Die Musik in Geschichte und Gegenwart Supplement 12Ager A

Aa, Michel van der bildung. Sie debütierte am 15. Febr. 1889 an der Wiener Hofoper in *10. März 1970 in Oss (Niederlande), Komponist. Van der Aa stu- V.Bellinis La sonnambula als Amina. Die Kritik bewunderte zwar die dierte Komposition und Aufnahmetechnik am Kgl. Kons. in Den technische Versiertheit der jungen Künstlerin, hielt ihre Leistung Haag bei Diderik Wagenaar, Gilius van Bergeijk und L.Andriessen. Er aber in musikalischer Hinsicht für wesentlich steigerungsfähig. Über besuchte den International Dance Course for Professional Choreographers Riga (1890–1891) und München (1891–1894) kehrte sie wieder nach and Composers (1994), studierte an der New York Film Academy (2002) Wien zurück, konnte dort aber trotz der Protektion Mahlers nicht und war Teilnehmer des Director’s Lab am Lincoln Center Theater endgültig Fuß fassen. Sie ging deshalb am 1.Sept. 1899 an die Dresde- (New York 2007). Van der Aa wurde mehrfach mit Preisen ausge- ner Hofoper, deren Mitglied sie bis zum 30. Sept. 1909 blieb. Dort zeichnet (Kompositonspreis der Stiftung Gaudeamus, 1999; Nach- erschloß sie sich am 21. Okt. 1902 als (neben K.Burrian und wuchspreis des Amsterdam Fonds voor de Kunst, 2000; Matthijs Vermeulen C.Scheidemantel) bei der deutschen EA von Puccinis gleichnamiger Prijs, 2004; Ernst von Siemens Musikpreis und Charlotte-Köhler-Preis, 2005; Oper die letzte große Rolle ihres ungewöhnlichen Repertoires. Nach Paul-Hindemith-Preis, 2006). dem offiziellen Ende ihrer Opernkarriere wirkte sie weiterhin als Konzertsängerin, war aber vor allem pädagogisch tätig. werke (Auswahl; Verleger: bis 2004 Donemus, Amsterdam, anschlie- ßend Boosey & Hawkes, London) Die souveräne technische Verfügbarkeit über ihre Stimme hat A.Vokalmusik Irene Abendroth schon in jungen Jahren dazu verführt, sich ein Here Trilogy für S, KaOrch. und Soundtrack (2001–2003) Repertoire ohne Fachgrenzen zu schaffen, das schließlich mehr als 70 Partien umfaßte. Bereits in Riga – die Sängerin war damals noch B.Bühnenwerke keine 20 Jahre alt – verfügte sie über ein darstellerisches Spektrum, One (M. van der Aa), Kammeroper 1 Akt (2002; 2003 Amsterdam) After Life (Hirokazu Kore Eda), Oper 1 Akt für 8 Sänger, Ens., Video und Soundtrack das von Mozarts Königin der Nacht (Die Zauberflöte) bis zu Wagners (2005/06; 2006 Amsterdam) elektron. Abschnitte (Inserts) für L.Andriessen, Sieglinde (Die Walküre) und Venus (Tannhäuser) reichte – stimmliche Writing to Vermeer (1999) und musikalische Höchstanforderungen, die für das frühe Karrie- reende mitverantwortlich gewesen sein mögen, was sich jedoch in C.Instrumentalmusik Auburn für Git. und Tonband (1994) Oog für Vc. und Tonband (1995; rev. 2000) den wenigen Aufnahmen, entstanden 1902, trotz ihrer eingeschränk- Between für Schlagzeugqu. und Tonband (1997) Faust für Ens. und Sound- ten Aussagefähigkeit keineswegs schon andeutet. Die unbestreitba- track (1998) Above für dass. (1999) Attach für dass. (1999) Just Before für Kl. ren Mängel der unzureichend kräftigen, farblich oft fahlen unteren und Soundtrack (2000) See-through für Orch. (2000; rev. 2001) Second Self für Mittellage und ein ästhetisch störender Registerbruch in der Verbin- Orch. und Soundtrack (2004) Imprint für Barockorch. (2005) Mask für Ens. dung zur Tiefe sind eher Defizite, die bei vielen deutschen Soprani- und Soundtrack (2006) stinnen aus jener Zeit auffallen, als Merkmale eines einsetzenden persönlichen Stimmverfalls. Dank des fesselnden, oft dramatischen Impetus seiner Musik literatur B.Wildberg, Das Dresdner Hoftheater in der Gegenwart. Biogra- avancierte van der Aa zu einem der originellsten Komponisten seiner phien und Charakteristiken, /Lpz. 1902 T.Thaller, Irene Abendroth. Ein Generation. Wohlklingende Akkorde wechseln nahezu unvermittelt Fragment ihrer Künstlerlaufbahn, Dresden 1904 Sachsens Gelehrte, Künstler und Schrift- mit nüchtern-atonalen Passagen, der von Musikern und Publikum steller in Wort und Bild, hrsg. von B.Volger, Lpz.-Gohlis 1907/08 H.Schnoor, gemeinsam genutzte Raum durchdringt als theatralisch-performati- Dresden. 400 Jahre dt. Musikkultur, Dresden 1948 L.Riemens, Irene Abendroth, in: ves Element und dreidimensionaler Kontext die Musik; dabei kann RC 6, 1951, 77–85 M.Scott, The Record of Singing. To 1914, L. 1977, 168f. L.Di sich der Eindruck der Live-Aufführung jedoch durch elektronische Cave, Mille voci, una stella. Il contributo degli esecutori vocali ebrei o di origine ebreica alla Kesting (1986) Manipulation plötzlich als Täuschung erweisen. Das preisgekrönte musica operistica e classica, Rom 1984, 45f. Stück Between, mit Attach und Above Teil einer Trilogie (1997, 1999), alois büchl beruht auf einem stark reduzierten Material: auf zehn Akkorden, die aus nur fünf Tönen bestehen. Die Soundtracks enthalten vielfach elek- troakustische Klangbearbeitungen der Instrumente, mit denen sie im Ager, Klaus selben Stück in einen – mitunter hoketusartigen – Dialog treten. Seit *10. Mai 1946 in Salzburg, Komponist und Dirigent. Ager stu- Beginn des 21. Jh. widmete sich van der Aa auch dem Musiktheater, dierte am Mozarteum Salzburg Dirigieren, Klavier, Violine, Komposi- u.a. mit One (2002), dessen Bildprojektionen präzise auf den Auftritt tion (1967–1970), an der Univ. Salzburg Mw., danach (1971–1973) am der Sängerin abgestimmt sind, ein Verfahren, das er in After Live Pariser Cons. Elektroakustische Musik (P.Schaeffer) und Komposi- (2005/06) weiterentwickelte. tion (O.Messiaen). Neben Tätigkeiten als Korrepetitor bei den Salz- burger Festspielen (1970/71), als freier Mitarbeiter bei Radio France literatur E. wennekes/M.Delaere, Zeitgenöss. Musik in den Niederlan- den und in Flandern, Rekkem 2006, 56–59 Paris (1973) und beim Österreichischen Rundfunk Salzburg (ORF) (1974–1978) war er Assistent an der Lehrkanzel für Musiktheorie am emile wennekes Mozarteum Salzburg (1973–1979); seit 1979 ist er Leiter der dortigen Lehrkanzel für Musikanalyse (ab 1986 Prof.). Er gründete 1975 das Österreichische Ensemble für Neue Musik, dessen Leiter er bis 1986 Abendroth, Irene zugleich war, wurde ab 1977 Präs. und künstlerischer Leiter des Inter- *14. Juli 1872 in Lemberg (heute Lwiw, Ukraine), †1. Sept. 1932 in nationalen Festival Aspekte Salzburg für zeitgenössische Musik, war 1981 bis Weidling bei Wien, Sängerin. Nach einer Karriere als Wunderkind 1994 Präs. der Europäischen Konferenz der Veranstalter Neuer Musik und begann Irene Abendroth bei F.Lamperti in Mailand und seiner Schü- gründete, zusammen mit anderen Komponisten, den Musikverlag lerin Aurelie Jäger-Wilczek in Wien mit ihrer regulären Gesangsaus- Edition 7. Ager war außerdem Prof. für Komposition am Kons. Bregenz Aharonián 34

(1981–1986) und Rektor an der Musikhochschule (seit 1998: Univ.) einem spezifischen Verfahren, dem einer »inkohärenten Prozessgestal- Mozarteum Salzburg (1995–2000). Seit 2003 ist er Präs. des Österreichi- tung«: »es geht dabei um das Komponieren von gleichzeitigen Abläufen, die schen Komponistenbundes und baute ab 2005 die Vereinigung der euro- untereinander in verschiedenen Kohärenzgraden stehen, in sich aber linear päischen Komponistenverbände ECF (European Composers Forum) auf, geschlossen verlaufen« (Ager, persönl. Mitteilung). Auf Grundlage jenes deren Präs. er seit der Gründung 2006 ist. Ager erhielt Einladungen (komplexen) kompositionstechnischen Verfahrens, was Mitte der als Gastkomponist, Lektor und Dgt. innerhalb Europas, nach Nord- 1980er Jahre abgeschlossen ist, widmet sich Ager zunehmend einer und Südamerika, Türkei, Zentralasien, China, Japan, Korea, Taiwan, musikalischen ›Resemantisierung‹ der Instrumentalmusik. Interes- Thailand u.a. sant ist, daß Ager durch seine Beschäftigung mit Kompositions-Auto- matisierungsprozessen auf der Basis von selbstentwickelten Compu- werke (Auswahl; wenn nicht anders angegeben, ersch. bei Edition 7, Salzburg) terprogrammen zu einer Art Neuentdeckung tradierter grundlegen- A.Vokalmusik der musikalischer Phänomene kommt. Seine Rückwendung zu moti- BETA break towards infinity für gemCh. und verschiedene Klangerzeuger op.22, vischer Vernetzung und Formklarheit sieht er als Versuch von ›Faß- Stockholm 1975, Edition Reimers La Règle du jeu für S, Fl., Klar., V., Vc. und Kl. lichkeit‹ des Neuen, ganz im Sinne Weberns. Darüber hinaus finden op.28, Mn. 1978, edition modern Kohärenz – Inkohärenz II für Chor und KaOrch. sich Werke, welche auf direkte Vorbilder hinweisen, z.B. Drei kleine op.30, Wien 1980, Ariadne Verlag Gesang zur Nacht für S, Fl., Klar., V., Vc. und Kl. Klavierstücke op.81 (2004, als Schönberg-Hommage), Dem schweigenden op.43, 1985 Dem schweigenden Antlitz der Nacht für A/S, Fl., Git. und Schlagwerk Antlitz der Nacht op.44 (1986/1996) und Gesang zur Nacht op.43 (1985, op.44/I und II, 1986 und 1996 KEATS für Gsg. und Ens. op.62, 1991/92 Friede, als Hommage an die verlorene Sprachlichkeit der Musik im 19. Jh.), Kant. für Soli und gr.Orch. op.33/4, 2002 Duino III – Gesualdo für 5st. Chor op.82, 2004 diverse »Canons« mit Bezug zu Vorbildern wie Josquin, J.S.Bach, Webern, Gesualdo u.a. Zahlreiche Werke vereinen beide Aspekte – B.Bühnenwerke bewußte Integration von semantisch besetzten Materialien (selbst Agnus Dei, Ballettmusik auf Tonband (1980 Bonn) mus. Topoi) bei computergesteuerter ›inkohärenter Prozeßgestal- C.Instrumentalmusik tung‹ (u.a. Fades the light from the sea op.33/3; 1981; Lamento, 1981; HOSHI für BläserQnt. op.13, Mn. 1975, edition modern StrQu. I op.21, 1977 KHAGJA op.64, 1992). Daneben eignet Agers Musik eine Haltung des Kohärenz – Inkohärenz I für 3 BKlar. op.29, 1980 Fades the light from the sea für Ruhigen, Leisen, bis hin zum Schweigen. Gleich 15 silences-Titel fin- Orch. op.33/3, 1981 Lamento für StrOrch. op.33/2, 1981 Blätter für Kl. op.45, den sich, zusätzlich zwei über Stille, drei über Nacht, fünf über Trauer 1987–1989 Kohärenz – Inkohärenz III für Fl. op.46, 1987 Serenade für Hammerkla- und Tod: Ager ist auch ein Komponist der Stille, Besinnung und vier und Ens. op.60/1, 1990 Konzert (Serenade) für Kl. und Orch. op.60/2, 1991 Meditation. KHAGJA für Fl. und Schlgz. op.64, 1992 Drei kleine Klavierstücke op.81, 2004 Camchatka für Vc., 2006 dieter torkewitz D.Tonbandmusik, elektroakustische und Computer-Musik sondern die sterne sinds op.12 (1974; rev. 1976) Poêmes op.14, 1976 ORC17 für com- putergeneriertes Tonband op.33/1, 1981 CLB512 für Klar. und Tonband op.39, Aharonián, Coriún 1983 Bibyké, Klangmobilprojekt (1991) *4. Aug. 1940 in Montevideo, Komponist, Dirigent, Musikwissen- E.Schriften schaftler, Pädagoge, Autor und Organisator. Schon während der Der Ultrachromatismus Ivan Wyschnegradskys in melodischer und rhythmischer Hinsicht, in: Schulzeit übte der Sohn armenischer Eltern Chor- und Dirigententä- Mikrotöne. Ber. über das internat. Symposium Mikrotonforschung, Salzburg tigkeiten aus und erhielt eine musikalische Ausbildung, die er später, 1985, hrsg. von Fr. Richter-Herf, Innsbruck 1986, 123–126 Friedrich Cerha: Spiegel, in: Melos 48, 1986, 2–39 Olivier Messiaen: ein Sonderfall? Gedanken anlässlich seines nach einem vierjährigen Architekturstudium, in Montevideo fort- 80. Geburtstags, in: ÖMZ 43, 1988, 172–176 Tonalität – Atonalität: Schönbergs Streich- setzte. Er lernte Klavier spielen bei Adela Herrera-Lerena (1945–1959), quartett op.10, in: Capriccio di Strauss, Nr.1, 2004, 7–11 Vom domaine public payant studierte Komposition bei H.Tosar Errecart (1955–1957, 1966–1969), zum »Mozartgroschen«, in: ÖMZ 59, 2004, 31–35 Mw. bei L.Ayestarán (1964–1966) und Orchesterleitung bei Jacques Bodmer (1966–1969). Nebenher betätigte er sich als Lehrer an Schulen Ager ist einer der renommiertesten Vertreter und Botschafter der und anderen pädagogischen Instituten und schrieb Musikkritiken österreichischen zeitgenössischen Musik seit 1970. Seine Werke sind für Lokalzeitungen. 1967 bis 1974 war er Generalsekretär der Asociación auf zahlreichen nationalen und internationalen Festivals zu hören. de Educadores Musicales del Uruguay und 1967 bis 1982 sowie 1985/86 Darüber hinaus gehört er als Initiator, Leiter und Organisator zu den Sekretär der Sociedad Uruguaya de Música Contemporánea (SUMC). markanten österreichischen Persönlichkeiten der Neuen Musikszene. Mehrere Stipendien ermöglichten Aharonián ein Aufbaustudium am Am Anfang seiner bereits umfangreichen Werkliste (ca. 100 Titel) ste- Centro Latinoamericano de Altos Estudios Musicales (CLAEM) des Insti- hen Instrumental- und Tonbandmusik. Dem Instrumentalen scheint tuto Torcuato Di Tella in Buenos Aires (1969), in Paris (1969/70) mit den Jahren ein Übergewicht zuzukommen; doch immer wieder sowie bei L.Nono in Venedig (1970), der sein gesellschaftspolitisches gibt es Elektroakustisches dazwischen: ausschließlich oder zum Engagement verstärkte. Die Teilnahme an den Darmstädter Ferien- Instrumentalen hinzugefügt. Die meditative Grundhaltung vieler kursen (1970, 1974) kam ergänzend hinzu sowie seine Arbeit bei der Werke Agers könnte Ergebnis intensiver Beschäftigung mit instru- Groupe de musique expérimentale in Bourges (1974), am Elektronmusik- mentalen und elektroakustischen Möglichkeiten in Hinsicht auf ihre studion in Stockholm (1984, 1988) und am Studio für Elektroakusti- kompositorische Verknüpfung sein. So weist Beta (1975) in ihrer sche Musik der Akad. der Künste Berlin (1995). Während der Zeit der schwebenden, raumgreifenden Statik fast elektronische Züge auf. Militärdiktatur in Uruguay widmete sich Aharonián pädagogischen Agers kompositorische Arbeit geht stets von einem Ausloten der und kulturpolitischen Aufgaben (1973–1985). Er gab privat Komposi- jeweils relevanten klanglichen Möglichkeiten aus: Beispielsweise tionsunterricht und gehörte zum Leitungsteam der 15 Cursos Latino- werden die Beziehungen zwischen Stimme und Instrumentalklang americanos de Música Contemporánea (1971–1989), in denen eine ›latein- thematisiert, die von Text und Semantik, solche von diversen Disson- amerikanische‹ Identität in der Musik diskutiert und erprobt wurde. anzarten, die Integration externer Klänge bis hin zu Klischees, der 1971 bis 1984 war er zudem Mitarbeiter an der gemeinnützigen uru- Miteinbezug von Mikrotonalität, Raum usw. Oft kommt dies bereits guayischen Schallplattenedition Tacuabé mit erstmals länderüber- im Titel zum Ausdruck (z.B. Kohärenz – Inkohärenz I-III, 1980, 1987). greifender neuer Musik des Subkontinents. 1984 ging Aharonián mit Mittels selbstentwickelter Computerprogramme gelangt Ager zu einem Stipendium des Deutschen akademischen Austauschdienstes für ein 56Ailey

Jahr nach Berlin. Nach seiner Rückkehr nach Montevideo nahm er Musiktraditionen, die blockhafte, nichtentwickelnde, nichtdiskur- wieder diverse Lehr- und Chorleitertätigkeiten auf, war u.a. Prof. für sive Struktur dagegen auf die Geschichte und Lebenswirklichkeit Instrumentenkunde, musikalische Folklore (1985–1992) und natio- Lateinamerikas. Insgesamt sind Aharoniáns Kompositionen als nale Musikgeschichte (1989–1992) an der Escuela Universitaria de ästhetische Konzepte einer für den Subkontinent charakteristischen Música sowie Gastdoz. an verschiedenen Univ. Argentiniens, Brasi- Mestizenkultur zu betrachten. liens, Kolumbiens und Ecuadors (seit 1982). 1983 bis 1985 gehörte er literatur M.Fürst-Heidtmann, Militancia cultural: der lateinamer. zum Vorstand der International Association for the Study of Popular Music Komponist C.Aharonián, in: MusikTexte 43, K. 1992, 39–43 W.Rüdiger, Wie mit (IASPM) und 1985 bis 1989 zum Präsidium der IGNM.Durch seine Trauer und Wut: Annäherungen an ein Klavierstück von C.Aharonián, in: Üben & Musi- vielseitigen Tätigkeiten, auch als Autor zahlreicher Schriften, die Mit- zieren 1999, Nr.1, 14–23 P.N. Wilson, Reduktion. Zur Aktualität einer mus. Strate- wirkung an internationalen Kursen und Kongressen und die Auffüh- gie, in: Edition Neue Zeitschrift für Musik, Mz. 2003, 66–72 (mit Digo es un decir rung seiner Werke im In- und Ausland wurde Aharonián in den [1979] auf beigefügter CD) E.Herrera, Austeridad, sintaxis no-discursiva y micro- 1980er Jahren zu einem der international bekanntesten und wichtig- procesos en la obra de C.Aharonián, in: Cuadernos de Música, Artes Visuales y Artes P.N. Wilson. sten Repräsentanten der zeitgenössischen Musik Lateinamerikas. Escénicas (Bogotá), Bd.1, Nr.1, Okt. 2004 – März 2005, 23–65 Seine Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet. »Kein Friede hat Musik für unentbehrlich erklärt«. Zur resistencia cultural in der Musik von Graciela Paraskevaídis und C.Aharonián, in: H.Lück/D.Senghaas (Hrsg.), Vom hör- werke (Auswahl; zumeist Mss.) baren Frieden, Ffm. 2005, 286–301 A.Vokalmusik monika fürst-heidtmann »Una estrella, esta estrella, nuestra estrella« für kl. Chor, Cemb., Kl., Bandoneon, Git. und Kb. (1969)

B.Musiktheater Ailey, Alvin Hecho I, estudio sobre el silencio (1966) Theatermusiken *5. Jan. 1931 in Rogers/Tex., †1. Dez. 1989 in New York, Tänzer, C.Instrumentalmusik Choreograph und Tanzpädagoge. Ailey wuchs als Arbeiterkind zur I.Orchesterwerke Lorenzaccio (1968) Mestizo (1993) Filmmusik Zeit der Depression und Rassentrennung in den USA auf. 1942 zog er II.Kammermusik Música para tres für Fl., V. (mikrotonal) und Kl. (1968) mit seiner Mutter, die alleinerziehend war, nach Los Angeles. Ailey, Música para cinco für AFl., Hr., Tr., Pos. und 5 Tom-Toms (1972) Digo, es un decir der vom Steptanz Bill Robinsons (1878–1949), der Nicholas Brothers für 3 Fl., 3 Ob., 3 Klar., Tr. und 2 Kb. (1979) Los cadadías für Klar., Pos., Kl. und (Fayard Nicholas, *1914; Harold Nicholas, 1921–2000) und Fred Vc. (1980), in: M.Fürst-Heidtmann 1992, 44–48 Gente für Fl., Ob., Kl., Fg., Hr., Astaires (1899–1987) fasziniert war, »became ›completely hooked‹ on Tr., Pos., Kb., Marimbula und Steeldrum (1990) Una canción für Fl., Kl., Va., Vc. dance« (J.L. Foulkes 2002, S.180), als er eine Aufführung der Katherine und Kl. (1998) Una carta für 15 Instr. (2001) Cachó la barreta für Schlagzeugens. Dunham Dance Company erlebte. 1949 begann Ailey seine Ausbildung (2004) ¿De qué estamos hablando? für Klar., Fg. und Vc. (2006) bei Lester Horton in Los Angeles, aus dessen Schule auch die Tänze- III.Soloformen Tres pequeñas piezas für Klavier (1966–1973) ¿Y ahora? für Kl. rinnen Carmen de Lavallade, Janet Collins u.a. hervorgingen; 1950 (1984), in: P.Roggenkamp, Neue Klaviermusik für Studium und Unterricht, wurde er Mitglied von Hortons Kompanie. Nach dem Tod Hortons Wbdn. 1990 Llueve sobre el Río de la Plata für Git. (2000) 1953 übernahm Ailey die Leitung der Truppe. IV.Elektroakustische Musik (wenn nicht anders angegeben, für Ton- Bereits ein Jahr später zog es ihn nach New York, wo er als Schau- band) spieler, Tänzer und Choreograph arbeitete und gleichzeitig Unter- Música para aluminios für 3 Spieler und Tonband (1967) Que (1969) Gran tiempo richt bei Graham, Hanya Holm, Doris Humphrey, Anna (1974) Homenaje a la flecha clavada en el pecho de Don Juan Díaz de Solís (1974) ¡Sal- Sokolow und dem Ballettpädagogen Karel Shook nahm. 1958 grün- vad los niños! (1976) Esos silencios (1978) Apruebo el sol (1984) Secas las pilas de todos dete er mit dem Alvin Ailey American Dance Theatre (AAADT) seine los timbres (1995) eigene Kompanie und debütierte 1958 mit Blues Suite; 1960 folgte Reve- D.Schriften (Erscheinungsort Montevideo) lations, das zu einer Tanzlegende wurde. Als erste Kompanie mit far- Héctor Tosar, compositor uruguayo, 1991 Conversaciones sobre música, cultura e identidad, bigen Tänzern, gefördert von der progressiven Kulturpolitik der Ken- 1992 Introducción a la música, 2002 Educación, arte, música, 2004 Músicas populares nedy-Regierung, ging AAADT ab den 1960er Jahren auf Tournee (u.a. del Uruguay, 2007 nach Südostasien, Australien, Brasilien, Europa, China). 1969 grün- Aharonián gilt als Protagonist und Promotor einer spezifisch dete der Choreograph das Alvin Ailey American Dance Center, das lateinamerikanischen Richtung in der zeitgenössischen Musik, die Studenten in den Fächern Tanzgeschichte, Ballett, Modern Dance sich von der kulturellen Dominanz Europas abkehrt, ohne dem in ausbildet und darüber hinaus – in Erinnerung an das Studio von der ersten Hälfte des 20. Jh. in der Musik Lateinamerikas verbreiteten Horton – Kurse über Tanzmusik, Choreographie, Bühnenbild und Nationalismus anheim zu fallen. Mit amerikanischen Einzelgängern Kostüm anbietet. 1974 wurde das Alvin Ailey Repertory Ensemble (heute: wie Varèse, Cage, dem Argentinier J.C.Paz und dem Mexikaner S.Re- Ailey II) ins Leben gerufen, das den Übergang zwischen Studium und vueltas teilt Aharonián die Suche nach einer möglichst eigenständi- Beruf erleichtern soll. 155 Choreographien, wovon ein Drittel von gen Musik. Seine Mittel dafür sind die Aufnahme realen oder Ailey stammte, hat das AAADT bis 1984 aufgeführt. Ailey, der auch sprachlichen Materials aus seiner Umgebung in seine Kompositio- Werke für andere Kompanien schrieb, erhielt zahlreiche Ehrungen, nen – vor allem in seine frühen elektroakustischen Werke – sowie die darunter die Ehrendoktorwürde in Fine Arts der Princeton University Einbeziehung von Instrumenten und Gesten aus der einheimischen (1972), den Dance Magazine Award (1975), den Samuel H.Scripps Ameri- indianischen und Popularmusik. Bis auf wenige Ausnahmen (Secas can Dance Festival Award (1987) und den Kennedy Center Honor Award für las pilas de todos los timbres, 1995; Una canción, 1998) finden sich darin seinen lebenslangen Beitrag zur amerikanischen Kultur. jedoch keine Zitate. Durch die Verwendung von Instrumenten, werke (Auswahl der Choreographien) Rhythmen, melodischen oder klanglichen Wendungen mit sozialer, Mourning Morning (1954 Los Angeles?), Musik: Gertrude Robinson Blues Suite politischer oder kultureller Konnotation haben seine Werke – ähn- (1958 New York), Musik-Arrangement: Paquita Anderson, Jose Ricci Revela- lich wie bei Nono – zudem eine kritisch-ideologische Note. Zwar las- tions (1960 New York), Musik: traditionelle afroamerikanische Spirituals sen die Ökonomie der Mittel und die Bedeutung der Stille als Aus- Quintet (1968 New York), Musik: Laura Nyro Maskela Langage (1969 New drucks- und Reflektionsraum Webern-Einflüsse erkennen, anderer- York), Musik: Hugh Maskela Cry (1971 New York), Musik: Alice Coltrane, seits verweisen wiederholte Muster auf indianisch-afrikanische Laura Nyro, Voices of East Harlem The Mooche (Bühnenversion) (1975 New Alagna 78

York), Musik: Duke Ellington Spell (1981 New York), Musik: Keith Jarrett Albert, Heinrich For Bird – With Love (1984 New York), Musik: Charly Parker, Dizzy Gillespie, *16. Juli 1870 in Würzburg, †12. März 1950 in Gauting, Gitarrist, Count Basie, Jerome Kern, Coleridge Taylor-Perkinson Opus McShann (1988 Gitarrenpädagoge und Herausgeber von Gitarrennoten. Heinrich Kansas City), Musik: Jay McShann, Walter Brown Albert erlernte zunächst das Violinspiel und später Horn. Nach seiner Ausbildung von 1881 bis 1888 an der Kgl. Musikschule in Würzburg Aileys Verdienst für den Tanz besteht darin, die Energien des spielte er als Orchestermusiker in verschiedenen Orchestern in Modern Dance zu bündeln, die Tradition des klassischen Tanzes zu Deutschland, Schweden, der Schweiz und Rußland. 1895 wurde er integrieren und beides mit der politisch ›korrekten‹ Vorstellung des Mitglied im Kaim-Orch. (aus dem die Münchner Philharmoniker hervor- afroamerikanischen und karibischen Erbes Amerikas zu verbinden. gingen) unter Dgt. wie F.Weingartner, A.Nikisch, F.Löwe und Hatten Katherine Dunham und Pearl Primus die Aufmerksamkeit G.Mahler. Ab Mitte der 1890er Jahre eignete er sich autodidaktisch auf die sozialen Dimensionen des concert dance gelenkt, indem sie das Gitarrespiel an, erhielt ab 1905 Anregungen bei Luigi Mozzani unter anthropologischer und tänzerischer Perspektive auf Afrika und und entfaltete ab 1900 eine rege Konzerttätigkeit als Gitarrist und Lei- die Karibik hinwiesen, so machte Ailey die Enkulturation/Akkultura- ter eines Mandolinenorchesters; seine Auftritte als Gitarrist erfolgten tion zur Schlagzeile in seinen Choreographien. Auf diese Weise öff- bis nach 1943. nete er sowohl ethnischen Minderheiten wie dem Modern Dance werke (vgl. K.Huber 1995, S.285–291) einen neuen Weg. I.Kompositionen Sonatine Nr.1+2 für Git. Son. Nr.1+2 für dass. Duette Tanzen und Choreographieren entwickelte sich in Aileys Stücken Nr.1–8 für 2 Git. Trio Nr.1–4 für 3 Git. Qu. Nr.1+2 für 4 Git. Hausmusik aus einem Moment des Übergangs, der in einen narrativen Kontext Nr.1–11 für Fl./V., Va. und Git. (Vc. ad lib.) Kammertrio Nr.1–4 für dass. eingebettet ist. Charakteristisch für Aileys Schaffen ist die Form der Werke für/mit Mandoline(n) Werke für Mandolinenorch. Lieder zur Git. Suite, da sie ihm besonders geeignet erschien, aus einem tänzerischen II.Lehrwerke Moderne Lauten- oder Gitarre-Schule, 2 Bde., Lpz. 1912 und 1923 oder musikalischen Thema Variationen zu entwickeln; darüber hin- Neue Mandolinenschule, ebd. 1913 Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels, aus ermöglichte sie Ailey eine Weiterentwicklung des ›Werks‹ auch 5 H. in 4 Tle., Mn. 1914–1919 Gitarre. Solospiel-Studien, Lpz. 1923 Gitarre. Etüden- noch nach der Premiere. Innerhalb der Suiten und Szenarien entwarf Werk, 6 H., Lpz. 1927/28 Der junge Gitarrist, Bln. 1937 Der junge Mandolinist, ebd. Ailey oft arienähnliche Soli. Choreographische und musikalische 1937 Strukturen beziehen sich häufig unmittelbar aufeinander; Rhythmus III.Editionen 23 H. in der Reihe Die Git. in der Haus- und Kammermusik vor 100 oder Tonart vermitteln die Befindlichkeit der Figur und der Persön- Jahren, Lpz. ab 1918, mit u.a. Werken (für Git. und Kl.; für V. und Git.; für Fl., Va. lichkeit des Tänzers. Ähnlich wie in den Werken von Lester Horton ist und Git.; für 3 Git.; für Git. und StrQu.) von L.Boccherini, L. de Call, F.Carulli, auch in Aileys Choreographien die Beleuchtung bei der Aufführung A.Diabelli, M.Giuliani, F.Gragnani, J.Kreutzer, W.Matiegka, Fr. Molino wichtig, mit der der Zuschauerblick im Raum gelenkt wird. Einen ebenso zentralen Stellenwert haben die Kostüme, die der Charakteri- Nach dem künstlerischen Niedergang der Gitarre in der zweiten sierung der Darsteller dienen. Hälfte des 19.Jh. gab es in Europa um 1900 vor allem zwei Gitarristen, die als Pädagogen, Herausgeber von Noten und als Interpreten ihrem literatur J.L.Foulkes, Modern Bodies, Chapel Hill 2002 T.F. DeFrantz, Dancing Revelations, Oxd. u.a. 2004 R.Tracy, Ailey Spirit, N.Y. 2004 Instrument wieder zu Ansehen verhalfen: in Spanien Fr. Tárrega und in Deutschland Heinrich Albert. Letzterer hat neben Bearbeitungen gabi vettermann und Wiederveröffentlichungen vor allem kammermusikalische Werke in einer vorbildlichen Editionsreihe zugänglich gemacht und förderte die Gitarre im Solospiel und in der Kammermusik mit ande- Alagna, Roberto ren Instrumenten. Im Gegensatz zu Tárrega veröffentlichte Albert *7. Juli 1963 in Paris, Sänger. Der Tenor Roberto Alagna erlernte mehrere Gitarrenschulen, von denen der Moderne Lehrgang bis heute das Singen während seiner Tätigkeit als Kabarettsänger von Rafael nichts von seiner Gültigkeit verloren hat. Weiterhin publizierte er die Ruiz, einem kubanischen Kontrabassisten und Schüler von A.Pertile. erste Kindergitarren- und die erste Kindermandolinenschule über- Der erste Preis beim Pavarotti-Wettbewerb 1989 ermöglichte ihm sein haupt. Albert konzertierte als Solist und Kammermusiker in verschie- Bühnendebüt als Alfredo (Verdi, La traviata) bei der Glyndebourne Tou- densten Besetzungen. Zu seinen Schülern gehörte u.a. L.Walker. ring Opera Company. Für dieselbe Rolle holte ihn R.Muti 1990 erstmals Alberts zahlreiche Kompositionen für Gitarre und Mandoline sind im an die Mailänder Scala. In den Titelpartien von J.Offenbachs Les Con- klassizistischen Stil gehalten und weisen Elemente italienischer und tes d’Hoffmann und Ch. Gounods Roméo et Juliette war Alagna bald spanischer Volksmusik auf. weltweit gefragt. Seither hat er seinem Repertoire auch schwerere literatur W.Schwarz, Gitarre-Bibliogr., Mn. u.a. 1983, 44f. K.Huber, Rollen wie Radamès (Verdi, Aida), Manrico (Verdi, ) und Die Wiederbelebung des künstlerischen Gitarrenspiels um 1900, Agb. 1995 J.Libbert, Cavaradossi (Puccini, Tosca) hinzugefügt. Eine enge Bühnenpartner- H.Albert, in: Gitarre Aktuell 21, 2000, H. 1, 50–55 Ders., Ein Vorkämpfer für Git. schaft verbindet Alagna und die rumänische Sopranistin Angela Ghe- und Mandoline: Erinnerungen an H.Albert, in: Üben & Musizieren 17, 2000/01, H. 6, orghiu, mit der er seit 1996 auch verheiratet ist. 33–38 Ders., H.Albert, Protagonist der Münchener Gitarristenschule, in: Musik in Bay- Alagnas helle, höhensichere Tenorstimme bewährt sich am ern, H. 59, 2000, 111–132 A.Stevens, H.Albert und die Mandoline, in: Concertino. besten in den lyrischen französischen Partien. Die Facherweiterung Das Magazin für Git., Lt. und Hf. 59, 2006, H. 4, 202–206 für Informationen ins italienische Spinto-Fach hat ihn bereits einiges an Schmelz und danken wir Andreas Stevens, Hilden Biegsamkeit gekostet. detlev bork jörg jewanski literatur A.Blyth, Roberto Alagna, in: Opera 48, 1997, H. 12, 1403–1409 Das Opernglas. Die Interviews. Einblicke der großen Stars in die Welt der Oper, hrsg. von J.Bartels/M.Lehnert/Tiedemann, Hbg. 2002 M.Brug, Die neuen Sängerstim- men. Von Cecilia Bartoli bis Bryn Terfel, Bln. 2003 (mit Auswahldiskographie) Almila, Atso (Aksel) hans joachim weber *13. Juni 1953 in Helsinki, Dirigent und Komponist. Almila stu- dierte an der Sibelius-Akad. in Helsinki Posaune, Chor- und Orche- sterleitung, letzteres bei Jorma Panula (Diplome 1979). Seit 1979 unterrichtet Almila Dirigieren an der Sibelius-Akademie, als Chordgt. 910Ammons ist er seit 1975 tätig. Zwischen 1987 und 2000 war Almila Chefdgt. ver- literatur A.Suvanto, Kun sinfonia kohtasi jazzin... (Wenn die Symph. schiedener finnischer Symphonieorch., u.a. in Tampere, Joensuu und auf Jazz trifft...) (Interview), in: Rondo 1988, H. 8, 12–14 K.Korhonen, Suo- Kuopio. Von 1980 bis 1995 war er MD. des Finnischen Nationalthea- malaisia nykysäveltäjiä 1965–1990 (Finn. zeitgenössische Komp.), Hlsk. 1990, 24 M.Heiniö ters Helsinki. Bühnenproduktionen realisierte er u.a. an der Finni- , Aikamme musiikki (Musik unserer Zeit), Porvoo 1995, 346f. K.Korhonen Ders. schen Nationaloper in Helsinki. 1994 und 1995 war er künstlerischer , Finnish Composers since the 1960s, Hlsk. 1995, 27f. , Finnish Chamber Music, ebd. 2001, 65f., 123f. L.Aroheimo-Marvia u.a. (Hrsg.), Esit- Leiter des Festivals Jyväskylän kesä (Jyväskyläs Sommer). 1981 erhielt er tävä säveltaide (Vortragende Tonkunst), ebd. 2002, 14f. P.Hako, Finnish Opera, den Ersten Preis im Kpm.-Wettbewerb in Norrköping (Schweden) ebd. 2002, 130f. K.Korhonen, Inventing Finnish Music, ebd. 2003, 118 Ders., sowie 1997 den Suomen Muusikkojen Liitto ry:n tunnustuspalkinto (Preis Finnish Orchestral Music and Concertos 1995–2005, ebd. 2006, 43 der Vereinigung finnischer Musiker e.V.), der insb. seinen Einsatz für andrea carola kiefer die finnische Musiklandschaft würdigt. 2005 wurde ihm ein fünfjäh- riges Kompositions-Arbeitsstipendium des Vation Säveltaidetoimikunta (Staatliches Komitee für Tonkunst) und 2006 die Goldmedaille der Suomen Sinfoniaorkesterit ry (Finnische Symphonieorch. e.V.) für seine Alt, Philipp Samuel Verdienste um die finnische Orchestermusik verliehen. *16. Jan. 1689 in Weimar, † um 1750 ebd., Organist und Kompo- nist. Alt war ein Sohn des zu J.S.Bachs Zeit in Weimar als Vize-Hof- werke (Auswahl; vollständiges Verz. bei Suomalaisen musiikin tiedo- tuskeskus [Finnish Music Information Centre]) kantor, Bassist und Lehrer amtierenden (Wolfgang) Christoph Alt, A.Vokalmusik Suomalainen messu (Finn. Messe) für Bar., gemCh. und Str. der ihm auch den ersten musikalischen Unterricht erteilte. Später op.27 (1984) Ja hänen nimensä oli Kuulemiin (Und sein Name war ›Auf Wiederse- wurde er Schüler des Hofkpm. Johann Samuel Drese und (wohl seit hen‹; Leevi Lehto), Jazz-Kant. für Mez., A, Bar., Sprecher, gemCh. und Orch. etwa 1700) des damaligen Vizekpm. G.Chr. Strattner. Klavier- und (1993) Main Paras Vaif I-II (Meine beste Gemahlin I-II; Aleksis Kivi, Antti-Einari Orgelunterricht nahm er bei dem Org. der Stadtkirche, Samuel Halonen) für Bar., gemCh. und Orch. (1996) Sade (Regen; Anja Snellman), Heintze, und dessen Nachfolger (seit 1707) Joh. G.Walther, unter des- Liederzyklus für Mez. und Kl. (2007) sen Anleitung Alt erste Kompositionen schrieb. Seine gute Schulbil- B.Bühnenwerke dung versetzte ihn in die Lage, in Jena ab März 1709 Jura zu studieren. I.Opern (UA jeweils in Ilmajoki) Nach dem Besuch der Univ. kam er nach Weimar zurück und erhielt Kolmekymmentä hopearahaa (30 Silberlinge; Heikki Ylikangas) (1987/88; 17. Juni eine Stelle als Hofadvokat; außerdem wurde er aufgrund seiner guten 1988) Ameriikka (Amerika; Antti Tuuri) (1992; 12. Juni 1992) Isontaloon Antti musikalischen Kenntnisse zum Org. der Jacobskirche gewählt. In bei- (Antti Isotalo; ders.) (2000; 14. Juni 2000) Pohjanmaan kautta (Hoch die Tassen!; den Ämtern wirkte er bis zum Tode. Den Ertrag seiner musikalischen Tiina Puumalainen) (2002; 12.Juni 2003) Beschäftigung, der aus einer Reihe von Kirchenkantaten (meist auf II.Bühnenmusik Kuningas Lear (König Lear; Shakespeare) für Tonband, Psalmtexte) und Instrumentalwerken bestanden haben soll, hat nach Bläser und Schlagzeugens. (1983) Nummisuutarit (Schuster aus der Heide; Kivi) SchillingE und EitnerQ die herzogliche Bibliothek zu Weimar (heute für Sänger und 14 Instr. (1984) Lintu Sininen (Der blaue Vogel; Sakari Topelius) D-WRa) aufbewahrt, wo sie heute (2007) als verschollen gelten. für Instr., Sänger und Tonband (1990) Ilta Aleksanterinteatterissa (Ein Abend im Alexandertheater; Bengt Ahlfors) für gemCh. und Orch. (1992) Theater- und literatur G.A.Wette, Hist. Nachrichten Von der berühmten Residentz-Stadt Filmmusik, Musik für Hörspiele Weimar [...], Bd.1 Weimar 1737, Bd.2 Jena 1739 GerberNTL (1814) Schil- lingE (1835) Mendel-Reissmann (1870) EitnerQ (1900) W.Lidke, C.Instrumentalmusik Das Musikleben in Weimar 1683–1735, Weimar 1954 Kontrabaßkonz. op.20 (1978/79) Concert-March for Wind Orchestra op.16 (1979) Konz. für 2 Klar. und Blasorch. op.21 (1980) Air for Brass op.18 Nr.3 (1982) cordula timm-hartmann TePaTePa für Blechblasorch. und Schlgz. (1984) Dedications, Memories, Suite für Blechbläserqnt. (1984/85) Flötenkonz. op.28 (1985) Konz. für Tuba und StrOrch. (1986) Sinfonia vaskikvintetille ja orkesterille (Symph. für Blechbläserqnt. und Orch.) (1987/88) Violinkonz. (1989) Linnut (Vögel) für Orch. (1991/92) Ammons, Albert C. Posaunenkonz. (1994) Klarinettitrio yksitoista päivää (Klarinettentrio 11 Tage) *23. Sept. 1907 in Chicago/Il., †2. oder 3. Dez. 1949 ebd., Jazz-Pia- für Klar., Vc. und Kl. (1994) Visions from the North für symph. Blasorch. (1997) nist, -Komponist und -Bandleader. Der Sohn klavierspielender Eltern Fagottkonz. (2001/02) Sinfonia II für symph. Blasorch. (2003) EPOSIMO für begann im Alter von 10 Jahren mit diesem Instrument. Während des dass. (2003) Konz. Nr.2 für Tuba und symph. Blasorch. (2004) Love für Orch. Ersten Weltkrieges als Schlagzeuger bei den Illinois Home Guards ver- (2006) Concerto Ardente für Streichtrio und Orch. (2006) BläserQnt. Nr.2 pflichtet, wandte er sich bald endgültig dem Klavier zu, wobei er sich (2006) Fantasia Rosvo-Roopesta für Orch. (2007) zahlr. Kammermusikwerke, an seinen Vorbildern, den Boogie-Woogie-Pionieren Jimmy Yancey überwiegend für Bläserbesetzungen und Hersal Thomas orientierte und Mitte der 1920er Jahre in und um Trotz des beträchtlichen Umfangs seines Œuvres ist Almila eher Chicago kleine Engagements hatte. Um 1927 arbeiteten er und sein als Dgt. bekannt. Große Bedeutung hat sein Engagement im pädago- Jugendfreund, der Pianist Meade ›Lux‹ Lewis, in Chicago als Taxifah- gischen Bereich – der Kapellmeisterausbildung und der Arbeit mit rer. Sie teilten sich dort eine Wohnung mit dem Schöpfer des Pine Jugendorchestern –, wobei er deutlich in die Fußstapfen seines Leh- Top’s Boogie Woogie, Clarence ›Pinetop‹ Smith, der sie als ihr Lehrer rers Panula tritt. In seinem breitgefächerten Betätigungsfeld setzt er nachhaltig beeinflußte. Anfang der 1930er Jahre trat Ammons als sich insb. für finnisches Repertoire und Nachwuchsförderung ein. Solist und in verschiedenen Bands auf, bis er 1934 ein eigenes Sextett, Seine Vorliebe für Bläserbesetzungen wird in der Fülle der Werke die Rhythm Kings, gründete. Mit diesem Ensemble, das von Juli 1935 deutlich, die gleichzeitig von gekonntem Umgang mit Instrumental- bis Jan. 1936 im Club DeLisa in Chicago spielte und bis 1938 bestand, idiomatik und Orchesterklang zeugen. Nicht selten finden jazzige nahm er 1936 mit den Musikern Guy Kelly (Trp.), Dalbert Bright Elemente Eingang in Almilas Musik, die überwiegend als neoklassizi- (Klar., ASax.), Ike Perkins (Git.), Israel Crosby (Baß) und Jimmy Hos- stisch charakterisiert werden kann. Demgegenüber sind seine drei kins (Schlgz.) seinen wohl größten Erfolg auf Schallplatten auf, den Opern, sog. Volksopern, neoromantischer Prägung und weisen Volks- durch das ständige Rollen und Stampfen des Klaviers charakterisier- musikzitate und Musical-ähnliche Passagen auf. Aufnahmen mit ten Boogie Woogie Stomp, eine Version des berühmten Stückes von Almila als Dgt. sind insb. mit den Symphonieorch. von Tampere und Smith. Am 23. Dez. 1938 präsentierte ihn John Hammond im ersten Kuopio überwiegend beim Label Finlandia erschienen. From Spirituals to Swing-Konzert in der Carnegie Hall in New York in einem Boogie-Woogie-Piano-Trio mit Pete Johnson und Lewis sowie Andersson 11 12 als Begleiter des Gitarristen und Sängers Big Bill Broonzy. In den fol- Seit 2006 ist er künstlerischer Leiter des alle zwei Jahre stattfindenden genden Jahren wurde eine regelrechte Boogie-Woogie-Welle ausge- Festivals Stockholm New Music. löst, deren Spitze Ammons, Lewis und Johnson verkörperten. Von Jan. uraufführungen (Auswahl; für Git. solo, sofern nicht anders ange- 1939 bis 1943 spielte Ammons zunächst im Duo mit Lewis, danach geben) mit Johnson und Joe Turner an den zwei Standorten des Café Society U.Rojko, Passing Away (1984) Sv.-D.Sandström, Lonesome für Git. und Orch. in New York, mit denen er auch im Sherman Hotel in Chicago auftrat (1985) J.Dillon, Shrouded Mirrors (1988) A.Clementi, Serenade für Git. und und Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen machte. Ein Unfall, bei Ens. (1988) Klaus K.Hübler, Reisswerck (1988) Br. Ferneyhough, Kurze Schatten dem er 1941 einen Finger verlor, unterbrach seine Karriere nur kurz- II (1990) R.Riehm, Toccata Orpheus (1991) G.Stäbler,...schloss die Augen, vor fristig, bald präsentierte er sich erneut an verschiedenen Schauplät- Glück... (1994) Fr. Donatoni, Algo III für Git. und KaOrch. (1995) V.Globokar, zen in Chicago und New York im Duo mit Johnson oder Turner. Mit Masse, Macht und Individuum (1995) Luca Francesconi, A Fuoco für Git. und Ens. der Sängerin Lena Horne wirkte er im Film Boogie Woogie Dream mit (1995) Donatoni, Algo IV für dass. (1996) B.Sørensen, Shadow Siciliano (1996) F.Vacchi, Notturno concertante für Git. und Orch. (1997) J.W. Morthenson, (1944, Regie: Hans Burger). In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre litt Sonora für Git. und Str. (2000) er zeitweise an Lähmungserscheinungen der Hände, erholte sich aber immer wieder, machte mit seinem Sohn, dem Tenorsaxophonisten diskographie Chitarra con forza. Werke von M.Eklund, H.-O.Ericsson, Gene Ammons, Plattenaufnahmen, spielte u.a. in Chicago und Los E.Förare, S.-D.Sandström (Phono Suecia, 1988) H.Holewa (dass., 1991) Angeles und 1949 kurzfristig mit Lionel Hamptons Band sowie 1945 R.Riehm, Toccata Orpheus (Kulturamt der Stadt Witten, 1991, UA live) X.Bengue- rel, 7 Faules de La Fontaine für Sprecher und 10 Instrumentalisten (TIM, 1992) bei der Inauguration von Präsident Harry S.Truman in Washington. T.Zwedberg, A Site for a Listener’s Ear (Phono Suecia, 1994) Sv.-D.Sandström, Con- Albert Ammons Sohn ist der Jazz-Tenorsaxophonist Eugene ›Gene‹ certos (Caprice, 1994) To Hear with the Mouth (mit Ensemble Son; dass., 2002) Br. Ammons (1925–1974). Ferneyhough, Kurze Schatten II (Audivis, 1996) Versus. Werke von X.Benguerel Albert Ammons, neben Lewis und Johnson der wichtigste Reprä- (Ópera Tres, 1998) V.Globokar Masse, Macht und Individuum (Wergo, 1999) Short sentant des Boogie-Woogie der späten 1930er Jahre, ist unter diesen Sounds. Werke von Fr. Donatoni, A.Clementi, S.Bussotti, Br. Maderna, L.Berio wohl derjenige, der sich am meisten dem Blues angenähert hat. Seine (Nosag, 2001) St. Scodanibbio, Dos Abismos (Stradivarius, 2003) H.W. Henze, El kraftvolle, swingende, durch mächtige Baß-Ostinati gekennzeichnete Cimarrón (mit N.Isherwood, M.Caroli, R.Rossi; dass., 2003) The Plucked North. Spielweise verbindet sich mit einer vollendeten Technik. Mit dem New Music from Sweden, Denmark and Finland (mit Ensemble Son, Vremena Goda Orch.; Nosag, 2006) M.Applebaum, Asylum (Innova, 2006) Boogie Woogie Stomp, nach dem Vorbild des Pine Top’s Boogie Woogie gestaltet, gelang es ihm jedoch, einen individuellen Stil zu entwik- Magnus Andersson gehört mit D.Starobin und R.Evers zu den keln und nachfolgende Generationen wie die Pianisten des Blue Note- wichtigsten Förderern Neuer Musik für Gitarre weltweit; er war Labels oder Protagonisten des Jazz der 1950er Jahre wie Thelonious Interpret zahlreicher Uraufführungen. Seine glasklare ›nüchterne‹ Monk und Horace Silver zu beeinflussen. Interpretation, unterstützt von einer herausragenden Virtuosität, orientiert sich an den Strukturen des Werkes. Das älteste auf seinen diskographie (Neuzusammenstellungen bei Classics, sofern nicht anders angegeben) Schallplatten eingespielte Werk ist H.W.Henzes El Cimarrón von 1969. A.Ammons, 1936–1939 (715) From Spirituals to Swing – the Legendary 1938 & 1939 Car- literatur L.Bosman, The Guitar Has Become an Instrument of Too Much Pas- negie Hall Concerts (Vanguard: 3VCD169/71–2) Meade Lux Lewis, 1939–1941 (743) sive Entertainment (Interview), in: Guitar 9, 1980, H. 3, 27–29 E.Càsoli, Intervista A.Ammons, 1939–1946 (927) Pete Johnson, 1938–1939 (656, 1939) Boogie a M.Andersson, in: Il Fronimo 26, 1998, H. 103, 5–10 Woogie Trio (Storyville: 670184, 1939) P.Johnson, 1939–1941 (665, 1941) A.Am- mons, 1946–1948 (1100) detlev bork jörg jewanski literatur S.A.Pease, ›Pine Top‹ Smith Influenced Early Piano Style of Swingin’ Ammons, in: Down Beat 4, 1937, H. 7, 28 W.Russell, Boogie Woogie, in: F.Ram- sey, Jr. /C.E. Smith (Hrsg.), Jazzmen: the Story of Hot Jazz Told in the Lives of the Men who Created it, N.Y. 1939 N.Shapiro/N.Hentoff (Hrsg.), Hear André, Andrä, Andre, Andreä, Christian Carl Me Talkin’ to Ya: the Story of Jazz by the Men who Made it, N.Y./L. 1955, 113, 137; frz. P. *20. März 1763 in Hildburghausen, †19. Juli 1831 in Stuttgart, 1956; dt. Mn. 1959 Meade Lux Lewis: a Blues Man’s Story, in: Down Beat 26, 1959, H. Musikkritiker, Pädagoge, Schriftsteller, Journalist und Redakteur. Y.Bruynoghe 4, 16 , A.Ammons, in: S.Dance u.a., Jazz Era: the ’Forties, L. 1961 André war der Enkel eines getauften jüdischen Hofagenten und Sohn J.Hopes, Boogie Woogie Man: a Bio-discography of A.Ammons, in: Jazz & Blues 1, 1971, H. 6, 5 E.H. Newberger, Archetypes and Antecedents of Piano Blues and Boogie des ehemaligen Kammermusikus und späteren Stallmeisters Johann Woogie Style, in: Journal of Jazz Studies 4, 1976, H. 1, 84–109 L.Feather, Piano Friedrich Wilhelm Andrä (1737–1819) sowie der einer Bayreuther Giants of Jazz: A.Ammons, in: Contemporary Keyboard 7, 1981, H. 2, 70 D.J. Tra- Musikerfamilie entstammenden Hofsängerin Johanna Rosina, geb. vis, An Autobiography of Black Jazz, Chicago/Il. 1983 M.Williams, Cuttin’ the Boo- Körbitz (1734–1790). Prägende musikalische Eindrücke erhielt der gie, in: ders., Jazz Heritage, N.Y./Oxd. 1985 Ders., in: NGroveDAM (1986) Klosterbergeschüler in Magdeburg 1777 bis 1779 durch Markus D.Hill, Meade Lux Lewis, in: Cadence 13, 1987, H. 10, 16 C.I. Page, Boogie Woo- Christfried Grosse (um 1740 – um 1790) und Joh. H.Rolle, bevor er gie Stomp: A.Ammons and His Music, Cleveland/O. 1997 H.Rye/B.Kernfeld, in: 1780 an der Univ. Jena ein Jurastudium aufnahm. Nach kurzer Tätig- 2 M.Kunzler NGroveDJ ( 2002) , Jazz-Lex., Reinbek bei Hbg. 1988, erw. ebd. keit als Hofmeister bei Friedrich Albrecht von Wechmar (1742–1813) 2002 in Roßdorf und als Edukationsrat (1785) des Fürsten Friedrich von elisabeth kolleritsch Waldeck (1743–1812) in Arolsen, wo er auch eine Lesegesellschaft gründete, unterstützte er ab 1785 Christian Gotthilf Salzmann (1744– 1811) beim Aufbau von dessen Philanthropinum in Schnepfenthal Andersson, (Per Otto) Magnus und errichtete hier nach seiner Heirat (1786) mit Salzmanns Schwä- *29. Juni 1956, Stockholm, Gitarrist. Magnus Andersson erhielt gerin Johanna Schnell (1765–1813) 1786/87 das erste philanthropisti- ersten Gitarrenunterricht bei Roland Bengtsson und studierte von sche Erziehungsinstitut für Mädchen (1790 nach Gotha, 1794 nach 1974 bis 1976 am Trinity College in London bei William Grandison, Eisenach verlegt). In enger Zusammenarbeit mit Johann Matthäus von 1976 bis 1980 am Liceo Musicale Viotti in Vercelli bei Angelo Bechstein (1757–1822) und Rudolph Zacharias Becker (1752–1822) Gilardino sowie in Deutschland bei S.Behrend. Von 1984 bis 1996 brachte er mehrere Zeitschriften und mehrbändige Lehrwerke her- unterrichtete er bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in aus. Von 1798 bis 1821 wirkte er in Brünn als Leiter der ev. Schule bzw. Darmstadt, 1994 war er Mitgründer des Ensemble Son für Neue Musik. (ab 1810) als Wirtschaftsrat des Altgrafen Hugo Franz von Salm-Reif- 13 14 Andre ferscheid (1776–1836) und freier Schriftsteller, der die Entwicklung Nachtrag in dass. 79, 1991, 243–249 F.Brusniak, Die Idee der mus. Volksbildung der zeitgenössischen Musikkultur kritisch mitverfolgte. Als die Met- beim Stuttgarter »Ur-Liederkranz«, in: Jb. für Volkskunde N.F. 16, 1993, 54–64 ternichsche Zensur immer drückender wurde, ging er als Kgl. Würt- R.Stach, Art. Christian Carl André, in: Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lex., F.Brusniak tembergischer Hofrat nach Stuttgart, wo er im Umkreis von Johann hrsg. von K.Franz u.a., Meinigen, 8. Erg.-Lieferung, Okt. 1999 , Friedrich Cotta (1764–1832) seine vielfältige publizistische Tätigkeit Zur Adaption von Johann Friedrich Reichardts ›Lieder für Kinder‹ durch den Schnepfenthaler Philanthropisten Christian Carl André, in: Johann Friedrich Reichardt und die Litera- fortsetzen konnte und als einer der namhaftesten Förderer musikali- tur. Komponieren – Korrespondieren – Publizieren, hrsg. von W.Salmen, Hdh. scher Volksbildung nachhaltigen Einfluß auf die Entwicklung der 2003, 322–334 Ders., Der Kloster-Berge-Schüler Christian Carl André (1763–1831) als Musikkultur Mittel- und Süddeutschlands sowie Österreichs nahm. Musikpädagoge – Magdeburger Impulse für einen Wegbereiter mus. Volksbildung um 1800, werke (Auswahl, auf Musik bezogen; zum Gesamtwerk vgl. die Hin- in: Kloster Berge, Klosterbergegarten, Gesellschaftshaus, Telemann-Zentrum, Ders., weise bei Curtze 1864, Meinold 1953, Stach 1999; dazu die Angaben bei H.Bö- Kgr.Ber. 29./30. Aug. 2003 Magdeburg, Halle 2004, 84–91 »Hannchens Geburtstagsfeyer« – Eine lit. Quelle zur Rezeption und Adaption von Johann Gottlieb Nau- ning/R.Siegert, Volksaufklärung. Biobibliograph. Hdb. zur Popularisierung aufkläreri- manns Oper ›Cora‹ im Kreise thüringischer Philanthropisten um 1786, in: Johann Gottlieb schen Denkens im dt. Sprachraum von den Anfängen bis 1850, Bd.1–2, Stg./Bad Cannstatt 1990/2001, Bd.3–4 in Vorb. umfangreiche Teilnachlässe vgl. D-Stuttgart, Naumann und die europ. Musikkultur des ausgehenden 18.Jh., Kgr.Ber. Dres- Ders., Hauptstaatsarchiv, Best. P 27) den 2001, Hdh. 2006, 423–442 Zum frz. Einfluss auf die mus. Bildung des Phil- anthropisten Christian Carl André (1763–1831), in: Fs. H.Schneider, hrsg. von M.Bi- A.Editionen get-Mainfroy/R.Schmusch, Hdh. 2007, 31–40 Ders., Zur Schubert-Rezeption Sechs Sonaten für das Clavier oder Fortepiano in Musik gesetzt von Markus Christfried Grosse durch Christian Carl André (1763–1831), einen Protagonisten der Männerchorbewegung in der Organist zu Klosterbergen bey Magdeburg, Dessau 1784, Gelehrte Buchhandlung ersten Hälfte des 19. Jh., in: Schubert und die Nachwelt, Kgr.Ber. Wien 2003, Mn. Die Musterung der Stände, ein Spiel für Jung und Alt mit Musik, Gesang und Tanz, Gotha 2007, 271–280 1792, Justus Perthes zahlr. Lieder als Notenbeilagen (u.a. Fr. Schubert, Der friedhelm brusniak Wachtelschlag op.68 D 742, in: National-Kalender für die dt. Bundesstaaten auf das Jahr 1826, 4. Jg., Stg./Tübingen 1826; vgl. Brusniak 2007) ein 1791 ange- kündigtes Familien-Liederbuch als Tl. eines Familien-Lehrbuchs ist nicht ersch. B.Schriften Andre, Mark, eigentl. Mark André Schreiben an einen Freund über das mus. Drama Thirza und ihre Söhne von L. [!] C.Andre, *10. Mai 1964 in Paris, Komponist. Andre studierte Komposition Eisenach 1783, Johann Georg Ernst Wittekindt Schnepfenberg. Ein melodramat. bei Cl. Ballif und G.Grisey am Pariser Cons. (1987–1993) und wurde Gemälde eingerichtet zur Musik der beiden Melodrame Ariadne auf Naxos und Cephalus und an der École Normale Supérieure Paris in Mw. mit einer Arbeit über Prokris, in: Marie von Bismark, oder Libe um Libe, Zweite Suite, Lpz. 1788, 147– die Musik der Ars subtilior promoviert. 1995 setzte er sein Studium an 184 Resonanzboden, Klavierbezug, in: Gemeinnützige Spaziergänge auf alle Tage im Jahr, hrsg. von C.C.André/J.M. Bechstein, Braunschweig 1790, H. 2, 306– der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart bei 308, 311–314 zahlr. Aufsätze und Rezensionen in verschiedenen Zss. und H.Lachenmann fort. Einige Studien- und Arbeitsaufenthalte führten anderen Periodika ihn zudem in das Experimentalstudio für akustische Kunst in Frei- burg i.Br. Seine Werke wurden bereits bei fast allen großen europäi- André galt nicht nur als progressiver Pädagoge und Jugend- schen Musikfestivals, einschließlich der Salzburger Festspiele und des schriftsteller sowie als eigengeprägter Journalist und Redakteur mit Lucerne Festival, aufgeführt und werden regelmäßig von namhaften weltbürgerlicher Perspektive, von der aus »bedeutende Kultur schaffende Interpreten und Ensembles realisiert. Andre unterrichtete einige Ereignisse« (R.Stach 1999, S.4) in den Blick genommen werden, son- Jahre mit Lehraufträgen an der Hochschule für Musik und Darstel- dern auch als angesehener Landwirt, Mineraloge und Naturforscher, lende Kunst Frankfurt a.M. und am Cons. de Strasbourg sowie mehr- der als Vorläufer von Gregor Johann Mendel (1822–1884) 1808 in mals als Doz. der Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darm- Brünn die Landwirtschaft als eigene Wissenschaftsdisziplin etablierte stadt. Der seit 2005 in Berlin lebende Komponist erhielt für sein und dessen grundlegende Neueste geographisch-statistische Beschreibung Schaffen viele Stipendien und Auszeichnungen (u.a. 1. Preis des Inter- des Kaiserthums Österreich 1813 in Weimar erschien. War André der älte- nat. Kompositionswettbewerbs Stuttgart, 1992/93; Stipendium der ren Musikforschung in erster Linie als Verehrer Rolles, als Hrsg. von Akad. Schloß Solitude, 1996; Kranichsteiner Musikpreis, 1996; 1. Preis im Klaviersonaten seines Lehrers Grosse sowie als kompetenter Instru- Wettbewerb Blaue Brücke Berlin – Dresden, 1996; Förderpreis der Ernst mentenkundler bekannt (Nachweise bei F.Brusniak 1993, S.61–64), von Siemens Musikstiftung, 2002; DAAD-Stipendium, 2005/06; Christoph erscheint er heute darüber hinaus als einer der profiliertesten Vertre- und Stefan Kaske Kompositionspreis, 2006; Preis des SWR Sinfonieorch. ter musikalischer Erziehung im Geiste des Philanthropismus und als Baden-Baden und Freiburg und Giga Hertz Produktionspreis, 2007). Protagonist musikalischer Volksbildung im Sinne H.G.Nägelis (vgl. werke (wenn nicht anders angegeben bis 2006 bei Ricordi, Mailand/ Andrés Rezensionen von Nägelis Vortragsreise 1824, in: Hesperus Paris, ab 2007 bei Peters, Wiesbaden) 1824, 340, 432, 651f., 656). Der Anhänger Joachim Heinrich Campes A.Vokalmusik (1746–1818), dessen Liedvertonungen durch Joh. Fr. Reichardt er ein abgrund (nach Georg Büchner, Wozzeck) für Baßbar., Va. und Vc. (1992) kon- ebenso rezipierte und adaptierte wie die ›musikalischen Dramen‹ Rol- tra-etüde für 1 St., Vc./Kb. und Fg. (2001/02) les sowie die Singspiele, Opern und Melodramen u.a. von Joh. A.Hil- B.Musiktheater ler, Joh. A.P.Schulz, Joh. G.Naumann und G.A.Benda, wurde als Mit- ...22,13... (Offenbarung des Johannes), Musiktheater-Passion in drei Teilen begründer und Namensgeber des Stuttgarter Liederkranzes 1824 zu (1999–2004; 2004 München) ...das O... (Offenbarung des Johannes) (2001; 2001 einem Wegbereiter der Laienchorbewegung des 19.Jahrhunderts. Frankfurt a.M.) (nach Ingmar Bergmanns Film Das siebente Siegel, 1957) literatur (auf Musik bezogen) L.Curtze, Art. André, in: Beiträge zur C.Instrumentalmusik Gesch. der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont, Arolsen 1864, Bd.1, 396–398 I.Orchester- und Ensemblewerke le trou noir univers für Instrumentalsoli- A.Teuscher, Die Erziehungsanstalten des Philanthropisten Christian Carl Andre. Ein sten, Orch. und Live-Elektronik (1992/93) Le loin et le profond für Ens. (1994– Beitrag zur Gesch. der Mädchenerziehung, in: Zs. für Gesch. der Erziehung und des 1996), Carus-Verlag Fatal für Ens. (1995) Un-Fini für Ens. (1996), Carus Ver- Unterrichts 5, 1915, 123–131 B.Bayer, Christian Carl André. Erster weltlicher Leiter lag Modell für 4 Orchestergruppen (1999/2000) durch für Ens. (2005/06) der Brünner Ev. Schule (1798–1810), in: Tagesbote 88, 1938, Nr.449, 28. Sept. 1938, 6f. ...hoc ... (2006) ... auf ... I-III für Orch. (2007) ni für Ens. (2008) (=Leistungen und Fortschritte. Mitt. der Dt. Ges. für Wiss. und Kunst in Brünn 6) W.Meinhold, in: NDB (1953) G.Beaucamp, Der Pädagoge Christian Carl II.Kammermusik und Soloformen Un-Fini III für Kl. (1993–1995) Un-Fini I Andre in Arolsen (1783–1785), in: Geschichtsblätter für Waldeck 78, 1990, 151–171; für Hf. (1996), Carus Verlag ab I für Kontrabaßklar., Vc., 2 Schlagzeuger und Kl. (1996/97) ab II für Kontrabaßklar., Vc., Cymbalon, Schlgz., Kl. und Live- Andrieu 15 16

Elektronik (1996/97) Contrapunctus für Kl. (1998/99) kanon für Kontrabaß- einen politischen Bezug zu verankern: mit vom Band kommenden klar., Kb. und präpariertes Kl. (2000) ...als...I für BKlar., Vc. und Kl. (2001) Anspielungen auf jenen Zug, in dem 1944 Gefangene ins Konzentra- ...als...II für Kontrabaßklar., Vc., Kl. und Live-Elektronik (2001) ...IN... für tionslager Dachau verschleppt wurden. verstärkte BKlar. (2001) ...zu... für Streichtrio (2003/04) Asche für BFl., BKlar., Va., Vc. und Kl. (2005) ›...zum Staub sollst du zurückkehren‹ für 7 Instru- literatur R.Brembeck, Klangwelt voller dunkler Geheimnisse: Musik von mentalisten (2005) iv3 für Klar. solo (2007) M.Andre, in: NZfM 159, 1990, H. 1, 13f. L.Conti, (De)konstruktion und (De)frag- mentation in »AB II« von M.Andre, in: Musik & Ästhetik H. 9, 2000, 67–79 J.-N. von D.Schriften (Auswahl) der Weid, Die Musik des 20.Jh., Ffm. 2001, 559–563 Ders., Spiegelschach: Unzeitge- Du paradigme de complexité dans l’Ars subtilior, Diss. Ecole Normale Supérieure Paris mäße Vorbemerkungen zu »...22,13...« von M.Andre, in: Dissonanz Nr.74, 2002, 4–13 1994 (mschr.) Jean Barraqué, in: Musik & Ästhetik, H. 9, 1999, 109–113 Die Frage nach der Architektur des Komponierens, in: dass., H. 13, 2000, 63–67 Computer-assisted jörn peter hiekel Musical Composition and Creation of a Compositional Model, in: Cl.-St. Mahnkopf (Hrsg.), The Foundations of Contempary Composing, Hofheim 2004, 159–164 (= New Music and Aesthetics in the 21st Century 3) Concerning the Morphology of Andrieu, F. the Constituent Materials of »...IN...«, for Amplified Bass Clarinett, in: Cl.-St. Mahn- fl. um 1370–1380, Komponist. Der Name begegnet einzig als kopf/Fr. Cox/W.Schurig (Hrsg.), Musical Morphology, ebd. 2004, 22–33 Zuschreibung einer Doppelballade im Codex Chantilly (F-CH 564), (= dass. 2) ...von Osten und von Westen, von Norden und von Süden..., in: H.-P.Jahn was eine zeitlich-biographische Nähe zu den dort vertretenden (Hrsg.), auf (-) und zuhören. 14 essayistische Reflexionen über die Musik und Künstlern aus dem Umfeld von Gaston III.Phébus, Graf von Foix die Person H.Lachenmanns, ebd. 2005, 196–209 Die Schwelle als mögliches Gestal- (1331–1391), und König Johann I. von Aragón (reg. 1387–1398) vermu- tungsmittel beim Komponieren, in: J.P.Hiekel (Hrsg.), Sinnbildungen. Spirituelle ten läßt. Identifikationen mit dem im selben Ms. erwähnten Magi- Dimensionen in der Musik heute, Mz. 2008 (= Veröff. des Inst. für Neue Musik und Musikerziehung 48) ster Franciscus, der wiederum mit dem päpstlichen Kapellsänger Franciscus de Goano in Verbindung gebracht wurde (U.Günther Zum Wesen von Andres Musik gehört das Vermögen, subtilste 1964, S.186), lassen sich weder durch Konkordanzen noch archivali- konstruktive Ideen mit einer besonderen Form des suggestiven Aus- sche Evidenz stützen. Auch ist Andrieu zu dieser Zeit ein geläufiger drucks zu verbinden. Selbst wenn dabei in vielen Werken ein starker Vor-, aber kein Nachname. Einfluß der Ästhetik Lachenmanns und der darin zentralen Idee einer werk »Armes, amours«/»O flour des flours« (Eustache Deschamps), Doppel- »musique concrète instrumentale« zu spüren ist, entfernen sich die kom- ballade 4v., in: F-CH 564, fol. 52; hrsg. 1. von W.Apel, French Secular Composi- positorischen Strategien und deren Resultate doch auch wesentlich tions of the Fourteenth Century, o.O. 1970, 2f. (= CMM 53/1); 2. von von denen seines zeitweiligen Lehrers. Charakteristisch ist eine G.K.Greene, French Secular Music, Ms-Chantilly, Musée Condé 564, Tl. 2, besonders facettenreiche Klanggestaltung, in einer bemerkenswert Monaco 1982, 114–116 (=PMFC 19) großen Zahl von Werken von der Bevorzugung dunkler Farben geprägt, die schon in der Wahl der Instrumente zum Ausdruck Die Doppelballade, in der zwei dreistrophige Gedichte von kommt (z.B. kanon für Kontrabaßklar., Kb. und Kl., 2000; Asche für Eustache Deschamps zusammengefügt sind, ist die erste erhaltene BFl., BKlar., Va., Vc. und Kl., 2005). Zuweilen greift Andre auf unge- musikalische déploration eines Komponisten auf einen Kollegen. wöhnliche oder ungewöhnlich verfremdete Klangerzeuger wie etwa Andrieu zielt dabei – bei aller stilistischen Anlehnung an Machaut präparierte Harfe und Cimbal (beide in Fatal, 1995), Renaissancelaute etwa in bezug auf die rhetorisch ausgefeilte Textdeklamation und das und Theorbe (in Modell, 1999/2000) oder Oktobaßflöte (le trou noir uni- Arbeiten mit patchworkartig verwendeten melodischen Kurzfloskeln vers, 1992/93) zurück. Noch wichtiger für alle Werkbereiche ein- – erkennbar auf Expressivität: Der Beginn ist von einem dichten Netz schließlich der Orchesterkomposition ist dabei indes eine minutiös steigender und vor allem fallender Skalenausschnitte durchzogen; im ausgefeilte Verwendung elektroakustischer Klangmittel, mit beson- weiteren Verlauf durchschreitet dann der Tenor noch mehrmals ein deren Akzentuierungen der überaus reichen Schattierungsmöglich- fallendes Hexachord. Die Strophen schließen in einem phrygischen keiten von Live-Elektronik einschließlich räumlicher Auffächerun- Klang mit Terz, wie überhaupt die Terz ungewöhnlich oft in Kaden- gen. Auf dem Wege der Erkundung und Erweiterung sowohl instru- zen mit einbezogen wird. Auffällig ist die Gestaltung des Refrain-Be- mentaler als auch elektronischer Gestaltungsmöglichkeiten geht den ginns »la mort Machaut«. Die Stimmen finden sich in homorhythmi- in sich oft sehr komplex angelegten Werken zumeist eine ausgiebige scher Semibrevis-Deklamation zu zwei durch Fermaten gedehnten Phase der systematischen Klangerforschung voraus, die freilich noch Kleinterzklängen (cis-e-g für »mort«, e-g für »[Ma-]chaut«). in der Endfassung der Werke zu spüren ist, besonders in einem literatur G.Reaney, The Manuscript Chantilly, Musée Condé 1047, in: MD Gestus der Suche. Ein wichtiger Faktor insb. des neueren Schaffens, 8, 1954, 59–113 R.H. Hoppin/S.Clercx, Notes biographiques sur quelques musiciens der zu diesem Grundgestus korrespondiert, sind religiöse Perspekti- français du XIVe siècle, in: Kgr.Ber. Wégimont 1955, P. 1959, 63–92 U.Günther, ven. Diese sind einerseits im Rückgriff auf Texte der Offenbarung des Zur Biogr. einiger Komponisten der Ars Subtilior, in: AfMw 21, 1964, 172–199 J.- Johannes verankert (dies namentlich in dem viel beachteten Musik- C.Mühlethaler, Un poète et son art face à la postérité: lecture des deux ballades de theaterwerk...22,13..., 1999–2004), vor allem aber durch eine konzep- Deschamps pour la mort de Machaut, in: Studi francesi 33, 1989, 387–410 R.Ma- tionelle Verklammerung metaphysischer und konstruktiver gnan, Eustache Deschamps and His Double: Musique naturele and musique artificiele, in: Momente. Hier ist vor allem das Phänomen der Schwelle bzw. des Ars Lyrica: Journal of Lyrica 7, 1993, 47–64 Übergangs zu nennen, das gleichzeitig ein Element der nuancierten melanie wald prozessualen Gestaltung wie ein Symbol konstitutiver Glaubenser- fahrungen darstellt, von denen Andres Musik – fernab jedweder Kli- schees religiöser Musik – künden möchte. Sein als Tryptichon dreier Anger, Louis Einzelstücke angelegter Orchesterzyklus...auf... (2007) etwa sucht, *5. Sept. 1813 in Andreasberg, †18. Jan. 1870 in Lüneburg, Orga- wie der Titel andeutet, die Erfahrung der Auferstehung Christi zu nist, Pianist, Komponist und Chorleiter. Aus »Anlage und Liebe zur vergegenwärtigen. Obschon auch seine Musiktheaterkomposi- Musik« (Mendel-Reißmann 1870) nahm Anger Klavier- und Orgelun- tion...22,13... jeder Plakativität enträt, auf klassische dramatische terricht bei einem ansässigen Organisten. Seit 1833 studierte er in Gestaltung verzichtet und die Bibeltexte in bloß geflüsterter Weise Weimar bei Joh. N.Hummel und Joh. G.Töpfer Harmonielehre, Kon- präsentiert, gelingt es dem Komponisten, in diesem Werk zugleich trapunkt und die »Composition von Präludien, Fugen und Canons, so wie auch größerer Tonstücke für Kirche und Concert« (Töpfer; zit. nach J.Kre- 17 18 Anghel mer 2000, S.181). 1836 ließ er sich in Leipzig als Musiklehrer und Pia- Free Sound. Sie ist Leiterin des internationalen Cross-over-Festivals nist nieder. Mit Hilfe gesammelter Zeugnisse (z.B. von Hummel, MultiSonicFest, des Festivals Muzica X, der Konzertreihe ImproVisions. Töpfer, Mendelssohn, Schumann und G.Wilh. Fink) verlief Angers Seit 2005 ist sie Präsidentin der Ges. Pro Contemporania. Sie wurde mit Bewerbung um die Organistenstelle an St. Johannis in Lüneburg 1841 zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem der rumänischen erfolgreich. Als Pianist trat Anger weiterhin auf, etwa mit Klavierkon- Rundfunkanstalt (1998), des rumänischen Komponistenverbandes zerten Hummels, Chopins, Mendelssohns, Moscheles, Beethovens (1998, 1999, 2002, 2004), mit dem George-Enescu-Preis der rumäni- und Mozarts. Seine große Bedeutung für die Musikpflege Lüneburgs schen Akad. (1999), dem Preis der Ernst von Siemens-Musikstiftung unterstrich 1870 auch H.Stiehl (C.Schormann 1982, S.127) bei seiner (2002) und dem International New Music Consortium Award (New York Bewerbung um die Nachfolge. 2003). Anghel ist Mitglied des rumänischen Komponistenverbandes (UCMR), des Exekutivkomitees der rumänischen Sektion der Interna- werke (Auswahl) A.Vokalmusik tional Society for Contemporary Music (ISCM), der Société des auteurs, com- Sechs Lieder op.2, Lpz. o.J. Christnacht (August Graf von Platen) op.4 Vier Lieder positeurs et éditeurs de musique (SACEM) sowie der Asociat¸ia Româna˘ für Mez. und Kl. op.7 Fünf Lieder für 4st. Männergsg. op.9 6 Lieder für S, A, T Femeilor în Arta˘ (ARFA). Sie ist mit dem Cellisten und Komponisten und B op.10 Fünf Lieder für 4st. MCh. op.11, Winterthur 1861 Andrei Kivu verheiratet. B.Instrumentalmusik (wenn nicht anders angegeben, für Kl.) werke 6 Pièces mélodieuses op.1, Lpz. o.J. Grandes Variations [...] sur le thème »Ford’re Niemand A.Bühnenwerke mein Schicksal zu hören« op.3, Lpz. Concert-Ouverture für grosses Orchester op.5, Lpz. Amant¸ii însângerat¸i (Die blutigen Verliebten), Bühnenmusik (2001) Elizaveta o.J. Praeludium und Fuge für die Orgel op.6, Lpz. 1854 Genre-Bilder. 6 kleine Tondich- Bam (nach Daniil Harms), op.buf. (2006 Bukarest, Bulandra-Theater) tungen op.8, Lpz. o.J. B.Instrumentalmusik (veröff. meist bei Editura Muzicala˘ , Bukarest) C.Bearbeitungen I.Orchesterwerke Muzica˘ pentru Vasarely (1994) Mitul lui Sisif (1995) Turnul Allgemeines Choralmelodienbuch [...] nach den Quellen bearbeitet, Lüneburg 1863/64 Babel (Der Babel-Turm) (1996) Rinocerii (Die Nashörner) (1997) Mondes impos- sibles I – Hommage à Escher (1998) Distances für 2 Trp., Cemb. und Orch. (1999) Anger war im »Vortrag der neuesten Compositionen« bewandert Chimeres – Hommage à Rene Magritte (2000) Labyrinthe für 1 Solost. und KaOrch. (Mendelssohn; zit. nach J.Kremer 2000, S.180) und wies eine gründli- (2001) che Kenntnis der Werke J.S.Bachs (Schumann; zit. nach ebd., S.182) II.Kammermusik Morfogenezã für Fl., Klar., Fg. und Schlgz. (1991) Subcon- auf. Seine Choralmelodiensammlung orientiert sich an Gottlieb Frhr. versat¸ii (Untergespräche) für V., Klar., Pos. und Schlgz. (1992) Invocatio für von Tuchers, Joh. Zahns und Immanuel Gottlob Friedrich Faißts instr. Ens. und Stimmengruppe (1992) Cellosonata (1993) Für Elise String Quar- Melodien des deutschen evangelischen Kirchengesangbuchs (Stg. 1854). Im tet (1993) Rezonant¸e für Va., Vc., Kl. und Schlgz. (1997) Entre le ciel et l’enfer – Bereich des Lüneburger Vereinswesens wirkte Anger vor allem mit Hommage à Bosch für Ob., Klar., Fag., Kl., Schlgz. und Vc. (1997) La Persistance de la der Gründung der Singacademie (1842) und der Leitung des Männerge- Memoire – Hommage à Dali für 4 Schlagzeuger, V., Va., Vc., Orgel und Akkordeon sangvereins (1854). Dabei übernahm er Leipziger Programmvorlieben, (1998) La Dissolution de la persistance de la memoire für 3 Schlagzeuger, Kb., Orgel, Akkordeon und Celesta (1998) Miro en miroir – Hommage à Miro für Fl. (1998) was die Aufführung von Bachs Matthäuspassion (1854), Händels Samson (1852), Mendelssohns Elias (1857), Schumanns Sinfonie B-Dur Pe¸stera inimii (Die Höhle des Herzens) für Vc. und Schlgz. (1998) Ephemeral equilibrium für Fg. (1999) Silhouettes fantomatiques für 2 Vc., Schlgz. und Trp. (1841), Schuberts Sinfonie C-Dur (1857) und Gades Comala (1850) (1999) Povestea celor trei care au visat (Die Gesch. der drei, die geträumt haben) sowie seine Historischen Konzerte belegen. Angers Lieder[n] für gemischten für Klar., V., Kl., Khaen, Schlgz. und tromba lontana (1999) Metablues für Kl. Chor op.10 attestierte die NZfM »melodische Erfindung, treffende Charak- (2000) Everything and Nothing für Va. und Harmonica (2000) Mystère für Fl., teristik und gewandte Stimmführung« (Bd.47, 1857, S.55). Klar., Pos., V., Vc., Kl. und Schlgz. (2005) Divers(ion) für Sax., Kb., V., Va., Vc. und Kl. (2005) literatur Joh. B.Heindl (Hrsg.), Galerie berühmter Pädagogen, verdienter Schulmänner, Jugend- und Volksschriftsteller und Componisten aus der Gegenwart, Bd.1, C.Ensembles und elektroakustische Musik Mn. 1859, 94 Mendel-Reissmann 1 (1870) C.Schormann, Studien zur Mg. Visions provoquées par un mystère für Vc., Kl., Schlgz., Khaen und Tonband (2001) der Stadt Lüneburg im ausgehenden 18. und im 19. Jh., Rgsbg. 1982 J.Kremer, Zur Le Quasi-Infini für 2 Fl., Akkordeon, V. und Va. (2001) Fascination für Vc., Gu Mobilität und Repertoireverbreitung im 19.Jahrhundert. Der Lüneburger Org. L.Anger (1813– zheng, Khaen und Tonband (2002) Arrets für Akkordeon, V., Vc. und Tonband 1870) im Urteil Mendelssohn-Bartholdys, Schumanns und Hummels, in: A.Edler/J.Kre- (2002) ElEnigmes für elektr. Git., live electronics und Tonband (2004) Electro- mer (Hrsg.), Niedersachsen in der Musikgeschichte. Zur Methodologie und Trance für elektr. Git., Vc., live electronics und Sampler (2004) Dadaphone für Organisation mus. Regionalgeschichtsforschung. Internationales Symposium Sampler und Midi-keyboards (2005) Electric Muse für Kl., Midi-keyboards, Wolfenbüttel 1997, Agb. 2000, 161–183 Stimme und live electronics (2005) Ethereal Beauty für Gu zheng und Akkorde- joachim kremer on/live elctronics (2005) Toys R Us für toy piano, toy marimba, Kalimba/live elctronics und Sampler (2005) Hypnotic Visions, Videomusik (2005) Bella mor- phina für Ocean harp und Waterphone (2006) Ballerina für V., Kl. und Tonband (2007) Anghel, Irinel *14. Mai 1969 in Bukarest, Komponistin, Pianistin und Musik- D.Schriften Orientari, direct¸ii, curente ale muzicii românesti¸ din a doua juma˘ tate a secolului XX (Orien- wissenschaftlerin. Zwischen 1976 und 1988 studierte Irinel Anghel tierungen, Richtungen, Strömungen in der rumän. Musik in der 2. Hälfte des Klavier am Bukarester Musiklyzeum »George Enescu«, danach 1989 20.Jh.), Bukarest 1997 zahlreiche Artikel in Muzica (1991–2004) bis 1994 Musikwissenschaft und 1991 bis 1996 Komposition an der Universitatea Nat¸ionala˘ de Muzica˘ . 2003 wurde sie promoviert und Irinel Anghel zeigt als praktizierende Musikerin das Improvisie- arbeitete 1994 bis 2004 als Assistentin am Inst. für Kunstgeschichte ren im Konzert, wobei sie immer wieder neu zu experimentieren ver- »George Oprescu«, nach 1996 auch als Redakteurin der Fachzeitschrift sucht. Zu ihren bevorzugten Stilrichtungen zählen fusion-music Muzica. Danach gründete sie das Ensemble Pro Contemporania, mit (Crossover) und live-electronic, wo sie neben elektronischen Sampling- dem sie als Pianistin Konzerte in Rumänien und anderen Ländern Klängen in real-time auch traditionelle, elektronisch gesteuerte und Europas und Amerikas unternahm und dessen Leiterin sie bis heute exotische Instrumente verwendet. Verbunden mit surrealistischen (2008) ist. Nach 2003 wurde sie Mitglied der Gruppe Inter-Art und spe- und ›traumähnlichen‹ Akzenten ist Anghels Musik grundsätzlich der zialisierte sich auf die Improvisation, u.a. innerhalb der Formation Postmoderne zuzuweisen und zeigt dabei als Besonderheit eine Aus- Antunes 19 20 dehnung und Überlagerung zeitlicher Momente. Diese Art von werke (erhaltene Instrumente; alle in Lissabon gefertigt) ›Meta-Stilismus‹ bindet dabei konsequent auch Einflüsse außereuro- Cembalo (1758, »Joaquim José Antunes«), 8’+8’, C-e3, Lissabon, Museu da Música päischer Kulturen mit ein. Pianoforte (1767, »Antunes« [= Manuel Antunes]), C-d3, Vermillion, National 3 Music Museum Cembalo (1785, »Joaquim José Antunes«), 8’+8’, G1-g , Goud- literatur F.Ichim, Irinel Anghel si¸ muzica de teatru, in: Teatrul Azi 2003, hurst, Finchcocks Museum Cembalo (1789, »Antunes« [= João Baptista Antu- D.Avakian, 3 Nr.6–8, 57–62 Pro Contemporania, un ambasador al muzicii noastre, in: nes?]), 8’+8’, F1-a , Lissabon, Museu da Música România libera˘ 2004, H. 10, 12 O.Serban–Pârâu ¸ , Muzica, frontiere si¸ fuziune, in: literatur D.H.Boalch, Adeva˘ rul literar si¸ artistic 2004, H. 2, 6 Dies., Pro Contemporania si¸ dezinhibarea, Makers of the Harpsichord and Clavichord 1440– 3 S.Pollens, , : in: dass. 2005, H. 19, 12 C.Ma˘ ce ¸saru, Interviu cu Irinel Anghel, in: ShowTime, 1840, hrsg. von Ch. Mould, Oxd. 1995 The Early Portuguese Piano in EM 1985, 12, 18–27 G.Doderer/J.H. van der Meer Bukarest 2006, 24f. , Cordofones de Tecla Portu- gueses do século XVIII: Clavicórdios, Cravos. Pianofortes e Espinetas – Portuguese String Key- corneliu dan georgescu board Instruments of the 18th Century: Clavichords, Harpsichords, Fortepianos and Spinets, Lissabon 2005 gerhard doderer Antunes, Manuel *1707 (?) in Lissabon, †1.März 1796 ebd., Hauptfigur einer in Lis- sabon ansässigen Cembalo- und Pianofortebauerfamilie, die während Aphex Twin, AFX, Caustic Window, Polygon Window, u.a., der zweiten Hälfte des 18.Jh. den Typus der portugiesischen Kiel- und eigentl. Richard D. James Hammerflügel entscheidend ausprägte. *18. Aug. 1971 in Limerick (Irland), Musiker. Aphex Twin, ein Von jüngsten, noch unveröffentlichten Forschungen zu Manuel, auch als ›Mozart des Techno‹ apostrophierter Exzentriker, begann seinem Sohn Joaquim José und seinem Enkel João Baptista sind viele seine Karriere schon als Schüler. Bereits aus den frühen 1980er Jahren neue Erkenntnisse bezüglich ihrer Familien- und Lebensumstände ist eine Tätigkeit als DJ auf britischen Raves überliefert. Seine ersten zu erwarten, insbesondere hinsichtlich der bislang ungesicheten Werke – mit Tonbandgerät und einem präparierten Klavier erstellte Geburts- und Todesdaten. Ungeklärt dürfte jedoch nach wie vor blei- Klangcollagen – schuf er 1985 als Vierzehnjähriger. Als sie 1993 unter ben, wo Manuel Antunes seine beruflichen Qualifikationen erwarb dem Titel Selected Ambient Works I 85–92 auf dem Sublabel Apollo des oder inwieweit für die 1740er Jahre nachgewiesene deutsche oder ein- belgischen Techno-Pioniers R&S Records erschienen, galten sie als heimische Meister wie João Esvenich und Manuel Ângelo Villa direk- wegweisend für eine Form der elektronischen Musik, die im Grenz- ten Einfluß ausübten. Deutlich präsent sind italienische Vorbilder bereich von Avantgarde, Pop und elektronischer Tanzmusik angesie- aus der Hand von Bartolomeo Cristofori und Giovanni Ferrini. delt ist. Kennzeichnend dafür sind komplexe Rhythmusstrukturen Die frühesten erhaltenen portugiesischen Instrumente aus der und verschachtelte Drum-Programmierungen, über die sphärische Zeit vor und um 1740 bis 1750 (einschließlich eines anonymen Piano- Toncluster gelegt sind. Mit diesen auch als ›Ambient House‹ firmie- fortes in englischem Privatbesitz) dokumentieren jedoch florentini- renden futuristischen Klangarchitekturen entzog sich der experi- sche Charakteristika und viele Züge einer genuin nationalen Tradi- mentierfreudige Klangbastler bewußt einer größeren Öffentlichkeit, tion, die in den Cembali und im Hammerflügel der Familie Antunes wurde damit aber immens einflußreich für jene Generation von am deutlichsten zum Ausdruck kommen. Musikern, die sich den Computer als Medium der künstlerischen Durch das Erdbeben am 1. Nov. 1755 wurden große Teile Lissa- Selbstverwirklichung erschlossen. Er selbst hatte lediglich mit den bons verwüstet; in der Folge kamen weite Bereiche der handwerkli- für seine Musik eher untypischen Produktionen Didgeridoo (1992) chen Produktion zunächst zum Erliegen, erstarkten jedoch relativ und On (1993) Chart-Erfolge. Für Aufsehen sorgte 1995 eine im Inter- schnell wieder. Die neuerliche Nachfrage nach besaiteten Tastenin- net ausgetragene Kontroverse mit K.Stockhausen, der wenig Ver- strumenten wurde durch ansässige (Antunes) und zugezogene Cem- ständnis für diese neuen Formen elektronischer Musik aufbrachte balobauer (Matias Bostem [ca. 1740–1806], Henri-Joseph van Casteel und dies auch offen ausgesprochen hatte, obwohl sich deren Vertreter [1722–1790]) befriedigt. Mit einem im Mai 1760 erteilten kgl. Privileg häufig gerade auf ihn als Wegbereiter beriefen. 1999 erschien mit erhielt Antunes für die Dauer von zehn Jahren ein Exklusivrecht für Windowlicker eine Produktion von Aphex Twin, die sich als eine der den Bau und die Kommerzialisierung von Instrumenten mit einer ersten konsequent auf die polymorphe Spezifik digitaler Medien ein- von ihm vorgeschlagenen verbesserten Hammermechanik. Das Pia- ließ. Werden die klanggenerierenden Algorithmen mit einer Software noforte aus dem Jahre 1767 (vgl. unten Nr.2) steht der Konzeption ausgelesen, die das Frequenzspektrum bildlich darstellt, erscheinen von Cristofori sehr nahe, weist jedoch mit belederten Hammerköp- in ihnen versteckte Abbildungen u.a. des Musikers selbst. Zugleich fen, in Gruppen geachsten Rotellae und den aufgesetzten (statt einge- markierte diese Produktion mit einem aufsehenerregenden Video den lassenen) Stoßzungen eigenständige Lösungen auf. Beginn der Zusammenarbeit mit dem britischen Video-Künstler Soweit aus indirekten historischen Quellen hervorgeht, scheint Chris Cunningham (*1970), die noch im gleichen Jahr in der Verlei- die Familie Antunes eine beträchtliche Anzahl von Instrumenten hung des renommierten Prix Ars Electronica an beide Künstler kulmi- hergestellt zu haben; unerklärlich ist die Tatsache, daß zwei ihrer nierte. Aphex Twin, der zu den bedeutendsten Vertretern der in den Instrumente nur mit dem Nachnamen signiert sind. Zu ihren Mitar- 1990er Jahren unter der Bezeichnung Electronica bekannt gewordenen beitern müssen auch José Cambiazo und José Calisto (erhaltene Musik gehört, ist unter diversen Pseudonymen auch mit virtuosen Instrumente datiert 1769 bzw. 1780) gehört haben, wie zahlreiche Remixen der Arbeit anderer (Die fantastischen Vier, Nine Inch Nails, übereinstimmende Merkmale erkennen lassen. Lemonheads) bekannt geworden. Seit 2001 betätigt er sich wieder häu- Zu den weitestgehend gemeinsamen und typischen Bau- und figer als DJ, veröffentlicht aber immer wieder auch elektronische Gestaltungscharakteristika dieser Instrumente gehören u.a. die mit Installationen, oft in so stark limitierten Auflagen, daß sie zu begehr- herzförmig nach oben gerichteten Wangen angelegten Fußgestelle, ten Sammlerstücken werden. der hellgrüne Außenanstrich, die Verwendung von Fichtenholz für diskographie (unter dem Namen Aphex Twin und bei Warp erschienen, Gehäuse und Mechanikteile sowie südamerikanischen Edelhölzern sofern nicht anders angegeben) für die Klaviaturbeläge und Innengestaltung, ferner die Anlage der Polygon Window, Surfing on Sine Waves (1992) Selected Ambient Works I 85–92 Innenkonstruktion und Berippung. Ihre Klangbilder sind durch ein (Apollo, 1993) Selected Ambient Works II (1994) Words & Music (Sire, 1994) Caustic ausgeprägt würziges und lebendiges Timbre gekennzeichnet. Window, Caustic Window (R&S, 1994) I Care because You Do (1995) Classics (1995) 21 22 Arnecke

Richard D.James Album (1996) Windowlicker (1999) Drukqs (2001) 26 Mixes for Cash (2003) AFX, Hangable Autobulb (2006) Chosen Lords (Rephlex, 2006) literatur G.Rule, Electro Shock! Groundbreakers of Synth Music, San Fran- cisco/Cal. 1999 peter wicke

Arnecke, Jörn *28. Sept. 1973 in Hameln, Komponist. Jörn Arnecke erhielt seit seiner Kindheit Instrumentalunterricht und wurde in Tonsatz und Komposition ausgebildet. 1993/94 setzte er seine Kompositionsstu- dien bei W.Hiller in München fort. Anschließend studierte er Kom- position und Musiktheorie bei P.M.Hamel und Volkhardt Preuß an der Musikhochschule Hamburg. 1997/98 nahm er am Cons. Paris bei Gérard Grisey Kompositionsunterricht; 1998 war er Mitarbeiter des IRCAM (Institut de recherche et de création acoustique/musique). Seit 2001 hat Arnecke eine Teilzeitprofessur für Musiktheorie an der Musikhochschule Hamburg. Im gleichen Jahr erhielt er von der Hamburger Staatsoper den Kompositionsauftrag für Das Fest im Meer (2003 Hamburg) und 2005 für das Musiktheater Butterfly Blues (2005 ebd.). Arnecke wurden mit mehreren Preisen geehrt, darunter der Förderpreis des Göttinger Symphonie-Orchesters (1998), der Preis des Deutschen Tonkünstlerverbandes (1999), das Bach-Preis-Stipendium der Hansestadt Hamburg, ein Stpiendium der Bundeskünstlerförderung im Studienzentrum Venedig, der Paul-Hindemith-Preis des Schleswig- Holstein Musik Festivals und ein Stipendium für den Aufenthalt in der Villa Massimo (2007). werke (erschienen bei Edition Gravis, Bad Schwalbach, wenn nicht anders angegeben) A.Vokalmusik Rondeaux (Charles d’Orléans) für Mez. und 3 Instr. (1997/98), Ms. Strophen zum Wir (Rainer Maria Rilke), 4 Lieder für mittlere St. und Kl. Aus Jesaja (Jesaja 2,4) Jörn Arnecke, Foto: Bernd Thissen/RuhrTriennale für Vokalens. (2000) Erstarrung (Wilhelm Müller/Reiner Kunze) für S, Spre- cherin und Kammerens. (2000) Auf dem Wasser zu singen, 7 Lieder nach Franz Schubert und Johannes Brahms für T und 18 Str. (2005/06) Äther (Hannah Arnecke wurde während seiner Mitwirkung bei der Zivildienst- Dübgen) für S und Kammerens. (2006) Terra maligna (dies.) für S und 4 Instr. Musikgruppe in München zunächst durch W.Hiller geprägt. Das (2006) anschließende Studium in Hamburg und vor allem sein Paris-Auf- B.Bühnenwerke enthalt haben den heute eigenständigen Kompositionsstil mit ent- Klingt meine Linde (Astrid Lindgren), musikalisches Märchen 6 Szenen (1995– wickeln helfen, als dessen Charakteristikum das frühzeitige Verlassen 1998), Verlag für Kindertheater Ariadne, Opernszene für 3 Solisten und Kam- einer Tonalitätsbindung zu nennen ist, ohne dabei in den Post-Seria- merens. (1999) Das Fest im Meer (Francis Hüsers nach John Berger, To the Wed- lismus oder in Aleatorik zu verfallen. Der kompositorische Ambitus ding), Musiktheater 3 Abschnitte für 6 Sänger und KaOrch. (2001/02) Drei Hel- den (Hüsers nach Motiven von Homer/Daniel Defoe/Miguel de Cervantes), von Arneckes Schaffen reicht von ›Scheintonalität‹ bis zur Bildung Farce für Musik für 6 Solisten und Kammerens. (2003/04), Ms. Butterfly Blues von Cluster-Akkorden und Vierteltonschritten, wobei er musikalisch (Henning Mankell, dt. Claudia Romeder), Musiktheater 8 Szenen für 4 Sänger und szenisch eines starke Aussagekraft erreicht hat. Arnecke schrieb und KaOrch. (2004) Unter Eis (Falk Richter), Musiktheater 13 Szenen für Sän- zunehmend für größer besetzte Ensembles und ging von der Solobe- ger, Schauspieler und Orch. (2006/07) setzung über die Kammermusik bis zum großen Orchester; szenisch C.Instrumentalmusik begann er mit der klein besetzten Opernszene und gelangte bis zur I.Orchesterwerke Nachtferne für Orch. (1996) Frage für Orch. (1997/98) abendfüllenden großen Oper Unter Eis. Zur immer stärkeren Hin- Folie für Orch. (2000) Gezeiten, Fantasie für gr.Orch. (2005) Zwischen den Was- wendung seiner szenischen Begabung haben dabei sicherlich die sern, 9 Intermezzi für 18 Str. (2005/06) Kompositionsaufträge der Hamburgischen Staatsoper und der Ruhr- Triennale beigetragen. Unter Eis stellt eine unitäre Entwicklung dar; II.Kammermusik Einstimmig zweistimmig für 2 Ob. (1996) Kreuzspiel für Fl. solo (1996/97) Schwerelos, 3 Stücke für Hf. solo (2000/2005) ›zwei mal zwei‹, hier erfolgt eine solistische Aufsplitterung in 28 Einzelspieler, die ihre Zyklus für Vc. und Kl. (2001/2005) In Stille, StrQu. Nr.1 (2002), Ms. Inschriften, Sitzposition zu ändern haben und damit eine szenische Komponente StrQu. Nr.2 (2003) Weißer Rauch für BKlar. solo (2003) Alea/Talea, Klaviertrio hervorrufen sollen, wobei die Verständigung zwischen Dirigent und Nr.1 (2005/06) Berührungen, 8 Miniaturen für BFl. und Va. (2005) Spieler nur über Monitore möglich ist. rudolf lück