffpreises, Innovationsförderung zugunsten kohlenstoffarmer Technologien, Anpassung an den Klimawandel durch Aufklärung und Information und durch die Beseitigung der Hindernisse der Energieeffizienz.

43 Der Stern-Bericht sieht auf dieser Grundlage eine Reihe von Massnahmen für einen künftigen Rahmen vor : • „Emissionshandel : Die Ausweitung und Verknüpfung der grossen Zahl von Emissionshandelsansätzen in der ganzen Welt ist ein leistungsfähiger Weg zur Förderung rentabler Emissionsreduktionen und zum Bewirken des Handelns in Entwicklungsländern : entschiedene Ziele in reichen Ländern könnten Ströme von zig Milliarden Dollar pro Jahr bewirken, um den Übergang zu kohlenstoffarmen Entwicklungswegen zu unterstützen.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 184

• Technische Kooperation : Eine informelle Koordination wie auch formelle Vereinbarungen können die Wirksamkeit von Investitionen in Innovationen in der ganzen Welt erhöhen. Die Unterstützung von Energieforschung und -entwicklung sollte sich weltweit wenigstens verdoppeln und die Unterstützung des Einsatzes neuer kohlenstoffarmer Technologien sollte um das Fünffache wachsen. Die internationale Zusammenarbeit über Produktstandards ist eine leistungsfähige Möglichkeit zum Erhöhen der Energieeffizienz. • Handeln, um Abholzen zu reduzieren : Der Verlust natürlicher Wälder in der ganzen Welt trägt jährlich mehr zu globalen Emissionen bei als der Verkehrssektor. Die Beschränkung von Abholzung ist eine äusserst rentable Möglichkeit zum Reduzieren von Emissionen ; gross angelegte internationale Pilotprogramme zur Untersuchung des besten Wegs, wie dies geschehen könnte, könnten sehr schnell ins Leben gerufen werden. • Adaption : Die ärmsten Länder sind für den Klimawandel am verwundbarsten. Es ist wesentlich, dass der Klimawandel völlig in die Entwicklungspolitik integriert wird und dass reiche Länder ihre Versprechen zur Erhöhung der Unterstützung durch Auslandsentwicklungshilfe einlösen. Internationale Mittel sollten auch verbesserte regionale Informationen über die Einflüsse von Klimawandel und Forschungsarbeiten für neue Feldfruchtsorten unterstützen, die widerstandsfähiger gegen Dürre und Überflutung sind.“28

10.2.3. CO2-Gesetz : Beratungen über die Abgabe in den Eidgenössischen Räten

44 Das CO2-Gesetz, das am 1. Mai 2000 in Kraft trat, ist das Hauptinstrument der

schweizerischen Klimapolitik. Es geht darum, die CO2-Emissionen aus Treibstoffen um 8 Prozent und jene aus Brennstoffen um 15 Prozent mit dem Zeithorizont 2008-2012 gegenüber dem Stand von 1990 zu verringern. Um diese Ziele zu erreichen, sieht das Gesetz freiwillige Massnahmen der Wirtschaft vor, und falls diese nicht ausreichen, sollen sie ab 2004 durch eine Klimasteuer ergänzt werden. Seitdem versucht der Bundesrat, eine solche Abgabe einzuführen, da wissenschaftlich eindeutig erwiesen ist, dass die freiwilligen Massnahmen allein der Schweiz nicht erlauben werden, die oben genannten Ziele zu verwirklichen.

45 Im Sommer 2005, während der Bundesrat die Erhebung eines Klimarappens auf Treibstoffe für eine zweijährige Probezeit anstelle einer Abgabe zugelassen hatte, hatte er dem Parlament einen Vorschlag zur Höhe einer Brennstoffabgabe unterbreitet.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 10, 10.2.2. CO2-Gesetz : Beschluss des Bundesrates, S. 168-169.

46 Die zuständige Kommission des Nationalrates29 beschloss am 24. Januar 2006, die

Vorlage zur CO2-Abgabe zurück an den Bundesrat zu überweisen, und forderte als Ersatz die Einführung eines – weniger verbindlichen – Klimarappens II auf Brennstoffe. Die Idee stammte ursprünglich vom Hauseigentümer-Verband Schweiz und vom Schweizerischen Gewerbeverband (SGV). Der Nationalrat nahm jedoch in der Märzsession 2006 die Alternative seiner Kommission nicht an, so dass die UREK-N Ende Mai einen weiteren Vorschlag formulieren musste, der eine Abgabe in Etappen und

nach Massgabe der CO2-Emissionen, gemessen am Stand von 1990, vorsah. Dieser Vorschlag wurde vom Nationalrat am 20. Juni 2006 angenommen.

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47 Die zuständige Kommission des Ständerates lehnte den nationalrätlichen Vorschlag der progressiven Einführung der Abgabe Ende November 2006 im Dissens ab und sprach sich für eine wieder weniger verbindliche Lösung aus, nämlich eine vom Erdölpreis abhängige Abgabe : Die Abgabe von 9 Rappen pro Liter Heizöl kann nur erhoben werden, wenn der Erdölpreis während sechs aufeinanderfolgenden Monaten unter dem Stand vom März 2005 (64 Rappen pro Liter) bleibt. Der Ständerat befasste sich in der Wintersession am 14. Dezember 2006 mit dieser Frage, schloss sich aber zuletzt dem Vorschlag des Nationalrates an.

Tabelle 10.2 : Voraussetzungen für die Einführung der Abgabe auf fossile Brennstoffe in der Schweiz

Quelle : Bundesversammlung, „CO2-Abgabe. Nationalratskommission für etappenweise Einführung“, Medienmitteilung, 30. Mai 2006.

48 Die Abgabe wird wahrscheinlich nicht vor 2009 eingeführt werden, weil die Schweiz

ihre CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen im Jahr 2006, gemessen am Stand von 1990, ausreichend gesenkt haben wird.

49 Die Abgabe auf Brennstoffe (wie bereits diejenige auf Treibstoffe) hat in der Phase der

parlamentarischen Beratungen zur Umsetzung des CO2-Gesetzes jedenfalls heftigen

Widerstand ausgelöst. Das CO2-Gesetz war bei seiner Konzeption sehr strikt angelegt. Es machte die Schweiz zu einer Musterschülerin in Klimafragen und entsprach sogar dem Geist des Kyoto-Protokolls, das zwar verbindliche Ziele festlegt, aber flexible Mechanismen für die Zielerreichung vorgesehen hat. Das schweizerische Gesetz ging jedoch noch weiter, indem es zusätzliche Massnahmen mit Gesetzeskraft vorsah, um die Erfüllung der Auflagen des Kyoto-Protokolls zu gewährleisten. Da die Einführung dieser Massnahmen auf Widerstand stiess, werden sie jedoch erst mit mehreren Jahren Verspätung in Kraft treten, was die Schweizer Volkswirtschaft laut dem Stern-Bericht letztlich viel teurer zu stehen kommen könnte.

50 In den Beratungen wurde häufig auch das Argument der Kohärenz angeführt. Kohärenz zwischen den Mitteln, mit denen sich die Schweiz ausstattet, und dem Ziel des Gesetzes : Ohne die Abgabe kann die Klimapolitik der Schweiz ihre Ziele nicht erreichen. Kohärenz auch mit der Position der Schweiz auf multilateraler Ebene, wo sie die Entwicklungsländer in die Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen einbeziehen will : Die Schweiz kann aber nicht von anderen etwas verlangen, was sie von sich selbst nicht verlangt. Schliesslich auch Kohärenz mit dem internationalen Ruf der Schweiz als Musterschülerin.

51 Angesichts des Widerstands gegenüber dem letzlich bescheidenen Ziel des CO2-Gesetzes stellt sich die Frage, wie sich die Schweiz überhaupt auf höhere Ziele zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen nach dem Jahr 2012 verpflichten kann. Für die Schweiz

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setzt die Festlegung dieser Ziele insbesondere die Ausarbeitung von Energieperspektiven voraus (siehe unten).

10.2.4. Energiepolitik der Schweiz : eine weitere Komponente der Klimapolitik

52 Die Klimapolitik der Schweiz spielt sich auch im Bereich der Energiepolitik ab. Das Programm EnergieSchweiz, das in seine zweite Phase (2006-2010) geht, bildet das Kernstück der Energiepolitik. Der Jahresbericht des Programms EnergieSchweiz für die Jahre 2005 und 200630 zieht eine im Ganzen zufriedenstellende Bilanz der Fortschritte, die in der ersten Phase (2001-2005) zu den drei Zielsetzungen für den Zeithorizont 2010

erreicht wurden : Senkung der CO2-Emissionen um 10 Prozent, gemessen am Stand vom Jahr 1990 ; Beschränkung der Steigerung des Elektrizitätsverbrauchs auf unter 5 Prozent, gemessen am Stand vom Jahr 2000 ; Verdopplung des Anteils erneuerbarer Energien an der Strom- und Wärmeproduktion.

53 Gleichzeitig arbeitet die Schweiz an der Festsetzung ihres künftigen Ziels zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, insbesondere an der Erstellung der Energieperspektiven für den Zeithorizont 2035-205031. Die Expertenarbeiten zur Erstellung der Perspektiven haben im Herbst 2003 begonnen und werden 2007 erste Ergebnisse bringen.

54 Die wissenschaftliche Arbeit wird auf politischer Ebene vom Forum „Energieperspektiven“ evaluiert, das Vertreter der betroffenen Bundesämter, der Kantone, der politischen Parteien, der Energiewirtschaft und verschiedener Interessengruppen umfasst. Von diesem seit Februar 2004 eingesetzten Forum wird erwartet, dass es „die Vorschläge auf ihre Akzeptanz prüft“32. Diese Vorschläge sollen eine Entscheidungsgrundlage für Parlament und Bundesrat bei der Festlegung der langfristigen Energiepolitik der Schweiz bilden. Die Präsidentin des Forums33, Dori Schaer-Born, erinnerte in ihrem Schlussbericht zunächst an die drei Prioritäten der Energiepolitik : langfristige Energieversorgung gewährleisten, natürliche Ressourcen schonen und das Klima schützen. Die Mitglieder des Forums waren sich zwar einig, dass es notwendig sei, in einer globalen und langfristigen Perspektive unverzüglich nachprüfbare und verbindliche Massnahmen zu ergreifen, zur Frage der Kernkraft gingen die Meinungen jedoch auseinander. Die Präsidentin des Forums formuliert folgende Empfehlungen, die nach ihrer Auffassung eine Mehrheit in der Schweiz überzeugen dürften : • Energieeffizienz durch die Schaffung eines innovations- und forschungsfreundlichen Klimas und durch die Anpassung der wirtschaftlichen Anreize und der Gesetzesbestimmungen deutlich steigern ; • Anteil der erneuerbaren Energien durch den Einsatz von bestehenden oder noch zu schaffenden Förderinstrumenten erhöhen ; • Kernkraftwerke weiter betreiben, solange ihre Sicherheit gewährleistet werden kann, und als Übergangstechnologie bis zum erwarteten Rückgang des Energieverbrauchs im Jahr 2030 zentrale Gaskombikraftwerke betreiben.

55 Eine von vier Umweltorganisationen in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel Energieperspektive 205034 bezeichnet die beiden erstgenannten Empfehlungen als zwar notwendig, aber ungenügend : „Die Schweiz braucht weder 2020 noch 2035 neue Gas- oder Atomkraftwerke : Die Reduktion des Stromverbrauchs durch energiesparende

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elektrische Geräte und mehr Strom aus erneuerbaren Energien machen Grosskraftwerke überflüssig“35.

56 Die Frage der Gaskraftwerke wurde auch in den parlamentarischen Beratungen über die Brennstoffabgabe erörtert. Mit der geplanten Stilllegung von drei Kernkraftwerken in der Schweiz im Jahr 2020 und einem voraussichtlich bis mindestens 2030 weiter wachsenden Energieverbrauch droht ein Engpass in der Stromversorgung ; somit gelten Gaskraftwerke als politisch akzeptable Überbrückungslösung. Der Ständerat fasste in der Wintersession 2006 diesen Beschluss unter der Bedingung, dass die von

den Gaskraftwerken verursachten CO2-Emissionen zu 100 Prozent kompensiert werden, davon zu 70 Prozent durch Projekte in der Schweiz, namentlich durch die Finanzierung von Gebäudesanierungen. Gestützt auf diesen Beschluss forderte die Grüne Fraktion, dass die herkömmlichen Umweltverträglichkeitsprüfungen der Gaskraftwerke und

anderer Grossanlagen auch die möglichen Auswirkungen auf das Klima und auf die CO2- Emissionsbilanz berücksichtigen sollten36. Der Nationalrat wird sich im Jahr 2007 mit der Entscheidung des Ständerates zu den Gaskraftwerken zu befassen haben, von denen das erste im Jahr 2009 in Betrieb gehen soll.

10.3. Konvention über die Artenvielfalt

57 Eines der wichtigsten Diskussionsthemen im Zusammenhang mit der Artenvielfalt ist der Zugang zu genetischen Ressourcen und die Aufteilung der Vorteile aus ihrer Nutzung. Die 8. Konferenz der Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention bot die Gelegenheit, die Umsetzung eines internationalen Systems zu diesem Thema voranzutreiben – allerdings in den Augen der Schweiz nicht weit genug.

58 Die Nutzung genetischer Ressourcen steht auch im Mittelpunkt der Revision des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente. Der Entwurf des Bundesrates, der ein Gleichgewicht zwischen Innovationsförderung im Biotechnologiebereich (F&E) und den Interessen der Verbraucher, der Nutzer und der Herkunftsländer genetischer Ressourcen anstrebte, wurde vom Nationalrat im Dezember 2006 ohne nennenswerte Veränderungen angenommen. In den Beratungen vertraten die verschiedenen Akteure jedoch sehr unnachgiebige Standpunkte.

10.3.1. Konferenz der Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention

59 Die 8. Vertragsparteienkonferenz (COP-8) der Konvention über die Artenvielfalt (CBD) tagte vom 20. bis 31. März 2006 in Curitiba, Brasilien, im Anschluss an die 3. Tagung der Vertragsparteien (COP/MOP-3) des Cartagena-Protokolls zur Verhütung biotechnologischer Risiken (siehe unten Punkt 10.3.2).

60 Die insgesamt 19037 Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention treten alle zwei Jahre zu einer Konferenz zusammen, um die drei grundlegenden Ziele der Konvention zu verwirklichen : Erhaltung der Artenvielfalt, nachhaltige Nutzung der Bestandteile der Artenvielfalt, Garantie einer fairen und gerechten Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen ergeben. Ergänzend zu diesen Zielen setzte sich die COP-6 im Jahr 2002 ein weiteres Ziel, nämlich die signifikante Verminderung der Verluste an biologischer Vielfalt bis zum Jahr 2010. Zwischen den Konferenzen finden verschiedene Treffen im Rahmen von Ad-hoc-Arbeitsgruppen zu den

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Hauptthemen der Konvention statt. Diese Zusammenkünfte bieten den Parteien Gelegenheit, Verhandlungen zu führen und die künftigen Beschlüsse inhaltlich vorzubereiten.

61 Die Diskussionen anlässlich der COP-8 wurden von zwei Thematiken be herrscht : Zugang zu genetischen Ressourcen und Aufteilung der Vorteile aus ihrer Nutzung (APA) sowie Meeresschutzgebiete. Nachdem sich alle Parteien zum Prinzip der Nutzung genetischer Ressourcen einig sind, muss ein Mechanismus festgelegt werden, der zum einen die Information über die betroffenen genetischen Ressourcen und zum anderen die Aufteilung der Vorteile aus ihrer Nutzung regelt. Die Verhandlungen zur Information betreffen hauptsächlich zwei getrennte Aspekte : • Ursprungszertifikate aus gesetzlicher Quelle oder Herkunft : Die COP-8 beschloss, eine Expertengruppe einzusetzen und zu beauftragen, Ziel und Zweck eines international anerkannten Zertifikats sowie verschiedene Optionen für seine praktische Umsetzung zu definieren ; • auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung (prior informed consent) und einvernehmlich festgelegte Bedingungen (mutually agreed terms) : Diese Bedingungen sollen garantieren, dass das Land, in dem sich die genetischen Ressourcen befinden, umfassend über ihre Eigenschaften und über die beabsichtigte Nutzung informiert wird. In den Diskussionen anlässlich der COP-8 ging es um die Massnahmen zur Verbesserung der Einhaltung dieser Bedingungen.

Internationales System betreffend den Zugang zu genetischen Ressourcen und die Aufteilung der Vorteile (APA)

62 Die beiden oben erwähnten Aspekte der Information verfolgen das Ziel, die gerechte und faire Aufteilung der Vorteile aus den genetischen Ressourcen zu gewährleisten. Die Parteien erarbeiten dazu ein internationales System im APA-Bereich. Im Gegensatz zu den Ländern des Nordens, welche die technischen Kapazitäten für die kommerzielle Nutzung der Ressourcen besitzen, wünschen sich die Länder mit grosser Artenvielfalt (überwiegend Länder auf der südlichen Halbkugel) ein rechtlich bindendes System. Die schweizerische Delegation setzte sich für eine sofortige Einführung eines solchen Systems ein, das einen Mechanismus zur Ermittlung des Ursprungs der genetischen Ressourcen vorsehen soll. Die COP-8 erzielte jedoch in dieser Frage lediglich prozedurale Beschlüsse, wie zum Beispiel den Parteien eine Rahmenfrist bis 2010 einzuräumen, um die Verhandlungen über das internationale APA-System im Rahmen der Konvention zu Ende zu bringen.

63 Um den Sockel des möglichen neuen internationalen APA-Systems38 zu stärken, sprach sich die Schweiz für einen Kompromiss aus, indem sie für die Umsetzung der Bonner Leitlinien39 und des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft eintrat. Dieser Vertrag bildet – ausserhalb des formellen Rahmens der Konvention, aber im Einklang damit – ein rechtlich bindendes Instrument für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der genetischen Ressourcen, die aus einigen wenigen Nutzpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft hervorgehen, und für eine faire Aufteilung der Vorteile aus ihrer Nutzung. Der Vertrag trat Ende Juni 2004 in Kraft und wurde von der Schweiz im November des gleichen Jahres ratifiziert.

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Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 10, Punkt 10.3.1. zum Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, S. 171.

64 Anlässlich des ersten Treffens des Verwaltungsorgans dieses Vertrags, das vom 12. bis 16. Juni 2006 in Madrid tagte40, verabschiedeten die Mitgliedsstaaten das Abkommen über den Materialtransfer (Material Transfer Agreement). Dabei handelt es sich um das zentrale Instrument für die Umsetzung des APA-Systems, das den Kern des Vertrags bildet. Das System soll den Zugang zu einer spezifischen Liste pflanzengenetischer Ressourcen erleichtern und gleichzeitig die Aufteilung der daraus fliessenden Vorteile in den Bereichen Informationsaustausch, Technologietransfer, Kapazitätsaufbau und kommerzielle Entwicklung sicherstellen.

65 Ebenfalls ausserhalb des formellen Rahmens der Biodiversitätskonvention setzte sich die Schweiz für die Offenlegung der Quelle der genetischen Ressourcen und der traditionellen Kenntnisse ein, und zwar „durch Bestimmungen, die im Rahmen des Vertrags über internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) auszuhandeln sind“41. Seit 2003 unterbreitet die Schweiz ihre Vorschläge regelmässig der Arbeitsgruppe über die Reform dieses Vertrags. Dabei stehen vier Ziele im Vordergrund : • „Transparenz beim Zugang zu genetischen Ressourcen und zum traditionellen Wissen, Aufteilung der daraus fliessenden Vorteile ; • Rückverfolgbarkeit der genetischen Ressourcen und des traditionellen Wissens, damit die Lieferanten die Nutzung ihrer Ressourcen oder Kenntnisse in den Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die zu patentierbaren Erfindungen führen, nachvollziehen können ; • Hilfe für Patentprüfer und Richter bei der Ermittlung des Stands der Technik in Bezug auf Erfindungen, die sich in verschiedener Weise auf solche Ressourcen oder Kenntnisse beziehen ; • gegenseitiges Vertrauen unter den Parteien, die am Zugang und an der Aufteilung der Vorteile beteiligt sind, vor allem unter Entwicklungs- und Industrieländern, autochthonen und lokalen Gemeinschaften, Privatunternehmen und Forschungsinstituten“42.

66 Das Engagement der Schweiz auf multilateraler Ebene steht im Einklang mit dem Vorhaben des Bundesrates, die Frage der Offenlegung der Quelle in seine eigene Gesetzgebung, insbesondere in seinen Revisionsentwurf zum Bundesgesetz über Erfindungspatente zu integrieren, (siehe unten Punkt 10.3.3).

10.3.2. Treffen der Vertragsparteien des Cartagena-Protokolls zur Verhütung biotechnologischer Risiken

67 Die 3. Tagung der Vertragsparteien (COP/MOP-3) des Cartagena-Protokolls zur Verhütung biotechnologischer Risiken fand vom 13. bis 17. März 2006 in Curitiba, Brasilien, statt. Das Cartagena-Protokoll betrifft den grenzüberschreitenden Transport, die Handhabung und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) mit möglichen negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die menschliche Gesundheit. Es richtet sich nach dem Vorsorgeprinzip und umfasst Mechanismen für die Evaluation und den Umgang mit biotechnologischen Risiken. Im Mittelpunkt stehen die grenzüberschreitenden Transporte von GVO, bei denen das Verfahren der

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vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage gilt, wenn sie zum Zweck der absichtlichen Freisetzung in die Umwelt importiert werden.

68 In den Verhandlungen der COP/MOP-3 dominierte die Frage der Anforderungen an die Begleitunterlagen von GVO, die für die menschliche und tierische Ernährung oder zur Verarbeitung bestimmt sind. Anders als für GVO, die zur Verbreitung in der Umwelt eingeführt werden, gilt für diese GVO keine eindeutige Kennzeichnungspflicht – hauptsächlich wegen der Ablehnung der GVO-Exportländer. Diese Länder äusserten sehr früh Besorgnis wegen der praktischen Machbarkeit der Kennzeichnung von GVO und wegen des Risikos, dass die unbeabsichtigte Vermischung einer Lieferung mit GVO das im Protokoll vorgesehene Nichtkonformitätsverfahren auslösen könnte. Die Importländer solcher GVO forderten ihrerseits, dass die Dokumentation genaue Auskünfte über die GVO liefern und im Fall der Nichtkonformität konkrete Massnahmen ermöglichen solle. In den Verhandlungen von Curitiba ging es darum, eine allerseits akzeptable Lösung zu finden, um einen Schritt weiter zu gehen als die Formulierung „kann GVO enthalten“, die auf die ersten diesbezüglichen Diskussionen bei der Annahme des Protokolls im Jahr 2000 zurückgeht. Gemäss zahlreichen Delegationen hätte ein Scheitern zu diesem Tagesordnungspunkt das Schicksal des Protokolls besiegelt.

69 Nach zähen Verhandlungen setzte sich folgende Lösung durch : Falls GVO durch das so genannte Identity Preservation System identifiziert werden können, steht in der Kennzeichnung, dass die Ladung die fraglichen GVO „enthält“, andernfalls wird vermerkt : „kann (GVO) enthalten“. Diese Lösung gilt nur für den grenzüberschreitenden Transport von GVO unter den Vertragsparteien des Protokolls und unter der Voraussetzung, dass sie alle sachdienlichen Informationen über den Mechanismus des Biosafety Clearing House weiterleiten.

70 Die Parteien werden anlässlich der 5. Tagung der Vertragsparteien (COP/MOP-5) im Jahr 201043 die auf diesem Weg erzielten Fortschritte prüfen. Ausserdem soll 2012 ein Beschluss gefasst werden, damit dier Vermerk „kann… enthalten“ für GVO, die für die menschliche und tierische Ernährung oder für die Verarbeitung bestimmt sind, endgültig gestrichen wird.

71 Die Schweiz führte zusammen mit Brasilien den Vorsitz der Kontaktgruppe, die den Auftrag hatte, zur gesamten Thematik eine Lösung zu finden, die sowohl die Exportländer als auch die Importländer von GVO zufriedenstellt, wobei die Trennlinie zwischen beiden nicht mit jener zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern zusammenfällt. In diesem Zusammenhang bereitete ein weiteres Thema Kopfzerbrechen, nämlich die Frage, wie man Entwicklungsländern, die GVO exportieren, helfen kann, ihre Verpflichtungen aus dem Protokoll zu erfüllen (Unterstützung beim Kapazitätsaufbau, finanzielle Hilfe). Die Entwicklungsländer befürchteten insbesondere, dass sich das neue Ressourcenzuweisungssystem des Globalen Umweltfonds (GEF) negativ auf die Umsetzung des Protokolls auswirken könnte, und namentlich, dass die für das Protokoll veranschlagten Mittel mit den für die Konvention vorgesehenen Mitteln konkurrieren könnten. Die Schweiz setzte sich zusammen mit der Europäischen Union dafür ein, dass die für die Umsetzung des Protokolls notwendigen Mittel nicht unter die Kriterien des GEF-Systems bezüglich der Biodiversität fallen sollen, und dass der Globale Umweltfonds Ländern, die einen nationalen Mechanismus für biologische Sicherheit aufbauen müssen, genügend Finanzen zuweist. Auf der COP/MOP-3 fassten die Parteien den Beschluss, beim

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Umweltfonds Zusicherungen dahingehend einzuholen, dass das Ressourcenzuweisungssystem den Zugang zu den für die Aktivitäten im Zusammenhang mit der biologischen Sicherheit notwendigen Mitteln nicht gefährdet.

10.3.3. Revision des Patentgesetzes

72 Am 23. November 2005 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente (PatG) aus dem Jahr 195444. Der in dieser Botschaft behandelte Revisionsentwurf bildet den zweiten und sicherlich entscheidenden Teil45 des aktuellen Revisionsprozesses des Patentgesetzes, der im Jahr 1998 in die Wege geleitet wurde46.

& Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 10, 10.3.3. Revision des Patentgesetzes : Botschaft des Bundesrates, S. 174-175.

73 Der Schwerpunkt der Botschaft des Bundesrates liegt auf verschiedenen Revisionsthemen ; davon sind die wichtigsten • die Erteilung von Patenten für biotechnologische Erfindungen und die Anpassung des Patentgesetzes an die europäische Biotechnologie-Richtlinie47 ; • die Umsetzung der Entschliessung der Welthandelsorganisation (WTO) vom 30. August 2003 zur Verbesserung der Verfügbarkeit von patentierten Medikamenten in Entwicklungsländern48.

74 Die übrigen Punkte der Revision betreffen die Anpassung des Patentgesetzes, um es der Schweiz zu erlauben, den Patentrechtsvertrag49 zu ratifizieren, den Kampf gegen Fälschungen und Piraterie von geistigem Eigentum und die Regelung der Parallelimporte von patentgeschützten Produkten.

75 In seiner Botschaft bezeichnet der Bundesrat den Patentschutz für biotechnologische Erfindungen als Schlüsselfaktor für Innovationen (F&E) und für die Förderung des Wirtschaftswachstums in der Schweiz. Eine Studie des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) gelangte 2003 für die Schweiz zur gleichen Schlussfolgerung50. Logischerweise und gemäss dem Ziel der Patentgesetzrevision wird das bisher ungeschriebene Forschungsprivileg neu im Gesetz verankert. Das Forschungsprivileg erlaubt die Fortsetzung der wissenschaftlichen Forschung am Gegenstand der biotechnologischen Erfindung unabhängig von der Zustimmung des Patentinhabers.

Grenzen der Patentierbarkeit von Lebewesen

76 Im Kern der Diskussionen über Patente in der biotechnologischen Forschung geht es um die Grenzen der Patentierbarkeit. Dies war aus den verschiedenen Vernehmlassungsverfahren klar zu ersehen und war auch der Grund, weshalb der Gesetzesentwurf des Bundesrates zuallererst die patentfähigen bzw. nicht patentfähigen biologischen und genetischen Bestandteile klärt und die allgemeinen Vorbehalte der Patentierbarkeit von Lebewesen festhält. Die Bemühungen um eine Abgrenzung äussern sich klar in der Botschaft des Bundesrates, in der die Kriterien für die Erteilung eines Patentes, angefangen mit dem Erfindungsbegriff, erläutert werden. Damit eine biotechnologische Erfindung patentierbar ist, müssen neben der technischen Bereitstellung des biologischen Materials die Verwendungszwecke (Auswirkungen oder technische Eigenschaften für eine mögliche Nutzung) beschrieben

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werden. Wie für alle Patente gilt ausserdem, dass die Erfindung neu und gewerblich anwendbar sein muss, was einen Nachweis der Auswirkungen erfordert. So kann kein Patent für eine isolierte Gensequenz, für die nur die Funktion angegeben wird, erteilt werden, weil die Beschreibung des so genannten „technischen Nutzeffekts“ fehlt.

77 Neben den technischen Grenzen der Patentierbarkeit von Lebewesen verankert der Bundesrat im Revisionsentwurf allgemeine Vorbehalte, besonders betreffend Verstösse gegen die öffentliche Ordnung (grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung) und die guten Sitten (moralische Werte). Diese Vorbehalte gelten bei der Prüfung mit Blick auf die Patenterteilung wie auch bei der Bewilligung zur Nutzung der Erfindung. Die Botschaft führt zudem eine nicht vollständige Liste der Kategorien von Erfindungen auf, die von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, um den für die Rechtsanwendung verantwortlichen Stellen Leitlinien an die Hand zu geben.

78 Im Zusammenhang mit den Grenzen der Patentierbarkeit für Lebewesen wird ein weiteres Privileg – das Landwirteprivileg – im Gesetzesentwurf verankert : Es soll die Landwirte gegen etwaige übermässige Ansprüche von Patentinhabern auf biologisches Material schützen, das im Bereich der Landwirtschaft zufällig oder auf technisch nicht vermeidbare Weise vermehrt wurde. Zum gleichen Zweck und wegen der Vermehrbarkeit von biologischem Material beschränkt der Gesetzesentwurf die Tragweite des Schutzes auf diejenigen Bestandteile, welche die im Patent konkret beschriebene Funktion erfüllen.

Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen

79 Der Bundesrat hat im Übrigen in seiner Gesetzesvorlage die Pflicht festgeschrieben, in der Patentanmeldung gewisse Angaben über die Quelle einer genetischen Ressource und von traditionellem Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften zu machen (declaration of source). Diese Auflage, welche die Schweiz in ihre eigene Gesetzgebung einführen will, bietet auf internationaler Ebene Verhandlungsstoff, weil sie mit dem eigentlichen Ziel der Offenlegung der Quelle zusammenhängt : grössere Transparenz der Information mit Blick auf die Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung der genetischen Ressourcen (access and benefit sharing). Die internationalen Diskussionen zu den diesbezüglichen Massnahmen haben jedoch noch nicht zu konkreten Ergebnissen geführt (siehe oben Pumkt 10.3.1).

Zwangslizenz

80 Ein weiterer Punkt der Patentgesetzrevision betrifft die Umsetzung der Abänderung des TRIPS-Abkommens betreffend die Zwangslizenz, die von der WTO Ende 2005 beschlossen und von der Schweiz im Oktober 2006 ratifiziert wurde, in das nationale Recht. Der Beschluss soll es Entwicklungsländern mit ungenügender Produktionskapazitäten ermöglichen, Zugang zu patentgeschützten pharmazeutischen Produkten zu erlangen, falls sie diese zur Bekämpfung gravierender öffentlicher Gesundheitsprobleme, besonders Aids oder Malaria, benötigen. Gemäss der Botschaft des Bundesrates steht die Schweiz derzeit unter keiner Rechtspflicht, den WTO- Beschluss vom 30. August 2003 auf nationaler Ebene umzusetzen, „sie sieht sich aber hierzu in ihrer humanitären Tradition verpflichtet“51.

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Parallelimporte und geistige Eigentumsrechte

81 Ein Teil des Revisionsentwurfs zum Patengesetz in der Botschaft des Bundesrates ist der Frge der Parallelimporte gewidmet. Hauptziel ist, die nationale Erschöpfung im Gesetz zu verankern. Diese wurde jedoch mit Beschluss des Bundesrates (22. November 2006) auf Stellungnahme der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen (8. September 2006) aus dem aktuellen Revisionsprozess ausgeklammert.

Beratungen im Nationalrat : Genehmigung der Gesetzesvorlage des Bundesrates

82 Der in der Botschaft präsentierte Revisionsentwurf des Patentgesetzes (siehe oben) wurde vom Nationalrat in der Wintersession 2006 erörtert. Im September 2006 hatte sich die Mehrheit der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen den Vorschlägen des Bundesrates angeschlossen. Allerdings ist zu bemerken, dass sich bei der Prüfung der Gesetzesartikel über die Grenzen der Patentierbarkeit im biotechnologischen Bereich häufig eine deutliche Minderheit für eine noch weitergehende Einschränkung des Geltungsbereichs abzeichnete.

83 Die Spaltung zeigte sich zwischen den linken und rechten Parteien des politischen Spektrums, wobei der eigentliche Grundsatz der Patentgesetzrevision nicht infrage gestellt wurde. Die Diskrepanzen prägten die artikelweise Abstimmung unter den Mitgliedern der Kommission und auch unter den Nationalräten im Dezember 2006. Die Linke bemühte sich vergebens, eine Mehrheit des Nationalrates mit Argumenten wie Verbraucherschutz, Umweltschutz und Inte ressen der Entwicklungsländer für die Minderheitsanträge der Kommission zu gewinnen und die Nichtpatentierbarkeit von Lebewesen durchzusetzen. Die Rechte stellte sich im Interesse des Wirtschaftsstandorts Schweiz52 quasi geschlossen hinter die Anträge des Bundesrates, die letztlich in der Abstimmung im Nationalrat mit geringfügigen Änderungen angenommen wurden (siehe unten „Positionen der Akteure“). Der Ständerat wird die Vorlage in der Frühjahrssession 2007 prüfen.

84 Obwohl die Frage der Parallelimporte und die damit verbundene Frage der Erschöpfung der geistigen Eigentumsrechte schliesslich aus dem aktuellen Revisionsentwurf ausgeklammert wurden, waren die Beratungen während der gesamten Vorbereitung der Botschaft und bis in die Session des Nationalrates recht lebhaft. Der Ausgang bleibt noch ungewiss, bis das Parlament die Gelegenheit erhält, sich zu der getrennten Vorlage zu äussern, die der Bundesrat bis Ende 2007 ausarbeiten muss.

Positionen der Akteure

85 Die wichtigsten Akteure in der Diskussion zur Revision des Patentgesetzes erhielten in den Vernehmlassungsverfahren, die der Botschaft des Bundesrates vorausgingen, mehrmals Gelegenheit zur Stellungnahme. Auf Seiten der Gegner der Patentierbarkeit von Lebewesen befinden sich hauptsächlich Linksparteien, Organisationen für Entwicklungszusammenarbeit, Umwelt-, Tierschutz- und Verbraucherschutzorganisationen. Auf der anderen Seite traten Rechtsparteien, Wirtschaftsvertreter und Forschungskreise dafür ein, dass die im neuen Gesetz zu verankerernden Grenzen des Patentschutzes für Lebewesen keinen Wettbewerbsnachteil für die Schweizer Wirtschaft mit sich bringen dürfen. Die Aufgabe

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des Bundesrats bestand somit darin, einen Kompromiss zwischen beiden Positionen zu finden.

86 So forderte beispielsweise der Wirtschaftsverband economiesuisse eine möglichst weitgehende Harmonisierung des Patentgesetzes mit der europäischen Biotechnologie- Richtlinie, um eine für Forschung und Innovation des Landes schädliche Schwächung des schweizerischen Patentrechts zu vermeiden : Alle wesentlichen Beschlüsse des Bundesrates entsprechen den Erwartungen von economiesuisse53. Der Wirtschaftsverband begrüsst es zudem, dass die Frage der Parallelimporte aus dem Revisionsentwurf zum Patentgesetz ausgeklammert wurde : „Damit wird auch der Kern der Revision nicht gefährdet und ein rascher Abschluss der Patentgesetzrevision ermöglicht“54.

87 Swissaid und die Erklärung von Bern organisierten im Mai 2006 ein Kolloquium zu diesem Thema55. Sie sprachen sich gegen den Beschluss des Nationalrats aus, Patentschutz sogar für Genfunktionen zu erteilen, die zum Zeitpunkt der Patentanmeldung gar nicht beschrieben sind, sondern später entdeckt werden. Die Organisationen sehen darin „einen Affront gegen die Forschung, welche sich für einen eingeschränkten Stoffschutz stark gemacht hatte“56, das heisst den in der Patentanmeldung spezifisch beschriebenen Stoffschutz. Deshalb fordern sie vom Ständerat, diesen Beschluss, der über den Kompromiss57 in der Botschaft des Bundesrates hinausgeht, zu korrigieren.

88 Swissaid und die Erklärung von Bern kritisieren indessen nicht alle Beschlüsse des Nationalrats. Aus entwicklungspolitischer Sicht begrüssen sie es, dass die Einführung von Zwangslizenzen für den Export von Pharmazeutika in Entwicklungsländer, die keine genügenden Produktionskapazitäten besitzen und mit gravierenden öffentlichen Gesundheitsproblemen konfrontiert sind, im Gesetzesentwurf beibehalten wird. Sie äussern sich auch zufrieden darüber, dass der Nationalrat die Offenlegung der Quelle von Erfindungen, die auf genetischem Ressourcen oder traditionellem Wissen der Länder des Südens beruhen, im Gesetzesentwurf beibehielt.

BIBLIOGRAPHY

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Biotechnologische Patente und Landwirtschaft der Entwicklungsländer

Der Revisionsprozess zum Bundesgesetz über die Erfindungspatente, der besonders die Patentierbarkeit von Lebewesen berührt, bildet den Schauplatz einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen von Akteuren. Die Frage der Biotechnologien – eine fundamentale Gesellschaftsfrage – steht im Mittelpunkt der Diskussion. Die erste Gruppe von Akteuren besteht aus den grossen

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Agrokonzernen, die viel Geld in die Entwicklung von neuem Saatgut und neuen Herbiziden investieren. Das Patentsystem sichert ihnen über die Vermarktung der Produkte Einkommen, die zur Kapitalrendite beitragen. Zur zweiten Gruppe gehören die Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, welche die Bevölkerung durch ihre Advocacy-Tätigkeit über die Konsequenzen des Patentsystems für die Landwirtschaft der Länder des Südens aufklären wollen : Herkömmlicherweise konnten die Bauern das Saatgut aus der eigenen Ernte immer wieder ausbringen, tauschen, züchten und lokale Sorten weiterentwickeln.

Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppen lässt sich an folgendem Beispiel aus der Schweiz veranschaulichen :

Syngenta, ein weltweit führendes Unternehmen der Agroindustrie, nimmt auf dem Markt für hochwertiges kommerzielles Saatgut den dritten Platz ein. Das Unternehmen sagt von sich, dass es „sich durch innovative Forschung und Technologie für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzt“a. Syngenta-Forschern ist es zum Beispiel im Jahr 2001 gelungen, das Reis-Genom zu entschlüsseln. Der Agrokonzern hat eine Reihe von Patentanmeldungen zum Schutz des von ihm kommerzialisierten gentechnisch veränderten Saatguts eingereicht.

Auf der Gegenseite führt die NRO Swissaid eine Sensibilisierungskampagne durch : „Swissaid warnt vor den negativen Folgen von Patenten auf die Landwirtschaft in Entwicklungsländern. Durch patentierte Pflanzen und Tiere wird langfristig die Ernährung teurer werden. Ist das Saatgut einer Pflanze patentiert, wie beispielsweise bei allen gentechnisch veränderten Pflanzen der Fall, so ist den Bäuerinnen und Bauern die Wiederaussaat des Saatguts verboten, das aus der eigenen Ernte gewonnen wurde. Sie müssen entweder eine jährliche Lizenzgebühr an die Patentinhaber bezahlen, oder das Saatgut neu kaufen“b.

Swissaid setzt in diesem Rahmen zwei sich ergänzende Instrumente ein : zum einen den direkten Dialog mit der Direktion von Syngenta, um den Konzern zu veranlassen, seine Patentanträge zurückzuziehen, zum anderen die Abhaltung verschiedener Veranstaltungen, um die Öffentlichkeit auf die Problematik aufmerksam zu machen. Hierzu arbeitet Swissaid meistens mit anderen Organisationen im In- und Ausland zusammen.

a Homepage der Website von Syngenta, http://www.syngenta.ch.

b Swissaid, Keine Patente auf unsere Zukunft, http://www.swissaid.ch >was wir machen >unsere Themen >Patente.

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NOTES

1. Beschreibung und Inhalt des Instruments sind auf der Website der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) unter http://www.un.org/esa/sustdev/csd einsehbar. 2. Fatih Birol (Chefökonom der IEA), World Energy Prospects and Challenges, Paris, IEA, 2006, S. 2. Das Dokument ist auf der Website der Internationalen Energieagentur (IEA) unter http:// www.iea.org >Publications & Papers zugänglich. 3. Bei den sauberen Entwicklungsmechanismen handelt es sich um einen der flexiblen Mechanismen, die gemäss dem Kyoto-Protokoll zulässig sind. 4. Dieser Teil mit dem Titel Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002. Technischer Teil : Massnahmenblätter, Stand der Umsetzung am 31. Dezember 2005, Bern, 2006, 67 S., ist auf der Website des ARE unter http://www.are.admin.ch >nachhaltige Entwicklung >Bund >Strategie einzusehen. 5. ARE, Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002. Kurzbericht zum Stand der Umsetzung Ende 2005. Stand der Umsetzung am 31. Dezember 2005, Bern, 31. Mai 2006, 12 S. 6. Ibid., S. 3. 7. Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE), Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002. Bilanz und Empfehlungen für die Erneuerung, Bern, 2007, 68 S., auf der Website des ARE unter http://www.are.admin.ch >nachhaltige Entwicklung einsehbar : 8. ARE, Evaluation der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002, Faktenblatt, 17. Januar 2007, S. 1. 9. Früher als Ministerrat bezeichnet (höchste Entscheidungsinstanz der Europäischen Union). 10. Rat der Europäischen Union, Die erneuerte EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung, doc. 10117/06, Brüssel, 26. Juni 2006, 29 S., http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/06/st10/ st10117.de06.pdf. 11. Jan Eliasson, Schreiben vom 26. Januar 2006 an alle ständigen Vertreter und Beobachter bei den Vereinten Nationen. Das Schreiben enthält im Anhang ein interessantes Grundlagendokument, das den institutionellen Rahmen der UN-Aktivitäten im Umweltbereich

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beschreibt (auf der Website zum gesamten Prozess unter http://www.un.org/ga/president/60/ summitfollowup/enviro.html auf Englisch einsehbar). 12. Enrique Berruga und Peter Maurer, Co-Chairs’ Summary of the Informal Consultative Process on the Institutional Framework for the UN’s Environmental Activities, New York, 27. Juni 2006, 7 S. Dieser Bericht ist dem Schreiben von Jan Eliasson vom 6. Juli 2006 beigefügt (vgl. Fussnote 11). 13. Das System wird vom Bundesamt für Statistik (BFS) verwaltet. Siehe http:// www.bfs.admin.ch >Themen >nachhaltige Entwicklung. 14. ARE, Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), Bundesamt für Umwelt (BAFU) und BFS, Der ökologische Fussabdruck der Schweiz. Ein Beitrag zur Nachhaltigkeitsdiskussion, Neuenburg, BFS, 2006, 51 S. 15. „Eine globale Hektare ist eine Hektare produktiver Fläche, welche eine Produktivität aufweist, die dem weltweiten Durchschnitt entspricht.“, Der ökologischeFussabdruck der Schweiz, op.cit., S. 13. 16. Der Index für menschliche Entwicklung (HDI) wurde vom UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) 1995 ausgearbeitet. Auf einer Skala von null bis eins wird die qualitative Entwicklung eines Landes anhand von Kriterien wie Gesundheit/Lebenserwartung, Wissen oder Bildungsstand und Lebensstandard seiner Einwohner gemessen. 17. ARE, DEZA, BAFU und BFS, Der ökologische Fussabdruck der Schweiz, op. cit., S. 34. 18. SDC and Global Footprint Network, Africa’s Ecological Footprint : Human Well-Being and Biological Capital, Factbook, Oakland, California, Global Footprint Network, November 2006, 95 S., auf der Website von Global Footprint Network unter http://www.footprintnetwork.org verfügbar. 19. Im Anhang B des Protokolls von Kyoto werden die Zielvorgaben der einzelnen Länder für die Reduktion (bzw. für die mögliche Steigerung) der Treibhausgasemissionen festgelegt. Siehe http://www.unfccc.int >Kyoto Protocol >individual targets. 20. Stand am 22. November 2006. 21. UNFCC, „,Spirit of Nairobi‘ prevails as United Nations Climate Change Conference successfully concludes with decisions to support developing countries“,Pressemitteilung, 17. November 2006. 22. Bundesrat, Botschaft über einen Rahmenkredit für die Globale Umwelt, 29. September 2006 (BBl 2006 8525).

23. Moritz Leuenberger, Eine weltweite CO2-Abgabe, Ansprache anlässlich der Eröffnung der 12. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, Nairobi, 15. November 2006. 24. Sir Nicholas Stern, Stern Review on the Economics of Climate Change, Cambridge, 30. Oktober 2006. Die elektronische Version des Berichts ist auf der Website http://www.sternreview.org.uk verfügbar. (Deutsche Zusammenfassung auf der gleichen Website unter : „Other language versions of the Executive Summary“). 25. Sir Nicholas Stern, Stern Review : Der wirtschaftliche Aspekt des Klimawandels. Executive Summary, S. i. 26. Das globale BIP für 2005 wird von der Weltbank auf 44 384 871 Millionen Dollar geschätzt (Quelle : World Bank, World Development Indicators Database, 1. Juli 2006, S. 4). 27. ppm : parts per million (Teile auf eine Million). Diese Konzentration, die doppelt so hoch ist wie vor der industriellen Revolution, gilt als Höchstgrenze, oberhalb derer die durchschnittliche Erdtemperatur mit einer Wahrscheinlichkeit von 77-99 % um über 2°C zunimmt. 28. Sir Nicholas Stern, Stern Review : Der wirtschaftliche Aspekt des Klimawandels. Zusammenfassung der Schlussfolgerungen, S. ix-x. 29. Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK). 30. Bundesamt für Energie (BFE), EnergieSchweiz : Ein Programm mit Wirkung, Bern, Oktober 2006, 43 S., http://www.bfe.admin.ch >EnergieSchweiz. Die Zusammenfassung des Berichts ist auf der Website des BFE verfügbar.

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31. Das BFE übernimmt die Federführung für die Erstellung der Energieperspektiven ( http:// www.bfe.admin.ch >Themen >Energiepolitik >Energieperspektiven). 32. BFE, Energieperspektiven 2035/2050, Mediendokumentation, Bern, 28. März 2006. 33. Dori Schaer-Born, Forum Energieperspektiven, Schlussbericht der Präsidentin, definitive Fassung des Schlussberichts vom 26. Oktober 2006, 13 S. 34. Greenpeace, WWF, Verkehrsclub der Schweiz (VCS) und Schweizerische Energie-Stiftung, Energieperspektive 2050. Wegweiser in die 2000-Watt-Gesellschaft, Kurzfassung der Studie, April 2006, 11 S. Die vollständige Fassung (44 S.). ist auf der Website http://www.energiestiftung.ch verfügbar. 35. Greenpeace, WWF, VCS und Schweizerische Energie-Stiftung, Studie „,Energieperspektive 2050‘. Die Schweiz braucht energiepolitische Grosstaten“, Medienmitteilung, 4. Mai 2006. 36. 06.3703 Motion. Klimaverträglichkeitsprüfung, von der Grünen Fraktion am 14. Dezember 2006 im Nationalrat eingereicht. Siehe http://www.parlament.ch >curia vista/ Geschäftsdatenbank >Suche nach Vorstössen und Geschäften. 37. Stand vom Januar 2007. 38. Swissinfo, Pour une lutte redoublée contre la biopiraterie, 20. März 2006. 39. Die Schweiz hatte die ersten Umrisse der Bonner Leitlinien bereits im Jahr 2000 vorgeschlagen. Sie wurden von den Vertragsparteien der COP-6 im Jahr 2002 angenommen und verfolgen das Ziel, durch klare, aber unverbindliche Verfahren den Abschluss von bilateralen Verträgen zwischen den Nutzern und den Lieferanten genetischer Ressourcen zu fördern. 40. Zur Berichterstattung über diese Tagung : International Institute for Sustainable Development (IISD),„Summary of the First Session of the Governing Body of the International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture“, Earth Negotiations Bulletin, Vol. 9, Nr. 369, 19. Juni 2006, http://www.iisd.ca. 41. UVEK, „Weltkonferenz über biologische Vielfalt“, Medienmitteilung, 6. März 2006. 42. WIPO, Declaration of the source of genetic resources and traditional knowledge in patent applications. Proposals submitted by Switzerland, Doc. PCT/R/WG/8/7, 21. April 2006, S. 4-5 (nichtoffizielle Übersetzung aus dem englischen Original). 43. Die Tagungen der Vertragsparteien des Cartagena-Protokolls fanden bisher jährlich statt ; anlässlich der COP/MOP-3 wurde jedoch beschlossen, sie künftig wie die Konferenz der Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention alle zwei Jahre durchzuführen. 44. Bundesrat, Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtvertrags und des Ausführungsordnung, 23. November 2005 (BBl 2006 1). 45. Im ersten Revisionsteil wurden zwei Verträge über das europäische Patentsystem angenommen. Siehe Bundesrat, Botschaft über die Genehmigung von zwei Abkommen betreffend das europäische Patentsystem und über die Änderung des Patentgesetzes vom 18. Mai 2005 (BBl 2005 3773), Bundesbeschluss über die Genehmigung der Akte zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens und über die Änderung des Patentgesetzes (BBl 2005 7489) und Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens über die Anwendung des Artikels 65 des Europäischen Patentübereinkommens und über die Änderung des Patentgesetzes (BBl 2005 7495). Der dritte Revisionsteil (für 2007 geplant) wird einen Gesetzesentwurf über das Eidgenössische Patentgericht beinhalten. 46. 98.3243 Motion. Revision Bundesgesetz über die Erfindungspatente, von Helen Leumann- Würsch am 10. Juni 1998 im Ständerat eingereicht. Siehe http://www.parlament.ch >curia vista/ Geschäftsdatenbank >suche nach Vorstössen und Geschäften. 47. Richtlinie 98/44/EG vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 213, 30. Juli 1998, S. 13-21. 48. Decision on the Implementation of Paragraph 6 of the Doha Declaration on the TRIPS Agreement and Public Health, Beschluss des Allgemeinen Rats der WTO vom 30. August 2003, Doc. WT/L/540 und Corr.1.

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49. Patent Law Treaty (PLT) vom 1. Juni 2000. Text des Patentrechtsvertrags im Bundesblatt(BBl 2006 189). 50. IPI, Research and Patenting in Biotechnology : A Survey in Switzerland, 2003, http://www.ipi.ch >Juristische Infos >Rechtsgebiete >Patente (Link „Archiv“). 51. Bundesrat, Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes, op. cit., S. 33. 52. „Les chercheurs, l’industrie et la gauche s’affrontent sur le brevet du vivant“, Le Temps, 8. Dezember 2006. 53. economiesuisse, „Letzte Woche der Wintersession 2006. Patentgesetz und Agrarpolitik“, dossierpolitik, Nr. 46/2, 21. Dezember 2006, 4 S. 54. Ibid., S. 3. 55. Monopole auf Leben ?, Veranstaltung vom 3. Mai 2006 in Bern im Vorfeld der Behandlung des Bundesgesetzes über Erfindungspatente durch das Parlament. 56. Erklärung von Bern, „Schweizer Bevölkerung bezahlt für Patentrechte der Pharmaindustrie“,Pressemitteilung, 19. Dezember 2006. 57. „Im Rahmen des Erfindungsmerkmals der Technizität muss mit anderen Worten eine über die technische Bereitstellung der Sequenz hinausgehende nützliche Wirkung bzw. Eigenschaft (Finalität) derselben aufgezeigt werden. Erst mit der Angabe einer solchen Eigenschaft der Sequenz, die kausal zu einem in der Technik nutzbaren Resultat beiträgt, ist eine Erfindung als zielgerichtete Handlungslehre gegeben.“ Quelle : Bundesrat, Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes, op. cit., S. 45.

ABSTRACTS

10.1. Nachhaltige Entwicklung Die Strategie für die nachhaltige Entwicklung der Schweiz vom Jahr 2002 war im Dezember 2006 Gegenstand eines Evaluationsberichts, der die Grundlagen zur Ausarbeitung einer neuen Strategie schaffen soll. Diese soll sich konzeptuell auf die Strategien in den europäischen Ländern stützen. Im Mai 2006 hat der zweite Zweijahreszyklus der Tagungen der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung begonnen. Zur Diskussion standen die Themen Energie, Atmosphäre und Luftverschmutzung, industrielle Entwicklung und Klimaänderungen. Für die Schweiz liegt eine der grössten Herausforderungen in der Verbesserung des Zugangs zu diversifizierten Energiequellen.

AUTHOR

XAVIER TSCHUMI CANOSA Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IUED.

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11. Friedens- und Sicherheitspolitik

Xavier Tschumi Canosa

11.1. Friedenspolitik

11.1.1. Friedenskonsolidierungskommission der Vereinten Nationen

1 Im September 2005 hatten sich die Mitgliedsstaaten der UNO zur raschen Einsetzung der UN-Kommission für Friedenskonsolidierung verpflichtet. Am 20. Dezember 2005 wurde die Kommission durch eine gemeinsame Resolution der Generalversammlung und des Sicherheitsrates formell ins Leben gerufen.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 11, 11.1.4. Friedenskonsolidierungskommission der Vereinten Nationen, S. 184-185.

2 Am 23. Juni 2006 trat der Organisationsausschuss der Kommission zu seiner ersten Tagung in New York zusammen. Zuvor waren die 31 Mitgliedsländer der Kommission gemäss den Bestimmungen der Resolution für eine verlängerbare Amtszeit von zwei Jahren gewählt worden1. Die Schweiz wird vorläufig nicht in der Kommission vertreten sein, auch wenn sie zu den grössten Beitragszahlern der Aktivitäten der UNO gehört. An seiner ersten Session wählte der Organisationsausschuss den Vorsitzenden und die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der Kommission.

Auftrag der Friedenskonsolidierungskommission

Die Kommission für Friedenskonsolidierung mobilisiert die der internationalen Gemeinschaft zur Verfügung stehenden Ressourcen, um zu beraten und integrierte Strategien zur Wiederherstellung und Konsolidierung des Friedens nach Konflikten vorzuschlagen. Besonderes Gewicht wird dabei auf den Wiederaufbau und die Stärkung der Institutionen als Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung gelegt.

Die Kommission bündelt die breit gefächerten Kompetenzen und Erfahrungen der Vereinten Nationen in den Bereichen Konfliktverhütung, Vermittlung,

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Friedenserhaltung, Wahrung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, humanitäre Hilfe, Wiederaufbau und langfristige Entwicklung.

Konkret soll die Kommission

- integrierte Strategien zur Friedenskonsolidierung und zum Wiederaufbau nach Konflikten ausarbeiten ;

- eine berechenbare Finanzierung der ersten Wiederaufbautätigkeiten sicherstellen und für solide mittel- und langfristigen Investitionen sorgen ;

- gewährleisten, dass die internationale Gemeinschaft dem Wiederaufbau nach einem Konflikt länger als bisher ihre Aufmerksamkeit widmet ;

- beste Praktiken zu Fragen ausarbeiten, die eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Militär, humanitären und Entwicklungskreisen erfordert.

Quelle : Einstiegsseite der Website der Kommission für Friedenskonsolidierung, http://www.un.org/peace/peacebuilding/index.shtml.

3 Auf Antrag des Sicherheitsrates oder der Generalversammlung befasst sich die Kommission in Ausschüssen mit der Lage eines gegebenen Landes nach einem Konflikt. Auf der zweiten Tagung des Organisationskomitees der Kommission wurden die ersten beiden Ausschüsse dieser Art2 gebildet, nämlich am 12. Oktober 2006 der Ausschuss über Sierra Leone und am 13. Oktober 2006 jener betreffend Burundi. Diesen länderspezifischen Ausschüssen gehören neben Vertretern des betroffenen Landes und weiterer Staaten der Region auch die Länder an, die sich finanziell und/oder mit Militärpersonal am stärksten am Wiederaufbau des Landes beteiligen, sowie Vertreter der betroffenen regionalen Entwicklungsbank und der Bretton-Woods-Institutionen.

4 Die Beteiligung der multilateralen Finanzinstitutionen an der Arbeit der Ausschüsse soll den Zugang zu finanziellen Ressourcen gewährleisten, da der Mangel an Mitteln häufig eines der Haupthindernisse bei der Friedenskonsolidierung ist. Bis diese Finanzinstitutionen jedoch Mittel bereitstellen können, wurde die Schaffung eines multilateralen Friedenskonsolidierungsfonds vorgesehen. Dieser Fonds wurde am 11. Oktober 2006 vom UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzt. 23 Länder haben bereits Beiträge von insgesamt 142,6 Millionen Dollar zugesagt, darunter Norwegen und Schweden, die sich mit 30 bzw. 27 Millionen Dollar beteiligen. Der Fonds soll insgesamt mit 250 Millionen Dollar dotiert werden. Die Schweiz hat vorerst noch keine Zahlungen an den Fonds vorgesehen.

11.1.2. Friedensförderungspolitik der Schweiz : Bericht und Zahlen für 2005

5 Die schweizerische Friedenspolitik umfasst zwei Hauptkomponenten, die zivilen Mittel und die militärischen Mittel. Die zivilen Mittel werden im Rahmen der zivilen Konfliktbearbeitung umgesetzt, für die hauptsächlich die Politische Abteilung IV (PA IV) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zuständig ist. Die militärischen Mittel tragen zu den multilateralen Friedenserhaltungsoperationen bei und betreffen insbesondere das Kompetenzzentrum

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SWISSINT des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS).

6 Die Tätigkeiten des EDA im Bereich der zivilen Konfliktbearbeitung werden über einen Rahmenkredit finanziert und erfolgen auf der Grundlage des Bundesgesetzes über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte.

Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 11. 11.1.2. Zivile Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte, S. 182.

7 Laut dem Bericht 2005 zur zivilen Konfliktbearbeitung3 wurden im Jahr 2005 für Tätigkeiten in diesem Bereich rund 41,2 Millionen Franken4 (gegenüber knapp 40 Millionen im Vorjahr5) ausgegeben.

Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 9, 9.5.2. Bericht des Bundesrates über Massnahmen zur zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderung im Jahr 2005.

8 Obwohl die Ausgaben6 nach wie vor mehrheitlich auf spezifische Regionen entfallen (60 % im Jahr 2005), lässt sich doch feststellen, dass seit 2004 „die politischen Aktivitäten zugenommen haben. Diese Zunahme erfolgte nicht in einer bestimmten Region, sondern eher bei multilateralen Verhandlungen und diplomatischen Initiativen“7 (40% im Jahr 2005 gegenüber 35 % im Jahr 2004).

9 2005 war die Schweiz auf dem Gebiet der zivilen Konfliktbearbeitung – einschliesslich Gute Dienste und Vermittlung – in 13 Konfliktregionen aktiv. Die Wahl dieser Regionen hängt von den Interessen ab, für die die Schweiz dort im Rahmen ihrer Aussenpolitik eintreten will, und von ihrer Fähigkeit, einen entscheidenden Beitrag zu leisten. Zudem muss ihre Intervention dort erwünscht und sichtbar sein. Massnahmen in diesem Bereich betreffen humanitäre Minenräumung, Stärkung des Rechtsstaates, Vergangenheitsarbeit, Verfassungsfragen, Machtteilung und Föderalismus sowie Gewaltprävention.

Vergangenheitsarbeit und Übergangsjustiz

Die Vergangenheitsarbeit (dealing with the past) bezeichnet eine Etappe nach einem Gewaltkonflikt, in der auch die schlimmsten Vorkommnisse wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie das erlittene Leiden thematisiert und anerkannt werden. Dieser Prozess dient der Wahrheitsfindung und zielt auf die Versöhnung der gesamten Bevölkerung in den betroffenen Ländern zur Vermeidung künftiger Konflikte ab. Als Instrument der Friedenspolitik schlägt die Vergangenheitsarbeit eine Brücke zwischen Menschenrechten und Friedensförderung. Auf dieser Grundlage befasst sich die Übergangsjustiz (transitional justice) mit der Verurteilung der Verantwortlichen für Verbrechen, der Wiedergutmachung für Opfer sowie mit der erforderlichen institutionellen Reform, um die Ordnungskräfte von Elementen zu befreien, die mit Verstössen gegen die Menschenrechte in Verbindung gebracht werden (vetting). Damit wird auch dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (rule of law) Geltung verschafft.

Vergangenheitsarbeit und Übergangsjustiz sind zwei wichtige Komponenten der schweizerischen Politik zur zivilen Friedensförderung. Im Oktober 2005 führten die Politische Abteilung IV des EDA, Swisspeace und das International Center for

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Transitional Justice eine Tagung durch, an der die Grundsätze für den Einsatz dieses Instruments sowie die ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Übergangsjustiz erörtert, Erfahrungen ausgetauscht und gute Praktiken vorgestellt wurdena.

Auch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) hat die Vergangenheitsarbeit und die Übergangsjustiz als wichtige Bestandteile der Gewaltprävention identifiziert. Hierzu entwickelte sie die für einen konfliktsensiblen (conflict-sensitive) Ansatz in ihren Programmen der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe notwendigen Konzepteb.

Im November 2006 führte das Hilfswerk Fastenopfer seinerseits ein internationales Kolloquium durch. Dabei wurde der Frage nachgegangen, welche Bedeutung die kollektive Erinnerung in Bezug auf die Tragödien der Sklaverei und der Kolonisierung für die Menschenrechte der betroffenen Völker sowie für die Nord- Süd-Beziehungen hatc.

a Federal Department of Foreign Affairs (FDFA), Dealing with the Past and Transitional Justice : Creating Conditions for Peace, Human Rights and the Rule of Law, Conference Paper, Nr. 1, 2006, Bern, 193 S.

b Swiss Development Cooperation (SDC), Conflict-sensitive Programme Management CSPM : Integrating Conflict Sensitivity and Prevention of Violence into SDC Programmes, Bern, Januar 2006, 24 S.

c Fastenopfer/Action de Carême, „Mémoire et droits humains. Enjeux et perspectives pour les peuples d’Afrique et des Amériques“, von Fastenopfer und vom IUED in Genf organisiertes internationales Kolloquium, 23. und 24. November 2006.

10 Ein weiteres Instrument des Bundes ist der Schweizerische Expertenpool für zivile Friedensförderung. Von den 185 Mitgliedern des Pools, die 2005 zum Einsatz kamen, waren 70 Prozent im Rahmen internationaler Organisationen und 25 Prozent in bilateralen Programmen des EDA tätig.

11 Als Ergänzung zu ihren bilateralen Aktivitäten hat die Schweiz im Rahmen ihrer Friedenspolitik auch ein Netzwerk von Partnerschaften mit anderen Ländern sowie mit internationalen und nichtstaatlichen Organisationen geknüpft. Auf nationaler Ebene sind die Partnerschaften mit den drei Genfer Zentren8 als Beispiele zu nennen. Seit 2004 trägt das EDA jährlich mit mehr als 10 Millionen Franken aus ordentlichen Budgetmitteln zur Finanzieung dieser Zentren bei. Der Hauptanteil der Ausgaben der Zentren (2005 rund 19 Millionen Franken) wird über den Rahmenkredit für Massnahmen zur zivilen Friedensförderung im Rahmen des VBS finanziert. Mit rund 11 Millionen Franken aus diesem Kredit wurden 2005 noch weitere Aktivitäten der zivilen Friedensförderung, darunter jene des ISN9 in Zürich mit 7,5 Millionen Franken finanziert.

12 Die militärische Komponente der Friedenspolitik besteht hauptsächlich aus der Entsendung von Personal und Hilfsmaterial im Rahmen von Friedenserhaltungsoperationen. 2005 beliefen sich die Kosten für den Einsatz von Schweizer Armeeangehörigen im Ausland auf 42,1 Millionen Franken, wovon

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30,5 Millionen auf das Kontingent der Swiss Company im Kosovo (SWISSCOY) entfielen. Die restlichen Ausgaben dienten unter anderem zur Finanzierung von Militärbeobachtern (hauptsächlich im Mittleren Osten), der Schweizer Beteiligung an der EUFOR (European Union Force) in Bosnien-Herzegowina sowie von zahlreichen Experten im Kampf gegen Personenminen (siehe unten Punkt 11.4).

11.2. Sicherheitspolitik

13 Die Bedrohungen, mit denen sich die Schweiz seit Beginn der 90er Jahre konfrontiert sieht, sind nicht mehr nur rein militärischer Natur und zeichnen sich zumeist durch hohe Komplexität und starke Interdependenz aus. Unter dem Leitsatz „Sicherheit durch Kooperation“ liefert der Bericht über die Sicherheitspolitik aus dem Jahr 199910 eine Bestandsaufnahme dieser Bedrohungen.

Jahrbuch 2006, Nr. 2 (Dossier Frieden und Sicherheit : Herausforderungen für die internationale Zusammenarbeit), Xavier Tschumi Canosa, „Schweizerische Sicherheits- und Friedenspolitik : Strategierahmen und Aussagen der Akteure“, S. 151-169, siehe S. 157.

14 Aus sicherheitspolitischer Sicht sind die Proliferation von Massenvernichtungswaffen und der illegale Handel mit Kleinwaffen zu den aktuellsten Bedrohungen für die Schweiz zu zählen (siehe unten).

15 Getreu dem Motto des Berichts pflegt die Schweiz auf multilateraler Ebene die Kooperation in verschiedenen Sicherheitsorganisationen, vornehmlich in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und in der NATO- Partnerschaft für den Frieden (PfP).

11.2.1. Multilaterale Organisationen im Bereich der Sicherheit (OSZE und PfP)

16 Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist ein Sicherheitsorgan, das in Ost- und Südosteuropa sowie in Zentralasien aktiv ist. Nach dem Beitritt der Republik Montenegro am 21. Juni 2006 zählte die OSZE Ende 2006 56 Mitgliedsstaaten, darunter auch die Schweiz.

17 Die 14. Tagung des Ministerrats der OSZE vom 4. und 5. Dezember 2006 in Brüssel war schwerpunktmässig den laufenden Reformen der Organisation gewidmet. In ihrer Erklärung11 plädierte die Leiterin der Schweizer Delegation für eine Prioritätensetzung unter sämtlichen Aktivitäten der OSZE, ohne dabei jedoch die drei von der Organisation definierten Dimensionen der Sicherheit12 infrage zu stellen. Ferner betonte sie die aus Schweizer Sicht grosse Bedeutung des Büros für Menschenrechte und demokratische Institutionen, dessen Tätigkeiten zur Stärkung von Vertrauen und Sicherheit sowie zur Konfliktverhütung ihres Erachtens noch weiterentwickelt werden sollten. Die Schweiz ist zudem der Ansicht, dass die Organisation mangels einer solchen Schwerpunktsetzung immer mehr sicherheitsbezogene Fragen zu bearbeiteten haben werde, wodurch es für die Schweiz als Kleinstaat schwierig werde, an allen Sitzungen mit Sachverständigen vertreten zu sein.

18 Die Teilnahme der Schweiz am Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat (EAPC) und an der Partnerschaft für den Frieden (PfP) ist Gegenstand eines jährlichen Berichts des

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Bundesrates. Der neueste Bericht bezieht sich auf das Jahr 200513. Im Berichtsjahr beliefen sich die Ausgaben für diese Teilnahme auf 4,3 Millionen Franken.

19 Auf dem Gebiet der zivilen Kooperation führte die Schweiz 2005 mehrere Seminare und Workshops zum Thema Terrorismus und insbesondere zur Finanzierung des Terrorismus durch. Ferner leistete sie finanzielle Unterstützung für zwei Projekte von Treuhandfonds, einen zur Vernichtung von Kleinwaffen- und Munitionsbeständen in der Ukraine und einen zur Zerstörung von Blindgängern in Aserbaidschan. Bei der militärischen Zusammenarbeit sind unter anderem die Bestrebungen der Schweiz zu nennen, die Interoperabilität mit anderen Streitkräften im Hinblick auf Friedensförderungseinsätze und die humanitäre Hilfe zu verbessern. Darüber hinaus unterstützte sie den Aufbau eines regionalen Kommunikationstrainingszentrums in Mazedonien.

11.2.2. Massenvernichtungswaffen : Position der Schweiz

20 Für den 1968 unterzeichneten und 1970 in Kraft getretenen Atomwaffensperrvertrag war 2006 ein schwarzes Jahr : Im April wurden Vermutungen über die Inbetriebnahme einer iranischen Urananreicherungsanlage laut, und im Oktober führte Nordkorea seinen ersten Atomwaffentest durch. Es waren die wohl deutlichsten Hinweise auf Verstösse gegen den Atomwaffensperrvertrag seit 1998, als Indien und Pakistan jeweils eigene Atomwaffentests durchführten. Ein Beobachter äusserte sogar die Befürchtung, das gesamte Regelwerk in Bezug auf die Nonproliferation könnte zusammenbrechen, falls Teheran mit Pjöngjang gleichziehe14.

21 Im Dezember 2006 beschloss der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen den Iran, die so lange aufrechterhalten werden sollen, bis das Land den Forderungen der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) in Bezug auf seine Nukleartätigkeiten nachkommt15. In seiner Resolution ruft der Sicherheitsrat sämtliche Bemühungen in Erinnerung, die im Vorfeld von der internationalen Staatengemeinschaft eingeleitet worden waren, und insbesondere das Angebot der Sechs16, welches darauf abzielte, den Iran zur Suspendierung der Urananreicherung zu bewegen, und als Gegenleistung Handelsvorteile und ein Entgegenkommen bei der Anerkennung der iranischen Sicherheitsbedürfnisse vorsah. Am 8. Juli 2006 traf sich Bundesrätin Micheline Calmy- Rey mit dem iranischen Chefunterhändler Ali Larjani in Bern. Sie bot ihre Unterstützung bei der Beilegung der Krise und bei der Suche nach einer Verhandlungslösung an. In dieser Frage vertritt die Schweiz den Standpunkt, dass die Nonproliferation und die nukleare Abrüstung verteidigt werden müssen, dass aber jedem Land das Recht zuerkannt werden sollte, die Nuklearenergie für zivile Zwecke zu nutzen.

22 Der Atomwaffenversuch Nordkoreas wurde von der internationalen Staatengemeinschaft, einschliesslich der Schweiz, einstimmig verurteilt. Für die Schweiz stellt der Versuch „eine Bedrohung für die Sicherheit in der Region dar und [könnte] zu einem regionalen Wettrüsten führen“17. Ferner kündigte die Schweiz an, sie werde allfällige – auch verbindliche – Sanktionen des Sicherheitsrates gegen Nordkorea mittragen. Zwei Tage später bekräftigte der ständige Vertreter der Schweiz bei der UNO, Peter Maurer, diese Position vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Die Sanktionen gegen Nordkorea wurden vom Sicherheitsrat am 14. Oktober 2006 beschlossen18. Die Schweiz schloss sich diesem Beschluss am 25. Oktober an,

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namentlich durch das Verbot der Aus- oder Einfuhr von schwerem Kriegsmaterial oder von Technologien, die im Zusammenhang mit Massenvernichtungswaffen genutzt werden könnten. Laut EDA19 ist nach diesem Entscheid der Schweiz noch offen, ob der seit 2003 gepflegte politische Dialog zwischen den beiden Ländern fortgesetzt werde, in dessen Rahmen einmal jährlich abwechselnd in einer der beiden Hauptstädte Bern und Pjöngjang Gespräche abgehalten werden.

11.3. Kampf gegen Klein- und Leichtwaffen

11.3.1. Aktionsprogramm über den illegalen Handel mit Klein- und Leichtwaffen ; neues Instrument zur Identifizierung und Markierung dieser Waffen

23 Das Aktionsprogramm über sämtliche Aspekte der Verhütung, Bekämpfung und Beseitigung des illegalen Handels mit Klein- und Leichtwaffen (Small Arms and Light Weapons, SALW) war im Juli 2001 beschlossen worden. Fünf Jahre danach befasste sich die erste Konferenz zur Prüfung dieses Programms vom 26. Juni bis 7. Juli 2006 mit den erzielten Fortschritten und verhandelte über Massnahmen, die zur Stärkung des Aktionsprogramms erforderlich sind. In der Tat handelt es sich bei diesem Programm um ein nicht verbindliches Instrument, das auch nicht alle Aspekte der Problematik hinreichend umfasst.

24 Obwohl seit 2001 etwa 50 Staaten ihre Gesetzgebung über illegale SALW verschärft und rund 60 Länder umfangreiche Waffenbestände vernichtet haben, kam keine Einigung über ein Abschlussdokument der Konferenz zustande.

25 Trotz dieses von UN-Generalsekretär Kofi Annan bedauerten Misserfolgs wurden im Verlauf der Konferenz Verhandlungen zu verschiedenen Themenbereichen durchgeführt, die das Aktionsprogramm bereichern dürften. Aus Schweizer Sicht sind drei davon besonders wichtig20 : • Stärkung der Durchsetzung der derzeit im Aktionsprogramm festgehaltenen Verpflichtungen : Zwar sieht das Programm Massnahmen zur Unterstützung und zur Zusammenarbeit bei der Umsetzung vor, doch wurde kein entsprechender Mechanismus definiert. Die Einsetzung eines solchen Mechanismus könnte im Rahmen von Zusammenkünften von Regierungsexperten erfolgen, die zwischen den Zweijahrestagungen zur Prüfung des Aktionsprogramms stattfinden. • Ausarbeitung internationaler Normen : Ausgehend vom internationalen Instrument zur Identifizierung und Markierung illegaler SALW (Rückverfolgungsinstrument, siehe unten) könnten weitere internationale Normen insbesondere über die Überwachung der Ausfuhren solcher Waffen (Transferkontrolle), über ihre Vermittlung sowie über die Endbenutzerzertifikate vereinbart werden. • Erweiterung des Aktionsprogramms : Es sind unverzüglich Verhandlungen über gewisse Fragen anzuberaumen, die durch das Aktionsprogramm nur unzureichend berücksichtigt werden, namentlich über den missbräuchlichen Einsatz von SALW durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppierungen, über den annehmbaren oder unannehmbaren Einsatz solcher Waffen durch staatliche Ordnungskräfte, über die negativen Folgen dieser Waffen auf die humanitäre Situation und die Entwicklung sowie über den illegalen Handel mit Munition.

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26 Das internationale Instrument zur Identifizierung und Markierung illegaler SALW (Rückverfolgungsinstrument) war im Dezember 2005 von der UN-Generalversammlung verabschiedet worden. Es ist für sämtliche Mitgliedsstaaten der UNO verbindlich und konkretisiert internationale Normen in Bezug auf die Kennzeichnung solcher Waffen und die Aufbewahrung von einschlägigen Informationen. Small Arms Survey widmet diesem Instrument in seinem Jahresbericht 2006 ein ganzes Kapitel. Darin wird sein Inhalt im Detail erörtert und die damit verbundene Standardisierung auf nationaler Ebene analysiert21.

11.3.2. Ministerkonferenz zu Waffengewalt und Entwicklung (Genf, 7. Juni 2006)

27 Die Schweiz und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) beriefen am 7. Juni 2006 48 Länder zu einer Ministerkonferenz in Genf ein, die dem Thema „Waffengewalt und Entwicklung“ gewidmet war. Die Konferenz mündete in eine von 42 Staaten unterzeichnete Deklaration (Genfer Deklaration zu Waffengewalt und Entwicklung). Seither wurde die Deklaration durch sechs weitere Länder unterzeichnet. Die Schweiz wie auch das UNDP waren der Auffassung, dass die Beziehung zwischen durch Kleinwaffen hervorgerufener Gewalt und Entwickung ein wichtiges Thema unter dem Gesichtspunkt menschlicher Sicherheit darstelle, und dass diese Problematik in einem geeigneten Rahmen zur Sprache gebracht werden sollte.

28 Die Genfer Erklärung bezieht sich zwar nicht nur auf die SALW-Problematik, misst dieser aber sehr grosses Gewicht bei, wie auch den Massnahmen, welche die Unterzeichnerstaaten der Erklärung in Verbindung mit den Massnahmen des Aktionsprogramms durchführen wollen (siehe oben Punkt 11.3.1). Die Schweiz hat die Erklärung den Vertretern der Teilnehmerstaaten an der Fortschrittskonferenz zum Aktionsprogramm offiziell präsentiert22.

29 Die Unterzeichnerstaaten der Genfer Erklärung haben sich zum Ziel gesetzt, die Waffengewalt bis zum Jahr 2015 zu vermindern. In ihrer Eröffnungsansprache zur Ministerkonferenz erinnerte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey daran, dass am Millennium+5-Gipfel die engen Wechselbeziehungen zwischen Frieden, Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechten anerkannt worden waren, und dass den Faktoren und den Instrumenten der Waffengewalt grössere Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse.

11.4. Personenminen, sonstige Landminen und explosive Kriegsmunitionsrückstände

11.4.1. 7. Tagung der Vertragsparteien der Ottawa-Konvention über das Verbot von Personenminen (Genf, 18.-22. September 2006)

30 Das Übereinkommen von Ottawa über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Personenminen und über deren Vernichtung trat im März 1999 in Kraft und zählte am 1. September 2006 151 Vertragsparteien, darunter auch die Schweiz. An ihren jährlichen Tagungen beurteilen die Vertragsparteien die Fortschritte, die in Bezug auf die vier Hauptziele der Konvention23 erzielt wurden. Seit

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2005 ist zudem ein Teil der Tagung der Festlegung von Prioritäten gewidmet, welche die Einhaltung des Aktionsplans von Nairobi ermöglichen sollen, der anlässlich der ersten Überprüfungskonferenz zur Konvention Ende 2004 in Nairobi verabschiedet worden war.

Jahrbuch 2005, Nr. 1, Kapitel 11. 11.3.2. Konferenz zur Überprüfung der Ottawa-Konvention über die Personenminen, S. 187.

31 Die 7. Tagung der Vertragsparteien des Übereinkommens fand vom 18. bis 22. September 2006 in Genf statt. Botschafter Anton Thalmann eröffnete die Konferenz im Namen des Bundesrates.

32 Statt in eine politische Erklärung mündete diese Tagung in einen Bericht über die seit der letzten Tagung im Jahr 2005 erzielten Fortschritte und die Herausforderungen, die bis zur nächsten Konferenz im Jahr 2007 zu bewältigen sind24. Sämtliche Verhandlungen fanden vor dem Hintergrund der für 2009 vorgesehenen zweiten Überprüfungskonferenz statt, denn bis dahin müssen die Zielsetzungen des Aktionsplans von Nairobi erfüllt sein. Die grösste Herausforderung für die Vertragsparteien des Übereinkommens ist zweifellos die Beseitigung der Personenminen in verminten Gebieten. 45 Länder haben sich verpflichtet, Minenräumungsoperationen durchzuführen, davon 21 Länder noch vor 2009. Die Schweiz verpflichtete sich, einige der Länder bei diesem Unterfangen zu unterstützen, insbesondere im Rahmen von Beratungen durch das Internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) bezüglich der Übertragung internationaler Normen zum Kampf gegen Minen in nationale Standards.

33 Im Rahmen der Tagung wurden ferner zwei Querschnittsthemen behandelt, die aus der Sicht der Schweiz wie auch in Bezug auf die Entwicklung als exemplarisch gelten : der Zusammenhang zwischen dem Kampf gegen Minen und der Entwicklung, und die Rolle nichtstaatlicher Akteure in der Problematik der Personenminen.

34 Tatsächlich situiert sich der Kampf gegen Minen am Schnittpunkt von humanitärer Hilfe, Friedens- und Sicherheitsfragen und Entwicklungszusammenarbeit. Dies gilt in besonderem Masse für Nachkonfliktphasen. Durch die Einbettung des Kampfs gegen Minen in die Entwicklungsarbeit werden die durch Minen verursachten sozioökonomischen Kosten in den Vordergrund gerückt. Auf die Initiative Kanadas und des in Genf ansässigen GICHD fanden im Juni und Dezember 2005 sowie im Mai 2006 informelle Gespräche zu diesem Thema statt. Im Anschluss daran wurde innerhalb der Konvention eine Kontaktgruppe mit dem Ziel eingesetzt, Richtlinien und praktische Hilfsmittel bereitzustellen, um die Integration des Kampfs gegen Minen in die Entwicklungstätigkeit zu erleichtern. Ein weiteres wichtiges Anliegen der Gespräche war es, den Zusammenhang zwischen diesen beiden Aspekten im Arbeitsprogramm 2007-2008 des Entwicklungshilfeausschusses der OECD (DAC) stärker zu verankern und auf diese Weise dafür zu sorgen, dass die Mitglieder die Problematik der Minen und explosiven Kriegsmunitionsrückstände in ihre Entwicklungs- und Sicherheitspolitiken einfliessen lassen.

11.4.2. Personenminen und nichtstaatliche bewaffnete Akteure

35 Obwohl die Konvention in erster Linie die Staaten in die Pflicht nimmt, waren nichtstaatliche bewaffnete Akteure und Minen ein wichtiges Querschnittsthema bei

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den Diskussionen an der Tagung der Vertragsparteien. Mit der Ratifizierung des Übereinkommens von Ottawa haben sich die Staaten verpflichtet, ihr gesamtes Territorium zu entminen, einschliesslich gegebenenfalls jener Gebiete, die von nichtstaatlichen Gruppierungen kontrolliert werden. Darüber hinaus sind die Staaten aufgefordert, Einsätze zugunsten der von Minen betroffenen Bevölkerung in solchen Gebieten zu bewilligen.

36 Die Organisation Appell von Genf (Geneva Call), die sich für die Achtung humanitärer Normen und besonders für die Einhaltung des Personenminenverbots durch nichtstaatliche bewaffnete Akteure einsetzt, legte an der Tagung ein Arbeitsdokument vor. Dieses befasst sich mit der Frage, inwiefern diese Akteure die Fähigkeit des Staates, in dem sie vorgehen, beeinflussen, seinen Pflichten aus dem Ottawa-Übereinkommen nachzukommen bzw. solche Verpflichtungen überhaupt erst einzugehen25. Anhand einer Untersuchung verschiedener konkreter Fälle gelangt das Dokument zum Schluss, dass ein Vertragsstaat des Übereinkommens von Ottawa, auf dessen Territorium Gebiete durch nichtstaatliche bewaffnete Akteure vermint wurden, nur noch eingeschränkt in der Lage ist, die Verpflichtungen des Übereinkommens zu erfüllen. Desgleichen könnte ein Staat, der dem Übereinkommen noch nicht beigetreten ist, durch ein derartiges Verhalten seitens nichtstaatlicher Akteure davon abgehalten werden, sich durch solche Verpflichtungen zu binden. Diese beiden Schlussfolgerungen bestätigen sich gegenseitig und plädieren für die Einbindung nichtstaatlicher bewaffneter Akteure in den Kampf gegen Personenminen, namentlich durch die Unterzeichnung der Verpflichtungsurkunde des Appells von Genf.

& Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 11, 11.4.2. Erste Tagung der Unterzeichner der Verpflichtungsurkunde des Appells von Genf, S. 191-192.

37 Darüber hinaus untersuchte der Appell von Genf in zwei getrennten Berichten die dialektische Rolle der nichtstaatlichen bewaffneten Akteure in der Problematik der Personenminen. Der erste Bericht war im November 2005 anlässlich der 6. Tagung der Vertragsparteien der Ottawa-Konvention in Zagreb vorgestellt worden26. Ausgehend von einer Untersuchung der Praktiken von rund 60 nichtstaatlichen bewaffnete Gruppierungen betreffend den Einsatz und Erwerb sowie die Herstellung, Weitergabe und Lagerung von Personenminen zeigt der Bericht auf, dass sich diese Gruppen der langfristigen Folgen der Verwendung von Personenminen häufig nicht bewusst sind, und dass geeignete Kommunikationskanäle gefunden werden müssen, um die Problematik mit den einzelnen Gruppierungen zu erörtern. Der zweite Bericht wurde im November 2006 an der Überprüfungskonferenz der Konvention über konventionelle Waffen präsentiert27. Der Bericht befasst sich mit der – in diesem Fall positiven – Rolle der nichtstaatlichen bewaffneten Akteure im Kampf gegen Minen und gelangt zum Schluss, dass es nicht nur möglich ist, solche Akteure am Kampf gegen Minen zu beteiligen, sondern dass ein solches Engagement auch von Vorteil ist, da dank der Unterstützung seitens dieser Akteure die humanitären Auswirkungen der Personenminen in den von ihnen kontrollierten Gebieten verringert werden können.

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11.4.3. Ratifizierung des Protokolls über explosive Kriegsmunitionsrückstände

38 Ausgehend von der Botschaft des Bundesrates vom 17. August 2005 wurde der Entwurf des Bundesbeschlusses betreffend das Protokoll V über explosive Kriegsmunitionsrückstände28 am 15. Dezember 2005 vom Ständerat und am 9. Mai 2006 vom Nationalrat gutgeheissen. Das Protokoll verpflichtet die Vertragsstaaten, im Anschluss an bewaffnete Auseinandersetzungen sämtliche explosiven Kriegsmunitionsrückstände zu beseitigen, setzt allerdings keine konkrete Frist fest.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 11, 11.4.3. Botschaft betreffend das Protokoll über explosive Kriegsmunitionsrückstände, S. 192-194.

39 Am 12. Mai 2006 wurde die Ratifikationsurkunde zum Protokoll V des Übereinkommens von 1980 über bestimmte konventionelle Waffen vom ständigen Vertreter der Schweiz bei den Vereinten Nationen, Peter Maurer, beim UN-Sekretariat in New York hinterlegt. Die Schweiz war das 20. Land, welches das 2003 unterzeichnete Protokoll ratifizierte, und ermöglichte dadurch sein In-Kraft-Treten am 12. November 2006 anlässlich der dritten Überprüfungskonferenz des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermässige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können.

40 Diese Überprüfungskonferenz, die vom 7. bis 17. November 2006 in Genf tagte, befasste sich hauptsächlich mit der Frage eines internationalen Instruments betreffend die humanitären Folgen von explosiven Kriegsmunitionsrückständen, insbesondere Streumunition. Die Schweiz hatte bereits an der vorangegangenen Überprüfungskonferenz im Jahr 2001 eine Regelung über Streumunition vorgeschlagen. Im Rahmen der dritten Überprüfungskonferenz schloss sie sich einer Gruppe von 30 Ländern (von den insgesamt 102 Vertragsstaaten des Übereinkommens) an, welche vorschlugen, „eine Arbeitsgruppe zu bilden mit dem Mandat, Verhandlungen über einen rechtlich bindenden Vertrag aufzunehmen, mit dem die humanitären Probleme angegangen werden könnten, die durch gewisse Arten von Streumunition entstehen“29. Dieser Vorschlag wurde von den Vertragsparteien schliesslich akzeptiert, die somit die Notwendigkeit anerkennen, die durch solche Munitionsarten verursachten menschlichen Kosten zu vermindern. Eine politische Erklärung in diesem Sinne wurde zum Abschluss der Konferenz von 20 Staaten unterzeichnet, darunter auch die Schweiz30.

41 Allerdings beabsichtigt die Schweiz nicht, Waffen mit Streumunition in der nationalen Gesetzgebung (insbesondere im Bundesgesetz über Kriegsmaterial) zu verbieten. Im Dezember 2005 hatte der freisinnige Genfer Nationalrat John Dupraz eine parlamentarische Initiative eingereicht, die eine entsprechende Gesetzesrevision anstrebte31. Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates, die sich am 2. Juni mit dem Vorstoss befasste, beantragte jedoch mit 14 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung, nicht auf die Initiative einzutreten. Ende 2006 war die Vorlage von den Eidgenössischen Räten noch nicht behandelt worden.

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BIBLIOGRAPHY

QUELLEN

The Weapon Mass Destruction Commission, Weapons of Terror : Freeing the World of Nuclear, Biological and Chemical Arms, Stockholm, 2006, 228 S. (Kommission unter dem Vorsitz von Hans Blix), http://www.wmdcommission.org.

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Frieden und Menschenrechte in der schweizerischen Aussenpolitik, Bericht 2005 über Massnahmen zur zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderung, genehmigt vom Bundesrat am 31. Mai 2006, 26 S.

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Jahresbericht 2005 des Bundesrates über die Teilnahme der Schweiz am Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat und an der Partnerschaft für den Frieden, Bern, 12. April 2006, 15 S.

Le Temps, „Les mines antipersonnel, facteur de sous-développement“, Eclairages, 18. September 2006.

INTERNET-ADRESSEN

Appell von Genf (Geneva Call) : http://www.genevacall.org.

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) : http://www.eda.admin.ch

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) : http:// www.vbs.admin.ch.

Internationales Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) : http://www.gichd.ch.

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) : http://www.osce.org.

Partnerschaft für den Frieden (PfP) – Internetseite der Bundesverwaltung : http:// www.pfp.admin.ch.

Schweizer Mission bei der NATO (Partnerschaft für den Frieden) : http://www.nato.int/pfp/ch.

Small Arms Survey : http://www.smallarmssurvey.org.

United Nations Mine Action Service (UNMAS) : http://www.mineaction.org.

Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF) : http://www.dcaf.ch.

Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) : http://www.gcsp.ch.

NOTES

1. Gemäss der Resolution werden sieben Mitglieder vom Sicherheitsrat gewählt (darunter die fünf ständigen Mitglieder), sieben von der Generalversammlung, sieben vom Wirtschafts- und Sozialrat, fünf unter den zehn wichtigsten Beitragszahlern der UNO und zehn unter den Staaten, die am meisten Militär- oder Polizeipersonal für Friedenserhaltungsmissionen der UNO stellen.

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2. Auch „Konfigurationen“ genannt. 3. EDA, Frieden und Menschenrechte in der schweizerischen Aussenpolitik, Bericht 2005 über Massnahmen zur zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderung, genehmigt vom Bundesrat am 31. Mai 2006, 26 S. 4. Gemäss dem Bericht entfielen 86 % des Gesamtbetrags von 47,88 Millionen Franken auf Tätigkeiten der zivilen Konfliktbearbeitung und 14 % auf die Förderung der Menschenrechte. 5. Laut Bericht wurden im Jahr 2004 87 % des Gesamtbetrags von 45,85 Millionen Franken für die zivile Konfliktbearbeitung und 13 % für die Förderung der Menschenrechte verwendet. 6. Einschliesslich der Aufwendungen für die Förderung der Menschenrechte. 7. Bundesrat, Bericht 2005 über Massnahmen zur zivilen Konfliktbearbeitung, op. cit., S. 7. 8. Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP, Kurs- und Ausbildungsangebot) ; Internationales Zent rum für humanitäre Minenräumung (GICHD, Entminungsverfahren und -technologien, Unterstützung bei der Umsetzung der Ottawa-Konvention) ; Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF, Forschung und Beratung über die zivile Kontrolle von Streitkräften). 9. International Relations and Security Network der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Gutachten und Informationsaufbereitung auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik und der internationalen Beziehungen). 10. Bundesrat, Sicherheit durch Kooperation. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (SIPOL 2000) vom 7. Juni 1999 (BBl 1999 7657). 11. Statement by Ambassador Heidi Tagliavini, Deputy State Secretary and Head of the Delegation of Switzerland, at the Fourteenth Meeting of the OSCE Ministerial Council, Brussels, 4. Dezember 2006, Doc. MC.DEL/36/06, verfügbar unter http://www.osce.org/conferences/mc_2006.html. 12. Politisch-militärische Sicherheit, ökonomische und ökologische Sicherheit, menschliche Sicherheit. 13. VBS/EDA, Jahresbericht 2005 des Bundesrates über die Teilnahme der Schweiz am Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat und an der Partnerschaft für den Frieden, Bern, 12. April 2006, 15 S., verfügbar unter http://www.pfp.admin.ch. 14. „Si l’Iran devait franchir le pas …“, Beitrag von François Heibourg in Le Temps, 10. Oktober 2006. 15. United Nations Security Council, Resolution 1737 (2006) adopted by the Security Council at its 5612th meeting, on 23 December 2006, Doc. S/RES/1737 (2006). 16. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und Deutschland. 17. EDA,”Die Schweiz verurteilt den von der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) durchgeführten Kernwaffenversuch”, Medienmitteilung, 9. Oktober 2006. 18. United Nations Security Council, Resolution 1718 (2006) adopted by the Security Council at its 5551st meeting, on 14 October 2006, Doc. S/RES/1718 (2006). 19. Swissinfo, Nordkorea : Schweiz schliesst sich Sanktionen an, 15. Oktober 2006. 20. Statement by Ambassador Jürg Streuli, Permanent Representative of Switzerland to the Conference on Disarmament, Geneva, Preparatory Committee for the United Nations Conference to Review Progress Made in the Implementation of the Programme of Action to Prevent, Combat and Eradicate the Illicit Trade in Small Arms an Light Weapons in All Its Aspects, General Debate, New York, 11. Januar 2006. 21. Small Arms Survey, Small Arms Survey 2006 : Unfinished Business, Kapitel 4 : „Connecting the Dots : The International Tracing Instrument“, Geneva, HEI, 2006. Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel in deutscher Sprache sind auf folgender Internetseite verfügbar : http:// www.smallarmssurvey.org. 22. Letter dated 16 June 2006 from the Permanent Representative of Switzerland to the United Nations addressed to the secretariat of the United Nations Conference to Review Progress made in the Implementation of the Programme of Action to Prevent, Combat and Eradicate the Illicit Trade in Small

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Arms and Light Weapons in All Its Aspects, Preparatory Committee for the United Nations Conference to Review Progress made in the Implementation of the Programme of Action to Prevent, Combat and Eradicate the Illicit Trade in Small Arms and Light Weapons in All Its Aspects, Doc. A/CONF.192/2006/RC/2. 23. Durch den Beitritt aller Staaten dem Übereinkommen universelle Gültigkeit verleihen, Lagerbestände von Personenminen zerstören, verminte Gebiete räumen und Minenopfern helfen. 24. Achieving the Aims of the Nairobi Action Plan : The Geneva Progress Report 2005-2006, Meeting of the State Parties to the Convention on the Prohibition of the Use, Stockpiling, Production and Transfer of Anti-personnel Mines and on Their Destruction, Doc. APLC/MSP.7/2006/L.2, 23. August 2006. Der Bericht in englischer Sprache ist auf der Internetseite der Ottawa-Konvention verfügbar unter http://www.apminebanconvention.org. 25. Geneva Call, The Impact of Armed Non-State Actors on the Mine Ban Treaty : Research and Analysis by Geneva Call, working paper presented at the 7th Meeting of States Parties to the Mine Ban Treaty, Genf, 18.-22. September 2006, 11 S. 26. Geneva Call and the Program for the Study of International Organization(s), Armed Non-State Actors and Landmines, Vol. I, A Global ReportProfiling NSAs and Their Use, Acquisition, Production, Transfer and Stockpiling of Landmines, Genf, 2005, 150 S. 27. Geneva Call and the Program for the Study of International Organization(s), Armed Non-State Actors and Landmines, Vol. II, A Global Report of NSA Mine Action, Genf, 2006, 146 S. 28. Bundesbeschluss vom 9. Mai 2006 betreffend das Protokoll vom 28. November 2003 über explosive Kriegsmunitionsrückstände (Protokoll V) zum Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermässige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (BBl 2006 4441). 29. EDA, “Konferenz über inhumane konventionelle Waffen: Die Schweiz bekräftigt ihren Willen zu einer internationalen Regelung über Streumunition”, Medienmitteilung, 17. November 2006. 30. Der Wortlaut der Erklärung ist der Medienmitteilung des EDA vom 17. November 2006 als Anhang beigefügt. 31. 05.452 Parlamentarische Initiative. Revision des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial, von John Dupraz am 7. Dezember 2005 im Nationalrat eingereicht. Siehe http://www.parlament.ch >Curia Vista/Geschäftsdatenbank >Suche nach Vorstössen und Geschäften.

ABSTRACTS

Die Friedenskonsolidierungskommission wurde zwar formell bereits im Dezember 2005 gegründet, konnte ihre Arbeit aber erst 2006 aufnehmen, nachdem ihre Mitglieder bestimmt worden waren. Sie befasste sich zunächst mit der Lage in Sierra Leone und Burundi. Die Schweiz wird vorläufig nicht in der Kommission vertreten sein, da sie nicht zu den zehn wichtigsten Beitragszahlern zum UN-Haushalt zählt. Im Sicherheitsbereich setzt die Schweiz ihre Politik multilateraler Zusammenarbeit namentlich im Rahmen der OSZE und der UNO fort. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit im Jahr 2006 waren die Finanzierung des Terrorismus, die Nonproliferation von Massenvernichtungswaffen und der illegale Handel mit Kleinwaffen. Diese Themen zählen zu den Bedrohungen, welche die Schweiz in ihrem sicherheitspolitischen Bericht von 1999 identifiziert hatte.

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Die Aktivitäten der Schweiz hinsichtlich der zivilen Konfliktbewältigung wurden 2005 fortgesetzt und über einen entsprechenden Rahmenkredit finanziert. In Bezug auf die Personenminen und sonstigen Landminen ratifizierte die Schweiz im Mai 2006 das Protokoll über explosive Kriegsmunitionsrückstände und ermöglichte damit dessen In-Kraft- Treten. Die Schweiz setzte sich zudem mit Nachdruck für den Abschluss eines verbindlichen Instruments über die humanitären Folgen von Streumunition im Rahmen der Konvention über bestimmte konventionelle Waffen ein, zu der das Protokoll gehört.

AUTHOR

XAVIER TSCHUMI CANOSA Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IUED.

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12. Asylpolitik und Migrationsfragen

Rosita Fibbi

12.1. Internationale Migrationspolitik

12.1.1. Internationale Entwicklungen

Hochrangiger Dialog über Migration und Entwicklung bei den Vereinten Nationen

1 Der Bericht der Global Commission on International Migration (GCIM), welche von der UNO den Auftrag erhalten hatte, die öffentliche Diskussion über die Bewältigung der Migration zu fördern, wurde im Herbst 2005 veröffentlicht und stiess auf grosses Interesse.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 12, 12.1.1. Global Commission on International Migration, S. 197-198.

2 Die Schweiz hatte diese erste gross angelegte Initiative der UNO zum Thema „Migration“ mit Entschiedenheit unterstützt. Die GCIM mit Sitz in Genf wurde inzwischen von anderen Initiativen abgelöst : Die Vereinten Nationen leiteten im September 2006 in New York einen hochrangigen Dialog über internationale Migration und Entwicklung ein. So hat sich die UN-Generalversammlung erstmals mit der Migrationsfrage auseinandergesetzt.

3 Die Arbeiten in New York führten zur Schaffung des Weltforums über Migrationen und Entwicklung, in dem die Regierungen ihre politischen Aktivitäten in Bezug auf Migrationsfragen untersuchen und vergleichen können. Es soll ein konsultatives, informelles und freiwilliges Gremium sein, keine zwischenstaatliche Kommission, die Verhandlungen führt und Empfehlungen abgibt. Das erste Treffen des Forums findet 2007 in Belgien statt.

4 Die Europäische Union und die Gruppe der 77 (G-77), wie auch die Schweiz unterstützten den Vorschlag von UN-Generalsekretär Kofi Annan zur Schaffung dieses

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ständigen Gremiums. Der Generalsekretär hatte im Januar 2006 den früheren Direktor des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) und der Welthandelsorganisation (WTO), Peter Sutherland, zu seinem Vertreter für Migration und Entwicklung ernannt.

12.1.2. Entwicklungen auf europäischer Ebene

Die Frage der „Illegalen“ auf der Tagesordnung

5 DasSchweizerische Jahrbuch für Entwicklungspolitik hat sich mit der Frage der Sans-Papiers unter dem Blickwinkel der Schweizer Innenpolitik bereits 2005 beschäftigt.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 12, 12.3.3. Sans-Papiers : ein landesweites Phänomen, S. 212.

6 2006 wurde die Frage aus aktuellem Anlass in einem weiter gefassten Kontext erneut aufgenommen, diesmal auf internationaler Ebene. Grund war der Versuch vieler Afrikaner, über Libyen, Italien, Griechenland und vor allem über die Kanarischen Inseln nach Europa zu gelangen. Im ersten Halbjahr 2006 waren es laut der Internationalen Organisation für Migration bereits 10 000, zweimal mehr als im Vorjahr. Die Organisation schätzt den Anteil der illegalen Migranten, die bei ihrem Versuch, mit behelfsmässigen Mitteln nach Europa zu gelangen, das Leben verlieren, als sehr hoch ein. Wegen der Spannungen im Jahr 2005, als zahlreiche Personen aus Afrika südlich der Sahara über die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla auf marokkanischem Hoheitsgebiet den Weg nach Europa zu erzwingen versuchten, wichen immer mehr Migranten auf den Seeweg aus.

7 Angesichts dieser Geschehnisse führten Spanien und Marokko im Juli 2006 die euro- afrikanische Ministerkonferenz über Migration und Entwicklung durch. Es war der einzige grössere Schritt im Migrationsbereich, der von der Europäischen Kommission aktiv unterstützt wurde1. Siebenundfünfzig Länder nahmen an der Konferenz teil, darunter auch die Schweiz. Frankreich und Spanien forderten, dass mit Afrika zusammen „ein Modell kontrollierter Migration“ in Richtung Europa erarbeitet werde, das „für beide Seiten nutzbringend“ sein sollte.

8 Die Konferenz mündete in ein Aktionsprogramm. Dieses beruht auf der Überzeugung, dass der Umgang mit der Migration zwischen Afrika und Europa in eine Partnerschaft zur Armutsbekämpfung und zur Förderung einer nachhaltigen und gemeinsamen Entwicklung eingebettet werden sollte. Das Programm betont die positiven Aspekte der Migration : Es will afrikanischen Studierenden den Zugang zu Universitäten und Elite- Hochschulen erleichtern, ein euro-afrikanisches Geschäftsforum schaffen und Unternehmer-Migranten dabei helfen, wirtschaftliche Aktivitäten aufzubauen. Ferner sollen Programme der Zusammenarbeit zur Bewältigung der legalen Einwanderung erarbeitet und Massnahmen zur Erleichterung des freien Personen- und Arbeitnehmerverkehrs verabschiedet werden. Die Herkunfts- und Transitländer wollen ihrerseits die Verfahren für die Rückführung illegal Eingereister erleichtern und Standards definieren, die ihnen eine Behandlung in Würde garantiert. Zur Zusammenarbeit im Kampf gegen die illegale Einwanderung gehören Sensibilisierungskampagnen für die Gefahren der illegalen Migration sowie freiwillige Rückreisen und Wiederaufnahmen, der Kampf gegen das Schleppertum und die

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Verstärkung der Kontrollkapazitäten an den Landesgrenzen der Transit- und Herkunftsländer.

9 Es wurde ein Ausschuss für die Folgearbeiten gegründet, um eine gute Umsetzung des Aktionsplans sowie die Kohärenz der Aktivitäten und Politiken der verschiedenen betroffenen Bereiche sicherzustellen. Die Beobachter halten fest, dass sich die illegale Migration heute im Wesentlichen auf Westafrika beschränkt, dass aber damit zu rechnen sei, dass sie sich längerfristig auch auf Ostafrika und aufs südlichen Afrika ausdehnen könnte.

10 Im Bereich der Innenpolitik haben viele europäische Länder, die mit einer nicht unerheblichen illegalen Migration konfrontiert sind, beschlossen, eine mehr oder minder grosszügige Form nachträglicher Legalisierung eines bestehenden Dauerzustands zu akzeptieren. So erhielten im Jahr 2005 in Spanien rund 700 000 Sans- Papiers einen rechtlichen Status. Im Sommer 2 006 wurde in Frankreich in einer gross angelegten Operation der Aufenthalt von 6000 Personen legalisiert2, und in Deutschland beschloss die Innenministerkonferenz der Länder Ende 2006, rund 100 000 (von etwa 200 000) Papierlosen ein „Bleiberecht“ zu gewähren3.

11 Die Frage der Migrationsströme von ausserhalb der EU wurde auch an einem weiteren europäischen Treffen behandelt, das sich mit der Sicherheitsperspektive befasste und im September 2 006 in Madrid stattfand. Die Innenminister von acht südeuropäischen Ländern, die mit der Einreise von Sans-Papiers konfrontiert sind (Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Slowenien, Griechenland, Malta und Zypern) verlangten, dass die Europäische Agentur für operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen, FRONTEX, schliesslichmit beträchtlichen Mitteln ausgestattet werde. Ihr Appell fand bei den nordeuropäischen Ländern, die von den massiven Einwanderungen vom Meer her nicht direkt betroffen sind, kein Gehör4. Viele von ihnen werfen Spanien vor, die Regularisierung im Jahr 2005 habe erst den gegenwärtigen „Sog“ geschaffen5.

12 Die Frage der illegalen Einwanderer drang im Frühjahr 2 006 auch in den USA in den Vordergrund, als der Senat das neue Immigrationsgesetz beriet. Das „unsichtbare Amerika“ ging in vielen Städten auf die Strasse : In Los Angeles demonstrierten eine Million Menschen gegen ein Gesetz, das Sans-Papiers und Personen, die ihnen zu Hilfe kommen, kriminalisiert.

12.1.3. Schweizer Aussenpolitik

Rückübernahmeabkommen

13 2 006 traten vier Rückübernahmeabkommen zwischen der Schweiz und Afghanistan, dem Libanon, Polen und Grossbritannien in Kraft. Nur zwei der von der Schweiz unterzeichneten 36 Rückübernahmeabkommen betreffen afrikanische Länder (Namibia und Nigeria)6. Im September 2 006 wurde ein drittes Abkommen mit einem afrikanischen Land (Algerien) abgeschlossen7.

Bestimmung „verfolgungssicherer Staaten“

14 Die Schweiz hatte 1990 mit dem Begriff „sicheres Land“ eine Neuerung eingeführt8. Das Konzept wurde schrittweise auch in der Europäischen Union angewandt. Die Behörden betrachten ein Land, in dem es keine Verfolgung gibt, als „sicher“. Erneut übernahm die Schweiz eine Pionierrolle, als sie die Kriterien abänderte, welche ein Land erfüllen

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muss, um als sicher zu gelten. Fortan kann ein Land auch dann als sicher bezeichnet werden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass in der einen oder anderen Region seines Hoheitsgebiets kein Schutz vor Verfolgung besteht9.

15 Auf dieser Basis zählen Benin, Kroatien, Mali, Moldawien (ohne Transnistrien), Montenegro und die Ukraine seit dem 1. Januar 2007 zu den „Safe Countries“. Zurzeit gelten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Gambia, Ghana, Indien, Mazedonien, die Mongolei, Rumänien, der Senegal sowie alle Staaten der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA)10 als sicher.

16 Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kritisierte diese Neuinterpretation des Begriffs „sicheres Land“, da sie ihrer Ansicht nach dem Asylgesetz widerspricht. Die SFH führte aus, auch das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) habe gegenüber der Europäischen Union festgehalten, dass ein Land nicht als sicher gelten könne, wenn diese Sicherheit gewisse Teile seines Hoheitsgebiets ausschliesse11.

12.2. Asylpolitik

12.2.1. Asylstatistik

Eingereichte Asylgesuche

17 10 061 Personen haben im Jahr 2005 in der Schweiz um Asyl nachgesucht. Dies entspricht einem Rückgang von rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bereits 2004 war im Vergleich zum Vorjahr eine Abnahme von 32 Prozent verzeichnet worden. Damit ist der Rückgang in der Schweiz stärker ausgefallen als auf europäischer Ebene. Die Anzahl Asylsuchender, deren Gesuch von den Behörden geprüft wurde, fiel unter die Schwelle von 50 000 (48 193).

18 Das Bundesamt für Migration (BFM) schreibt diesen Rückgang der restriktiven Politik, namentlich in Bezug auf die Hilfe an Personen, auf deren Asyl nicht eingetreten wurde (Nichteintretensentscheide – NEE), und auf die Rückschaffung abgewiesener Asylsuchender zu12. Der Leiter des Schweizer Büros des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge betonte jedoch, dass nicht so sehr die Änderungen der Politik in den Aufnahmeländern zu diesem Rückgang führten, sondern vielmehr die veränderten Bedingungen in den Herkunftsländern der Asylbewerber13.

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Grafik 12.1 : Entwicklung der Asylgesuche (1995-2005)

Quelle : BFM, Asylstatistik 2005, Januar 2006, Grafik 11, S. 8.

19 Wie bereits 2004 stammten die zahlenmässig stärksten Gruppen von Asylsuchenden im Jahr 2005 aus der Balkanregion (15 % aus Serbien-Montenegro). Mit 7,2 Prozent der eingereichten Asylgesuche ist die Türkei das zweitwichtigste Herkunftsland der Asylbewerber. An dritter Stelle der Herkunftsregionen stehen die Länder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) (Georgien 3,9 %, Russland 3,7 %). Weiter gehören Somalia (4,8 %) und der Irak (4,7 %) zu den wichtigsten Herkunftsregionen der Asylbewerber.

Tabelle 12.1 : In der Schweiz eingereichte Asylgesuche, 2004-2005, nach Herkunftsland

Quelle : BFM, Asylstatistik 2005, Januar 2006, Tabelle 3, S. 8.

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20 In der Rangliste der Zahl der Asylgesuche gemessen an der Wohnbevölkerung belegte die Schweiz 2005 unter den europäischen Ländern erneut den dritten Platz, hinter Österreich und Schweden, aber vor Norwegen (siehe Grafik 12.2).

Grafik 12.2 : Anzahl Asylgesuche auf 100 000 Einwohner aus Westeuropa (1. Januar 2004-30 September 2005)

Quelle : BFM, Asylstatistik 2005, Januar 2006, Tabelle 24, S. 11.

Befürwortete Asylgesuche

21 2005 gewährte das Bundesamt für Migration (BFM) 1497 Personen Asyl, das sind 3,7 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Angesichts des Rückgangs der eingereichten Gesuche erhöhte sich die mittlere Anerkennungsrate von 9,2 Prozent im Jahr 2004 auf 13,6 Prozent (+ 48%). Hierbei handelt es sich um einen Durchschnittswert : je nach Staatsangehörigkeit sind markante Unterschiede erkennbar. Beträgt er bei den Asylgesuchen aus der Türkei rund 43 Prozent, aus Tunesien 66 Prozent und aus Togo 72 Prozent, so liegt er bei Personen aus Sri Lanka bei lediglich 26 Prozent, bei Asylsuchenden aus dem Irak um 10 Prozent und aus Serbien um 6 Prozent.

22 4436 Personen wurden 2005 vorläufig aufgenommen (5,7 % mehr als im Vorjahr). Dabei handelt es sich hauptsächlich um Staatsbürger aus dem Irak und aus Serbien- Montenegro.

23 Ferner setzte sich der 2004 verzeichnete Rückgang bei den Nichteintretensentscheiden (NEE) fort. Mit rund 2530 NEE waren es im Jahr 2005 nur noch halb so viele wie 2004. Auch die abgelehnten Asylgesuche gingen zurück (auf 6965, das sind 31 % weniger als 2004). Dieser Rückgang entspricht in etwa demjenigen bei den eingereichten Gesuchen.

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Tabelle 12.2 : Personen im Asylbereich (Stand : Ende Dezember 2004 und 2005)

Quelle : BFM, Asylstatistik 2005, Januar 2006, Tabelle 2, S. 5.

24 Insgesamt ist die Zahl der Asylsuchenden gegenüber dem Vorjahr gesunken. Ende Dezember 2004 lag sie bei 71 871, während es Ende Dezember 2004 noch 79 374 waren (-9,5 %). Wie bereits in den Vorjahren liegen bei den Abgängen die unkontrollierten Ausreisen an erster Stelle : 2004 machten diese 43 Prozent aller Ausreisen aus14.

25 1572 Personen, die als anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz lebten, wurde das Asyl entzogen, da sie in ihrer Heimat keinerlei Gefahren mehr ausgesetzt waren. Ferner hob das BFM die provisorische Aufnahme von 3182 Personen auf. Wie bereits im Vorjahr handelt es sich bei den Betroffenen mehrheitlich um Personen as Serbien-Montenegro, Somalia und Sri Lanka, die in den Genuss einer kantonal geregelten humanitären Aufnahme gekommen waren.

12.2.2. Verabschiedung der Asylgesetzrevision

26 Mitte Dezember 2005 verabschiedete der Nationalrat das Asylgesetz (AsylG) mit 108 Stimmen (57 %) und der Ständerat mit 33 Stimmen (73 %)15.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 12, 12.2.2. Verabschiedung der Asylgesetzrevision, S. 204-206.

27 Die Verschärfung des Asylgesetzes ist Teil der Politik von Bundesrat Christoph Blocher, der den Kampf gegen den Asylmissbrauch zu einem Schwerpunkt seiner Politik machte. Dazu muss festgehalten werden, dass er einen recht grossen Teil des Parlaments hinter sich zu scharen wusste16. Bereits bei der Abstimmung machte sich das drohende Referendum bemerkbar.

28 Diese Verhärtung ist auch im internationalen Kontext festzustellen. Vergleiche zwischen der schweizerischen und der ausländischen Gesetzgebung sind nicht einfach, wie das BFM und die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) einhellig feststellen. Zwar sind in ganz Europa die Asylgesetze restriktiver geworden, die Bestimmungen werden aber nicht immer umgesetzt, namentlich wenn die Gerichte das Tempo der Politik abbremsen. Jedes Land diskutiert auf seine Weise über immer mehr Einschränkungen, um unerwünschte Migranten und Schlepper abzuhalten. Aufgrund dieses gegenseitigen verbalen Hochschaukelns wird es immer schwieriger, zwischen angekündigten, effektiv verabschiedeten und – a fortiori – wirklich in Kraft getretenen Massnahmen zu unterscheiden. Einige Vergleiche sind jedoch möglich.

29 Das vom Schweizer Parlament verabschiedete Gesetz ist strenger als die europäischen Gesetzgebungen, nicht nur wegen der Nichtanerkennung der nichtstaatlichen Verfolgung als Asylgrund17, sondern auch wegen der Definition der vorläufigen Aufnahme. Die zunächst im Gesetzesentwurf von Ruth Metzler vorgesehene humanitäre Aufnahme entsprach den europäischen Standards. In dem von Christoph

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Blocher zur Abstimmung vorgelegten Schlusstext dagegen wird der Status der vorläufigen Aufnahme weniger vorteilhaft definiert als in den europäischen Mindeststandards, denn die Revision verbesserte zwar den Zugang vorläufig Aufgenommener zur Arbeit, bremst aber weiter die Möglichkeit des Familiennachzugs.

30 Laut dem Gesetz können neu alle abgewiesenen Asylsuchenden von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden. Bisher waren von dieser Massnahme nur Personen mit rechtskräftigem Nichteintretensentscheid betroffen. Eine ähnliche Bestimmung ist in den Niederlanden, Dänemark und Norwegen in Kraft. Die Mindeststandards der EU garantieren Personen, die kein Asyl erhalten, aber nicht in ihr Land zurückkehren können, einen subsidiären Schutz, womit sie praktisch einen Status haben, der demjenigen anerkannter Flüchtlinge sehr nahe kommt.

31 In der Schweiz wurde die maximale Dauer der Ausschaffungshaft auf 18 Monate erhöht, wozu noch sechs Monate Durchsetzungshaft kommen können (insgesamt 24 Monate). Auch hier sind die Niederlande, Dänemark und Norwegen sehr streng, da es dort keine zeitliche Begrenzung der Haft gibt. Die Gerichte verunmöglichen jedoch eine übermässige Haftdauer. Die meisten anderen Länder sind moderater : In Deutschland darf die Haft nicht länger als 18 Monate, in Österreich nicht über zehn Monate und in Frankreich nicht über 32 Tage dauern. Im Herbst 2005 schlug die Europäische Kommission eine Maximaldauer von sechs Monaten vor.

32 Die Schweizer Gesetzgebung ist hingegen die absolut strengste bei Personen, die nicht innerhalb von 48 Stunden nach Einreichung des Gesuchs ihre Identitätspapiere vorlegen, denn dies wird automatisch mit einem Nichteintretens entscheid beantwortet. In anderen Ländern gibt es zwar ein beschleunigtes Verfahren, bei dem allerdings die Gründe für das Asylgesuch überprüft werden.

12.2.3. Referendum und Abstimmungsresultat

33 Die Norm, welche für Personen, die innerhalb von 48 Stunden keine Identitätspapiere vorweisen können, einen Nichteintretensentscheid vorsieht, wird nicht nur von bedeutenden Juristen wie Professor Walter Kälin, Mitglied des UN-Menschenrechtsrats, sondern auch vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge kritisiert. Sie sind der Ansicht, dass das Gesetz dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention) widerspricht. Diese Ansicht vertrat auch der erste Menschenrechtskommissar des Europarats, Alvaro Gil-Robles, in einem 2005 veröffentlichten Bericht18. Sogar die Eidgenössische Kommission für Flüchtlingsfragen (EKF) äusserte Zweifel an der Möglichkeit, dass die Asylgesetzrevision das Ziel der Bekämpfung des Missbrauchs erreichen kann19. Der frühere Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge, Urs Hadorn, teilt diese Befürchtungen.

34 Drei Juristen untersuchten im Auftrag von Terre des Hommes20, ob das Gesetz mit dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes vereinbar ist, das auch von der Schweiz unterzeichnet wurde und 1997 in Kraft trat. Gemäss den Autoren des Rechtsgutachtens verletzt das neue Gesetz die Bestimmungen des Übereinkommens in dreierlei Hinsicht : In Bezug auf Durchsuchungen von Privatwohnungen, auf den Ausschluss von der Sozialhilfe und auf Massnahmen gegenüber Personen, die von einem Nichteintretensentscheid betroffen sind. Insbesondere verpflichtet das Übereinkommen die Länder, die dieses ratifiziert haben, Schutz und Leistungen zugunsten von Kindern nicht zu reduzieren. Das neue Gesetz schliesst nun aber gerade

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Sozialhilfe an Personen, die von einem NEE betroffen sind, sowie an abgewiesene Asylbewerber aus, und davon sind auch Kinder betroffen.

35 Die Autoren machen ferner geltend, dass die Verpflichtung, innerhalb von 48 Stunden Identitätspapiere vorzulegen, die Tatsache verkennt, dass Kinder den Behörden bei ihrer Geburt oft gar nicht gemeldet werden und deshalb gar keine Identitätspapiere haben können. Ausserdem müssen Minderjährige unter fünfzehn Jahren mit Zwangsmassnahmen, darunter Ausschaffungshaft bis zu zwölf Monaten, rechnen.

36 Das Asylgesetz stiess auf sehr weitreichende Opposition : Das Spektrum der Kräfte, welche das Gesetz kritisierten, geht über die üblichen migrantenfreundlichen Kreise in den Linksparteien und den Parteien der Mitte hinaus. Zwei Referendumskomitees bekämpften das Gesetz : Eines wurde von der Sozialdemokratischen Partei (SP) präsidiert, das andere, das weniger politisch ausgerichtet war, schloss sich zu einer Koalition für eine humanitäre Schweiz zusammen, in der viele Nichtregierungsorganisationen (NGO), die Schweizerische Flüchtlingshilfe, die Hilfswerke und die Kirchen vertreten waren, und der ausserdem Persönlichkeiten und Parlamentsmitglieder der bürgerlichen Parteien angehörten.

37 Das BFM seinerseits wies Kritik zurück, wonach die neuen Bestimmungen die Verfassung und das Völkerrecht verletzten21. Der Bundesrat stützte sich dabei unter anderem auf die Expertise des deutschen Juristen Kay Hailbronner.

38 Im September 2 006 hiessen – bei guter Stimmbeteiligung – 68 Prozent der Abstimmenden sowie alle Kantone das Asylgesetz gut, wie es vom Parlament verabschiedet worden war. In einem Kommentar zum Abstimmungsresultat erklärte der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), Christoph Blocher, dass alle Behörden, auch die Gerichte, sich nun mit Entschiedenheit an die vom Stimmvolk gutgeheissenen Bestimmungen halten müssten22.

39 Die Gegner erwarten nun von den Behörden eine mit der Genfer Konvention vereinbare Umsetzung, wie in der Abstimmungskampagne versprochen wurde23. Die Verbände und die NGO bleiben wachsam und sind bereit, vor Gericht zu gehen. Es könnte also durchaus sein, dass die Praxis künftig durch die Rechtsprechung noch verändert wird24.

40 Nach der Abstimmung veröffentlichten die Medien die Reaktion der Europäischen Kommission, wonach einige Bestimmungen des Asylgesetzes mit den Normen der Europäischen Union nicht vereinbar seien25, namentlich was die EU-Richtlinie vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen beim Verfahren zur Gewährung und Aberkennung des Flüchtlingsstatus in den Mitgliedsstaaten betrifftt. Dabei geht es insbesondere um die Klausel, die bei fehlenden Identitätspapieren ein Nichteintreten vorsieht. Laut der EU kann das Asylgesuch einer Person ohne Identitätspapiere zwar beschleunigt geprüft werden, jedoch ist das Fehlen von Papieren kein Grund für eine Nichtzulassung.

41 Wegen seiner Komplexität wird das AsylG gestaffelt umgesetzt : Am 1. Januar 2007 traten die Nichteintretensbestimmung bei fehlenden Papieren und die Verschärfung der Zwangsmassnahmen in Kraft. Der Ausschluss der Sozialhilfe für abgewiesene Asylsuchende gilt dagegen erst ab 1. Januar 2008. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe bedauert ihrerseits, dass die Massnahme des Nichteintretens für Asylsuchende ohne Identitätspapiere am 1. Januar 2007, diejenige der Rechtsberatung in Aufnahmezentren und Flughäfen aber erst ab 2008 in Kraft tritt. Die SFH befürchtet, dass dies zu einem schlechteren Rechtsschutz der Asylsuchenden führt26.

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12.2.4. Die Rechtsprechung der Asylrekurskommission

42 Einige Neuerungen im Asylrecht kommen aus der Rechtspraxis der Asylrekurskommission (ARK). Diese beurteilte den Fall eines Somaliers, der von einer Privatmiliz gefoltert worden war. Dabei revidierte die Kommission ihre Rechtsprechung : Nach der alten Praxis, die auf der Zurechenbarkeitstheorie aufbaute, galten Personen nur dann als schutzwürdig, wenn die Verfolgung vom Staat ausging. Neu ist, dass der Staat auch Schutz gewähren kann, wenn eine Person von privater Seite verfolgt wird. Indem die ARK sich hinter die Schutztheorie stellt, engagiert sie die Schweiz, auch jenen Personen Asyl zu gewähren, die vor nichtstaatlicher Verfolgung flüchten27.

43 Damit schliesst sich die Schweiz den meisten Signatarstaaten der Genfer Konvention an, die eine nichtstaatliche Verfolgung bereits als Grund für eine mögliche Asylgewährung anerkennen. Die SFH und das UNHCR, welche seit langem forderten, dass einer besonders harten Handhabung bei der Asylgewährung ein Ende bereitet werde, begrüssten diese Änderung28. Laut dem BFM werden die praktischen Auswirkungen dieses Beschlusses begrenzt sein, zumal diese Staatsangehörigen im Verfall begriffener Staaten bislang ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht erhalten.

44 Die Asylrekurskommission fällte ferner einen Grundsatzentscheid, wonach die Flucht vor einer Zwangsheirat einen stichhaltiger Asylgrund darstellen kann. Damit schafft sie die Grundlagen für eine Revision der früheren Praxis des BFM29. Und schliesslich befand die ARK, dass das BFM auf das Asylgesuch einer in einem anderen europäischen Land abgewiesenen Person eintreten muss, wenn diese Person die Vermutung im Zusammenhang mit dem (Abweisungs) Beschluss, wonach sie die Eigenschaft als Flüchtling nicht erfüllt, entkräften kann30.

45 Durch diese Grundsatzentscheide kommt die ARK auf die grundlegenden Quellen des Asylrechts zurück. Damit ist eine wachsende Spannung zwischen dem Justizminister und den Justizinstanzen festzustellen, worauf sich unter anderen auch die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats beruft31.

12.2.5. Die Betreuung abgewiesener Asylsuchender

46 Im März 2005 hatte das Bundesgericht befunden, die Verweigerung von Nothilfe an abgewiesene Asylsuchende sei nicht verfassungskonform. Die Nothilfe ist Aufgabe der Kantone. Am 1. April 2 006 erhöhte der Vorsteher des EJPD, Christoph Blocher, den jährlichen Pauschalbeitrag des Bundes an die Kantone rückwirkend auf den 1. Januar 2005, und im Einvernehmen mit der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (SODK) erklärte er sich in der Kampagne vor der Abstimmung über die Asylgesetzrevision bereit, den Pauschalbeitrag ab 1. Januar 2007 nochmals zu erhöhen32.

47 Ferner überprüft das EJPD in Zusammenarbeit mit den Kantonen regelmässig die Auswirkungen, welche der Ausschluss der Sozialhilfe für Personen hat, die einen rechtskräftigen Nichteintretensentscheid erhalten haben. Der letzte verfügbare Monitoringbericht wurde im November 2 006 veröffentlicht und bezieht sich auf das zweite Quartal 200633. Zwischen April und Juni traten 508 Nichteintretensentscheide in Kraft. Damit lag die Zahl der Personen, welche einen rechtskräftigen NEE erhalten haben, bei 7193. Im Verlauf des zweiten Quartals 2 006 gewährten die Kantone rund 13

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Prozent dieser Personen Nothilfe. Von den 4990 Asylbewerbern, die vor dem 1. April 2004 einen NEE erhalten hatten, erhielten im zweiten Quartal 2 006 nach wie vor 748 (15 %) Nothilfe. Die Dauer des Leistungsbezugs stieg innerhalb von drei Monaten von 53 auf 57 Tage.

48 Der Bericht befasst sich auch mit der Beziehung zwischen illegalem Aufenthalt und Straffälligkeit. Er stellt fest, dass die Zahl der Verhaftungen weiterhin gering ist. Sie belief sich im betreffenden Zeitraum auf 230 und betraf nur 185 Personen. 38 Prozent von ihnen wurden wegen illegalen Aufenthalts und 30 Prozent wegen eines Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz oder wegen Diebstahls festgenommen34. Paradoxerweise wurden Asylsuchende in der Diskussion vor der Abstimmung über das Asylgesetz trotz dieser offiziellen Zahlen weiterhin mit Strafffälligkeit in Verbindung gebracht.

49 Gut einen Monat nach der Annahme des Asyl- und des Ausländergesetzes kündigte das Komitee „2xNein“, das den Druck auf die Behörden aufrecht erhalten wollte, demnächst die Einrichtung einer nationalen Beobachtungsstelle an, welche die Aufgabe haben soll, Entgleisungen im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Gesetze anzuprangern35.

12.2.6. Die 523 „Waadtländer“ Asylsuchenden

50 2 006 kam es im Dossier der „Gruppe der 523“ Waadtländer Asylsuchenden zu einem Nachspiel. Es betraf Personen, deren Status das BFM nicht regularisieren wollte, wie es die Kantonsbehörden gemäss der Richtlinie Metzler von 2001 verlangt hatten. Der Kanton verpflichtete sich zunächst, sie auszuweisen, als Gegenleistung für die Regularisierung einer grösseren Gruppe, deren Gesuche gutgeheissen wurden. Er verzichtete aber dann auf Druck der Öffentlichkeit und des Kantonsparlaments auf die Umsetzung seines Plans.

51 Nach langen Verhandlungen mit Bern waren im März 2 006 nur noch 229 Fälle hängig : 63 Personen wurden aufgenommen, die restlichen Fälle wurden der ARK zur Prüfung übergeben. Lediglich die Gesuche von sechzehn Personen wurden vom BFM nicht gutgeheissen. Laut Zeitungsberichten gelang es dem Kanton Waadt schliesslich, für über 90 Prozent der 523 „Härtefälle“, für die er sich seit Januar 2 006 in Bern eingesetzt hatte, das Bleiberecht in der Schweiz zu erkämpfen36.

12.3. Die Aufnahme in der Migrationspolitik

12.3.1. Entwicklung der Einreisen in die Schweiz

52 Zum vierten Mal in Folge ist in der Schweiz die Zahl der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung aus den 25 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation im letzten Jahr gestiegen (+2,4% zwischen August 2005 und August 2 006), während die Zahl der Staatsangehörigen aus Nicht-EU-Staaten im selben Zeitraum abnahm (-0,8 %)37. Insbesondere verzeichnet man einen Anstieg von Staatsangehörigen aus Deutschland, Portugal und Frankreich und einen Rückgang von Staatsangehörigen aus Serbien und Montenegro, Italien und Spanien.

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53 Gut ein Drittel der 101 000 in die Schweiz Eingereisten (39,5 %) kamen ins Land, um hier zu arbeiten, etwas über ein Drittel (37 %) wurden im Rahmen des Familiennachzugs zugelassen, davon 10 743 Ehepartner oder -partnerinnen von Schweizer Staatsangehörigen38. Der Rest verteilte sich auf Flüchtlinge und Härtefälle (3,8 %), berufliche Aus- und Weiterbildung (13,4 %) und anderes.

54 Ähnliche Tendenzen sind auch in den Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) festzustellen. Man verzeichnet dort eine Zunahme der Migrationen innerhalb der EU, eine Zunahme der Anzahl hoch qualifizierter Migrantinnen und Migranten infolge der Einführung oder der Verfeinerungder Auswahlpolitik, sowie die Wiederaufnahme der temporären Migration aus Anstellungsgründen (+7% im Jahr 2004)39.

55 Ferner wurde am 1. April 2 006 das Abkommen über den freien Personenverkehr auf die zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten ausgedehnt. Dies war in der Volksabstimmung 2005 im Prinzip gutgeheissen worden. Der Schweizer Arbeitsmarkt wird schrittweise für Staatsangehörige dieser Länder geöffnet.

12.3.2. Verabschiedung des neuen Ausländergesetzes (AuG) durch das Parlament ; Referendum und Abstimmungsresultat

56 Mitte Dezember 2005 verabschiedete das Parlament das neue Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG)40 mit grosser Mehrheit im Nationalrat (58 %) und im Ständerat (73 %). Das Gesetz regelt die Zulassung und den Aufenthalt ausländischer Staatsangehöriger aus Ländern, die nicht der Europäischen Union angehören. Im Gesetzestext wird das Prinzip der „qualitativen Migration“ von Personen aus den Ländern des Südens festgehalten. Dabei handelt es sich um die schweizerische Version des Prinzips der „gesteuerten Migration“, von der 2 006 in den französischen Medien viel die Rede war und die im Mittelpunkt lebhafter Diskussionen stand.

57 Gegen das Ausländergesetz hat sich ein Referendumskomitee unter dem Vorsitz der Grünen gebildet. Vertreten waren Solidarité sans frontières, das Forum für die Integration der Migrantinnen und Migranten (FIMM) und das Comité romand contre la LEtr. Die Sozialdemokratische Partei trat in der Opposition nicht besonders in Erscheinung, unterstützte aber das Referendum der Grünen.

58 Das Referendumskomitee stellte sich gegen das Ausländergesetz, das für 30 Prozent der in der Schweiz wohnhaften Ausländerinnen und Ausländer eine Sonderregelung vorsieht, indem es unter ausländischen Staatsangehörigen der Kategorien A und B unterscheidet41. Es beanstandet auch die Institutionalisierung der Unsicherheit durch die Abschaffung jeglichen Rechts auf die Niederlassungsbewilligung nach zehn Jahren Aufenthalt in der Schweiz, da ihre Gewährung der Beurteilung der Behörden unterliegt. Ferner bemängelt das Komitee, dass die Gesetzesbestimmungen über den Familiennachzug die Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verletzen42. Gemäss AuG soll nun der nachträgliche Familiennachzug (für Kinder ab zwölf Jahren) nur unter ausserordentlichen Umständen, bei schwerwiegenden familiären Gründen bewilligt werden. Diese Bestimmung würde aber Kinder gefährden, die im Herkunftsland nicht betreut werden. Die Bestimmung betrifft auch Kinder von Schweizer Eltern (oder

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Kinder aus einer anderen Ehe). Diese einschränkende Praxis entspricht nicht der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs43.

59 Ferner sprechen sich die Mitglieder des Komitees gegen die im Gesetz vorgesehene Bevorzugung der Rekrutierung hoch qualifizierten Personals aus. Sie machen zwei Argumente geltend : Diese Art Rekrutierung fördert die Abwanderung gut qualifizierter Personen aus bestimmten Ländern und verkennt, dass die Schweiz auch wenig qualifizierte Arbeitnehmer braucht, wodurch ein beträchtlicher Teil der Ausländerinnen und Ausländer von ausserhalb der EU in die Illegalität getrieben wird44.

60 In der Abstimmung vom September 2 006 wurde das vom Parlament verabschiedete Gesetz mit einem ähnlichen Ergebnis wie das Asylgesetz angenommen (68 %).

12.4. Integrationspolitik

61 Im Jahr 2 006 erfuhr die Integrationsfrage in ganz Europa, wie auch in der Schweiz, eine Politisierung. In mehreren europäischen Ländern (Frankreich, Italien, Niederlande) trat die Praxis des Aufnahme- und Integrationsvertrags in Kraft. Diese Abkommen oder Verträge bekräftigen in unterschiedlichen Formen und Modalitäten die Forderung, dass Migrantinnen und Migranten die Sprache des Aufnahmelandes zu lernen haben ; andernfalls sind Sanktionen bei der Gewährung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung vorgesehen. Ferner wird von den Immigranten eine formelle Verpflichtung zur Einhaltung der bestehenden Ordnung und der demokratischen Prinzipien des Aufnahmelandes verlangt.

62 Dies löste eine engagierte Diskussion aus über das Obligatorium der neuen Massnahmen – und damit über ihre Wirksamkeit – sowie über die Tatsache, dass sie mit Sanktionen verbunden sind. Die Schweiz führte die Pflicht zum Besuch von Kursen ein, sieht aber von Sanktionen ab. Sie setzt lieber auf Anreize (schnellere Gewährung der Daueraufenthaltsbewilligung).

12.4.1. Integrationsbericht des Bundesamtes für Migration

63 In der Schweiz wurden diese Fragen in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Umsetzung der Integrationspolitik des Bundes ausführlich diskutiert. Bis in die 90er Jahre wurde die Förderung der Integration von Migrantinnen und Migranten als Aufgabe der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner angesehen. Hingegen führt das neue Ausländergesetz den – bereits 1998 im vorhergehenden Gesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) eingeführten – Artikel über die Integration weiter aus, der die Integration als eine dem Staat obliegende Aufgabe anerkennt. Diese Aufgabe soll von den üblichen öffentlichen Strukturen (Erziehungswesen, Berufsbildung, Arbeitsvermittlungsstellen) und nicht von Ad-hoc-Strukturen und - Finanzierungen übernommen werden. Hierzu wurde dem BFM aufgrund der im Februar 2 006 in Kraft getretenen Integrationsverordnung die Koordination der Massnahmen zur Ausländerintegration seitens der verschiedenen Bundesämter – insbesondere in den Bereichen Arbeitslosenversicherung, Berufsbildung und Gesundheit – übertragen. Der Integrationsbegriff, der für die Tätigkeit des BFM als Leitfaden dient, bezieht sich in erster Linie auf das Prinzip der Chancengleichheit45.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Kapitel 12, 12.4.1. Integrationsverordnung, S. 213.

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64 In diesem Rahmen hat das BFM zuhanden der politischen Entscheidungsträger eine Zusammenfassung der bestehenden Kenntnisse zur Integration von Ausländern – namentlich von Jugendlichen – erstellt46. Der Text behandelt vor allem die spezifischen Probleme der strukturellen Integration Jugendlicher, insbesondere jener aus jüngeren Zuwanderungsphasen. Er kommt zum Schluss, dass der Zugang zu einer Erwerbstätigkeit die Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist, und schlägt vor, die Integrationsförderungsbemühungen auf diesen Bereich zu konzentrieren. Der Bericht versucht ferner, die den Behörden durch die Integrationsförderung entstehenden Kosten zu beziffern.

12.4.2. Einbürgerungen

65 Nachdem die erleichterte Einbürgerung junger Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation und die automatische Einbürgerung jener der dritten Generation im Jahr 2004 an der Urne gescheitert war, erstellte das BFM einen Bericht über die hängigen Fragen in diesem Bereich47. Das BFM kommt zum Schluss, dass es nicht zweckmässig sei, dem Volk in naher Zukunft eine neue Vorlage zu unterbreiten, da bei der Volksabstimmung von 2004 ein Vorschlag dieser Art zum dritten Mal abgelehnt worden war.

66 Der Bericht schlägt vor, dass die Kantone den Bereich übernehmen sollten. Sie könnten namentlich die in der Vorlage von 2004 vorgesehenen Regelungen für die Jugendlichen der zweiten Generation auf kantonaler Ebene übernehmen und die geltenden Normen für Jugendliche der dritten Generation lockern. Ferner wäre eine Harmonisierung der von den Kantonen vorgeschriebenen Wohnsitzfristen im aktuellen rechtlichen Rahmen und politischen Kontext möglich.

67 Zudem befasst sich der Bericht ausführlich mit dem Vorschlag zur Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, der kurz vor der Abstimmung von 2004 eingebracht worden war, und kommt zum Schluss, dass die geltende Gesetzgebung nicht geändert werden sollte.

68 2003 hatte das Bundesgericht einen Präzedenzfall geschaffen, als es befand, dass bei Einbürgerungsentscheiden die Grundrechte der Kandidaten zu respektieren seien : Sie müssen angehört werden, dürfen nicht diskriminiert werden und haben Anrecht auf einen begründeten Entscheid. Diese Forderung verunmöglicht de facto einen Entscheid an der Urne. Als Reaktion auf diese Rechtsprechung, die sie als „politisch“ erachtet48, lancierte die Schweizerische Volkspartei (SVP) eine Volksinitiative „für demokratische Einbürgerungen“, mit der sie erwirken will, solche Entscheide nicht der Rechtsprechung zu überlassen. Die Initiative will den Gemeinden die Freiheit lassen, autonom zu definieren, welches Organ befugt sei, das Gemeindebürgerrecht zu gewähren. Ausserdem soll der von diesem Organ zur Gewährung des Gemeindebürgerrechts gefasste Entscheid endgültig sein, das heisst, er kann nicht mehr durch eine andere Behörde überprüft werden.

69 Der Bundesrat hat den Eidgenössischen Räten die Volksinitiative zur Ablehnung empfohlen, da er der Ansicht ist, dass das angestrebte Ziel, die Einbürgerungsentscheide jeglicher gerichtlichen Kontrolle zu entziehen, mit dem Völkerrecht nicht vereinbar sei49. Er empfiehlt hingegen die parlamentarische Initiative des Aargauer Freisinnigen Thomas Pfisterer, die sich für die Respektierung der rechtsstaatlichen Anforderungen auf Gemeindeebene ausspricht, als indirekten

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Gegenvorschlag zur Volksinitiative50. Pfisterers Text schlägt einerseits vor, dass die Kantone die Einbürgerungsverfahren auf ihrem Gebiet selber bestimmen können. Andererseits soll das Bundesgericht zwar keine Entscheide über ordentliche Einbürgerungen fällen, dagegen aber Beschwerden betreffend die Verletzung einer verfassungsmässigen Garantie prüfen können.

12.4.3. Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer

70 Das Stimm- und Wahlrecht für die ausländische Wohnbevölkerung, das in fast allen Westschweizer Kantonen eingeführt wurde, nahm im März 2 006 mit der Beteiligung der Ausländerinnen und Ausländer an den Kommunalwahlen in den Kantonen Waadt und Freiburg konkrete Formen an, wo die Betreffenden nicht nur wählen, sondern auch gewählt werden konnten.

71 Dieses Prinzip hat hingegen Mühe, sich in der Deutschschweiz durchzusetzen : Nur in den Kantonen Basel-Stadt, Graubünden und Appenzell-Ausserrhoden können die Gemeinden dieses Recht auf Kommunalebene gewähren. In der neuen Verfassung des Kantons Zürich wurde die Frage vorsätzlich ausgelassen. Im Juni 2 006 scheiterte ein Versuch der Zürcher Regierung, diese Frage erneut auf die Tagesordnung zu setzen : Die Regierung hatte dem Parlament eine Initiative vorschlagen, die den Gemeinden die Freiheit liess, selber zu entscheiden, ob sie den Inhabern einer Aufenthaltsbewilligung dieses Recht zugestehen wollten. Der Vorschlag wurde jedoch von der Legislative abgelehnt.

BIBLIOGRAPHY

QUELLEN

Bundesamt für Migration, Asylstatistik 2005, Januar 2 006.

Bundesamt für Migration, Medienkommunikationen der Jahre 2005-2006.

Augenauf, Bulletin, Bern, 2005-2006.

Centres de contact Suisses-Immigrés, Carrefour, 2005-2006.

Schweizerische Flüchtlingshilfe, Asyl, Schweizerische Zeitschrift für Asylrecht und Praxis, Bern, 2005-2006.

Schweizerische Flüchtlingshilfe, Chronologie der Flüchtlingspolitik, 2005-2006.

Schweizerische Flüchtlingshilfe, Fluchtpunkt, 2005-2006.

Vivre ensemble, Bulletin de liaison pour la défense du droit d’asile, Genève, 2005-2006.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 231

INTERNET-ADRESSEN

Bundesamt für Migration (BFM) : http://www.bfm.admin.ch.

Bundesverwaltung : http://www.admin.ch.

European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Pan-European Network of refugee-assisting NGOs) : http://www.ecre.org.

Human Rights Watch : http://www.hrw.org.

Institut für Politikwissenschaften der Universität Bern : http://www.anneepolitique.ch.

Le Courrier : http://www.lecourrier.ch.

Menschenrechte Schweiz MERS – Praktische Hilfsinstrumente für die Bildungsarbeit zu Menschenrechtsthemen : http://www.humanrights.ch.

Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) : http://www.osar.ch/about-us?appendLang=de.

Solidarité sans frontières (Zusammenarbeit BODS und Asylkoordination) : http://www.sosf.ch.

Swisspolitics.org : http://www.swisspolitics.org.

UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) : http://www.unhcr.ch.

NOTES

1. http://www.maec.gov.ma/migration/Fr/default.htm. 2. „Nicolas Sarkozy se déclare prêt à régulariser 6000 étrangers“, Le Monde, 25. Juli 2 006. 3. „Deutschland : Innenministerkonferenz beschliesst Bleiberecht“, Migration und Bevölkerung, Nr. 10, 2 006. Diese Massnahme betrifft allerdings vor allem Personen, die aufgrund des Asylrechts in Deutschland leben. 4. „EU : Streit im Umgang mit illegaler Migration“, Migration und Bevölkerung, Nr. 8, 2 006. 5. „L’Espagne prise à la gorge“, Le Temps, 28. September 2 006. „Ratlos gegenüber Migrantenstrom“, Neue Zürcher Zeitung, 21. September 2 006. 6. „Pourquoi il est difficile de renvoyer certains requérants déboutés dans leur pays“, Le Temps, 18. August 2 006. 7. BFM, „Der Bundesrat verabschiedet Botschaft zu Rückübernahmeabkommen mit Algerien“, Medienmitteilung, 13. September 2 006. 8. Alberto Achermann und Mario Gattiker, „Sichere Drittstaaten. Überlegungen aus schweizerischer und europäischer Sicht“, Asyl, Band 9, Nr. 2, 1994, S. 23-41, S. 29. 9. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), „Bestimmung neuer verfolgungssicherer Staaten im Asylbereich (,Safe Countries‘)“, Medienmitteilung, 8. Dezember 2 006. 10. Ibid. 11. SFH, „Neues ‚Safe Country‘-Konzept wirft Fragen auf“, Pressemitteilung, 8. Dezember 2 006. 12. BFM, Asylstatistik 2005, Januar 2 006. 13. „Pourquoi les requérants sont moins nombreux à venir en Suisse“, Le Temps, 4. März 2 006. 14. Als unkontrollierte Ausreisen gelten die freiwillige, aber nicht angekündigte Rückkehr, die Weiteremigration in ein Drittland sowie der Aufenthalt in der Schweiz ohne offizielle Bewilligung (Sans-Papiers). 15. Asylgesetz (AsylG). Änderung vom 16. Dezember 2005 (SR 142.31, BBl 2005 7425). 16. „C’est trop simple de parler de Lex Blocher“, Le Courrier, 5. April 2 006.

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17. Im Verlauf des Jahres 2 006 führte ein Urteil der Asylrekurskommission (ARK) hier zu einer Änderung von Doktrin und Praxis (siehe unten, Punkt 2.2.4). 18. Bericht von Alvaro Gil-Robles, Menschenrechtskommissar, über den Besuch in der Schweiz, 29. November – 3. Dezember 2004, zuhanden des Ministerkomitees der parlamentarischen Versammlung, CommDH (2005)7, 8. Juni 2005, Abs. 43. 19. BFM, „EFK nimmt Stellung zur Asylgesetzrevision (AsylG)“, Medienmitteilung, 11. September 2 006. 20. Sylvie Marguerat, Juristin für Kinderrechte bei Terre des Hommes, Minh Son Nguyen, Professor für Ausländerrecht an der Universität Lausanne, und Jean Zermatten, ehemaliger Jugendrichter und erster Schweizer, der 2005 ins UN-Komitee für Kinderrechtegewählt wurde, La Loi sur les étrangers et la Loi sur l’asile révisée à la lumière de la Convention relative aux droits de l’enfant, mit einem Vorwort von Walter Kälin, Le Mont-sur-Lausanne, Terre des Hommes, 2006, http:// www.tdh.ch. 21. BFM, „Asyl- und Ausländergesetz : UNO-Kinderrecht wird nicht verletzt“, Medienmitteilung, 1. September 2 006. 22. „Asile et étrangers : les ,lois Blocher‘ triomphent dans toute la Suisse“, Le Temps, 25. September 2 006. 23. „Zwei massive Ja zu einer restriktiven Migrationspolitik“, Neue Zürcher Zeitung, 24. September 2 006. 24. „La justice précisera l’application de la Loi sur l’asile“, Tribune de Genève, 25. September 2 006. 25. „Une Suisse euro… incompatible“, Vivre ensemble, Nr. 110, Dezember 2 006. 26. SFH, „Beurteilung der Verordnungen zum Asylgesetz vom 16. Dezember 2005 und den damit zusammenhängenden Erlassen“, Medienmitteilung, 9. September 2 006. 27. ARK, „Flüchtlingseigenschaft bei nichtstaatlicher Verfolgung“, Pressemitteilung, 15. Juni 2 006. 28. „La protection des étrangers persécutés s’élargit“, Le Courrier, 16. Juni 2 006. 29. CRA, EMARK-JICRA-GICRA, 2006/32, http://www.ark-cra.ch/emark/index.htm. 30. CRA, EMARK-JICRA-GICRA, 2006/33, http://www.ark-cra.ch/emark/index.htm. 31. „Eine Politisierung der Justiz“, Der Bund, 6. Februar 2 006. Vgl. auch die Bestätigung des Präsidenten des Bundesgerichts, wonach die Erklärungen des Vorstehers des EJPD, Christoph Blocher, „hinsichtlich der Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz problematisch“ sei. Untersuchung von öffentlichen Aussagen des Vorstehers des EJPD zu Gerichtsurteilen, Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats vom 10. Juli 2006, S. 9054 (BBl 2 006 9051). 32. „Blocher adoucit les cantons avec un sucre pour les requérants“, Le Courrier, 22. Juli 2 006. 33. BFM, NEE-Monitoringbericht. Zweites Quartal 2006, Bern, November 2 006. 34. BFM, „NEE-Monitoringbericht des zweiten Quartals 2 006“, Medienmitteilung, 21. November 2 006. 35. „Autorités sous surveillance“, Le Courrier, 2. November 2 006. 36. „Les ,523‘, une histoire vaudoise“, Le Temps, 7. Juli 2 006. 37. EJPD, „Zunahme der EU-25-/EFTA-Angehörigen“, Medienmitteilung, 3. Oktober 2 006. 38. Seit dem 1. Januar 2007 mussten wegen der Auswirkungen des neuen Partnerschaftsgesetzes, das gleichgeschlechtliche Paare Ehepaaren gleichstellt, im Ausländerrecht Verordnungen angepasst werden. EJPD, „Neues Partnerschaftsgesetz verlangt Verordnungsanpassungen im Migrationsbereich“, Medienmitteilung, 15. November 2 006. 39. OECD, Perspectives des migrations internationales. SOPEMI 2006, Paris, OCDE, 2 006. 40. Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) vom 16. Dezember 2005 (SR 101, BBl 2005 7365). 41. „Blick aufs Ausländergesetz“, Der Bund, 25. August 2 006. 42. Comité romand 2xNON aux lois contre l’asile et les étrangers, Pourquoi voter deux fois non, http://www.stopexclusion.ch/spip/spip.php?rubrique2. Solidarité sans frontières, Non à la Loi sur

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les étrangers : non à l’arbitraire administratif et à l’exclusion. Non à la Loi sur l’asile : non à une loi inhumaine !,http://www.double-non.ch. 43. Urteil Tuquabo-Tekle, in Anwaltsrevue, Nr. 4, 2006, S. 144 ff., zitiert im Komitee 2xNein, Argumentarium gegen das neue Ausländergesetz AuG und gegen die Asylgesetzrevision AsylG, http:// www.doppelreferendum.ch. 44. „Notre attitude hypocrite vis-à-vis des sans-papiers n’est pas digne de notre pays“, Le Temps, 12. April 2 006. 45. Eidgenössische Ausländerkommission, Integration als Gesetzesbegriff. Leitfaden für den Umgang mit den neuen Bestimmungen, Bern, 2 006. 46. BFM, Probleme der Integration von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz. Bestandesaufnahme der Fakten, Ursachen, Risikogruppen Massnahmen und des integrationspolitischen Handlungsbedarfs, Juli 2 006. 47. BFM, Bericht des Bundesamtes für Migration zu den hängigen Fragen im Einbürgerungsbereich, 20. Dezember 2005. 48. „Naturalisation : le Tribunal fédéral aux prises avec sa jurisprudence“, Le Temps, 11. Mai 2006. 49. Bundesrat, Botschaft über die Eidgenössische Volksinitiative „für demokratische Einbürgerungen“ vom 25, Oktober 2 006 (BBl 2 006 8953). 50. EJPD, Bundesrat lehnt Volksinitiative „für demokratische Einbürgerungen“ ab, Medienmitteilung, 25. Oktober 2006.

ABSTRACTS

Im September 2006 hiess das Schweizer Stimmvolk mit grosser Mehrheit das Asylgesetz und das Ausländergesetz gut. Nun dreht sich die öffentliche Diskussion zur Migrationspolitik um die Umsetzung dieser Gesetze, insbesondere um die Übereinstimmung mit den internationalen Normen bei der Anwendung des Asylrechts sowie um die Integrationspolitik, bei der die Behörden in Zukunft mit mehr Härte vorgehen werden. 2006 wurde die Rolle der Rechtssprechung bei der Anwendung des geltenden Rechts gestärkt.

AUTHOR

ROSITA FIBBI Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien (SFM), Universität Neuenburg ; Institut d’anthropologie et de sociologie, Universität Lausanne.

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2. Teil : Statistiken

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A. Im Internet verfügbare statistische Daten

Tanja Guggenbühl, Gérard Perroulaz and Xavier Tschumi Canosa

A.1. Handelsströme

A.1.1. Daten der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV)

1 Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) verfügt über ein Datenbankensystem, aus dem die Aussenhandelsstatistik der Schweiz hervorging. Die entsprechende Website ist unter der Adresse http://www.ezv.admin.ch >Themen >Aussenhandelsstatistik zugänglich.

Verfügbarkeit der Daten

2 Eine Rubrik der obigen Internetseite, „Produkte“, stellt alle notwendigen Informationen bereit, um Zugang zum gesamten Datenmaterial über den Aussenhandel der Schweiz online (SWISS-impex) oder auf CD-ROM zu erhalten. Diese Produkte sind alle gegen Zahlung erhältlich, doch sind die Daten in bestimmten Schweizer Bibliotheken über den Katalog RERO1 zu finden. Ansonsten können die CD-Rom unter der Rubrik „Bestellungen“bestellt werden. Die Papierversion dieser Statistik, die ebenfalls gegen Zahlung erhältlich war, wurde ab den Daten für 2 006 aufgegeben.

3 Ein Auszug sämtlicher zum Aussenhandel der Schweiz verfügbaren Daten ist jedoch gratis unter den Rubriken „Gesamtübersicht“, „Länder“ und „Waren“ der oben genannten Internetseite erhältlich. Die Zahlen sind dort unter verschiedenen Punkten angeordnet und können meist am Bildschirm sichtbar gemacht und/oder im PDF- bzw. Excel-Format heruntergeladen werden.

4 Die nachstehenden Punkte führen diese Rubriken im Einzelnen auf.

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Gesamtübersicht

5 Diese Rubrik stellt die jährlichen Gesamtzahlen der Ein- und Ausfuhren sowie des Handelsbilanzsaldos der Schweiz seit 1980 bis zum letzten Jahr bereit, für das die Daten verfügbar sind. An dieser Stelle sind keine weiteren Einzelheiten nach Ländern oder Waren angegeben. Eine andere Tabelle der Rubrik führt die Zahlen zum Aussenhandel der Schweiz pro Einwohner für die gleichen Jahre auf.

6 Unter dieser Rubrik werden zudem die provisorischen monatlichen Gesamtzahlen der Ein- und Ausfuhren für das letzte vollständige Jahr und auch bis zum letzten abgelaufenen Monat aufgeführt. Im Allgemeinen sind die endgültigen Zahlen des Vorjahrs ab dem Monat Juni des laufenden Jahres verfügbar.

7 Bei all diesen Zahlen wird ein Unterschied gemacht zwischen dem Gesamtwert 1, ohne Edelmetalle, Schmucksteine, Kunstgegenstände und Antiquitäten, der hauptsächlich der Konjunkturbeobachtung dient, und dem Gesamtwert2, der den Aussenhandel in seiner Gesamtheit umfasst.

Länder

8 Unter dieser Rubrik sind die Daten über die Ein- und Ausfuhren und den Handelsbilanzsaldo für die letzten vier Jahre geografisch nach Wirtschaftsräumen oder nach Kontinenten geordnet. Ferner sind dort die Daten zum Aussenhandel der Schweiz mit den wichtigsten Partnerländern verfügbar.

9 Die Daten nach Wirtschaftsräumen(Excel-Format)sind in grossen Gruppen zusammengefasst und liefern keine Angaben zu den einzelnen Ländern der Wirtschaftsräume. Für Angaben nach Ländern (Excel-Format)sind die Zahlen nach Kontinenten zu konsultieren.

10 Die Länder, aus denen sich die Wirtschaftsräumeund die Kontinente zusammensetzen, sind in PDF-Dateien angelegt, die unter der Rubrik „Erläuterungen“ auf der Internetseite der Aussenhandelsstatistik (unter „Länderverzeichnis“) erhältlich sind.

11 Hinweis : Die von der Eidgenössischen Zollverwaltung gehandhabte Einstufung der Länder in Wirtschaftsräume ist ihr eigen und muss somit aufmerksam geprüft werden vor einem Vergleich mit Klassifikationen aus anderen Quellen, insbesondere mit der vom Entwicklungshilfeausschuss der OECD erstellten DAC-Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe. So sind beispielsweise die in den Daten der Eidgenössischen Zollverwaltung aufgeführten Aggregate der Entwicklungsländer und der Tranformationsländer keineswegs mit den Aggregaten der (am Schluss des Jahrbuchs abgedruckten) DAC-Liste vergleichbar.

12 Vermerk : Im gesamten Statistischen Teil des Jahrbuchs wird die Klassifikation der DAC- Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe verwendet. Für Flüsse des Jahres 2004 oder früherer Jahre bestand diese Liste aus zwei Teilen, wobei der erste Teil die Entwicklungsländer und -gebiete und der zweite Teil die Transitionsländer und - gebiete umfasste. Für Flüsse ab dem Jahr 2005 besteht die Liste nur noch aus einem einzigen Teil, den Empfängerländern der öffentlichen Entwicklungshilfe.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 237

Waren

13 Unter dieser Rubrik sind die Ein- und Ausfuhren nach der Warenart geordnet (14 hauptsächliche Wirtschaftszweige2)oder nach dem Verwendungszweck (6 Warengruppen3, die zur Erstellung der Konjunkturprognosen und der Konten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verwendet werden). Die Nomenklaturen nach Warenart oder Verwendungszweck sind unter der Rubrik „Erläuterungen“ auf der Internetseite der Aussenhandelsstatistik (unter „Warennomenklaturen“)verfügbar.

14 Die Zahlen betreffen die letzten vier Jahre und sind im PDF-Format (zusammengefasst) oder im Excel-Format erhätlich.

15 Die Klassifikation der Ein- und Ausfuhren nach Warenart ist noch nach Ländern unterteilt, jedoch nur nach den wichtigsten Bezugs- oder Absatzländern der konsultierten Warengruppe. Dies ist bei der Klassifikation der Ein- und Ausfuhren nach dem Verwendungszweck der Waren nicht der Fall, wo nur ein allgemeiner Überblick gegeben wird.

16 Dieser Punkt bietet ferner eine Gesamtübersicht über die Ein- und Ausfuhren gemäss dem Internationalen Warenverzeichnis für den Aussenhandel (CTCI)4 Die SITC/CTCI ist eine von der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen verwaltete Warennomenklatur, die anhand wirtschaftlicherKriterien für die Erstellung von Aussenhandelsstatistiken aufgebaut wurde.

Analyse des Aussenhandels

17 Diese Rubrik liefert zusätzliche Informationen zu den unter den vorhergehenden Punkten verfügbaren Angaben. Texte und Grafiken veranschaulichen die Entwicklung des Aussenhandels der Schweiz für das Jahr mit den letzten erhältlichen Daten gegenüber dem Vorjahr (oder den Vorjahren).

18 Die gleiche Rubrik stellt unter „Wirtschafträume“ eine Tabelle mit den 30 wichtigsten Handelspartnern der Schweiz für das Jahr mit den neuesten Angaben bereit.

Andere Angaben

19 Weitere statistische Daten zum Aussenhandel der Schweiz werden unter anderen Rubriken auf der Internetseite der Eidgenössischen Zollverwaltung aufgeführt, wie die Ein- und Ausfuhren nach Transportmitteln oder nach Kantonen und Übertrittszonen.

20 Unter einer dieser Rubriken werden zudem die Aussenhandelsindizes für die letzten Jahre präsentiert.Unter einer anderen Rubrik werden insbesondere die schweizerischen Kriegsmaterialexporte für das Jahr vor dem laufenden Jahr aufgeführt (vgl. auch unten, Punkt A.1.3).

A.1.2. Daten der Schweizerischen Nationalbank (SNB)5

21 Die Schweizerische Nationalbank (SNB) gibt ebenfalls Daten über den Aussenhandel der Schweiz heraus, und zwar in ihrer Publikation Statistisches Monatsheft : http:// www.snb.ch > Publikationen > Statistisches Monatsheft.

22 Kapitel I (Buchstabe I) liefert die Aussenhandelszahlen nach Verwendungszweck der Waren, nach Warenart und nach Ländern. Die Daten sind im PDF-Format (so wie sie in

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 238

der Publikation erscheinen) sowie im Daten-Format (Excel oder Text) verfügbar. Die Publikation führt die jährlichen Gesamtzahlen der Einfuhren, der Ausfuhren und des Handelsbilanzsaldos auf.

23 Einschränkung : Im Datenformat müssen die monatlichen Zahlen manuell addiert werden, um die Gesamtzahlen pro Jahr zu erhalten.

24 Im Unterschied zu den Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung, welche die Aussenhandelsdaten von Jahr zu Jahr (Mitte des Jahres für das Vorjahr) bereitstellt, stellt die Schweizerische Nationalbank die Daten von Monat zu Monat (mit einer Frist von drei Monaten – z.B. im Februar für die Novemberdaten des Vorjahrs) bereit. Die Zahlen der Schweizerischen Nationalbank entsprechen dem Gesamtwert 1 der Eidgenössischen Zollverwaltung (d.h. ohne Edelmetalle, Schmucksteine, Kunstgegenstände und Antiquitäten).

25 Die Zahlen der SNB liefern keine Einzelheiten nach Ländern zum Aussenhandel der Schweiz mit den Entwicklungsländern, ausser für Indien.

26 Hinweis : Die Liste der Entwicklungsländer der Nationalbank ist nicht die gleiche wie jene, die in Teil B und C der vorliegenden Statistiken des Jahrbuchs verwendet wird. Dort wird die vom Entwicklungshilfeausschuss der OECD erstellte (am Schluss des Jahrbuchs abgedruckte) DAC-Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklunghilfe verwendet.

A.1.3. Daten des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO)

27 Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) stellt auf seiner Website Informationen nach Ländern betreffend die Aussenwirtschaftsbeziehungen der Schweiz bereit : http://www.seco-admin.ch >D (Deutsch) >Aussenwirtschaft >Länderinformationen. Bei den Länderinformationen handelt es sich um Dokumente im Word-Format, die regelmässig aktualisiert werden und Daten über das betreffende Land enthalten, welche über den Rahmen des Aussenhandels der Schweiz hinausgehen (z.B. geopolitische Daten, diplomatische Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Land).

28 Ein Dokument mit dem Titel Quellenliste „Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen“ kann von dieser Internetseite des SECO heruntergeladen werden. Es liefert zusätzliche Informationen zu den Länderblättern in Form von unentgeltlich zugänglichen Internet- Links und mit Hinweis auf Wirtschaftsdaten nach Ländern.

29 Ferner werden auf der Website des SECO Informationen über die Exportkontrollen, insbesondere betreffend Kriegsmaterial bereitgestellt, und zwar auf der Seite http:// www.seco-admin.ch >Themen >Exportkontrollen >Kriegsmaterial. Auf dieser Seite werden im Teil „News“ die Zahlen für die Kriegsmaterialexporte nach Bestimmungsländern ab dem Monat Februar für das Vorjahr aufgeführt. Die Zahlen für frühere Jahre sind unter dem Link „Frühere Statistiken“ zu finden.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 239

A.2. Finanzflüsse

A.2.1. Daten der Schweizerischen Nationalbank (SNB)6

30 Die Website der Schweizerischen Nationalbank (SNB) publiziert die vollständigsten Angaben über die Finanzflüsse aus und nach der Schweiz : http://www.snb.ch> >Statistiken. Die Rubrik „Statistiken“ versammelt neu alle statistischen Publikationen der Nationalbank, eine Übersicht findet sich auf der Seite „Statistische Publikationen“. Die Liste der Publikationen erscheint auf der folgenden Seite der Website der BNS unter : http://www.snb.ch >Publikationen.

„Statistisches Monatsheft“

31 Beim Anklicken des Links http://www.snb.ch >Publikationen >Statistisches Monatsheft – wird lediglich das neueste Statistische Monatsheft präsentiert ; jedoch ermöglicht ein weiterer Link ganz unten auf der Seite den Zugang zu den seit dem Jahr 2000 archivierten Monatsheften. Alle Zahlen sind im PDF-Format, aber auch im Datenformat (Excel oder Text) erhältlich.

32 Kapitel F des Statistischen Monatshefts – Kapitalmarkt – führt die Zahlen betreffend die Anleihen ausländischer Schuldner in der Schweiz,öffentlich oder nicht öffentlich aufgelegt, nach Anleihenskategorien und nach Ländergruppen auf.

33 Kapitel S des Statistischen Monatshefts – Direktinvestitionen – führt die Zahlen betreffend die Direktinvestitionen im Ausland auf. Die jährlichen Investitionsflüsse (Kapitalexporte),der Kapitalbestand (Stand am Jahresende) sowie der Personalbestand in den schweizerischen Unternehmen im Ausland sind nach Ländern oder nach Branchen und Sektoren verfügbar.

34 Hinweis : Die Ländereinstufung der Schweizerischen Nationalbank ist ihr eigen und darf nicht mit den Klassifikationen anderer Quellen, insbesondere mit der vom Entwicklungshilfeausschuss der OECD erstellten DAC-Liste der Empfängerländer der öffentlichen Enwicklungshilfe verglichen werden. Einige Länder, die von der SNB der Gruppe der Schwellenländer zugeordnet werden, werden zum Beispiel vom DAC als Entwicklungsländer eingestuft.

35 Vermerk : Im gesamten Statistischen Teil des Jahrbuchs wird die Klassifikation der vom DAC erstellten Liste der Hilfeempfängerländer verwendet. Für Flüsse des Jahres 2004 oder früherer Jahre bestand diese Liste aus zwei Teilen, wobei der erste Teil die Entwicklungsländer und -gebiete und der zweite Teil die Transitionsländer und - gebiete umfasste. Für Flüsse ab dem Jahr 2005 besteht die Liste nur noch aus einem einzigen Teil, den Empfängerländern öffentlicher Entwicklungshilfe.

„Entwicklung der Direktinvestitionen“

36 Der Bericht Entwicklung der Direktinvestitionen erscheint jährlich als Beilage zur Dezemberausgabe der Publikation Statistisches Monatsheft (siehe oben) und ist unter http://www.snb.ch >Statistiken >Direktinvestitionen >Entwicklung der Direktinvestitionen erhältlich. Durch Anklicken dieses Links auf der Website der SNB steht die Publikation ab dem Jahr 2000 bis zum letzten erhältlichen Jahr zur Verfügung (im Dezember 2 006 wurde der Bericht Entwicklung der Direktinvestitionen im Jahr 2005

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veröffentlicht). Die Publikation enthält Tabellen und Kommentare zur Entwicklung der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland und der ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz für das Referenzjahr.

„Die Banken in der Schweiz“

37 Diese jährlich im Sommer erscheinende Publikation ist durch Anklicken des entsprechenden Links unter der Rubrik „Publikationen“ auf der Website der SNB unter http://www.snb.ch >Publikationen >Die Banken in der Schweiz erhältlich. Die Ausgaben sind im PDF-Format ab 1996 (vollständige oder zusammengefasste Veröffentlichung) verfügbar, und nur die neueste Publikation bietet zusätzlich Zahlen im Excel- oder Text-Format.

38 Kapitel 1.5 der Publikation gibt die Aufteilung der Auslandsguthaben und - verpflichtungen in den Bilanzen von rund hundert Schweizer Banken nach Ländern an (Tabelle 32).

39 Definition : Die in der Bilanz einer Bank aufgeführten Geschäfte sind nur jene Geschäfte, die von der Bank auf eigene Rechnung getätigt werden.

40 Kapitel 2.2 der Publikation gibt die Aufteilung der Auslandsguthaben und - verpflichtungen in den Bilanzen derselben rund hundert Schweizer Banken nach Ländern, jedoch für Treuhandgeschäfte an (Tabelle 38).

41 Definition : Die in der Bilanz einer Bank aufgeführten Treuhandgeschäfte sind jene Geschäfte, die von der Bank auf Rechnung und Risiko ihrer Kunden getätigt werden.

42 Hinweis : Dieses Kapitel umfasst nicht die Gesamtheit der Auslandsguthaben und - verpflichtungen, da nicht alle Banken dort aufgeführt sind und der bankähnliche Sektor (z.B. Vermögensverwalter, Treuhänder, Wechselstuben) nicht darin berücksichtigt ist. Ausserdem sind die Tabellen 32 und 38 der Publikation die einzigen Tabellen, die Zahlen nach Ländern aufführen.

Zahlungsbilanz und Auslandvermögen der Schweiz

43 Unter der Rubrik der Publikationen der SNB : http://www.snb.ch >Publikationen >Zahlungsbilanz und Auslandvermögen der Schweiz erscheinen drei Beilagen zum Statistischen Monatsheft. Die eine ist der oben vorgestellte Bericht Entwicklung der Direktinvestitionen, die beiden anderen sind folgende : • Die Beilage „Zahlungsbilanz der Schweiz“ erscheint jährlich7 und ist auf der Website der SNB im PDF-Format ab dem Jahr 1996 verfügbar. Der Bericht kommentiert die Entwicklung des Handels- und Kapitalsverkehrs der Schweiz mit dem Ausland im Referenzjahr (Güter- und Dienstleistungsströme, Kapitalströme) und enthält Tabellen mit Zahlen über einen Zeitraum von fünf Jahren. • Die Beilage „Auslandvermögen der Schweiz“ ist für jedes Jahr im PDF-Format ab dem Jahr 2000 erhältlich8. Die Publikation erläutert die Entwicklung der Auslandsaktiven, der Auslandspassiven und des Nettovermögens der Schweiz, gemäss den Richtlinien des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Tabellen führen diese Zahlen ebenfalls über einen Zeitraum von fünf Jahren an.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 241

A.2.2. Daten des OECD-Entwicklungshilfeausschusses (DAC)

44 Der Entwicklungshilfeausschuss der OECD (DAC) besitzt eine Website in englischer Sprache mit zahlreichen statistischen Daten : http://www.oecd.org/dac >Aid Statistics. Diese Website ist viel kompletter als diejenige in französischer Sprache (http://www.oecd.org/cad >Statistiques de l’aide ). Besteht ein Dokument in der anderen Sprache, so wird dies mit einem Vermerk erwähnt, und ein Link führt zur Übersetzung hin.

Verfügbarkeit der Daten

45 Das DAC stellt seine Daten in Form von kostenlos online zugänglichen Tabellen zur Verfügung, aber auch als CD-ROM (insbesondere die CD-ROM Statistiques sur le développement international, International Development Statistics CD-ROM), oder als Berichte in Papierform, die im Online-Buchladen der OECD9 gekauft oder in den Schweizer Bibliotheken über den Katalog RERO10 eingesehen werden können.

Coopération pour le développement. Rapport 2006, Les Dossiers du CAD, Paris, OCDE, 2 006.

Statistischer Anhang zum Jahresbericht „Coopération pour le développement“

46 Der Statistische Anhang zum Bericht Coopération pour le développement (Statistical Annex of the Development Co-operation Report) stellt in rund vierzig Tabellen im Excel-Format eine vollständige Übersicht über die Finanzflüsse zwischen den Mitgliedsstaaten des DAC und den Hilfeempfängerländern bereit.

47 Das Inhaltsverzeichnis (Table of Contents) des Statistischen Anhangs ist zum Auffinden der gesuchten Tabellen nützlich.

48 Hinweis : Die Tabellen des Statistischen Anhangs zum Jahresbericht Coopération pour le développement sind nicht jedes Jahr gleich nummeriert, somit istdasInhaltsverzeichnis massgebend.

49 Tabelle 13 des Anhangs zum Jahresbericht 2 006 gibt die Finanzflüsse zwischen den Mitgliedsländern des DAC und den Hilfeempfängerländern für das Jahr 2005 in vier Kategorien an : • öffentliche Entwicklungshilfe (siehe unten, Punkt A.3.1.) ; • andere Beiträge des öffentlichen Sektors (die im Gegensatz zur öffentlichen Entwicklungshilfe zu Marktbedingungen gewährt werden) ; • Schenkungen der privaten Organisationen ; • Privatkapital, das diesen Ländern zu marktwirtschaftlichen Bedingungen ausgezahlt wird (Direktinvestitionen, Exportkredite und Portfolioanlagen).

50 Tabelle 14 führt die gleichen Daten, jedoch für die Jahre 2002 bis 2005 sowie für den Durchschnitt der Jahre 1994-1995, d.h. zehn Jahre vor den letzten erhältlichen Daten auf.

51 Tabelle 37 gibt die durchschnittlichen jährlichen Wechselkurse (im Bericht 2 006 für die Jahre 2001 bis 2005) gegenüber dem Dollar für die Devisen der DAC-Länder an. Diese Angaben sind hilfreich bei Vergleichen mit den Zahlen anderer Quellen, die nicht in Dollar ausgedrückt sind.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 242

52 Tabelle 38 führt das Bruttonationaleinkommen (BNE) und die Bevölkerungszahlen für jedes DAC-Mitgliedsland auf, was die Berechnung der verschiedenen Arten von Flüssen pro BNE-Einheit oder pro Einwohner ermöglicht (im Bericht 2 006 für die Jahre 2003 bis 2005 sowie Durchschnitt der Jahre 1994 und 1995).

Online-Statistiken zur internationalen Entwicklung

53 Die Website der statistischen Daten des DAC enthält einen Link zur Seite der Online- Statistiken über die internationale Entwicklung (International Development Statistics Online), was einen Zugang zu den Datenbanken des DAC (Datasets) über die Finanzflüsse in die Hilfeempfängerländer gewährt.

54 Seit Mai 2006 aggregiert ein neues System – OECD.Stat (sprich „OECD dot Stat“) – diese Statistiken und bietet den Benutzern einen erleichterten Zugang zu den oben aufgeführten Kategorien von Finanzflüssen nach den Hilfeempfängerländern. Die Daten können nach Geberländern gesiebtund im Excel-Format exportiert werden. Ferner sind mit diesem System Daten über einen sehr langen Zeitraum (seit 1960) erhältlich.

Andere statistische Daten des DAC oder der OECD

55 Das DAC stellt auf seiner Website auf der Seite mit den statistischen Daten auch Übersichtstafeln über die verschiedenen relevanten Flüsse oder Beträge für die Mitgliedsländer des DAC (Donor Aid Charts, Hilfe nach Gebern) sowie für die Hilfeempfängerländer (Recipient Aid Charts, Hilfe nach Empfängern) bereit.

56 Die DAC-Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe (DAC List of ODA Recipients) ist ebenfalls auf dieser Internetseite verfügbar.

57 Y Hinweis : Diese Liste wird regelmässig überarbeitet, und jedem Jahr an Finanzflüssen (namentlich die Flüsse öffentlicher Entwicklungshilfe) entspricht eine präzise, für das betreffende Jahr gültige Liste. Für Flüsse des Jahres 2004 oder früherer Jahre bestand diese Liste aus zwei Teilen, wobei der erste Teil die Entwicklungsländer und -gebiete und der zweite Teil die Transitionsländer und-gebiete umfasste. Für Flüsse ab dem Jahr 2005 besteht die Liste nur noch aus einem einzigen Teil, den Empfängerländern öffentlicher Entwicklungshilfe.

A.2.3. Komponenten der für die Entwicklungsländer bestimmten langfristigen Finanzflüsse

58 Die Weltbank präsentiert alljährlich in ihrer Publikation Global Development Finance11im Teil „Sources and Definitions“ ein Schema und eine Tabelle, die zum besseren Verständnis der Zusammensetzung der die Entwicklungsländer betreffenden Finanzflüsse beitragen. Das Schema führt die Komponenten der für die Entwicklungsländer bestimmten langfristigen Finanzflüsse auf. Die Tabelle situiert diese Finanzflüsse in der Gesamtheit der langfristigen Finanzflüsse, die in den verschiedenen Zwischenbilanzen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechung (Leistungsbilanz, Kapitalbilanz und Devisenbilanz) auftreten und sich in der Zahlungsbilanz ausgleichen.

Jahrbuch 2006, Nr. 1, Statistiken, Teil A, Schema 2 und Tabelle 1, S. 227.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 243

A.3. Entwicklungshilfeflüsse

A.3.1. Daten des OECD-Entwicklungshilfeauschusses (DAC)

59 Wie unter Punkt A.2.2. oben beschrieben, besitzt der Entwicklungshilfeauschuss der OECD (DAC) eine Website mit einem reichhaltigen statistischen Material, http:// www.oecd.org/dac >Aid Statistics. Über die Verfügbarkeit der Daten des DAC wird ebenfalls im Abschnitt A.2.2. informiert.

Statistischer Anhang des Jahresberichts „Coopération pour le développement“

60 Diese Publikation ist online auf Französisch oder auf Englisch (Statistical Annex of the Development Co-operation Report) erhältlich. DerStatistische Anhang bietet in rund vierzig Tabellen im Excel-Format eine Gesamtübersicht über die Finanzflüsse zwischen den Mitgliedsländern des DAC und den Hilfeempfängerländern.

61 Das Inhaltsverzeichnis (Table of Contents) des Statistischen Anhangs ist zum Auffinden der gesuchten Tabellen nützlich.

62 Hinweis : Da die Tabellen des Statistischen Anhangs des Jahresberichts Coopération pour le développement nicht jedes Jahr gleich nummeriert sind, ist das Inhaltsverzeichnis diesbezüglich massgebend.

63 Grafik 1 des Anhangs zum Jahresbericht 2 006 gibt eine Übersicht über die Beiträge öffentlicher Entwicklungshilfe der DAC-Mitgliedsstaaten im Jahr 2005, im absoluten Wert und in Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Tabelle 1 führt die Zahlen dieser Beiträge für die Jahre 2004 und 2005 an.

64 Definition : Das DAC gibt eine Definition des Aggregats öffentlicher Entwicklungshilfe, die in den technischen Anmerkungen am Schluss der Jahresberichte über die Entwicklungszusammenarbeit zu finden ist. (Diese Berichte sind im Papierformat käuflich zu erwerben oder stehen in der Bibliothek zur Verfügung, sind aber nicht direkt online erhältlich). Die Definition lässt sich wie folgt zusammenfassen : Die öffentliche Entwicklungshilfe besteht aus Darlehen und Schenkungen, die vom öffentlichen Sektor der Mitgliedsländer des DAC den Ländern und Gebieten der DAC- Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe zu günstigen finanziellen Bedingungen mit dem hauptsächlichen Ziel gewährt werden, die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder zu erleichtern und ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

65 Hinweis : Die Angaben zum Aggregat öffentlicher Hilfe, die für die Transitionsländer und -gebiete bestimmt war, bestehen nicht mehr im Statistischen Anhang für die Flüsse ab dem Jahr 2005.

66 Tabelle 14 des Anhangs zum Jahresbericht 2 006 gibt die Einzelheiten der Finanzflüsse des Aggregats „öffentliche Entwicklungshilfe“ für jedes Mitgliedsland des DAC und für die vier Jahre mit den neuesten Daten, insbesondere die Flüsse bilateraler öffentlicher Entwicklungshilfe (Darlehen und Schenkungen) und die Flüsse multilateraler öffentlicher Entwicklungshilfe an. Die Tabelle führt auch die privaten Flüsse der nichtstaatlichen Organisationen nach den Entwicklungsländern auf.

67 Für eine Aufteilung der Flüsse nach Empfängerländern der Hilfe sämtlicher DAC- Mitgliedsländer für die letzten fünf Jahre wird auf Tabelle 25 (öffentliche Entwicklungshilfe zugunsten der Entwicklungsländer) verwiesen.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 244

68 Tabelle 32 führt die Liste der 15 wichtigsten Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe für jedes DAC-Mitgliedsland in Prozent der gesamten ausgezahlten öffentlichen Entwicklungshilfe (Bruttozahlungen) für 1984-85, 1994-95 und 2004-05 auf. Die Tabelle ermöglicht einen Vergleich der geografischen Fokussierung der Hilfe der einzelnen Geberländer im Zeitverlauf und zwischen den Mitgliedsländern des DAC. Ferner wird aus Tabelle 32 die Aufteilung der bilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe zwischen den Ländergruppen der DAC-Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe und nach geografischen Einheiten für jedes Mitgliedsland des DAC ersichtlich.

69 Definitionen : Eine Bruttozahlung entspricht dem Gesamtbetrag, der im Verlauf einer gegebenen Rechnungsperiode ausgezahlt wurde. Eine Nettozahlung entspricht der Bruttozahlung abzüglich aller während der gleichen Rechnungsperiode erfolgten Kapitalrückzahlungen oder Spendenrückerstattungen.

A.3.2. Daten der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)

70 Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) gibt jedes Jahr statistische Daten über die Hilfe der Schweiz an die Entwicklungsländer heraus. Diese Daten werden sequentiell veröffentlicht, und die Zahlen sind zwischen den verschiedenen Quellen nicht unbedingt die gleichen (Aktualisierung provisorischer Zahlen).

„Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz“

71 Der Jahresbericht wird von der DEZA und vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) gemeinsam publiziert. Diese beiden Bundesämter sind für die Koordination und die Umsetzung der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz zuständig. Der Bericht erscheint Mitte des dem Referenzjahr der Statistiken folgenden Jahres (im Juli 2 006 kam der Jahresbericht 2005 mit provisorischen Zahlen für 2005 und aktualisierten Zahlen für 2004 heraus).

72 Hinweis : Da es sich um eine Aktualisierung der Zahlen für 2004 handelt, sind diese nicht zwangläufig dieselben wie jene Zahlen, die im Jahresbericht 2004 ein Jahr zuvor veröffentlicht worden waren. Da die Zahlen für 2005 provisorisch sind, sind sie auch nicht unbedingt die gleichen wie die aktualisierten Zahlen, die einige Monate später in der Publikation Aide de la Suisse aux pays en développement (siehe unten) herausgegeben werden.

73 Der Bericht ist gratis im Internet (im PDF-Format) erhältlich und kann in Papierversion (als Broschüre) auf der Website der DEZA unter http://www.deza.admin.ch >Dokumentation bestellt werden.

74 Der erste – thematische – Teil des Berichts vermittelt einen Überblick über die Tätigkeit der Schweiz im Bereich der internationalen Zusammenarbeit im Jahr 2005. Der zweite – statistische – Teil führt die Zahlen der öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz für das Referenzjahr des Berichts und für das Vorjahr auf. Dieser Teil gibt unter anderem auch die Aufwendungen für die bilaterale Hilfe von DEZA und SECO nach Ländern, diejenigen der DEZA für die humanitäre Hilfe und nach Tätigkeitsbereichen sowie die Aufwendungen des SECO nach Instrumenten an.

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„Entwicklungshilfe der Schweiz“

75 Diese Publikation der DEZA (in zweisprachiger Fassung Französisch und Deutsch) ist gewöhnlich im Verlauf des Frühjahrs erhältlich und betrifft die Zahlen des vorletzten Jahres (so erscheint die Statistik 2005 im Frühjahr 2007). Diese Angaben sind derzeit nur in Papierform verfügbar, doch kann ein Exemplar der Broschüre kostenlos bei der DEZA12 bezogen werden. Die Publikation, die bis zur Herausgabe im Jahr 2 006 den Titel Aide de la Suisse aux pays en développement et aux pays en transition trug, ist 2007 unter dem deutschen TitelEntwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005 erschienen. Sie umfasst aber auch die Hilfeflüsse für die Länder des Südens und Ostens, die nicht in der DAC-Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe enthalten sind.

76 Hinweis : Da diese Publikation mehrere Monate nach dem Jahresbericht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz (siehe oben) erscheint, sind die Zahlen dort aktualisiert und nicht mehr provisorisch. Sie können somit für das gemeinsame Referenzjahr unterschiedlich sein.

77 Die Publikation führt folgende Hilfeflüsse auf : • Öffentliche und private Hilfe an die Entwicklungsländer : Überblick, Entwicklung, Finanzierung nach Finanzierungsquellen aufgeschlüsselt ; • Multilaterale Beiträge im Rahmen der öffentlichen Entwicklungshilfe ; • Bilaterale Finanzflüsse nach den Empfängerländern öffentlicher Entwicklungshilfe und den anderen Ländern des Südens und Ostens : nach Kontinenten, nach Ländergruppen gemäss Klassifikation des DAC und nach Ländern aufgeschlüsselt. Diese Tabelle ist eine Kurzfassung der Tabelle von Teil B des vorliegenden Teils „Statistiken“. • Bilaterale Beiträge : öffentliche und private bilaterale Hilfe, nach Kontinenten und Ländern aufgeschlüsselt ; • Öffentliche Hilfe der Kantone an die Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe und die anderen Länder des Südens und Ostens, nach Kantonen aufgeschlüsselt ; • Öffentliche Hilfe der Gemeinden an die Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe und die anderen Länder des Südens und Ostens, nach Kantonen und Gemeinden aufgeschlüsselt ; • Private Hilfe der nichtstaatlichen Organisationen (NRO) an die Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe und die anderen Länder des Südens und Ostens, nach Organisationen und nach Hilfeempfängerländern aufgeschlüsselt.

78 Im Anhang zur Broschüre finden sich folgende Dokumente : die DAC-Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe vom 1. Januar 2005 sowie die Liste der anderen Länder des Ostens und Südens (frühere Transitionsländer), ferner ein Verzeichnis der im Entwicklungsbereich tätigen privaten Entwicklungsorganisationen (NRO) mit ihren Kontaktadressen.

NOTES

1. http://www.opac.rero.ch.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 246

2. Land- und Forstwirtschafts- und Fischereiprodukte ; Energieträger ; Textilien, Bekleidung und Schuhe ; Papier und grafische Erzeugnisse ; Leder, Kautschuk und Kunststoffe ; Produkte der chemischen Industrie und damit verbundener Industrien ; Steine und Erden ; Metalle ; Maschinen und Elektronik ; Fahrzeuge, Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie ; verschiedene übrige Waren ; Edelmetalle und Schmucksteine ; Kunstgegenstände und Antiquitäten. 3. Rohstoffe und Halbfabrikate ; Energieträger ; Investitionsgüter ; Konsumgüter ; Edelmetalle und Schmucksteine ; Kunstgegenstände und Antiquitäten. 4. Siehe : http://unstats.un.org >Statistical Databases >Classifications Registry >Quicklinks >SITC Rev.4 (Englisch). 5. Anmerkung der Redaktion : Kurz vor Druckgabe des Jahrbuchs wurde die Website der SNB umgestaltet : siehe Medienmitteilung der SNB vom 2. April 2007 „Die SNB mit neuer Website“. Wir werden im nächsten Jahr die Veränderungen im Einzelnen berücksichtigen. 6. Siehe Fussnote 5. 7. Herausgabe Ende September eines Jahres zu den Zahlen des Vorjahrs. 8. Herausgabe Ende Dezember eines Jahres zu den Zahlen des Vorjahrs. 9. http://www.oecdbookshop.org 10. http://www.opac.rero.ch 11. Jüngste Ausgabe : World Bank, Global Development Finance 2006: The Development Potential of Surging Capital Flows, II. Summary and Country Tables, Washington, 2006, S. xxv-xxvi. 12. DEZA, Freiburgstrasse 130, 3003 Bern, Tel. 031/322 44 12, [email protected].

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 247

B. Übersicht über die Finanz- und Handelsströme zwischen der Schweiz und den Entwicklungs- ländern

Tanja Guggenbühl, Gérard Perroulaz and Xavier Tschumi Canosa

Tabelle B.1 : Übersicht über die Beziehungen der Schweiz mit den Entwicklungsländern, 2005 (in Tausend Franken und Prozent)

Abkürzungen : n.a. : nicht anwendbar .. = nicht erhältlich Klassifikation der Länder Die Länderklassifikation entspricht der jährlichen Einstufung des DAC (siehe DAC-Liste am Schluss des Jahrbuchs). Im Jahr 2005 hat das DAC die Liste der Empfängerländer öffentlicher Hilfe geändert. Während die alte Liste aus zwei Teilen – Empfängerländer öffentlicher Entwicklunghilfe und Empfängerländer öffentlicher Hilfe – bestand, enthält die neue Liste nur noch einen Teil, der fortan lediglich die Entwicklungshilfe umfasst, das heisst alle Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, ausser den Mitgliedsländern der G-8 oder der Europäischen Union. Somit werden die Beiträge für 2005 an Länder, die keine öffentliche Entwicklungshilfe erhalten, nicht mehr angegeben. Die Liste ist weiterhin in verschiedene Ländergruppen nach dem Stand des Bruttonationaleinkommens (BNE) der Empfänger unterteilt.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 248

Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 2, 2.2.2. Neue Klassifikation der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe und geschichtliche Entwicklung.

Titel der Tabellenspalten ÖEH = öffentliche Entwicklungshilfe ERG = Exportrisikogarantie Eine positive Zahl der ERG zeigt an, dass für das Bezugsjahr die vom Exporteur an die ERG gezahlten Prämienbeträge und die übrigen Erträge der ERG (Zinserträge, Schadenrückzahlungen, Auflösung von Rückstellungen) höher waren als die dem Exporteur von der ERG an Entschädigungen ausgezahlten Beträge und die übrigen Aufwendungen der ERG (Verwaltungs kosten, Finanzaufwand, Erhöhung von Rückstellungen). Umgekehrt zeigt eine negative Zahl der Exportrisikogarantie an, dass der Ertrag der ERG im Bezugsjahr geringer als ihr Aufwand war. ADI = Ausländische Direktinvestitionen Die Zahlen der Direktinvestitionen im Ausland werden von der Schweizerischen Nationalbank bereitgestellt. Jedoch werden sie aus Vertraulichkeitsgründen nur partiell nach Ländern veröffentlicht und sind in die regionalen Gesamtbeträge integriert. Eine positive Zahl der ADI zeigt an, dass für das Bezugsjahr der ADI-Nettofluss aus der Schweiz in das Land bzw. die Länderkategorie geht. Umgekehrt zeigt eine negative Zahl der ADI an, dass der ADI-Nettofluss aus dem Land bzw. der Länderkategorie in die Schweiz geht. Einfuhren Summe, die von der Schweiz im Bezugsjahr für ihre Einfuhren an Gütern und Dienstleistungen aus dem Land bzw. der Länderkategorie gezahlt wurde. Ausfuhren Summe, die von der Schweiz im Bezugsjahr für ihre Ausfuhren an Gütern und Dienstleistungen nach dem Land bzw. der Länderkategorie erhalten wurde. Handelssaldo Differenz zwischen dem Betrag der Ausfuhren und dem Betrag der Einfuhren. Ein positiver Handelssaldo besagt, dass der von der Schweiz für ihre Ausfuhren erhaltene Betrag höher ist als der von der Schweiz für ihre Einfuhren gezahlte Betrag. Ein negativer Handelssaldo besagt, dass der von der Schweiz für ihre Ausfuhren erhaltene Betrag geringer ist als der von der Schweiz für ihre Einfuhren gezahlte Betrag. Quellen : DEZA, Entwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005, Bern, 2007 ; Eidgenössische Oberzolldirektion, Schweizerische Aussenhandelsstatistik, Statistik nach Ländern 2005, CD-ROM.

Tabelle B.2 : Finanz- und Handelsflüsse der Schweiz nach den Entwicklungsländern, 2005 (in Tausend Franken)

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 249

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 250

* Neue Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe (frühere Empfängerländer öffentlicher Hilfe). Quellen und Anmerkungen : siehe am Schluss von Tabelle B.1.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 251

Tabelle B.3 : Finanz- und Handelsflüsse der Schweiz nach den anderen Ländern des Südens und Ostens, 2005 (in Tausend Franken)

a Ab dem Jahr 2005 wird die Kategorie der Beiträge an Länder, die keine öffentliche Entwicklungshilfe erhalten, international nicht mehr angewandt. Somit wird der Gesamtbetrag dieser Kategorie ab 2005 in obiger Tabelle nicht mehr aufgeführt. Quellen und Anmerkungen : siehe am Schluss von Tabelle B.1. Quelle der Spalte ADI : Schweizerische Nationalbank, „Schweizerische Direktinvestitionen im Ausland, Aufteilung nach Ländern“, Statistisches Monatsheft, Februar 2007.

Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-1 | 2007 252

C.Merkmale der Finanz- und Handelsströme zwischen der Schweiz und den Entwicklungs ländern

Tanja Guggenbühl, Gérard Perroulaz and Xavier Tschumi Canosa

C.1. Hauptcharakteristiken der Beziehungen zwischen der Schweiz und den Entwicklungsländern

1 Die Tabellen von Teil B vermitteln einen Überblick über die Beziehungen der Schweiz zu sämtlichen Entwicklungsländern und weiteren ausgewählten Staaten. Für die Beziehungen der Schweiz mit den Entwicklungsländern stützen wir uns auf die am Schluss des Jahrbuchs abgedruckte DAC-Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe für jene Länder, bei denen die Hilfebeträge in das statistische Aggregat „öffentliche Entwicklungshilfe“ eingeschlossen werden können. Wie in Kapitel 2 des vorliegenden Jahrbuchs (Teil „Fakten“) erwähnt, wurde die Zusammensetzung dieser Liste in den letzten Jahren mehrmals geändert. Dies ist beim Vergleich der Angaben der diesjährigen Statistiken mit jenen früherer Ausgaben zu berücksichtigen. Seit 2005 führt der Entwicklungshilfeausschuss der OECD (DAC) keine Liste der „Transitionsländer“ mehr. Um über die Beziehungen der Schweiz zu den mittel- und osteuropäischen Ländern und über wichtige Handelspartner der Schweiz zu informieren, die nicht auf der Liste der Entwicklungsländer aufgeführt sind, werden in diesem Teil noch statistische Angaben zu diesen Ländern präsentiert.

2 Die Tabellen in Teil B machen verschiedene Merkmale der Aussenbeziehungen der Schweiz deutlich : 1. Die finanziellen Beiträge des Privatsektors an die Entwicklungsländer sind sehr viel höher als die Leistungen der öffentlichen und privaten Hilfe. Im Jahr 2005 erhielten die Entwicklungsländer 1,74 Milliarden Franken an bilateraler öffentlicher Entwicklungshilfe und 414 Millionen Franken an Hilfebeiträgen aus den Eigenmitteln von

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Nichtregierungsorganisationen (NRO). Im selben Jahr beliefen sich die Direktinvestitionen von Schweizer Unternehmen in den Entwicklungsländern auf 8,5 Milliarden Franken. Der Aussenhandelsüberschuss der Schweiz erreichte 8,1 Milliarden Franken. Damit sind die Schweizer Exporte in die Entwicklungsländer merklich höher als die Einfuhren aus diesen Staaten. 2. Die Nettofinanzströme zwischen den Entwicklungsländern und der Schweiz fallen im Allgemeinen zugunsten der Schweiz aus. Berücksichtigt man ledig lich die Ströme öffentlicher und privater Hilfe, die Investitionen und den Handelssaldo mit bestimmten Entwicklungsgebieten, so stellt man fest, dass die Ströme aus diesen Regionen in die Schweiz die Hilfeleistungen der Schweiz für diese Gebiete übersteigen. Diese Angaben sind partiell, da gewisse andere Ströme, die schwer nach Länderkategorien aufzuteilen sind – wie die Bankflüsse (Schuldendienst und -rückzahlung, Nettoanlagen in Schweizer Banken) oder die Überweisungen der Migrantinnen und Migranten in der Schweiz an ihre Familien – nicht berücksichtigt werden. 3. Die geografische Aufteilung zwischen öffentlicher Hilfe und privaten Investitionsströmen lässt deutliche Unterschiede erkennen : Während die öffentliche Entwicklungshilfe und die Hilfe der NRO hauptsächlich für die am wenigsten entwickelten Länder (LDC) und andere einkommensschwache Länder be stimmt sind, kommen die Investitionen vor allem den Ländern mit mittlerem Einkommen und den mitteleuropäischen Staaten zugute. Auch die Ausfuhren gehen in erster Linie an die Länder mit mittlerem Einkommen, die mittel- und osteuropäischen Staaten und die fortgeschritteneren Entwicklungsländer.

C.1.1. Beziehungen der Schweiz zu den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC)

3 Von Interesse ist die Situation der 49 am wenigsten entwickelten Länder (LDC). Während 2005 17,5 Prozent der gesamten bilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe und 39,1 Prozent der Hilfe der NRO in diese Länder flossen, entfielen nur 1,6 Prozent der Einfuhren aus den Entwicklungsländern und lediglich 2,1 Prozent der Ausfuhren in die Entwicklungsländer auf die am wenigsten entwickelten Länder. Von den Direktinvestitionen im Ausland waren 2005 nur 6,1 Prozent an die LDC gerichtet. Knapp 0,12 Prozent der Gesamteinfuhren der Schweiz und 0,26 Prozent aller Ausfuhren entfallen auf diese Ländergruppe.

C.1.2. Beziehungen der Schweiz mit Lateinamerika

4 Die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz für die Länder Lateinamerikas betrug 2005 144,9 Millionen Franken, was 8,3 Prozent der gesamten bilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe entspricht. Darüber hinaus haben die NRO aus Eigenmitteln Projekte der Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Aktionen im Umfang von 55,5 Millionen Franken (13,4 % der gesamten Hilfe der NRO) finanziert. Im selben Jahr beliefen sich die Direktinvestitionen der Schweizer Wirtschaft in Lateinamerika auf 3441 Millionen Franken, was etwas über 40 Prozent der gesamten Direktinvestitionen in Entwicklungsländern ausmacht. Im Berichtsjahr führte die Schweiz Güter in Höhe von 1234 Millionen Franken aus den lateinamerikanischen Ländern (11 % der gesamten Einfuhren aus Entwicklungsländern) ein. Gleichzeitig exportierte die Schweiz Güter im Wert von 3656,6 Millionen Franken in diese Region (19 % der Gesamtausfuhren in die Entwicklungsländer). Der Handelsüberschuss von 2422 Millionen Franken gegenüber den lateinamerikanischen Ländern zeigt, dass die Region ein wichtiger Markt für die

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schweizerische Exportwirtschaft ist. Ferner flossen im Jahr 2005 102 Millionen Franken als Rückzahlungen von Exportrisikogarantien (ERG) aus Lateinamerika in die Schweiz zurück (negativer Finanzstrom aus den lateinamerikanischen Ländern in die Schweiz).

5 Die Hauptempfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe waren Bolivien (22,4 Millionen Franken), Peru (19 Millionen Franken), Nicaragua (18,6 Millionen Franken), Kolumbien (11,9 Millionen Frranken) und Ecuador (10,9 Millionen Franken). Als wichtigste Handelspartner der Schweiz in Lateinamerika sind Brasilien, Mexiko, Argentinien, Kolumbien und Panama zu nennen. 52 Prozent sämtlicher Einfuhren der Schweiz aus der Region stammen aus Brasilien ; 31 Prozent der schweizerischen Exporte nach Lateinamerika gehen nach Brasilien und 27 Prozent nach Mexiko.

6 Die Gesamtheit der Finanzströme zwischen Lateinamerika und der Schweiz lässt sich nur schwer ermitteln, da verschiedene statistische Kennzahlen fehlen. Die Angaben, die oben und in Tabelle B.2 von Teil B aufgeführt werden, machen positive Ströme aus der Schweiz nach Lateinamerika ersichtlich. Diese müssten jedoch durch folgende weitere Komponenten ergänzt werden, die gegenwärtig nicht im Detail bekannt sind : 1. Anteil der multilateralen Hilfe zur Finanzierung von Projekten in Lateinamerika (z.B. Interamerikanische Entwicklungsbank) ; 2. Zahlungen der lateinamerikanischen Migrantinnen und Migranten in der Schweiz an ihre Familien ; 3. Portfolioanlagen ; 4. Fluchtgelder aus Lateinamerika, die auf Schweizer Banken deponiert werden ; 5. Gewinnrückführungen von Schweizer Unternehmen, die sich in Lateinamerika niedergelassen haben.

C.2. Aussenhandel der Schweiz

C.2.1. Übersicht über den Aussenhandel der Schweiz und Bedeutung der Entwicklungs- und Transitionsländer

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Schema C.1 : Aussenhandel der Schweiz mit den Entwicklungs- und Transitionsländern, 2005 (in Millionen Franken)

Quellen : Richard Gerster, Aus Fehlern lernen?Die Schweiz und die Dritte Welt, Zürich, Ex Libris, 1987, S. 65. Eidg. Oberzolldirektion, Schweizerische Aussenhandelsstatistik, Statistik nach Ländern, Jahr 2005, CD- ROM betreffend die aktualisierten Zahlen. Hinweis : Für die Zusammensetzung der Ländergruppen siehe Tabellen in Teil B.

7 2005 beliefen sich die Gesamteinfuhren der Schweiz auf 149,1 Milliarden Franken. Die Importe der Schweiz aus den Entwicklungsländern gemäss DAC-Liste betrugen 10,7 Milliarden Franken, was 7,2 Pozent der Gesamteinfuhren entspricht. Von den schweizerischen Gesamtausfuhren von 157 Milliarden Franken waren 18,8 Milliarden Franken, bzw. 12 Prozent für die Entwicklungsländer bestimmt.

8 Das umseitige Schema C.1 fasst die Handelsströme mit den verschiedenen Ländergruppen zusammen. Die Handelsbilanz weist für sämtliche Ländergruppen einen Überschuss auf.

Handelsbilanzsaldo (Ausfuhren abzüglich Einfuhren)

9 Die Schweiz verzeichnet mit den meisten Entwicklungsländern, weiteren Ländern des Südens und mittel- und osteuropäischen Ländern eine positive Handelsbilanz. Es besteht ein Handelsbilanzüberschuss mit sämtlichen Ländergruppen von Schema C.1 und den nachfolgenden Tabellen und Grafiken. Dies bedeutet, dass die Schweiz mehr in diese Länder exportiert, als sie von ihnen importiert. Besonders ausgeprägt war der Handelsbilanzüberschuss im Jahr 2005 mit der Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen (Überschuss von 7256 Millionen Franken) und den weiteren Ländern des Südens (12 806 Millionen Franken), aber auch mit den am wenigsten entwickelten Ländern (227 Millionen Franken).

10 Bemerkenswert ist der Fall Chinas. In den letzten Jahren waren die Importe der Schweiz aus China deutlich höher als die Exporte in dieses Land, wobei sich der negative Handelsbilanzsaldo tendenziell verringerte. 2003 und 2004 war der Saldo sogar positiv, 2005 aber erneut negativ (–114 Millionen Franken). Einen deutlichen Überschuss weist dagegen der schweizerische Aussenhandel mit Hongkong (China) auf.

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Anders als China, das als Entwicklungsland eingestuft wird, zählt dieses Gebiet zur Gruppe der „anderen Länder des Südens“.

Grafik C.1 : Entwicklungsländer, mit denen der Handelsbilanzüberschuss am höchsten ist, 2005 (in Millionen Franken)

Quelle : Eidg. Oberzolldirektion, Schweizerische Aussenhandelsstatistik, Statistik nach Ländern, Jahr 2005, CD-ROM.

11 Die Grafik C.1 führt die Entwicklungs- und Transitionsländer auf, die für die Schweiz besonders wichtige Märkte darstellen und mit denen der Handelsüberschuss hoch ist. Gegenüber gewissen anderen Ländern dagegen, insbesondere den Erdöl exportierenden Ländern, weist die Handelsbilanz der Schweiz zuweilen ein Defizit auf (z.B. Saldo von – 1162 Millionen Franken gegenüber Libyen und von – 462 Millionen Franken gegenüber Nigeria).

12 Die Schweiz unterhält vor allem mit den Nachbarländern und mit den übrigen Industrieländern in Europa und Übersee (USA, Kanada und Japan) Handelsbeziehungen. Wie aus Tabelle C.1 ersichtlich, finden sich unter den 30 wichtigsten Bezugsländern der Schweiz sieben Entwicklungsländer und unter den 30 wichtigsten Absatzländern sechs Entwicklungsländer. 32,8 Prozent der Einfuhren der Schweiz stammen aus Deutschland, und knapp 20 Prozent der Schweizer Ausfuhren gehen in dieses Land. 95,5 Prozent der Gesamteinfuhren der Schweiz und 89,5 Prozent der schweizerischen Gesamtausfuhren entfallen auf die 30 in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Länder.

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Tabelle C.1 : Die 30 wichtigsten Handelspartner der Schweiz, 2005 (in Millionen Franken, Anteile und kumulierte Anteile in Prozent)

a Entwicklungsländer sind fett gedruckt. Quelle : Eidg. Oberzolldirektion, Schweizerische Aussenhandelsstatistik, Statistik nach Ländern, Jahr 2005, CD-ROM.

C.2.2. Handel der Schweiz mit den Transitionsländern und den übrigen Ländern

13 Die Tabellen C.2, C.3 und C.4 führen die wichtigsten Handelspartner der Schweiz in der Gruppe der Entwicklungsländer, in der Gruppe der mittel- und osteuropäischen Länder bzw. in der Gruppe der anderen Länder des Südens („Fortgeschrittenere Entwicklungsländer und -gebiete“ nach alter DAC-Klassifizierung) auf.

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Tabelle C.2 : Die 30 wichtigsten Handelspartner der Schweiz unter den Entwicklungs-länderna, 2005 (in Millionen Franken, Anteile und kumulierte Anteile in Prozent)

a Anteil des Landes an den Gesamteinfuhren aus Entwicklungsländern bzw. an den Gesamtausfuhren in die Entwicklungsländer. b Kumulierter Anteil der wichtigsten Länder an den Gesamteinfuhren aus Entwicklungsländern bzw. an den Gesamtausfuhren in die Entwicklungsländer. Quelle : Eidg. Oberzolldirektion, Schweizerische Aussenhandelsstatistik, Statistik nach Ländern, Jahr 2005, CD-ROM.

Tabelle C.3 : Die Handelspartner der Schweiz unter den mittel- und osteuropäischen Ländern, 2005 (in Millionen Franken, Anteile und kumulierte Anteile in Prozent)

a Anteil des Landes an den Gesamteinfuhren aus mittel- und osteuropäischen Ländern bzw. an den Gesamtausfuhren in die Länder b Kumulierter Anteil der wichtigsten Länder an den Gesamteinfuhren aus mittel- und osteuropäischen Ländern bzw. an den Gesamtausfuhren in diese Länder. Quelle : Eidg. Oberzolldirektion, Schweizerische Aussenhandelsstatistik, Statistik nach Ländern, Jahr 2005, CD-ROM.

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Tabelle C.4 : Die Handelspartner der Schweiz unter den anderen Ländern des Südensa, 2005 (in Millionen Franken, Anteile und kumulierte Anteile in Prozent)

a „Fortgeschrittenere Entwicklungsländer und -gebiete“ nach alter DAC-Klassifizierung. b Anteil des Landes an den Gesamteinfuhren aus den weiteren Ländern des Südens bzw. an den Gesamtausfuhren in diese Länder. c Kumulierter Anteil der wichtigsten Länder an den Gesamteinfuhren aus den weiteren Ländern des Südens bzw. an den Gesamtausfuhren in diese Länder. Quelle : Eidg. Oberzolldirektion, Schweizerische Aussenhandelsstatistik, Statistik nach Ländern, Jahr 2005, CD-ROM.

C.3. Direktinvestitionen im Ausland und Bankanlagen

C.3.1. Direktinvestitionen im Ausland

14 Direktinvestitionen im Ausland stellen ein stabiles und zielgerichtetes Kapital dar, fördern den Technologietransfer und die Schaffung von Arbeitsplätzen ; insofern heben sie sich von den Portfolioinvestitionen ab. Aus der Sicht der Entwicklung sind diese Investitionen in den Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe von Bedeutung, denn „mit Direktinvestitionen soll ein dauerhafter und direkter Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens im Ausland ausgeübt werden“1.

Ströme der Direktinvestitionen im Ausland 2005

15 2005 wurden im Rahmen der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland insgesamt 67,6 Milliarden Franken ins Ausland exportiert2. Klammert man die Investitionen in den Ländern der Europäischen Union, den USA, Kanada, Japan, Australien und Neuseeland aus, so beläuft sich dieser Betrag auf 18,5 Milliarden

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Franken. Davon flossen schätzungsweise mindestens 9,4 Milliarden Franken als schweizerische Direktinvestitionen in die Entwicklungsländer, wobei die als Offshore- Finanzzentren geltenden Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe nicht berücksichtigt sind3.

Bestand der Direktinvestitionen im Ausland

16 Die Grafik C.2 verdeutlicht die regionale Verteilung des Bestands der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland nach Regionen Ende 2005. Die Bestände der Direktinvestitionen beliefen sich auf über 560 Milliarden Franken (provisorische Zahlen), wovon mehr als 42 Prozent auf die 25 EU-Mitgliedsländer entfielen. Knapp 22 Prozent entfielen auf Nordamerika und knapp 19 Prozent auf Zentral- und Südamerika. Dahinter folgen Asien mit 8 Prozent der Direktinvestitionen im Ausland, die übrigen europäischen Länder mit rund 7 Prozent, Ozeanien mit 2 Prozent und zuletzt Afrika mit etwas mehr als einem halben Prozent (insgesamt 3,6 Milliarden Franken, wovon allein die Hälfte auf Südafrika entfällt).

Grafik C.2 : Aufteilung der schweizerischen Direktinvestitionsbestände nach Regionen per 31. Dezember 2005 (in Millionen Franken und Prozent)

Quelle : Schweizerische Nationalbank (SNB), Entwicklung der Direktinvestitionen 2005, Zürich, SNB, Dezember 2006, Tabelle 1.2, „Schweizerische Direktinvestitionen im Ausland. Ländergliederung des Kapitalbestandes (Jahresende)“, S. 22-23.

17 2005 beschäftigten die im Ausland ansässigen Schweizer Unternehmen erstmals mehr als zwei Millionen Mitarbeiter (provisorische Zahl : 2 002 174). Davon entfielen 54,3 Prozent auf den Industriesektor und 45,7 Prozent auf den Dienstleistungsbereich, wovon knapp die Hälfte den Finanz- und Holdinggesellschaften zuzuordnen waren. Bezogen auf die Wirtschaftssektoren entfielen 35,4 Prozent der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland auf die Industrie und 64,6 Prozent auf die Dienstleistungen.

Grafiken C.3 und C.4 : Wichtigste Bestimmungsländer und -regionen der schweizerischen Direktinvestitionen, Bestand Ende 2001 und Ende 2005 (in Mio. Franken)

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Grafik C.3 : Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe gemäss DAC-Liste

Quelle: siehe Grafik C.4.

Grafik C.4 : Weitere Länder und Regionen

* Amerikanische Jungferninseln, Anguilla, Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Bermuda- Inseln, Britische Jungferninseln, Dominica, Grenada, Jamaika, Cayman-Inseln, Montserrat, Niederländische Antillen, Panama, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und Grenadinen, Turks- und Caicosinseln. Quelle der Grafiken C.3 und C.4 : SNB, Entwicklung der Direktinvestitionen 2005, Zürich, SNB, Dezember 2006, Tabelle 1.2, „Schweizerische Direktinvestitionen im Ausland. Ländergliederung des Kapitalbestandes (Jahresende)“, S. 22-23.

18 Die Grafiken C.3 und C.4 zeigen die wichtigsten Bestände an schweizerischen Direktinvestitionen in verschiedenen Ländern und Regionen (Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe und andere Länder) in einem Abstand von vier Jahren (Ende 2001 und Ende 2005). Besonders augenfällig ist der Umfang der Direktinvestitionen in den Offshore-Finanzzentren der Karibik4 sowohl Ende 2001 als auch Ende 2005: Innerhalb dieses Zeitraums erhöhten sich die Direktinvestitionen in diesen Gebieten um fast 34 Milliarden Franken. Bei den übrigen in der Grafik C.3

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aufgeführten Empfängerländern öffentlicher Entwicklungshilfe ist zu bemerken, dass diese nur einen geringen Teil aller Empfänger- länder öffentlicher Entwicklungshilfe ausmachen. Dies bedeutet, dass zahlreiche dieser Länder von den schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland nicht betroffen sind.

19 Zwischen Ende 2001 und Ende 2005 fällt insbesondere die Erhöhung der Bestände an Direktinvestitionen in Indonesien (um das 5,68fache), in der Ukraine (um das 4,55fache) und in Costa Rica (um das 3,98fache) auf. Dagegen nahm im gleichen Zeitraum der Bestand an schweizerischen Direktinvestitionen in verschiedenen Ländern ab, insbesondere in Mexiko (–1,7 Milliarden Franken). Dasselbe gilt für den afrikanischen Kontinent in seiner Gesamtheit : Ende 2005 ist der kumulierte Bestand der schweizerischen Direktinvestitionen in allen afrikanischen Ländern etwa gleich gross wie jener in Russland, Mexiko oder Indonesien. Darüber hinaus konzentriert sich die Hälfte aller schweizerischen Direktinvestitionen in Afrika auf Südafrika.

C.3.2. Anlagen in Schweizer Banken

20 Die Statistiken der Schweizerischen Nationalbank unterscheiden die von den Banken auf eigene Rechnung getätigten (in der Bilanz aufgeführten) Geschäfte von den auf Rechnung und Risiko der Kunden getätigten Transaktionen (Treuhandgeschäfte). Zudem berücksichtigen die einschlägigen Publikationen der SNB lediglich die Zahlen für rund hundert Banken in der Schweiz, während die im Parabankenbereich und von privaten Vermögensverwaltern betreuten Guthaben ausgeschlossen werden.

Grafik C.5 : Netto-Treuhandverpflichtungen von 104 in der Schweiz niedergelassenen Banken gegenüber den Empfängerländern öffentlicher Entwicklunghilfe per 31. Dezember 2005 (in Millionen Franken)

Quelle : SNB, Die Banken in der Schweiz 2005, Zürich, SNB, 2006, Tabelle 38, „Treuhandgeschäfte – Länderweise Gliederung. 104 Banken. Verpflichtungen“, S. A132-A137.

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21 Gemäss den Zahlen der SNB für die erfassten 104 Banken beliefen sich die in der Bilanz aufgeführten Auslandskapitalanlagen Ende 2005 auf 1619,7 Milliarden Franken und die Auslandverpflichtungen im Treuhandgeschäft auf 290,6 Milliarden Franken.

22 Der Jahresbericht 2005/2006 der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) 5 beziffert die von den Banken in der Schweiz verwalteten Treuhandanlagen (assets under management, AUM) Ende 2005 auf 500 Milliarden Franken. Eine weitere Publikation der Bankiervereinigung6, welche die Summe der für ausländische Kunden in der Schweiz verwalteten Vermögenswerte (Portfoliobestände) auf rund 2600 Milliarden Franken schätzt, bestätigt diese Zahl.

23 Die Grafik C.5 gibt einen Überblick über die aus den wichtigsten Empfängerländern öffentlicher Entwicklungshilfe stammenden Treuhandverpflichtungen der 104 Banken, die in der Statistik der Schweizerischen Nationalbank erfasst sind (Stand Ende 2005). Darunter finden sich mehrere karibische Offshore-Finanzzentren, auf die zusammen 32,7 Milliarden Franken entfallen. Das wichtigste Herkunftsland ist Panama mit fast 28 Milliarden Franken. In der Statistik erscheinen aber auch rund dreissig der am wenigsten entwickelten Länder (LDC), darunter der Jemen (über 490 Millionen Franken), Angola (knapp 220 Millionen Franken) und die Demokratische Republik Kongo (mehr als 186 Millionen Franken). Weniger überraschend sind dagegen die Nettoverpflichtungen im Treuhandgeschäft in der Schweiz gegenüber rohstoffreichen (insbesondere Erdöl produzierenden) Ländern wie Saudi-Arabien, Venezuela oder Liberia.

C.4. Öffentliche Entwicklungshilfe und öffentliche Hilfe für die osteuropäischen Länder

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Tabelle C.5 : Übersicht über die Finanzflüsse in die Entwicklungsländer (1996-2005) und die Transitionsländer (1996-2004) (in Millionen Franken und in Prozent des BNE)

a Die öffentliche Entwicklungshilfe (APD) umfasst gemäss der Definition der OECD alle Finanzströme, die - aus dem öffentlichen Sektor stammen (Bund, Kantone und Gemeinden) ; - vorrangig auf die Erleichterung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Empfängerländer abzielen ; - zu Vorzugsbedingungen gewährt werden (Schenkungen und Darlehen zu günstigen Konditionen) ; - für Entwicklungsländer und -regionen bestimmt sind (zurzeit 152) sowie für multilaterale Organisationen, die auf der OECD-Liste aufgeführt sind. b BNE seit 1995, in früheren Jahren BIP. Angaben zum BIP/BNE : bis 2002 definitiv (Quelle : BFS) ; für 2003 und 2004 Schätzungen (Quelle : BFS) ; für 2005 Schätzungen der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) (Februar 2 006). C Private Schenkungen der Schweizer NRO. D Die Privatbeiträge an Entwicklungsländer (und bis 2004 an Transitionsländer) umfassen folgende private Leistungen zu marktüblichen Bedingungen : - Direktinvestitionen : Kapitalexport in Form von Erwerb, Gründung von oder strategischer Beteiligung an Unternehmen in Entwicklungsländern (bis 2004: oder in Transitionsländern) einschliesslich reinvestierter Erträge (nachträglich von der SNB für zwei Jahre aktualisierte Zahlen : 2003 definitiv, 2004 und 2005 provisorisch) ; - Exportkredite : Nettoveränderungen von Krediten zur mittel- bis langfristigen Finanzierung von Exportlieferungen in Entwicklungsländer (bis 2004: und in Transitionsländer). Diese Kredite werden von der Geschäftsstelle für die Exportrisikogarantie (ERG) garantiert, um Forderungen aus Exportgeschäften sicherzustellen ; - Portfolio-Investitionen : Kauf und Rückübernahme von Anleihen, Rückzahlungen und Emissionen, die ursprünglich von Entwicklungsorganisationen auf dem schweizerischen Kapitalmarkt ausgegeben worden waren. - Die Kategorie der Transitionsländer wurde vom DAC (OECD) ab 2005 abgeschafft. Für diese Länder werden somit keine Daten mehr erhoben. Quelle : Bundesamt für Statistik (BFS), Statistisches Jahrbuch der Schweiz, auf der Grundlage der Daten des Statistischen Dienstes der DEZA.

24 Tabelle C.5 veranschaulicht die Bedeutung der öffentlichen Entwicklungshilfe in der Gesamtheit der schweizerischen Finanzströme an die Entwicklungs- oder Transitionsländer. Die erfassten Ströme umfassen die öffentliche Entwicklungshilfe (2,2 Milliarden Franken 2005), die private Hilfe der NRO (414 Millionen Franken 2005) sowie die Beiträge des Privatsektors (6,9 Milliarden Franken 2005). Die Privatbeiträge zu Marktbedingungen setzen sich aus Direktinvestitionen im Ausland, Exportkrediten und Portfolioinvestitionen zusammen.

25 Die Analyse der Zahlen seit 1996 bestätigt, dass die privaten Finanzströme die Beträge der öffentlichen Entwicklungshilfe häufig weit überstiegen. Allerdings ist zu bemerken, dass die privaten Finanzströme viel grösseren jährlichen Schwankungen unterliegen, und dass die Nettoströme in die Entwicklungsländer in den Jahren 1996, 1997, 2001 und 2004 negativ waren. In der Tat flossen in diesen Jahren grössere Beträge aus den

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Entwicklungsländern in die Schweiz, als gesamthaft aus der Schweiz in die Entwicklungsländer. In Bezug auf die Transitionsländer dagegen sind die Privatbeiträge deutlich höher als die öffentliche Hilfe : 2004 strömten 7,9 Milliarden Franken aus dem Privatsektor in die Transitionsländer, während die öffentliche Hilfe lediglich 95,5 Millionen Franken betrug.

Tabelle C.6 : Öffentliche Entwicklungshilfe (APD) der DAC-Länder und Veränderung von 2004 auf 2005 (in Millionen Dollar und in Prozent des BNE)

a Die Länder, die den von der UNO festgelegten Zielwert von 0,7 % des BNE übertreffen, sind fett gedruckt. b Reale Veränderung : inflations- und wechselkursbereinigt. c Das DAC erfasst auch die Hilfeleistungen der OECD-Länder, die nicht Mitglied des DAC sind (Island, Korea, Polen, Slowakische Republik, Tschechische Republik, Türkei und Ungarn), sowie weiterer Geberländer (Chinesisch Taipeh, Israel, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate). Quelle : DAC, Statistical Annex of the 2 006 Development Co-operation Report, Tabelle 1, 2007

26 Tabelle C.6 vermittelt einen Gesamtüberblick über die öffentliche Entwicklungshilfe der DAC-Mitgliedsländer und verdeutlicht den starken Anstieg der Hilfe zwischen 2004 und 2005 von 79,4 auf 106,8 Milliarden Dollar. Diese Steigerung ist grösstenteils auf Schuldenerleichterungen gegenüber einigen Ländern wie Nigeria und der Irak zurückzuführen. Der Anteil der Schuldenerleichterungen, die sich 2005 auf 22,7 Milliarden Dollar beliefen, ist aus Tabelle C.7 ersichtlich. Die öffentliche Entwicklungshilfe der DAC-Mitgliedsländer hat zwischen 2004 und 2005 real um 32 Prozent zugenommen. Nach Abzug der Schuldenerleichterungen verringert sich der Anstieg jedoch auf 9,7 Prozent. Tabelle C.7 zeigt die von verschiedenen DAC-Ländern geltend gemachten Ausgaben für Asylbewerber im Geberland in Höhe von insgesamt 2,1 Milliarden Dollar, die ebenfalls in der öffentlichen Entwicklungshilfe enthalten sind.

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Jahrbuch 2007, Nr. 1, Kapitel 2, 2.2.1. Analyse der Gründe für die kürzliche Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe der DAC-Länder

Tabelle C.7 : Aufschlüsselung der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) der DAC-Länder, 2005 (in Millionen Dollar und in Prozent des BNE)

a Die Länder, die bei der Hilfe für die LDC den von der UNCTAD empfohlenen Zielwert von mindestens 0,15 % des BNE übertreffen, sind fett gedruckt (siehe Kommentar nächste Seite). Quelle : DAC, Statistical Annex of the 2 006 Development Co-operation Report, Tabellen 1A, 13 und 31, „Aid from DAC Countries to Least Developed Countries“.

27 Im Rahmen verschiedener UNCTAD-Konferenzen haben sich die Geberländer verpflichtet, den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) eine Hilfe im Umfang von mindestens 0,15 Prozent ihres BNE zu gewähren. Wie aus umseitiger Tabelle C.7 über die Hilfeleistungen an die LDC deutlich wird, haben 2005 lediglich sieben Länder diesen von der Staatengemeinschaft vereinbarten Zielwert übertroffen.

28 Die nachfolgenden Grafiken C.6 bis C.9 sowie die Tabellen C.8 bis C.10 verdeutlichen verschiedene Merkmale der von der Schweiz geleisteten öffentlichen Entwicklungshilfe.

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Grafik C.6 : Entwicklung der bilateralen und multilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz, 1990-2006 (in Millionen Franken und in Prozent des Gesamtbetrags)

* Provisorische Zahlen Quelle : Statistischer Dienst der DEZA.

29 Die allgemeinen Beiträge der Schweiz an die internationalen Organisationen sind in der multilateralen Hilfe enthalten (gemeinsamer, von der jeweiligen Organisation verwalteter Fonds). Indessen wird ein bedeutender Teil der Schweizer Beiträge, die über die internationalen Organisationen fliessen, in der bilateralen Hilfe erfasst (Beiträge der Schweiz an von ihr ausgewählte Programme). Die bilaterale Hilfe für das Jahr 2005 umfasst die multi-bilateralen Tätigkeiten der UN-Oganisationen (125,1 Millionen Franken, die von SECO und DEZA bereitgestellt wurden), gewisse Beiträge an die internationalen Finanzinstitutionen (32,4 Millionen Franken) und die Beiträge an weitere internationale Organisationen wie das IKRK, die CGIAR oder die IUCN (181,2 Millionen Franken). Zusammen mit der multilateralen Hilfe von 456,7 Millionen Franken im Jahr 2005 wurden somit insgesamt 795,4 Millionen Franken an Schweizer Hilfebeiträgen über die internationalen Organisationen geleitet, was 36 Prozent der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe entspricht.

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Grafik C.7 : Aufteilung der öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz nach bilateraler Hilfe, multilateraler Hilfe und multi-bilateraler Hilfe, 2005 (in Mio. Franken und Prozent)

Quelle : DEZA, Entwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005, Bern, DEZA, 2007, Tabellen 1 und 3.

Grafik C.8 : Bilaterale öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz für die Entwicklungsländer, nach Ländergruppen (in Millionen Franken und Prozent)

Quelle : DEZA, Entwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005, Bern, DEZA, 2007, Tabelle 4.

30 17,5 Prozent der bilateralen Hilfe der Schweiz fliessen in die am wenigsten entwickelten Länder (LDC), 14,1 Prozent in die sonstigen einkommensschwachen Länder und 31,7 Prozent in die Länder mit mittlerem Einkommen. Ein Drittel der Hilfe (regionale Projekte, über das IKRK geleistete Hilfe usw.) lässt sich nicht anhand des Einkommens der Empfängerländer zuordnen.

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Grafik C.9 : Bilaterale öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz für die Entwicklungsländer, nach Kontinenten, 2005 (in Millionen Franken und Prozent)

Quelle : DEZA, Entwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005, Bern, DEZA, 2007, Tabelle 4.

31 Der grösste Anteil der gesamten bilateralen Entwicklungshilfe der Schweiz, nämlich fast 30 Prozent, geht an die asiatischen Länder. Die afrikanischen Länder erhalten zusammen 22,6 Prozent der Hilfe, die europäischen Entwicklungsländer 8,7 Prozent und die Länder des amerikanischen Kontinents 8,3 Prozent. 31 Prozent der Hilfe sind nicht nach Kontinenten zuteilbar.

Tabelle C.8 : Wichtigste Empfängerländera der bilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz, 2005 (in Millionen Franken)

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a 51 Länder, die von der Schweiz mehr als 5 Millionen Franken an bilateraler APD erhalten. b In dieser Spalte verwendete Abkürzungen : SL DEZA : Schwerpunktland der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit ; SP DEZA : Sonderprogramm der DEZA- Entwicklungszusammenarbeit ; HH : Schwerpunktregion der humanitären Hilfe ; SECO : prioritäres Land des SECO. c Diverse : weitere Departemente und Ämter des Bundes sowie Kantone und Gemeinden. Quelle : DEZA, Entwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005, Bern, DEZA, 2007, Tabelle 5, Bilaterale Beiträge.

Tabelle C.9 : Hilfe der Schweizer Kantone für die Entwicklungsländer, 2004-2005 (in Tausend Franken)

Quelle : DEZA, Entwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005, Bern, DEZA, 2007, Tabelle 6.

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Tabelle C.10 : Hilfe der Schweizer Gemeinden für die Entwicklungsländer, 2004-2005 (in Tausend Franken)

a Erfasst wurden jene Gemeinden, deren Beiträge 50 000 Franken übersteigen. Quelle : DEZA, Entwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005, Bern, DEZA, 2007, Tabelle 7.

C.4.1. Osthilfe

32 Im Laufe der 90er Jahre hat sich die Zusammenarbeit der Schweiz mit Osteuropa allmählich von den mitteleuropäischen Ländern (Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei) und den Baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen) auf den Balkan und hin zur GUS verlagert. Tabelle C.11 führt nachstehend die Zahlungen der DEZA und des SECO im Bereich der bilateralen Zusammenarbeit von 1996 bis 2005 auf.

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Tabelle C.11 : Bilaterale Osthilfe der DEZA und des SECO, 1996-2005 (in Millionen Franken)

a Nicht nach Ländern aufgeschlüsselt, einschliesslich Verwaltungskosten. b Mittel- und osteuropäische Länder und Neue Unabhängige Staaten, die aus der ehemaligen Sowjetunion hervorgegangen sind. Quelle : Statistischer Dienst der DEZA, Datenbank für die Angaben 1999-2005 und Jahresberichte für frühere Daten. Hinweis : Die Zahlen für 1996-1997 und 2005 wurden vom SECO nachträglich revidiert.

Rückblick auf fünfzehn Jahre Ostzusammenarbeit

33 Die nachfolgenden Grafiken geben über die Entwicklung der Ostzusammenarbeit der vergangenen fünfzehn Jahre Aufschluss. Während in Tabelle C.11 lediglich die Daten der bilateralen Hilfe von SECO und DEZA enthalten sind, umfassen diese Grafiken die gesamte Hilfe einschliesslich der multilateralen Hilfe sowie der Leistungen, die von weiteren Ämtern und Departementen des Bundes sowie von Kantonen und Gemeinden erbracht werden. Der grösste Teil dieser Hilfe entfiel auf die südosteuropäischen Länder, namentlich Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro und Albanien. Die mitteleuropäischen Länder wurden während ihrer Transitionsphase, insbesondere von 1992 bis 1998 unterstützt. In Zentralasien konzentrierte sich die Zusammenarbeit der Schweiz auf Kirgistan und Tadschikistan, in Osteuropa auf Rumänien, Russland, Bulgarien und die Ukraine. In der Kaukasusregion unterstützt die Schweiz Projekte in Georgien, Aserbaidschan und Armenien. Mehr als die Hälfte der (relativ bescheidenen) Hilfe für die Baltischen Staaten kam Lettland zugute.

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Grafik C.10 : Öffentliche Hilfe der Schweiz für die Oststaaten, die zur Gruppe der Entwicklungs- länder gehörena (in der öffentl. Entwicklungshilfe enthalten), 1991-2005 (in Millionen Franken)

a Die Oststaaten, die zur Gruppe der Entwicklungsländer gehören, sind Albanien, Bosnien, Kroatien, Mazedonien, Serbien-Montenegro, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Weissrussland, Moldawien, die Ukraine, Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan. Quelle : DEZA und IUED, Schweizerische Hilfe für Entwicklungsländer und Oststaaten, Ausgaben 1991 bis 1997 ; Aide suisse aux pays en développement et aux pays en transition, Ausgaben 1998 bis 2005.

Grafik C.11 : Öffentliche Hilfe der Schweiz für die Transitionsländera, (in der öffentl. Hilfe enthalten), 1991-2005 (in Millionen Franken)

aDie östlichen Transitionsländer (im Aggregat der öffentlichen Hilfe erfasst) sind Slowenien, Russland, Bulgarien, Rumänien, die Baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen), Ungarn, Polen, die Slowakische Republik und die Tschechische Republik. Quelle : DEZA und IUED, Schweizerische Hilfe für Entwicklungsländer und Oststaaten, Ausgaben 1991 bis 1997 ; Aide suisse aux pays en développement et aux pays en transition, Ausgaben 1998 bis 2005.

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34 Die Grafiken C.10 und C.11 verdeutlichen die Schwerpunktverlagerung in der schweizerischen Osthilfe. Nachdem in einer ersten Phase hauptsächlich die mittel- und osteuropäischen Länder beim Übergang zur Marktwirtschaft unterstützt wurden, konzentrierte sich die Hilfe im weiteren Verlauf auf die Länder Südosteuropas (Staaten Ex-Jugoslawiens und Albanien) und in geringerem Umfang auf die zentralasiatischen Staaten.

Grafiken C.12, C.13, C.14, C.15 und C.16 : Bilaterale öffentliche Hilfe der Schweiz für die Balkanstaaten (in der öffentl. Entwicklungshilfe enthalten), 1991-2005 (in Millionen Franken)

Grafik C.12 : Serbien-Montenegro

Grafik C.13 : Bosnien-Herzegowina

Grafik C.14 : Albanien

Grafik C.15 : Mazedonien

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C.16 : Verschiedene Staaten Ex-Jugoslawiens, Weissrussland, Turkmenistan und Kasachstan

Quellen für die Grafiken C.12, C.13, C.14, C.15 und C.16 : DEZA und IUED, Schweizerische Hilfe für Entwicklungsländer und Oststaaten, Ausgaben 1991 bis 1997 ; Aide suisse aux pays en développement et aux pays en transition, Ausgaben 1998 bis 2005.

Grafik C.17 : Bilaterale öffentliche Hilfe der Schweiz für Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan (Zentralasien), (in der öffentl. Entwicklungshilfe enthalten), 1991-2005 (in Millionen Franken)

DEZA und IUED, Schweizerische Hilfe für Entwicklungsländer und Oststaaten, Ausgaben 1991 bis 1997 ; Aide suisse aux pays en développement et aux pays en transition, Ausgaben 1998 bis 2005.

C.5. Hilfe der Nichtregierungsorganisationen (NRO)

35 Die Angaben über die private Hilfe der schweizerischen Nichtregierungsorganisationen betreffen die Beträge, die aus den Eigenmitteln der NRO stammen (Beiträge und Spenden von Mitgliedern, Erträge aus Sammelaktionen, Eigen finanzierung, Erlöse aus Verkäufen). Zusätzlich zu den 413,6 Millionen Franken aus Eigenmitteln, mit denen die NRO Projekte in Entwicklungsländern finanzierten, erhielten diese Organisationen auch Beiträge von Bund, Kantonen und Gemeinden für die Abwicklung von Projekten. Der in anchstehender Tabelle C.12 aufgeführte Betrag von 413,6 Millionen Franken entspricht somit nicht dem „Gesamtumsatz“ der NRO, da folgende Elemente nicht darin enthalten sind : 1. von den NRO verwaltete und durch öffentliche Beiträge finanzierte Projekte ; 2. Aufwendungen der NRO für Hilfsprojekte in der Schweiz ; 3. Aufwendungen für Sensibilisierung und Entwicklungsbildung in der Schweiz ; 4. allgemeine Verwaltungsaufwendungen der Sekretariate in der Schweiz ; 5. Aufwendungen für Marketing, institutionelle Kommunikation (Information der Mitglieder über durchgeführte Projekte) und im Zusammenhang mit Sammelaktionen.

36 Tabelle C.12 führt die privaten Spenden der wichtigsten schweizerischen nichtstaatlichen Organisationen auf. In der Schweiz gibt es neben einigen grossen NRO eine Vielzahl kleiner Organisationen. Die 37 grössten NRO stellen gemeinsam 82,4 Prozent der privaten Mittel für Projekte bereit.

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Tabelle C.12 : Private Hilfe der wichtigsten Schweizer NROa für die Entwicklungsländer, 2005 (in Tausend Franken, Anteile und kumulierte Anteile in Prozent)

a Berücksichtigt wurden die NRO, die mehr als zwei Millionen Franken aus Eigenmitteln für die Hilfe bereitstellten. Quelle : DEZA, Entwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005, Bern, DEZA, 2007, Tabelle 8.

37 Tabelle C.13 zeigt, welche Länder im Jahr 2005 die höchsten Beträge aus der bilateralen öffentlichen Hilfe des Bundes bzw. aus der privaten Hilfe der NRO erhalten haben. Die beiden Aufstellungen weichen nur geringfügig voneinander ab. Von den 30 Ländern, welche die höchsten Leistungen an öffentlicher Entwicklungshilfe erhielten, finden sich 19 auch auf der Liste der wichtigsten Hilfeempfänger der NRO. Grundsätzlich verändert sich die Liste der wichtigsten Empfängerländer der schweizerischen bilateralen Hilfe über die Jahre hinweg nur wenig. Die bedeutenden Veränderungen zwischen 2004 und 2005 lassen sich durch die beiden folgenden Faktoren erklären : Erstens sind drei Länder (der Irak, Nigeria und die Republik Kongo) im Anschluss an Entschuldungsmassnahmen auf der Liste der Schwerpunktländer der bilateralen Hilfe des Bundes vorgerückt, und zweitens hat die umfangreiche Hilfe, die hauptsächlich von den NRO im Anschluss an den Tsunami im Indischen Ozean geleistet wurde, einige Länder der Region (Sri Lanka und Indonesien) auf den Listen der Schwerpunktländer – besonders auf jener der Schwerpunktländer für die Hilfe der NRO – vorrücken lassen.

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Tabelle C.13 : Die 30 wichtigsten Empfängerländer privater Hilfe der schweizerischen NRO und bilateraler öffentlicher Entwicklungshilfe der Schweiz, 2005 (in Millionen Franken und in Prozent)

a Die 17 fett gedruckten Länder erscheinen auf beiden Listen der Schwerpunktländer. Quelle : DEZA, Entwicklungshilfe der Schweiz. Statistiken 2005, Bern, DEZA, 2007, Tabelle 5.

NOTES

1. Schweizerische Nationalbank (SNB), Entwicklung der Direktinvestitionen 2005, Zürich, SNB, Dezember 2006, S. 15. 2. Quelle : Ibid., Tabelle 1.1, S. 20-21. 3. Amerikanische Jungferninseln, Anguilla, Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Bermuda-Inseln, Britische Jungferninseln, Dominica, Grenada, Jamaika, Cayman-Inseln, Montserrat, Niederländische Antillen, Panama, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und Grenadinen, Turks- und Caicosinseln (kursiv : Länder, die nicht auf der DAC-Liste der Empfängerländer öffentlicher Entwicklungshilfe aufgeführt sind). 4. Von den Ländern und Gebieten, die von der Schweizerischen Nationalbank den Offshore- Finanzzentren zugeordnet werden, sind einige 2005 nicht (mehr) auf der DAC-Liste der Empfängerländer der öffentlichen Entwicklungshilfe aufgeführt, nämlich die Amerikanischen Jungferninseln, die Bahamas, die Bermuda-Inseln, die Britischen Jungferninseln, die Cayman- Inseln sowie die Niederländischen Antillen. 5. SBVg, Jahresbericht 2005/2006, Basel, S. 9.

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6. SwissBanking, Wealth Management in Switzerland: Industry Trends ans Strategies, Basel, Januar 2007, S. 8.

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