VEREINTE NATIONEN

6|19 67. Jahrgang | Seite 241–288 ISSN 0042-384 X | M 1308 F

Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen German Review on the

Der Hundertjährige, der verschwand?

Laboratorium für eine friedlichere Welt Matthias Schulz

Deutschlands Weg in den Völkerbund Joachim Wintzer

Das Scheitern von Joseph Avenol Bob Reinalda

Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN) Editorial

Das Friedensprojekt von Versailles

Liebe Leserinnen und Leser,

die Gründung des Völkerbunds vor 100 Jahren war ein wegweisendes historisches Ereignis. Während der Erste Weltkrieg als die ›Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts‹ gilt, kann der Völkerbund durchaus als institutioneller ›Glücksfall des 20. Jahrhunderts‹ bezeichnet werden. Trotz seiner gravierenden Schwächen und seines Scheiterns war er der Beweis dafür, dass eine institutionell abgesicherte internationale Friedens- ordnung überhaupt möglich war. Mit der Völkerbundsatzung schufen die Staaten erstmals eine Art ›Verfassung für die Welt‹. Seiner Gründung vorausgegangen wa- ren die Schrecken und Millionen Tote des Ersten Weltkriegs, die die Umsetzung einer dauerhaften Friedensordnung zwingend erforderlich machten. Die Erfahrun- gen aus dem Völkerbund zeigen eines: Die internationale Ordnung ist äußerst zer- brechlich und muss immer wieder erkämpft werden. Diese Erfahrungen machen die UN heute mehr denn je. Der Frage, warum dieses erste Experiment einer großen internationalen Organisation scheiterte und welche Lehren die Vereinten Nationen daraus zogen, gehen die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe nach. Matthias Schulz betrachtet den Völkerbund als einen wichtigen Beitrag, um für einen gewaltfreien Umgang unter den Mitgliedstaaten zu sorgen und damit künfti- ge Weltkriege zu verhindern. Trotz seines Scheiterns wird deutlich, dass der Bund seiner Zeit weit voraus war. Viele Ideen haben die Vereinten Nationen übernom- men, so Blandine Blukacz-Louisfert, Leiterin der Abteilung Institutionelles Ge- dächtnis in der UN-Bibliothek in Genf, in der Rubrik ›Drei Fragen an‹. Als auf der Pariser Friedenskonferenz im Jahr 1919 über die Gründung eines Völkerbunds ver- handelt wurde, blieb die deutsche Demokratie ausgeschlossen. Joachim Wintzer erläutert, dass sie damit in eine paradoxe Situation kam: Einerseits war die Weima- rer Republik Mitbegründerin des Völkerbunds, gleichzeitig war sie bis zum Jahr 1926 noch kein Mitglied. Der Austritt des Deutschen Reiches unter den Nationalso- zialisten erfolgte bereits sieben Jahre später. Dass der zweite Generalsekretär des Völkerbunds, der Franzose Joseph Avenol, zuweilen mit dem nationalsozialisti- schen Deutschland sympathisierte, war für die noch junge Organisation äußerst schädlich. Avenol hat damit dem Völkerbund seine politische und moralische Auto- rität entzogen, argumentiert Bob Reinalda.

Ich wünsche eine anregende Lektüre mit kosmopolitischen Einblicken sowie eine besinnliche Weihnachtszeit und ein zufriedenes Jahr 2020.

Dr. Patrick Rosenow, Leitender Redakteur

In eigener Sache: Im Online-Archiv der Zeitschrift VEREINTE NATIONEN können Sie ab sofort die jeweiligen Hefte als ein PDF herunterladen: www.zeitschrift-vereinte-nationen.de

VEREINTE NATIONEN 6/2019 241 Inhalt 67. Jahrgang | 2019 | Heft 6

Vereinte Nationen

Schwerpunkt: Aus dem Bereich Der Hundertjährige, der verschwand? der Vereinten Nationen

243 Laboratorium für eine friedlichere Welt Allgemeines Matthias Schulz 272 Generalversammlung | 72. Tagung 2017/2018 Henrike Landré 246 Drei Fragen an | Blandine Blukacz-Louisfert 275 Politik und Sicherheit Abrüstungskonferenz | Tagungen 2018 und 2019 250 Deutschlands Weg in den Völkerbund Oliver Meier Joachim Wintzer 276 Sozialfragen und Menschenrechte 256 Das Scheitern von Joseph Avenol Frauenrechtsausschuss | Tagungen 2018 Bob Reinalda Heike Rabe

278 Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung | Tagungen 2018 Im Diskurs Alexandra Steinebach

261 Standpunkt | Prävention braucht 282 Dokumente der Vereinten Nationen politische Führung Gerrit Kurtz

262 Deutschlands Finanzbeiträge zum Diverses UN-System zwischen 2008 und 2018 Klaus Hüfner · Ronny Patz 280 Buchbesprechungen 284 Jahresinhaltsverzeichnis 2019 267 Den digitalen Wandel nachhaltig gestalten 288 Impressum Kerstin Fritzsche

242 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Laboratorium für eine friedlichere Welt | Schulz

Laboratorium für eine friedlichere Welt Der Völkerbund erwies sich als wichtige Erfahrung im Prozess der Zivilisierung eines Staatensystems, das sich aufgrund seiner Neigung, Konflikte mit Gewalt auszutragen, in den Jahren 1914 und 1939 selbst zerstörte. Grund dafür war auch, dass insbesondere die europäischen Großmächte weiterhin einen imperialen Politikstil pflegten.

Basis des Selbstbestimmungsprinzips der Völker Dr. Matthias Schulz, und einen Völkerbund zu errichten, rief in der Öf- geb. 1964, ist Professor für die fentlichkeit enormen Zuspruch hervor. Nie wieder Geschichte internationaler sollte es bis zu zehn Millionen Tote und 20 Millio- Beziehungen und transnatio- nen Verwundete wie nach dem Ersten Weltkrieg nale Geschichte an der 1 Universität Genf. zu beklagen geben. Doch Wilson gab das Selbstbe- stimmungsprinzip schon während der Pariser Frie- [email protected] denskonferenz weitgehend auf, weil ihm die euro- päischen Siegermächte klarmachten, dass gewalti- ge Sprengkraft in ihm wohnte.2 Er scheiterte nach ewiss hat der Völkerbund seinen Zweck nicht den Friedensverhandlungen bei dem Versuch, den erfüllt. Die Friedensordnung aus dem Jahr US-Senat von seinem Völkerbundprojekt zu über- 1919, die er schützen sollte, brach unter dem zeugen: Die USA ratifizierten nie den Versailler GAnsturm der gewaltsamen Expansion Japans, des Friedensvertrag, in den die Völkerbundsatzung un- faschistischen Italiens und Nazideutschlands in den glücklicherweise eingefügt wurde, und traten dem 1930er Jahren zusammen. Trotzdem lohnt es sich, Völkerbund nicht bei. Eine Sperrminorität des Se- über ihn nachzudenken, denn er entwickelte sich zu nats fürchtete, durch ihn erneut in europäische oder einem Laboratorium für neue Formen und Prakti- gar interimperiale Konflikte hineingezogen zu wer- ken in den internationalen Beziehungen, die bis heu- den. Damit war die im Jahr 1920 auf Vorschlag te nachwirken. Die Gründer der Vereinten Natio- Wilsons in Genf ansässige internationale Organi- nen versuchten, positive Erfahrungen und bewährte sation dauerhaft geschwächt. Praktiken des Völkerbunds in die UN zu überfüh- Auf der Pariser Friedenskonferenz schwebte ren und den Fehlentwicklungen der Völkerbundära Wilson ein Völkerbund als Arena für die internati- vorzubeugen. Auch richteten sie an die UN realisti- onale Meinungsbildung vor, die Demokratien vor schere Erwartungen. Die Geschichte des Völker- Aggressionen sichern sollte. Dass dies zu wenig sei, bunds hält für die heutige Zeit wichtige Erkenntnisse wusste man in Paris, das auf harte Friedensbedin- parat: Sie legt die Zerbrechlichkeit internationaler gungen pochte. Infolge der wenig konkreten Kon- Ordnungen schonungslos offen und ermahnt fried- zeption Wilsons wurde die Gestalt des Völkerbunds liche Gesellschaften, dass Frieden einen Preis for- weitgehend von britischen ›Architekten‹, darunter dert – nämlich aktives und präventives Engagement. den Politikern Lord Robert Cecil, Lord Walter Phillimore, Jan Smuts aus Südafrika sowie einigen Juristen und Historikern, die die britische Regie- Der Völkerbund als politische Verheißung rung berieten, bestimmt.3 Dabei ging es den Briten in einem Frieden darum, ihre eigene vorteilhafte Der politische Wille des US-Präsidenten Woodrow Stellung als Weltmacht und die durch den Sieg über Wilson, eine dauerhafte Friedensordnung auf der die Mittelmächte ermöglichte Erweiterung ihres

1 John Keegan, Der Erste Weltkrieg: eine europäische Tragödie, 5. Aufl., Reinbek 2010. 2 Siehe Allen Lynch, Woodrow Wilson and the Principle of ›National Self-Determination‹: A Reconsideration, Review of International Studies, 28. Jg., 2/2002, S. 419–436. 3 Ruth Henig, The : The Peace Conferences of 1919–1923 and Their Aftermath, London 2010.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 243 Laboratorium für eine friedlichere Welt | Schulz

Völkerbundsatzung, die zahlreichen Verstöße der neuen Friedensordnung gegen das bewusst ver- drängte Selbstbestimmungsprinzip und das Macht- vakuum, das aufgrund der amerikanischen Nicht- ratifizierung entstand, erschwerten jegliche Kon- solidierung des von den Besiegten als hart und un- gerecht empfundenen Friedens.

Fragile Friedensordnung

Die Alliierten und die USA stritten lange darüber, inwieweit die besiegten Mächte und insbesondere das Deutsche Reich für den Krieg zu bestrafen seien und welche Gebiete jeweils abzutreten waren.7 In jedem Fall belastete die Friedensordnung, die von den Siegermächten ohne Verhandlungen mit den Besiegten entschieden wurde, die Arbeit des Völ- Delegierte der ersten Versammlung des Völkerbunds im November 1920 in Genf. kerbunds mit einer schweren Hypothek. Die neuen FOTO: UN-ARCHIV IN GENF Demokratien von den baltischen Staaten über die Nachfolgestaaten der Habsburger Doppelmonar- chie bis hin zum Deutschen Reich wurden durch Kolonialreichs abzusichern.4 Der Völkerbund sollte die Pariser Vorortverträge auf umstrittene territo- dem ›Europäischen Konzert‹ der Großmächte äh- riale Grundlagen gestellt. Über 15 Millionen Men- neln, das über weite Strecken des 19. Jahrhunderts schen lebten als nationale Minderheiten in den neu- als regulierendes Organ im Staatensystem fungier- en sogenannten Nationalstaaten, darunter rund neun te, wenn Konflikte drohten oder ausgebrochen wa- Millionen deutschsprachige. Infolgedessen wurden ren.5 Entsprechend sollten die Großmächte Frank- die Friedensverträge von den Besiegten heftig ange- reich, Großbritannien, Italien und nun auch Japan griffen. Zwar sah der auf Drängen Wilsons ange- und die USA als ständige Vertreter im Völker- nommene Artikel 19 der Völkerbundsatzung Revi- bundrat die Hauptverantwortung für die Erhal- sionen der Territorialordnung vor, er war jedoch tung des Friedens tragen. Legitimiert wurde ihre unanwendbar, da jede Änderung das freiwillige Dominanz durch die Hinzuziehung von zunächst Einverständnis der betroffenen Regierung erfor- vier wählbaren, nichtständigen Mitgliedern im Völ- derte. Kriege zwischen Russland und Polen, zwi- kerbundrat und durch die Gründung einer Ver- schen Polen und Litauen, zwischen Griechenland sammlung aller Mitgliedstaaten, deren Aufgaben- und der Türkei sowie zahlreiche Grenzstreitigkei- gebiet in der Völkerbundsatzung offengelassen ten in Ostmitteleuropa folgten, so auch zwischen wurde.6 Das für den Ausbruch des Ersten Welt- Polen und Deutschland, dazu Unruhen und Feind- kriegs verantwortlich gemachte Deutschland wur- seligkeiten zwischen neuen Minderheiten und den de – neben dem bolschewistischen Russland – zu- Mehrheitsbevölkerungen. Hinzu kamen die Repa- nächst vom Völkerbund ausgeschlossen. Der Grund rationen, die die Alliierten vom Deutschen Reich dafür war die Verbitterung der französischen und verlangten und dem Dreifachen des deutschen Brut- belgischen Bevölkerungen, die unter dem deutschen tosozialprodukts der Vorkriegszeit entsprachen. In- Angriff, der Besatzung und den hohen Opferzah- folgedessen vertraute niemand auf einen wirtschaft- len besonders gelitten hatten. Auch die Kriegspro- lichen Aufschwung.8 paganda hinterließ unauslöschliche Feindbilder. Eine Strategie zur Friedenssicherung durch De- Der Völkerbund versinnbildlichte vor diesem Hin- mokratisierung hatten dagegen weder die Ameri- tergrund die Hoffnung auf eine friedliche Welt. kaner noch die Alliierten – und dies, obwohl einige Doch die schwachen normativen Vorgaben der amerikanische Diplomaten in Europa Wilson auf-

4 Siehe Mark Mazower, No Enchanted Palace. The End of Empire and the Ideological Origins of the United Nations, Princeton 2009. 5 Matthias Schulz, Cultures of Peace and Security from the Vienna Congress to the Twenty-First Century: Characteristics and Dilemmas, in: Beatrice de Graaf/Ido de Haan/Brian Vick (Eds.), Securing Europe After Napoleon, Cambridge 2019, S. 21–39. 6 The Avalon Project, The Covenant of the League of Nations, Yale Law School, avalon.law.yale.edu/20th_century/leagcov.asp 7 Margaret Macmillan, Paris 1919: Six Months that Changed the World, New York 2003. 8 John M. Keynes, The Economic Consequences of the Peace, London 1920.

244 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Laboratorium für eine friedlichere Welt | Schulz forderten, die demokratischen Kräfte in Deutsch- zwar im Völkerbund nicht erfolgreich eingesetzt, land zu unterstützen.9 Dass die Friedensverträge sie wurden aber in der Charta der Vereinten Nati- die neuen Demokratien destabilisierten, erkannten onen erweitert und werden seit Ende des Ost-West- die Siegermächte erst aufgrund der katastrophalen Konflikts verstärkt eingesetzt.12 Darüber hinaus Finanz- und Währungskrisen in Österreich, Un- sorgten der Rat mit seinen regelmäßigen Treffen garn und dem Deutschen Reich zwischen den Jah- und die Versammlung für eine tiefgreifende Verän- ren 1922 und 1923, als der Völkerbund in Wien derung der diplomatischen Kommunikationsabläu- und Budapest und die Amerikaner mit den Alliier- fe. Mindestens einmal im Jahr trafen sich Vertreter ten in Deutschland die finanzielle Situation durch aller Mitgliedstaaten sowie Beobachter von Nicht- Verhandlungen und Kredite vorläufig entschärften.10 mitgliedstaaten und konnten durch diese umfas- sende Multilateralisierung der Politik mehr Staa- ten und Politikbereiche als vor dem Jahr 1914 ein- Neue Kommunikationsformen in der binden. internationalen Politik Eine ebenso wichtige Innovation stellte das in- ternationale Sekretariat dar: Erstmals wurde eine Obwohl die traditionelle Großmachtdiplomatie den internationale Organisation nicht einem Staat un- Völkerbund mal dominierte, mal umging, bildeten terstellt, der sein Personal zur Verwaltung der Or- sich in Genf neue Praktiken heraus, die über die ganisation zur Verfügung stellte,13 sondern es wur- Völkerbundsära hinauswirkten. Die Kriegsvermei- de ein echter internationaler Verwaltungsapparat dung durch präventive Diplomatie war keine neue Idee, wurde aber im Völkerbund durch drei mögli- che Verfahren konsolidiert: erstens, die politische Eine wichtige Innovation stellte das Vermittlung zwischen Konfliktparteien und Unter- internationale Sekretariat dar. suchung des Streitgrunds durch den Völkerbund- rat oder die Versammlung, bei der die Konflikt- parteien sich jegliche Entscheidung vorbehalten; zweitens, die politische Entscheidung eines Streit- falls durch den Rat oder die Versammlung, wenn begründet, der trotz unzureichender Finanzaus- ein Konflikt gemäß Artikel 15 der Völkerbundsat- stattung eine eigene Dynamik entfaltete und ver- zung von mindestens einer Konfliktpartei unter suchte, das gemeinsame Interesse in den Blick zu Verzicht auf das Stimmrecht dem Rat vorgelegt nehmen. Unter seinem Einfluss und dank des Ein- wurde, und drittens, die juristische Konfliktlösung satzes seiner rund 600 Bediensteten entwickelte sich durch den Ständigen Internationalen Gerichtshof der Völkerbund zu einem Knotenpunkt von Netz- oder ein Schiedsgericht.11 Darüber hinaus sah der werken des Wissens und einer Drehscheibe des In- Bund einen Katalog von Sanktionen gegen Staaten formationsaustauschs: Das Sekretariat sammelte vor, die die Grundnorm der Völkerbundsatzung, Informationen über Flüchtlinge, Gesundheitsfra- die Garantie der politischen Unabhängigkeit und gen14, Menschenhandel, Außenhandel, Zölle und territorialen Integrität von Mitgliedstaaten miss- Zollnomenklaturen, Kartelle, Rüstungsausgaben, achteten: Wirtschaftssanktionen, militärische Sank- Rechtsprinzipien, den Walfang und die Verschmut- tionen sowie den Ausschluss vom Völkerbund als zung der Meere15 und begann, sich in Zusammen- politisch-moralische Sanktion. Sanktionen wurden arbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation

9 Daniel Larsen, Abandoning Democracy: Woodrow Wilson and Promoting German Democracy, 1918–1919, Diplomatic History, 37. Jg., 3/2013, S. 476–508. 10 In Österreich setze der Völkerbund wegen des Staatsbankrotts und der Hyperinflation den niederländischen Währungskommissar Alfred Zimmerman ein; in Ungarn den Amerikaner Jeremiah Smith. Die deutsche Hyperinflation wurde dank drastischer Maßnahmen der Reichszentral- bank unter Hjalmar Schacht gestoppt, doch erst der unter amerikanischer Vermittlung ausgehandelte Reparationsplan im Jahr 1924, benannt nach dem amerikanischen Bankier Charles G. Dawes, führte zu einer vorübergehenden Stabilisierung. Sie fand außerhalb des Völkerbunds statt. Siehe Louis Pauly, Who Elected the Bankers? Surveillance and Control in the World Economy, Ithaca 1997. 11 Matthias Schulz, La Société des Nations et la Résolution Pacifique des Différends: Règles, Normes et Pratiques, in: Robert Kolb (Édit.), Commentaire sur le Pacte de la Société des Nations, Bruxelles 2015, S. 1247–1299. 12 David Cortright/George A. Lopes/Lind Gerber-Stellingwerf, The Sanctions Era: Themes and Trends in UN Security Sanctions since 1990, in: Vaughan Lowe et al. (Eds.), The United Nations Security Council and War: The Evolution of Thought and Practice since 1945, Oxford/New York 2008, S. 205–225. 13 Der Weltpostverein ( – UPU) und weitere seit den 1860er Jahren gegründete internationale Büros wurden in Bern angesiedelt und von schweizerischem Beamtenpersonal verwaltet. 14 Iris Borowy, Coming to Terms with World Health: The League of Nations Health Organization, 1921–1946, Frankfurt am Main 2009. 15 Zu Umweltfragen beim Völkerbund siehe Anna-Katharina Wöbse, Weltnaturschutz: Umweltdiplomatie beim Völkerbund und den Vereinten Nationen, 1920–1950, Frankfurt am Main 2012.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 245 Laboratorium für eine friedlichere Welt | Schulz | Drei Fragen an

(International Labour Organization – ILO) in der Drei Fragen an technischen Entwicklungshilfe zu engagieren.16 Mit Blandine Blukacz-Louisfert der Veröffentlichung der gesammelten Informatio- nen schuf der Völkerbund wichtige Grundlagen für die wissenschaftliche Betrachtung politischer Fra- Was haben die UN und der Völkerbund gemeinsam? gen – auch für die Vereinten Nationen. Die Völkerbundsatzung und die Charta der Vereinten Nationen teilen einige gemeinsame Prinzipien und Werte wie kollektive Sicherheit, Gleichheit oder das Völkerrecht als Humanität und Verrechtlichung wichtigstes Element der internationalen Ordnung. Das Fundament des internationalen Systems wurde vom Infolge der zahlreichen ungelösten Probleme, die Völkerbund gelegt. Die UN bauten darauf auf und verbesser- sich aus der Friedensordnung und aus den kriegeri- ten dies. Der Völkerbund war in vielen technischen Berei- schen Nachbeben in Ostmitteleuropa ergaben, chen ein Vorläufer der UN und viele Organisationen des wuchsen dem Völkerbund bald Aufgaben zu, die UN-Systems entstanden direkt aus ihrer Vorgängerorganisa- tion oder bauten auf der Arbeit des Völkerbunds auf. Beide seine Gründer ihm zunächst gar nicht zugedacht Systeme boten beziehungsweise bieten Plattformen für die hatten. Erst ein Jahr nach dem Ende des Weltkriegs Zusammenarbeit internationaler Akteure. beauftragten die Siegermächte, die das bolschewis- tische Russland nicht anerkannten, den Völker- Der Völkerbund war seiner Zeit weit voraus. Könnten Sie bund, mit Moskau Kontakt aufzunehmen, um den einige Beispiele für seine Weitsicht geben? Austausch und die Repatriierung der noch immer Die Idee einer globalen multilateralen Organisation wurde inhaftierten Kriegsgefangenen der Mittelmächte und damals nicht von allen Staaten geteilt und der Völkerbund Russlands zu organisieren. Der norwegische Polar- erreichte nie eine universelle Mitgliedschaft. Das Narrativ des forscher und Völkerbunddelegierte Fridtjof Nansen Scheiterns hat in den letzten Jahren eine Wendung genom- bewerkstelligte mit Hilfe der Internationalen Liga men. Neue Studien zeigen, dass der Völkerbund viel mehr der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften die erreichte. So ebnete beispielsweise die Arbeit des Bundes im Rückführung von 427 000 Kriegsgefangenen und Bereich Gesundheit den Weg für die Weltgesundheitsorgani- personifizierte schon nach wenigen Monaten das sation (WHO). Die ›Bruce-Reform‹ im Jahr 1939, die die Ein- humanitäre Gesicht des Genfer Völkerbunds. Fol- richtung eines Hauptausschusses für wirtschaftliche und soziale gerichtig wurde ihm daraufhin die Flüchtlingshilfe Fragen vorschlug, legte den Grundstein für den heutigen übertragen – insbesondere für die Millionen Flücht- Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC). Die Arbeit des Internatio- linge nach dem russischen Bürgerkrieg.17 Nansen nalen Flüchtlingsbüros führte zur Gründung des Amtes des erfand schließlich den Flüchtlingspass, der von lo- Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR). kalen Behörden der Empfängerländer sowie von Befürchten Sie angesichts der gegenwärtigen Multilateralis- Völkerbundangestellten ausgestellt werden konn- mus- und Liquiditätskrise der UN, dass diese eines Tages te.18 Ein internationaler Vertrag erkannte den so- genauso scheitern könnten wie der Völkerbund? genannten ›Nansen-Pass‹ im Jahr 1922 an. Es ist nicht hilfreich, die Erfahrungen der Liga mit denen der Innovativ war auch das Minderheitenschutzsys- UN zu vergleichen, da sie unter unterschiedlichen Umständen tem des Völkerbunds, dessen Schutzfunktion man tätig waren. Viele sagen, dass der Multilateralismus unter jedoch nicht überbewerten sollte. Hauptziel des Druck steht, aber gleichzeitig gibt es keine Alternative, um Minderheitenschutzes war die Sicherung der Terri- sich den vielen Herausforderungen auf der ganzen Welt zu torialordnung in Ostmitteleuropa, also dort, wo stellen. Der Multilateralismus wird ein Hauptinstrument auf Millionen Deutsche, Ungarn, Juden, Bulgaren, der Weltbühne bleiben und die UN sind seit 75 Jahren dessen Ukrainer, Russen, Griechen in neuen oder von den Rückgrat. Die UN sind sehr robust und entwickeln sich Alliierten erweiterten, ethnisch heterogenen Staats- ständig weiter, um den Herausforderungen der Welt zu gebilden – den baltischen Staaten, Polen, der Tsche- begegnen: Anlässlich ihres 75-jährigen Bestehens im Jahr 2020 choslowakei, Jugoslawien, Rumänien, Griechen- werden die UN einen weltweiten Austausch darüber initiie- land, Bulgarien, der Türkei – lebten. Aufgrund der ren, welche Rolle die globale Zusammenarbeit beim Aufbau zwischen den Alliierten und den ostmitteleuropäi- einer Zukunft, wie wir sie uns wünschen, spielen soll. schen Staaten vereinbarten Verträge konnten die Blandine Blukacz-Louisfert, dort ansässigen Minderheiten beim Völkerbund geb. 1964, ist seit dem Jahr 2013 Leiterin der Petitionen einreichen, die zunächst von einer Kom- Abteilung Institutionelles Gedächtnis in der mission des Völkerbundsrats, später vom Völker- Bibliothek der Vereinten Nationen in Genf. bundsekretariat behandelt wurden. Da die Staaten formal freiwillig an dem System mitarbeiteten, zeig- te es sich, dass nur die diskrete Behandlung von Petitionen überhaupt Aussichten auf Besserung brachte, der Völkerbund hatte keine formellen

246 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Laboratorium für eine friedlichere Welt | Schulz

Schutzrechte oder Entscheidungsbefugnis in Min- Gewalt an, um die Gebiete weiter unter ihrer Kon- derheitenfragen. Entsprechend unterschiedlich war trolle zu behalten. Die begeisterte Aufnahme der die Zusammenarbeit. Während die Tschechoslo- Reden Wilsons über nationale Selbstbestimmung wakei als Musterland des Minderheitenschutzes seitens der kolonialisierten Völker schlug in tiefe bezeichnet werden kann, da in den 1920er Jahren Enttäuschung um. Lediglich Irak wurde im Jahr kaum Beschwerden gegen die Prager Regierung in 1932 in die Unabhängigkeit entlassen, weil die bri- Genf eintrafen, entwickelten andere Regierungen tische Regierung es nach der Sicherung von Ölkon- eine Aversion gegen Genfer Einmischungsversu- zessionen vorzog, das Mandatsgebiet der theoreti- che. Polen trat im Jahr 1934 aus dem System aus, schen Kontrolle des Völkerbunds zu entziehen und indem es mit dem nationalsozialistischen Deutsch- ihre Vorherrschaft dort informell auszuüben. Die land einen bilateralen Vertrag abschloss. Im Rück- Mandatsgebiete in Afrika und im Pazifik wurden blick war dies keine kluge Entscheidung, denn weitgehend wie Kolonien verwaltet und Südafrika Adolf Hitler nutzte Klagen der deutschen Minder- weigerte sich bis zum Jahr 1990, Namibia in die heiten in Polen rücksichtslos aus, um Spannungen Unabhängigkeit zu entlassen. Die Veränderung des zu verschärfen. von den Vereinten Nationen unter dem Treuhand- Ein regimeähnliches System wurde auch für die system fortgeführten Regimes vor dem Hinter- ehemals osmanischen Territorien in der arabischen grund des Ost-West-Konflikts und des wachsenden Welt sowie die ehemaligen Kolonien des Deutschen Reiches errichtet.19 Das sogenannte Mandatssys- tem des Völkerbunds, Vorläufer des Treuhandsys- tems der UN, entstand aus einem Kompromiss Die Begeisterung der kolonialisierten Völker zwischen Wilson und den Briten und Franzosen, über eine mögliche Selbstbestimmung schlug die schon während des Krieges in imperialer Ma- nier die arabischen Territorien des Osmanischen in tiefe Enttäuschung um. Reiches unter sich aufgeteilt hatten und diese ei- gentlich annektieren wollten.20 Die Territorien wur- den nach ihrem angeblichen Entwicklungsstand in A-, B- und C-Mandate aufgeteilt, die entweder un- ter Leitung einer Mandatsmacht von der einheimi- Drucks der indischen Regierung zugunsten der De- schen Verwaltung oder direkt von der Mandats- kolonialisierung zeigt indessen, dass die Haltung macht verwaltet werden sollten. Alle Mandats­- der europäischen Mandatsmächte langfristige Fol- gebiete sollten für den internationalen Handel der gen hatte, die sie gar nicht beabsichtigt hatten. Völkerbundmitglieder offen sein. Die Mandats- mächte Australien, Belgien, Frankreich, Großbri- tannien, Japan, Neuseeland und Südafrika muss- Gegen wirtschaftlichen Nationalismus ten der Mandatskommission des Völkerbunds jähr- lich Berichte über die soziale und wirtschaftliche Am Scheitern der Pariser Friedensordnung hatte der Entwicklung ihrer Mandatsgebiete vorlegen. Zwar Zusammenbruch von über 1000 amerikanischen saßen in der Mandatskommission hauptsächlich Banken und der Weltwirtschaft ab dem Jahr 1929 Vertreter dieser Mächte, doch die Beteiligung eini- einen entscheidenden Anteil. Unter dem Druck der ger Vertreter von neutralen Staaten wie der Schweiz hohen Arbeitslosigkeit radikalisierte sich die Parteien- erreichte immerhin, dass die Mandatsmächte in landschaft und zahlreiche Regierungen entschie- einen gewissen Rechtfertigungsdruck gerieten, wenn den sich für nationalistische währungs- und han- es Unruhen in den Mandaten gab. Für die A-Man- delspolitische Maßnahmen, die den Welthandel date war die Unabhängigkeit theoretisch möglich, störten und somit die Krise verschlimmerten. An doch die Mandatsmächte wandten notfalls sogar Initiativen des Völkerbundsekretariats zur Intensi-

16 Véronique Plata-Stenger, «Mission Civilisaitrice», Réforme Sociale et Modernisation: L’OIT et le Développement Colonial Dans l’Entre-Deux-Guerres, Relations internationales, 177. Jg., 1/2019, S. 15–29. 17 Siehe Dzovinar Kevonian, Réfugiés et Apatrides Dans les Années Vingt: un Enjeu Humanitaire Pour la Paix Nouvelle, in: Roger Durand (Édit.), Genève et la Paix: Acteurs et Enjeux. Trois Siècles d’Histoire, Genf 2005, S. 297–324. 18 Barbara Metzger, The League of Nations and Refugees: the Humanitarian Legacy of Fridtjof Nansen, in: Nations Unies (Genf), Bibliothèque des Nations Unies/Archives de la Société des Nations, The League of Nations, 1920–1946: Organization and Accomplishments: A Retrospective of the First Organization for the Establishment of World Peace, New York/Genf 1996. 19 Susan Pederson, The Meaning of the Mandates System: An Argument, Geschichte und Gesellschaft, 32. Jg., 4/2006 S. 560–582. 20 Sykes-Picot-Abkommen aus dem Jahr 1916, siehe www.encyclopedia.1914-1918-online.net/article/sykes-picot_agreement

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vierung der Wirtschaftskooperation und zur Redu- schwerte zusätzlich seine Arbeitsfähigkeit. Am zierung der Handelsbarrieren mangelte es nicht.21 problematischsten war aber, dass es den Sieger- Hoffnung ging insbesondere von der Genfer Welt- mächten nicht gelang, ihre imperialen und geopo­ wirtschaftskonferenz im Jahr 1927 aus, die Reso- litischen Interessen zugunsten einer am Völker- lutionen für den Freihandel, für die Abschaffung recht orientierten Arbeit zurückzustellen. Es gelang von Handelshemmnissen aller Art und für die Ver- dem Völkerbund in keinem Fall, einen sogenann- ten asymmetrischen Konflikt zwischen einer Groß- macht und einem Klein- oder Mittelstaat zuguns- Den Siegermächten gelang es nicht, ihre ten des schwächeren Akteurs zu lösen. Immer setzte sich die Großmacht durch, vielfach unter Miss- imperialen und geopolitischen Interessen achtung von Resolutionen des Völkerbunds. Nicht zugunsten des Völkerrechts zurückzustellen. zufällig handelte es sich Anfang der 1920er Jahre um alliierte Siegermächte und deren Verbündete, die sich mit Gewalt holten, was ihnen die Friedens- regelung vorenthalten hatte – Polen annektierte Vilnius, Italien Fiume und bombardierte Korfu einheitlichung nationaler Zollnomenklaturen ver- und Frankreich besetzte die Ruhr, um mehr Kohle abschiedete. Es zeigte sich jedoch bald, dass der als Reparationszahlung zu erhalten. Selbst Groß- nationale Protektionismus insbesondere in Europa britannien sicherte sich im Streit mit der Türkei wirtschaftliches Wachstum behinderte. Die inter- durch eine fast ausschließlich aus Europäern beste- nationalen Bemühungen um die Abschaffung von hende Untersuchungskommission die Kontrolle Ein- und Ausfuhrverboten aus der Kriegszeit, für des Kurdengebiets um Mossul für sein Mandatsge- Zollabrüstung und schließlich einen Zollfrieden biet Irak, in dem zu Recht Ölvorkommen vermutet zwischen den Jahren 1929 und 1932 ebenso wie ein wurden. Eine weitere Siegermacht, Japan, besetzte Jahr später die Londoner Finanz- und Wirtschafts- schließlich unter dem Vorwand eines von seiner ei- konferenz des Völkerbunds scheiterten an Vertrau- genen Armee inszenierten Terrorakts im Jahr 1931 ensdefiziten innerhalb Europas und an der in den die gesamte chinesische Mandschurei, die ihr im USA ausgebrochenen Finanz- und Bankenkrise. Jahr 1937 als Ausgangspunkt für den Krieg gegen Der im Jahr 1939 angenommene ›Bruce-Bericht‹ – China diente. Die Skrupellosigkeit und Brutalität benannt nach dem australischen Vorsitzenden ei- der in den 1930er Jahren erst von Japan, dann von nes Reformausschusses, – forderte die den Diktaturen Italien und dem Deutschen Reich Versammlung des Völkerbunds schließlich auf, die ausgehenden Aggressionen war allerdings unver- Wirtschaftszusammenarbeit zu einer Priorität zu gleichlich härter als die erwähnten temporären Ok- machen und ein Hauptorgan für Wirtschaftskoope- kupationen und Annexionen der Siegermächte und ration und soziale Zusammenarbeit zu schaffen. ihrer Verbündeten. Die Umsetzung der Empfehlungen traf auf breite Zustimmung, wurde aber durch den Zweiten Weltkrieg verhindert. Im Jahr 1945 verwirklichten Demokratien gegen Diktaturen? die Siegermächte sie schließlich im Wirtschafts- und Sozialrat (Economic and Social Council – ECOSOC) Die Demokratien lernten durch den Völkerbund, der Vereinten Nationen. dass Frieden nur dann gewahrt werden konnte, wenn Aggressoren sicher davon ausgehen mussten, dass sich die Mitgliedstaaten des Völkerbunds un- Das ungelöste Sicherheitsdilemma tereinander solidarisch verhalten und gegenseitig verteidigen würden. Die insbesondere von Frank- Im entscheidenden Bereich der Friedenssicherung reich immer wieder angemahnte Solidarität ließ litt der Völkerbund am Fehlen der USA und bis sich jedoch nicht einfordern, wenn die westlichen, zum Jahr 1926 Deutschlands sowie bis zum Jahr demokratischen Großmächte, die als Garanten des 1934 Russlands. Das Ausscheiden Brasiliens Völkerbundsystems galten, die politische Unab- (1926/28), Japans, Deutschlands (1933/35), Para- hängigkeit und territoriale Integrität von Staaten guays (1934/36) und Italiens (1935/1937)22 er- und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen selbst

21 Matthias Schulz, Globalisierung, Regionalisierung oder Desintegration? Der Völkerbund und die Weltwirtschaft, Zeitschrift für Geschichtswissen- schaft, 54. Jg., 10/2006, S. 840–851. 22 Der Austritt trat jeweils zwei Jahre nach Erklärung in Kraft.

248 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Laboratorium für eine friedlichere Welt | Schulz nicht schützten. Nach Litauen und der Ruhrgebiet- nichtständigen Sitze im Sicherheitsrat von sechs besetzung in Deutschland durch Belgien und Frank- auf zehn Staaten im Jahr 1964 und das Erfordernis reich mussten auch Mitgliedstaaten wie Äthiopien, einer qualifizierten Mehrheit für Entscheidungen Bolivien, China, Finnland, Griechenland, Öster- nach Artikel 27 der UN-Charta wurde immerhin reich, die Tschechoslowakei und die baltischen die Kontrolle der fünf ständigen Mitglieder (Per- Staaten zur Kenntnis nehmen, dass der Völker- manent Five – P5) durch die übrigen Staaten ver- bund nichts Konkretes gegen die Verletzung terri- stärkt. Aufgewertet wurde auch die Rolle des Ge- torialer Integrität unternahm. Nach dem deutschen neralsekretärs, der im Völkerbundsekretariat ledig- Angriff auf Polen begann sich dies mit der britischen lich Verwaltungsleiter war, jedoch in den UN jeder- und französischen Kriegserklärung zu ändern. zeit selbst den Sicherheitsrat zusammenrufen und darüber hinaus nach Artikel 99 der UN-Charta jede Angelegenheit, die seiner Meinung nach die Lehren aus dem Völkerbund internationale Sicherheit gefährdet, auf die Tages- ordnung des Sicherheitsrats setzen kann. Die Schaf- Immerhin hat die Multilateralisierung bei vielen fung einer internationalen Armee war immerhin symmetrischen Konflikten – wie dem schwedisch- vorgesehen, wurde jedoch durch den Ost-West- finnischen Streit um die Aland-Inseln, dem Konflikt vereitelt. Dass die Allianz der Siegermächte deutsch-polnischen Konflikt um Oberschlesien so- so schnell nach dem Zweiten Weltkrieg auseinan- wie dem bulgarisch-griechischen Minderheiten- und derbrach und sich ideologisch rivalisierende Lager Grenzkonflikt – die friedliche Streitschlichtung ge- bildeten, vereitelte die durchgreifende Modernisie- fördert und erleichtert. Wann immer keine Dikta- rung des internationalen Systems. turen oder autoritären Regime involviert waren, Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts sind die gelang es dem Völkerbund, die Macht der multila- internationalen Beziehungen wieder unübersichtli- teralen Diplomatie, der Verrechtlichung und Ver- cher geworden. Wie schon zuvor im Völkerbund wissenschaftlichung von Politik zu entfalten. Vor wird die Gefahr erodierender Solidarität im System allem aber bewirkten die multilateralen Praktiken der Vereinten Nationen heute sehr deutlich. Von des Völkerbunds langfristig eine Gewöhnung der einer Krise des Multilateralismus ist die Rede. Auf- Regierungen an internationalen Informationsaus- grund des Vetorechts der P5 haben die UN bis heute tausch und die Zusammenarbeit in technischen, sozi- gegen Aggressionen ihrer Hauptmächte kein Mit- alen, gesundheitlichen, humanitären, wirtschaftli- tel gefunden. So lange die Welt in Nuklearmächte chen und sogar bereits umweltpolitischen Belangen, und andere geteilt ist, wird dies wohl auch so blei- die schließlich in Regulierungen mündete. ben. Das Sicherheitsdilemma bleibt bestehen, die Außerdem hätte es ohne den Völkerbund die Solidarität der Demokratien eine Notwendigkeit. Vereinten Nationen nicht gegeben. Überspitzt zeig- Es bleibt ungewiss, ob diese Lehre des Völkerbunds te der Völkerbund, wie notwendig internationale auch in Zukunft noch verstanden wird. Organisationen und Netzwerke waren und dass ihre Strukturen, Organe und Entscheidungsverfah- ren dringend gestärkt werden mussten, um Frieden und Menschenwürde auch gegen notorische Verlet- zer des Friedens und der Menschlichkeit tatsäch- English Abstract lich zu schützen. Gerade die Menschenrechte, die Dr. Matthias Schulz in der Völkerbundsatzung noch gänzlich abwesend Laboratory for A Peaceful World pp. 243–249 waren, sind in der Charta insofern von erheblicher Bedeutung, als sie einen Kontrapunkt zur Souve- In the course of human history, the League of Nations represents a crucial ränität und zum Nichteinmischungsprinzip bilden experience. Due to its penchant for deciding conflicts by violent means, the und somit im System internationaler Normen eine international order in the twentieth century destroyed itself twice, once in gewisse Spannung herstellen. Viele weitere Ele- 1914 and again in 1939. The League provided for the building of networks mente in der UN-Charta verbesserten den ersten among administrators, experts, civil society, and political decision-makers Versuch einer internationalen Organisation. Die thereby laying the groundwork for multilateralism. However, it failed in its Kompetenzen in der Sicherheitspolitik, die im Völ- task to ensure collective security as the new peaceful order paid too little kerbund noch nicht klar zugeordnet waren, wurden attention to the stabilization of new democracies. Furthermore, the great powers continued to pursue their imperial style of politics and missed the in den UN den Großmächten und dem Sicherheits- opportunity to activate the kind of solidarity required to make this states' rat zugewiesen. Man mag dies kritisieren, doch system work. alles Klagen nützt nichts, denn nur die Großmäch- te können, wenn sie denn wollen, bei Gefährdun- Keywords: Diplomatie, Menschliche Sicherheit, Prävention, Völkerbund, gen der internationalen Sicherheit glaubhaft regu- diplomacy, human security, League of Nations, prevention lierend einschreiten. Durch die Erweiterung der

VEREINTE NATIONEN 6/2019 249 Deutschlands Weg in den Völkerbund | Wintzer

Deutschlands Weg in den Völkerbund Als auf der Pariser Friedenskonferenz im Jahr 1919 über die Gründung eines Völkerbunds verhandelt wurde, blieb die deutsche Demokratie ausgeschlossen. Sie wurde Mitbegründerin des Völkerbunds, ohne Mitglied zu werden. Dies änderte sich durch den Beitritt mit einem ständigen Ratssitz im Jahr 1926, der Austritt erfolgt jedoch bereits sieben Jahre später.

Russland seit der deutschen Reichseinigung im Dr. Joachim Wintzer, Jahr 1871 vermeiden können, Kriege gegeneinander geb. 1967, ist Wissenschaftlicher zu führen. Der Erste Weltkrieg wurde der erste in- Mitarbeiter der Kommission für dustriell geführte, ›totale‹ Krieg und die Planungen Geschichte des Parlamentaris- der kriegführenden Staaten für die Zeit nach dem mus und der politischen Parteien e.V. in Berlin. Krieg waren nicht auf Kooperation ausgerichtet, sondern auf die größtmögliche Schwächung des [email protected] Gegners. Nach einem Sieg der Mittelmächte wäre kein Völkerbund gegründet worden. Auch ein mili- tärischer Erfolg der ›Triple Entente‹ zwischen dem unmehr 100 Jahre nach dem Ende des französischen und britischen Empire sowie dem rus- Ersten Weltkriegs ist die Bundesrepublik sischen Zarenreich hätte nicht zur Gründung einer Deutschland ein geachtetes Mitglied interna- universalen Weltfriedensorganisation geführt. Ntionaler Organisationen – unter anderem der Ver- Die USA waren in den ersten Kriegsjahren neu­ einten Nationen. Bundeskanzlerin Angela Merkel tral geblieben. Ihr Präsident Woodrow Wilson hat- wird als Anführerin des »freien Westens« gefeiert. te aber bereits im Januar 1917 Grundzüge einer Die Bundesrepublik ist Mitbegründerin der in die- neuartigen Weltordnung entworfen: Jedes Volk soll- sem Jahr ins Leben gerufenen ›Allianz für den te frei über sein politisches System und seine eigene Multilateralismus‹, die sich für weltweite Koopera- Entwicklung bestimmen können. In seinem 14- tion, gemeinsame Regeln und Dialog einsetzt. Die- Punkte-Programm vom 8. Januar 1918 hatte er die ses positive Verhältnis Deutschlands zur Tätigkeit Gründung eines Völkerbunds gefordert.2 Wilsons internationaler Organisationen ist keine Selbstver- Eintreten für die Selbstbestimmung schürte nicht ständlichkeit, wie der Rückblick auf die Geschich- nur Erwartungen der slawischen Völker in Osteu- te des deutschen Ausschlusses aus dem Völkerbund ropa auf einen eigenen Staat, sondern wurde auch und die Jahre der Mitgliedschaft zeigen.1 von den kolonisierten Völkern in Afrika und Asien aufmerksam registriert. Die anderen Fürsprecher für eine neue Ordnung waren die russischen Bol- Hohe Erwartungen nach dem schewiki. Sie propagierten einen Frieden ohne An- Ersten Weltkrieg nexionen und Kontributionen und geißelten die Un- terdrückung der Völker durch den Imperialismus. Weltfriedensorganisationen entstehen nach Welt- Nach der Unterzeichnung eines Waffenstillstands kriegen. Im 19. Jahrhundert allerdings hatte das in Compiègne am 11. November 1918 kamen die ›Europäische Konzert der Großmächte‹ mit Groß- mit Deutschland kriegführenden Staaten in Paris britannien, Frankreich, Österreich, Preußen und zusammen. Trotz beziehungsweise wegen des Aus-

1 Dieser Beitrag basiert auf Joachim Wintzer, Deutschland und der Völkerbund 1918–1926, Paderborn 2006. 2 Yale Law School, Tha Avalon Project, avalon.law.yale.edu/20th_century/wilson14.asp

250 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Deutschlands Weg in den Völkerbund | Wintzer schlusses Deutschlands von den Friedensverhand- lungen wurde in der deutschen Öffentlichkeit in- tensiv über die Ausgestaltung eines Völkerbunds diskutiert. Ein Anhaltspunkt für die Attraktivität des Völkerbundgedankens war die am 17. Dezem- ber 1918 erfolgte Gründung der ›Deutschen Liga für Völkerbund‹.3 Aufgrund der Vorstellungen Wilsons, eine neue Weltordnung mit dem Völkerbund zu schaffen, er- hielten die Beratungen über die Völkerbundsatzung auf der Friedenskonferenz einen herausragenden Stellenwert.4 Weil Wilson sein persönliches Prestige in die Waagschale warf, konnten andere Probleme weniger ausführlich besprochen werden. Der britische Premierminister David Lloyd George und der fran- zösische Ministerpräsident Georges Clemenceau nutzten Wilsons persönliches Interesse am Zustan- Zwei Tage nach dem offiziellen Beitritt Deutschlands zum Völkerbund spricht dekommen des Völkerbunds, um ihre nationalen Reichsaußenminister Gustav Stresemann (1878–1929) am 10. September 1926 Interessen durchzusetzen. vor der Versammlung. FOTO: PICTURE-ALLIANCE / AKG-IMAGES

Deutsche Vorstellungen zum Völkerbund gesetzt, dass sie tatsächliche Gewähr für ihre Ab- sicht geben, ernsthaft ihre internationalen Ver- Deutschland sollte den Völkerbund als internatio- pflichtungen einzuhalten, und die Bundessatzung nale Organisation anerkennen müssen, zunächst aber hinsichtlich ihrer Streitkräfte und ihrer Rüstungen ausgeschlossen bleiben. Da sich die Haltung Wilsons zu Lande, zur See und in der Luft annehmen«6. Die zur Frage einer sofortigen deutschen Mitgliedschaft »tatsächliche Gewähr« war eine sehr auslegungs- von einer zustimmenden zu einer ablehnenden Hal- bedürftige Bestimmung, die durch französische Be- tung verändert hatte, wurde bei der Redaktion der mühungen auf der ersten Völkerbundversammlung Satzung auf dieses Problem besondere Sorgfalt ver- ihre Ausgestaltung fand. Die Franzosen erreichten, wendet. Normalerweise folgte der Satzungsratifika- dass in Artikel 4 die Siegerkoalition erwähnt wurde. tion einer internationalen Organisation durch ei- Der Völkerbundrat setzte sich demnach aus den nen Staat die Mitgliedschaft. Also mussten gegen »Vertretern der alliierten und assoziierten Haupt- eine automatische Aufnahme Deutschlands Vor- mächte« und vier weiteren Mitgliedern der Völker- kehrungen getroffen werden. Nach der Präambel bundversammlung zusammen. Der zweite Absatz der Völkerbundsatzung »nehmen die Hohen ver- schuf die Voraussetzung für einen eventuellen deut- tragschließenden Teile die folgende Akte an, die schen und russischen Ratssitz. Der Völkerbundrat den Völkerbund stiftet«5. Artikel 1 der Völkerbund- konnte der Versammlung einstimmig Mitglieder des satzung führte anschließend den Begriff der ur- Bundes vorschlagen, die nach deren Zustimmung sprünglichen Mitglieder ein, die in einem Anhang mit einer einfachen Mehrheit einen ständigen Rats- zur Völkerbundsatzung benannt wurden. Deutsch- sitz erhielten. land und seine Verbündeten befanden sich nicht Die deutsche Reichsregierung versuchte, die in- darunter. Die französische Diplomatie konnte ihre ternationale Diskussion durch einen eigenen Völ- Forderungen bezüglich der Verpflichtungen eines kerbundentwurf zu beeinflussen. Unter der Leitung Beitrittskandidaten in Artikel 1 durchsetzen. Dem- des Völkerrechtlers Walther Schücking wurde ein nach konnten Staaten mit einer Zweidrittelmehr- regierungsamtlicher Vorschlag erstellt und vom heit zum Völkerbund zugelassen werden, »voraus- Kabinett angenommen.7 Drei Merkmale des um-

3 Martin Löffler, Die ›Deutsche Liga für Völkerbund‹ – ihrer Zeit weit voraus, Vereinte Nationen (VN), 5–6/1985, S. 179–180. 4 Zu den Friedenskonferenzen vgl. Eckart Conze, Die große Illusion: Versailles 1919 und die Neuordnung der Welt, Frankfurt am Main 2018; Jörn Leonhard, Der überforderte Frieden Versailles und die Welt 1918–1923, München 2019; Klaus Schwabe, Versailles: Das Wagnis eines demokrati- schen Friedens 1919–1923, Paderborn 2019. 5 Die Völkerbundsatzung ist hier zu finden: www.versailler-vertrag.de/vv1.htm 6 Ebd. 7 Vgl. die Protokolle der Kabinettssitzungen vom 22. und 23.4.1919, Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik. Das Kabinett Scheidemann, bearbeitet von Hagen Schulze, Boppard 1971, Dok. 50 und 51.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 251 Deutschlands Weg in den Völkerbund | Wintzer

fangreichen deutschen Vorschlags eines Völkerbunds vorstellungen gescheitert waren. Die Gründung eines sind hervorzuheben: Völkerbunds versprach einen solidarischen wirt- Erstens wurden die internationalen Beziehungen schaftlichen Wiederaufbau Europas, die gleichbe- der Staaten verrechtlicht. Dabei wurde ein konsis- rechtigte Integration Deutschlands in das interna- tentes Regelwerk entworfen, das für jeden Streit- tionale System, die Legitimierung des Übergangs fall ein Verfahren vorsah, das zu einer friedlichen von der Monarchie zur Republik sowie die Gewiss- Schlichtung führen sollte. Dieser Grundgedanke heit, die eigene historische Erinnerung über den wurde mit der deutschen Schiedsvertragspolitik wie- Sinn des Weltkriegs in die gemeinsame Erinnerung der aufgenommen. Zweitens sollte Deutschland dem der Weltkriegsteilnehmer einbringen zu dürfen. In- Völkerbund gleichberechtigt angehören. Alle Staa- dem die Sieger die deutsche Demokratie von den ten, unabhängig von der Regierungsform, sollten Verhandlungen ausschlossen und die Aufnahme in Mitglied des universalen Völkerbunds werden kön- den Völkerbund verweigerten, fielen diese Vorteile nen. Die Delegierten sollten nicht von den Regie- weg. Die Haltung zum Völkerbund schlug von Eu- rungen, sondern von den nationalen Parlamenten phorie in Ablehnung und Distanz um. Die Tätig- ernannt werden, wodurch gleichzeitig ein Bekennt- keit des Völkerbunds in den Folgejahren trug nicht nis zur parlamentarischen Regierungsform abge- dazu bei, das Vertrauen in die Unparteilichkeit der legt wurde. Drittens wurde die wirtschaftliche Zu- Weltorganisation zu wecken. sammenarbeit der Staaten als eine Notwendigkeit begriffen. Aus alliierter Sicht hätte die Annahme dieses Entwurfs bedeutet, dass Deutschland den Ausschließlich Pflichten, Krieg gewonnen hätte. keine Rechte

Als der Friedensvertrag zwischen dem Deutschen Reich und den Alliierten und assoziierten Mächten Die Mehrheit der Deutschen begrüßte in am 10. Januar 1920 in Kraft trat, wurde damit der den Jahren 1918 und 1919 Wilsons Vision Völkerbund offiziell begründet.9 Der Völkerbund­ rat war für die Wahrung des Friedens zuständig. einer Friedensordnung. Gemäß der Völkerbundsatzung durften Frankreich, Großbritannien, Japan, Italien und die USA einen ständigen Sitz einnehmen, wobei die USA aufgrund der gescheiterten Ratifikation im Senat kein Mit- glied wurden. Vier beziehungsweise ab dem Jahr Im April 1919 traf die deutsche Friedensdelega- 1923 sechs weitere Mitglieder erhielten einen nicht- tion in Paris ein, um von den Alliierten die Frie- ständigen Sitz.10 Sie hatten sich in regelmäßigen densbedingungen zu empfangen. Der Friedensver- Abständen der Wiederwahl durch die Völkerbund- trag schloss die deutsche Mitgliedschaft nicht ka- versammlung zu stellen. In den ersten Jahren be- tegorisch aus. Deutschland müsse erst eine Probe- schäftigten die mit Deutschland zusammenhän- zeit absolvieren, in der es seine ehrlichen Absichten genden Fragen nahezu jede Ratstagung. und Vertragstreue beweisen könne. Eindeutig wur- Völkerrechtlich gesehen bestand die absurde Si- de die Verbindung zwischen Völkerbundsatzung tuation, dass Deutschland mit dem Versailler Ver- und Friedensvertrag bekräftigt, die Satzung bilde trag die Satzung einer internationalen Organisation die Grundlage des Friedensvertrags.8 Der Reichs- ratifizieren musste, ohne der Organisation selbst regierung blieb keine andere Möglichkeit, als die beitreten zu dürfen. Es hatte nicht nur die Rechts- Friedensbedingungen zu akzeptieren. persönlichkeit des Völkerbunds anzuerkennen, son- Die Mehrheit der Deutschen begrüßte in den dern musste auch alle Beschlüsse und Entscheidun- Jahren 1918 und 1919 Wilsons Vision einer Frie- gen akzeptieren, die sich auf jene Artikel der Völ­- densordnung, nachdem die eigenen Siegfriedens- kerbundsatzung stützten, die auf das Außenverhält-

8 In der Denkschrift der alliierten Mantelnote vom 16.6.1919 wurde ausgeführt: »Der Pakt des Völkerbunds bildet die Grundlage für den Friedensvertrag für die Alliierten und assoziierten Mächte. Sie haben alle Begriffe sorgfältig abgewogen.« Vgl. Urkunden zum Friedensvertrag von Versailles vom 28.8.1919, zusammengestellt von Herbert Kraus, Gustav Rödiger, Berlin 1920, S. 582. 9 Siehe dazu auch den Beitrag von Matthias Schulz in diesem Heft. 10 Dies waren im Jahr 1920 Belgien, Brasilien, China, Griechenland (bis zur ersten Völkerbundsversammlung), Spanien; im Jahr 1921 Belgien, Brasilien, China, Spanien; im Jahr 1922 Belgien, Brasilien, China, Spanien; im Jahr 1923 Belgien, Brasilien, China, Schweden, Spanien, Uruguay; im Jahr 1924 Belgien, Brasilien, Schweden, Spanien, Tschechoslowakei, Uruguay; im Jahr 1925 Belgien, Brasilien, Schweden, Spanien, Tschechoslowakei, Uruguay.

252 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Deutschlands Weg in den Völkerbund | Wintzer nis zu den Nichtmitgliedstaaten eingingen. Aus die- in Österreich, Ungarn und Bulgarien und den neu ser rechtlichen Konstruktion erwuchsen dem Reich entstandenen osteuropäischen Staaten. Deutschland also nur Pflichten, keine Rechte. war ein Profiteur dieses Systems. Durch seine Ge- Durch die territorialen Regelungen des Versailler bietsverluste lebten über sechs Millionen Deutsche Vertrags kam das Deutsche Reich in direkten Kon- als Minderheiten außerhalb der deutschen Grenzen. takt mit dem Völkerbund.11 Weil Frankreich eine Der größte Teil fand sich innerhalb der Grenzen Annexion des Saargebiets nicht durchsetzen konnte, des neuen polnischen Staates wieder. Die Minder- setzte die Friedenskonferenz den Völkerbund als heiten in Deutschland – insbesondere Dänen und Treuhänder des Saargebiets ein. Der Völkerbund Polen – kamen nicht in den Genuss völkerrechtli- verwaltete nicht nur ehemals deutsche Gebiete, er cher Garantien, ebenso wenig wie die deutschspra- war auch an der Übertragung deutscher Territorien chige Minderheit in Frankreich. auf andere Staaten beteiligt. Nach Artikel 119 des Der Völkerbund stellte den ersten Versuch dar, Versailler Vertrags musste das Deutsche Reich seine ein System der kollektiven Sicherheit in die Praxis Kolonien an die Alliierten und assoziierten Haupt- umzusetzen. Der Kern der Völkerbundsatzung wa- mächte abtreten. Aufgrund des Widerstands der ren die Bestimmungen zur Friedenssicherung.13 Zum amerikanischen Diplomatie auf der Friedenskonfe- ersten Mal versuchten Staaten, ein Sicherheitssys- renz durften die Kolonien nicht annektiert werden. tem zu konstituieren, das erstens prinzipiell allen Der Völkerbundrat erhielt nach Artikel 22 der Völ- kerbundsatzung die Befugnis, ausgewählten Staa- ten die deutschen Kolonien als Mandate zu überge- Durch die territorialen Regelungen des ben. Tatsächlich verlief die Verteilung ohne eine Stellungnahme des Völkerbunds ab. Er konnte die Versailler Vertrags kam das Deutsche Reich in Inbesitznahme nur noch nachträglich autorisieren. direkten Kontakt mit dem Völkerbund. Den deutschen Gegnerinnen und Gegnern des Völ- kerbunds gab die Kluft zwischen Idee und Praxis des Mandatssystems ein weiteres dankbares Feld für die Bekämpfung von alliierten »Lügen«. Die Mandatsstaaten waren dem Völkerbund für ihre Staaten offenstand, zweitens auf liberalen Prinzipien Verwaltung rechenschaftspflichtig.12 wie dem Selbstbestimmungsrecht beruhte, drittens grundsätzlich eine Veränderung des territorialen Status quo als zulässig ansah und viertens eine Rechts- Innovationen des Völkerbunds pflicht zur Abhilfe gegen einen Friedensstörer vor- sah. Der Gedanke, dass der potenzielle Angreifer Die Minderheitenfrage stand in einem Zusammen- auch Teil eines Bündnissystems sein konnte, war hang mit der territorialen Neuordnung Europas neu und revolutionär. Sicherheit sollte jedes Völ- und dem System der kollektiven Sicherheit. Das von kerbundmitglied durch die Solidarität der anderen Wilson als neuartiges Ordnungsprinzip postulierte Mitglieder erhalten. Selbstbestimmungsrecht der Völker führte wegen Ein System der kollektiven Sicherheit kann nur der komplizierten ethnischen Verhältnisse in Ost- funktionieren, wenn eine gewisse Gleichartigkeit und Südosteuropa zu Grenzziehungen, die manche der Vertragspartner und ihrer Interessen gegeben ist Staaten mit Minderheiten vor innenpolitische Pro- und der Status quo als verteidigungswürdig und im bleme stellte. Die Völkerbundsatzung erwähnte Interesse aller liegend angesehen wird. Die Haupt- den Minderheitenschutz nicht ausdrücklich. Durch last tragen die Großmächte, die ihre militärischen die in den Jahren 1919/20 abgeschlossenen Min- Mittel in den Dienst der Allgemeinheit stellen sol- derheitenschutzverträge erhielt der Völkerbund al- len. Sie müssen vor ihren nationalen Öffentlichkei- lerdings den Status einer Garantiemacht. Die freie ten die militärischen Ausgaben rechtfertigen. Da Entfaltung der Minderheiten sollte auf zweifache die deutsche Demokratie aus dem Völkerbund aus- Weise gewährleistet werden. Zum einen durch eine geschlossen war, durfte sie im Kriegsfall neutral Territorialgarantie für jene Gebiete, die dem Völ- bleiben. kerbund direkt unterstellt waren, zum anderen In einem engen Zusammenhang zum Problem durch eine Personalgarantie für die Minderheiten der Sicherheit stand die Abrüstungsproblematik.

11 Der Vertragstext ist unter www.ub.uni-koeln.de/cdm/ref/collection/dirksen/id/370606 einzusehen. 12 Zum Mandatssystem vgl. Antonia Helena Maria van Ginneken, Volkenbondsvoogdij. Het Toezicht van de Volkenbond op het Bestuur in Mandaatgebieden 1919–1940, Utrecht 1992; Susan Pedersen, The Guardians. The League of Nations and the Crisis of Empire, Oxford 2015. 13 Vgl. die Ausführungen von Carl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes, Berlin 1926, S. 21f.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 253 Deutschlands Weg in den Völkerbund | Wintzer

Die Alliierten proklamierten im Vorspruch zum ter, als die pazifistischen Gruppierungen mit ihrer Kapitel V des Versailler Vertrags, dass die deutsche Forderung nach einem Völkerbundbeitritt nicht auf Abrüstung die Voraussetzung für den Beginn der eine breite Bewegung aufbauen konnten. allgemeinen Abrüstung schaffen sollte. In Artikel 8 Die Versuche der deutschen Völkerbundpolitik der Völkerbundsatzung konkretisierte sich diese zwischen den Jahren 1919 und 1921, den Völker- bund als Schiedsrichter in den Streitigkeiten mit den Alliierten über die Auslegung des Friedensvertrags und andere Streitfragen einzuschalten, scheiterten Die Reintegration der deutschen am französischen Widerstand. Wie sehr die deut- Demokratie in die Staatenwelt sollte durch sche Außenpolitik bis zur Teilungsentscheidung des Völkerbunds über Oberschlesien im Oktober 1921 einen ständigen Ratssitz erfolgen. an der Herstellung eines normalen Verhältnisses zu den Siegern gelegen war, belegt die Bereitschaft von Außenminister Walter Simons, die deutsche De­ mokratie auch unter Verzicht auf einen ständigen Ratssitz in den Völkerbund zu führen. Zu einer fun- Verpflichtung. Die Mitgliedstaaten bekannten sich damentalen Änderung seiner Deutschlandpolitik zu dem Grundsatz, dass die Aufrechterhaltung des war Frankreich aber weder im Jahr 1920 noch in Friedens eine Herabsetzung der nationalen Rüs- den drei Folgejahren bereit. Indes scheiterten die tungen auf das Mindestmaß erfordern würde, das ehrgeizigen Pläne zu einer Verschiebung des wirt- mit der nationalen Sicherheit und der Erfüllung in- schaftlichen Gefälles beider Staaten zugunsten Frank- ternationaler Verpflichtungen erforderlich sei. Diese reichs. Der militärische Einmarsch Frankreichs und Bestimmung der Satzung stand nach dem deutschen Belgiens in das Ruhrgebiet im Januar 1923 auf- Beitritt zum Völkerbund im Widerspruch zu Arti- grund der nicht erfolgten Lieferung von Kohle und kel 160 des Versailler Vertrags, wonach das deut- Telegrafenmasten hätte dem Völkerbund Gelegen- sche Heer ausschließlich zur Aufrechterhaltung der heit gegeben, diese Gefährdung des Friedens zu the- inneren Ordnung und zum Grenzschutz verwendet matisieren. Es gelang den Besatzern zwar trotz des werden durfte. Der Völkerbundrat sollte Abrüs- passiven Widerstands der Deutschen, die gewünsch- tungspläne aufstellen und den betreffenden Regie- ten Rohstoffe zu entnehmen. Der Gewaltakt wurde rungen zur Prüfung vorlegen. Frankreich verweiger- im Ausland kritisiert, unter anderem auch von den te unter Hinweis auf die aus seiner Sicht gegebene früheren Verbündeten Großbritannien und den USA. Untrennbarkeit von Sicherheit und Abrüstung eine Nachdem das Deutsche Reich nach einer Neurege- Reduktion seiner Streitkräfte. Solange Deutschland lung der Reparationsfrage durch den Dawes-Plan den Status quo in Europa nicht anerkennen wollte – sowie durch die Möglichkeit, fünf Jahre nach In- französische Politiker sprachen von der »moralischen krafttreten des Versailler Vertrags wieder Handels- Abrüstung« Deutschlands –, fühlte sich Frankreich verträge abzuschließen, an Verhandlungsmacht ge- nicht sicher. Gemäß dem Versailler Vertrag sollte wonnen hatte, wurde es für Frankreich dringlich, nach der erfolgten Abrüstung Deutschlands die nicht nur über, sondern auch mit Deutschland zu Tätigkeit der interalliierten Militärkontrollkom- verhandeln. mission beendet werden. Direkt daran anschließend Die vom deutschen Außenminister Gustav Strese- war der Völkerbund nach Artikel 213 des Versailler mann initiierten Verhandlungen über einen Sicher- Vertrags gehalten, die erfolgte Abrüstung zu über- heitspakt sollten das französische Sicherheitsinte­ prüfen. resse befriedigen. Das auf der Konferenz von Locarno im Oktober 1925 verabschiedete Vertragswerk be- inhaltete einen Sicherheitspakt zwischen Deutsch- Zusammenarbeit ohne Mitgliedschaft land und Frankreich mit Großbritannien und Italien als Garanten. Hatte Frankreich im Jahr 1923 noch Die politischen Beziehungen Deutschlands zum Völ- mit dem Austritt aus dem Völkerbund gedroht, kerbund wurden zunächst weitgehend vom Aus- falls ein deutsches Beitrittsgesuch erfolgreich sein wärtigen Amt bestimmt. Der Stellenwert der Völ- würde, so wurde der deutsche Völkerbundbeitritt kerbundpolitik als ein Bestandteil der deutschen nun die Voraussetzung für das Inkrafttreten des Außenpolitik war fast ausschließlich von der deut- Vertragswerks. Die Reintegration der deutschen De- schen Stellung im internationalen System, dessen mokratie in die Staatenwelt sollte durch Zuerken- Veränderungen und den Völkerbundpolitiken der nung eines ständigen Ratssitzes erfolgen. Die Rati- anderen Staaten abhängig. Die Diplomaten zeigten fikation der Verträge von Locarno erfolgte trotz sich von den Initiativen der Interessengruppen weit- Kritik der Parteien rechts und links der Mitte fast gehend unbeeindruckt. Dies fiel ihnen umso leich- mit einer Zweidrittelmehrheit. Die Ermächtigung

254 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Deutschlands Weg in den Völkerbund | Wintzer zum Völkerbundbeitritt wurde vom Reichstag mit infrage stellten. Wie würde sich Deutschland ver- 284 gegen 182 Stimmen angenommen.14 halten, wenn es sein wirtschaftliches und militäri- Die Detente zwischen den Großmächten wurde sches Potenzial entfalten könnte? Durch die im durch den griechisch-bulgarischen Konflikt auf Jahr 1929 beginnende Weltwirtschaftskrise ra- eine Probe gestellt. Die griechische Armee drang dikalisierten sich die europäischen Gesellschaf- am 19. Oktober 1925 auf bulgarisches Gebiet vor. ten. Der im Oktober 1933 von der Regierung unter Das militärisch wehrlose, weil wie Deutschland ab- Adolf Hitler vollzogene Austritt aus dem Völker- gerüstete, Bulgarien wandte sich hilfesuchend an bund beendete die Phase einer konstruktiven deut- den Völkerbund. Der Völkerbundrat konnte einen schen Mitgliedschaft. Waffenstillstand vermitteln. Der britische Außen- Der Völkerbund und sein Rechtsnachfolger, die minister Joseph Austen Chamberlain legte beson- Vereinten Nationen, waren Ergebnisse der beiden deren Wert darauf, dass sich auch die deutschen Weltkriege. Zwei Staaten haben in besonderer Gesandten in Athen und Sofia den Schritten des Völ- Weise zur Gründung des Völkerbunds beigetragen, kerbundrats anschlossen. Der französische Außen- ohne der Organisation anzugehören: Deutschland minister Aristide Briand hob nach Beilegung des und die USA. Die mit Deutschland Krieg führen- Konflikts ausdrücklich hervor, »dass die Atmos­ den Staaten begründeten den Völkerbund. Die ame- phäre von Locarno wesentlich dazu beigetragen rikanische Weigerung, Verantwortung für die neue habe«15, den Konflikt schnell beizulegen. Diese ra- Weltordnung zu übernehmen, schwächte die neue sche Konfliktbeilegung war ein Beispiel dafür, wie internationale Organisation. Die Zusammenarbeit der Völkerbund seinen Einfluss geltend machen der europäischen Mächte nach dem deutschen Bei- konnte, sofern sich die Großmächte einig waren. tritt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in den Europäischen Gemeinschaften (EG) unter anderen Vorzeichen weitergeführt. Deutschland im Völkerbund Das Deutsche Reich wurde schließlich auf der re- gulären Völkerbundversammlung am 10. Septem- ber 1926 in den Völkerbund aufgenommen. Der politischen Entspannung zwischen den Regierungen folgte die Entspannung auf der gesellschaftlichen Ebene. Deutsche Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler wurden wieder in internationale Ver- einigungen aufgenommen. Für die Deutschen be- English Abstract gann damit die eigentliche Nachkriegszeit erst Mitte Dr. Joachim Wintzer der 1920er Jahre. Germany's Path into the League of Nations pp. 250–255 In den Jahren 1926 bis 1929 funktionierte die Locarno-Diplomatie.16 Der regelmäßige Kontakt When the creation of a League of Nations was negotiated at the Versailles der Außenminister im Völkerbundrat ermöglichte Peace Conference in 1919, Germany remained excluded. Despite this es, das Vertrauen wieder aufzubauen. Deutsche exclusion, Germany became a co-founder of the League. The article und französische Diplomaten zeigten Verständnis outlines Germany’s relationship to the League of Nations from 1918 to für die jeweilige – auch innenpolitische – Lage der 1933, and analyzes different attitudes of the great powers towards a anderen Seite, was wiederum die Basis einer Ver- League as well as the German entry. After the Allies refused to admit ständigung war. Trotz dieser positiven Entwicklung Germany, the initial German enthusiasm for a League turned into aversion and rejection. The article scrutinizes the years of German involvement in kann aber nicht übersehen werden, dass die deut- the League after its entry and until Germany withdrew from the League in schen Erwartungen auf eine weitere Verbesserung the year 1933. der Lage durch den Abzug der Besatzungstruppen und eine Gleichberechtigung bei der Abrüstung Keywords: Deutsche UN-Politik, Weltkriege, USA, Völkerbund, Germany's UN beziehungsweise Rüstung auf das Niveau der an- Policy, League of Nations, USA, World Wars deren Großmächte die Machtbalance in Europa

14 Vgl. die Verhandlungen des Reichstags am 27.11.1925, S. 4668, www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w3_bsb00000072_00233.html 15 Vgl. das Schreiben des Botschafters Leopold von Hoesch (Paris) vom 31.10.1925 an das Auswärtige Amt; Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, R 97265. 16 Außenminister Stresemann fand in seinem Staatssekretär Carl von Schubert einen kongenialen Partner. Vgl. Peter Krüger, Carl von Schubert. Außenpolitiker aus Leidenschaft. Sein Beitrag zur internationalen Politik und europäischen Ordnung in der Ära der Weimarer Republik, Berlin 2017, S. 132–181.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 255 Das Scheitern von Joseph Avenol | Reinalda

Das Scheitern von Joseph Avenol Der Franzose Joseph Avenol war der zweite Generalsekretär des Völkerbunds. Allgemeinhin wird er dafür verantwortlich gemacht, dass der Völkerbund an politischer und moralischer Autorität verlor. Dem Bild einer Führungsperson an der Spitze einer internationalen Organisation entsprach er keineswegs.

internationalen Zusammenarbeit und die Erhal- Bob Reinalda, tung des Weltfriedens und der internationalen Si- geb. 1947, ist Wissenschaftlicher cherheit einsetzt. Mitarbeiter im Fachbereich Geboren wurde Joseph Avenol im Jahr 1879 in Öffentliche Verwaltung und der Nähe von Poitiers. Er wuchs in einer konserva- Politikwissenschaft der Radboud-Universität in tiven römisch-katholischen Familie auf, studierte Nijmegen, Niederlande. Rechtswissenschaften und Politikwissenschaft an der Universität von Paris und arbeitete später im [email protected] Finanzministerium. In den Jahren 1916 bis 1923 war Avenol als Beamter für Finanzfragen in der französischen Botschaft in London tätig und wuchs er internationale Finanzexperte und zwei­- zu einem internationalen Finanzexperten heran. In te Generalsekretär des Völkerbunds Joseph der Mitte des Ersten Weltkriegs, im Jahr 1916, en- Avenol (1933–1940) hat einen geradezu gagierte er sich als französischer Vertreter bei der Dschlechten Ruf.1 Zuweilen wird er als »eine be- Zusammenarbeit der Alliierten, etwa im Ernäh- schämende Figur in der Geschichte des Völker- rungsrat (Inter-Allied Food Council), der Kom- bunds«2 bezeichnet und eine über ihn verfasste Bio- mission für Wiederaufbau (Inter-Allied Commis­ grafie trägt den Titel ›Betrayal from Within‹ (Verrat sion for Reconstruction) und im Jahr 1919 im von Innen).3 Avenols »unbeirrtes Eintreten für die Ständigen obersten Wirtschaftsausschuss (Perma- britische und französische Beschwichtigungspolitik nent Committee of the Inter-Allied Supreme Eco- und […] seine Sympathien, die er für die Diktato- nomic Council). Nach dem Friedensvertrag von ren und deren rechtsextreme Politik hegte, […]«4 Versailles, aus dem der Völkerbund hervorging, ließen wenig Raum, um den Völkerbund in den begann Avenol in der Wirtschafts- und Finanzab- 1930er Jahren zu unterstützen. In aktuellen Studi- teilung des Völkerbunds zu arbeiten. Frankreich en wird er aus der Perspektive des ›faschistischen hatte ihn als Finanzexperten an verschiedene Or- ­ Internationalismus‹ diskutiert. Sein beruflicher te ins Ausland entsandt, unter anderem zu den Werdegang erfüllt nicht die Erwartungen, die an interna­tionalen Finanz- und Wirtschaftskonferen- Führungspersonen einer internationalen Organisa- zen des Völkerbunds nach Brüssel (1920) und Ge- tion gestellt werden, die sich für die Förderung der nua (1922).

1 Der Artikel basiert auf dem Eintrag zu Joseph Avenol von Bob Reinalda sowie den Einträgen zu Eric Drummond und Seán Lester von Karen Gram-Skjoldager und Michael Kennedy in ›IO BIO‹, dem biografischen Wörterbuch der Generalsekretäre internationaler Organisationen (hrsg. von Bob Reinalda/Kent Kille/Jaci Eisenberg). Die ›IO BIO‹-Einträge sind frei verfügbar unter www.ru.nl/fm/iobio 2 Mark Mazower, Governing the World: The History of an Idea, New York 2012, S. 192. 3 James Barros, Betrayal from Within: Josph Avenol, -General of the League of Nations, 1933–1940, New Haven 1969. 4 Arthur W. Rovine, The First Fifty Years: The Secretary-General in World Politics 1920–1970, Leiden 1970, S. 105.

256 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Das Scheitern von Joseph Avenol | Reinalda

Sein Vorgänger Eric Drummond Als Drummond im Jahr 1932 die Entscheidung traf, zurückzutreten, sorgte eine Vereinbarung, die Der Völkerbund war eine neue Institution, die im im Jahr 1919 zwischen Großbritannien und Frank- Hinblick auf die internationale Sicherheit berech- reich im Rahmen des Versailler Vertrags geschlos- tigt war, bei jeglicher Bedrohung des Friedens ein- sen wurde, dafür, dass ein Franzose seinen Platz zugreifen, Vereinbarungen zur friedlichen Beile- einnehmen würde. Frankreich präsentierte Avenol gung von Differenzen zu treffen und Sanktionen als Nachfolger. Dies versuchte Drummond zu ver- gegen diejenigen zu verhängen, die gegen diese Ver- hindern. Er war der Auffassung, dass Avenol nicht einbarungen verstießen.5 Eric Drummond, der ers- über die erforderlichen persönlichen Qualitäten für te Generalsekretär, favorisierte ein streng ›interna- diesen Posten verfügte. Zudem befürchtete er, dass tionales Sekretariat‹. Die Bediensteten waren keine unter den gegebenen politischen Voraussetzungen nationalen Vertreterinnen oder Vertreter, sondern Deutschland und Italien einen französischen Kan- internationale Beamte, die sich voll und ganz dem didaten ablehnen würden. Die Ernennung von Avenol Dienst des Völkerbunds widmen mussten. Die Ver- einten Nationen übernahmen dieses internationale Sekretariatsmodell im Jahr 1945. Drummond führ- te bürokratische Traditionen ein, wie er sie aus sei- Im Gegensatz zu den UN-Generalsekretären ner früheren Arbeit im Außenministerium in Lon- waren die Generalsekretäre des Völkerbunds don kannte. Den Großmächten in der internatio- keine Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. nalen Politik hatte er höchste Bedeutung beigemes- sen, lies jedoch den Direktorinnen und Direktoren der verschiedenen Abteilungen des Völkerbunds genügend Handlungsraum, so etwa in den Berei- chen Flüchtlinge (Fridtjof Nansen), Gesundheit war zwar umstritten, doch er wurde schließlich ein- (Ludwik Rajchman), Wirtschaft und Finanzen (Ar- stimmig zu Drummonds Nachfolger gewählt. Neu thur Salter) und Soziales (Rachel Crowdy). Drum- im Amt stellte Avenol das Sekretariat neu auf. Sein mond machte es zu seiner Priorität, Großmächte Plan, Macht zu zentralisieren, wurde von verschie- wie Deutschland, die dem Völkerbund bis zum denen Mitgliedstaaten abgelehnt. Am 9. Dezem- Jahr 1926 nicht angehörten, einzubeziehen.6 ber 1932 ratifizierte die Völkerbundversammlung Im Gegensatz zu den Generalsekretären der Avenols Beschluss und am 1. Juli 1933 wurde er Vereinten Nationen waren die Generalsekretäre für eine Amtszeit von zehn Jahren zum Generalse- des Völkerbunds keine Persönlichkeiten des öffent- kretär ernannt. lichen Lebens, obwohl der Völkerbund genauso über eine aktive und moderne Informationsabtei- lung verfügte, die umfangreich über die Aktivitä- Der Völkerbund unter Joseph Avenol ten des Bundes informierte. Drummond war ein diskreter Diplomat, der in Genf den Delegierten Avenol ernannte Drummonds britischen Kabi- und ihren Regierungen taktvoll und mit Respekt nettschef Frank Walters zum stellvertretenden Ge- gegenübertrat. neralsekretär und Direktor der politischen Abtei- Im Jahr 1922 hatte das französische Finanzmi- lung des Sekretariats. Walters war nun Avenols nisterium Avenol nach Genf geschickt, um die Fi- wichtigste Verbindung in der Kommunikation mit nanzen des Völkerbunds zu verwalten. Der stell- der britischen Regierung. Im Gegensatz zu seinem vertretende Generalsekretär trat Ende Vorgänger befasste sich Avenol weniger mit Ver- des Jahres 1922 zurück, um die Firma seines Va- waltungsangelegenheiten. Die von ihm eingeführ- ters in seiner Heimat Cognac zu retten. Abgelöst ten administrativen Änderungen innerhalb des wurde er im Februar 1923 von Avenol, obwohl die- Sekretariats jedoch fanden in Anlehnung an die ser über wenig politische Erfahrung verfügte. Ave- bürokratischen Verfahren Frankreichs statt, die eine nol war es nun, der den finanziellen Wiederaufbau stärkere Hierarchie aufwiesen als die britischen in der Nachkriegszeit in den Ländern Mitteleuro- Verfahren, wo es Führungskräften möglich war, pas wie Bulgarien, Estland, Griechenland, Öster- eigenständig zu handeln. Avenol schuf eine neue reich und Ungarn koordinierte. Seine Expertise im Hauptabteilung für Koordinierungszwecke, die sei- Finanzbereich war hoch angesehen. ner Kontrolle unterlag. Alle aus seiner Sicht zweit-

5 Siehe dazu auch den Beitrag von Matthias Schulz in diesem Heft. 6 Siehe dazu auch den Beitrag von Joachim Wintzer in diesem Heft.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 257 Das Scheitern von Joseph Avenol | Reinalda

rangigen Angelegenheiten gab er an seine Unter­ seine Mitgliedschaft aufzukündigen. Hinsichtlich gebenen weiter. Er selbst konzentrierte sich auf wich- der Flüchtlinge, die aus dem nationalsozialisti- tige politische und technische Angelegenheiten. schen Deutschland kamen, widersetzte sich Ave- Das Sekretariat beschäftigte zu dieser Zeit rund nol jeglichen Versuchen, den Völkerbund für zwi- 600 Personen, die in verschiedenen Bereichen tätig schenstaatliche Aktionen verantwortlich zu ma- waren. Im Jahr 1929 wurde beschlossen, alle Or- chen. Seine Reaktion auf die Annexion Österreichs gane des Völkerbunds – Rat, Versammlung und durch Deutschland im Jahr 1938 war lediglich ein das ständige Sekretariat – in einem Gebäude, dem bürokratischer Akt: Er strich Österreich von der Beitragsliste. Der deutsche Einmarsch in Polen und der Einmarsch der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Danzig, dem Mandatsgebiet des Hochkommis- Avenols Haltung schmälerte die Rolle des sars des Völkerbunds Carl Burckhardt, im Jahr Generalsekretärs und schwächte die Organisa- 1939 wurden in Genf ignoriert. Avenols Haltung schmälerte somit die Rolle des Generalsekretärs und tion als Bollwerk der kollektiven Sicherheit. schwächte die Organisation als Bollwerk der kol- lektiven Sicherheit. Infolge seiner verborgenen po- litischen Tätigkeit wurden die meisten dieser Hand- lungen der Öffentlichkeit damals vorenthalten. Der politische Einfluss des Völkerbunds ging Palast der Nationen (Palais des Nations), unterzu- zurück, Spanien gab im Jahr 1939 nach Francisco bringen. Mit Avenols andauernden Bemühungen Francos Sieg im Bürgerkrieg den Austritt aus dem konnte der Umzug in den politisch und finanziell Bund bekannt. Avenol jedoch war mit einer Initia- schwierigen Zeiten des Völkerbunds vollzogen wer- tive für wirtschaftliche und soziale Zusammenar- den. Schließlich zog der Völkerbund im Jahr 1936 beit erfolgreich. Im Mai 1939 richtete der Völker- in das neue Amtsgebäude, dem heutigen Büro der bundrat mit Unterstützung des US-Außenministers Vereinten Nationen in Genf (United Nations Of- Cordell Hull einen Reformausschuss ein. Geleitet fice at – UNOG). wurde dieser vom früheren Premierminister Aus­ Avenols Amtsantritt erfolgte vier Monate nach- traliens Stanley Bruce. Im August schlug der Aus- dem Japan seinen Austritt aus dem Völkerbund be- schuss ein Koordinierungsgremium für alle wirt- kannt gegeben hatte. Deutschlands Austritt folgte schaftlichen und sozialen Aktivitäten des Völker- fünf Monate später und Italien verließ den Bund bunds vor. Der Völkerbund setzte diesen Vorschlag vier Jahre nach Amtsantritt. Avenol hoffte stets auf zwar nicht um, er wurde aber später mit der Ein- eine Rückkehr dieser Staaten.7 Dies hatte zur Fol- richtung des Wirtschafts- und Sozialrats der Ver- ge, dass die Debatten bezüglich ihrer Aggressionen einten Nationen (Economic and Social Council – stark eingeschränkt wurden. Im Jahr 1933 zog Ave- ECOSOC) wieder aufgegriffen. Laut Barros ist der nol es vor, von politischen Maßnahmen des Völ- ›Bruce-Bericht‹ mit seinen Empfehlungen der Höhe- kerbunds in der Mandschurei abzusehen, die Japan punkt in Avenols Bestreben danach, »den Völker- im Jahr 1931 besetzte. Als Italien im Jahr 1935 in bund in eine Organisation für wirtschaftliche und Abessinien (Äthiopien) einmarschierte, versuchte soziale Zusammenarbeit umzuwandeln, während Avenol, die italienische Mitgliedschaft aufrecht- politische Aktivitäten entweder völlig gestrichen zuerhalten, indem er einige von Diktator Benito oder stark eingeschränkt wurden«8. Avenols be- Mussolinis Forderungen anerkannte. Hinter den fürchtete vor allem, dass die Sowjetunion diesen Kulissen arbeitete er also gegen die Sanktionen, die Plan behindern könnte. Als die Sowjetunion im der Völkerbund gegen Italien verhängt hatte. Es war November 1939 Finnland angriff, hielten der Rat überhaupt das erste Mal, dass eine internationale und die Versammlung des Völkerbunds außeror- Organisa­tion das Mittel der Sanktionen einsetzte. dentliche Sitzungen ab. Avenol war die treibende Nach der Flucht des äthiopischen Kaisers Haile Kraft hinter dem Ausschluss der Sowjetunion aus Selassie stattete Avenol Mussolini einen Besuch in dem Völkerbund am 14. Dezember desselben Jah- Rom ab, um Abessiniens Ausschluss aus dem Völ- res. Die Versammlung beauftragte das Sekretariat kerbund in die Wege zu leiten. Der Ausschluss damit, Finnland, das seinen Widerstand gegen die schlug jedoch fehl; Italien annektierte Abessinien Sowjetunion im März 1940 aufgab, mit Hilfsmaß- und Avenol konnte Italien nicht davon abhalten, nahmen zu unterstützen.

7 Barros, Betrayal from Within, a.a.O. (Anm. 3), S. 24, 30, 40, 105, 118, 147, 171 und 185. 8 Ebd., S. 196.

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Seán Lester als Nachfolger Als stellvertretender Generalsekretär war Lester bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahr Im Juni 1940 wurde der Völkerbund eingeladen, 1939 überwiegend im administrativen Bereich tä- seine wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten in tig. Er setzte sich vehement gegen Avenols Versu- den USA fortzusetzen. Der Umzug nach Princeton, che zur Wehr, ihm unliebsame Bedienstete zu ent- New Jersey, erfolgte im August. Veranlasst wurde lassen und den Völkerbund in eine Institution zu dieses Arrangement von Arthur Sweetser, Leiter verwandeln, die mit den Achsenmächten auf einer der Informationsabteilung, wobei Avenol gegen Linie war. Die beiden Männer sprachen nach Juni den Umzug war. Als der Plan schließlich umgesetzt 1940 selten miteinander, aber Lester war der Haupt- wurde, schickte Avenol, ohne es jemandem mitzu- akteur beim Widerstand des Sekretariats gegen teilen, einen Kurier des Völkerbunds mit zwanzig Avenols Pläne. Im Gegenzug versuchte Avenol, Umzugscontainern gefüllt mit persönlichen Gegen- Lester zum Rücktritt zu drängen. Lester widerstand ständen nach Frankreich. Als das nationalsozialis- allen Vorschlägen, Genf zu verlassen, und setzte tische Deutschland im Juni Paris besetzte, erklärte sich gemeinsam mit anderen für den Erhalt des Avenol gegenüber Untergeneralsekretär Thanassis Völkerbunds ein. Die Kriegszeit verbrachte er bis Aghnides: »Wir müssen Hand in Hand mit Hitler zum Jahr 1946 als letzter Generalsekretär des Völ- arbeiten, um die Einheit Europas zu erreichen und kerbunds in Genf, wobei er dessen nichtpolitische England aus Europa auszuschließen.«9 Nach dem technische Arbeit mit einem ausgedünnten Mitar- Waffenstillstand vom 22. Juni und den britischen beiterstab von etwa einhundert Personen fortsetzte. Angriffen auf die Marineeinheiten des französi- schen Vichy-Regimes in Nordafrika Anfang Juli begann Avenol, den größten Teil des Personals des Avenols Leben nach dem Völkerbund Völkerbunds, einschließlich aller britischen Be- diensteten, bis auf 100 Personen zu entlassen. Er Nach seinem Rücktritt verließ Avenol Genf und ging wandte sich an Marshall Philippe Pétain, dem nach Frankreich, wo er Vichy besuchte. Später ließ Staatsoberhaupt des Vichy-Regimes, um so seine er sich im Dorf Marin in der Haute-Savoie-Region Loyalität gegenüber der Regierung zu bekräftigen. nieder. Im Mai 1942 kehrte er schließlich mit ei- Vichys Forderung, der Völkerbund solle nicht von nem Memorandum nach Genf zurück. Darin argu- einem Franzosen als Generalsekretär geführt wer- mentierte er, dass die Zukunft Frankreichs in der den und Avenol müsse zurücktreten, ignorierte er. engen Zusammenarbeit mit Deutschland liege. Er Obwohl Avenols erster Impuls darin bestand, dem fand jedoch keine Unterstützung für seine sehr ver- nachzukommen, fiel es ihm schwer, seine Position und seinen vagen Plan für einen ›europäischen‹ Völkerbund aufzugeben. Am 25. Juli kündigte Avenol schließlich seinen Avenol begann, den größten Teil des Personals Rücktritt an. Diesen Beschluss fasste er, nachdem des Völkerbunds bis auf 100 Personen zu die Vichy-Regierung, vor allem der amtierende Rats- entlassen. präsident Adolfo Costa du Rels, erneut Druck auf ihn ausgeübt hatte. Der Entscheidung vorausge- gangen waren zudem ein Besuch bei Marshall Pétain am 21. August in Vichy, wochenlange inter- ne Reibereien in den Reihen des Völkerbunds sowie einfachte Sichtweise, die selbst für das Vichy- ein Versuch Avenols, den Bund aus finanziellen Grün- Regime nicht akzeptabel war. Die Regierung war den aufzulösen. Am 20. August verkündete Avenol davon überzeugt, dass Deutschland als Sieger aus die Ernennung des irischen stellvertretenden Gene- dem Krieg hervorgehen würde. Zurück in Frank- ralsekretärs Seán Lester zum amtierenden Gene- reich wurde Avenol vor einer bevorstehenden Ver- ralsekretär und Avenol trat schließlich am 31. Au- haftung durch die Deutschen gewarnt. Dies veran- gust 1940 von seinem Amt zurück. An der Zere- lasste ihn dazu, am 31. Dezember 1943 in die Schweiz monie zu Lesters Amtseinführung nahm Avenol zu reisen, wo ihm politisches Asyl gewährt wurde. nicht teil. Lester bemühte sich, das gering besetzte Im Jahr 1943 notierte Avenol seine Gedanken über Sekretariat sowie die Arbeit der anderen Völker­ die politische Situation Europas aus französischer bundsorgane aufrechtzuerhalten. Sicht. Zwischen März und August 1944 überarbei-

9 Ebd., S. 219.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 259 Das Scheitern von Joseph Avenol | Reinalda

tete er die Niederschrift und ergänzte diese um die higkeiten zu tun, sondern war vielmehr politisches Ereignisse, als Paris von den Alliierten befreit wur- Kalkül: »Avenol kam an die Macht, als der Völker- de. Trotz dieser Veröffentlichung blieb Avenol iso- bund zu zerfallen begann.«11 Während Drummond liert, er war geradezu ein Ausgestoßener. Nach dem ein ›politischer‹ Generalsekretär war, bemühte sich Krieg versuchten die Vereinten Nationen, Licht hin- Avenol ständig darum, den Völkerbund ›unpoli- ter die Ereignisse des Jahres 1940 zu bringen. Da- tisch‹ zu halten.12 Darüber hinaus war er kein be- bei zeigte sich Avenol nicht besonders kooperativ. sonders starker öffentlicher Redner und kaum in Vielmehr setzte er sich dafür ein, seine Beschwerde der Lage, positive Beziehungen zu Bediensteten, vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen, Vertretern anderer internationaler Organisationen um Rentenansprüche infolge seines Rücktritts ein- oder Delegierten aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz zufordern. Im Jahr 1952 starb Avenol im Alter von zum Führungsstil von beispielsweise Albert Thomas, 73 Jahren an einem Herzinfarkt. Bis zu seinem Tod dem Direktor der Internationalen Arbeitsorganisa- wohnte er in der Schweiz. tion (International Labour Organization – ILO), war sein Stil eher schwerfällig. Gegenwärtig beschäftigen sich Historikerinnen Bewertung von Avenols Rolle und Historiker sehr intensiv mit dem Völkerbund. Die weitverbreitete Auffassung, dass der Völker- Avenols Amtszeit als Generalsekretär des Völker- bund ein Misserfolg gewesen sei, stellen sie dabei bunds wird allgemein kritisch betrachtet. Raymond infrage. Vielmehr kommen aktuelle Studien zu Fosdick umschrieb Avenol als einen Mann mit ei- dem Schluss, dass der Völkerbund, im Hinblick auf ner eingeschränkten Sichtweise, der nicht in der die jeweiligen Bemühungen der Großmächte wie Lage war, den Völkerbund, der noch in seinen Kin- etwa Großbritannien und Frankreich, ihr Reich zu derschuhen steckte, kühn und innovativ zu füh- schützen, eher als eine neue Generation einer inter- ren.10 Seine Ernennung hatte wenig mit seinen Fä- nationalen Organisationen anzusehen sei.13 Der Internationalismus wird vielschichtig gesehen. An- gesichts des Aufkommens der faschistischen Strö- mung des Internationalismus, die eine liberale English Abstract Strömung nicht anerkennt, wird beispielsweise Bob Reinalda zwischen liberalem und faschistischem Internatio- 14 Joseph Avenol's Failure pp. 256–260 nalismus unterschieden. Marco Moraes vertritt etwa die Auffassung, dass Avenol nicht nur als ein The article describes the career of the Frenchmen Joseph Avenol as unfähiger internationaler Beamter angesehen wer- Secretary-General of the League of Nations (1933–1940). He became known den sollte. Vielmehr muss man seine Rolle und Per- as the figurehead who drained the League of its political and moral son als Teil eines »viel komplexeren und dunklen authority. During the 1920s, Avenol’s financial expertise was appreciated, Kapitels des Internationalismus« verstehen. Avenols but his leadership as Secretary-General was politically motivated, given his Politik als Generalsekretär des Völkerbunds er- growing appreciation of a new order in Europe promoted by Fascist Italy folgte im Einklang mit den Plänen, die sich die Fa- and National-Socialist Germany. His actions weakened the organization as schisten für internationale Organisationen ersan- a bulwark of collective security. His effort to turn the League into a pro-Axis nen. Moraes verdeutlicht damit die politischen Be- body was prevented by Séan Lester, who had been Acting Secretary-General weggründe von Avenols unscheinbarem Verhalten.15 between 1940 and 1946.

Keywords: Joseph Avenol, Eric Drummond, Frankreich, Sekretariat, Völker- bund, France, League of Nations, Secretariat Aus dem Englischen von Monique Lehmann

10 Raymond Fosdick, The League and the United Nations after Fifty Years: The Six Secretaries-General, Newton 1972. 11 Stephen M. Schwebel, Betrayal from Within: Joseph Avenol, Secretary-General of the League of Nations, 1933–1940 by James Barros, Book Review, American Journal of International Law, 65. Jg., 4/1971, S. 862. 12 Christopher Thorne, Betrayal from Within: Joseph Avenol, Secretary-General of the League of Nations, 1933–1940, James Barros, American Historical Review, 75. Jg., 6/1970, S. 1715. 13 See Mazower, Governing the World, a.a.O. (Anm 2). 14 Madeleine Herren, Fascist Internationalism, in: Glenda Sluga/Patricia Clavin (Eds.), Internationalisms: A Twentieth-Century History, Cambridge 2017, S. 191–212. 15 Marco Moraes, Multiple Internationalisms at the League of Nations Secretariat, 1933–1940, 29.10.2018, Invention of International Bureaucracy Project of Aarhus University, projects.au.dk/inventingbureaucracy/blog/show/artikel/multiple-internationalisms-at-the-league-of-nations- secretariat-1933-1940/

260 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Standpunkt | Kurtz

Prävention braucht politische Führung Dr. Gerrit Kurtz, geb. 1985, ist Research Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP). Angesichts eines Untersuchungsberichts zum Verhalten der Vereinten Nationen in Myanmar fordert er größeren Mut auf Seiten des UN-Führungspersonals bei der Prävention von Krieg und Gewalt.

Kollektives und systemisches Versagen – das war Die gröbste Fehlleistung passierte jedoch nicht die Schlussfolgerung eines unabhängigen Berichts, in Rangun, sondern in New York. Die Uneinigkeit, der im Auftrag von Generalsekretär António Gu- wann öffentliche Kritik und wann private Diplo- terres das Verhalten der Vereinten Nationen in Be- matie angezeigt sei, setzte sich auf der Leitungs- zug auf die staatliche Diskriminierung, Vertreibung ebene zwischen dem UN-Entwicklungsprogramm und Ermordung tausender Rohingya in Myanmar (United Nations Development Programm – UNDP), im Zeitraum von 2010 bis 2018 untersuchte. Der dem Sonderberater für Myanmar und dem stellver- Autor des Berichts, Gert Rosenthal, identifizierte tretenden Generalsekretär fort. In seinem Bericht fünf Hauptkritikpunkte: mangelhafte Unterstüt- stellt Rosenthal fest, dass Ban zu keinem Zeitpunkt FOTO: DGAP zung der UN durch die Mitgliedstaaten, keine ge- diesen Konflikt entschied. Doch wie sollen UN- meinsame Strategie des UN-Systems, schwache Ko- Bedienstete unter strenger Beobachtung der Gast- ordinationsmechanismen, ein dysfunktionales UN- regierung offen Menschenrechtsverletzungen kriti- Landesteam mit einer überforderten Residierenden sieren, wenn ihr oberster Chef keine klare Linie Koordinatorin sowie widersprüchliche Kommuni- vorgibt? kationskanäle zwischen Myanmar und New York. Zunehmender Nationalismus, Autokratie und Rosenthals Befund ist umso bemerkenswerter, Souveränitätsdenken erschweren es den UN, Men- da das kritisierte Verhalten in die Zeit eines wich- schenrechte im Gleichklang mit Entwicklung und Wie sollen tigen Reformvorhabens des damaligen UN-Gene- Sicherheit zu verfolgen. Prävention kann jedoch nur Bedienstete ralsekretärs Ban Ki-moon fällt. Die ›Human Rights ganzheitlich gelingen. Ohne kohärente Unterstüt- up Front‹-Initiative (HRUF) war Bans Konsequenz zung der Mitgliedstaaten ist es für die UN schwie- der Vereinten aus einem ähnlichen Untersuchungsbericht zum rig, Einfluss auf Regime wie in Myanmar zu neh- Nationen Verhalten des UN-Systems während des Bürger- men. Umso wichtiger ist es, sich beständig Gedan- Menschen- kriegsendes in Sri Lanka in den Jahren 2008 und ken über mögliche Hebel zu machen. Dazu braucht rechtsverlet- 2009. Bestandteile der Initiative waren zum einen es Mut, Gestaltungswillen und Konsistenz. organisatorische Maßnahmen für eine besser abge- Indem er die Konfliktprävention zur wichtigsten zungen stimmte Analyse und Zusammenarbeit zwischen Aufgabe seiner Amtszeit gemacht hat, hat Guterres kriti­sieren, den UN-Einheiten. Zum anderen sollte die HRUF Führungsfähigkeit bewiesen. Doch muss er erstens wenn ihr einen Wandel der UN-Organisationskultur herbei- dafür sorgen, dass die Menschenrechtsmechanis- führen sowie die Mitgliedstaaten in die Pflicht neh- men besser mit der Agenda 2030 und der Friedens- Chef keine men. Belegt der Rosenthal-Bericht nun ein Schei- arbeit vernetzt werden. Zweitens muss er dafür klare Linie tern dieser Reformanstrengungen? sorgen, dass die Residierenden Koordinatorinnen vorgibt? Diese Schlussfolgerung wäre zu kurz gegriffen. und Koordinatoren das passende Profil zur Situation Innerhalb des UN-Landesteams in Myanmar gab im Land haben und im Zweifel ausgetauscht wer- es widerstreitende Vorstellungen davon, welche den. Dank der Reform des UN-Entwicklungssys- Prioritäten die UN-Organisationen verfolgen soll- tems hat Guterres einen direkten Draht zu diesen ten, um die Situation der Rohingya zu verbessern. wichtigen Schaltstellen. Schließlich sollten die UN- Humanitärer Zugang und Unterstützung des demo- Mitgliedstaaten die Aufarbeitung seitens des UN- kratischen Übergangsprozesses wurden eine höhere Systems zum Anlass nehmen, ihr eigenes Verhalten Priorität als die öffentliche Kritik an Menschen- in Situationen staatlicher Diskriminierung kritisch rechtsverletzungen beigemessen. zu untersuchen – nicht nur in Myanmar.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 261 Deutschlands Finanzbeiträge zum UN-System zwischen 2008 und 2018 | Hüfner · Patz

Deutschlands Finanzbeiträge zum UN-System zwischen 2008 und 2018 Deutschland ist in den Jahren 2008 bis 2018 zu den größten Beitragszahlern im UN-System aufgestiegen. Nach dem Jahr 2015 erhöhte die Bundesregierung insbesondere die freiwilligen Leistungen im Bereich der humanitären Hilfe beträchtlich. Ein kritischer Blick auf die deutschen Beiträge zeigt jedoch, dass dieses Engagement nur von kurzer Dauer sein könnte.

Wo steht Deutschland heute? Prof. Dr. Klaus Hüfner, geb. 1939, ist Mitglied im Die Bundesregierung veröffentlichte ähnliche Zah- DGVN-Präsidium, Ehren- len in Euro:1 Waren es im Jahr 2015 noch etwa präsident des Weltverbands der Gesellschaften für die Vereinten 1,75 Milliarden Euro, stieg die Gesamtsumme in Nationen (WFUNA) und den Jahren 2016 und 2017 schon auf 3,3 Milliar- Senior Research Fellow beim den beziehungsweise 3,4 Milliarden Euro.2 Dies Global Policy Forum. bedeutet eine nominelle Verdoppelung innerhalb von nur zwei Jahren. Nach den Berechnungen der [email protected] Dag-Hammarskjöld-Stiftung bedeutet dies den Aufstieg auf Platz zwei der Geberstaaten, hinter den USA, aber vor Großbritannien und Japan.3 Dr. Ronny Patz, geb. 1983, ist Wissenschaftlicher Einerseits spricht das für die gewachsene Rolle Mitarbeiter am Geschwister- der Bundesrepublik Deutschland im System der Scholl-Institut für Politikwissen- Vereinten Nationen insgesamt. Andererseits verrät schaft der Ludwig-Maximilians- eine genauere Analyse der Zahlen in den Abbildun- Universität München. gen 1 und 2 sowie in der Tabelle 1, dass dieser Auf- [email protected] stieg nach dem Jahr 2015 im Kern eine Reaktion auf die nationale und internationale Politisierung von Flucht und Migration ist. Ein Großteil der zu- eutschland ist in den vergangenen Jahren zu sätzlichen Finanzbeiträge ist am ehesten dem Be- einem der größten Beitragszahler des Ver- reich der Minderung der Fluchtursachen zuzurech- bands der Vereinten Nationen aufgestiegen. nen. Der Anstieg speist sich daher überwiegend aus DAbbildung 1 zeigt deutlich, in welchem Umfang die dem Bereich der humanitären Hilfe, beispielsweise Gesamtbeiträge in den Jahren 2008 bis 2018 ange- für das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der stiegen sind. Dieser Anstieg ist vor allem auf frei- Vereinten Nationen (Office of the United Nations willige Beitragsleistungen zurückzuführen. Wäh- High Commissioner for Refugees – UNHCR), das rend die Gesamtbeiträge von 1,353 auf 3,198 Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Milliarden US-Dollar stiegen, fand bei den freiwil- Nations Children’s Fund – UNICEF), das Hilfs- ligen Beiträgen ein Anstieg von 388 Millionen auf werk der Vereinten Nationen für Palästinaflücht- 2,579 Milliarden US-Dollar statt. linge im Nahen Osten (United Nations Relief and

1 Auswärtiges Amt (Hrsg.), Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2016 und 2017, Berlin, Oktober 2018, S. 101–108. 2 Die Zahlen der Bundesregierung sind in Euro. Zur besseren internationalen Vergleichbarkeit sind die Beiträge in den Abbildungen und Tabellen in US-Dollar. Unterschiede in der Gesamtsumme ergeben sich aus dem Fokus auf ausgewählte Sonderprogramme und -fonds. 3 Amanda Shendruk, A Simple Guide to Exactly how the United Nations Is Funded, Quartz, 24.9.2019, qz.com/1712054/who-funds-the-united-nations/

262 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Deutschlands Finanzbeiträge zum UN-System zwischen 2008 und 2018 | Hüfner · Patz

Works Agency for Palestine Refugees in the Near Abbildung 1: East – UNRWA) und das Welternährungsprogramm Pflichtbeiträge und freiwillige Beiträge Deutschlands an das ( – WFP) sowie der Ent- UN-System in den Jahren 2008 bis 2018 in Millionen US-Dollar wicklungshilfe, etwa das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Develop- 3500 ment Programme – UNDP). Diese Aufstockungen spiegeln sich auch in der deutlichen Verbesserung 3000 der Geberposition Deutschlands im betrachteten Zeitraum bei diesen Organisationen wider (Tabel- 2500 le 2). Hinzu kommt zuletzt noch das verstärkte freiwillige finanzielle Engagement Deutschlands 2000 bei der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO). 1500 Die gewachsene finanzielle Bedeutung der deut- schen Beiträge ist für das UN-System grundsätz- 1000 lich zu begrüßen. Zu untersuchen ist jedoch, unter welchen Rahmenbedingungen die freiwilligen Bei- 500 tragsleistungen erfolgen. Bei stabilen Pflichtbeiträ- gen und wachsenden freiwilligen Beiträgen stellt 0 sich die Frage, inwieweit Deutschland tatsächlich 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 ein ›guter‹ Geldgeber im Rahmen eines regelorien- Freiwillige Beiträge UN-Sonderorganisationen tierten Multilateralismus ist, denn auch bei freiwil- Freiwillige Beiträge (ausgewählte) UN-Sonderprogramme und -fonds ligen Beiträgen gibt es Unterschiede: Pflichtbeiträge Friedensmissionen Freiwillige Beitragsleistungen können zum ei- Pflichtbeiträge Sonderorganisationen (WHO, UNESCO etc.) nen ohne jede Zweckbindung erfolgen. Dann han- Pflichtbeiträge UN-Haushalt delt es sich um sogenannte Kernbeiträge, die in die Haushalte der UN-Institutionen fließen. Über de- Quelle: Zahlenangaben gemäß Tabelle 1. ren Verwendung entscheiden deren Plenarorgane, das heißt die Gesamtheit der Mitglieder oder zu- mindest Exekutivgremien. Anders ist die Situation bei freiwilligen Beitragsleistungen, die zweckge- bunden erfolgen, sogenannte Nicht-Kernbeiträge. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammen- arbeit und Entwicklung (OECD) hat seit Mitte der Abbildung 2: 1990er Jahre, das Bundesministerium für wirt- Freiwillige Leistungen an ausgewählte Sonderprogramme schaftliche Zusammenarbeit (BMZ) seit dem Jahr und -fonds in den Jahren 2008 bis 2018 in Millionen US-Dollar 2005, diese freiwilligen Beiträge als bilaterale Bei- träge eingestuft, obwohl sie an multilaterale Insti- 2500 tutionen fließen.

2000 Ist Deutschland ein ›guter‹ multilateraler Geldgeber? 1500

Die ordentlichen Haushalte der UN-Organisatio- 1000 nen, die durch Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten finanziert werden, sind mit Ausnahme der UN- 500 Friedensmissionen in den letzten Jahren weitge- hend stabil geblieben. Sie wurden, wenn überhaupt, nur an die Inflation angepasst (reales Nullwachs- 0 tum), aber nicht signifikant erhöht. Daher sind die 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Pflichtbeiträge Deutschlands nominell ebenfalls WFP UNICEF UNDP UNHCR UNRWA kaum gestiegen (siehe Tabelle 1, Spalte 1). Im or- dentlichen UN-Haushalt hat sich Deutschlands Quelle: Klaus Hüfner: Mehr Verantwortung übernehmen? Das finanzielle Engage- Pflichtanteil durch den Aufstieg Chinas in den Jah- ment Deutschlands in den Vereinten Nationen, in: Thomas Fitschen et al., Heraus- ren 2008 bis 2018 schrittweise von 8,577 auf forderungen für die gegenwärtige deutsche UN-Politik, 14. Potsdamer UNO- 6,389 Prozent verringert. Erfreulich zu beobachten Konferenz am 30.6.2018, Potsdam 2019, S. 84, Tabelle 2 sowie eigene Ergänzungen.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 263 Deutschlands Finanzbeiträge zum UN-System zwischen 2008 und 2018 | Hüfner · Patz

Tabelle 1: Leistungen Deutschlands an das UN-System in den Jahren 2008 bis 2018

Jahr UN-Haushalt UN-Friedens- UN-Sonder- Pflicht- Ausgewählte UN-Sonder- Freiwillige Gesamt- operationen organisationen beiträge UN-Sonder- organisationen Beiträge beiträge insgesamt programme insgesamt und -fonds 2018 155,30 297,23 165,92 618,45 2.369,21 210,00* 2.579,21 3.197,66 2017 161,15 406,13 168,66 735,94 2.294,08 148,90 2.442,98 3.178,92 2016 158,50 645,82 168,61 972,93 1.877,00 112,58 1.989,58 2.962,51 2015 193,78 420,22 174,88 788,88 1.006,36 49,71 1.056,07 1.844,95 2014 182,24 469,16 181,19 832,59 945,15 85,28 1.030,43 1.863,02 2013 181,97 703,81 207,92 1.093,70 688,05 82,07 770,12 1.863,82 2012 189,48 308,31 207,01 704,80 568,39 46,34 614,73 1.319,53 2011 188,32 631,33 210,48 1.030,13 466,85 55,57 522,42 1.552,55 2010 169,55 739,75 213,91 1.123,21 378,78 54,38 433,16 1.556,37 2009 208,96 433,16 202,60 844,72 389,60 60,82 450,42 1.295,14 2008 156,87 607,45 200,62 964,94 336,75 51,52 388,27 1.353,21

Quellen: United Nations, General Assembly, Budgetary and Financial Situation of the Organizations of the , Note by the Secretary- General, New York, 1994ff.; für das Jahr 2018 eigene Erhebungen. *UN-Sonderorganisationen für das Jahr 2018 nur Schätzwert.

ist, dass die Bundesrepublik ihren Pflichtbeitrag moral einiger Mitgliedstaaten in einer schweren nicht mehr in zwei Raten im Januar und Juni, son- Liquiditätskrise stecken, sind große Geldgeber wie dern seit dem Jahr 2017 bereits in vollem Umfang Deutschland wichtige Stützen der UN, wenn sie Anfang des Jahres »zeitnah und vollständig« be- rechtzeitig ihre Beiträge zahlen. zahlt, wie es die Haushaltsordnung der Vereinten Bei weitgehend stabilen Pflichtbeiträgen ergibt Nationen vorschreibt. In Zeiten, in denen die Ver- sich Deutschlands gewachsener finanzieller Beitrag einten Nationen wegen der schlechten Zahlungs- an das System der Vereinten Nationen daher fast ausschließlich aus freiwilligen Beiträgen. Deren Anteil ist seit dem Jahr 2008, mit Ausnahme des Jahres 2013, stetig angestiegen, von 21 auf zuletzt Tabelle 2: 81 Prozent (siehe Abbildung 3). Der Mittelzuwachs Geberposition Deutschlands im Vergleich (›Top 10‹), für das UN-System bleibt daher nur so lange gesi- ausgewählte UN-Fonds und -Programme chert, wie es im Bundestag und der Bundesregie- in den Jahren 2008 bis 2018 rung den politischen Willen und im Bundeshaus- halt die notwendigen Mittel gibt. Jahr UNDP UNHCR UNICEF UNRWA WFP Wie bereits in Abbildung 2 angedeutet, verteilen sich die freiwilligen Beiträge ungleichmäßig auf die 2018 1 2 3 1 2 verschiedenen Organisationen im UN-System und 2017 1 2 3 2 2 zeigen damit Deutschlands Prioritäten über die 2016 3 2 3 3 2 vergangenen Jahre auf. Auffällig sind vor allem die 2015 6 4 3 4 3 gestiegenen Beiträge an ausgewählte Sonderfonds 2014 7 4 4 4 4 und -programme wie UNDP, UNHCR, UNICEF, 2013 8 5 8 5 5 UNRWA und WFP. Auch die Unterstützung an den Zentralen Fonds für die Reaktion auf Not- 2012 7 7 9 5 5 situationen (Central Emergency Response Fund – 2011 9 9 >10 8 4 CERF) von 55,9 Millionen US-Dollar im Jahr 2010 8 8 >10 10 5 2016 auf 109,6 Millionen US-Dollar im Jahr 2018 2009 9 6 >10 >10 5 hat sich in kurzer Zeit verdoppelt.4 Das heißt, al- 2008 10 8 >10 8 10 lein die Leistungen an diese humanitären und Ent- wicklungshilfe-Organisationen machten ungefähr Quellen: Klaus Hüfner, Mehr Verantwortung übernehmen. Zum deutschen Finanz- drei Viertel der gesamten deutschen Beiträge an Engagement in den Vereinten Nationen 1991–2013, Berlin 2015, S. 148 sowie eigene das UN-System im Jahr 2017 aus. Seit dem Jahr Aktualisierungen. tragen mit Achim Steiner als Leiter des UNDP und

264 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Deutschlands Finanzbeiträge zum UN-System zwischen 2008 und 2018 | Hüfner · Patz

Ursula Müller als stellvertretende Leiterin des Am- Abbildung 3: tes für die Koordinierung humanitärer Angelegen- Verhältnis Pflichtbeiträge zu freiwilligen Beitragsleistungen heiten (Office for the Coordination of Humanita­ Deutschlands an das UN-System in den Jahren 2008 bis 2018 rian Affairs – OCHA) deutsche Spitzenbeamte (in Prozent) leitende Verantwortung in Bereichen, in denen die

Mittel besonders erhöht wurden. 100 Allerdings bedeutet diese signifikante Erhö- hung der freiwilligen Beiträge nicht, dass Deutsch- land auch zu einem ›guten‹ multilateralen Geld­ 80 geber geworden ist. Anders als die freiwilligen Zahlungen von Staaten wie Schweden und die 60 Niederlande, wo die nicht-zweckgebundenen An- teile 44 beziehungsweise 42 Prozent ausmachen, sind Deutschlands Mittel mit 91 Prozent überwie- 40 gend zweckgebunden. Damit haben sie insgesamt sogar einen größeren Anteil als die der USA mit 86 Prozent (siehe Tabelle 3). Die Mittel sind dabei 20 häufig bis auf die Projektebene zweckgebunden. Die Bundesregierung zahlte also in den vergan- 0 genen Jahren verstärkt in das multilaterale System 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 der Vereinten Nationen ein, entzieht aber ihre Mit- tel zum allergrößten Teil den multilateralen Ent- Freiwillige Beitragsleistungen Pflichtbeiträge scheidungsmechanismen der UN. Auf den ersten Blick mag das die politische Kontrolle über die Ver- Quelle: Berechnung auf Grundlage von Tabelle 1. ausgabung der Mittel zwar erhöhen, aber Deutsch- lands zersplitterte Zahlungspraxis geht letztlich auch national auf Kosten der Transparenz und damit auf Kosten der demokratischen Kontrolle durch den Deutschen Bundestag. Der Großteil der Beiträge an das UN-System Tabelle 3: kam in den Jahren 2016 und 2017 aus dem Aus- Anteile der Kernbeiträge der zehn Mitgliedstaaten wärtigen Amt mit insgesamt knapp 4,2 Milliarden im Entwicklungsausschuss (DAC) der OECD mit den Euro, gefolgt vom BMZ mit knapp zwei Milliar- höchsten Beiträgen für operative Aktivitäten den Euro und dem Umweltministerium mit etwa im Jahr 2017 130 Millionen Euro, aber auch aus einer ganzen Reihe anderer Ministerien.5 Wenn über 90 Prozent Rang Staat Anteil in Prozent der freiwilligen Mittel zweckgebunden vergeben 1. Schweden 44 werden, bedeutet dies, dass in den Bundesministe- 2. Niederlande 42 rien, den deutschen Botschaften und den Vertre- tungen der Deutschen Gesellschaft für Internatio- 3. Schweiz 41 nale Zusammenarbeit (GIZ) oder der Kreditanstalt 4. Dänemark 37 für Wiederaufbau (KfW) jedes Jahr tausende Ein- 5. Norwegen 31 zelentscheidungen über die Mittelvergabe an die 6. Japan 28 unterschiedlichen Organisationen der Vereinten 7. Kanada 27 Nationen fallen. Der Bericht der Bundesregierung schlüsselt aber nicht auf, welches Ministerium in 8. Großbritannien 22 welcher Höhe und zu welchem Zweck für welchen 9. USA 14 Staat finanzielle Mittel vergibt oder technische 10. Deutschland 9 Hilfe über das UN-System leistet. Die deutschen Mittelflüsse an das System der Vereinten Natio- Quelle: Dag Hammarskjöld Foundation, Financing the UN Development System: nen sind also für den Bundestag oder die Öffent- Time for Hard Choices, Uppsala, August 2019, Abbildung 25, S. 45.

4 CERF, Contributions by Donor, cerf.un.org/our-donors/contributions-by-donor 5 Auswärtiges Amt (Hrsg.), Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2016 und 2017, Berlin, Oktober 2018, S. 107.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 265 Deutschlands Finanzbeiträge zum UN-System zwischen 2008 und 2018 | Hüfner · Patz

lichkeit im Detail kaum nachzuvollziehen. Die ver- werden, die Pflichtbeiträge in den Teilen des UN- steckten Verwaltungskosten dieser Mikrosteuerung Systems freiwillig zu erhöhen, die sich an der Bei- sind sowohl auf deutscher wie auch auf UN-Seite tragsskala der Vereinten Nationen orientieren. vermutlich enorm; eine politische Prioritätenset- Das bedeutet, auch gegen den Widerstand einzel- zung ist nicht erkennbar. ner großer Beitragszahler für politische Verände- rungen in der Finanzierungslandschaft zu sorgen, statt sich mit zweckgebundenen freiwilligen Mit- Vorschläge zum künftigen deutschen teln ›freizukaufen‹. Dies würde auch eine Verlage- Finanzengagement rung der Entscheidungskompetenzen in die multi- lateralen Gremien der einzelnen UN-Organisatio- Die Bundesrepublik Deutschland ist in den letzten nen bedeuten, statt einer nationalen Mikrosteue- Jahren ein sehr großer, aber mitnichten ein ›guter‹ rung durch zweckgebundene Mittel. Geldgeber in einem regeloriertierten Multilate­ Selbst wenn eine allgemeine Erhöhung von ralismus geworden. Zwar bleibt zu erwarten, dass Pflichtbeiträgen in Einzelorganisationen mangels Deutschland noch ein paar Jahre lang freiwillig so Konsenses nicht möglich ist, kann die Bundesregie- intensiv in das UN-System einzahlen wird, wie es rung mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie zum gegenwärtig der Fall ist. Sollte aber die politische Beispiel ihren Pflichtanteil am ordentlichen UN- Bedeutung von Flucht und Migration zugunsten Haushalt freiwillig um einen Prozentsatz erhöht. anderer Prioritäten plötzlich an Gewicht verlieren Grundsätzlich sollte die Bundesregierung den Vor- oder sollten die Haushaltsmittel in einem wirt- schlag des UN-Generalsekretärs mittelfristig um- schaftlichen Abschwung wieder knapper werden, setzen, bei den freiwilligen Beitragsleistungen den ist das Risiko sehr hoch, dass Deutschland seine Anteil der Kernbeiträge auf mindestens 30 Prozent Mittel ebenso schnell wieder kürzen wird, wie sie zu erhöhen. Darüber hinaus sollte die Bundesregie- innerhalb kurzer Zeit erhöht worden sind. Insbe- rung bei den freiwilligen Beitragsleistungen mehr- sondere der große Teil der zweckgebundenen Bei- jährige Verpflichtungen eingehen, um die Planung träge würde dann schneller als erwartet aus- und Durchführung von Programmen und Projek- laufen. ten sicherzustellen. Wenn es Deutschland also ernst damit meint, Denn wenn mit der Formulierung der Ziele für den Multilateralismus auch langfristig finanziell nachhaltige Entwicklung (Sustainable Develop- stützen zu wollen, ist es jetzt an der Zeit, poli­ ment Goals – SDGs) langfristige Pläne im Mittel- tisches Kapital dafür einzusetzen und die Pflicht- punkt stehen, dann bedarf es auch Finanzmittel, beiträge im gesamten UN-System »zeitnah und voll- die ebenso langfristig orientiert sind. Auf natio- ständig« entsprechend der jeweiligen Haushalts- naler Ebene bedeutet das, dass die deutsche Poli- ordnung zu zahlen. Darüber hinaus sollte erwogen tik zum Beispiel über die Anpassung von Haus- haltsordnungen nachdenken muss, um von klein- teiliger, zweckgebundener Finanzierung auf neue multilaterale Finanzierungsmechanismen umstei- gen zu können. English Abstract Wichtig ist bei allen Lösungen, dass dabei nicht nur auf die Perspektive der großen Geldgeber ge- Prof. Dr. Klaus Hüfner · Dr. Ronny Patz achtet wird, sondern auch die politischen Prioritä- Germany's Financial Contributions to the UN System ten des globalen Südens einbezogen werden – ein from 2008 to 2018 pp. 262–266 Kernelement klassischer Haushaltsverfahren im From 2008 to 2018, Germany became one of the largest contributors System der Vereinten Nationen. to the United Nations system. Since 2015, its voluntary contributions have increased significantly, but additional funds are directed almost exclusively to humanitarian agencies (e.g. WFP, UNHCR, UNICEF and UNRWA) and UNDP. Germany’s increasing engagement is mainly a response to the refugee and migration policy in recent years, and is thus politically fragile. A large share of German contributions is also tightly earmarked, under- mining multilateral decision-making. It will depend on political will whether Germany can evolve from being not only a large donor, but also one that supports increased core funding to the UN system.

Keywords: Deutsche UN-Politik, Entwicklungsfinanzierung, Haushalt/ Verwaltung, Multilateralismus, UNDP, Budget/Administration, Development Finance, Germany's UN policy, Multilateralism

266 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Den digitalen Wandel nachhaltig gestalten | Fritzsche Den digitalen Wandel nachhaltig gestalten Die Digitalisierung wird zunehmend nicht mehr nur als Chance, sondern auch als Risiko für eine nachhaltige Entwicklung und die Überwindung globaler Ungleichheiten wahrgenommen. Die Verein- ten Nationen können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Risiken und Herausforderungen zu iden- tifizieren und anzugehen.

mations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Kerstin Fritzsche, Immer drängender stellt sich daher die Frage, wie geb. 1982, ist Senior Research die Digitalisierung zum Wohle und Nutzen aller Associate am Institut für heute lebenden Menschen und zukünftigen Gene- transformative Nachhaltigkeits- rationen gestaltet werden kann. forschung (IASS) in Potsdam.

[email protected] Was heißt nachhaltige Digitalisierung?

So leicht diese Frage gestellt ist, so schwer ist sie zu er Diskurs um die Digitalisierung wird über- beantworten. Drei Aspekte sind dafür ausschlag- wiegend chancenorientiert geführt.1 Globale gebend: Zum einen gibt es nicht ›die eine‹ Digitali- Vernetzung und Zugang zu Informationen, sierung oder ›den einen‹ digitalen Wandel. Vielmehr Dso eine Annahme, werden inklusives wirtschaftli- stehen diese Begriffe für eine Vielzahl komplexer ches Wachstum und soziale Entwicklung weltweit Wandlungsprozesse, die mit der weltweit zuneh- befördern. Gleichzeitig können Produktion und menden Bedeutung verschiedener digitaler Tech- Konsum mit Hilfe digitaler Technologien von Res- nologien und Infrastrukturen in immer mehr Le- sourcenverbrauch und dem Ausstoß klimaschäd­ bens- und Wirtschaftsbereichen zusammenhängen. licher Gase entkoppelt werden, was nachhaltigere Zweitens muss eine nachhaltige Gestaltung der Wirtschaftsweisen ermöglicht. Jedoch wird der Digitalisierung auf unterschiedlichen, wenngleich Blick auf das Internet und die Möglichkeiten der eng miteinander verwobenen Ebenen ansetzen, um Digitalisierung zunehmend auch von Skepsis ge- potenzielle negative Effekte zu minimieren und po- prägt.2 Diese speist sich zum einen daraus, dass viele der erwarteten positiven Effekte der Digitali- sierung nicht oder nur zum Vorteil weniger Akteure eingetreten sind. Die »digitale Dividende«, so stell- Immer drängender stellt sich die Frage, te die Weltbank im Weltentwicklungsbericht des wie die Digitalisierung zum Wohle Jahres 2016 fest, ist hochgradig ungleich verteilt.3 aller Menschen gestaltet werden kann. Zudem sind in den vergangenen Jahren die Risiken sowie negative und nicht beabsichtigte Folgen der Digitalisierung immer deutlicher zum Vorschein ge- treten, sei es die Beeinflussung gesellschaftlicher Diskurse durch gefälschte Nachrichten und Hass- sitive zu stärken. Solche Effekte entstehen beispiels- kommentare im Netz, die Vormachtstellung eini- weise im Zusammenhang mit der Produktion, Nut- ger weniger Konzerne in der globalen Digitalöko- zung und Entsorgung beziehungsweise Wieder- nomie, die Verletzung von Freiheitsrechten durch verwertung von digitalen Technologien, aber auch staatliche Überwachung und Kontrolle im Internet durch die Art und Weise sowie den Zweck ihres oder der hohe ökologische Fußabdruck von Infor- Einsatzes. Ein weiteres zentrales Gestaltungsfeld

1 André Reichel, Nachhaltige Digitalisierung, digitale Nachhaltigkeit?, in: Holger Rogall et al. (Hrsg.), Im Brennpunkt: Zukunft des nachhaltigen Wirtschaftens in der digitalen Welt (Jahrbuch Nachhaltige Ökonomie, Bd. 6, 2018/2019), Marburg 2018, S. 87–100, hier S. 87f. 2 Roxana Radu, Negotiating Internet Governance, Oxford 2019, S. 196. 3 World Bank, World Development Report 2016: Digital Dividends, Washington, D.C., 2016.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 267 Den digitalen Wandel nachhaltig gestalten | Fritzsche

sind schließlich die Rahmenbedingungen und Fak- wicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) toren, die die Ausbildung systemischer Risiken4 ein solches gemeinsames, wenngleich in manchen und struktureller Veränderungen durch den Ein- Aspekten widersprüchliches Verständnis gegeben. satz digitaler Technologien beeinflussen. Bestre- Es bildet einen wichtigen Referenzrahmen für die bungen zur Regulierung und Normensetzung er- Aktivitäten und Initiativen der UN im Bereich neuer zeugen aufgrund dieser Komplexität immer wieder IKT und der Digitalisierung. So rief beispielsweise Widersprüche und Zielkonflikte. Drittens sind Kon- im Jahr 2010 die Internationale Fernmeldeunion zepte wie nachhaltige Entwicklung und Nachhal- (International Telecommunication Union – ITU) tigkeit, mit denen der Gestaltung und Prioritäten- gemeinsam mit der Organisation der Vereinten setzung auf diesen unterschiedlichen Ebenen eine Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur normative Richtung gegeben werden soll, selbst (United Nations Educational, Scientific and Cultu- nicht klar definiert und werden sehr unterschiedlich ral Organization – UNESCO) eine Breitband-Kom- ausgelegt.5 Dies erschwert ihre eindeutige Operati- mission für digitale Entwicklung ins Leben, um onalisierung und damit auch ihre Umsetzung. Um den Ausbau von Breitbandnetzen in Entwicklungs- für Akteure handlungsleitend zu wirken, braucht ländern und unterversorgten Regionen zu fördern. es einen Konsens über ein gemeinsames Begriffs- Im Zuge der Agenda 2030 wurde die Kommission verständnis von Nachhaltigkeit und klare Angaben, als Breitband-Kommission für nachhaltige Ent- wie diese erreicht werden soll. wicklung neu aufgelegt.6 Das Beispiel zeigt auch, dass IKT und Digitali- sierung kein neues Thema für die UN sind. Beson- Aktivitäten der Vereinten Nationen ders seit den 2000er Jahren haben zahlreiche UN- Organisationen eine umfassende Expertise zu spe- Die Vereinten Nationen haben sich mit der Agen­- zifischen, ihrem Mandat entsprechenden internet- da 2030 und den 17 Zielen für nachhaltige Ent- und digitalpolitischen Themen aufgebaut und wich- tige Impulse zu den jeweiligen Debatten gegeben. Diese Entwicklung ist unter anderem auf die Ar- beit der im Jahr 2006 ins Leben gerufenen Gruppe der UN für die Informationsgesellschaft (United Nations Group on the Information Society – UN- GIS) zurückzuführen.7 UNGIS ist mit der Aufgabe betraut, Koordination und Kohärenz der IKT-be- zogenen Aktivitäten und Programme relevanter UN-Einrichtungen zu stärken und damit die Um- setzung international vereinbarter Entwicklungs- ziele zu unterstützen.8 Dies betrifft vor allem die Ziele des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (World Summit on the Information Society – WSIS) aus den Jahren 2003 und 2005 wie auch die SDGs. In den letzten Jahren haben IKT und Digitalisie- rung im Kontext der SDGs innerhalb der UN spür- bar an Bedeutung gewonnen. So schafft das UN- System zunehmend spezielle Experimentier- und Entwicklungsräume für digitale Anwendungen und Technologien, die eine nachhaltige Entwicklung un- terstützen sollen. Ein Beispiel dafür sind die im Ein Mädchen im Flüchtlingslager Dzaleka in Malawi wird im Rahmen eines bereits im Einklang mit der IKT-Strategie der UN ins Leben Jahr 2013 durchgeführten Programms zur Entwicklung eines globalen biometrischen gerufenen Technologie-Innovationslabore (United Systems für das UNHCR einem Iris-Scan unterzogen. FOTO: UNHCR/T.GHELLI Nations Technology Innovation Labs – UNTIL) in

4 Pia-Johanna Schweizer, Systemic Risks – Concepts and Challenges for Risk Governance, Journal of Risk Research, 40. Jg., 3859/2019, S. 1–16. 5 Paul Johnston et al., Reclaiming the Definition of Sustainability, Environmental Science and Pollution Research, 14. Jg., 1/2007, S. 60–66. 6 Breitband-Kommission für nachhaltige Entwicklung, broadbandcommission.org/about/Pages/default.aspx 7 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Unsere gemeinsame digitale Zukunft, Berlin 2019, hier S. 334. 8 UNGIS Input to the United Nations High Level Political Forum (HLPF) 2019, Sustainable Development Goal 17: Strengthen the Means of Implementation and Revitalize the Global Partnership for Sustainable Development; verfügbar unter www.ungis.org/Portals/0/documents/ HLPF2019/UNGIS-HLPF2019Input.pdf

268 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Den digitalen Wandel nachhaltig gestalten | Fritzsche

Afrika, Asien und Europa.9 In den Laboren sollen auch von UN-Organisationen die Schattenseiten in enger Zusammenarbeit mit privatwirtschaftli- des Einsatzes biometrischer und digitaler Techno- chen Akteuren drängende Probleme mit Hilfe von logien in der humanitären Hilfe umfassend disku- Technologien wie künstlicher Intelligenz (KI), Block- tiert werden.14 Weiterhin merkten internationale chain10, einer elektronischen, dezentral verwalteten Fachleute an, dass – oft entgegen anderslautender Datenbank, und dem Internet der Dinge angegan- Ankündigungen – Blockchain-Projekte im Bereich gen werden. Sobald sie einsatzfähig sind, sollen die- der Entwicklungszusammenarbeit in vielen Fällen se Anwendungen und Technologien allen UN-Mit- wenig transparent über ihre Ergebnisse, Rück- gliedstaaten zur Verfügung gestellt werden. Im Juli schläge und die Gründe für Erfolg oder Scheitern 2019 hat zudem das Entwicklungsprogramm der Auskunft geben.15 Dies erschwere gemeinsames UN (United Nations Development Programme – Lernen und den Aufbau einer Wissensbasis darü- UNDP) 60 ›Accelerator Labs‹ gestartet, die mit lo- ber, welchen tatsächlichen Nutzen die Verwendung kalen Unternehmen sowie Entwicklerinnen und von Blockchains in der internationalen Zusam- Entwicklern zusammenarbeiten, um »neue Lösun- gen für globale Herausforderungen wie Klimawan- del und steigende Ungleichheit zu testen und zu ska- lieren«11. Auch entwickeln und erproben eine Viel- Beispiele aus der internationalen Zusammen- zahl von UN-Organisationen zur Unterstützung ih- arbeit offenbaren, wie schwierig eine nachhaltige rer Arbeit eigene Anwendungen für KI12, Block- Gestaltung digitaler Lösungen sein kann. chains, Drohnen und andere digitale Technologien. Bei all diesen Beispielen steht die Lösung eines kon- kreten Nachhaltigkeitsproblems im Vordergrund.

menarbeit bringen könne. Ein Beispiel für die Ver- Herausforderungen wendung einer Blockchain im Kontext der UN ist die ›Building Blocks‹-Initiative des Welternäh- Verschiedene Beispiele aus der internationalen Zu- rungsprogramms (World Food Programm – WFP), sammenarbeit offenbaren jedoch, wie schwierig eine die diese Technologie für die Verteilung von Hilfs- nachhaltige Gestaltung solcher digitaler Lösungen leistungen nutzt.16 Laut eigenen Angaben des WFPs sein kann. Kritik zog beispielsweise die Erstellung erhöht eine Blockchain die Effizienz, Transparenz digitaler Identitäten für Flüchtlinge in Verbindung und Sicherheit von Bargeldhilfen und verleiht den mit der Verwendung biometrischer Daten, beson- betroffenen Menschen mehr Autonomie über die ders Iris-Scans, durch das Hochkommissariat der Verwendung der Leistungen. Doch haben sich bisher Vereinten Nationen für Flüchtlinge (United Na- nur wenige andere UN-Organisationen als Partner tions High Commissioner for Refugees – UNHCR) für eine gemeinschaftliche Nutzung der Blockchains auf sich. Angemahnt wurde unter anderem, dass gefunden. Damit wird der Vorzug dieser Techno- derartige Technologien an besonders vulnerablen logie gegenüber einer konventionellen Datenbank Bevölkerungsgruppen erprobt würden und mögli- fraglich, zumal bestimmte Eigenschaften der che Risiken nur unzureichend berücksichtigt wer- Blockchain-Technologie, wie etwa die Unabän- den, die durch die Nutzung von Biometrie für diese derlichkeit der darin gespeicherten Informationen, Menschen entstehen könnten.13 Dabei sei aller- durchaus auch mit Nachteilen für die Nutzerinnen dings erwähnt, dass bereits seit mehreren Jahren und Nutzer behaftet sein kann.17

9 UNTIL, until.un.org 10 Für Blockchain besteht bisher keine einheitliche Definition. Siehe dazu: Vincent Schlatt et al., Blockchain: Grundlagen, Anwendungen und Potenziale, Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik, Bayreuth 2016. 11 UNDP, 21st Century Development: 60 Accelerator Labs Aim to ›Future Proof‹ Progress, www.undp.org/content/undp/en/home/news-centre/ news/2019/60_Accelerator_Labs_Aim_to_Future_Proof_Progress.html 12 Christian Djeffal, Künstliche Intelligenz nachhaltig entwickeln, Vereinte Nationen (VN), 5/2019, S. 207–212. 13 Katja L. Jacobsen, Experimentation in Humanitarian Locations. UNHCR and Biometric Registration of Afghan Refugees, Security Dialogue, 46. Jg., 2/2015, S. 144–164. 14 Anja Kaspersen/Charlotte Lindsey-Curtet, The Digital Transformation of the Humanitarian Sector, Humanitarian Law & Policy, 5.12.2016, blogs.icrc.org/law-and-policy/2016/12/05/digital-transformation-humanitarian-sector/ 15 John Burg/Christine Murphy/Jean P. Pétraud, Blockchain for International Development: Using a Learning Agenda to Address Knowledge Gaps, MERL Tech 2018, siehe: merltech.org/blockchain-for-international-development-using-a-learning-agenda-to-address-knowledge-gaps/ 16 Siehe WFP, Blockchain for Zero Hunger, innovation.wfp.org/project/building-blocks 17 Mirca Madianou, The Biometric Assemblage. Surveillance, Experimentation, Profit, and the Measuring of Refugee Bodies, Television & New Media, 20. Jg., 6/2019, S. 581–599.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 269 Den digitalen Wandel nachhaltig gestalten | Fritzsche

Darüber hinaus werden ökologische Kriterien lung in digitalen Wertschöpfungsketten führe. Soll- für eine nachhaltige Gestaltung von digitalen ten diese nicht-nachhaltigen Entwicklungspfade Technologien und Anwendungen im Kontext der und Strukturen der globalen Digitalökonomie bei- Entwicklungszusammenarbeit oftmals vernachläs- behalten werden, so würde sich die Kluft zwischen sigt. Dass in Bezug auf die Umweltauswirkungen den »hyper-digitalisierten« und »unter-vernetzten« der IKT generell noch ein blinder Fleck besteht, Ländern weiter vertiefen und bestehende Ungleich- zeigt sich zum Beispiel an den Prinzipien für digitale heiten verstärkt werden.21 Entwicklung18, die auch von zahlreichen UN-Or- ganisationen unterstützt werden. Diese geben Richt- linien vor, um nutzerzentrierte, kontextspezifische Eine Charta für nachhaltige digitale Entwicklung?

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Komple- Das bisherige System der Internet Governance xität internet- und digitalpolitischer Fragestellun- stößt an seine Grenzen. gen intensiviert sich zudem der Eindruck, dass das bisherige System der Internet Governance an seine Grenzen stößt.22 Im Juli 2018 hatte daher UN- Generalsekretär António Guterres die Hochrangi- ge Gruppe für digitale Zusammenarbeit ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe war es, Vorschläge zu entwi- und schließlich auch nachhaltigere digitale Lösun- ckeln, wie die Zusammenarbeit zwischen Regie- gen in der internationalen Zusammenarbeit zu ent- rungen, Privatsektor, Zivilgesellschaft, internatio- wickeln. Ökologische Aspekte, wie etwa Stromver- nalen Organisationen, Wissenschaft, technischer brauch, ressourceneffizientes Design und Anpas- Fachgemeinschaft und weiteren relevanten Akteu- sungs- und Reparaturfähigkeit sowie Strategien ren gestärkt werden könne, um mit dem Ausmaß, für eine Wiederverwertung oder sachgemäße Ent- der hohen Geschwindigkeit und den potenziellen sorgung der entwickelten Technologien werden da- unerwünschten Folgen des digitalen Wandels bes- bei jedoch nicht ausdrücklich angesprochen. ser zurechtzukommen.23 Der im Juni 2019 verab- Allerdings geraten zunehmend die Bedingungen, schiedete Bericht der Hochrangigen Gruppe prä- unter denen Digitalisierung Ungleichheiten und sentiert drei Modelle für eine zukünftige internatio- nicht-nachhaltige Entwicklungen hervorbringt oder nale Kooperationsstruktur im »Zeitalter der digi- verstärkt, sowie ihre systemischen Risiken in den talen Verflechtung«24. Diese greifen Elemente der Fokus verschiedener UN-Organisationen. So wid- bestehenden globalen Internet Governance auf und met sich die UNESCO unter dem Eindruck der stei- entwickeln diese weiter, um deren Schwächen zu genden Bedeutung und vielseitigen Anwendbarkeit beheben. So sollen zukünftige Governance-Modelle von KI der Frage, wie diese ethisch gestaltet wer- inklusiver sein, die Einbindung der unterschiedli- den kann und was Menschsein vor dem Hinter- chen Akteursgruppen sicherstellen, agiler auf neue grund disruptiver Technologien in Zukunft bedeu- Entwicklungen reagieren können, zu greifbareren Er- ten wird.19 Die Konferenz der Vereinten Nationen gebnissen führen und diese besser nachverfolgen. für Handel und Entwicklung (United Nations Con- Doch ist fraglich, ob eine nachhaltigere Gestal- ference on Trade and Development – UNCTAD) tung der Digitalisierung allein durch eine Neu- wiederum begleitet kritisch die Entwicklung der strukturierung der globalen Internet Governance globalen Digitalökonomie. In ihrem im September zu erreichen sein wird. Das mit »Unsere gemeinsa- 2019 veröffentlichten Bericht zur digitalen Wirt- me digitale Zukunft« betitelte Hauptgutachten des schaft20 stellte sie die überragende Dominanz von Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung IT-Unternehmen aus China und den USA fest, die Globale Umweltveränderungen (WBGU) gibt dar- zu Abhängigkeiten und ungleicher Chancenvertei- auf eine klare Antwort und unterstreicht die Not-

18 Principles for Digital Development, digitalprinciples.org/ 19 UNESCO, en.unesco.org/artificial-intelligence 20 UNCTAD, Digital Economy Report 2019, Value Creation and Capture: Implications for Developing Countries, New York 2019. 21 Ebd., S. 148f. 22 Julia Pohle, Verliert das Internet Governance Forum an Bedeutung?, VN, 5/2019, S. 201–206. 23 United Nations, Secretary-General’s High-level Panel on Digital Cooperation 2018, www.un.org/en/digital-cooperation-panel/ 24 High-level Panel on Digital Cooperation, The Age of Digital Interdependence. Report of the UN Secretary-General’s High-level Panel on Digital Cooperation 2019.

270 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Den digitalen Wandel nachhaltig gestalten | Fritzsche wendigkeit, auf Ebene der internationalen Staaten- klimakonferenzen einzubringen und es während gemeinschaft eine »gemeinsame Vorstellung für eine der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten nachhaltige, digital unterstützte Zukunft zu entwi- Halbjahr 2020 auf die europäische Agenda zu set- ckeln und sich auf gemeinsame Leitkonzepte, Prin- zen.28 Um die Debatte um Digitalisierung und zipien und regulatorische Rahmenbedingungen zu Nachhaltigkeit international zu stärken, sollte es verständigen«25. Dafür schlägt der WBGU neben Deutschland ein Hauptanliegen sein, über die be- weiteren Maßnahmen vor, im Jahr 2022 – 30 Jahre reits bestehenden Diskurse zu Digitalisierung als nach der Konferenz der UN über Umwelt und Ent- Frage zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit und Digi- wicklung in Rio de Janeiro – einen UN-Gipfel zum talisierung als Werkzeug für nachhaltige Entwick- Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit durch- lung hinauszugehen. Wie der WBGU anmahnt, zuführen. Als zentrales Ergebnis soll der Gipfel eine sollten die systemischen Risiken der Digitalisierung Charta der internationalen Staatengemeinschaft für Deutschland und die Weltgemeinschaft ver- verabschieden. Diese soll Ziele und Grundsätze für stärkt in den Fokus gerückt werden. Diese im Aus- die Gestaltung der Digitalisierung nennen, die Ver- tausch mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Wis- meidung von Systemrisiken des digitalen Wandels senschaft und Zivilgesellschaft besser zu verstehen festschreiben und Elemente für eine nachhaltige und Politikansätze und Leitbilder für eine nachhal- Politikgestaltung im digitalen Zeitalter aufzeigen.26 tige Digitalisierung zu entwickeln, ist auf nationa- Der Verweis auf die systemischen Risiken der Digi- ler und internationaler Ebene eine Hauptaufgabe talisierung ist dabei zentral. Sie zu identifizieren, für die nächsten Jahre. Deutschland, als wichtiger kritisch zu diskutieren und gemeinsam mit einer Akteur der internationalen Zusammenarbeit, sollte Vielzahl an Akteuren Ansätze zu erarbeiten, um sich darüber hinaus besonders für die Entwick- systemische Risiken zu minimieren, ist eine wichti- lung von Rahmenbedingungen für eine global ge- ge Zukunftsaufgabe der UN. rechte Digitalwirtschaft engagieren. Gemeinsam mit seinen Partnern in den Ländern des Globalen Südens sollte Deutschland neue Wege für eine faire Impulse für Deutschland Teilhabe an den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Digitalisierung identifizieren und sich in den ent- In Deutschland hat sich in den letzten Jahren ein sprechenden internationalen Foren dafür einset- lebhafter von Wissenschaft und Zivilgesellschaft zen, diese zu beschreiten. getragener Diskurs um Nachhaltigkeitsaspekte di- gitaler Technologien entwickelt. Neben ökonomi- schen und sozialen Fragestellungen werden dabei insbesondere ökologische Herausforderungen der Digitalisierung in den Fokus gerückt. Diese Ent- English Abstract wicklung zeigt sich unter anderem in einer wach- Kerstin Fritzsche senden Forschungslandschaft zu Themen von Digi- Steering Digital Change Towards Sustainability pp. 267–271 talisierung und Nachhaltigkeit und in Veranstal- tungen, wie der Konferenz ›Bits und Bäume‹27 im The Sustainable Development Goals (SDGs) provide an important frame of November 2018. Diese hatte zum Ziel, die bislang reference for the many organizations of the United Nations that utilize oftmals rein technisch geführte Debatte um Digi- digital technologies, such as big data, blockchain, and artificial intelligence talisierung stärker mit Fragen einer nachhaltigen in their work. However, UN organizations increasingly deal with the und lebenswerten Zukunft zu verbinden. structural effects and systemic risks of digital technologies as the challen- ges they bear become more and more evident. Such a systemic approach Diesen normativen Diskurs auf die europäische to digital change should be strengthened within the UN to anticipate and Ebene und die der UN zu tragen, steckt bisher noch better react to the current trajectories and unseen consequences of in den Kinderschuhen. Wichtige Impulse dafür hat digitalization that could create and deepen inequalities and unsustainable das Hauptgutachten des WBGU gesetzt. Auf der development pathways. Internet-Konferenz ›re:publica‹ im Mai 2019 kün- digte das Bundesumweltministerium (BMU) zudem Keywords: Digitalisierung, Entwicklungsziele, Deutschland, Digitalization, in einem Eckpunktepapier an, das Thema Nach- Germany, Sustainable Development Goals haltigkeit und Digitalisierung stärker in die Welt-

25 Ebd., hier S. 399. 26 WBGU, Unsere gemeinsame digitale Zukunft, Berlin 2019, hier S. 397. 27 Konferenz Bits und Bäume, bits-und-baeume.org/de 28 Das Eckpunktepapier ›Umwelt in die Algorithmen! Eckpunkte für eine umweltpolitische Digitalagenda des BMU‹ ist online verfügbar unter: www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nachhaltige_Entwicklung/eckpunktepapier_digitalisierung_bf.pdf

VEREINTE NATIONEN 6/2019 271 Aus dem Bereich der Vereinten Nationen | Allgemeines

Aus dem Bereich der Vereinten Nationen

Allgemeines schaft Deutschlands zu einer größeren Übernahme von Verantwortung spiegele Generalversammlung | 72. Tagung 2017/2018 sich in der Kandidatur um einen nicht- n Unterbindung von Menschenhandel ständigen Sitz im Sicherheitsrat wider (vgl. Rede Gabriel, VN, 5/2017, S. 231f.). n Steuerung von Migration und Flüchtlingen Der russische Außenminister Sergej n Kampf gegen den Klimawandel Lawrow kam ohne Umschweife auf die Einmischung in die inneren Angelegen- heiten souveräner Staaten zu sprechen m 12. September 2017 wurde am gen der anstehenden Herausforderungen und stellte erfreut fest, dass der US-Prä- UN-Amtssitz in New York die von atomarer Unsicherheit und Terroris- sident ebenfalls am Prinzip der Souverä- 72. Ordentliche Tagung der Ge- mus über Klimawandel und Diskrimi- nität festhalte. Die »bedenkenlose NATO- Aneralversammlung eröffnet. Ihr neuer nierung bis hin zu Migration und Cyber- Erweiterung gen Osten« geißelte er als Präsident Miroslav Lajčák, vormals Au- sicherheit. Wurzel des Konflikts in der Südost- ßenminister und stellvertretender Minis- Bei den Reden aller teilnehmenden Ukraine. Anders als sein deutscher Kol- terpräsident der Slowakei, gab das dies- Staats- und Regierungsoberhäupter wur- lege griff er das Thema Klimawandel jährige Motto bekannt: »Der Mensch de dem amerikanischen Präsidenten auf wie auch den Syrienkonflikt. im Mittelpunkt: Streben nach Frieden Donald Trump besondere Aufmerksam- Der Hauptteil der 72. Tagung mit 76 und einem menschenwürdigen Leben für keit zuteil, der zum ersten Mal vor dem Sitzungen schloss am 24. Dezember 2017. alle auf einem nachhaltigen Planeten«. Gremium sprach und gleich zu Beginn Der zweite Teil folgte mit der ersten Sit- Neben den großen Themen Agenda 2030 »starke, unabhängige und freie Natio- zung am 26. Januar 2018 mit weiteren für nachhaltige Entwicklung (Agenda nen« als Fundament der Weltordnung 39 Sitzungen und endete am 17. Septem- 2030) und Klimaschutz standen unter an- kennzeichnete. Nordkorea drohte er mit ber 2018. In diesem Zeitraum wurden derem Technologie und Innovation, Ge- vollständiger Zerstörung, würde dessen 308 Resolutionen und 320 Beschlüsse schlechtergerechtigkeit und menschliche Führer, von Trump als »Raketenmann verabschiedet. Am 3. Oktober 2017 wur- Entwicklung auf der Agenda. In seiner auf Selbstmord-Mission« tituliert, seine de der Bericht des Generalsekretärs über Eröffnungsrede stellte Lajčák fest, dass atomaren Ambitionen nicht fallenlassen. die Aktivitäten der UN angenommen der Fokus insbesondere beim schwieri- Der »korrupte Schurkenstaat« Iran wer- (A/72/1; vgl. Henrike Landré, VN, gen Migrationsthema auf den Menschen de geführt von einem »mörderischen Re- 5/2017, S. 226). liegen müsse und man sich kein Schei- gime«. Das internationale Atomabkom- tern leisten könne. men bezeichnete er als »Beschämung« für Amerika; ein erstes Anzeichen für seine Menschenhandel Aufkündigung des Vertrags im Folgejahr. Generaldebatte Der deutsche Außenminister Sigmar In ihrer ersten Resolution verabschiedete Gabriel verurteilte nationalen Egoismus die Generalversammlung am 27. Sep- Vom 19. bis zum 25. September 2017 gemäß dem Motto »Unser Land zuerst« – tember 2017 eine Erklärung zur Umset- fand die Generaldebatte statt. Erstmalig eine deutliche Ansage an US-Präsident zung des Weltaktionsplans zur Bekämp- ergriff der neue Generalsekretär António Trump. Auf die »nuklearen Provoka- fung des Menschenhandels (72/1). Men- Guterres das Wort. Er bekräftige den tionen« Nordkoreas hin müssten »klare schenhandel in all seinen Ausprägungen Fokus der Generalversammlung auf die Signale« gesendet werden. Speziell das verurteilend, werden die maßgeblichen nachhaltige Entwicklung der Mensch- Atomabkommen mit Iran wollte Gabriel Ursachen, Übereinkünfte, Maßnahmen heit und spannte den thematischen Bo- nicht infrage gestellt wissen. Die Bereit- und Akteure wie das Büro der Vereinten

272 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Aus dem Bereich der Vereinten Nationen | Allgemeines

Nationen für Drogen- und Verbrechens- Strafrechtliche Verantwortung wurde beschlossen, eine Tagung auf ho- bekämpfung (United Nations Office on her Ebene über allgemeine Gesundheits- Drugs and Crime – UNODC) in Wien Große Bedeutung maß die Generalver- versorgung abzuhalten. benannt. Flüchtlinge und Migranten – sammlung weiterhin der Frage zu, wie Die Generalversammlung würdigte insbesondere Frauen und Kinder – seien kriminelle Tätigkeiten von Seiten der am 19. Dezember 2017 die zahlreichen stärker dem Risiko ausgesetzt, Opfer von UN-Mitarbeiterinnen und -Mitarbei- globalen und regionalen Initiativen, Menschenhandel und Zwangsarbeit zu ter – einschließlich Sachverständiger, Konferenzen und Gipfeltreffen zur Stär- werden. Vonnöten seien etwa Prävention die im Auftrag der Organisation han- kung der internationalen Solidarität mit mittels Aufklärung und Sensibilisierung, deln – strafrechtlich geahndet werden Flüchtlingen, die im Jahr 2017 initiiert eine verbesserte Datenlage und ein ver- können. In Resolution 72/112 ergeht die wurden (72/150). Der Hohe Kommissar stärkter Informationsaustausch. Aufforderung an den Generalsekretär, für Menschenrechte möge berichten, in- die bestehende Nulltoleranzpolitik gegen- wiefern sich die Zusammenarbeit bei der über sexueller Ausbeutung und sexuel- Messung der Auswirkungen der Aufnah- Abrüstung lem Missbrauch, Betrug und Korruption me von Flüchtlingen, des Flüchtlings- organisationsweit zu kommunizieren. schutzes und der Flüchtlingshilfe ver- Beim Thema Abrüstung, zu dem am Diese Politik gelte es fortan »kohärent bessern ließe. Ziel sei eine »ausgewo- 4. Dezember 2017 ganze 24 Resolutio- und koordiniert« umzusetzen; die Mit- genere, berechenbarere und nachhalti- nen verabschiedet wurden, herrschte wie gliedstaaten müssten stärker den an sie gere Lasten- und Verantwortungsteilung«. in den Vorjahren wenig Einigkeit. Wäh- verwiesenen Vorwürfen nachgehen. Insgesamt 23 detailliert aufgeschlüs- rend die meisten Staaten gegen ein Wett- selte Ziele mitsamt Maßnahmen zur rüsten im Weltraum stimmten (72/26) Umsetzung, Weiterverfolgung und Über- beziehungsweise sich gegen die Erststa- Terrorismusbekämpfung prüfung enthält der im Juli 2018 ent- tionierung von Waffen im Weltraum aus- standene Entwurf des Ergebnisdokuments sprachen (72/27) – außer Israel und die In Resolution 72/123 vom 7. Dezember ›Globaler Pakt für eine sichere, geordnete USA –, erwiesen sich die Resolutionen, 2017 wird die Initiative des Generalse- und reguläre Migration‹ (A/CONF.231/3), die das Ziel einer kernwaffenfreien Welt kretärs gewürdigt, alle Stellen innerhalb der in Marrakesch im Dezember 2018 verfolgen, als weiterhin kontrovers. Un- der Organisation, die sich mit diesem offiziell angenommen werden soll ter den jeweils über 30 Nein-Stimmen Thema beschäftigen, in das im Juni 2017 (72/244). Der Pakt sei ein »rechtlich gehörte auch Deutschland. In Resolu- neu geschaffene UN-Büro für Terroris- nicht bindender Kooperationsrahmen«, tion 72/31 werden die Mitgliedstaaten, musbekämpfung (UN Office of Coun- auf den die Verpflichtungen der New die den Vertrag über das Verbot von ter-Terrorism – UNOCT) zu überfüh- Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Kernwaffen vom 7. Juli 2017 noch nicht ren. Es sei dringend erforderlich, die Migranten aufbauen. unterzeichnet haben, dazu aufgerufen, Zusammenarbeit wie auch die Umset- dieses baldmöglichst nachzuholen. zungsbemühungen der weltweiten Stra- tegie zur Terrorismusbekämpfung auf al- Wirtschaft und Entwicklung len Ebenen – international, national, Frieden und Sicherheit regional und subregional – zu verstärken. In Resolution 72/128 wird der Klima- wandel als »eine der Triebkräfte des Bei der Bewertung der Situation in Katastrophenrisikos« identifiziert, der Afghanistan deckte die Generalversamm­ Sozialfragen Menschen zur Flucht bewegt und be- lung am 24. November 2017 (72/10) sonders die Entwicklungsländer trifft. alle primären Handlungsfelder der Or- Dass globale Gesundheit in all ihren Neben der Ressource Wasser werden ganisation ab. Trotz der vielfältigen Be- thematischen Facetten, etwa HIV/Aids, auch Wälder als wichtiges Element in mühungen der Europäischen Union (EU), Tuberkulose, Cholera, sexuelle und re- der Katastrophenvorsorge benannt. der UN, der USA und der afghanischen produktive Gesundheit, ein zentrales au- Alle Beteiligten sollen verstärkt in den Regierung muss sie ein anhaltend hohes ßenpolitisches Wirkungsfeld darstellt, vier Prio­ritätsbereichen des Sendai-Rah- Maß an Gewalt feststellen. Beklagt wer- bestätigte die Generalversammlung ein- mens für Katastrophenvorsorge 2015– den die knapp 100 Todesopfer infolge mal mehr in Resolution 72/139. Adres- 2030 zusammenarbeiten, namentlich: des Terroranschlags vom 31. Mai 2017 saten der Handlungsaufrufe sind vor- Verständnis, Institutionen, Investitionen im Zentrum von Kabul. Den im aktuellen nehmlich die Mitgliedstaaten: Sie sollen sowie Prävention. UNODC-Bericht über Opium vermerk- ausreichend finanzielle Mittel für eine Mit der Tatsache konfrontiert, dass te Anstieg der Drogengewinnung und gesundheitsbezogene Forschung und Ent- der Hunger weltweit zugenommen hat, des Drogenanbaus nimmt die General- wicklung zur Verfügung stellen sowie für und mit dem Ziel der Welternährungssi- versammlung aufgrund des engen Zu- eine ausreichende Gesundheitsversor- cherheit vor Augen, betonte die Gene- sammenhangs zwischen Drogenhandel gung der Schwächsten sorgen, darunter ralversammlung in Resolution 72/215 und den terroristischen Aktivitäten der ältere Menschen, Flüchtlinge, Migran- die Bedeutung von Agrartechnologien: Taliban mit Besorgnis auf. tinnen und Migranten. Für das Jahr 2019 Sie erhöhten nicht nur die Produktivität,

VEREINTE NATIONEN 6/2019 273 Aus dem Bereich der Vereinten Nationen | Allgemeines sondern auch die Nachhaltigkeit und sammlung den hunderttausenden Urbane Agenda, Wasser oder Ozeane Widerstandskraft der Systeme zur Nah- Rohingya-Muslimen, die infolge des darunter fasst. Angesichts der neuesten rungsmittelerzeugung. Auf der Maßnah- Gewaltausbruchs im August 2017 im Erkenntnisse der Weltorganisation für menebene stehen junge Menschen, Wis- Rakhaing-Staat nach Bangladesch ge- Meteorologie (World Meteorological sens- beziehungsweise Technologietrans- flohen sind (72/248). An die Behörden Organization – WMO) über den deutli- fer, Forschung und Innovation sowie Myanmars ergeht die Aufforderung, den chen Anstieg der Treibhausgase in der darauf ausgerichtete Partnerschaften mit Einsatz des Militärs sofort zu beenden Atmosphäre, zeigen sich die Staaten äu- der Wirtschaft im Mittelpunkt. und die Rückkehr aller Binnenvertriebe- ßerst besorgt über die mannigfaltigen nen und Flüchtlinge »auf Dauer, in Si- Auswirkungen – speziell auf die Ent- cherheit und Würde und im Einklang wicklungsländer. Es besteht Einigung Menschenrechte mit dem Völkerrecht« zu gewährleisten. darüber, im Jahr 2019 einen Klimagip- fel auf hoher Ebene einzuberufen, wie Die Situation von Mädchen und die viel- vom Generalsekretär vorgeschlagen. Vom fältigen Gefährdungen, denen die meis- Haushalt und Verwaltung 6. bis 17. November 2017 hatte bereits ten durch ein Leben in Armut ausgesetzt die 23. Weltklimakonferenz (Conference seien, wurden in Resolution 71/154 um- Für den Zweijahreshaushalt vom 1. Ju­- of the Parties – COP-23) in Bonn unter fassend beleuchtet. Zur Sprache kom- li 2018 bis 30. Juni 2019 bewilligte die der Präsidentschaft der Fidschi-Inseln men Aspekte wie Kinder- und Zwangs- Generalversammlung am 24. Dezember stattgefunden. arbeit, Hygiene, Gesundheit, Zugang zu 2017 Mittel in einer Gesamthöhe von Bildung, Diskriminierung, sexuelle und 5,4 Milliarden US-Dollar (72/263). In der andere Formen der Gewalt, Kinder-, Resolution 72/266 B vom 5. Juli 2018 Wahlen und Ernennungen Zwangs- und Frühverheiratungen. Die genehmigt sie versuchsweise die vom Mitgliedstaaten werden zur Ergreifung Generalsekretär vorgeschlagene Umstel- Am 5. Juni 2018 erfolgte die Wahl von entsprechender Maßnahmen in Partner- lung auf eine Einjahreshaushaltsperiode María Fernanda Espinosa Garcés aus schaft mit anderen Akteuren aufgerufen; beginnend mit dem Programmhaushalt Ecuador zur neuen Präsidentin der Ge- beispielsweise sollen sie detaillierte Da- für 2020. Das Budget für Friedenssiche- neralversammlung. Drei Tage später trug ten sammeln und auswerten, um die Aus- rungsmissionen bleibt für den Zeitraum Deutschlands Bewerbung um einen Sitz wirkung der Resolution auf das Wohl von vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2019 im Sicherheitsrat Früchte: Zusammen Mädchen besser beurteilen zu können. mit insgesamt 6,69 Milliarden US-Dol- mit Belgien, der Dominikanischen Re- Am selben Sitzungstag widmete sich lar auf dem Stand des Vorjahres publik, Indonesien und Südafrika wur- die Generalversammlung wie schon im (A/C.5/72/25). de es mit 184 von 193 möglichen Stim- Vorjahr konkret der Lage der Menschen- In eben jener Resolution 72/266 B men für die Dauer von zwei Jahren als rechte in Nordkorea (72/188), Iran (72/ bekräftigen die Mitgliedstaaten, dass nichtständiges Mitglied in das Gremium 189), der Ukraine (72/190) und Syrien Rechenschaftspflicht ein Kernprinzip der gewählt. (72/191). Im Falle Syriens wird im Zu- Verwaltungsreform sei, und ersuchen Der ehemalige New Yorker Bürger- sammenhang mit den fortgesetzten An- den Generalsekretär, »die Entwicklung meister Michael R. Bloomberg wurde griffen und der wahllosen Tötung von eines klaren, einfachen und transparen- im März 2018 zum Sondergesandten für Zivilpersonen der jüngste Einsatz che- ten Systems zur Delegierung von Befug- Klimaschutz ernannt. Der Milliardär mischer Waffen im April 2017 verurteilt. nissen« voranzutreiben. Im Zuge der or- sorgte wenige Monate darauf mit seiner Laut Bericht des Gemeinsamen Untersu- ganisatorischen Umstrukturierung wur- Ankündigung für Schlagzeilen, das Se- chungsmechanismus der Organisation de die Einrichtung der Hauptabteilung kretariat des Rahmenübereinkommens für das Verbot chemischer Waffen und Managementstrategie, Grundsatzpolitik der Vereinten Nationen über Klimaän- der Vereinten Nationen (Joint Investiga- und Regeleinhaltung (Department of derungen (UNFCCC) mit 4,5 Millionen tive Mechanism – JIM) vom Oktober Management Strategy, Policy and Com- US-Dollar zu unterstützen – als Aus- 2017 stünde fest, dass die syrische Armee pliance – DMSPC) sowie die Hauptab- gleich für den Rückzug von US-Präsi- diesen Einsatz zu verantworten habe. teilung Operative Unterstützung (De- dent Trump aus dem Übereinkommen von Der langen Liste an gravierenden Men- partment of Operational Support – DOS) Paris über Klimaänderungen. schenrechtsverletzungen, für die alle beschlossen. Konfliktbeteiligten verantwortlich ge- zeichnet werden, schließt sich ein um- fangreicher Forderungskatalog der Staa- Umwelt tengemeinschaft an. Zum Beispiel gelte es, Praktiken wie Folter, Geiselnahmen, Am 20. Dezember 2017 widmeten sich Henrike Landré (Dieser Beitrag setzt den Bericht von Massentötungen und Hinrichtungen zu die Mitgliedstaaten eingehend dem Kli- Henrike Landré, Generalversammlung: unterbinden. maschutz (72/219) – für sie ein Thema 71. Tagung 2016/2017, VN, 6/2018, Bezüglich Myanmar galt die beson- höchster globaler Priorität, das vormals S. 272ff., fort.) dere Aufmerksamkeit der Generalver- für sich stehende Aspekte wie die Neue

274 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Aus dem Bereich der Vereinten Nationen | Politik und Sicherheit

Zweitens beschädigt der zunehmend Politik und Sicherheit rauere Ton in den internationalen Bezie- hungen die Arbeitsweise der CD. Diplo- Abrüstungskonferenz | Tagungen 2018 und 2019 matische Gepflogenheiten, die die Dis- n Auflösung der Verhandlungsblockade nicht in Sicht kussionen in der CD bisher von der n Gesprächsverlagerung in andere Formate direkten Auseinandersetzung zwischen n Allgemeine Krise der multilateralen Rüstungskontrolle Russland und den USA abschirmten, ero- dieren. So versuchten 22 überwiegend westliche Staaten im September 2018 zu verhindern, dass Syrien turnusgemäß uch in den letzten zwei Jahren bindlichen Sicherheitsgarantien einge- den CD-Vorsitz für einen Monat über- konnten sich die 65 Mitgliedstaa- bracht. Der Bericht der CD im Jahr 2018 nimmt. Sie sprachen Damaskus die Le- ten der Genfer Abrüstungskonfe- an die UN-Generalversammlung (CD/ gitimität für eine Leitung der Abrüs- A 2149) spiegelt die inhaltlichen Diskussi- tungskonferenz ab und begründeten dies renz (Conference on Disarmament – CD) nicht auf die Aufnahme von Rüstungs- onen allerdings nicht wieder, sondern unter anderem mit den Verstößen Syri- kontrollverhandlungen einigen. Seit dem beschränkt sich auf die formalen Aspek- ens gegen das Übereinkommen über das Abschluss der Verhandlungen über den te der Arbeit der Abrüstungskonferenz. Verbot der Entwicklung, Herstellung, Vertrag über das umfassende Verbot Im Jahr 2019 gelang selbst die Eini- Lagerung und des Einsatzes chemischer von Nuklearversuchen (Comprehensive gung auf die Wiederaufnahme von Ge- Waffen und über die Vernichtung solcher Nuclear Test Ban Treaty – CTBT) im sprächen in informellen Arbeitsgruppen Waffen (Chemiewaffenübereinkommen). Jahr 1996 finden in der CD keine Ab- oder ein Arbeitsprogramm nicht mehr. Der Vorstoß scheiterte. Als Venezuela im rüstungsverhandlungen mehr statt. Der Stattdessen waren in Genf drei Entwick- Mai 2019 den Vorsitz innehatte, boy- sich verschärfende Konflikt zwischen den lungen zu beobachten, die symptoma- kottierten die USA die Konferenz. Der Großmächten schlägt zunehmend auf die tisch auch für die allgemeine Krise in der amerikanische CD-Botschafter Robert multilaterale Rüstungskontrolle insge- multilateralen Rüstungskontrolle sind. Wood setzte sich zudem erfolgreich ge- samt durch. Erstens führt die Blockade der klassi- gen eine positive Erwähnung des vene- Immerhin gelang den CD-Mitglied- schen, konsensbasierten Institutionen wie zolanischen Vorsitzes im Jahresbericht staaten im Jahr 2018 die Einigung auf der CD zu einer Verlagerung von rüs- 2019 ein (CD/WP.623). vier informelle Arbeitsgruppen. In die- tungskontrollpolitischen Verhandlungen Drittens entwickelt sich die CD fort- sen untergeordneten Gremien diskutier- in andere Gremien, in denen Abkommen schreitend zu einem Ort für Debatten zu ten die Mitglieder über Fragen, die schon durch eine Mehrheit angenommen wer- rüstungskontrollpolitischen Themen im lange auf der Liste möglicher Verhand- den können. Schon die Annahme des weiteren Sinne. Am Rande der Konfe- lungsthemen stehen: die Beendigung des letzten von der CD ausgehandelten Ab- renz treffen sich Sachverständigengrup- nuklearen Rüstungswettlaufs und nu­ kommens, des CTBT, scheiterte im Jahr pen und es findet eine Vielzahl von Se- kleare Abrüstung; Elemente eines Ver- 1996 am Widerstand Indiens. Das Ab- minaren, Workshops und Konferenzen trags über das Verbot der Herstellung von kommen wurde dann von der UN-Ge- statt. Im Mai 2019 diskutierten Fach- spaltbarem Material für Waffenzwecke neralversammlung verabschiedet. Neue- leute der USA und der Nordatlantikver- (Fissile Material Cut-off Treaty – FMCT); re multilaterale Abrüstungsabkommen, trags-Organisation (NATO) auf einem Maßnahmen zur Verhinderung eines Rüs- wie zuletzt etwa der im Jahr 2017 ange- informellen Treffen erstmals Probleme tungswettlaufs im Weltall und schließ- nommene Vertrag über das Verbot von der nuklearen Abschreckung mit CD- lich negative Sicherheitsgarantien. Kernwaffen, wurden abseits der etablier- Vertreterinnen und -Vertretern. Es ist Der damalige deutsche CD-Botschaf- ten ›Rüstungskontrollmaschinerie‹ aus- offen, ob die CD künftig eine Art diplo- ter Michael Bontino hatte den Vorsitz gehandelt, um die Blockade der Groß- matisches Forum für Abrüstungsfragen der Arbeitsgruppe zu negativen Sicher- mächte zu umgehen. Die ständigen Si- wird. Für die internationale Sicherheit heitsgarantien. Gegenstand der Beratun- cherheitsratsmitglieder beklagen diese wäre es sicher besser, wenn die Abrüs- gen waren möglichst verbindliche und Verlagerung von Rüstungskontrollthemen tungskonferenz nach nunmehr 23 Jah- umfassende Zusagen der Nuklearwaf- in Foren, in denen sie kein Vetorecht ha- ren des Stillstands auch wieder neue Ab- fenstaaten, keine Nuklearwaffen gegen ben, obwohl sie selbst durch ihre Verwei- rüstungsverträge aushandelt. Nichtnuklearwaffenstaaten einzusetzen gerungshaltung für diese Entwicklung oder deren Einsatz anzudrohen. Bereits letztendlich verantwortlich sind. Für die im Jahr 2016 hatte Deutschland gemein- CD-Mitgliedstaaten stellt sich damit im- sam mit Belgien, Kanada, den Nieder- mer dringlicher die Frage, ob auch der landen und Schweden in die damals von seit langem auf der Tagesordnung ste- Oliver Meier der Generalversammlung eingerichtete hende FMCT angesichts der fortdauern- (Dieser Beitrag setzt den Bericht von offene Arbeitsgruppe (open-ended wor- den Blockade Pakistans außerhalb der Oliver Meier, Abrüstungskonferenz: king group – OEWG) zur nuklearen Ab- CD, etwa in der UN-Generalversamm- Tagungen 2013, VN, 2/2014, S. 77, fort.) rüstung ein Arbeitspapier zu rechtsver- lung, verhandelt werden sollte.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 275 Aus dem Bereich der Vereinten Nationen | Sozialfragen und Menschenrechte

chen Gewalttaten ihres Ehemanns und Sozialfragen und Menschenrechte gegen ihre Verurteilung wegen Mordes Frauenrechtsausschuss | 69. bis 71. Tagung 2018 an ihrem Mann gewandt. Der Ausschuss ist ihren Ausführungen gefolgt. Er hat n Entscheidung zu komplexem Sorgerechtsfall einen Verstoß gegen Artikel 2 lit. c, d und n Allgemeine Empfehlung zur Katastrophenvorsorge f sowie 15 der Konvention festgestellt, n Gemeinsame Stellungnahme mit dem CRPD da staatliche Stellen bei fortdauernder Gewalt jahrelang untätig geblieben sind, X. keine medizinische Versorgung ihrer Verletzungen erhalten hat und in dem m Berichtszeitraum hatten unverän- Fünf Beschwerden ausreisepflichtiger Verfahren gegen sie zahlreiche prozes­ dert 189 Vertragsstaaten das Überein- Asylbewerberinnen gegen Dänemark suale Versäumnisse vorgefallen sind. Der kommen zur Beseitigung jeder Form wurden mit ähnlichen Begründungen Ausschuss sieht als eine Ursache hierfür I als unzulässig abgewiesen: In den Fällen diskriminierende Einstellungen. X. wur- der Diskriminierung der Frau (Frauen- rechtskonvention) ratifiziert. Dem Zu- H.D., A.O., M.K.M, S.F.A, A.S. gegen de beispielsweise in ihrem Verfahren, in satzprotokoll haben sich weiterhin 109 Dänemark sahen die Beschwerdeführe- dem sie Notwehr vorbringt, darauf hin- Vertragsstaaten rechtlich unterworfen. Sie rinnen ihre Rechte aus der Frauenrechts- gewiesen, dass sie als Ehefrau ihren Mann eröffnen damit Einzelpersonen einen in- konvention aufgrund von abgelehnten zu schützen habe. dividuellen Beschwerdeweg, wenn diese Asylgesuchen verletzt. Die Frauen aus Der zweite erfolgreiche Fall betrifft ihre Rechte aus dem Übereinkommen ver- Russland, Somalia und Uganda befürch- ein auch in Deutschland regelmäßig wie- letzt sehen. Damit ist die Frauenrechts- teten unterschiedliche Arten geschlechts- derkehrendes Thema im Zusammenhang konvention einer der am weitesten ver- spezifischer Gewalt bei der Rückkehr in mit häus­licher Gewalt, das Gegenstand breiteten Beschwerdemechanismen unter ihre Heimatländer und wandten sich an einer aktuellen gemeinsamen Stellung- den UN-Menschenrechtsübereinkommen. den Ausschuss. Dieser stellte wiederholt nahme internationaler Menschenrechts- Der Ausschuss zur Beseitigung je- fest, dass die Bewertung der Fakten und gremien – inklusive des CEDAW-Aus- der Form der Diskriminierung der Frau Beweise im nationalen Asylverfahren Sa- schusses – gegen Frauengewalt ist. In J.I. (Committee on the Elimination of Dis- che der Behörden der Vertragsstaaten gegen Finnland trägt die Beschwerde- crimination against Women – CEDAW) sei. Der CEDAW überprüfe lediglich, ob führerin für sich und ihren Sohn vor, überwacht die Einhaltung der Konven­ diese Bewertung vorurteilsfrei erfolgt ist, dass das alleinige Sorgerecht über den tion. Dies macht er überwiegend durch also nicht auf geschlechtsspezifischen gemeinsamen Sohn ihrem jahrelang Individualbeschwerden und sogenannte diskriminierenden Stereotypen beruht. schwer gewalttätigen Ehemann übertra- Staatenprüfungsverfahren. Im Jahr 2018 Eine solche Art der Bewertung durch gen wurde. Das geschah, ohne dass Be- entschied er über insgesamt zehn Indivi- die dänischen Behörden sei von den Be- hörden und Gerichte trotz einschlägiger dualbeschwerden von Einzelpersonen, schwerdeführerinnen nicht ausreichend Verurteilungen seine Gewalttätigkeit an- evaluierte 24 Berichte von Vertragsstaaten vorgetragen worden. gemessen berücksichtigt oder seine Erzie- und beschloss eine sogenannte Allgemeine Eine weitere Beschwerde wurde für hungsfähigkeit geprüft hätten. Stattdessen Empfehlung zur Auslegung der Konven- unzulässig erklärt, da die Beschwerde- sei ihre psychische Gesundheit unter- tion. Darüber hinaus hat er eine gemein- führerin keine Verfassungsbeschwerde in sucht worden und man habe ihr feindse- same Stellungnahme mit dem Ausschuss der Türkei eingelegt und damit den er- liges, ablehnendes Verhalten gegenüber für die Rechte von Menschen mit Behin- forderlichen innerstaatlichen Rechtsweg ihrem Ehemann vorgehalten, das sich derungen (Committee on the Rights of nicht ausgeschöpft hat, bevor sie sich an negativ auf das Kind auswirke. Der Aus- Persons with Disabilities – CRPD) erar- den Ausschuss wandte. schuss sah in der Sorgerechtsentscheidung beitet, der die Einhaltung des Überein- Zwei Verfahren hat der Ausschuss den konventionswidrigen Ausdruck ge- kommens über die Rechte von Menschen beendet, da er keinen Kontakt mehr zu schlechterstereotyper Vorstellungen des mit Behinderungen in den Staaten über- der Beschwerdeführerin für weitere Nach- Gerichts, das einseitig ausgeübte häusli- wacht. fragen herstellen konnte (X gegen Öster- che Gewalt als einen beidseitigen Kon- reich) beziehungsweise der Beschwerde- flikt verharmlost, für den beide Eltern- grund – das Risiko geschlechtsspezi- teile die Verantwortung tragen. Individualbeschwerden ­fischer Gewalt im Herkunftsland auf- grund der drohenden Abschiebung aus Von den zehn Individualbeschwerden hat Dänemark – während des Verfahrens Allgemeine Empfehlung der Ausschuss in zwei Fällen Verstöße weggefallen ist (X gegen Dänemark). gegen das Übereinkommen festgestellt, In den beiden erfolgreichen Beschwer- Der CEDAW verabschiedete die Allge- sechs Beschwerden für unzulässig erklärt den ging es um schwere Fälle von häus- meine Empfehlung Nr. 37 zur geschlechts- und zwei Verfahren ohne Entscheidung licher Gewalt. In X gegen Timor-Leste spezifischen Dimension bei der Katas­ beendet. Allen Beschwerden lag ge- hat sich die Beschwerdeführerin gegen trophenvorsorge im Kontext des Klima­- schlechtsspezifische Gewalt zugrunde. die Untätigkeit der Behörden bei zahlrei- wandels. Der Ausschuss betont, dass Ka-

276 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Aus dem Bereich der Vereinten Nationen | Sozialfragen und Menschenrechte tastrophensituationen für Frauen und Mädchen die bestehenden Geschlechter­ ungleichheiten verschärfen und zu er- höhten Risiken, Gefahren und Lasten bei Frauen und Mädchen führen, etwa hohe Sterberaten, mehr Armut oder eine Zu- nahme geschlechtsspezifischer Gewalt. Der Ausschuss entwickelt Empfehlungen für klimabedingte Krisensituationen.

Gemeinsame Stellungnahme

Im August 2018 haben der CEDAW und der CRPD eine gemeinsame Position ver- öffentlicht, in der sie die sexuellen und reproduktiven Rechte aller Frauen, ins- besondere von Frauen mit Behinderung hervorheben. Hintergrund ist die Besorg- Zwei Frauen werden mit ihren Neugeborenen in einer Klinik des Bevölkerungsfonds (UNFPA) im nis beider Ausschüsse, dass sich diesbe- Mutua Camp medizinisch versorgt. Sie sind Opfer der Zyklone Idai und Kenneth, die im März und züglich in allen Weltregionen Schwächen April 2019 auf Mosamik trafen. Mehr als 600 Menschen verloren ihr Leben, etwa 2,2 Millionen bei der Umsetzung der Rechte aus den Menschen sind auf Hilfe angewiesen. UN PHOTO: ESKINDER DEBEBE beiden Übereinkommen offenbaren. Die Stellungnahme weist darauf hin, dass die sexuellen und reproduktiven gestellt, die der Ausschuss als konventi- Der CEDAW hob in seinem Bericht an Rechte den Zugang zu legaler und si- onskonform gelobt hat. Neuseeland eine Gesetzesänderung über cherer Abtreibung, zu den mit einer Ab- schädliche digitale Kommunikation aus treibung zusammenhängenden Unter- dem Jahr 2015 lobend hervor, wonach stützungs- und Beratungsleistungen so- 69. Tagung eine Behörde eingerichtet wird, die Be- wie Informationen darüber umfassen. schwerden in Fällen von Beleidigungen Dies sei eine Voraussetzung für die Ge- Auf seiner Frühjahrstagung prüfte der über soziale Medien entgegennimmt und währleistung der Rechte auf Gesund- CEDAW die Staatenberichte aus Chile, bearbeitet. Hierbei wird unter ande- heit, körperliche Integrität und für das Fidschi, Luxemburg, Malaysia, den Mar- rem ein besonderes Augenmerk auf ge- Diskriminierungsverbot. Dabei sei ent- shallinseln, Saudi-Arabien, Südkorea und schlechtsspezifische Belästigung und scheidend, dass Frauen ihre Entschei- Suriname. Gewalt gelegt. dung frei treffen können. Insbesondere Zu Saudi-Arabien hob der Ausschuss Frauen mit Behinderungen müssen ge- positiv hervor, dass seit September 2017 gen Zwangsabtreibungen, unfreiwillige Fahrerlaubnisse gleichermaßen an Män- 71. Tagung Sterilisationen oder Empfängnisverhü- ner und Frauen erteilt werden können. tung geschützt sein – dies richtet sich Darüber hinaus dürfen Verwaltungsstel- Auf der Herbsttagung prüfte der CEDAW auch an Deutschland. len von Frauen keine Erlaubnis eines die Staatenberichte der Bahamas, Kon- männlichen Vormunds mehr verlangen, gos, Laos, Mauritius, Nepals, Nordma- wenn sie Verwaltungsdienste in Anspruch zedoniens, Samoas und Tadschikistans. Tagungen 2018 nehmen wollen. Außerdem hat das Land Mauritius wurde für eine Reihe an im Jahr 2013 ein Gesetz erlassen, das neuen Gesetzen gelobt, die Schutz vor Der Ausschuss hielt im Berichtszeitraum häusliche Gewalt inklusive physische, häuslicher Gewalt normieren, Abtreibung drei Tagungen in Genf ab: 69. Tagung: psychische und sexualisierte Gewalt un- in bestimmten Fällen entkriminalisieren 19.2.–9.3.; 70. Tagung: 2.7.–20.7. sowie ter Strafe stellt. sowie Diskriminierung am Arbeitsplatz 71. Tagung: 22.10.–9.11.2018. In die- und im Bildungsbereich verbieten. sem Zeitraum behandelten seine Mit- glieder insgesamt 24 Staatenberichte. 70. Sitzung Die Empfehlungen, die der CEDAW zur Heike Rabe (Dieser Beitrag setzt den Bericht von verbesserten Umsetzung der Konvention Während seiner Sommersitzung behan- Carolin Bovermann, Stefanie Lux und für das jeweilige Land erarbeitet hat, un- delte der Ausschuss die Staatenberich- Heike Rabe, Frauenrechtsausschuss: terschieden sich erwartungsgemäß stark. te aus Australien, den Cookinseln, Lich- 63. bis 65. Tagung 2016 und 66. bis 68. Daher werden für jede Sitzung aus ei- tenstein, Mexiko, Neuseeland, Palästina, Tagung 2017, VN, 6/2018, S. 277ff., fort.) nem Land positive Entwicklungen dar- Turkmenistan und Zypern.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 277 Aus dem Bereich der Vereinten Nationen | Sozialfragen und Menschenrechte

Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung | zu beantragen. Im August 2010 hatte 95. bis 97. Tagung 2018 der Antragsteller eine Beschwerde bei der Gleichbehandlungsstelle eingereicht, n Unverhältnismäßiger Einsatz von Polizeigewalt in Israel die ihm eine Entschädigung von umge- n Gewalt gegen Wanderarbeitskräfte in Saudi-Arabien rechnet rund 330 US-Dollar gewährt n Norwegische rassistische Gruppen im Internet präsenter hatte. Der Antragsteller hatte später ge- gen die Entscheidung Berufung einge- legt, da die Entschädigung zu niedrig sei. Die Entscheidung war vom Bezirks- er Ausschuss für die Beseitigung Ebenfalls zutiefst besorgt zeigte sich der gericht und vom Obersten Gericht be- jeder Form von Rassendiskrimi- Ausschuss über die anhaltenden diskri- stätigt worden. Letzteres hatte den An- nierung (Committee on the Elimi- minierenden Praktiken Israels gegen die tragsteller angewiesen, die Kosten des D palästinensische Bevölkerung sowie über Verfahrens in Höhe von etwa 4200 US- nation of Racial Discrimination – CERD) traf sich im Jahr 2018 zu drei turnusmä- das Fehlen geeigneter Rechenschaftsme- Dollar zu übernehmen. Der Ausschuss ßigen Tagungen in Genf (24.4.–12.5.; chanismen, die es den Betroffenen er- vertrat die Auffassung, dass die Ansprü- 6.8.–30.8.; 26.11.–14.12.). Wichtigstes möglichen würden, juristisch gegen die che des Beschwerdeführers nach Artikel 2, Anliegen des CERD, der sich aus 18 Sach- Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Absatz 1 lit. c sowie des Artikels 14 des verständigen zusammensetzt, ist die Der Ausschuss forderte die israelische ICERD unzulässig seien. Er stellte je- Überwachung der Umsetzung des Inter- Regierung auf, die unverhältnismäßige doch fest, dass die Mitteilung Fragen nationalen Übereinkommens zur Be- Gewaltanwendung im Gazastreifen un- nach den Artikeln 5 und 6 des Überein- seitigung jeder Form von Rassendiskri- verzüglich zu beenden und den Verletz- kommens aufwirft und erklärte diesen minierung (International Convention on ten einen sofortigen und ungehinderten Teil der Mitteilung für zulässig. Der Aus- the Elimination of All Forms of Racial Zugang zu medizinischer Versorgung zu schuss vertrat die Auffassung, dass die Discrimination – ICERD). Mit Abschluss gewährleisten. Des Weiteren forderte der Entscheidungen der Behörden, die die der 97. Tagung blieb die Zahl der Ver- CERD, eine unparteiische und unabhän- dänische Staatsangehörigkeit des An- tragsstaaten bei 179. Der CERD hat seit gige Untersuchung der Gewaltanwen- tragstellers verneinen, eine Verletzung dem Jahr 1984 die Aufgabe, Mitteilun- dung im Einklang mit internationalen seiner Rechte nach Artikel 5 lit. d, iii des gen gemäß Artikel 14 des Übereinkom- Normen einzuleiten und die Verantwort- Übereinkommens darstellen. Der Aus- mens zu prüfen. Sie ermöglichen es Ein- lichen zur Rechenschaft zu ziehen. Israel schuss kam ferner zu dem Schluss, dass zelpersonen, eine Verletzung des Über­- solle sicherstellen, dass die Palästinen­ die dem Antragsteller gewährte Entschä- einkommens durch jene Vertragsstaaten serinnen und Palästinenser nach dem digung nicht mit Artikel 6 des ICERD zu rügen, die die Prüfungskompetenz des ICERD uneingeschränkte Rechte ge- übereinstimmt. Darüber hinaus vertrat Ausschusses anerkannt haben. Insgesamt nießen, insbesondere das Recht auf Le- der Ausschuss die Auffassung, dass die lassen jedoch nur 58 Staaten dieses Indi- ben und Sicherheit der Person, auf Mei- Aufforderung an den Antragsteller, ei- vidualbeschwerdeverfahren zu. nungsfreiheit sowie auf medizinische nen hohen Betrag zur Deckung der Pro- Versorgung. zesskosten des Gerichtsverfahrens zu zah- Frühwarnverfahren len, eine Sanktion gegen eine Person darstellt, die Opfer von Rassendiskrimi- Im Rahmen der 95. Tagung verabschie- Individualbeschwerdeverfahren nierung geworden ist und lediglich eine dete der Ausschuss eine Entscheidung angemessene Entschädigung verlangt. über die Ereignisse in Israel und zeigte Auf seiner Herbsttagung befasste sich der Er war daher der Ansicht, dass gegen sich alarmiert über den unverhältnis- CERD mit der Mitteilung Nr. 58/2016 Artikel 6 des ICERD verstoßen wurde. mäßigen Einsatz von Gewalt durch die (S.A. v. Dänemark). Der ursprünglich israelischen Sicherheitskräfte gegen pa- aus Bosnien und Herzegowina stammen- lästinensische Demonstrantinnen und de Beschwerdeführer hatte im Jahr 2002 Staatenberichte Demonstranten. Diese nahmen ab dem die dänische Staatsbürgerschaft erwor- 30. März 2018 am ›Großen Rückkehr- ben und wohnt derzeit in dem Staat. Er Im Rahmen der Frühjahrstagung befass- marsch‹ in Gaza teil, bei dem an der behauptete, Opfer einer Verletzung sei- te sich der Ausschuss mit den Berichten Grenze zu Israel mindestens 40 Men- ner Rechte nach Artikel 2, Absatz 1 lit. c, aus Kirgisistan, Mauretanien, Nepal, schen, darunter fünf Kinder, getötet und Artikel 5 und 6 des ICERD durch Däne- Peru, Saudi-Arabien und Schweden. Wäh- Tausende verletzt wurden. Der Aus- mark zu sein. Seiner Auffassung nach rend der Sommertagung beschäftigte er schuss zeigte sich durch die vielen Be- hätten die Behörden seine Rechte aus die- sich mit den Berichten aus Bosnien und richte beunruhigt, denen zufolge die is- sen Artikeln verletzt, als er im Juli 2009 Herzegowina, China, Japan, Kuba, Lett- raelischen Behörden den verletzten Pa- Sozialhilfe beantragt hatte und aufge- land, Mauritius und Montenegro. Die lästinenserinnen und Palästinensern den fordert wurde, bei den Einwanderungs- Herbsttagung nahm der CERD zum An- Zugang zu medizinischer Soforthilfe ver- behörden eine Ausnahmegenehmigung lass, sich mit den Berichten aus Albanien, weigert haben und weiterhin verweigern. für sein Aufenthaltsrecht in Dänemark Honduras, Irak, Norwegen, Katar und

278 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Aus dem Bereich der Vereinten Nationen | Sozialfragen und Menschenrechte

Südkorea zu befassen. Von den 19 Ab- schließenden Bemerkungen sollen hier vier exemplarisch vorgestellt werden. Der Ausschuss bedauerte das Fehlen einer Definition von Diskriminierung im Einklang mit dem ICERD und stellte fest, dass Mauretanien keine besonde- ren Maßnahmen zum Schutz von diskri- minierten Gruppen ergriffen habe. Der Ausschuss begrüßte die Arbeit der Zivil- gesellschaft in Mauretanien und die Tat- sache, dass die Mehrheit der Organi­ sationen von Frauen geleitet wird. Er erkundigte sich über die Fortschritte der Regierung in zahlreichen für den Aus- schuss relevanten Themenfeldern, etwa bei der Beseitigung der Sklaverei, der Rückführung mauretanischer Flüchtlin- ge aus dem Senegal, die Mehrfachdis- Eine Frau der Samen in der Stadt Kautokeino, dem Zentrum der Provinz Finnmark. In Kautokeino kriminierung von Frauen und den Sta- ist eine Hochschule der Samen angesiedelt; das Parlament dieser Volksgruppe befindet sich in tus des Gesetzentwurfs zur Beseitigung Karasjok. Viele der Samen tragen – politisch motiviert – im Alltag ihre Tracht. FOTO: MARKUS LEHMANN der Rassendiskriminierung. Zu Saudi-Arabien bedauerte der Aus- schuss, dass der Staat nicht Vertragspar- Der Ausschuss begrüßte die Einrich- erkennungsmethoden oder durch Cyber- tei der beiden Internationalen Pakte über tung des Sekretariats für Menschenrech- sicherheitsmaßnahmen. Rassismus und wirtschaftliche, soziale und kulturelle te in Honduras, einen besseren Schutz Rassendiskriminierung waren Faktoren, Rechte (Sozialpakt) sowie über bürger­ der Menschenrechtsverteidigerinnen und die beim Zugang zur Beschäftigung, ins- liche und politische Rechte (Zivilpakt) -verteidiger sowie die Gewährung von besondere für Menschen afrikanischer ist. Seine Sachverständigen forderten das Landtiteln für indigene Gemeinschaf- Herkunft, oft ins Spiel kamen. Dies sei Land ferner auf, eine Definition von Dis- ten. In Honduras, wo die Mordrate zu ein weiterer Bereich, der Aufmerksam- kriminierung im Einklang mit dem den höchsten der Welt gehört, die Kor- keit erfordere. Der Ausschuss äußerte Übereinkommen anzunehmen und da- ruption ein endemisches Problem ist und Bedenken über eine zunehmend polari- für zu sorgen, dass der Entwurf eines Armut und Ungleichheit große Heraus- sierte öffentliche Debatte über Flücht- Gesetzes gegen Hassreden den Begriff forderungen darstellen, gibt die Gewalt linge sowie Migrantinnen und Migran- des Rassenhasses enthält. Er erkundigte Anlass zu großer Sorge. Der CERD nahm ten und deren Integration sowie über sich nach Maßnahmen zum Schutz der mit Besorgnis den schlechten Zustand eine zunehmende Sichtbarkeit rassisti- schiitischen Muslime vor politischer, so- der Gesundheitsversorgung, der Bildung, scher und nationalsozialistischer Grup- zialer und wirtschaftlicher Marginalisie- des Wohnraums und der Infrastruktur pen in den sozialen Medien. Er fragte rung, nach Maßnahmen gegen Stereoty- für indigene Völker zur Kenntnis. Der nach Maßnahmen zur Verhinderung pen im Zusammenhang mit Menschen Ausschuss stellte fest, dass einige der von Hassreden und begrüßte die Kam- afrikanischer Herkunft und nach Bemü- Herausforderungen, mit denen indigene pagne zum Stopp von Hassreden. Nach hungen zur Verbesserung der Situation Völker und Menschen afrikanischer Ab- wie vor bestünden Probleme in Bezug auf von Minderheitenfrauen. Der Ausschuss stammung konfrontiert waren, ein Ver- die Anerkennung der Rechte der Samen, war besorgt über die Gewalt und den mächtnis des Kolonialismus sind, und einem indigenen Volk, auf ihr Land und Missbrauch gegen Wanderarbeitnehmer- ermutigte Honduras, sie durch einen ihre Ressourcen außerhalb der Provinz innen und -arbeitnehmer, insbesondere speziellen Aktionsplan zur Umsetzung Finnmark, ihre Rechte auf Seefischerei Hausangestellte, Fälle von willkürlichen der Internationalen Dekade für Menschen und die Umsetzung der freien, vorheri- Haft- und Todesurteilen gegen Wander- afrikanischer Abstammung (2015–2024) gen und informierten Zustimmung, die arbeitnehmer und deren unverhältnis- gezielt anzugehen. offensichtlich fehle. mäßige Vertretung in der Gefangenen­ Beeindruckt zeigte sich der CERD population. Der Vertragsstaat müsse das von den Strategien und Ansätzen Nor- Vormundschaftssystem für Frauen ab- wegens zur Bekämpfung von Rassen- schaffen und die Diskriminierung bei diskriminierung und forderte den Staat Alexandra Steinebach der Übertragung der saudischen Staats- auf, eine führende Rolle bei der Bekämp- (Dieser Beitrag setzt den Bericht von Alexandra Steinebach über die 92. bis bürgerschaft bekämpfen, sagten Sach- fung von Rassenprofilerstellungen zu 94. Tagung 2017, VN 6/2018, S. 280f., verständige und äußerten Besorgnis über übernehmen. Diese entstehen auch durch fort.) Einschränkungen der Religionsfreiheit. den Einsatz biometrischer und Gesichts-

VEREINTE NATIONEN 6/2019 279 Buchbesprechungen

Mit Recht zum Frieden?

Eckart Conze

Der Erste Weltkrieg wurde geführt als durch die Friedensschlüsse beschädigt, Krieg, um alle Kriege zu beenden. Des- weil es insbesondere die Verlierer ledig- wegen sollten die Friedensverträge der lich als eine Waffe in den Händen der Jahre 1919/1920 nicht nur einen gerech- Sieger wahrnahmen? ten Frieden schaffen, wie es insbesondere Die Antwort des Bandes ist eindeutig. der amerikanische Präsident Woodrow Trotz aller Defizite und Schwächen und Wilson immer wieder betonte, sondern trotz der Tatsache, dass weder der Völ- der Frieden nach dem ›Großen Krieg‹ kerbund noch das um ihn herum entwi- sollte ein Frieden des Rechts mit Rechts- ckelte Regelsystem die Erosion, also die regeln und Rechtsinstitutionen sein. Das Zerstörung der Versailler Ordnung und Zentrum dieser internationalen Ordnung den Zweiten Weltkrieg verhindern konn- bildete der Völkerbund, in dem sich po- ten, betont er die Progressivität dieses litische und rechtliche Ordnung institu- Systems und ihre bis in die Gegenwart tionell verbinden sollte. Seine Aufgabe reichende normative und institutionelle war es, vor allem durch Mechanismen Kontinuität. Das ist eine – für Juristin- Michel Erpelding/ der Streitschlichtung und Konfliktbeile- nen und Juristen ungewöhnlich – idea- Burkhard Hess/ gung den Friedensimperativ umzusetzen. listische Perspektive, die insbesondere Hélène Ruiz Fabri Mit guten Gründen steht also das System die Spannung zwischen Recht und Macht (Eds.) des Völkerbunds als Kernelement der stark relativiert. So wird beispielsweise Peace Through Law. Versailler Ordnung im Mittelpunkt ei- das zutiefst kolonialistische und rassis­ The Versailles Peace nes Bandes, zu dem, hervorgegangen aus tische Mandatssystem des Völkerbunds Treaty and Dispute einer Konferenz des Max-Planck-Insti- in ein sehr mildes Licht getaucht. Das gilt Settlement After tuts in Luxemburg für internationales, auch für den Minderheitenschutz. World War I europäisches und regulatorisches Ver- Hier hätten Historikerinnen und His- Baden-Baden: fahrensrecht, vor allem Rechtswissen- toriker vermutlich andere Akzente ge- Nomos 2019, 354 S., schaftlerinnen und -wissenschaftler bei- setzt. Darüber hinaus wird jede regel­ 92,00 Euro getragen haben. basierte internationale Ordnung schei- In der Tat sind die Verhandlungen und tern, wenn nicht der politische Wille die Friedensschlüsse voll von Bezügen existiert, sie zu erhalten. Dafür kann auf Recht und Gerechtigkeit, ja die Ver- man auf Japan oder Deutschland in den knüpfung von Recht und Politik, von 1930er Jahren verweisen. Mindestens Völkerrecht und Politik, die sich in der ebenso wichtig war aber die mangelnde zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in- Bereitschaft der USA, die maßgeblich von tensiviert hatte, erreichte in Paris einen von der Regierung in Washington, D.C., Höhepunkt. Was aber bedeutete diese errichtete Ordnung gerade in ihrer Früh- Verrechtlichung der Politik – und umge- zeit zu stabilisieren und zu garantieren. kehrt diese Politisierung des Rechts – Vor diesem Hintergrund erinnern der Uni- für den Friedensschluss von 1919? War lateralismus, der Neonationalismus und sie ein Erfolg, weil man den Versuch un- der aggressive Populismus der Gegenwart ternahm, einen Frieden zu schließen, der in der Tat an die Zwischenkriegszeit, an auf klaren rechtlichen Prinzipien beruh- die Zerstörung des Multilateralismus te? Oder wurde das Recht als normative und das damals wie heute prekäre Ver- Grundlage der internationalen Ordnung sprechen eines Friedens durch Recht.

280 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Buchbesprechungen

Ein Vordenker des Völkerbunds

Alfredo Märker

Gemeinhin gilt der amerikanische Prä­ schnitt auf die Schriften von Alfred Fried, sident Woodrow Wilson als entscheiden- Walther Schücking und Woodrow Wilson der Impulsgeber für die Entstehung des ein. Dem stellt er im nächsten Kapitel Völkerbunds, auch wenn die USA dem Erzbergers Schrift entgegen, die mit hilf- gescheiterten Vorgänger der Vereinten reichen zusammenfassenden Kommen- Nationen niemals beigetreten sind. We- taren kritisch-würdigend nachgezeich- niger bekannt dürfte sein, dass mit dem net wird. Dabei wird die »Obligatorische späteren Reichstagsabgeordneten und Schiedsgerichtsbarkeit« als Herzstück Finanzminister Matthias Erzberger auch seiner Völkerbundskonzeption identifi- im deutschsprachigen Raum ein wich­ ziert. Im dritten Kapitel stellt der Autor tiger Vordenker des Völkerbunds ge- Erzbergers Ideen in einen zeitgenössischen wirkt hat. Vergleich, befasst sich mit der Rezeption Mit der Studie ›Erzbergers Lehren für des Buches in den damaligen Medien den Weltfrieden‹ hat Alfons Siegel nun und stellt Erzbergers Solidarismusideen eine umfassende Erörterung der Völker- vor. Eine übersichtliche Tabelle ver- bundsschrift von Erzberger vorgelegt. gleicht dabei unter anderem Konzepte Alfons Siegel Dessen im Jahr 1918 erschienenes Buch von Erzberger, die schließlich verab- Erzbergers Lehren für ›Der Völkerbund: Der Weg zum Welt- schiedete Völkerbundsatzung, den Ent- den Weltfrieden: frieden‹ hatte schon der Staatsrechtler wurf der deutschen Regierung und ei- Völkerbund, Theodor Eschenburg als »erste seriöse nem weiteren Entwurf von Harry Graf Solidarismus und die Schrift über den Völkerbund« in Deutsch- Kessler. In diesem Abschnitt präsentiert Zukunft der UNO land bezeichnet. Als Bevollmächtigter Siegel außerdem einige Zeitungstitelblät- Biberach an der Riß: der Reichsregierung hatte Erzberger mit ter sowie eine Karikatur aus der Zeit. Biberacher Verlags- der Unterzeichnung zum Waffenstill- Erzbergers Ideen, dies wird deutlich, druckerei 2018, 248 S., standsvertrag von Compiègne am 11. No- waren keine Theoriekonstrukte, sondern 19,80 Euro vember 1918 beigetragen. Zuvor schon Teil der öffentlichen Debatte. Im abschlie- war es ihm ein Anliegen gewesen, über ßenden Kapitel überträgt Siegel seine Lehren aus der Kriegskatastrophe nach- Überlegungen auf die heutige Zeit. Hier zudenken, damit sich »die Welt nicht finden sich bekannte Reformideen von wieder in ein Menschenschlachthaus wirksameren Machtmitteln für die UN, verwandelt«. über die Parlamentarisierung bis hin zur Siegel hat Erzbergers Verdienste nun Forderung nach besserer Finanzausstat- ausführlich gewürdigt. Im Vorwort sei- tung und der Förderung eines »UNO- nes im Jahr 2018 erschienenen Buches Bewusstseins«. bewertet auch der Friedensforscher Dieter Insgesamt handelt es sich um eine Senghaas die Studie als »nicht nur po­ verdienstvolle Analyse und Zusammen- litisch und wissenschaftsgeschichtlich stellung. Das wissenschaftliche Niveau interessant«, sondern auch als »Auffor- ist hoch. Man hätte aber noch sehr viel derung, sich heute mit den schon beste- mehr über den Menschen und das viel henden und sich dramatisch entwickeln- zu früh beendete Leben von Matthias den Weltproblemen der unmittelbaren Erzberger erfahren wollen, denn der Zukunft zu beschäftigen«. Zen­trumspolitiker und Weltorganisa­ Siegels Buch gliedert sich in vier Ka- tionsvisionär erlebte weder das Schei- pitel. Um Erzbergers Werk einzuordnen, tern des Völkerbunds noch das Entste- präsentiert er eingangs weitere Friedens- hen der Vereinten Nationen. Im Jahr 1921 ideen im zeitlichen Kontext. Konkret wurde Matthias Erzberger von Rechts- geht er in diesem knapp gehaltenen Ab- radikalen ermordet.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 281 Dokumente der Vereinten Nationen Dokumente der Vereinten Nationen In der folgenden Übersicht sind die Resolutionen und Erklärungen des Präsidenten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen mit einer kurzen Inhaltsangabe und den Abstimmungsergebnissen von September bis November 2019 aufgeführt. Die Dokumente sind alphabetisch nach Ländern, Regionen oder Themen sortiert. In der jeweiligen Rubrik erfolgt die Auflistung chronologisch (das älteste Dokument zuerst). Die Dokumente sind im Volltext über die Webseite des Deutschen Übersetzungsdienstes zu finden: www.un.org/Depts/german

Sicherheitsrat UN-Dok.-Nr. Datum Gegenstand Abstimmungs- ergebnis

Ehemaliges S/RES/2496(2019) 5.11.2019 Der Sicherheitsrat fordert alle Behörden in Bosnien und Herzegowina einstimmige Jugoslawien auf, mit dem Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hoc- Annahme Strafgerichtshöfe zusammenzuarbeiten. Er begrüßt die Bereitschaft der Europäischen Union, die militärische Operation der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina (EUFOR ALTHEA) von November 2019 an weiterzuführen. Der Rat ermächtigt die Mitgliedstaaten, bis zum 4. November 2020 eine multinationale Stabilisierungstruppe (EUFOR ALTHEA) als Rechtsnachfolgerin der SFOR-Stabilisierungs- truppe einzurichten und beschließt, die in Resolution 2183(2014) erteilte Ermächtigung bis zum 4. November 2020 zu verlängern.

Frauen S/RES/2493(2019) 29.10.2019 Der Sicherheitsrat fordert die Mitgliedstaaten auf, die Bestimmun- einstimmige gen aller früheren Resolutionen des Sicherheitsrats zur Agenda für Annahme Frauen und Frieden und Sicherheit vollständig durchzuführen und ihre diesbezüglichen Anstrengungen zu verstärken.

Guinea-Bissau S/PRST/2019/13 4.11.2019 Der Sicherheitsrat verurteilt die Gewalt in Guinea-Bissau, bei der eine Zivilperson getötet und mehrere verletzt wurden. Der Rat fordert die politischen Akteure auf, jede Form von Gewalt oder Aufstachelung zu Hass zu unterlassen und sich zur Beilegung ihrer Meinungsverschiedenheiten und zur Erhaltung des Friedens und der Stabilität in dem Land einzig des Dialogs zu bedienen. Er drängt darauf, die Präsidentschaftswahlen wie vereinbart am 24. November 2019 abzuhalten, um den Wahlzyklus abzuschließen und einen friedlichen Übergang der Macht auf eine gewählte Präsiden- tin oder einen gewählten Präsidenten zu ermöglichen.

Libyen S/RES/2491(2019) 3.10.2019 Der Sicherheitsrat verurteilt alle Handlungen zum Zweck der einstimmige Migrantenschleusung und des Menschenhandels in, durch und aus Annahme dem Hoheitsgebiet Libyens und vor seiner Küste, die den Stabilisie- rungsprozess untergraben. Er beschließt, die in Resolution 2240(2015) erteilten Ermächtigungen bis zum 2. Oktober 2020 zu verlängern.

Somalia S/RES/2498(2019), 15.11.2019 Der Sicherheitsrat verurteilt, dass Al-Shabaab in Somalia zusätzlich +12; Anlagen A bis C zum Handel mit Holzkohle Einnahmen aus natürlichen Ressourcen, –0; insbesondere auch aus der Besteuerung des illegalen Handels mit =3 (Äquatorialguinea, China, Zucker, von Agrarprodukten und Nutztieren, erzielt. Er ersucht die Russland) Sachverständigengruppe für Somalia, mit Beiträgen der somali- schen Bundesregierung und des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung alle Einnahmequellen, Lager- und Transfermethoden Al-Shabaabs zu analysieren und dem Ausschuss nach Resolution 751(1992) betreffend Somalia Empfehlungen vorzulegen. Der Rat beschließt, das Mandat der Sachverständigen- gruppe für Somalia bis zum 15. Dezember 2020 zu verlängern.

Südsudan S/PRST/2019/11 8.10.2019 Der Sicherheitsrat betont, ein Jahr nach der Unterzeichnung des Neubelebten Abkommens über die Beilegung des Konflikts in der Republik Südsudan, dass dieses einen wichtigen Schritt im Friedensprozess darstellt. Er bekundet seine Besorgnis über die desolate humanitäre Lage und verurteilt alle Verstöße gegen dieses Abkommen sowie das Abkommen vom 21. Dezember 2017 über die Einstellung der Feindseligkeiten, den Schutz von Zivilpersonen und den humanitären Zugang. Der Rat fordert die Parteien, die das Neubelebte Abkommen nicht unterzeichnet haben, auf, sich um eine politische Lösung zu bemühen.

282 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Dokumente der Vereinten Nationen

Sicherheitsrat UN-Dok.-Nr. Datum Gegenstand Abstimmungs- ergebnis

Sudan/Südsudan S/RES/2492(2019) 15.10.2019 Der Sicherheitsrat beschließt, das in den Resolutionen 2024(2011) einstimmige und 2075(2012) festgelegte Mandat der Interims-Sicherheitstruppe Annahme der Vereinten Nationen für Abyei (UNISFA) bis zum 15. November 2019 zu verlängern.

S/RES/2495(2019) 31.10.2019 Der Sicherheitsrat beschließt, das Mandat des Hybriden Einsatzes einstimmige der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur Annahme (UNAMID) bis zum 31. Oktober 2020 zu verlängern. Er beschließt, dass die derzeitigen Obergrenzen der Truppen- und Polizeistärke des UNAMID bis zum 31. März 2020 beibehalten werden und dass der UNAMID während dieses Zeitraums alle Teamstandorte zur Mandatserfüllung beibehalten wird, mit Ausnahme seines Sektor-Hauptquartiers in Süd-Darfur, das geschlossen wird.

S/RES/2497(2019) 14.11.2019 Der Sicherheitsrat beschließt, das in Resolution 1990(2011) einstimmige festgelegte Mandat der Interims-Sicherheitstruppe der Vereinten Annahme Nationen für Abyei (UNISFA) bei gleicher Truppen- und Polizeistärke bis zum 15. Mai 2020 zu verlängern. Er beschließt ferner, das in Resolution 2024(2011) festgelegte und in Resolution 2075(2012) geänderte Mandat der UNISFA, das die Unterstützung des Gemeinsamen Mechanismus zur Verifikation und Überwachung der Grenze durch die UNISFA vorsieht, bis zum 15. Mai 2020 letztmalig zu verlängern. Zudem beschließt der Rat, dass beide Parteien im Hinblick auf die Markierung der Grenze zwischen Sudan und Südsudan weiter messbare Fortschritte vorweisen und die in dieser Resolution aufgeführten Maßnahmen treffen sollen. Der Rat ersucht den Generalsekretär, eine zivile Stellvertretende Missions- leitung für die UNISFA zu ernennen.

Syrien S/PRST/2019/12 8.10.2019 Der Sicherheitsrat begrüßt die Einigung zwischen der Regierung der Arabischen Republik Syrien und der Syrischen Verhandlungs- kommission auf die Einsetzung eines glaubwürdigen, ausgewoge- nen und inklusiven Verfassungsausschusses, der unter der Vermittlung der Vereinten Nationen in Genf tagen soll. Er stellt fest, dass die Einsetzung eines Verfassungsausschusses der Beginn des politischen Prozesses zur Beendigung des syrischen Konflikts sein soll.

Terrorismus S/RES/2490(2019) 20.9.2019 Der Sicherheitsrat nimmt Kenntnis von dem Ersuchen der einstimmige Regierung Iraks in ihrem Schreiben vom 19. September 2019 Annahme (S/2019/760) und beschließt, das Mandat des Sonderberaters und der Ermittlungsgruppe zur Erhebung von Beweismitteln für von der Organisation Islamischer Staat in Irak und der Levante (ISIL/ Daesh) in ihrem Hoheitsgebiet begangene Taten, die möglicher- weise Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord darstellen, bis zum 21. September 2020 zu verlängern.

Westsahara S/RES/2494(2019) 30.10.2019 Der Sicherheitsrat beschließt, das Mandat der Mission der +13; Vereinten Nationen für das Referendum in Westsahara (MINURSO) –0; bis zum 31. Oktober 2020 zu verlängern. Er betont, dass eine =2 (Russland, Südafrika) realistische, praktikable und dauerhafte politische Lösung der Westsahara-Frage auf der Grundlage des Kompromisses herbei- geführt werden muss und dass es wichtig ist, die strategische Ausrichtung der MINURSO anzupassen.

Zentralafrikani- S/RES/2499(2019) 15.11.2019 Der Sicherheitsrat beschließt, das Mandat der Mehrdimensiona- einstimmige sche Republik len integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Annahme der Zentralafrikanischen Republik (MINUSCA) mit unveränderter Truppenstärke bis zum 15. November 2020 zu verlängern. Er beschließt zudem, dass das strategische Ziel der MINUSCA in der Unterstützung der Schaffung der politischen, sicherheitsbezoge- nen und institutionellen Bedingungen besteht, die der dauerhaf- ten Verringerung der Präsenz bewaffneter Gruppen förderlich sind.

VEREINTE NATIONEN 6/2019 283 Jahresinhaltsverzeichnis | 67. Jahrgang 2019

Jahresinhaltsverzeichnis 2019 Um einen raschen Zugang zum Inhalt der Zeitschrift Vereinte Nationen zu ermöglichen, enthält seit 1979 jeder Jahrgang ein Jahresinhaltsverzeichnis; eine detailliertere Erschließung früherer Jahrgänge gewährleistet das Online-Archiv, abrufbar unter zeitschrift-vereinte-nationen.de/archiv/. Das Jahresinhaltsverzeichnis ordnet die Beiträge, Standpunkte, Interviews, Reden und Berichte grob nach Themenkreisen, die den Schwerpunkten der Arbeit der Weltorganisation entsprechen. Danach folgen die Buchbesprechungen, die Personalien, die Über­ sichten sowie – nach Themen geordnet – die Dokumente der Vereinten Nationen. Das Register der Autorinnen und Autoren ergänzt die Übersicht über den Jahrgang. Um das Auffinden der Beiträge in den einzelnen Heften des Jahrgangs zu erleichtern, sind hier die Seitenzahlen angegeben:

VN 1/2019: Seite 1–48 VN 2/2019: Seite 49–96 VN 3/2019: Seite 97–144 VN 4/2019: Seite 145–192 VN 5/2019: Seite 193–240 VN 6/2019: Seite 241–288

Allgemeines und Grundsatzfragen 33 C-Waffen-Übereinkommen | Vierte Überprüfungskonferenz 2018 | Ralf Trapp 3 Krise des Multilateralismus – Krise der Vereinten Nationen? 74 Stimmen zu Deutschland im Sicherheitsrat Tanja Brühl 2019/2020 | Gustavo de Carvalho · Andrés González Sukehiro Hasegawa 9 Der ›Brexit‹, die EU und die UN Richard Gowan 83 Aktionsprogramm zu Kleinwaffen und leichten Waffen | 3. Überprüfungskonferenz 2018 | 27 50 Jahre Gemeinsame Inspektionsgruppe Simone Wisotzki der UN Wolfgang Münch 99 Eine Nachkriegsordnung mit oder ohne die UN? | 225 Generalsekretär | Bericht für die 74. General- Bente Scheller versammlung Henrike Landré 111 Humanitäre Hilfe in Syrien: Krise der Innovationen | 243 Laboratorium für eine friedlichere Welt Martin Quack · Ralf Südhoff Matthias Schulz 117 Standpunkt | Große Bühne, glamouröser Auftritt | Hannah Birkenkötter · Andrea Liese 246 Drei Fragen an | Blandine Blukacz-Louisfert 118 Kolumbianischer UN-Frieden? | René Fernando 250 Deutschlands Weg in den Völkerbund Urueña Hernández Joachim Wintzer 130 Sicherheitsrat | Tätigkeit 2018 | Judith Thorn 256 Das Scheitern von Joseph Avenol Bob Reinalda 233 »Die Erde brennt lichterloh.« Heiko Maas

272 Generalversammlung | 72. Tagung 2017/2018 261 Standpunkt | Prävention braucht politische Führung Henrike Landré Gerrit Kurtz 275 Abrüstungskonferenz | Tagungen 2018 und 2019 Oliver Meier Politik und Sicherheit 8 Drei Fragen an | Heiko Maas Rechtsfragen 21 Möglichkeit und Grenzen für Deutschland im 87 Internationaler Strafgerichtshof | Sicherheitsrat Loraine Sievers Tätigkeit 2018 Mayeul Hiéramente

32 Weltraumausschuss | Tagungen 2018 | 105 Die völkerstrafrechtliche Aufarbeitung des Syrien- Franziska Knur Konflikts | Patrick Kroker

284 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Jahresinhaltsverzeichnis | 67. Jahrgang 2019

110 Drei Fragen an | Michelle Jarvis 51 Soziale Sicherung – eine globale Herausforderung Gabriele Köhler 136 Völkerrechtskommission | 70. Tagung 2018 Linus Mührel 57 Das ›Soft Law‹ im Bereich der sozialen Sicherung Markus Kaltenborn 147 60 Jahre Weltraumrecht Kai-Uwe Schrogl 63 100 Jahre Internationale Arbeitsorganisation 183 Internationaler Gerichtshof | Tätigkeit 2018 Daniel Maul Elisa Freiburg-Braun 69 Frischer Wind und Gesundheit für alle 195 Die Weltordnung des Digitalen Marc Engelhardt Matthias C. Kettemann 76 Standpunkt | Die Zeit ist reif Jan Beagle

85 Ausschuss gegen das Verschwindenlassen | Wirtschaft und Entwicklung 14. und 15. Tagung 2018 Rainer Huhle 14 Die Welthandelsorganisation 133 Menschenrechtsrat | Tagungen 2018 unter Druck Evita Schmieg Theodor Rathgeber

56 Drei Fragen an | Philip Alston 177 Beratender Ausschuss des Menschenrechtsrats | 20. und 21. Tagung 2018 Norman Weiß

77 Deutschlands Ko-Vorsitz im Globalen Forum für 179 Menschenrechtsausschuss | 122. bis Migration und Entwicklung Stefan Rother 124. Tagung 2018 Andreas Buser 124 Die Entwicklung des UNDP Alynna Lyon 181 Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen | 19. und 20. Tagung 2018 152 Drei Fragen an | Simonetta Di Pippo Lukas Groß

154 Raumfahrt für nachhaltige Entwicklung 213 Standpunkt | ›Business as usual‹ reicht nicht! Franziska Knur · Markus Woltran Silke Voß-Kyeck

160 Zur Zukunft des Weltraumbergbaus Stephan Hobe 214 Im Zeitalter des ›Anti-Humanitarismus‹ Philipp Frisch · Sarina Theurer 164 Standpunkt | Für eine zivile Nutzung des Weltraums Bernhard Schmidt-Tedd 220 Acht Jahre Kampf gegen das Verschwindenlassen Rainer Huhle 165 SDGs: Zwischen Investmentchancen und ›Greenwashing‹ Adele Orosz 227 Ausschuss für die Rechte des Kindes | 77. bis 79. Tagung 2018 Jana Hertwig 171 Migration in der Agenda 2030 Felix Braunsdorf 229 Sozialpakt | 63. und 64. Tagung 2018 Claudia Mahler 198 Drei Fragen an | Fabrizio Hochschild 276 Frauenrechtsausschuss | 69. bis 71. Tagung 2018 201 Verliert das Internet Governance Forum Heike Rabe an Bedeutung? Julia Pohle 278 Ausschuss für die Beseitigung der Rassen- 207 Künstliche Intelligenz nachhaltig entwickeln diskriminierung | 95. bis 97. Tagung 2018 Christian Djeffal Alexandra Steinebach

226 Internet Governance Forum | 2018 Wolfgang Kleinwächter

267 Den digitalen Wandel nachhaltig gestalten Verwaltung und Haushalt Kerstin Fritzsche 20 Standpunkt | Desinteresse an multilateralen Lösungen? Mirjam Kalle

231 Beitragsschlüssel für den Haushalt der Vereinten Sozialfragen, Kultur und Nationen 2019 bis 2021 Ronny Patz Menschenrechte 262 Deutschlands Finanzbeiträge zum UN-System 35 Ausschuss gegen Folter | 63. bis 65. Tagung 2018 zwischen 2008 und 2018 Andreas Buser Klaus Hüfner · Ronny Patz

VEREINTE NATIONEN 6/2019 285 Jahresinhaltsverzeichnis | 67. Jahrgang 2019

Umwelt 280 Michel Erpelding/Burkhard Hess/Hélène Ruiz Fabri (Eds.), Peace Through Law. The Versailles Peace 37 Klimarahmenkonvention | 24. Vertragsstaatenkon- Treaty and Dispute Settlement After World War I ferenz 2018 | Kyoto-Protokoll | 14. Treffen der Eckart Conze Vertragsstaaten 2018 | Klimaabkommen von Paris | 3. Vertragsstaatenkonferenz 2018 281 Alfons Siegel, Erzbergers Lehren für den Welt- Jürgen Maier frieden: Völkerbund, Solidarismus und die Zukunft der UNO Alfredo Märker 89 Übereinkommen über die biologische Vielfalt | 14. Vertragsstaatenkonferenz 2018 | Cartagena- Protokoll | 9. Vertragsstaatenkonferenz 2018 | Nagoya-Protokoll | 3. Vertragsstaatenkonferenz 2018 Jürgen Maier Personalien 39 Edeltraud Günther, Dirk Messner, António Manuel de Carvalho Ferreira Vitorino, Andreas Zimmermann, Satya S. Tripathi Buchbesprechungen 91 Michael Lollesgaard, Armida Salsiah Alisjahbana, Geir 40 Sergei Shishkin: Controller: The United Nations O. Pedersen, Inger Andersen, Luis Alfonso de Alba Inside and Out Björn Neugebauer 138 Lynn St. Amour, Rola Dashti, Sima Samar, Hannah S. 41 Andrew S. Thompson: On the Side of the Angels. Tetteh, Ibrahim Thiaw, Juan Gabriel Valdés Canada and the United Nations Commission on 185 Gerhard Adrian, Qu Dongyu, Fabrizio Hochschild, Human Rights Lisa Heemann Nicholas Koumjian, Workneh Gebeyehu Negewo

92 Nina Claire-Himpe, Die Universalisierung sozialer 236 Winifred ›Winnie‹ Karagwa Byanyima, Melissa Fleming, Menschenrechte am Beispiel sozialer Grundsiche- Barbara Lochbihler, Mehrdad Payandeh, Gillian Triggs rung Markus Kaltenborn

93 Julia Hagn, UNICEF: Caught in a Hypocrisy Loop. The Institutionalisation of Organised Hypocrisy at Übersichten the United Nations Children’s Fund Michele Tan 44 Die UN-Mitgliedstaaten Übersichten 139 John Trent/Laura Schnurr, A United Nations Renaissance. What the UN is, and what it could be Dokumente Friederike Bauer Afghanistan 94 S/RES/2460(2019) 140 Manuel Fröhlich/Abiodun Williams (Eds.), 238 S/RES/2489(2019) The UN Secretary-General and the Security Council. A Dynamic Relationship Ingvild Bode Afrika 94 S/RES/2457(2019) 141 Joseph E. Schwartzberg, Die Transformation des Systems der Vereinten Nationen. Entwürfe für eine Bosnien und Herzegowina funktionale Welt Klaus Hüfner 42 S/RES/2443(2018)

Demokratische Republik Kongo 186 Mahulena Hofmann/P.J. Blount (Eds.), Innovation in 142 S/RES/2463(2019) Outer Space: International and African Legal 190 S/RES/2478(2019) Perspectives Rada Popova Demokratische Volksrepublik Korea 187 A. K. Sandoval-Strausz/Nancy H. Kwak (Eds.), 142 S/RES/2464(2019) Making Cities Global. The Transnational Turn in Urban History Jonas Freist-Held Ehemaliges Jugoslawien 282 S/RES/2496(2019) 188 Marc Engelhardt, Weltgemeinschaft am Abgrund. Frauen Warum wir eine starke UNO brauchen 142 S/RES/2467(2019) Patrick Rosenow 282 S/RES/2493(2019)

189 Lina Rolffs, Angriff auf Friedensmissionen. Friedenskonsolidierung Eine Untersuchung des völkerstrafrechtlichen 42 S/PRST/2018/20 Tatbestands Michael Lysander Fremuth Friedenssicherung 237 Michael Keating/Matt Waldman (Eds.), War and 42 S/PRST/2018/18, S/RES/2447(2018) 142 S/PRST/2019/4 Peace in Somalia. National Grievances, Local 190 S/PRST/2019/5 Conflict and Al-Shabaab Marie-Luise Kemnitz 238 S/PRST/2019/6

286 VEREINTE NATIONEN 6/2019 Jahresinhaltsverzeichnis | 67. Jahrgang 2019

Guinea-Bissau Terrorismus 94 S/RES/2458(2019) 43 S/PRST/2018/21 282 S/PRST/2019/13 143 S/RES/2462(2019) 239 S/RES/2482(2019) Haiti 283 S/RES/2490(2019) 142 S/RES/2466(2019) 190 S/RES/2476(2019) Westafrika 239 S/PRST/2019/7 Humanitäres Völkerrecht 190 S/RES/2474(2019), S/RES/2475(2019) Westsahara 238 S/PRST/2019/8 143 S/RES/2468(2019) 283 S/RES/2494(2019) Irak 95 S/PRST/2019/1 Zentralafrika 142 S/RES/2470(2019) 239 S/PRST/2019/10

Jemen Zentralafrikanische Republik 42 S/RES/2451(2018) 43 S/RES/2446(2018), S/RES/2448(2018) 95 S/RES/2452(2019), S/RES/2456(2019) 95 S/RES/2454(2019) 191 S/RES/2481(2019) 143 S/PRST/2019/3 238 S/PRST/2019/9 239 S/RES/2488(2019) 283 S/RES/2499(2019) Kolumbien 238 S/RES/2487(2019) Zypern 95 S/RES/2453(2019) Libyen 239 S/RES/2483(2019) 43 S/RES/2441(2018) 191 S/RES/2473(2019) 238 S/RES/2486(2019) 282 S/RES/2491(2019) Register der Autorinnen und Autoren

Mali Alston, Philip 56 Kurtz, Gerrit 261 143 S/PRST/2019/2 Bauer, Friederike 139 Landré, Henrike 225, 272 191 S/RES/2480(2019) Beagle, Jan 76 Liese, Andrea 117 239 S/RES/2484(2019) Birkenkötter, Hannah 117 Lyon, Alynna 124 Blukacz-Louisfert, Blandine 246 Maas, Heiko 8, 233 Migration Bode, Ingvild 140 Mahler, Claudia 229 42 A/RES/73/195 Braunsdorf, Felix 171 Maier, Jürgen 37, 89 Brühl, Tanja 3 Märker, Alfredo 281 Naher Osten Buser, Andreas 35, 179 Maul, Daniel 63 41 S/RES/2449(2018), S/RES/2450(2018) Conze, Eckart 280 Meier, Oliver 275 191 S/RES/2477(2019) 239 S/RES/2485(2019) de Carvalho, Gustavo 74 Mührel, Linus 136 Di Pippo, Simonetta 152 Münch, Wolfgang 27 Djeffal, Christian 207 Neugebauer, Björn 40 Reform Engelhardt, Marc 69 Orosz, Adele 165 94 A/RES/73/281 Freiburg-Braun, Elisa 183 Patz, Ronny 231, 262 Freist-Held, Jonas 187 Pohle, Julia 201 Somalia Fremuth, Michael Lysander 189 Popova, Rada 186 43 S/RES/2442(2018) Frisch, Philipp 214 Quack, Martin 111 95 S/RES/2461(2019) 191 S/RES/2472(2019) Fritzsche, Kerstin 267 Rabe, Heike 276 282 S/RES/2498(2019), Anlagen A bis C González, Andrés 74 Rathgeber, Theodor 133 Gowan, Richard 9 Reinalda, Bob 256 Somalia/Eritrea Groß, Lukas 181 Rosenow, Patrick 188 43 S/RES/2444(2018) Hasegawa, Sukehiro 74 Rother, Stefan 77 Heemann, Lisa 41 Scheller, Bente 99 Hernández, René Fernando 118 Schmidt-Tedd, Bernhard 164 Sudan Urueña 43 S/PRST/2018/19 Schmieg, Evita 14 Hertwig, Jana 227 95 S/RES/2455(2019) Schrogl, Kai-Uwe 147 191 S/RES/2479(2019) Hiéramente, Mayeul 87 Schulz, Matthias 243 Hobe, Stephan 160 Sievers, Loraine 21 Hochschild, Fabrizio 198 Sudan/Südsudan Steinebach, Alexandra 278 43 S/RES/2445(2018) Hüfner, Klaus 141, 262 Südhoff, Ralf 111 143 S/RES/2465(2019), S/RES/2469(2019) Huhle, Rainer 85, 220 Tan, Michele 93 283 S/RES/2492(2019), S/RES/2495(2019), S/RES/2497(2019) Jarvis, Michelle 110 Theurer, Sarina 214 Kalle, Mirjam 20 Thorn, Judith 130 Südsudan Kaltenborn, Markus 57, 92 Trapp, Ralf 33 95 S/RES/2459(2019) Kemnitz, Marie-Luise 237 Voß-Kyeck, Silke 213 191 S/RES/2471(2019) Kettemann, Matthias C. 195 Weiß, Norman 177 282 S/PRST/2019/11 Kleinwächter, Wolfgang 226 Wintzer, Joachim 250 Knur, Franziska 32, 154 Wisotzki, Simone 83 Syrien Köhler, Gabriele 51 Woltran, Markus 154 283 S/PRST/2019/12 Kroker, Patrick 105

VEREINTE NATIONEN 6/2019 287 Impressum

VEREINTE NATIONEN Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen. Deutsche Gesellschaft für Begründet von Kurt Seinsch. ISSN 0042-384X die Vereinten Nationen ISSN (Online): 2366-6773 Vorstand Redaktionsbeirat Herausgeber: Detlef Dzembritzki (Vorsitzender) Friederike Bauer Deutsche Gesellschaft für die Dr. Ekkehard Griep (Stv. Vorsitzender) Dr. Viviane Brunne Vereinten Nationen e.V. (DGVN), Berlin. Prof. Dr. Sven Simon (Stv. Vorsitzender) Dagmar Dehmer Zimmerstr. 26/27, D–10969 Berlin Hannah Birkenkötter (Schatzmeisterin) Prof. Dr. Michael-Lysander Fremuth Telefon: 030 | 25 93 75–0 Isabelle Beaucamp Prof. Dr. Manuel Fröhlich [email protected] | www.dgvn.de Carolin Maluck Dr. Ekkehard Griep Generalsekretärin: Dr. Lisa Heemann Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun Arnd Henze Miriam Mona Müller Annette Hornung-Pickert Leitung der Redaktion: Dr. Patrick Rosenow Winfried Nachtwei Dr. Gerrit Kurtz Redaktion/DTP: Monique Lehmann Tim Richter Thomas Nehls Redaktionsanschrift:VEREINTE NATIONEN Dr. Manuela Scheuermann Dr. Martin Pabst Zimmerstr. 26/27, D–10969 Berlin Max Zuber Telefon: +49 (0)30 | 25 93 75–0 Dr. Viviane Brunne (kooptiert) Forschungsrat Telefax: +49 (0)30 | 25 93 75–29 Inga Christina Müller (kooptiert) Dr. Marianne Beisheim E-Mail: [email protected] Internet: www.zeitschrift-vereinte-nationen.de Prof. Dr. Manuel Fröhlich Präsidium Prof. Dr. Gisela Hirschmann Druck und Verlag: Gerhart R. Baum Prof. Dr. Thomas Kleinlein BWV | Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH Prof. Dr. Harald Braun Dr. Anne Koch Markgrafenstraße 12–14, D-10969 Berlin Dr. Hans Otto Bräutigam Prof. Dr. Andrea Liese Telefon: +49 (0)30 | 84 17 70–0 Dr. Eberhard Brecht Prof. Dr. Sven Simon Telefax: +49 (0)30 | 84 17 70–21 Prof. Dr. Thomas Bruha Dr. Cornelia Ulbert E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Klaus Dicke Dr. Silke Weinlich Internet: www.bwv-verlag.de Bärbel Dieckmann Prof. Dr. Norman Weiß Erscheinungsweise: zweimonatlich Dr. Hans D’Orville (Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember) Dr. Martin Dutzmann Landesverbände Hans Eichel Landesverband Bezugspreise des BWV: Dr. Uschi Eid Baden-Württemberg Jahresabonnement Printausgabe 67,– Euro* Manfred Eisele Vorsitzender: Jahresabonnement Onlineausgabe 67,– Euro Dr. Alexander Gunther Friedrich Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun Jahresabonnement Print- und Onlineausgabe, Privat, 89,– Euro* Sigmar Gabriel [email protected] Jahresabonnement Print- und Onlineausgabe, Institutionen, 120,– Euro* Heike Hänsel Einzelheft 13,– Euro* Dr. Wilhelm Höynck Landesverband Bayern *Alle Preise inkl. MwSt., zzgl. Porto. Prof. Dr. Klaus Hüfner Vorsitzender: Dr. Martin Pabst Für Mitglieder der DGVN ist der Bezugspreis im Prälat Dr. Karl Jüsten [email protected] Mitgliedsbeitrag enthalten. Angela Kane Dr. Inge Kaul Landesverband Berlin-Brandenburg Bestellungen nehmen entgegen: Karin Kortmann Vorsitzender: E-Mail: [email protected] Dr. Manfred Kulessa Dr. Lutz-Peter Gollnisch Tel.: +49 (0)30 | 84 17 70–22 Armin Laschet [email protected] Fax: +49 (0)30 | 84 17 70–21 Dr. Hans-Werner Lautenschlager † sowie der Buchhandel. Prof. Dr. Klaus Leisinger Landesverband Hessen Kündigung drei Monate vor Kalenderjahresende. Dr. Kerstin Leitner Vorsitzender: Dustin Dehez Zahlungen im Voraus an: Walter Lewalter [email protected] BWV | Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, Thomas Matussek Postbank Berlin Karin Nordmeyer Landesverband Norddeutschland IBAN DE 39 1001 0010 00288751 01, Karl Theodor Paschke Vorsitzender: Fabian Beigang SWIFT (BIC): PBNKDEFF Dr. Gunter Pleuger [email protected] Prof. Dr. Beate Rudolf Anzeigenverwaltung und Anzeigenannahme: Dr. Michael Schaefer Landesverband Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH Prof. Wolfgang Schomburg Franziska Fiebig Nordrhein-Westfalen Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer Tel.: +49 (0)30 | 84 17 70–26 Vorsitzender: Thomas Weiler Peter Schumann Fax: +49 (0)30 | 84 17 70–21 [email protected] E-Mail: [email protected] Dr. Irmgard Schwaetzer Prof. Dr. Anja Seibert-Fohr Landesverband Sachsen, Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge Prof. Dr. Bruno Simma Sachsen-Anhalt, Thüringen und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, Michael Steiner Vorsitzende: Johanna Leidel die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf Wolfgang Stöckl [email protected] der vorherigen Zustimmung des Verlags. Dies gilt insbesondere für Prof. Dr. Rita Süssmuth Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen Prof. Dr. Klaus Töpfer und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Prof. Dr. Christian Tomuschat Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht notwendigerweise die Dr. Günther Unser Vorschau Meinung des Herausgebers oder der Redaktion wieder. Prof. Dr. Johannes Varwick Die nächste Ausgabe Heft 1/2020 Prof. Dr. Hans-Joachim Vergau erscheint im Februar 2020 zum Prof. Dr. Ernst-Ulrich von Weizsäcker Thema ›Sprache‹. Gefördert durch das Auswärtige Amt. Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Almut Wieland-Karimi Dr. Peter Wittig VEREINTE NATIONEN wird auf Prof. Dr. Rüdiger Wolfrum Recycling-Papier aus 100 % Prof. Dr. Christoph Zöpel Altpapier gedruckt.

288 VEREINTE NATIONEN 6/2019