Evangelisches Seniorenwerk

Bundesverband für Frauen und Männer im Ruhestand e.V.

Unerschrockenes Handeln Vor 75 Jahren erste Haft gegen bekennende Kirche

Informationsbrief Nr. 63/1-2010 für Januar Februar März

Jahreslosung 2010: Jesus Christus spricht: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! Joh. 14,1 2 Grußwort

Grußwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

ein im Ökonomischen krisenhaftes Jahr liegt hinter uns. Viele sind froh, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Die Furcht vor anhaltenden Einbrüchen bleibt weiter bestehen.

Wenn wir Älteren derzeit die vielen Negativ-Schlagzeilen hö- ren, dann ist uns klar, dass wir in unserem Leben ganz andere Krisen gemeistert haben. In jungen Jahren haben wir unser Land darnieder liegen sehen. Vieles funktionierte mangelhaft, bestenfalls provisorisch, bis der schnelle Wiederaufbau-West einsetzte. Millionen Flüchtlinge und Vertriebene waren in für sie fremder Umgebung, oft in ungewohntem konfessionellem Umfeld, einzugliedern. Viele unserer Freunde und Freun- dinnen hatten keinen Vater mehr.

Dennoch wurde nicht lauthals gejammert, obwohl genug An- lass zur Klage bestand. Getrauert wurde abseits der nach vorn gerichteten Blicke eher still. Die tröstliche Aufforderung des Jesus-Wortes unserer aktuellen Jahreslosung „Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ hätte auch in die Jahre vor und nach 1945 passen können.

Aktuelle Jahrestage erinnern an damals unerschrocken Han- delnde. Bereits vor 75 Jahren, am 16. März 1935, wurden erste Pfarrer der Bekennenden Kirche von den NS-Behörden inhaftiert. Die Bekennende Kirche war für Hitlers Regime widerständig, weil sie Gott mehr Gehorsam als den Menschen zubilligte. Einer der aufrechten Bekenner war auch der spä- tere Bischof Kurt Scharf, an den sein seinerzeitiger Mitarbeiter und Referent Hartmut Bärend aus Anlass von Scharfs 20. To- destag erinnert. Auch Bärends Kasseler ESF-Vortrag findet sich in diesem Informationsbrief.

Unerschrocken fragt zu den ökonomischen Verwerfungen in den letzten Jahren auch Heiner Geißler, der 80 Jahre alt wird, „was würde Jesus dazu sagen?“ Den Verlierern dieser Ent- gleisungen muss unsere Solidarität gelten. „Damit Ihr Hoff- nung habt“ lautet das Motto des Zweiten Ökumenischen Kir- chentags im Mai in München, auf den wir mit einer Beteili- gung des ESW voraus blicken. Das Miteinander evangelischer und katholischer Christen, das in den schweren Jahren nach 1945 nicht immer harmonisch funktioniert hatte, hat sich merklich gebessert. Das Befremden über die andere Konfes- sion hat abgenommen. Das gibt Hoffnung. Bleiben wir weiter unerschrocken, hofft

Ihr Inhaltsverzeichnis 3

Inhalt

2 Grußwort 3 Inhalt 4 Andacht

Kurzgeschichte 6 Die den Weg säumen

Aus Kirche, Politik und Gesellschaft 8 Munter sein und mutig bekennen 10 Baustelle der Ökumene 13 Pflege muss attraktiver werden 14 Fraglicher Ersatzdienst 15 Gott mehr gehorchen 17 Vom Glanz der neuen Welt 19 Ökonomie im Widerspruch zum Evangelium 20 Lehrverbot in der Restauration 21 Ehrendoktor für Eingeborenen-Bibel 22 Sein Herz ruht in Warschau

Aktuelle Seniorenthemen 23 Nur neue Ressourcen bringen Rettung 24 Mit der Sprache der Wortlosen 30 Im Alter gesund bleiben können 31 Nicht nur Apparate heilen 32 Fortschritte bei altengerechter Arbeit 32 Alt hilft Jung bei Existenzgründung 34 Nichts als Worte...François-Xavier Fabre - Oedipus und die Sphinx - 1808 - Dahesh Museum of Art, New York

Aus den Evangelischen Seniorenwerk 36 Mit Ausflug ins Rheinische 36 Mutiger Streiter 36 Einen starken Sozialstaat braucht das Land 38 Senioren als Kraft der Zukunft 45 Sich mit eigenen Ideen einbringen 50 Bausteine aus erfahrenen Händen 52 Enttäuschung steht am Anfang 53 Auszeichnung für Dr. Erika Neubauer 53 Welches Alter hatte?

Hinweise und Mitteilungen 54 Für Sie gelesen und Wissenswertes

59 Impressum 4 Andacht

Andacht von Das hat einen einfachen Grund: wir führen unser Pfarrer i. R. Leben im christlichen Glauben. Dabei können Dr. Friedrich Thiele uns weder die Politik, die Wirtschaftslage noch Kassel persönliche Angelegenheiten verunsichern. Die Jahreslosung festigt für das beginnende Jahr unseren Glauben.

Aber erlauben wir uns eine Testfrage: Was ver- stehen wir unter Glauben? Wie beantworten wir die Frage? Manche bemühen die törichte Re- densart: wenn unser Denken an seine Grenzen Fundierte Zuversicht kommt, setzt bei uns der Glaube ein. Doch einen Gedanken zur Jahreslosung wahren Glauben ohne Verstand gibt es nicht. Oder soll gelten, was ein gegenwärtiger Schla- 2010 aus Joh. 14,1: gersänger selbstbezogen in einem Kehrreim meint „Glaub´ an das Leben und glaub´ an dich“? Für manche ist Glauben eine Art Gefühl, das man hat, jedoch schwer beschreiben kann. Was ist denn nun christlicher Glaube?

98 Mal spricht das Johannesevangelium vom Glauben, in diesem Jesuswort gleich zweimal. Die Bibel hat eine Reihe von Umschreibungen des Glaubens. Auf eine davon sei hier hingewie- sen. Bei ihr fragen wir nach der Wortwurzel, die im Glauben steckt. Sie geht auf das Hebräische zurück, also auf die Sprache, in der das Alte Testament geschrieben ist. Dabei muss man wissen, dass jene Sprache keine abstrakten Begriffe hat, sondern alle Ausdrücke auf alltäg- liche Geschehnisse zurückgehen.

Worauf ist demnach das Wort Glauben bezogen? Der hebräische Ausdruck, von dem auch das Wort „Amen“ abstammt, geht auf die Bauspra- che zurück und bedeutet so viel wie Fundament haben, auf dem ein Gebäude errichtet wird.

In dem Gleichnis, womit Jesus die Bergpredigt abschließt, schildert er das. Er erwähnt einen klugen Bauherren, der wie ein kundiger Maurer Haben wir das Jahr 2010 gut geplant, und zwar sein Gebäude auf Felsengrund setzt. Dann ohne Ängste oder Unklarheiten? Für Christen ist können Stürme oder Überschwemmungen das eine unnötige Frage, selbst bei Problemen kommen, sein Haus hält dem Stand. Ein törichter mit der Gesundheit, der Familie, der Versorgung Mensch baut auf Sandboden und muss erleben, oder unserem Altsein. Wir lassen uns im Herzen, wie die Unwetter sein Haus zum Einsturz das heißt im Kern unseres Daseins, nicht bringen. erschrecken. Andacht 5

Damit stellt Jesus seine lange Bergpredigt mit Dies lässt sich bei Gesprächen darüber genau ihren Anweisungen zum Handeln auf einen erkennen. Wir hören von manchen die Erklä- festen Grund und, ohne den Begriff Glauben zu rung, man glaube auch ohne Kirchenbesuch und nennen, fordert er auf, sich dieser selbstver- habe nichts mit modernem Zeitglauben und ständlichen Mahnung anzuschließen. schon gar nichts mit Aberglauben zu schaffen. Wir merken jedoch, dass hier Re-densarten Was wir auf solches Fundament des christlichen gehalten werden; denn das Nennen Jesu Christi, Glaubens bauen, ist verschieden. Ob es ein der für uns ans Kreuz ging und danach aufer- einfaches Wohnhaus ist, eine Fabrik, ein Palast stand, kommt nicht vor. Jesus unterstreicht oder ein Stall, das entspricht der jeweiligen wenige Verse nach dieser Jahreslosung den fest Planung; entscheidend ist das gute Fundament, gegründeten Glauben mit dem anderen Ver- das Glauben heißt. gleich: er ist der einzige in Frage kommende Weg, nämlich die erlösende Wahrheit und das Inhaltlich rät Jesus zum wahren Glauben an Gott. wirkliche Leben, das über unsere Zeit bis in Diese Jahreslosung fordert uns auf, getrost bei Ewigkeit gilt. dem zu bleiben, was wir von Kind auf erfuhren und alle Tage erleben können. Es sind die uns Bleiben wir also fern von Angst vor einer dunk- stets umgebenden Hilfen und Führungen, die len Zukunft auf diesem Fundament des Glau- von Gott kommen. Dabei wird durch Jesu bens, was uns zum zuversichtlichen Handeln Ergänzung „glaubt an mich“ deutlich gemacht, einlädt. Dazu ermutigt uns die neue Jahres- dass unser Glaube nur echt ist, wenn wir uns an losung. Jesus Christus halten.

Vorstand und Redaktionsteam des Infobriefes wünschen den Leserinnen und Lesern ein frohes und geruhsames Weihnachtsfest und alles Gute für das Jahr 2010 6 Kurzgeschichte

und durchaus nicht pathetisch verstanden! als Die den Weg säumen Mensch mir selbst und meinen Verwandten und Eine Kurzgeschichte von engeren Freunden vermittels dieser Merkmale, die mich ja kennzeichnen sollen, als der gegol- Dieter Spazier ten, der ich bin? Der sich im Bild von mir, der Dem Gedenken Frieder Theysohns zum sich in meinem Bewusstsein abbildet, mit dem zweiten Todestag am 19. Januar 2010 ich im lebendigen Dialog stehe? Zumindest wer- de ich sehr einschränken und urteilen, dass es nur Stationen und Formen sind und nicht mich Als ich dreißig war, habe ich mich um eine Stelle bestimmende Inhalte und prägende Erlebnisse, beworben. Neben Schul- und Ausbil- nicht Leitvorstellungen und Werte. Ich will nicht dungsnachweisen hatte ich einen handge- untersuchen, wie Menschen auf bloß Formales schriebenen Lebenslauf vorzulegen. Dabei war reduziert und funktionalisiert werden in der mo- wie noch heute ein standardisierter Aufbau zu dernen Arbeitswelt, wo man sie in zumeist vor- beachten. Man wollte erfahren, woher man gebildeten Systemen als austauschbare Domino- komme, welche Bildungsstätten, Lehrstellen, steine behandelt. Ich will genauer wissen, was ggf. Hochschulen man besucht hatte, wie der jenes Eigentlichere ist, das mein Leben aus- Familienstand sei und was man wo seither ge- macht. Das auch immer ein volles Leben bliebe, tan habe. Das war so üblich. Der Einstellende wenn ich meine Herkunft nicht kannte, wenn ich glaubte genug über die Biographie des Bewer- früh die Eltern verloren hätte und Vollwaise ge- bers zu lesen. Oft spielte er auch den Amateur- worden wäre, wenn ich keine Schulbildung, kei- graphologen und meinte aus der Schrift auf den nen Beruf hätte und nur von Gelegenheitsarbei- Charakter schließen zu können. ten ohne Qualifikation hätte leben müssen, viel- Nun aber darüber nachgedacht und gefragt, ob, leicht mit einem Menschen meinesgleichen zu- was da in sorgfältig leserlicher Schrift zu- sammen? Ich gehe all diesen und den zwangs- sammen gefaßt war, wirklich etwas anderes als läufig daraus abgeleiteten Fragen nicht nach. nur die äußere Kontur über ein Leben und seine Und gewiss werde ich als Stellensuchender so Geschichte zu zeichnen geeignet war, wird man klug sein, darüber kein Grundsatzgespräch vom nachdenklich. Was denn kann ein Leser, also hier Zaum zu brechen. Aber ich werde nachdenklich der mögliche nächste Chef oder Dienstvor- darüber, wie weitgehend unpersönlich a-perso- gesetzte, auf diese Weise von mir erfahren? nal es in unserer Gesellschaft und in der sie ent- Gewiß könnte er, falls ich überhaupt nach dem scheidend prägenden Arbeitswelt zugeht. Eindruck, den meine Bewerbungsunterlagen Aber mein Leben kommt in der typisierenden, gemacht haben, in die engere Wahl gezogen aus fast durchgehend festen Satzbausteinen be- würde, im persönlichen Gespräch sich noch stehenden Bewerbungsbiographie nicht vor. Man nach meinen Hobbys und Interessen oder auch tut gut daran, sich mit dem unter Umständen da- danach erkundigen, was ich mir von dem ange- raus resultierenden Job, gleichwie in welchem strebten Job verspräche. Weiß er dann mehr von Beruf, nicht übers Notwendigste hinaus zu enga- meinem Leben? Man möchte annehmen: für gieren oder gar damit zu identifizieren, um bei seine Zwecke: ja. Aber sind die erhaltenen einer ständig möglichen Ersetzung durch wen Informationen mehr als nur technisch und nur anderes nicht größeren psychischen Schaden zu bezogen auf Herkunft, Alter, Aufenthalt (jeweils nehmen. Schlimm genug, dass man die beste wann und wie lange), Teilnahme an Lehrange- Zeit seines Lebens für seinen Lebensunterhalt boten, Leistungsbewertungen, bisherige Be- ver-kaufen muß. Nicht minder schlimm, aus dem schäftigungen und soziale Situation? Mehr als Sozialverband der im Schulterschluss Arbeiten- nur nackte und leblose Daten wie sie für Statis- den ausgeschlossen zu sein. Wahres Leben ist tiken gebraucht werden? Hätte ich als Person Leben mit zumeist nur wenigen Menschen, an Kurzgeschichte 7

die mich Vertrauen und Liebe binden. Nicht be- Lebensweg säume. Auf jeden Fall gehören nicht rechnendes Nebeneinander, das auf den Ge- dazu, die nur gaffen, geifern, ihre Nächsten wie winn einer Leistung des anderen Menschen auf eine Bühne stellen und ihnen lächerliche kas- ausgeht. Innere Heimat, tieferes Sich-kennen parhafte Rollen auf den Leib schneidern, um sich und Sich-erkennen vermögen insbesondere an der Lust der Schadenfreude, der Abscheu auch intellektuelle Spitzfindigkeiten der Spra- und des Hasses zu weiden. Die anderen Men- che, erst recht abgedroschene Riten des Um- schen sind es, mit denen wir unser Verstehen gangs miteinander nicht zu bezeichnen. Dem teilen, durch die uns, auch wenn es nur Augen- Kundigen sei einmal mehr ans Herz gelegt, blicke wären, ein und dasselbe Wissen gleicher- Korinther 1,13 zu lesen. Auch nicht von der Zeit maßen reicher werden lässt. Auch, wenn sie ihre gehetzt, sondern in gelassener Ruhe über sie Bahn zuende gezogen sind, hallt nach, was sie erhoben, erblüht das Ewige der Liebe. Im wei-ten uns in Worten oder stumm gesagt haben. Aus Blick des alten Menschen getraut man sich, ihnen heben sich Leitbilder, Vorbilder, Retter diese großen Worte wieder in den Mund zu heraus. Zusammen bilden sie eine lange und nehmen. hohe Wand. Von einigen, wie sehr ausgespro- chen von dem einen Großvater, von einem mei- ner Lehrer, von einem einzigen Menschen meines Faches, vor allem von Hunderten meiner Patien- ten sehe ich wie gestern die Gesichter und höre mir unvergessliche Worte. Sie Lebenswegge- nossen zu nennen, trifft nicht ganz, was sie be- deuten. Ich habe einen meiner ganz frühen Kindheits- freunde nach über 50 Jahren erstmals wieder getroffen und es war gar nichts vergessen oder verloren, was uns damals noch im letzten Welt- krieg so stark verbunden hatte. Nicht viel ande- res erlebe ich nach über 30 Jahren bei Patienten; mit ihnen verbindet mich ungemindert ein Ver- trauen, das damals schon dazu verholfen hat, gemeinsam die Klippen zu überwinden. Und es gelingt von Neuem. Ich denke an die kalten Winter der Kindheit. An die damals häufigen weißen Weihnachten. Es kam meine Großmutter vom Vater her (der Groß- vater war an den Folgen einer Kriegsbeschädi- gung aus dem Ersten Weltkrieg mit nur wenig über 50 Jahren gestorben). Kurz danach kam der schon erwähnte Großvater von der Mutter her (ihm war zu Silvester durch unmittelbare Kriegs- folge meine noch rüstige Großmutter gestorben, weil sie während eines Luftangriffs auf das sie „Menschen um uns“, Acrylbild von Ingrun Spazier beherbergende Krankenhaus nicht operiert werden konnte. Kurz darauf hatte ich ihn zu den Es wäre keine gute Bildbeschreibung, von ei- noch rauchenden Trümmern seines Hauses und nem Menschenspalier zu sprechen, das den seiner Bäckerei begleitet. Da habe ich ihn das Auch, wenn sie ihre Bahn zuende gezogen sind, einzige mal weinen sehen). Alles ging sehr leise 8 Kurzgeschichte - Aus Kirche, Politik und Gesellschaft

zu. Es wurde nichts großartig mitgebracht oder geschenkt. Nur zusammen zu sein, etwas zu Munter sein und mutig singen, etwas vorzulesen, ein paar Erzählun-gen, bekennen das schon war das Beseligende eines so empfundenen Friedens tief im Krieg. Ohne die-se Margot Käßmann ist neue Menschen, die ich ohne Scheu hohe Gestal-ten heiße, kann ich mir mein Leben nicht vor-stellen. EKD-Ratsvorsitzende Sie sind tot, und doch leben sie solange wie ich. Der eindrücklichte meiner Lehrer, der wie kein anderer überzeugte und Halt gab in dem Für alle Kreise des anarchischen Jahrfünft zwischen der Protestantismus in Niederwerfung Nazideutschlands 1945 und dem Deutschland ist Ende der Besatzung 1949, es war eine sie als neue EKD- wiederkehrende Feier, hatte in der letzten Ratsvorsitzende Schulstunde vor den Weihnachtsferien neben eine gute Lösung: dem Katheder stehend Stücke für Solovioline Die 51jährige von Johann Sebastian Bach gespielt. Ohne ein hannoversche Wort von uns andächtig Lauschenden, die wir Landesbischöfin damals 11 bis 15 waren. Ein anderer, unser Di- Margot Käßmann. rektor des Gymnasiums -ich wiederhole diesen Ende Oktober Satz gern- rief uns scheidenden Abiturienten 2009 wurde sie später nach: „Bildung ist, was übrig bleibt, wenn vom EKD-Rat für Sie alles Gelernte vergessen haben wer-den.“ sechs Jahre an die Später bin ich Arzt geworden und wusste Spitze der Evan- ziemlich früh, dass sich dieser „Beruf“ am we- gelischen Kirche nigsten als ein „Job“ oder gar „Service“ verste- in Deutschland hen und ausüben lässt. berufen. Sie ist Vielleicht können wir heute Alten, trotz einer so damit Sprecherin der rund 25 Millionen extrem veräußerlichten Welt, unseren Kindern evangelischen Christen in Deutschland. und Enkeln ihre Wege säumende Menschen sein. Das wäre, wie in der eigenen Kindheit, das Herz- Als erste Frau an der Spitze der Kirche weiß die zu-Herz, das die innere Heimat ist. In den kalten 2007 geschiedene Mutter von vier Töchtern da- Wintern unserer frühen Jahre war diese rum, dass Männer und Frauen die Kirche ge- Innerlichkeit das Leben. In den erzählten Er- meinsam gestalten. Auch die Grenzen zu ande- innerungen pulst es fort. ren Ländern und Konfessionen hat die Bischöfin und neue EKD-Ratsvorsitzende mit ihrer Arbeit im Entwicklungsdienst und im Ökumenischen Kirchenrat überstiegen.

Vier tragende Säulen Als Kirchentags-Generalsekretärin 1994 bis 1999 hat sie ein großes Spektrum an Glaubens-Be- zeugungen kennen gelernt. Hier hat sie die Er- kenntnis gewonnen, dass Kirche nicht nur kopf- lastig sein dürfe, sondern Glaube auch sinnlich erfahrbar sein soll. Für Meditationen, Spiritualität und Pilger-Wanderungen hegt sie Sympathien. Aus Kirche, Politik und Gesellschaft 9

Bei aller munteren Aktivität dürfen ihrer Ansicht Nach vorn blicken nach aber die vier tragenden Säulen evange- Eigene Schicksalsschläge wie ihre Krebserkran- lischen Glaubens nicht ins Wanken kommen, die kung 2006 und ihre Scheidung 2007 zeigen für sie mit Bibel, Jesus Christus, dem Gesang-buch Margot Käßmann, dass man Misslungenes und und dem Vaterunser benennt. Der Glaube muss Verlorenes zu verarbeiten habe, und dennoch für sie auch mutig bekannt werden. Ein Gott- nach vorn blicken könne. Sie schaut dennoch irgendwie-Gefühl genügt ihr nicht. Im gern zurück, aber auch mutig nach vorn, wie in evangelischen Kindergarten möchte Margot ihrem Buch „In der Mitte des Lebens“ zu lesen Käßmann nicht nur heitere Naturlieder gesun- ist. Sie freut sich aufs Alter: Die Bibel ist eine Er- gen bekommen, sondern auch biblische Ge- mutigung, in Würde alt zu werden, ist sie über- schichten erzählt haben. Kinder und Erwachse- zeugt. ne sollten wieder mehr beten und Kirchen soll- ten wie Kirchen aussehen und nicht wie unver- Im ökumenischen Gespräch setzt sich Margot bindliche Gemeindezentren wirken. Käßmann mit einzelnen Positionen der römisch- katholischen Kirche auch kritisch auseinander. So verbindet die Hannoversche Bischöfin und So kritisiert sie unter anderem bestimmte sexual- neue Rats-Vorsitzende Käßmann nicht nur tra- ethische Positionen (Homosexualität, Aufklä- ditionelle Glaubens-Äußerungen und modernes rungsarbeit zur Verhinderung von Aids) der ka- Gemeindeleben. Sie setzt sich seit ihrer Promo- tholischen Kirche, fordert die Zulassung von tion an der Ruhr-Universität Bochum über das Frauen zum Priesteramt und die Aufhebung des Thema „Armut und Reichtum als Anfrage an die Zölibats. Einheit der Kirche“ auch stark für soziale Be- lange ein. „Kirche muss auch für Menschen am Wichtig ist für Käßmann auch der Kampf gegen Rande einstehen“, ist Margot Käßmann über- Rechtsextremismus. Die Kirche dürfe nicht wie- zeugt und nennt als zu stützende Gruppen Kin- der wie 1933 weg sehen. So tritt Käßmann auch der in Armut, von Hartz-IV-Regelungen unge- für ein Verbot der NPD ein. Sie argumentiert: recht Behandelte und Pflegebedürftige. „Wie wollen wir jungen Menschen vermitteln, dass sie diese Partei nicht wählen sollten, wenn sie doch offiziell zugelassen ist?“

Von der Vikarin zur Bischöfin Margot Käßmann wurde in Marburg nach zwei älteren Schwestern als Tochter eines Tankstellenbesitzers und einer Krankenschwester geboren. Nach dem Abitur 1977 stu- dierte sie evangelische Theo- logie in Tübingen, Edinburgh, Göttingen und Marburg. Wäh- rend ihres Studiums nahm sie 1978 an mehrwöchigen ar- chäologischen Ausgrabungen in Akko (Israel) teil. 1983 wur- de sie Vikarin in Wolfhagen bei Kassel. Im gleichen Jahr 10 Aus Kirche, Politik und Gesellschaft

nahm sie in Vancouver an der Vollversammlung Auch das Evangelische Seniorenwerk ESW wird des Ökumenischen Rates der Kirchen teil und sich mit einem Stand und mit vielen seiner wurde in dessen Zentralausschuss gewählt. Mitglieder an diesem Münchener Kirchentag be- teiligen. Zumal das ESW mit seinen Partnerorga- 1985 erfolgte ihre Ordination zur Pfarrerin. Zu- nisationen auf katholischer Seite wie dem Kol- sammen mit ihrem damaligen Ehemann Eck- pingwerk und dem Bundesforum Katholische hard Käßmann war sie von 1985 bis 1990 Ge- Seniorenarbeit gerade auch in der Bundesar- meindepfarrerin in Frielendorf-Spieskappel im beitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen Schwalm-Eder-Kreis. Danach wurde sie Beauf- BAGSO eine partnerschaftliche Zusammenarbeit tragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst pflegt. und Studienleiterin bei der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck. In den Jahren 1994 bis Die Einladung zum Zweiten Ökumenischen Kir- 1999 amtierte sie als Generalsekretärin des chentag in München wird in einer Zeit ausge- Deutschen Evangelischen Kirchentages. 1999 sprochen, die von einer Vertrauenskrise geprägt erfolgte ihre Wahl zur Bischöfin der Evangelisch- ist - wirtschaftlich, politisch und sozial, bei uns Lutherischen Hannover. und in der Welt. Umso dringlicher wird in Mün- chen gefragt werden müssen, wie christliches ©Fotos Monika Lawrenz/ LVH Leben in der Welt und für die Welt gelingen kann. Aus gemeinsamer Verantwortung soll nach For- men gemeinsamen Handelns gesucht werden. Dies geschieht auf der Grundlage des Kirchen- Baustelle der tags-Leitwortes: „...Damit ihr Hoffnung habt“. Ökumene Zweiter Ökume- nischer Kirchentag im Mai in München

Der zweite Ökumenische Kir- chentag vom 12. bis 16. Mai in München wird ein Ort sein, an dem Katholiken und Protestanten gemeinsam den christlichen Glauben bekennen. Es wird zu diesem Münchner Kirchentag eingeladen, um einander zu be- gegnen, zu beten und gemein- sam Gottesdienst zu feiern. Es soll Gelegenheit gegeben werden, das Gespräch und die Auseinandersetzung über die Grundlagen des Es ist bewusst, dass dieses Zeugnis nur dann Christseins zu suchen. glaubwürdig gegeben werden kann, wenn alle auf der Suche nach der sichtbaren Einheit aller Christinnen und Christen bleiben. Der erste Öku- menische Kirchentag in 2003 war hierzu Aus Kirche, Politik und Gesellschaft 11

ein wichtiger Schritt, nun soll der Weg weiter Ziel: Gemeinsames Abendmahl gegangen werden. Weil das Gemeinsame stär- Alles das gemeinsam zu tun, was gemeinsam ker wiegt als das Trennende, versteht sich der getan werden kann, soll unseren entschiedenen Zweite Ökumenische Kirchentag als Baustelle Willen zur Ökumene erfahrbar machen. Das Le- der Ökumene. Die Beteiligten wissen sich ver- ben vor Gott, der Glaube an Jesus Christus und bunden mit der weltweiten Ökumenischen Be- das Vertrauen auf den Heiligen Geist sind die wegung. Die christliche Einheit ist Gottes Gabe Grundlagen des 2. Ökumenischen Kirchentages. und unser aller Aufgabe. Die verbindende Kraft der Taufe ermutigt uns. Wir halten an der Verpflichtung fest, die Gemein- Offenes Gespräch schaft im Glauben so zu stärken, dass eines Ta- Die ökumenische Landschaft in Deutschland hat ges das Ziel erreicht ist: Die Gemeinschaft in sich seil 2003 verändert. Vieles, was in Berlin Abendmahl und Eucharistie. geschehen ist, hat zu neuen Entdeckungen der ökumenischen Vielfalt geführt, zu gegenseitiger Der Zweite Ökumenische Kirchentag fragt, was Annäherung beigetragen und Abgrenzungen Christ sein in der Welt und für die Welt heute be- überwunden. Anderes hat Spannungen deutet. Christinnen und Christen stehen vor hervorgerufen und gezeigt, dass es des offenen neuen Herausforderungen: Die deutsche Gesell- theologischen Gespräches weiterhin bedarf. schaft ist religiös pluraler geworden. Prozesse Doch der Weg auf die sichtbare Einheit der Kir- der Säkularisierung und ein neues Interesse an che hin ist unumkehrbar eingeschlagen. den Religionen überlagern sich. Zwei Drittel der Bevölkerung verstehen sich als Christen, doch verflüchtigen sich Selbstverständlichkeiten einer christlich geprägten Gesellschaft.

Identität in der Vielfalt Wir Christinnen und Christen sind aufgefordert, uns den Herausforderungen des Pluralismus zu stellen und seine Chancen zu nutzen. Die wachsende religiöse Vielfalt erlaubt. Profil durch die Klarheit im Glauben und durch Wahrhaftigkeit So soll auch der Zweite Ökumenische Kirchen- in unserem Handeln zu gewinnen. tag einen Raum schaffen, in dem sich Chris- Auf dem Zweiten Ökumenischen Kirchentag tinnen und Christen aus den vielfältigen Traditi- wollen wir deshalb nach christlicher Identität un- onen der Ökumene begegnen und die Kenntnis ter Bedingungen religiöser, weltanschaulicher voneinander vertiefen können. Die „Charta und kultureller Vielfalt fragen. Zugleich wollen wir Oecumenica“, auf dem ersten Ökumenischen den Dialog mit Nichtchristen praktizieren, um ge- Kirchentag von den Kirchen katholischer, evan- meinsam mit ihnen unsere Gesellschaft aktiv zu gelischer, freikirchlicher, orthodoxer und angli- gestalten. kanischer Tradition feierlich unterzeichnet, bleibt Wichtige Voraussetzung ist die vorbehaltlose Be- dabei Grundlage und Verpflichtung. Was bereits gegnung und das offene Gespräch mit anderen an gemeinsamen Gottesdiensten und liturgi- Religionen, Weltanschauungen und Kulturen. Wir schen Feiern möglich ist, soll auch in München wollen miteinander reden, lernen, streiten - über zum Ausdruck kommen, ohne dabei die ökume- Gottesbilder und Glaubensvollzüge, über unsere nischen Partner zu vereinnahmen oder auszu- Berufung in der Welt und über die Grundlagen grenzen. des Zusammenlebens in Freiheit, Mitmensch- lichkeit und Solidarität. Je vielfältiger unsere Gesellschaft ist, umso dringlicher wird es, dass 12 Aus Kirche, Politik und Gesellschaft

alle Religionen und Weltanschauungen zu den Als Christinnen und Christen sind wir uns darin kulturellen Voraussetzungen beitragen, auf de- einig, dass uns unsere Erde anvertraut wurde. nen die freiheitliche Demokratie beruht. Einen Wir dürfen, ja sollen ihre Schätze verantwortlich solchen Beitrag will der Zweite Ökumenische nutzen. Unser Lebensstil und Wirtschaften ge- Kirchentag leisten. fährden jedoch die Natur und die Teilhabe vieler Menschen unserer Zeit und zukünftiger Genera- Verbindendes Erbe tionen. Deshalb soll der Zweite Ökumenische Die moderne Gesellschaft braucht Maßstäbe, die Kirchentag ein deutliches Zeichen für unsere Orientierung für das individuelle wie für das Sorge um den Erhalt der Schöpfung setzen. kollektive Handeln bieten. In die Auseinander- setzung um solche Maßstäbe gilt es, das Ökumene voran treiben christliche Erbe einzubringen. Um dies über- Der gemeinsame Glaube bestärkt uns darin, die zeugend und glaubwürdig tun zu können, wol- Ökumene voranzutreiben, die Vielfalt zu achten len wir auf dem Zweiten Ökumenischen Kir- und Verantwortung zu übernehmen. Wir lassen chentag nach dem suchen, was uns über Kon- uns dabei leiten von der Hoffnung, die uns trägt fessionsgrenzen hinweg in sozialen, kulturellen und bewegt. und politischen Fragen verbindet. In diesem Sinn Die hier formulierten Anliegen und Aufgaben wer- soll der Zweite Ökumenische Kirchentag in den uns in den kommenden Monaten der Vorbe- besonderer Weise auch ein Ort für junge Men- reitung des Zweiten Ökumenischen Kirchentages schen sein, die christlichem Handeln gerade im Richtschnur und Maßstab sein. Ebenso bitten wir Dialog der Generationen neue und eigene Im- auch alle Vorbereitungs-Gremien und all jene, die pulse geben. sich mit uns auf den Weg nach München bege- ben, sich hieran zu orientieren. Globale Gerechtigkeit Aus der gemeinsamen Verpflichtung, Zeugnis Diese Gedanken wurden vom Gemeinsamen von der bedingungslosen Liebe und Menschen- Präsidium des Zweiten Ökumenischen Kirchen- freundlichkeit Gottes und von der Gotteben- tages München 2010 beschlossen. bildlichkeit eines jeden Menschen zu geben, setzen wir uns ein für die Unantastbaren der Vier Themen Menschenwürde. Wo wir sie uneingeschränkt Aus den Vorüberlegungen ergeben sich für die achten und schützen, wird freies und selbstver- Tage vom 12. bis 16. Mai in München folgende antwortetes Handeln möglich. Armut und Be- Themen, die aus der Grundüberlegung gespeist nachteiligung begrenzen die persönliche Ent- sind, dass wir Christinnen und Christen gemein- faltung und die Teilhabe am sozialen Leben in sam die Welt mitgestalten und Hoffnungszeichen besonderer Weise. Deshalb wird der Ruf nach setzen wollen. Beim Zweiten Ökumenischen Kir- Gerechtigkeit - regional, national wie global - ein chentag stehen folgende Themen im Mittelpunkt: Schwerpunkt des Zweiten Ökumenischen Kirchentages sein. In Teilen unserer Gesellschaft herrscht Unfrieden, in vielen Regionen unserer ! Verantwortlich handeln - Christ sein in der Welt ist Krieg. In der Nachfolge des Friedens- einen Welt, stifters Jesus Christus treten wir für jene ein, die ! Miteinander leben - Christ sein in der unter Gewalt leiden. Wir engagieren uns für offenen Gesellschaft, Frieden, für Menschenrechte und Gerechtigkeit ! Suchen und finden - Christ sein in pluralen in der globalen Welt. Auf dem Zweiten Ökume- Lebenswelten, nischen Kirchentag bekennen wir uns öffentlich ! Glauben leben - Christ sein in der zu dieser, die ganze Christenheit einenden Vielfalt der Kirchen. Veröffentlichung. Aus Kirche, Politik und Gesellschaft 13

von der Spitze des Berliner Gesundheitsminis- Pflege muss attraktiver teriums an DW-Chef Kottnik. werden Kottnik begrüßt, dass die Forderungen auf Aktion „Weil wir es wert sind“ höchster politischer Ebene angekommen sind. „In der vergangenen Legislaturperiode haben von hoher Politik gelobt Bundestag und Bundesregierung Verbesse- Auch Spitzenpolitiker unterstützen die Kampag- rungen und Weiterentwicklungen auf den Weg ne „Weil wir es wert sind“, mit der sich das Dia- gebracht. Es bleibt aber noch sehr viel zu tun, damit gute Pflege Zukunft hat. Die soziale Pfle- geversicherung ist finanziell und inhaltlich an die veränderten Realitäten anzupassen.“

Mit ihrer Aktion „Weil wir es wert sind“ setzt sich die Diakonie für eine Anpassung der Sozialge- setzgebung ein. Kernstück der Forderungen ist eine angemessene Bezahlung der Mitarbeiten- den. Kottnik ergänzte: „Nur mit einer verlässli- chen Finanzierung werden wir gute Pflege dauer- haft leisten können. Nur so können wir auch eine gute Ausbildung und die notwendige Qualifizie- rung unserer Mitarbeitenden ermöglichen und den Pflegeberuf für Fachkräfte und den Nach- wuchs attraktiv gestalten.“

Im Rahmen der Aktion sammelte der evangeli- sche Wohlfahrtsverband Diakonisches Werk Unterschriften für die Zukunft der Pflege. Pflege- kräfte, pflegebedürftige Menschen und Angehö- rige setzten sich damit gleichermaßen für eine ideelle und finanzielle Anerkennung der Pflege konische Werk der EKD und der Deutsche ein. Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege für die Zukunft der Pflege stark machen; sie Eingebettet ist die Forderung nach einer gerech- versichern, für die Forderungen der Diakonie „mit ten Bezahlung in ein Gesamtkonzept einer zu- allem Nachdruck zu kämpfen.“ kunfts-orientierten Pflege. Es umfasst die Finan- „Wir unterstützten die Aktion Weil wir es wert zierung und Qualitätssicherung der Pflege, die sind des Diakonischen Werkes der EKD, weil Qualifizierung und Motivierung der Pflegekräfte Pflegenden, egal ob zu Hause oder professio- sowie die Entlastung der pflegenden Angehö- nell, nicht nur Anerkennung und Dank gebührt. rigen. Würdevolle Pflege soll unabhängig vom Vor allem brauchen alle Pflegenden vernünftige individuellen Einkommen geleistet werden. Per- Rahmenbedingungen, die sie in ihrer tagtäg- sonelle und finanzielle Ressourcen sollen auch lichen Arbeit unterstützen. Denn gute Arbeits- durch eine Entbürokratisierung freigestellt wer- bedingungen, faire Bezahlung, solide Finanzie- den und so, zusammen mit Änderungen gesetz- rung der Pflege und nicht zuletzt hohe Berufs- licher Grundlagen, die Qualität der Pflege ge- zufriedenheit sind die Voraussetzungen für eine währleisten können. Regelungen für eine ange- würdevolle Pflege“, verlautete aus einem Brief messene Personalausstattung, stabile Rahmen- 14 Aus Kirche, Politik und Gesellschaft

bedingungen für eine angemessene Vergütung, reitungskurse an. Die Zeit dafür beträgt bei- innovative Ausbildungs- und Qualifizierungs- spielsweise bei Krankenhäusern nochmals vier angebote sowie Maßnahmen der Personal- und Wochen. Organisationsentwicklung sollen darüber hinaus die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigern Die Träger solcher Stellen zweifeln deshalb nach und das Berufsfeld generell attraktiver machen. der abermaligen Kürzung der Zivildienstzeit auf Pflegende Angehörige sollen eine bessere An- dann nur noch sechs Monate insgesamt an der erkennung und gesellschaftliche Unterstützung Effizienz dieses Dienstes. Auch befürchten sie erfahren. eine noch höhere Fluktuation im Personal, die Mehr Informationen stehen im Internetportal vor allem ihre demente Klientel belaste. Diese www.weil-wir-es-wert-sind.de Institutionen möchten dann künftig eher auf Zi- vildienstleistende verzichten und planen, dafür die Zahl der Auszubildenden, Praktikanten und Mitarbeitenden im Freiwilligen Sozialen Jahr FSJ zu erhöhen. Diese Gruppen junger Mitarbeiter Fraglicher Ersatzdienst sind jedoch für die Einrichtungen teurer, da für sie wesentliche Kosten nicht wie bei den Ersatz- Diakonie sieht kürzeren dienstleistenden vom Bundesamt für den Zivil- Zivildienst gelassen dienst übernommen werden. Bei dieser Lösung könnten, so argumentieren diese Dienste, die Leistungen für Kostenträger und Abnehmer Durch die von der schwarz-gelben Regierung teurer werden. angestrebte Verkürzung des Wehrdienstes wird auch der zivile Ersatzdienst vermutlich von neun Erfahrung in Sozialarbeit auf sechs Monate reduziert. Da bereits jetzt Die Diakonie, in deren Einrichtungen 12.000 der durch den Geburtenrückgang nur zwei Drittel der 77.000 Zivildienstleistenden Dienst tun, sieht vorhandenen gut 100.000 Ersatzdienst-Stellen einer geplanten Verkürzung des Zivildienstes besetzbar sind, wären nach der Dienstzeit-Kür- gelassen entgegen. „Bei 450.000 Mitarbeiten- zung nur noch junge Männer für die Hälfte der den, 450.000 Ehrenamtlichen und 12.000 Zivil- Stellen vorhanden. Denn die derzeit zur Verfü- dienstleistenden bricht in der Diakonie nichts gung stehenden 77.000 Zivildienstleistenden zusammen. Dann hätten wir etwas falsch ge- (ZDL) stünden dann nur noch für zwei Drittel der macht“, sagt Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Zeit zur Verfügung. Kottnik. Er sieht den Sinn des Ersatzdienstes vor allem in einer persönlichen Informations- und An der Sinnhaftigkeit des zivilen Ersatzdienstes Reifungszeit für die dienstleistenden jungen an sich bestehen kaum Zweifel. Und wenn die Männer. ZDL'en nur hauptamtliche Kräfte entlasten, die dadurch wieder mehr Zeit für Zuwendung bei „Auch bei einer Verkürzung auf sechs Monate ihrer Klientel gewinnen. Beschäftiger hingegen, sind sinnvolle Tätigkeiten möglich. Das belegen die sich von Ersatzdienstleistenden wesentliche unsere Erfahrungen mit drei- bis sechsmonatigen Aufgaben erfüllen lassen, kommen vor allem Kurzzeit- Freiwilligendiensten“, betont Kottnik. durch das für sie ungünstiger werdende zeit- Allerdings müsse sich der Charakter des Zivil- liche Verhältnis zwischen Einarbeitung und ei- dienstes dann verändern und den neuen Rah- gentlichem Dienst in Bedrängnis. Für viele Ein- menbedingungen angepasst werden. richtungen schließen sich an die ein- bis drei- wöchigen Einführungslehrgänge des Bundes- Kottnik betont, dass sich die Diakonie immer für amtes für den Zivildienst noch interne Vorbe- einen Zivildienst als Lerndienst eingesetzt habe. Aus Kirche, Politik und Gesellschaft 15

„Junge Menschen machen hier erste Erfahrun- übertragen werden. Außerdem durften nach gen mit sozialer Arbeit und erhalten vor allem einem Arier-Erlaß vom September 1933 nur noch auch eine Chance, persönlich zu reifen“. Eine „arische“ evangelische Geistliche ihr Amt aus- Verkürzung der Zeit auf ein halbes Jahr mache üben. Zum Christentum übergetretene jüdische dies schwieriger. Es sei eine alte Forderung der Pfarrer sollten entfernt werden. Diakonie, den Zivildienst durch den Ausbau der Jugend-Freiwilligendienste zu kompensieren. Dagegen regte sich starker innerkirchlicher Wi- Dem Vorschlag einer freiwilligen Verlängerung derstand, der in die „Bekennende Kirche“ mün- des Zivildienstes kann die Diakonie nichts ab- dete. Diese Bekennende Kirche war ein sich gewinnen. „Besser wäre es, sich von vorn-herein selbst organisierender Zusammenschluss von für ein FSJ zu entscheiden“, erklärt Kottnik. evangelischen Geistlichen, die Rassenideologie, Ausgrenzungen und politische wie völkerrechts- widrige Gewalt der Nationalsozialisten als mit dem Christentum unvereinbar ablehnten. Die Be- kennende Kirche trat in fundamentalen Gegen- Gott mehr gehorchen satz zu den Deutschen Christen. Sie organisierte Vor 75 Jahren wurden erste sich über einen Bruderrat aus dem NS-Regime ablehnend gesonnenen Pfarrern aus den einzel- Mitglieder der Bekennenden nen Landeskirchen. Kirche verhaftet

An den in diesen Tagen wieder wach werden-den Erinnerungen an die DDR wird deutlich, wie tief ein totalitäres Regime die Gesellschaft durchdringt. Das tat der Nationalsozialismus im Dritten Reich ebenso. Auch damals regte sich von Seiten der Gewerkschaften, der Wissen- schaft und der Kirchen Widerstand. Im Bereich evangelischer Christen gehörte in dieser dunk- len Zeit die „Bekennende Kirche“ zum besseren Deutschland. Bereits am 16. März 1935, gerade zwei Jahre nach der NS-Machtübernahme - also vor jetzt 75 Jahren -, kam es zu ersten Ver- haftungen aufrechter protestantischer Pfarrer.

Hitler und die seinen trieben sofort nach ihrer Machtergreifung 1933 die Gleichschaltung aller Lebensbereiche voran. Dazu gehörte auch die Kirche. In der Evangelischen Kirche hatten eini- ge sogar die nationale Ausrichtung begrüßt. Das nahmen die Nationalsozialisten zum Anlass, für diese „Deutschen Christen“ Ludwig Müller als „Reichsbischof“ einzusetzen. Ein solches Amt war der föderal in Landeskirchen gegliederten Evangelischen Kirche bis dahin fremd. Das NS- Führerprinzip sollte damit auch auf die Kirche Pfarrer Martin Niemöller 16 Aus Kirche, Politik und Gesellschaft

Barmer und Dahlemer Papiere Bekennenden Kirche. Der Riss zwischen Deut- Ihren Ausgang nahm die Bekennende Kirche in schen Christen und Bekennender Kirche war tief der Gründung des Pfarrernotbundes im Herbst und klaffte sogar nach 1945 nach Ende der NS- 1933 durch einige Berliner Pfarrer, darunter Herrschaft noch. Martin Niemöller, Dietrich Bonhoeffer, Herbert Goltzen, Eugen Weschke und Günter Jacob. Doch auch innerhalb der Bekennenden Kirche Schnell traten rund 7.000 evangelische Geist- gab es Gegensätze: Und zwar zwischen jenen, liche dem Bund bei, was ungefähr 40 Prozent die für sich auch ein politisches Widerstands- der gesamten protestantischen Pfarrerschaft recht gegen staatliche Maßnahmen reklamierten Deutschlands entsprach. Ihre geistliche Stoß- und anderen, die sich lediglich auf die Reinhal- richtung fand diese Notgemeinschaft in der von tung der Verkündigung von völkischer Bevor- Karl Barth initiierten und im Mai 1934 in Wup- mundung richteten. Offener Widerstand führte pertal-Barmen verabschiedeten Theologischen bereits im März 1935, also vor 75 Jahren, zu Erklärung, sowie in einem Papier einer Be- ersten Verhaftungen von Theologen. Viele auf- kenntnissynode vom Oktober 1934 in Berlin- rechte Pfarrer wurden auch danach und bis zum Dahlem. Dieses „Dahlemer Notrecht“ rechtfer- Ende des NS-Regimes inhaftiert, verhört und ge- tigte die Gehorsamsverweigerung gegenüber der demütigt. Die NS-Machthaber waren daran inter- Obrigkeit. essiert, Interna der Bekennenden Kirche wie Zu- gehörigkeit, Pläne und verdeckte Nachrichten- wege zu erfahren. Die Beteiligung von Theologen und Protestanten am Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 führte zu einer großen Zahl von Verhaf- tungen auch von Theologen und Persönlichkei- ten, die aus ihrem Glauben heraus Widerstand leisteten. Hingerichtet wurden bis 1945 unter an- deren Dietrich Bonhoeffer, Helmuth James Graf von Moltke, Karl Talazko und Kurt Bornitz.

Friedlicher Aufbau Weitere prominente Zugehörige zur Bekennen- den Kirche, die nach 1945 am Aufbau einer neu- en friedlichen Ordnung mitarbeiten konnten, wa- ren unter anderen in Kirchenleitung und Pfarrer- schaft Heinrich Albertz, Friedrich von Bodel- schwingh jr., Otto Dibelius, Martin Niemöller, Kurt Der Weg der Bekennenden Kirche Scharf, Albrecht Schönherr und Horst Syma- Abschrift eines Vortrags von Pfarrer Martin Niemöller nowski, in der theologischen Professorenschaft Berlin, 6. Dezember 1936 neben Karl Barth auch Rudolf Bultmann, Fried- rich Delekat, Gerhard Ebeling, Helmut Gollwitzer Leitendes Gremium der Bekennenden Kirche war und Erik Wolf, unter weiteren Hochschullehrern der Reichsbruderrat aus je einem unverdächti- der Ökonom Constantin von Dietze, der Histo- gen Vertreter aus den einzelnen Landeskirchen. riker Gerhard Ritter und der Kirchenmusiker Dieser Reichsbruderrat galt als eigentliche Friedrich Smend sowie im politischen Bereich Führung der Evangelischen Kirche in Deutsch- neben Heinrich Albertz auch Eugen Gersten- land. Die Deutschen Christen und ihr Reichsbi- maier, Gustav Heinemann und Hermann Ehlers. schof Müller standen als Sprachrohr des NS- Regimes somit außerhalb der Gemeinschaft der Aus Kirche, Politik und Gesellschaft 17

Scharfs Weg im Dritten Reich. 1945 wurde Kurt Scharf Propst und Leiter der Abteilung Branden- burg im Berliner Konsistorium. 1952 wurde ihm von der Humboldt-Universität in Berlin die theo- logische Ehrendoktorwürde verliehen. 1957 wur- de er Vorsitzender des Rates der EKU, wenig später Vorsitzender des Rates der EKD. 1966 bis 1976 war Kurt Scharf Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-; er konnte sein Amt aber weitgehend nur in Berlin-West wahrneh- men, da er für die DDR-Behörden „Persona non grata“ war. Auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand blieb Kurt Scharf aktiv, vor allem in seiner Funktion als Vorsitzender der Aktion Auch Mitglieder der Bekennenden Kirche verloren ihr Sühnezeichen (1980-1984). Er starb 1990 wäh- Leben im Kampf gegen Hitler: Auf unserem Briefmarken- rend einer Busfahrt zu einem Krankenbesuch in block finden sich in der dritten senkrechten Reihe Diet-rich Bonhoeffer (oben) und Helmuth James Graf von Moltke Berlin. (unten).

Vom Glanz der neuen Welt Zum 20. Todestag von Kurt Scharf: Ein persönlich gefärbtes Lebensbild Von Pfarrer Hartmut Bärend, Berlin

Am 28. März 2010 begehen wir den 20. Todes- tag von Bischof D. Kurt Scharf. Seine blitzen- den, zumeist sehr gütigen Augen unter den buschigen Augenbrauen sind mir wie vieles an- dere auch unvergessen. In den vier sehr ent- scheidenden Jahren 1973 bis 1976 konnte ich ihn als theologischer Referent, später auch als persönlicher Referent, begleiten.

Bekennende Kirche gleich 1933 Kurt Scharf ist 1902 in Landsberg an der Warthe geboren. Studiert hat er in Tübingen, Jena, Halle Bischof D. Kurt Scharf Foto: EKD und Berlin. Pfarrstellen bekleidete er in Friesack/ Mark und Sachsenhausen bei Berlin Im Jahre 1933 wurde er Mitglied der Bekennenden Kirche Bescheidener Lebensstil (BK), wenig später Vorsitzender der Konferenz Kurt Scharf ist trotz seiner herausragenden Äm- der Landesbruderräte der BK. Mehrfaches Rede- ter stets schlicht und bescheiden geblieben. verbot und auch Inhaftierungen begleiteten Alles Überschwängliche, Pompöse, Übertriebe- 18 Aus Kirche, Politik und Gesellschaft

ne war ihm fremd, bis darauf, dass sein Fahrer er konnte den Glanz des neuen Himmels und der gelegentlich etwas mehr Gas geben musste. Die neuen Erde mit hellen Farben malen. tiefen Prägungen aus der Zeit der Bekennenden Kirche waren ihm noch weit danach wichtig. In Wissen um Grundgeborgenheit Sitzungen sollte jedes Votum Gehör finden, So wusste Kurt Scharf bei all seinem kantigem sollten Entscheidungen möglichst einstimmig Profil, wenn er sich zu gesellschaftspolitischen fallen; gelang das nicht, konnte man ihm seine Fragen äußerte, um die Grundgeborgenheit des Enttäuschung anmerken. Menschen, darum, dass Vergangenheit, Gegen- wart und Zukunft von Gott umgriffen sind. Ich bin Bischof Scharfs Art, mit Menschen umzugehen, überzeugt, dass die geheime Triebfeder des fast empfand ich immer als zugewandt und herzlich. übermenschlichen Dienstes von Kurt Scharf in Für jeden hatte er ein offenes Ohr. Er konnte dieser Grundgeborgenheit bestand. Seine von durch einfühlsames Fragen Menschen gut aus fast kindlicher Vorfreude geprägte Erwartung des der Reserve locken. Seine Gutmütigkeit ließ ihn Reiches Gottes konnte ihn befähigen, sich in die manchmal des Guten zuviel tun. Dann sorgten Nöte dieser Welt hinein zu begeben. Sehnsucht andere dafür, dass diese Gutherzigkeit nicht in nach der himmlischen Heimat und Weltverant- überzogene Großzügigkeit ausuferte. wortung gehörten für ihn unauflöslich zusam- men. So hat Kurt Scharf den Brennpunkt der Ver- Glaubensfestigkeit und Frömmigkeit antwortung für Kirche und Gesellschaft sein Le- Kurt Scharf war ein wirklich frommer Mensch mit ben lang betont. Das galt von seiner Arbeit in der einem klaren Christusbekenntnis und einer Bekennenden Kirche über seine Jahre als Präses lebendigen Ewigkeitshoffnung. Das haben nicht und Bischof bis zu seiner Mitarbeit in der Aktion alle gewusst, vielleicht auch gar nicht wissen Sühnezeichen. Ob es Besuche bei Gefangenen wollen. Aber wer mit ihm umging, wird nie seine waren (ganz gleich welcher politischen Gruppier- Sitzungseröffnungen vergessen, die immer mit ung sie zugehörten), eine seiner Ansicht nach für einem Gebet („Heiland und Herr“) begannen und Christen vordringliche Aufgabe, ob es seine Mit- dann die Kirchenjahres-Bibellese im Zentrum arbeit bei Friedensorganisationen war, immer hat hatten. Und erstaunlicherweise konnte er daraus er sich mit seiner ganzen Person eingesetzt. treffend die Brücke zum aktuellen Zeitgesche- Viele haben seinen gesellschaftspolitisch rele- hen schlagen. In der Verkündigung brachte Kurt vanten Einsatz insbesondere in den 1970er Jah- Scharf durchweg Christus, den auferstandenen ren nicht verstanden und gutgeheißen. So ent- Herrn der Kirche, zur Sprache. Das klang standen Enttäuschungen, für ihn und an ihm. manchmal steil und dogmatisch, wenn er auf der Aber genau das war seine Art: Man kann gar Kanzel stand; es war aber immer geerdet durch nicht genug glauben, hoffen, lieben, eben weil seine tiefe Frömmigkeit, die man bei ihm jeder- ein menschenfreundlicher Gott dies in Jesus zeit spürte. Beispielhaft vermittelte Kurt Scharf Christus vorgemacht hat. die Hoffnung, ja Sehnsucht auf den neuen Eine kraftvolle, visionäre Sicht einer besseren Himmel und die neue Erde. Ich hatte das große Welt ging von ihm aus. Anlässlich der Aktion Glück, einmal einen ganzen Abend lang mit ihm „Missio Berlin 77“ rief Scharf: „Jeder Haushalt in in einem Restaurant in Genf nur über dieses eine Berlin muss mit dem Evangelium erreicht wer- Thema reden zu können. Bischof Scharf konnte den.“ Auch wenn das nicht ganz erreicht wurde: mir da seine Erwartung der himmlischen Herr- Es sind auf jeden Fall mehr Haushalte als erwar- lichkeit so anschaulich und mit solcher Vorfreude tet besucht worden. Das Bischofswort hatte ge- schildern, dass ich die Begebenheit bis heute wirkt. Viele sagten: „Wenn andere einen Gras- nicht vergessen habe. Hautnah vermittelt er mir halm sehen, sieht Scharf ´ne Wiese.“ da, was Luther mit dem „lieben jüngsten Tag“ gemeint haben wird. Aus Kirche, Politik und Gesellschaft 19

denz schloss er mit der Promotion zum Kriegs- Ökonomie im Wider- dienstverweigerungsrecht und mit dem Zweiten spruch zum Evangelium Staatsexamen ab. Nach Beginn seiner politi- schen Karriere als Jung-Unions-Vorsitzender, Heiner Geißler bleibt auch Regierungsrat und Bundestagsabgeordneter in Baden-Württemberg wechselte Geißler 1967 bis mit 80 Jahren ein kritischer 1977 als Sozialminister nach Rheinland-Pfalz, wo Geist er 1970 die bundesweit ersten Sozialstationen gründete.

Auch als Senior-Politiker, der seit 2002 nicht Seinem Mainzer Ex-Ministerpräsidenten Helmuth mehr Bundestagsabgeordneter ist, meldet sich Kohl folgte Geißler nach Bonn, war dort zwölf der nun 80jährige Heiner Geißler immer wieder Jahre Generalsekretär der Bundes-CDU, 1982 zu Wort. 2007 trat der ehemalige CDU-Minister, - bis 1985 Bundesfamilienminister mit Akzenten in Abgeordnete und Generalsekretär dem globa- der Geschlechter-Gleichberechtigung und 1980 lisierungskritischen Netzwerk „Attac“ bei. Der bis 2002 Bundestagsabgeordneter für seinen von der katholischen Soziallehre wertgeprägte südpfälzischen Wohnort-Wahlkreis. Zu Helmuth Geißler durchschaut die Abläufe der Politik wie Kohl geriet Geißler zunehmend in ein kritisches kaum ein zweiter und weiß, dass die ökono- Verhältnis und räumte 1999 in der CDU-Spen- mischen und ökolo- denaffäre sogar die Existenz schwarzer Konten gischen Probleme der bei der Partei ein. Menschheit nur im Weltmaßstab zu lösen Scharfzüngiger Debattenredner sind. Dabei bleibt er Geißler wurde als scharf zuspitzender Debatten- auch in seinem im redner bekannt. Seiner sozialkritischen Gesin- letzten Jahr erschie- nung wegen erhielt er den Spitznamen „Herz- nenen Buch „Ou Topos. Jesu-Marxist“. So formulierte er 1976 als einer Die Suche nach dem der ersten die Neue Soziale Frage und befand Ort, den es geben 1982 in der Nachrüstungsdebatte, dass der Pazi- müsste“ - ein um die fismus der 1930er Jahre Auschwitz erst möglich sozio-ökonomische gemacht habe. 2003 fragte Geißler „Was würde Befriedung Ringender. Jesus heute sagen?“ und suchte nach den poli- tischen Botschaften des Evangeliums. Dr. Heiner Geißler Bundesminister a.D. In einem Besuch beim Diakonischen Werk in Foto: Archiv Bundestag Berlin 2007 setzte sich Geißler für eine qualitativ Geißler wurde am 3. März 1930 im schwäbi- gute Pflege ein und sagte „Das ist der Anspruch, schen Oberndorf geboren, war Ende des Zwei- den man nie aufgeben darf! Im Pflegebereich ten Weltkriegs noch im Jungen-Volkssturm und braucht man qualifiziertes Fachpersonal. Und lernte im Donautal klettern. Prägungen, die ihn das muss die Gesellschaft bezahlen“ (siehe mit seinem politischen Engagement und seiner ESW-Informationsbrief 2/2007, Seite15 f.). Passion fürs Bergsteigen lebenslang begleite- ten. Leisetreterei bringt nichts Das erste Studium der Philosophie an der Je- Geißler ermunterte die Sozialverbände ausdrück- suiten-Hochschule München nach seinem Abi- lich zu „Krach und Streit“. Dem ökonomischen tur am Kolleg St. Blasien 1949 tauschte er ge- Druck dürfe nicht nachgegeben werden. Diako- gen die Rechtswissenschaften. Die Jurispru- nie und Caritas befänden sich in einem Macht- 20 Aus Kirche, Politik und Gesellschaft

kampf zwischen denen, die Verantwortung trü- Arndt schrieb den mehrbändigen „Geist der Zeit“ gen für das Soziale, und jenen, die die Finanzen mit Anklagen gegen Leibeigenschaft und gegen beherrschten: Politik, Finanzwirtschaft und Ar- politische Fremdherrschaft. Napoleons Unter- beitgeberverbände, „die etwas abgeben müs- werfung Europas war ihm ein Dorn im Auge. Er sen von ihren Riesengewinnen und hohen floh nach Schweden, kehrte aber 1809 illegal Steuereinnahmen“. Diese würden zum Teil für nach Berlin zu- Unsinniges verwendet. rück, wo er mit Gneisenau, Jahn Die christlichen Wohlfahrtsverbände sollen und Schleier- Geißler zufolge das tun, was auch Jesus regel- macher zusam- mäßig tat: „Er hat sich mit allen angelegt, die men traf, dessen mächtig gewesen sind und es für selbstver- Schwester er hei- ständlich hielten, dass es den Menschen ratete. Mit dem schlecht geht, und er hat diesen Streit auch Freiherrn vom durchgestanden“. Das fehle heute. Stein bereitete er von St. Peters- Im sozialen Bereich sei mit Leisetreterei nichts zu burg aus dich- erreichen. Die derzeitige Ökonomisierung der terisch und diplo- Gesellschaft „ist eine Situation, die sich in matisch die Be- diametralem Widerspruch zum Evangelium freiung Deutsch- befindet“. Und: „Jesus würde diese gesell- lands von Napo- schaftlichen Verhältnisse nicht akzeptieren: Das leon vor („Der halte ich für völlig ausgeschlossen“, sagte Rhein: Deutsch- Geißler in Berlin beim Diakonischen Werk. lands Strom, nicht Deutschlands Grenze“). Ernst Moritz Arndt Lehrverbot in der Vom König rehabilitiert Foto: Wikipedia Restauration 1818 wurde Arndt in Bonn an der Friedrich-Wil- helm-Universität preußischer Professor. Wegen Zum 150. Todestag des republikanisch-„demagogischer“ Umtriebe wur- de ihm in der Zeit der Restauration 1820 die Freiheitsdichters Ernst Moritz Lehrbefugnis entzogen. König Friedrich Wilhelm Arndt IV. aber rehabilitierte Arndt 1840 wieder. Er wurde 1841 Rektor und 1854 emeritiert. 1848/49 war Der vor 150 Jahren am 29. Januar 1860 ver- der Gelehrte Abgeordneter in der Frankfurter Na- storbene Freiheitsdichter Ernst Moritz Arndt hat tionalversammlung. In seinem Ruhestand schrieb neben seinen Oden für ein freiheitliches er an einem Katechismus und dichtete Kirchen- Deutschland auch das protestantische Liedgut lieder. entscheidend bereichert. Arndt wurde 91 Jahre alt und ist 1769 von der damals noch schwe- Dem politisch-historischen Schaffen Arndts haf- dischen Ostsee-Insel Rügen gebürtig. Er stu- tet seine deutsch-nationalstaatliche Gesinnung dierte Geschichte, Sprachen, Evangelische mit erklärter Gegnerschaft gegen Frankreich und Theologie und Völkerkunde in Greifswald und England an. Auf religiös-geistlichem Gebiet war Jena und habilitierte sich 1800 als Dozent für Arndt nicht frei von antijüdischen Ressentiments. Geschichte in Greifswald. Für die Freiheitskriege hatte Arndt flammende Aus Kirche, Politik und Gesellschaft 21

Aufrufe verfasst und sich auch in der Folge vehement für freiheitliche Bestrebungen eingesetzt, die dann auch zu seinem Bonner Lehrverbot führten.

In Arndts bekanntem Kirchenlied „Ich weiß, wo- ran ich glaube“ finden sich als fünfter und letzter Vers jene Zeilen, die recht gut zur Jahreslosung 2010 passen mit ihrem Aufruf, nicht zu er- schrecken. Dieser Vers des am 29. Januar 1860 vor 150 Jahren verstorbenen Arndt lautet:

So weiß ich, was ich glaube, ich weiß, was fest besteht und in dem Erdenstaube nicht mit als Staub verweht; ich weiß, was in dem Grauen des Todes ewig bleibt und selbst auf Erdenauen schon Himmelsblumen treibt.

Ehrendoktor für Eingeborenen-Bibel Johann Ludwig Krapf Zum 200. Geburtstag des Foto: Wikipedia schwäbischen Missionars pien. Der 27jährige durchquerte Ostafrika, grün- dete 1844 in Mombasa die Missionsstation Johann Ludwig Krapf „Rabai Mpy“ und gelangte als einer der ersten Europäer im Inneren Kenias zum Kilimandscharo Den Ehrendoktor der Universität Tübingen er- und zum Mount-Kenia-Massiv. Damit gab er hielt der vor 200 Jahren am 11. Januar 1810 in wichtige Anstöße zu geographischen Präzisie- Derendingen geborene schwäbische Missionar rungen. Johann Ludwig Krapf nicht an der theologi- Der von Tropenkrankheiten nicht verschonte schen, sondern an der philosophischen Fakul- Krapf predigte den Stämmen der Wanika und tät. Denn Krapf verstand seine Missionsreisen Kiriama. Von der Missionsstation Crischona aus nach Ostafrika universell: Neben Glaubensver- befreite er sogar gefangene andere Missionare. mittlung erforschte er auch das Landesinnere Wegen der zugezogenen Krankheiten lebte Krapf geographisch und erlangte in den ostafrikani- von 1855 wieder in seiner schwäbischen Heimat, schen Sprachen wie dem Kisuaheli so hohe wo er 71jährig 1881 starb. Teile der Bibel über- Fertigkeiten, dass er Teile der Bibel in die Ein- setzte er zuvor in die afrikanischen Eingebore- geborenensprachen übersetzte. nensprachen Kisuaheli und Massai. Das Gebäu- Krapf begann als 17jähriger eine Missionars- de der deutschen Botschaft in Nairobi heißt zu ausbildung und studierte ab 1829 Theologie. Ehren des schwäbischen Missionars noch heute Die Basler Mission sandte ihn 1837 nach Äthio- „Ludwig-Krapf-Haus“. 22 Aus Kirche, Politik und Gesellschaft

dramatische Kraft (Balladen), festlichen Schwung Sein Herz ruht in (Polonäsen) und ritterlicher Heroik (f-Moll-Fanta- Warschau sie) bis zu leidenschaftlichen Ausbrüchen (schnelle Sonatensätze, Eckteile der Scherzi). Die Musikwelt feiert Chopins 200. Geburtstag Die Klaviatur des Flügels wurde für den ab sein- Von Prof. Kurt Witterstätter, Speyer em 21. Lebensjahr in Paris heimischen Klavier- komponisten zum Kosmos. Seiner Heimat Polen blieb er stets verbunden mit dem folkloristischen Tonfall seiner Mazurken und dem Rückgriff auf litauische Erzählungen in seinen Balladen. Seine Empfindsamkeit und Fantastik vereinte Chopin in seinen großen zyklischen Kompositionssamm- lungen wie den zweimal zwölf Etüden, die alles andere als trockene Exerzitien sind, und in den 24 wie Bachs wohltemperierte Präludien im Quintenzirkel geschriebenen Préludes. Hier be- wies Chopin eine intuitive formale Meisterschaft, die darin bestand, für jedes emotionale Anliegen die entsprechende musikalische Ausdrucksmög- lichkeit zu finden.

So suggeriert das im Genesungswinter 1838/39 mit Partnerin Schriftstellerin George Sand (Aurore Baronin Dudevant) auf Mallorca geschriebene Regentropfen-Prélude mit den pochenden Bass- Bewegungen in der Tat das unablässige Tropfen des Winterregens. Und der beklemmende Aufzug von düsteren Gestalten im Mittelteil kann als To- Chopin von seinem Freund Eugène Delacroix gemalt desahnung des zehn Jahre später am 17. Okto- Repro: privat ber 1849 in Paris an der Tuberkulose gestorbe- nen, zum polnischen Nationalhelden gewordenen Wer sich als junger Mensch von Chopins träu- Chopin gesehen werden. merisch-gefühlvoller Klaviermusik fangen ließ, erlebt im Alter bei der Wiederbegegnung mit ihr Die Zerrissenheit Chopins zwischen Polen und glückhafte Momente, äußerte einmal ein Musik- Frankreich, auch in seiner am Ende enttäuschten schriftsteller über das Werk des am 1. März vor Anhänglichkeit an George Sand sowie über die zweihundert Jahren geborenen polnisch-fran- dem Introvertierten fremden Äußerlichkeiten der zösischen Komponisten. Der am 1. März 1810 in Pariser Salons (in denen er gleichwohl Mendels- Zelazowa Wola bei Warschau als Sohn des sohn, Liszt, Berlioz, Balzac, Heine, Victor Hugo französischen Hauslehrers Nicolas Chopin aus und Delacroix kennen lernte) manifestierte sich Nancy und der polnischen Hofdame Justyana sogar noch nach seinem Tod: Sein Körper wurde Krzyzanowska zur Welt gekommene Frédéric auf dem Montmartre-Friedhof Père Lachaise François Chopin hat in seinem nur 39 Jahre bestattet, sein Herz aber in einer Urne in die währenden Leben fast nur Klaviermusik ge- Warschauer Heilig-Kreuz-Kirche gebracht. schrieben. Hier aber die ganze Bandbreite er- fasst von lyrischer Empfindsamkeit (Nocturnes) über geschmeidige Eleganz (Walzer, Mazurken), Aktuelle Seniorenthemen 23

wird gute Pflege Zukunft haben. Hier sind Politik, Nur neue Ressourcen Pflegekassen und die Pflegeanbieter gemeinsam bringen Rettung gefordert.“ 77.000 Pflegekräfte werden Pflege auskömmlich bezahlen Mit ihrer Aktion „Weil wir es wert sind“ setzt gebraucht - Diakonie für sich das Diakonische Werk der EKD daher für ideelle und finanzielle eine Anpassung der Sozialgesetzgebung ein. Kernstück der Forderungen ist eine gerechte Anerkennung der Pflege Bezahlung der Mitarbeitenden. „Geltendes Ar- beitsrecht, also auch tarifliche sowie kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, müssen bei der Finan- Nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zierung der Leistungen durch die Kassen voll- droht Deutschland ein dramatischer Personal- ständig berücksichtigt werden“, erklärt Diakonie- mangel im Pflegebereich. Seit Jahren wächst Präsident Kottnik. Mit Blick auf die zukünftigen die Zahl der offenen Stellen. Allein in der Al- Herausforderungen stellt er klar: „Nur mit einer tenpflege waren es im Juli letzten Jahres verlässlichen Finanzierung werden wir gute Pfle- 14.791 Arbeitsplätze, fast 50 Prozent mehr als ge dauerhaft leisten können. Nur so können wir noch ein Jahr davor. Experten schätzen, dass auch eine gute Ausbildung und die notwendige bis 2020 ein zusätzlicher Personalbedarf von Qualifizierung unserer Mitarbeitenden ermögli- 77.000 Pflege-Mitarbeitern gedeckt werden chen und den Pflegeberuf für Fachkräfte und den muss: Mit mehr als 50.000 Pflegekräften im Nachwuchs attraktiv gestalten.“ stationären und 27.000 im ambulanten Be- reich. Mit einer Unterschriftenaktion setzt sich der evangelische Wohlfahrtsverband gemeinsam mit Pflegekräften, Pflegebedürftigen und Angehöri- Der Pflegebereich könnte ein Jobmotor sein: gen für die ideelle und finanzielle Anerkennung Wäre es um das Ansehen des Berufsfeldes in der der Pflege ein. Die Unterschriften für die Res- breiten Öffentlichkeit besser bestellt. Groß sind sourcen-Erweiterung in der Pflege sollen den die physischen und psychischen Belastungen, Parteivorsitzenden aller Bundestagsparteien nicht immer ausreichend die Personalschlüssel; übergeben werden. Damit will die Diakonie errei- und die Bezahlung entspricht nicht immer der chen, dass ihre Forderungen in die anstehenden verantwortungsvollen Tätigkeit. „Der Beruf muss Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. attraktiver werden. Die Berufszufriedenheit und der Verbleib im Beruf müssen erhöht werden. Konzept würdevoller Pflege Der Wert der Pflege muss ideell und finanziell Eingebettet ist die Forderung nach einer gerech- anerkannt werden“, fordert Klaus-Dieter Kottnik, ten Bezahlung in ein Gesamtkonzept, wie eine Präsident des Diakonischen Werkes der EKD. zukunfts- und wertorientierte Pflege gestaltet werden sollte. Das umfasst sowohl die Finanzie- DW-Präsident Kottnik weiter: „Das beginnt bei rung und Qualitätssicherung, als auch die Mög- einer angemessenen Bezahlung der Mitarbei- lichkeiten, den wachsenden Anforderungen an tenden, führt über die Entbürokratisierung bis hin das Pflegepersonal und an die pflegenden Ange- zu modernen Aus- und Fortbildungskon-zepten hörigen zu genügen. Würdevolle Pflege soll un- sowie Maßnahmen der Personal- und Organi- abhängig vom individuellen Einkommen geleistet sationsentwicklung. Dazu brauchen wir klare werden können. Personelle und finanzielle Res- gesetzliche Rahmenbedingungen, die die sourcen sollen durch eine Entbürokratisierung wachsenden Ansprüche im Blick haben. Nur so freigestellt und so, zusammen mit Änderungen 24 Aktuelle Seniorenthemen

gesetzlicher Grundlagen, die Qualität der Pflege Mit der Sprache der gewährleistet werden. Regelungen für eine an- gemessene Personalausstattung, stabile Rah- Wortlosen menbedingungen für eine gerechte Vergütung sowie innovative Ausbildungs- und Qualifizie- Beachtenswerte Vorschläge rungsangebote sowie Maßnahmen der Perso- zur Seelsorge mit Dementen nal- und Organisationsentwicklung sollen da- Von Pfarrerin Susanne Langer/München rüber hinaus die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigern und das Berufsfeld generell attraktiver Die sich weitge- machen. Pflegende Angehörige sollen eine hend der Spra- bessere Anerkennung und gesellschaftliche che bedienende Unterstützung erfahren. Seelsorge scheint bei Die Initiative „Weil wir es wert sind“ ist eine kaum mehr gemeinsame Aktion des Diakonischen Werks der sprechenden Evangelischen in Deutschland, des Deut-schen dementen alten Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Menschen an Pflege (DEVAP), des Diakonischen Werks Berlin- ihre Grenzen zu Brandenburg-Schlesische Oberlausitz und des kommen. Die Diakonischen Werks Bayern der Evan-gelisch- Münchner Al- Lutherischen Kirche in Bayern. Internet tenheimseel- www.weil-wir-es-wert-sind.de . Kontakt: Annett sorgerin Apelt, DFC Deutsche Fundraising Company, Tel. Susanne 030-297724-17, Mail: [email protected] Langer hat bei ihrem Vortrag Die Autorin dieses Beitrags Foto: privat „Demenz und Seelsorge“ in der Evangelischen Akademie Passionszeit - das Tutzing, der zuerst in der EKD-Schrift Nr. 98 „Leben mit Demenz“ veröffentlicht wurde, Mög- ist die Zeit, in der lichkeiten zur Interaktion mit Dementen über para- und nonverbale Kommunikation aufgezeigt. wir vor der eigenen Wichtig werden hierbei unter anderem verläss- liche Präsenz, das Beachten von Mimik und Kör- Haustür kehren und persprache, validierende Bestätigung sowie das Beantworten von Gefühlen. Mit Einverständnis auch mal das eigene der Autorin und der freundlichen Zustimmung des EKD-Kirchenamtes geben wir hier Susanne Verhalten unter die Langers Beitrag wieder.

Lupe nehmen Demenz und Seelsorge: Ich spreche zu ihnen über dieses Thema als Pfarrerin mit Erfahrungen sollen. aus über zwölf Jahren in der Altenheimseelsorge, als Gemeindepfarrerin und auch als betroffene einzige Tochter einer demenzkranken Mutter, die Carmen Jäger inzwischen bettlägerig ist und mich noch ab und zu einmal erkennt, meistens aber nicht. Das heißt, ich gehe schon lange mit diesem Thema Aktuelle Seniorenthemen 25

um, und es lässt mich nicht in Ruhe - weniger und die Pflegenden etwas davon spüren, dass wegen des persönlichen Aspekts, sondern Gott ihnen nahe ist, dass sie getragen sind, bis wegen der zahlenmäßig und von der Intensität sie grau werden? Was kann Seelsorge dazu her großen Aufgabe. Ich fühle mich in meiner beitragen - oder auch nicht? Arbeit in den neun Altenheimen in zwei Gemein- den oft wie der sprichwörtliche „Tropfen auf den Zunächst einmal besteht die Schwierigkeit, dass heißen Stein". Seelsorge, wie wir sie in der Ausbildung lernen, Dabei ist das Thema nicht zu trennen von der auf das Gespräch zentriert ist mit Rede und Ge- realen Situation in den Pflegeheimen, der Dis- genrede. Wo dies nicht möglich ist auf Grund des kussion um die Pflegereform usw. Demenz als Krankheitsbildes, könnte das leicht dazu führen, Volkskrankheit einer alternden Gesellschaft wird dass ich als Pfarrer, Pfarrerin oder auch als ehren- seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit verstärkt zur amtliche/r Mitarbeiter/in eines Besuchsdienstes Kenntnis genommen. Jüngste Beispiele aus der aus Unsicherheit und Hilflosigkeit solche Kon- Belletristik sind die Bücher des Essayisten Cyrille takte meide. Wo wir sonst so sehr auf das Wort Offermans: „Warum ich meine demente Mutter bezogen sind, müssen wir hier andere Möglich- belüge" und von dem marokkanisch - franzö- keiten der Kommunikation entdecken und lernen. sischen Schriftsteller Tahar Ben Jelloun: „Yemma Das betrifft im Übrigen auch die Seelsorge mit - Meine Mutter, mein Kind". Angehörige verar- einer anderen Gruppe: den von verschiedenen beiten ihre Betroffenheit, indem sie schreiben - Formen der Aphasie Betroffenen, deren Zahl zu- dokumentarisch oder literarisch. nimmt. So sucht Seelsorge an dementen Men- schen auch Handlungshilfe bei gerontothera- Seit zwanzig Jahren peutischen Maßnahmen, z.B. in der Pflege (Basa- Auch der Aspekt der Seelsorge mit demenz- le Stimulation, Validation) oder Psychotherapie. kranken Menschen findet zunehmend Beach- Die Liebe Christi wird erfahrbar im Zuspruch des tung. So erschien ganz aktuell im Deutschen Evangeliums und in der Art der Begegnung. Seel- Pfarrerblatt der Artikel von Katharina Wiefel- sorge ist ganzheitlich, d.h. sie macht alle im Ge- Jenner: „Seelsorgerliche Begleitung demenziell schöpfsein des Menschen begründeten Bedürf- erkrankter Menschen in (diakonischen) Pflege- nisse zu ihrem Anliegen. einrichtungen". Bereits vor ca. zwanzig Jahren hatte die hannoversche Landeskirche eine Pro- Leid der Betroffenen jektgruppe zur Seelsorge an altersverwirrten Welche Bedürfnisse sind das? Wie geht es den Menschen eingesetzt, aus der 1989 ein erster Betroffenen, den Angehörigen, den Pflegenden? Erfahrungsbericht und 1993, stark überarbeitet Wer braucht Seelsorge und welche? Zunächst die und ergänzt, das wertvolle, bis heute grundle- Betroffenen, die dementiell Erkrankten. Sie erlei- gende Büchlein von Klaus Depping hervorge- den einen Verlust von Orientierung und Lebens- gangen ist: „Altersverwirrte Menschen seelsorg- sinn, einen Verlust ihrer Rolle und Identität. Zu lich begleiten". Beginn der Erkrankung nehmen sie sehr wohl Ich möchte für mein Referat anknüpfen an der wahr, wie das Sprachvermögen zurückgeht. Der Frage aus der Bibelarbeit: wie das wahr wird für inzwischen verstorbene Heimbewohner Walter Betroffene, Angehörige und Pflegende, dass Gott Leonhard aus Augsburg hat es in einem Gedicht unsere Füße auf weiten Raum stellt. Das Erleiden sehr berührend und bedrängend beschrieben: der Demenzkrankheit und auch das Beobachten der damit verbundenen Erscheinungen macht Wortnot Angst, engt ein - auch Seelsorger und Seelsor- gerinnen. Weitung ist ein therapeutisches Prinzip, Mir sind die Wörter ausgegangen, das ich in diesem Bibelvers wieder finde. Wie find keine neuen Wörter mehr. also können Demenzkranke, ihre Angehörigen Wie Hunger treibt mich das Verlangen, 26 Aktuelle Seniorenthemen

um neuen Ausdruck zu erlangen, das Wissen um die Biographie der betroffenen beschreiben neu, all' mein Begehr. alten Menschen. Pflegende und Seelsorger wie Seelsorgerinnen haben leider nicht immer die Nun schweig' ich, wurde langsam leise, nötigen Informationen zur Verfügung. Für Pflege denn ohne Worte bleibt stumm mein Mund und Seelsorge ergibt sich die wichtige Aufgabe, und ohne Mund klingt keine Weise den Kranken verlässliche stabile Beziehungen in und was ich sonst so tönend preise, einer sicheren Umgebung zur Verfügung zu versickert in mir, seelenwund. stellen (regelmäßige Besuche des Seelsorgers, der Seelsorgerin!). Dem steht entgegen, dass Ich schaue nachts den Mond, die Sterne; auch in der Altenpflege immer mehr mit Zeit- ihr fahler Schein mich sanft berückt. arbeitskräften gearbeitet wird. Demenzkranke Doch denk 'und fühl' ich nur die Ferne: sind zusätzlich von Verlassenheit und Isolation Es fehlen mir der Worte Wärme, bedroht. Angehörige und Freunde sind oft ver- als war' ich selbst von mir entrückt. unsichert und ziehen sich zurück. Und man muss nicht unbedingt Single sein, um im hohen Alter Mein Fühlen wird so überschwänglich, plötzlich isoliert zu sein: Gleichaltrige Verwandte dass es mich fast zu bersten droht. und Freunde werden selbst krank oder immobil Doch ist das Fühlen unzulänglich, oder sterben. Kinder und Enkel leben oft weit wenn es dem Wort ist unzugänglich: weg, im Zuge der Globalisierung nicht selten auf Ich leide leider an Wortnot. anderen Kontinenten, und immer öfter müssen Hochaltrige auch den Tod von eigenen Kindern Einfühlsame Seelsorge könnte dabei helfen, den betrauern. Zugang zu den Gefühlen nicht zu verlieren, helfen, Worte zu finden. Hilflose Angehörige Kommen wir zu den Angehörigen. Sie erleben Seelsorge mit Dementen große Hilflosigkeit und Ohnmacht. Vom eigenen Dazu kommt oft Angst und Unruhe. Frühere Vater, der eigenen Mutter nicht mehr erkannt zu Traumata können dabei eine Rolle spielen. Frau werden ist unverständlich und kränkend, ähnlich Dr. Ader hat gestern über ihren Mann gesagt: „Er einer narzisstischen Kränkung: „Mich, die einzige weiß nichts mehr vom Krieg". Im Körperge- Tochter - mich den Lieblingssohn - mich die Ehe- dächtnis jedoch ist alles eingespeichert. Im Zu- frau nach fünfzig Ehejahren erkennt er/sie nicht."! stand der Krankheit können Abwehrmechanis- Eine neue Rolle muss übernommen werden: Der men nachlassen und Erinnerungsfetzen, die nicht Ehemann, an den man sich ein Leben lang an- mehr reflektiert werden können, die Kran-ken lehnen konnte, muss wie ein Kind versorgt wer- überschwemmen. Hartmut Radebold hat in den; die Mutter-Tochter-Rolle kehrt sich um. Die seinem wichtigen Buch: „Die dunklen Schatten Angehörigen erfahren dadurch selbst einen Ver- der Vergangenheit" auf die Bedeutung der Trau- lust von Identität - man kann sich im Gegenüber mata aus der Kriegs- und Nachkriegszeit (Tren- nicht mehr wie gewohnt „spiegeln". Dazu nungen und Verluste, aktive und passive Ge- können Schuldgefühle kommen, nicht genug Zeit walterfahrungen, Flucht und Vertreibung) und die zu haben oder die Angehörigen in ein Heim „ab- Wichtigkeit des zeitgeschichtlichen Aspek-tes für geschoben" zu haben. Da ist Trauer um das, was Therapie und Seelsorge hingewiesen. Katharina nicht mehr möglich ist, um die erlebte Gemein- Wiefel-Jenner unterstreicht in ihrem Aufsatz die samkeit, um Pläne und Wünsche, die man noch Dringlichkeit gerade auch für die Seelsorge mit gemeinsam hatte. Wer demenzkranke Menschen Demenzkranken. Besonders in der Heimsituation zuhause über lange Zeit betreut, erlebt Überfor- kann es zum Wiedererleben von Abhängigkeit derung und Überlastung bis hin zum burn out. und Hilflosigkeit kommen. Hier ist ganz wichtig Pflegende Angehörige geraten auch oft in eine Aktuelle Seniorenthemen 27

Isolation, weil die Umwelt verunsichert ist, Angst oder seriös sie ist, kann ich nicht beurteilen - ha- hat und sich zurückzieht. Sie selbst haben durch ben vor allem wir Deutschen besonders große die Pflege keine Zeit mehr, Kontakte im Ver- Angst, im Alter verwirrt zu werden. 70% der Be- wandten- und Freundeskreis, Verein, Chor usw. fragten äußerten Angst vor dem Verlust des Ge- zu pflegen. Wie viele Menschen in unseren dächtnisses im Alter. In anderen Ländern über- Gemeinden pflegen demenzkranke Angehörige wog die Angst vor Verlust der Attraktivität, vor zuhause, bei Geburtstagsbesuchen bekommen Inkontinenz, Altersarmut usw. Demenz ist eine wir das manchmal mit. Selten, dass sie sich „Provokation für Gesunde". Nicht jedem ist es selbst melden und um einen Besuch für sich und gegeben wie unserem verstorbenen Altbundes- ihre Angehörigen bitten. In bestimmten Phasen präsidenten Johannes Rau, in einem Interview bräuchten die Angehörigen mehr seelsorgerliche statt „Daran werde ich mich erinnern, solange ich Zuwendung als die Kranken selbst. (Manche lebe" demütig und gelassen zu sagen: „Solange Interviews betroffener Angehöriger von promi- mein Gedächtnis bleibt...". nenten Personen hinterlassen sehr zwiespältige Eindrücke - therapeutische oder seelsorgliche Oft mangelt es auch an Informationen, um die Begleitung wäre da meines Erachtens ange- Angst zu nehmen und Hilfsmöglichkeiten aufzu- messener als das eigene Leid in und vor der zeigen. Die Kirche hat da auch eine Anwaltsfunk- Öffentlichkeit zu bearbeiten.) tion. So hat sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern im Jahr 2006 an einer Aufklä- Hilfe für Pflegende rungskampagne „Leben mit Demenz" beteiligt Für die Pflegenden gilt ähnliches wie für die An- und auch eine sehr gute Broschüre dazu heraus- gehörigen: Schuldgefühle, weil sie aus der Aus- gegeben: „Nähme ich Flügel der Morgenröte". und Weiterbildung (und vom Gefühl her) sehr Außerdem wurde Material für den Religionsunter- wohl wissen, welche Betreuung nötig und mög- richt an verschiedenen Schularten herausgege- lich wäre, aber die Zeit nicht vorhanden ist. Auch ben. Seelsorgerinnen und Seelsorger schließlich sie erleben Hilflosigkeit und Ohnmacht, haben teil an den Hilflosigkeits- und Ohnmachts- Überforderung und Überlastung. Das System gefühlen, an den Ängsten, selbst einmal betroffen Pflege ist sehr in Verruf gekommen, Pflegende zu sein, an den Schuldgefühlen („Ich tue zu we- erhalten oft die Vorwürfe, die eigentlich an Ge- nig, ich wüsste, was nötig wäre, und habe nicht setzgebung oder Heimträger gerichtet werden genug Zeit..."). Wer in der Altenheim-Seelsorge müssten. Der Beruf ist vergleichsweise nicht gut und mit Demenzkranken arbeitet, erhielt bis vor bezahlt und erhält wenig Anerkennung. Bei einer kurzem ähnlich wie die Pflegenden wenig Aner- Weihnachtsfeier in einem Pflegeheim eines kennung, vor allem wenn man vergleicht, wie die namhaften (nichtkirchlichen) Heimträgers ist mir Krankenhaus-Seelsorge wahrgenommen wird. Da aufgefallen, dass der Geschäftsführer kaum beginnt sich gerade etwas zu ändern. aufbauende, bestärkende und motivierende Worte für seine Pflegenden gefunden hat. In dia- Nonverbal - paraverbal konischen Einrichtungen geht es da vielleicht Kommen wir noch einmal zurück zu den am (hoffentlich) etwas anders zu. Da wäre ein wei- direktesten Betroffenen, den Demenzkranken tes Feld zu beackern in einer „Seelsorge für selbst. Da gibt es immer noch verbale, später Pflegeberufe" - das gab es früher einmal als dann verstärkt nonverbale und paraverbale Kom- ökumenischen Arbeitsbereich, in der letzten Zeit munikation. Nonverbal meint die Körpersprache, ist es mir kaum begegnet. die Berührungen - wobei es sehr wichtig ist zu Seelsorge brauchte auch die Gesellschaft. Da erspüren, ob Berührung gewünscht wird! -, para- sind sehr viele Ängste, selbst einmal betroffen zu verbal meint die Gefühle, mit denen wir anderen sein. Laut einer kürzlich veröffentlichten län- begegnen, Stimme, Tonfall, Lächeln. Ganz, ganz dervergleichenden Studie - wie repräsentativ wichtig ist es, auf die Gefühlsebene einzugehen. 28 Aktuelle Seniorenthemen

Das Lesen, Sprechen und Singen bekannter herausgegeben von Anemone Egli und anderen. Texte kann helfen, Gefühlsräume zu öffnen. Die Auch die Arbeitsgemeinschaft für Altenheim- jetzt Hochbetagten kennen sie noch, zum Teil seelsorge der Evangelisch-Lutherischen Kirche in auswendig. Für die nachfolgenden Generatio- Bayern gibt demnächst eine Arbeitshilfe für nen werden wir völlig neu nachdenken müssen, Gottesdienste mit Demenzkranken heraus. wenn dieser Schatz fehlt! Alle, die persönliche Manche meiner Kollegen sagen, sie halten im Erfahrungen mit Demenzkranken haben, bestä- Pflegeheim grundsätzlich nur Gottesdienste mit tigen die Bedeutung von Liedtexten und Ge- Abendmahl. Ich selbst bin da zwiespältig, wenn dichten. (Als Poesietherapeutin kann ich das nur ich an die Abendmahlsfrömmigkeit gerade dieser unterstreichen.) Man kann es Poesiethera-pie Generation(en) denke (nur zwei Mal im Jahr) - ich nennen oder -poetischer- wie Klaus Dep-ping lasse mich aber da gerne noch belehren. Auch „lyrische Zuwendung". Was geschieht da? Da Segnung und Salbung (im Gottesdienst auf der sind Worte, die man selbst vielleicht nicht mehr Station oder am Pflegebett) können im wahrsten findet (vgl. das zitierte Gedicht eines Be- Sinne des Wortes berühren. Es ist so, wie Frau wohners: „Wortnot"), um Gefühle zu benennen Kremer-Hartmann als Heimleiterin es gestern und auszudrücken. Reim und Rhythmus geben gesagt hat: Es gilt, mutig zu sein, etwas auszu- Form und Fassung für zerfließende Gedanken, probieren und vor allem die Gefühlsebene anzu- und es entstehen Atmosphären. Der Leibphilo- sprechen. soph Hermann Schmilz definiert Atmosphären als „ergreifende Gefühlsmächte, die randlos in Bedeutung der Spiritualität den Raum ergossen sind". Es gehört zum Er- Die Bedeutung der Spiritualität für Demenzkran- greifendsten und Berührendsten in der Seelsor- ke bestätigen sogar Neurologen. In seinem Buch ge mit demenzkranken Menschen, wenn ich „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut ver- miterleben darf, wie Menschen, die schon sehr wechselte" schreibt Oliver Sacks: „dass in Fällen lange kein Wort mehr gesprochen haben, plötz- von Korsakow-Syndrom, Demenz und anderen lich mitsingen. So etwas geht nicht nur in der Katastrophen, wie groß auch immer das Ausmaß Gruppe, auch beim Einzelbesuch kann ich et- des organischen Schadens und der Humeschen was vorsingen. Anlässe können sein die Tages- Auflösung der Kontinuität sein mag, immer noch zeiten (ein schönes Abendlied beim Besuch am die Möglichkeit der Wiedereingliederung durch Spätnachmittag) und Jahreszeiten, das Kir- die Kunst, durch die Gemeinschaft mit Men- chenjahr, Naturlieder, besinnliche Volkslieder. schen und durch das Anrühren des mensch- Vorlesen und Vorsingen, das ist ja eine äußerst lichen Geistes besteht. Und dieser menschliche intensive Form der Zuwendung auf der Ge- Geist kann auch dann bewahrt werden, wenn es fühlsebene. Atmosphärisch wird dabei an die sich auf den ersten Blick um einen hoffnungslo- Geborgenheit beim kindlichen Einschlafritual sen Fall neurologischer Zerstörung zu handeln angeknüpft. Da, wo Gespräch nicht mehr mög- scheint“. Und Sacks zitiert A.R. Lurija: „Lassen lich ist, ist das Da-Sein wichtig, und zwar „ge- Sie sich von Ihrem Verstand und von Ihrem Her- sammelte Präsenz" -nicht daran denken, dass zen leiten ... Ein Mensch besteht nicht nur aus ich noch zwanzig Fotokopien machen und mei- dem Gedächtnis. Er verfügt auch über Gefühle nen Kollegen später anrufen muss. und Empfindungen, über einen Willen, über mo- Für die Gottesdienste, die ja auch Teil der Seel- ralische Grundsätze ... In neuropsychologischer sorge sind, gilt: Wichtig sind kurze, elementari- Hinsicht können Sie wenig oder nichts tun, aber sierte Gottesdienste, eventuell auch mit Sym- in der Sphäre des Individuellen können Sie viel bolen und Zeichenhandlungen oder mit der erreichen." Wie ermutigend, wenn wir immer Verbindung von Wort und Bewegungen. Dazu wieder einmal von Resignation bedroht sind! findet sich ein schönes Beispiel zum Psalm 23 in Demenz und Seelsorge - die Ausgangsfrage war, dem Schweizer Büchlein „Das Leben heiligen", wie das wahr wird, dass Gott unsere Füße auf Aktuelle Seniorenthemen 29

weiten Raum stellt - als Betroffene, Angehörige, falten kann, um den realen Raum, der man sel- Pflegende, Seelsorger und Seelsorgerinnen ber ist - um den Leibesraum, der so sein darf, selbst. Und so möchte ich schließen mit Ge- wie er ist, gesund oder krank oder der Pflege danken von Wolfgang Drechsel aus seinem Ar- bedürftig und der so, wie er ist, von Gott wohl- tikel: „Das Schweigen der Hirten", in welchem wollend angesehen wird, ..., um den Raum der ihm die Metapher des Raum-Gebens „als kon- Gesten, der Berührung, des Essens und Trinkens zeptioneller Leitbegriff für das Seelsorgege- als Zeichen der Wahrnehmung von Leben, ... um schehen von entscheidender und gerade für die einen Raum des lebendigen Schweigens, wenn Altenseelsorge auch wirklichkeitserhellender und nicht mehr gesprochen werden kann, wenn Ver- handlungsstrukturierender Bedeutung" zu sein wirrung sich breit macht und dennoch im ge- scheint. Ich zitiere aus dem Ende seines Auf- meinsamen Dasein Würde aufscheint in Ehr- satzes: furcht und Demut, ... um Segensraum, in dem „Der Seelsorger ermöglicht es einem Seelsor- die Zuwendung Gottes spürbar wird." (Wolfgang gepartner, Raum zu haben, seinen Raum - in Drechsel: Das Schweigen der Hirten, S. 61-63). dem er sein kann, wie er gerade ist, und der Seelsorger tritt mit ihm ein, so dass beide von diesem Raum umfangen sind ... Es geht um einen Zeitraum, der angeboten wird, ... um einen fundamentalen Raum des Wahrgenom- menseins, der Akzeptanz und des Gewürdigt- seins, ... um einen 'Welt'-Raum, in dem die Welt von draußen hereinkommt, ... um einen Erzählraum, in dem geplaudert, diskutiert und auch geschwiegen werden darf, ... um einen Geschichtsraum, in dem eigene Geschichte Gestaltszerfall Dementer beim Uhrentest „Zehn nach Elf“ gefunden und erfunden werden kann, um dann Abbildung: Nachzeichnung diagnostischen Materials (anonym) in einen größeren Kontext gestellt werden zu können, ... um einen Lebensraum, in dem Freu- Die drei Kreisfiguren unserer Skizze zeigen links de, Lebendigkeit usw. sich entfalten können, ... die Aufgabenstellung, eine bestimmte Uhrzeit zu um einen Gefühlsraum, in dem die Gefühle, die zeichnen („Zehn nach elf“), in der Mitte eine oft nur im Verborgenen arbeiten dürfen, da sein beginnende Schwierigkeit mit der Wiedergabe können, auch die heftigen und unangenehmen, und rechts einen sehr starken Zerfall der wie z.B. die aggressiven und depressiven, ... um Darstellungsfähigkeit. einen Raum der Langsamkeit in einer immer schneller werdenden und manchmal auch verwirrenden Welt, ... um einen Gruppen-raum, Literatur: in dem im Zusammensein mit anderen sich Aldebert Heiner: Jenseits der Freiheit. Demenz Erlebbares ereignet, ... um einen Bezieh- verstehen. Eine Arbeitshilfe für das Gymnasium, ungsraum, in dem der Seelsorgepartner (im Er- hrsg. von der Gymnasialpädagogischen Materi- leben einer realen Beziehung) über sich selbst alstelle der Evang.-Luth. Kirche in Bayern und sein Alleinsein hinausblicken kann, auch auf eine Beziehung zu Gott hin, ... um einen Ben Jelloun Tahar: Yemma - Meine Mutter, mein Deutungsraum, in dem sich neue Perspektiven Kind auftun können, vom Verstehen kleiner Alltags- szenen bis hin zur Eröffnung des Lebensdeu- Depping Klaus: Altersverwirrte Menschen seel- tungshorizontes biblischer Texte, ... um einen sorglich begleiten, Band 1 und 2, Hannover 1993 Andachtsraum, in dem sich Spiritualität ent- (Lutherisches Verlagshaus) 30 Aktuelle Seniorenthemen

Drechsel Wolfgang: Das Schweigen der Hirten, in: Seelsorge im Alter, hrsg. von Susanne Kobler-von Im Alter gesund bleiben Komorowski und Heinz Schmidt, Heidelberg können 2005 (Universitätsverlag Winter), S.45 63 Wissenschaftler und Egli Anemone u.a.: Das Leben heiligen. Spirituelle Begleitung von Menschen mit Demenz. Ein Seniorenverbände warnen Leitfaden. Zürich 2006 (Theologischer Verlag vor Ärztemangel im Bereich Zürich) der Geriatrie „Nähme ich Flügel der Morgenröte...". Handreichung der Evang.-Luth. Kirche in Bayern Die Versorgungsdichte im Bereich der Altersme- zur Begleitung von Menschen mit Demenz und dizin variiert erheblich zwischen den Bundeslän- ihren Angehörigen, München 2006 (zu bestellen dern. Kommen in Baden-Württemberg gut 1.000 über das Landeskirchenamt) über 80-Jährige auf einen entsprechenden Arzt, so sind es in Niedersachsen weit über 5.000. Zu Offermans Cyrille: Warum ich meine demente diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung im Mutter belüge. München 2007 (Verlag Antje Auftrag des Dachverbandes der Gerontologi- Kunstmann) schen und Geriatrischen Gesellschaften Deutschlands e.V. (DVGG). Radebold Hartmut: Die dunklen Schatten der Hinzu kommt folgendes: In zehn bis fünfzehn Vergangenheit, Stuttgart 2005 (Klett-Cotta) Jahren wird ein großer Teil der in geriatrischen Abteilungen derzeitig tätigen Chefärzte aus Al- Roser Traugott: Demenzerkrankung als Problem tersgründen aus dem Dienst ausscheiden und evangelischer Seelsorge, in: Deutsches damit den bereits heute schon spürbaren Mangel Pfarrerblatt 9/2006 an weitergebildeten Ärzten in der Geriatrie ver- schärfen. Das heißt: Es wird zu erheblichen Be- Sacks Oliver: Der Mann, der seine Frau mit ei- setzungsschwierigkeiten der leitenden Positionen nem Hut verwechselte, Reinbek 1987 (Rowohlt einer großen Zahl von ausgewiesenen Fachab- Verlag) teilungen kommen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren- Wiefel-Jenner Katharina: Ein Zeugnis der Hoff- Organisationen BAGSO als Dachverband von nung geben. Seelsorgerliche Begleitung demen- 100 Organisationen mit rund 13 Millionen Mit- ziell erkrankter Menschen in diakonischen Pfle- gliedern, in der auch das ESW mitarbeitet, for- geeinrichtungen, in: Deutsches Pfarrerblatt dert gemeinsam mit dem Dachverband der Ge- 1/2008 rontologischen und Geriatrischen Gesellschaften eine bundesweite Strategie zur Versorgung der Bevölkerung mit fachärztlicher Kompetenz in der Altersmedizin, damit die geriatrische Versorgung heute und in Zukunft sicher gestellt wird. Ohne eine gezielte Strategie wird sich die Versorgungs- lage aufgrund der demografischen Veränderung weiter verschlechtern. Nähere Informationen und Ansprechpartner: Dachverband der Gerontologischen und Geria- trischen Gesellschaften Deutschlands e.V. DVGG; Prof. Dr. Dr. Gerald Kolb über St.-Boni- Aktuelle Seniorenthemen 31

tfatius Hospital - Fachbereich Geriatrie, Wil- Spiel und fordert eine ausreichende finanzielle helmstr. 13, 49808 Lingen/Ems Ausstattung der Krankenhäuser. Tel.: 05 91/910 15 00, Fax: 05 91/910 97 15 01; E-Mail: [email protected], www.dvgg.de Palliativ-Versorgung ausbauen Die Diakonie weist mit Nachdruck auf die oftmals unzureichende Versorgung von benachteiligten Menschen im Krankenhaus hin. So hätten Pa- tienten mit schweren geistigen und mehrfachen Behinderungen oder mit fortgeschrittener De- Nicht nur Apparate heilen menz einen erhöhten Behandlungs- und Betreu- Diakonie fordert: Kranken- ungsbedarf, der den Krankenhäusern ange- messen vergütet werden müsse, hebt Diakonie- hausversorgung muss sich Präsident Kottnik hervor. Auch gehöre die palliativmedizinische Versorgung im Krankenhaus stärker an den Bedürfnissen weiter ausgebaut und gefördert, damit sterbende der Kranken orientieren Menschen eine menschenwürdige Behandlung und Begleitung erfahren.

Das Diakonische Werk der EKD und der Des Weiteren sieht die Diakonie in einem ge- Deutsche Evangelische Krankenhausverband meinwohlorientierten Wettbewerb im Gesund- fordern in einem gemeinsamen krankenhaus- heitsbereich die Chance, eine humane Versor- politischen Positionspapier, dass sich die Kran- gung von Patienten mit freien Wahlmöglichkeiten kenversorgung stärker an den Bedürfnissen der - auch für Krankenhäuser mit christlicher Werte- Kranken orientiert. "Krankenhausaufenthalte orientierung - zu erhalten. Der solidarische Ver- stellen besonders krisenhafte Ausnahmesitua- trag zwischen Kranken und Gesunden, Erwerbs- tionen für den Einzelnen dar. Deshalb brauchen tätigen und Arbeitslosen sowie zwischen Alten die Patienten nicht nur umfassende medizini- und Jungen sei in der neuen Legislaturperiode zu sche und pflegerische Hilfe und Versorgung, bekräftigen und auszubauen. Auch im 21. Jahr- sondern auch persönliche Zuwendung und hundert sei die soziale Gerechtigkeit im Gesund- Begleitung", sagt Diakonie-Präsident Klaus- heitswesen für das demokratische Verständnis Dieter Kottnik. "Heilerfolge werden nicht allein der Gesellschaft ein Gebot, betonen beide Ver- von einer hochtechnisierten Apparatemedizin bände. erreicht. Entscheidend ist auch eine umfassen- de Betreuung durch Pflegende und Ärzte." Die krankenhauspolitischen Positionen des Deut- schen Evangelischen Krankenhausverbandes Stattdessen nötige die unzureichende Finanzie- und des Diakonischen Werkes der EKD für die rung die Krankenhäuser, notwendige Kosten- 17. Legislaturperiode unter dem Titel "Patienten- senkungen in erheblichem Umfang auch im orientiert - nachhaltig finanziert - gemeinwohl- Personalbereich zu realisieren, erklärt der Vor- orientiert" können im Internet unter sitzende des Deutschen Evangelischen Kran- www.dekv-ev.de herunter geladen werden. kenhausverbandes Manfred Witkowski. "Eine weitere Kompensation nicht refinanzierter Kos- ten zu Lasten des Personals ist weder den Beschäftigten noch den Patienten zumutbar". Witkowski sieht die Qualität und die Beziehungs- dimension des heilenden Handelns auf dem 32 Aktuelle Seniorenthemen

sogar in Amerika gewürdigt wird“. Schließlich Fortschritte bei altenge- appellierte BAGSO-Geschäftsführer Dr. Guido rechter Arbeit Klumpp: „Wir fordern auch andere deutsche Unternehmen auf, altersgerechte Personalent- Die Unternehmen BMW, wicklungskonzepte umzusetzen und im nächsten Jahr an dem Wettbewerb teilzunehmen“. Neben Sick-AG Waldkirch und die den deutschen wurden Firmen aus Kanada, Stadt Mönchengladbach Großbritannien und Singapur für altersfreund- liche Beschäftigung ausgezeichnet. Die Prämiie- prämiiert rung erfolgte aufgrund der Einstellungspolitik, der Arbeitsplatzgestaltung, der Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen und zur Weiterbildung, Die mit 40 Millionen Mitgliedern größte US- der Personalentwicklung, flexibler Arbeitszeit- amerikanische Seniorenorganisation AARP, die modelle, des gleitenden Übergangs in den Ruhe- Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Or- stand, der Gesundheitsförderung sowie von ganisationen BAGSO, das Institut für Geronto- Maßnahmen, die auf die finanzielle Absicherung logie an der Technischen Universität Dortmund im Alter zielen. und Das Demographie Netzwerk DDN zeichne- ten in Köln für eine altengerechte und innovative Beschäftigungsstrategie neben sieben anderen, ausländischen Gewinnern die Unternehmen Alt hilft Jung bei BMW München und Sick AG Waldkirch (für Sen- sortechnik) sowie die Sozialholding der Stadt Existenzgründung Mönchengladbach GmbH mit dem AARP-Preis Wirtschafts-Senioren beraten aus. Neu-Unternehmer „Der Preis wurde in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben und richtet den Blick weltweit auf die Frage, wie ältere Beschäftigte erfolgreich in Eine Geschäftsidee zu haben, ist das eine, sie das Erwerbsleben integriert und zum Wettbe- dann auch erfolgreich umzusetzen, das andere. werbsvorteil für die Unternehmen werden kön- In Hannover gibt es seit 1981 den Verein "Wirt- nen“, sagte AARP-Geschäftsführer Thomas C. Nelson und ergänzte: „Die innovativen Maßnah- men der prämierten Unternehmen zeigen be- reits heute, wie die Arbeitswelt von morgen aus- sehen muss.“ DDN-Vorsitzender Dr. Jürgen Pfister fügte hinzu: „Der Wettbewerb macht auf Aus urheberrechtlichen erfolgreiche, unternehmerische Konzepte zur Bewältigung des demographischen Wandels Gründen haben wir das aufmerksam. Insofern fördert er die konstruktive Bild gelöscht. Auseinandersetzung mit dieser gesamtgesell- schaftlichen Herausforderung.“

Prof. Dr. Gerhard Naegele vom Dortmunder Gerontologie-Institut bekannte: „Es freut uns, dass die innovative und weitsichtige Personal- Beratung für Existenzgründer Foto: Rebekka Brather Quelle: Bundesregierung politik der drei deutschen Unternehmen nun Aktuelle Seniorenthemen 33

schafts-Senioren". Erfahrene Ruheständler ge- Vielfältiges Angebot ben Existenzgründerinnen und -gründern Rat- Das Beratungsangebot des Vereins ist sehr breit schläge zur erfolgreichen Führung ihres Unter- gefächert. Individuelle Unterstützung und Coa- nehmens. Mit all ihrer Berufs- und Lebenser- ching bei Existenzgründungen und -sicherungen fahrung engagieren sie sich für deren Belange. oder Betriebsübergaben stehen auf der Agenda. Viele angehende Selbstständige stehen zu Be- Aber auch Volkshochschulkurse für Gruppen bis ginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit vor ei- zu 15 Personen oder Veranstaltungen für den nem riesigen Berg an Fragen und Ungewiss- Berufsförderungsdienst der Bundeswehr sind im heiten. Wie erstelle ich einen Businessplan? Angebot. Welche Rechtsform ist für mein Vorhaben am besten geeignet? Wie gelange ich an finanzielle Den ersten Kontakt zum Verein erhalten Exis- Mittel zur Realisierung meiner Geschäftsidee? tenzgründer häufig über die Industrie- und Han- delskammer oder auch direkt über die Arbeits- Diese und andere Fragen lassen sich ohne agentur. Bei individuellen Beratungsleistungen eigene Erfahrung nur durch eine gute Beratung muss vor Beginn ein ausführlicher Fragebogen sicher beantworten. Kommerzielle Unterneh- beantwortet werden, damit die Fachleute die mensberatungsfirmen erfüllen diese Aufgabe, Ausgangsbedingungen analysieren können. sind aber in der Regel für eine Gründerin oder einen Gründer nur schwer zu finanzieren. Wer Im Anschluss wird ein fester Beratungsvertrag trotzdem nicht auf eine persönliche und profes- abgeschlossen, der eine umfassende Beratung sionelle Fachberatung verzichten möchte, findet für drei Monate garantiert. Lediglich 70 Euro Auf- Unterstützung bei den "Wirtschafts-Senioren" in wandsentschädigung müssen dafür gezahlt wer- Hannover. den. Den größten Beratungsbedarf gibt es zu den Themen Gründungsformalitäten, Finanzie- Bereits seit 28 Jahren existiert der Verein, der die rung und Marketingstrategien. "Eine tolle Idee erste derartige Initiative in Deutschland war. Die haben die meisten, die eigentliche Frage ist aber Intention der sieben Gründungsmitglieder war die konkrete Umsetzung", sagte Weber. es, ihre berufliche Erfahrung an nachfolgende Unternehmergenerationen weiterzugeben. In rund 11.000 Fällen haben die Wirtschaftsex- perten seit 1981 Tipps und Tricks zur erfolgrei- Die im Durchschnitt etwa 62 Jahre alten Berater chen Unternehmensführung weitergegeben. decken fast alle Branchen und Geschäftsfelder Nach Aussage Webers sind 40 bis 50 Prozent ab. Unter den 40 Ehrenamtlichen gibt es unter der Ratsuchenden nach fünf Jahren noch am anderem ehemalige Handwerker, Ingenieure, Markt. "Das ist in der Beratungsbranche ein ganz Juristen, Bankangestellte, Unternehmer und guter Schnitt", ergänzte er. Gastronomen. Dass das Modell erfolgreich ist, zeigt auch die "Nach einer verantwortungsvollen Berufstätig- Tatsache, dass es mittlerweile bundesweit ähn- keit fallen manche ohne Beschäftigung, Dienst- liche unabhängige Zentren und sogar eine Bun- wagen und Sekretärin in ein tiefes Loch. Die desarbeitsgemeinschaft "Alt hilft Jung" gibt. Ini- ehrenamtliche Tätigkeit erhöht dagegen das tiator und Vorreiter dieser Entwicklung war der Selbstbewusstsein", sagte Professor Klaus Verein "Wirtschafts-Senioren" aus Hannover. Weber, der Vorstandsvorsitzende der Wirt- schafts-Senioren Hannover. Die Themenreihe "Mitten im Leben" im Internet- angebot der Initiative "Erfahrung ist Zukunft" stellt seit August 2008 Beispiele für ein aktives Alter vor: Vereine, die Alt und Jung zusammen- 34 Aktuelle Seniorenthemen

bringen, Unternehmen, die über 50-Jährige Damit uns das Problem nach seiner Lösung nicht fördern, oder ältere Menschen, die sich freiwillig allzu bald wieder einholt. Inzwischen wird aber engagieren oder ein Unternehmen gegründet schon einmal eine Zwischenbilanz zu ziehen haben. sein, bei der sich heraus stellen wird, was bisher bereits alles leider vergeblich versucht wurde. Wobei es jetzt endlich Zeit für Zukunftsprojektio- nen wird. Bei denen darf dann ruhig auch noch einmal über alles laut nachgedacht werden, um auch die Stimmen von Zweiflern und Reaktionen Nichts als Worte... der Öffentlichkeit aufgreifen zu können. Denn Wie angebliche „Macher“ um hierbei sollen alle Kräfte eingebunden werden. Sitzen wir hier doch alle in einem Boot. den heißen Brei herum reden Von Prof. Kurt Witterstätter, Speyer Schließlich muss man bei einer derart komplexen Frage leider auch mit Kollateral-Schäden rech- nen. Denn wie so oft, liegt auch hier der Teufel im Erlebt man Politiker auf eine konkrete Aufga- Detail, und wir sollten die Gefahr im Auge behal- benstellung angesprochen, erhält man als Ant- ten, uns nicht im Kleingedruckten zu verheddern. wort nicht selten einen Redeschwall darüber, wie Damit das nicht geschieht, muss man sich an die kompliziert sich gerade dieses angesprochene hier zielführenden Ideen halten, die nun endlich Problem anlasse und was der befragte Politiker einmal wie das Kaninchen aus dem Zylinder ge- oder sonst Verantwortliche dafür bereits alles zaubert werden müssten. Wenn hier einige Ideen unternommen habe. Den weit ausholenden auch nicht miteinander harmonieren, ist das so Worten des „Machers“ zufolge steht die Lösung ungewöhnlich nicht. Mit solcher Zielkonkurrenz ganz kurz bevor. In Wirklichkeit scheint die umzugehen, hat man schließlich inzwischen als monierte Lösung der angesprochenen Aufgabe in derartigen Drahtseilakten versierter Verant- aber eher auf den Sankt-Nimmerleins-Tag wortlicher gelernt. verschoben zu werden. Bevor man aber dabei lieber gar nichts tut, um Da kommt einem das Jesus-Wort aus der Berg- niemandem wehtun zu müssen, was ja offenbar predigt in den Sinn: „Eure Rede sei Ja, ja, Nein, auch eine, wenn auch bequeme, Option wäre, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel“ (Matt- greift man am besten einmal auf Modellrech- häus 5, 37). Hören wir uns die menschlich allzu nungen wissenschaftlicher Institute zurück. Die menschliche Beschwichtigungs-Rede einmal an, möglichst verschiedene Varianten und Alternati- in der einige gängige Rednerfloskeln der Gegen- ven berücksichtigen sollen. Genaue Daten und wart zusammen gefügt wurden. Mancher erkennt exakte Vorhersagen darf man da nämlich sowie- darin gewiss den einen oder anderen O-Ton, den so nicht erwarten, aber der Ausblick ist dafür er bereits einmal oder mehrmals vernommen hoch differenziert. haben dürfte. Hauptsache ist, wir entwickeln in diesem Sta- dium dann einmal einen Strukturplan mit inhären- Die Beschwichtigungs-Rede tem Flussdiagramm, damit uns die Angelegen- „Da wurde gerade kürzlich eine Machbarkeits- heit nicht einfach von selbst stecken bleibt. Wir studie für das zugegeben immens wichtige können unter diesen Voraussetzungen dann mit Problem in Auftrag gegeben. Wenn die vorliegt, Sicherheit davon ausgehen, dass wir am Ende wird unverzüglich entschieden. Wobei beson- auf einen gangbaren Lösungsweg stoßen. Wer ders auf Nachhaltigkeit geachtet werden muss. weiß, vielleicht wird am Ende aber alles auch Aktuelle Seniorenthemen 35

ganz anders, weil sich zwischenzeitlich mitspie- auf Maßnahmen zur Zielerreichung für das, was lende, nicht vernachlässigbare Variablen geän- uns am Herzen liegt, anzusprechen. Nachzu- dert haben werden. haken ist immer wieder: Was heißt das ganz konkret? Wo sind Ihre Verbündeten? Wo stecken Auf jeden Fall sehen Sie, meine sehr verehrten Ihre Gegner? Von welchem Zeitrahmen sprechen Damen und Herrn, liebe Freunde, dass ich mich Sie? Wer wird belastet? Wer wird geschont? die ganze Legislaturperiode über redlich um die Wann rechnen Sie mit Ergebnissen? Wann star- angesprochene Frage bemüht habe. Sage kei- ten die Maßnahmen? ner, ich hätte auf diesem Gebiet keine Initiativen ergriffen und keine Power entwickelt. Was mei- nen Sie, was ich Papiere erstellt, unablässig Gespräche geführt, Runde Tische initiiert, po- Selbst genug (für Sekt) tente Persönlichkeiten kontaktiert und Meetings haben, aber Selters arrangiert habe. Das hat eine Menge Zeit, Mühe empfehlen: Auch und auch (Steuer-)Geld gekostet. Irgendwann, da „Wein trinken und bin ich ganz sicher, wird sich der Einsatz aus- Wasser predigen“ ist zahlen. Gut Ding braucht eben Weile. Und Rom eine verbreitete ward auch nicht an einem Tag erbaut.“ Masche.

Zeichnung: Manfred Kühle Viel Lärm um nichts Haben wir verstanden? Viel Lärm um nichts. Dieses Rede-Passe-Partout für eine Be- schwichtigungsrede kann man wie eine Blau- pause auf politische Probleme unterlegen, die derzeit anstehen, wie - die Lösung der Haushaltsdefizite, - die Reform der Sozialleistungssysteme, - die Verbesserung des Klimaschutzes, - die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Die Brücke - die Integration der Migranten, - die Förderung der Bildungsbenachteiligten, Es gibt eine Brücke - die Überwindung der Armut, über alle schrecklichen Abgründe - die Endlagerung von Atommüll. von Einsamkeit und Versagen, Damit soll nicht gesagt werden, dass sich alle von Krankheit und Tod Funktionsträger in solch gemeinplatzartigen hinweg. Leerformeln ergehen. Viele verfolgen ihre richtig eingestellte Kompassnadel schon. Aber sie Gott hat diese Brücke gebaut kommen gegen Laue und Unentschiedene, von sich zu uns, von uns zu sich Bremser und Bedenkenträger, fremdnützig Be- einflussbare und Mutlose nicht an. in seinem Sohn Jesus Christus. Wer sich ihm anvertraut, Konkrete Möglichkeiten kommt über alles hinweg. Was bleibt uns konkret zu tun? Ich meine: Reinhard Ellsel Überall sind die Verantwortlichen ganz gezielt zur Jahreslosung 2010 Maßnahmen zur Zielerreichung für das, was uns 36 Aus dem Evangelischen Seniorenwerk

Mit Ausflug ins Rheinische ESW-Jahrestagung im September

Unter dem Thema „Neue Alte in Theologie, Kir- che und Diakonie“ wird das Evangelische Seniorenwerk ESW seine dreitätige Jahresta- gung 2010 im Haus des Christlichen Jugend- dorfwerk in Bonn durchführen. Bei der ESW- Tagung mit Mitgliedern und Gästen im Bonner CJD-Haus in der Graurheindorfer Strasse, die Dr. Horst Marquardt Foto: AREF vom 14. bis 16. September 2010 terminiert ist, sitzenden bis 2006 bekleidete. Den mutigen werden neben Vorträgen und Arbeitsgruppen theologischen Streiter lernte die große deutsche auch der gesellige Teil mit einem Ausflug in die Fernsehgemeinde kennen, als Pastor Marquardt rheinische Landschaft sowie die ESW-Regula- in den 1980er Jahren für das „Wort zum Sonn- rien mit Nachwahlen für den Vorstand auf dem tag“ der ARD medienpolitischer Sprecher der Programm stehen. Das Tagungshaus hat fol- Evangelischen Allianz war und viele Sendungen gende Anschrift: Haus des Christlichen Ju- selbst bestritt. Für sein umfangreiches Wirken, genddorfwerks, Graurheindorfer Strasse 149, Gottes Wort auch beim Kongress unternehmeri- 53117 Bonn. Nähere Informationen erfolgen scher Führungskräfte, in der Weltevangelisation noch und sind demnächst über die ESW-Ge- und im Dialog mit dem Islam zu bezeugen, wur- schäftsstelle (Stafflenbergstrasse 76, 70184 de Marquardt von der Theologischen Hochschu- Stuttgart, Telefon 0711/2159136) zu erfragen. le Basel zum Ehrendoktor promoviert. Dem streitbaren Gottesmann, der mit seiner Familie bei Wetzlar lebt, gelten Gratulation und beste Mutiger Streiter Wünsche für sein weiteres Wirken seitens des ESW. Pastor Dr. Horst Marquardt 80 Jahre alt Einen starken Sozialstaat Seinen 80. Geburtstag konnte in voller Aktivität bei seinem Evangeliums-Rundfunk ERF Wetzlar braucht das Land Pastor Dr. Horst Marquardt feiern. Erste journa- Kerstin Griese neuer listische Erfahrungen sammelte der aus Berlin gebürtige Theologe und Redakteur um 1950 sozialpolitischer Vorstand der beim Rundfunk in Potsdam. Nach theologi- schen Studien übernahm Marquardt Pastoren- Diakonie stellen in Berlin und Wien. In Wetzlar baute er Der Diakonische Rat des Diakonischen Werkes von 1960 an die ERF-Medien mit Funk, Fernse- der Evangelischen Kirche in Deutschland, in dem hen, Literatur und Tonträgern auf. Dort ist er das ESW eine Fachgruppe bildet, hat Kerstin auch nach seinem Ruhestand genauso tätig, wie Griese zum sozialpolitischen Vorstand der Dia- er das Amt des stellvertretenden ESW-Vor- konie berufen. Die bisherige SPD-Bundestags- Aus dem Evangelischen Seniorenwerk 37

abgeordnete und Familienpolitikerin trat ihr Amt am 1. November 2009 an. Sie folgte Dr. Bernd Das ESW ist Mitglied Schlüter nach. Im Diakonie-Vorstand ist Griese zuständig für die sozialpolitischen Zentren Ge- folgender sundheit, Rehabilitation und Pflege (GRP) sowie Organisationen: Familie, Integration,Bildung und Armut (FIBA). „Ich freue mich über die neue Vorstandskollegin und erhoffe mir eine noch schärfere Profilierung - Fachverband im Diakonischen Werk der Diakonie“, sagte Klaus-Dieter Kottnik, der EKD: Präsident des Diakonischen Werkes der EKD. K. Meyer Kerstin Griese, die den Wiedereinzug in den Bundestag im September 2009 verpasste, er- - BAGSO: Bundesarbeitsgemeinschaft klärte: „Ein starker Sozial-staat ist für ein der Senioren-Organisationen: zukunftsfähi- E. Heinecke, E. Neubauer ges Deutsch- land unerläss- - EAFA: Evangelische Arbeitsgemeinschaft lich. Ich möch- für Altenarbeit der EKD: te die Brücken E. Heinecke, I. Pütter zwischen Dia- konie und Po- - ÖAB: Ökumenische Arbeitsgemeinschaft litik stärken für Bibellesen: und mich für R. Weiß die Belange der sozial Be- - AMD: Arbeitsgemeinschaft nachteiligten Missionarischer Dienste: einsetzen“. F. Schroth

Die 42jährige Historikerin und Politologin Kerstin Griese Gott ist ganz für ist seit 2003 Mitglied der Synode der EKD und der Sozialkammer der EKD. Sie war von 2002 bis mich da: Sein Herz 2009 Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und bringt meines zum seit 2006 Beauftragte für Kirchen und Religions- gemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion Pochen, seine Seele gewesen. In der Diskussion um die Schwanger- schaftsunterbrechung hat sie sich für den Erhalt verleiht meiner des Lebens eingesetzt und sich besonders gegen Spätabtreibungen ausgesprochen. Flügel und seine Kraft erfüllt mich von Kopf bis Fuß. Tina Willms 38 Aus dem Evangelischen Seniorenwerk

Senioren als Kraft der Zukunft Vortrag von Pfarrer i. R. Hartmut Bärend „Mit Senioren Zukunft gestalten in der Kirche“

Bei der ESF-Tagung „Mit Senioren Zukunft ge- anschließend auf das Thema direkt zu sprechen stalten“ des ESW in Kassel hielt Pfarrer i. R. zu kommen: Warum ist das eigentlich so, dass Hartmut Bärend seinen viel beachteten Vortrag die Senioren immer mehr Bedeutung in Kirche zum Thema „Mit Senioren gestalten in der Kir- und Gesellschaft bekommen, ja bekommen che“. Bärend bezeichnete die Senioren als müssen? Was ist die Realität? eine, wenn auch nicht gebührend beachtete, wesentliche Kraft der Zukunft. Viele Jüngere Ganz klar und einfach: Es gibt einfach immer wenden sich von der Kirche ab, suchen ihren mehr Senioren. Die demographische Entwicklung Lebenssinn, wo immer sie ihn finden mögen. in Deutschland lässt erkennen, dass die Alters- Ältere können und sollen hier Kirche für Kirche gruppe der Senioren schon jetzt recht stark ist, gestalten, ist Bärends Folgerung. Besonders dass sie aber noch stärker werden wird. Wa- bei innovativen Projekten können sie rum? In den 40er Jahren des vergangenen Jahr- Entscheidendes leisten. Hier nun der Wortlaut hunderts und auch in den 50er Jahren wurden von Hartmut Bärends Referat. viel mehr Kinder geboren als heute. Diese Alters- gruppen rücken jetzt nach und leben auch noch

Gern bin ich wieder einmal zu Ihnen gekommen und habe mich darauf gefreut. Das Thema, das Sie mir gestellt haben und das ja auch den weiteren Verlauf des Forums prägen wird, finde ich ausgesprochen spannend, weil es ein Zukunftsthema ist. Senioren sind eben keine alten Eisen, bei denen man darauf warten kann oder muss, wie lange sie noch da sind. Sie wollen auch nicht nur als Versorgungsempfänger angesehen werden, sondern als tätige Mitbürger und Mitchristen, die auch in Zukunft ihren Beitrag leisten, damit Zukunft gestaltet werden kann. Senioren sind eine Kraft für die Zukunft, eine Macht, deren Bedeutung erst allmählich erkannt wird. Auch die Kirche hat noch viel zu tun, um einen neuen Blick für ihre Seniorinnen und Senioren zu bekommen. Pfarrer i.R. Hartmut Bärend beim Vortrag Foto: privat Ich gliedere mein Referat in sieben Teile. Zu Be- recht lange, weil die Lebenserwartung gestiegen ginn möchte ich das Thema in die heutige Wirk- ist. Die medizinischen Möglichkeiten haben sich lichkeit hineinstellen und beginne mit dem ersten ungemein verbessert; wer für sich sorgt, hat heu- Punkt. Er lautet: te gute Chancen, mindestens fünf Jahre länger zu leben als noch vor 25 Jahren. Das zeigen I. Was ist die Realität? auch die Angaben der Sterbedaten z.B. in unse- Lassen Sie mich das zunächst erklären, um dann ren Gemeindebriefen. Immer mehr Menschen Aus dem Evangelischen Seniorenwerk 39

werden über 80, über 90 und sogar über 100 Kirchensteuermittel deutlich absinken werden, Jahre alt. Und die Seniorinnen und Senioren von zumal die große Gruppe der Ruheständler nur heute sind in der Regel durchaus belastbar und noch wenig Kirchensteuer bezahlt. Dies wiede- bleiben es auch noch länger. rum hat zur Folge, was wir ja auch jetzt schon deutlich sehen und was uns immer stärker Dagegen zeigen die Zahlen für die nachwach- belastet: Die Kirche bemüht sich um Struktur- sende Generation ein ganz anderes Bild. Die veränderungen, um Rückbau und Umbau, um Geburtszahlen sind in den letzten Jahrzehnten Flexibilität und Mobilität. Sie sucht nach Wegen, immer mehr zurückgegangen. Derzeit sind wir in möglichst viele Mitarbeiterstellen zu erhalten und Deutschland statistisch bei 1,3 Kindern pro muss doch ganze Arbeitsgebiete streichen oder Familie. Wir stehen also vor der schon so oft verkleinern. Der Frust ist groß, und die Zukunft beschriebenen umgekehrten Pyramide, und die sieht an vielen Stellen zumindest sehr unsicher Demoskopen sagen ja voraus, dass sich an aus, zumal die große Weltfinanzkrise auch vor dieser Tendenz in den nächsten 30 Jahren nichts den Toren unserer Kirche nicht Halt macht. ändern wird, und das auch dann nicht, wenn wieder mehr Migranten ins Land kommen sollten Weiter ist festzustellen, dass der christliche Hu- oder mehr Kinder in Deutschland geboren mus in unserem Land eher ab- als zunimmt. werden. Strömungen der Gleichgültigkeit dem christ- lichen Glauben gegenüber, ja der Abwehrhaltung Damit ist deutlich: Es macht Sinn, sich um die verstärken sich. Dagegen wächst der Zuspruch Senioren besonders zu bemühen. Die Mode zu einer Art religiöser Flickenteppichmentalität. beginnt das langsam zu ahnen, denn sie macht Die Leute wollen durchaus religiös sein, aber sich bewusst, dass hier Leute in großen Men- nicht unbedingt kirchlich. Sie suchen sich zu- gen sind, die dazu noch erhebliche Finanzmittel sammen, was zu ihrem persönlichen Wertesys- haben. Die Kirche hat aber noch einen anderen tem passt. Das christliche Grundwissen sinkt, Grund, diese Altersgruppe regelrecht zu um- und die, die es noch haben, sind die Älteren. werben. Das ist mein zweiter Punkt, den ich Ihnen heute vorlegen möchte. Das heißt, dass wir eine ganz neue Bemühung um Grundlegung von Bibel, Glauben und Kirche II. Kirchliche Herausforderungen brauchen, wie es ja auch die neue Schrift des Wenn alles so bleibt, wird unsere Kirche in den Rates der EKD mit dem Titel „Kirche der Freiheit“ nächsten Jahren große Herausforderungen an- deutlich zum Ausdruck bringt. Es geht darum, gehen müssen. Dies zeigt sich jetzt schon deut- Hilfen zu geben für eine neue Elementarisierung lich und wird in der Schrift des Rates der EKD des christlichen Glaubens in unserem Volk. mit dem Titel „Kirche der Freiheit“ aus dem Jahre 2006 auch deutlich beschrieben. Der Mitglieder- Wie dringend das ist, sehen wir an den fast 30 schwund, den wir seit vielen Jahren in der Kirche Millionen Menschen in unserem Land, die sehr erleben und erleiden, wird, wenn nicht deutlich pauschal als Konfessionslose bezeichnet wer- dagegen gesteuert wird, nicht nur nicht aufhören, den. Sie haben wie eben angesprochen - durch- er wird sich verstärken, und das nicht einmal aus Religiosität, zumindest viele von ihnen. Aber zuerst durch Austritt. Der Mitgliederrückgang sie verbinden ihre konfessionellen Aussagen wird sich schon allein aus den demographisch nicht mehr mit einer Kirchenzugehörigkeit. Sie vorgegebenen Zahlen und Fakten ergeben, d.h. wollen frei sein, sie wollen freie Individuen sein aus der Tatsache, dass immer weniger Men- mit eigener Religiosität. Dem allgemeinen Su- schen nachwachsen, dass aber die alt geworde- chen nach Sinn, das ja viel stärker geworden ist, nen Menschen trotz aller medizinischen Kunst fühlen sich viele verpflichtet. Aber sie suchen doch sterben. Das bedeutet auch, dass die woanders, auch wenn sie da vielleicht gar nicht 40 Aus dem Evangelischen Seniorenwerk

viel finden. Andere sehen keinen Sinn über die- ich hatte es schon gesagt, viele von ihnen sind ses Leben hinaus und meinen, es sei gut und durchaus belastbar, und viele von ihnen haben irgendwie auch tröstlich, wenn mit dem Tod alles noch einen christlichen Fundus in sich, einfach, aus ist. weil wir früher in Bibel und Kirche anders eingebettet worden sind als viele der Heutigen. Da stehen wir also als Kirche in einem Dilemma. Zum einen: Die missionarische Herausforderung Aber leider stehen Traum und Wirklichkeit noch trifft uns alle, und nicht von ungefähr ist Mission weit auseinander, und das ist mein dritter Punkt und Evangelisation in unserer Kirche gefragter heute. Ich frage mich, wo und wie die Senio- denn je. Und es ist mehr als verständlich, dass rinnen und Senioren heute in der Kirche vor- unsere Kirche alles ihr mögliche tut, um die ge- kommen. genwärtigen Mitgliedszahlen zu erhalten. Aber: Die Mitarbeiterzahlen sinken, und die Ehren- III. Senioren in der Kirchengemeinde wie es amtlichen sind nicht in dem Maße vorhanden, wirklich ist wie das unsere Kirche braucht. Das heißt: Wo Wenn ich da um mich schaue, dann sehe ich keine Mitarbeiter da sind, kann die große Auf- nicht viel. Ich lasse mich gern von Ihnen korri- gabe der neuen Bemühung um Elementari- gieren bzw. beglückwünsche Sie, wenn Sie an- sierung des Glaubens und um Mission und dere Verhältnisse in Ihren Gemeinden sehen oder Evangelisation kaum angegangen werden. Oder haben. Aber die Wirklichkeit, die mir vor Augen soll ich es so formulieren, wie es Jesus einmal steht, ist die: Meist finden sich die Senioren, gesagt hat? „Die Ernte ist groß“, hat er gesagt. wenn es sie gibt in den Gemeinden, in Bibelstun- Aber dann hat er hinzugefügt: „Aber der Arbeiter den und Frauenhilfen. Die Seniorenangebote er- sind wenige“(Matth 9,37). Er hat dann auch reichen zumeist deutlich ältere Menschen. Jün- gesagt, was heute zu wenig gesagt wird: Dass gere Senioren werden hin und wieder erkennbar wir den Herrn der Ernte verstärkt bitten sollen, in Presbyterien, im Lektorendienst, beim Einsam- dass er Arbeiter in seine Ernte schickt (9,38). Das meln der Kollekten und beim Austragen von Ge- sollten wir auch in unserer Kirche viel mehr tun meindebriefen. als es geschieht. Aber Beten und Tun schließen sich nicht aus. Aus dem Gebet heraus wächst Aber dann komme ich schon ins Stocken. dann auch das Wissen, wo wir suchen sollen. Seniorinnen mögen durchaus im Gemeindeall- Wo die Menschen sind, die heute Mitarbeiter tag auftauchen, z.B. bei Basaren, Kirchencafes beim Einholen der Ernte sein können. und neuerdings ja auch verstärkt bei Frauenfrüh- stückstreffen. Aber die Männer fehlen nahezu Und da stehe ich nach diesem langen An- ganz, es sei denn, sie werden in die kirchlichen marschweg wieder vor unserer Themenstel- Gremien berufen. Und wenn wir das Ganze lung. Die Realität wollte ich Ihnen möglichst prozentual betrachten, dann sind viel zu wenige ungeschminkt vor Augen führen. Aber die Rea- der vielen Senioren, die zu einer Gemeinde lität ist nicht alles. Da sind sie ja, da sind wir ja, gehören, auch im Gemeindealltag vertreten. die Seniorinnen und Senioren. Könnten wir nicht zumindest eine Antwort auf die großen Fragen Und das hat auch seine Gründe, und die liegen der Kirche nach ihrer Zukunft sein? Wir könnten nicht nur in der Tatsache, dass wir in den Ge- in viel größerem Maße, als das bisher im Blick meinden in der Regel nur 10 bis 15 Prozent der war, in der Kirche und für die Kirche Zukunft Gemeindeglieder erreichen. Nein, die Gründe lie- gestalten. Ich meine, es gibt hier eine Menge zu gen in den Angeboten selbst. Ich nenne nur drei: entdecken. Könnte das Potential der Seniorinnen und Senioren nicht eine neue große Chance sein - Zum einen: Es gibt zu wenig Themen und vor für den Gemeindeaufbau von morgen? Immerhin, allem zu wenig Aufgaben für Senioren. Unsere Aus dem Evangelischen Seniorenwerk 41

Gemeinden haben zumeist keine Angebots- dass sie mir mehr Ruhe wünschten, mehr Ab- fläche für diese Menschen. Es gibt vor allem zu stand, mehr Zeit für mich, für was auch immer, wenige spezielle Erwartungen an junge Alte, d. h. nur nicht mehr Einsatz für die Arbeit in Kirche an die, die gerade die Berufswelt verlassen und Gemeinde. haben. Ich füge ein, dass diese Einstellung durchaus - Zum zweiten: Meist fehlt ein konsequenter nicht überall in der Welt anzutreffen ist. In den gabenorientierter Gemeindeaufbau, der auch USA z. B. gibt es gar keine derartige Altersgren- ausdrücklich die verschiedenen Generationen ze. Seniorinnen und Senioren sind ausgespro- einer Gemeinde im Blick hat. Unsere Gemein- chen mobil und agil, und sie sollen es auch sein. den haben in der Regel nur ein bestimmtes, oft Sie sind überall anzutreffen, in ehrenamtlichen sehr kleines Kontingent an Angeboten für die Aufgaben, aber auch noch in vollzeitigem Dienst. Gemeindeglieder. Sie entscheiden oft selbst, wann sie aufhören; viele von ihnen haben Nebenjobs, um für das - Und drittens: Hauptamtliche fühlen sich bei weitere Alter genug Geld zu haben. Oder sie einem solchen Thema schnell überfordert. Sie freuen sich, dass sie „im Geschäft“ bleiben. fragen sich, wie sie sich auch noch die Zeit nehmen sollen, um Aufgaben für junge Alte aus Aber bei uns „sitzt“ diese Einstellung. Ich freue den Kleidern schneiden? Aber allein diese Fra- mich zwar darüber, dass wir in Deutschland ein gestellung, so subjektiv richtig sie auch ist, geht so funktionierendes System haben, das es er- schon am Wesen des gabenorientierten Ge- möglicht, dass zumindest viele Menschen gute meindeaufbaus vorbei. Jahre im Ruhestand haben können. Dennoch bleiben Fragen offen. Wenn in den Gemeinden Wenn ich recht sehe, werden die Senioren in der Angebote für Senioren gemacht werden, sind es Gemeinde eigentlich gar nicht gebraucht, - meist Betreuungsangebote oder solche, die dazu zumindest sage ich das für die Männer. Jeden- helfen wollen, die Muskeln, die Bewegungsab- falls können sie von sich aus zumeist keine ge- läufe, das Gedächtnis zu trainieren. Das ist auch eignete Tätigkeit erkennen, außer vielleicht, für alles gut und schön. Aber die meisten Senioren den Kirchengemeinderat gefragt zu werden. Aber kommen zu so etwas gar nicht. Sie haben ganz das sind ja die wenigsten. Und damit komme ich andere Motivationen und Leidenschaften. Um z. zu einem weiteren triftigen Grund, der nun nicht B. die Muskeln zu trainieren, gehen viele eher in den Angeboten liegt, sondern sozusagen zum Kieser-Training als dass sie kirchliche Ange- dahinter, als eigentliche Wurzel des Übels: bote nutzen würden. Das gilt auch für mich sel- Ich habe den Eindruck, dass die Erwartungen bst. Stattdessen täte die Kirche gut daran, ganz den Senioren gegenüber in Deutschland tradi- andere Angebote zu machen. Es geht darum, ein tionell sehr festgelegt sind. Ich erlebe es ja am neues Bild von den Seniorinnen und Senioren eigenen Leibe: Seit ich im Ruhestand bin, höre entwerfen. ich immer wieder: „Das musst Du doch gar nicht mehr. Warum tust Du Dir das an? Du bist doch Um dem näher zu kommen, gehe ich nun einen im Ruhestand.“ Einmal habe ich von lie-ben Schritt weiter, und frage, wer die Senioren nun ehemaligen Kollegen eine Postkarte mit ei-ner eigentlich sind, wie ihr „Betriebssystem“ aus- Ansicht bekommen, die ein deutlicher Wink mit sieht. Vielleicht ergibt sich ja daraus eine neue dem Zaunpfahl sein sollte: Eine Gartenbank war Sicht auf Gemeindeebene, die zu einer anderen darauf zu sehen, mit vielen Blumen drum herum. Beteiligungsmöglichkeit führt. Natürlich war sie leer und wartete nur auf mich. Und die Grüße der Kollegen waren auch entsprechend. Die Ermunterung bestand darin, 42 Aus dem Evangelischen Seniorenwerk

IV. Das „Betriebssystem“ der Senioren vation und Aktion, weil sie kein Interesse haben, Ich nenne einmal sieben Aspekte: ihre Lebensphase als „Alte-Eisen-Phase“ zu durchlaufen. 1. Seniorinnen und Senioren sind Menschen mit ungeheuer viel Lebens- und Dienster-fahrung. Also eigentlich sind Senioren und Seniorinnen Sie haben dabei ein Netzwerk von doch sehr interessante Menschen, um die es Beziehungen entwickelt, das sie zumeist mit sich lohnt. Wie könnten sie für die Gemeinden dem Eintritt in den Ruhestand für sich behalten neu gewonnen werden? Das ist mein nächster müssen, da es fast niemand mehr von ihnen Teil. abruft, um es für die bisherige Arbeitsstelle oder etwas anderes fruchtbar zu machen. V. Mögliche neue Gestaltungsräume der Mitwirkung 2. Senioren sind Menschen mit entwickelten Was wollen und können nun die Senioren, wenn Gaben, die ein Leben lang eingesetzt und ge- das Gespräch auf ihr Mittun in der Gemeinde schliffen wurden. Diese Gaben liegen zumeist kommt? Wie können sie in der Kirche Zukunft brach, wenn sie nicht mehr abgerufen werden. mitgestalten? Auch hier nenne ich wieder einige Punkte, die Sie bitte als Vorschläge verstehen 3. Senioren sind Menschen mit klaren Glau- und auf ihre Übertragbarkeit in Ihre Gemeinde- bensüberzeugungen bzw. mit einer konturier- wirklichkeit überprüfen mögen. ten Lebenssicht, die sie auch gern weiter ver- mitteln, wenn es gewünscht wird. 1. Senioren lassen sich zu einer Tätigkeit rufen, die verantwortungsvoll ist. Ich sage das noch 4. Senioren sind Menschen, die sich noch jung einmal zugespitzter: Sie wollen eine Mitarbeit fühlen, obwohl sie alt werden, es sei denn, sie mit eigener Verantwortung und mit der Bereit- haben ein Krankheit in sich, die ihre Kraft total schaft von Presbyterien und Hauptamtlichen, fordert. Und nicht nur das: Sie sind angesichts ihre Eigenständigkeit auch zu wollen. steigender Lebenserwartung auch wirklich noch ausgesprochen leistungsfähig. Sie haben eine 2. Senioren sind bereit zu einer Mitarbeit in be- Menge Power, aber sie wollen sie nur dort grenzter Form, die ihnen also von vornherein einbringen, wo sie es als sinnvoll empfinden, d.h. auch Zeit lässt für all die Sachen, die in vielen wenn es ihnen und ihren Fähigkeiten entspricht Dienstjahren zu kurz gekommen sind und auch und ihnen Lust macht! Zeit lässt, auf der privaten Ebene Neues zu gestalten. 5. Senioren sind Menschen, die nicht mehr über Jahre hin eingebunden sein wollen, son-dern 3. Senioren sind bereit zur Mitarbeit in einem projektorientiert denken, weil sie ihre Zeit nicht Bereich, der ihren Gaben und Erfahrungen wieder so gestalten wollen wie ihr ganzes Leben jedenfalls in etwa entspricht. lang bisher. Sie geizen durchaus mit ihrer Zeit, weil sie für sich vieles aufarbeiten möch-ten, was 4. Senioren sind sicher sogar besonders bereit liegen geblieben ist. zur Mitarbeit in Bereichen, die mit Innovation zu tun haben, z.B. wenn es darum geht, das 6. Senioren sind Menschen mit Interesse an wirklicher Inanspruchnahme und Wert- - die Gemeinde ein Evangelische schätzung, sonst bleiben sie lieber bei sich und Schule aufbauen will, öffnen sich für anderes. - sie Reisen ins heilige Land oder anderswohin durchführt, 7. Senioren sind Menschen mit Lust an Inno- Aus dem Evangelischen Seniorenwerk 43

- sie eine Öffentlichkeitskampagne zum haupt??). Hier und an anderen Stellen können Erreichen von Nichterreitem durchführt, die Senioren Ratgeberinnen und Ratgeber, ja - sie eine neue Gottesdienstform kreiert, die auch hier und dort Mentorinnen und Mentoren sich besonders an junge Alte in der Gemeinde werden. richtet, die bisher nicht erreicht worden sind, - sie sich an der Telefonaktion “neu anfangen” Wenn ich mir nun diese Palette anschaue und oder an einem anderen großen missionarischen mich frage, was sich davon umsetzen lässt, wel- Projekt beteiligt, ches Gefühl beschleicht mich dabei? Was will - sie einen Glaubens-Kurs durchführen will die Gemeinde von all dem haben? Ich fürchte, - sie bestimmte Gemeindebereiche neu dass viel Angst vor Innovation da ist. Also pas- organisieren oder ein Archiv aufbauen will, siert gar nichts. Ich fürchte, dass sich Einzelne - sie ein Jubiläum der Gemeinde organisieren überfordert fühlen. Also geschieht wieder will, nichts. Oder es fehlt einfach die Wahrnehmung - sie eine soziale Hilfsaktion starte will, wie für diese Menschengruppe. Auch dann geschieht z.B. in Berlin die Beteiligung an der “Berliner nichts. Oder da ist eine gewisse Selbstzufrie- Tafel” mit der Losung “Laib und Seele”. denheit. Also passiert wieder nichts. Oder doch? Was müsste sich in der Gemeinde ändern, damit Das alles sind Aktionen mit zeitlicher Begren- die Senioren zum Segen der Gemeinden mitwir- zung, aber auch mit ganz neuen Akzenten. ken können? So lautet mein letzter Teil: Wie kann das praktisch geschehen, dass die 5. Senioren sind aber vermutlich auch bereit zur Senioren Zukunft in der Kirche mitgestalten? Mitarbeit in bekannten Gemeindeformen, wenn sie zu ihnen passt, z.B. in Hauskreisen, in VI. Was die Kirche hier berücksichtigen muss bestimmten Konfirmandenunterrichtseinheiten, Bitte erwarten Sie hier nicht, dass meine Vor- in einzelnen Einheiten von Jugend- und Junger schläge und Überlegungen sofort greifen. Viel- Erwachsenen-Arbeit und beim Besuchsdienst. leicht greifen sie gar nicht, denn Senioren sind durchaus nicht schnell greifbar und einsetzbar. 6. Einige jedenfalls sind sicher auch bereit zur Aber den Raum vorbereiten und eine Tür auch Mitarbeit beim narrativen Weitergeben des aufmachen, das ist unsere Aufgabe. Senioren Glaubens und zur Seelsorge, in Form eines neugierig machen und ihnen Lust machen zur persönlichen Zeugnisses, eines Lebensberichts Beteiligung am Gemeindeleben, das ist es. Und oder auch in Gesprächsform, wenn es den Ga- nur so verstehe ich meinen Vortrag und meine ben und Lebenserfahrungen entspricht. Vorschläge. Ich möchte dazu einige Anregungen geben: 7. Senioren lassen sich sicher auch rufen in Gemeindegremien, wenn es eine Berufung 1. Wir brauchen m. E. in unseren Gemeinden ei- auf Zeit ist. Die Gremien der Gemeinde sind oft ne neue Perspektive für die Gemeinde als Leib zu schmal besetzt, nur mit Hauptamtlichen und Christi. Das bedeutet, dass sich die Hauptamt- Presbytern. Warum kann es nicht einen Aus- lichen mehr als bisher „nur“ als Teil des Leibes schuss z.B. für Öffentlichkeitsarbeit geben, der verstehen und damit deutlich machen, dass die mit höchstens zwei Presbytern, dafür aber mit anderen Teile zum Gemeindeaufbau unverzicht- Vertretern verschiedener Generationen besetzt bar werden. Das alles geht nur, wenn die weni- ist, - und da natürlich auch mit Senioren? Das gen Hauptamtlichen sich mehr als Trainer am gleiche gilt für einen Finanzausschuss und den Rande denn als Spieler auf dem Spielfeld ver- Personalausschuss. Und noch mehr gilt das für stehen. Die Spieler sind dann die Ehrenamt- einen Missionsausschuss (gibt es den über- lichen. 2. Daraus wird deutlich: Wir brauchen einen 44 Aus dem Evangelischen Seniorenwerk

durchgehend gabenorientierten Gemeinde- Gottesdienst war zu Ende, alles strömte weg. aufbau, in dem nicht nur das bestehende An- Aber da standen noch einige; etwa zehn seriös gebot qualifiziert wird, sondern den Gaben ent- angezogene ältere Herren wollten offenbar noch sprechend neue Angebote und Arbeitsgebiete nicht nach Hause. Ich ging auf sie zu und fragte, initiiert werden. Dabei müssen dann allerdings was sie noch vorhätten. Da sagte einer von Arbeitsgebiete aufgegeben werden. Eine nur ihnen: „Wir sind der „fishermen-club“ der Ge- additive Rechnung, nach dem Motto, immer meinde.“ Auf meine Frage, was das sei, antwor- noch eins drauf, geht auf keinen Fall auf. tete er: „Wir machen uns an jedem Sonntag nach 3. Wir brauchen eine stärkere Lebensgestaltung der Kirche auf den Weg, um Menschen in unse- unserer Gemeinden als Familie Gottes, in der rem Bezirk zu besuchen und ihnen von unserem von Generation zu Generation das Evangelium Glauben zu erzählen. Und natürlich laden wir sie weitergegeben wird und Fest und Feier nicht zu dann zur Gemeinde ein“. Diese Leute damals kurz kommt. In unseren Gemeinden in Deutsch- waren offensichtlich Senioren, die sich nun die land fehlt oft beides. In Freikirchen hier und in Zeit nahmen für diesen wichtigen Besuchsdienst. Gemeinden in Übersee, ob nun in den USA oder Wir wunderbar und segensreich! in Afrika und Asien, ist das ganz anders. Das Bewusstsein, eine große Familie zu sein, ist da 5. Wir brauchen geistliche Angebote in unseren stärker ausgebildet. Die Älteren geben das Gemeinden mit viel Qualität. Ist der Pfarrer als Evangelium an die Jüngeren weiter, gemeinsam Spieler auf dem Felde auch eher verzichtbar, so suchen sie Außenstehende, um sie für den ist er als Trainer, aber eben auch als Seelsorger, Glauben an Jesus zu gewinnen. Miteinander für die Spieler, sprich: für die Ehrenamtlichen, feiern sie das Leben in seinen Hoch-Zeiten, aber nicht zu ersetzen. Senioren lassen sich da inte- sie tragen auch gemeinsam, wenn einzelne grieren, wo sie etwas bekommen, wo auch Glau- dunkle Zeiten erleben. Bei all dem sind die bensstärkung und Seelsorge angeboten wird. Senioren selbstverständlich aktiv dabei. Wenn Niemand kann nur geben, er will auch empfan- eine solche Entwicklung zustande kommt, wird gen. Oder anders herum: Wir Senioren sind aus die Lebensqualität der Gemeinde gestärkt. Es vollem Herzen bereit zum Geben, wenn wir em- geht dann auch einfach menschlicher zu! pfangen haben und weiter empfangen. Deshalb gehören zu den Angeboten der Gemeinde auch 4. Wir brauchen eine missionarische Grund- immer themenorientierte Angebote für Senio- ausrichtung der Gemeinde. Wir brauchen ren, damit sie sich in ihrer Lebenssituation auch Gemeinden, die sich aufmachen und nicht wahrgenommen und verstanden fühlen. stehen bleiben, die bereit ist zum Wachstum und nicht am Bestehenden hängt. „Was rastet, VII. In der Kraft Jesu leben verheißungsorien- rostet.“ Senioren wollen auf keinen Fall rosten! tiert handeln Eine Gemeinde, in der die Bereitschaft be- Einige meiner Vorschläge klingen für Sie vielleicht steht, Neues zu gestalten, und dabei auch zu sehr nach der Losung „zu schön, um wahr zu Neue für den Glauben und für die Gemeinde zu sein“. Wir haben unsere Erfahrungen und glau- gewinnen, wird Chancen haben, auch Senioren ben, zu wissen, was geht und was nicht geht. zur Mitarbeit zu gewinnen. Und bei dem Neuen Aber ich möchte mich nicht mit unseren Erfah- geht es dann auch um Evangelisation. Da las- rungen abfinden. Ich möchte bei dem Satz „das sen sich auch solche Senioren einbinden, die geht bei uns nicht“ nicht stehen bleiben. Den „erwecklich-missionarische“ Wurzeln haben, - Satz habe ich ganz oft gehört, und er hat immer und das sind mehr als wir denken. Die wollen sie etwas Depressives, Resignatives an sich. Er im Gemeindealltag nun auch zeigen. Und durch bringt nicht weiter, sondern lässt alles beim Al- ihren Beitrag wird die Zeugniskraft der Gemein- ten. de gestärkt! Aus dem Evangelischen Seniorenwerk 45

Sehen wir uns Senioren, die immer mehr wer- den, doch nicht als das „alte Eisen“ an, das viel Sich mit eigenen Ideen Geld kostet, sondern als einen Schatz der Kir- einbringen che, den es zu heben gilt. Sehen wir uns auch nicht als eine beängstigende Größe an, die die Mit Senioren Zukunft gestal- tatsächliche Überforderung Einzelner in den Gemeinden nur noch steigert, sondern als Be- ten - in der Gesellschaft reicherung, die zumindest mittelfristig dazu bei- tragen wird, die Zukunft der Kirche mitzuge- In die Planungen und Entscheidungen über ihre stalten. ehrenamtlichen Aktivitäten wollen Ältere einbe- zogen werden. Lediglich übertragene Aufgaben Und auch das ist mir wichtig: Sehen wir die Lage zu erfüllen, liegt diesen aktiven Alten weniger. der Kirche doch einmal nicht aus dem Blickwin- Diese Erkenntnis nahm zweite ESW-Vorsitzen- kel der Sorge, sondern aus dem Blickwinkel -de Dr. Erika Neubauer zum Ausgangspunkt Jesu, der für seine Kirche sorgt. Und sehen wir ihrer Überlegungen bei ihrem Vortrag „Mit die großen missionarischen Herausforderungen Senioren Zukunft gestalten in der Gesell- unserer Zeit doch auch als Chance, die dazu schaft“ bei der Tagung des Evangelischen führen kann, dass unsere Gemeinden über Seniorenforums ESF des ESW in Kassel. Den neuen Aufgaben auch neu aufblühen können. Vortrag veröffentlichen wir hier folgend. Vor vielen Jahren war ich eine Zeit lang Per- sönlicher Referent des Berliner Bischofs Kurt Alter hat Zukunft: Diese Tatsache trifft sowohl für Scharf. Vielen mag er noch bekannt sein, mit die Gesellschaft wie für Seniorinnen und Senio- seinem klaren Blick und seinen markanten ren zu. Politikern und der Öffentlichkeit ist diese Augenbrauen. Von ihm haben wir gern gesagt: Perspektive jedoch noch wenig bewusst, vor „Wenn andere einen Grashalm sehen, sieht allem, wenn Alter mit dem Anspruch auf Mitge- Scharf ´ne Wiese.“ Darum geht es, dass wir staltung verbunden wird. Das hängt wohl damit einen weiten Blick bekommen und der Ver- zusammen, dass sich das Bild vom Alter eher an heißung Jesu glauben. älteren Menschen orientiert, die das eigene Le- ben in Kindheit und Jugend geprägt haben, als Wie hieß es am Anfang? Jesus bittet den Vater an den sog. best-agern von heute. Im Unter- im Himmel, dass er Arbeiter in seine Ernte schied zu früher hat sich die Lebenssituation von schicken möge. Ich vertraue darauf, dass viele Senioren, jedenfalls im Durchschnitt, grundsätz- Senioren in den kommenden Jahren sozusagen lich verbessert. Generell ist sie durch folgende als Erhörung des Gebetes Jesu in vielen unserer Trends gekennzeichnet: Gemeinden tätig werden und Zukunft gestalten. Unsere Kirche braucht uns; sie muss es nur noch - Verlängerung der Lebenserwartung, erkennen. Und Jesus sucht uns und möchte uns - Anstieg der in Gesundheit verbrachten Jahre in Anspruch nehmen. Was für eine Perspektive! (60jährige Männer haben noch etwa 16, 60jährige Frauen noch rund 19 Jahre vor sich), gesichertere materielle Versorgung - Verkleinerung der Haushalte, insbesondere Zunahme der Single-Haushalte im höheren Alter, weniger Enkel, - Zunahme von Trennungen und Scheidungen, Schließen neuer Partnerschaften: "Patchwork- Familien", 46 Aus dem Evangelischen Seniorenwerk

! weitere Entfernungen zu Familien der Kinder, getan. Neu, oder besser ausgedrückt: häufiger ! größere Mobilität und mehr Freizeitaktivitäten. ist jedoch die Koppelung mit Motiven zur Selbst- verwirklichung im Sinne eines Gebrauchtwerdens Wer heute ins Rentenalter startet, hat gegen- und des persönlichen Gewinns. Dazu kommt über früheren Generationen also aller Voraus- heutzutage das Bedürfnis, selbst aktiv zu wer- sicht nach nicht nur Lebensjahre dazu gewon- den und selbst mitbestimmen zu können, wel- nen, sondern auch Gestaltungsraum. Dabei ist che Tätigkeit übernommen und wie sie ausge- festzustellen, dass sich dieser mit kleiner wer- führt wird. Auch wenn es individuelle Unterschie- denden Familien immer mehr vom privaten Be- de gibt, sind Ältere in der Regel wenig daran reich in das soziale Umfeld bzw. den öffent- interessiert, ihnen zugewiesene Aufgaben ein- lichen Raum verlagert. fach zu erledigen, sondern wollen in die Planun- gen und Entscheidungsprozesse einbezogen 1. Ältere als Gestalter ihres eigenen Lebens werden. Diese Erwartungen basieren auf den im Die überwiegend zufriedenstellende Lebenslage Laufe ihres Lebens gewonnenen Erfahrungen und die Möglichkeit, die "späten Freiheiten" zu und Fähigkeiten, die sie weiter nutzen und ein- nutzen, hat bei vielen Älteren zu einem neuen bringen möchten. Besonders begrüßt wird daher, Selbstverständnis geführt. Ungehindert von wenn ein Ehrenamt die Möglichkeit zur Fortbil- festgelegten beruflichen Verpflichtungen und dung und Qualifizierung bietet. Als weiterer As- festen Arbeitszeiten suchen sie nach diffe- pekt ist wichtig, dass Seniorinnen und Senioren renzierten und selbst steuerbaren Möglichkei- zu "Experten des Lebens im Alter" geworden ten, ihre Interessen und Fähigkeiten sinnvoll sind. Wie bei der Erziehung von Kindern oder einzusetzen. Sie werkeln in Haus und Garten, dem Erleiden einer Krankheit kann man zwar aus gehen ihren Hobbies nach und reisen. Aber zu- Büchern oder Fernsehfilmen viel lernen, aber die nehmend üben sie auch ehrenamtliche Tätig- Realität fällt dann oft ganz anders aus. So ist es keiten aus. Vor allem die sogenannten Jungen auch beim Alter: Wer es aus eigenem Erleben Senioren engagieren sich in wachsendem Aus- kennt, weiß die Bedürfnisse einzuschätzen und maß und bringen sich in unterschiedlichen kann sich auf die spezifische Situation einstellen. Tätigkeitsfeldern ein. “Sport und Bewegung” Auch Notlagen und Schwierigkeiten werden rangieren hierbei an erster Stelle, gefolgt von schneller festgestellt, wenn man selbst etwa von “Kirche und Religion“ sowie dem „Sozialen Rentenkürzungen betroffen ist und mit einem Bereich“. Ältere Menschen sind demnach be- geringeren Budget zurechtkommen muss. Eben- strebt, die “gewonnenen Jahre” nicht nur zu so sensibel reagieren ältere Menschen auf ihre genießen und eigene Interessen zu pflegen, Umwelt, inwieweit diese ihren Ansprüchen ge- sondern sie wollen die ihnen zur Verfügung recht wird und "seniorentauglich" ist. Damit das stehenden Kräfte und die erworbenen Kompe- Alter Zukunft hat und auch Jüngere von Verbes- tenzen auch anderen zugute kommen lassen. serungen profitieren können, setzen sich ältere Diese Motivation geht ganz klar aus ihren Ant- Menschen in wachsender Zahl dafür ein, auf worten auf Fragen zu den Beweggründen für Hindernisse und Problemlagen aufmerksam freiwilliges Engagement hervor, indem sie auf zu machen und sich nach Möglichkeit an deren die "innere Verpflichtung" oder ihr Verantwor- Beseitigung zu beteiligen. Dabei ist ihnen be- tungsgefühl verweisen (laut Generationenbaro- sonders daran gelegen, sich auch für die Men- meter 2006, Freiwilligensurvey 2004). Öfter als schen zu engagieren, die sich selbst nicht (mehr) Jüngere kreuzen sie auch in Stellungnahmen an, artikulieren können, weil sie hochaltrig oder be- dass sie "die Gesellschaft im Kleinen mitge- hindert sind. Welche Handlungsfelder dabei auf- stalten wollen" und ihr "Handeln zum Teil poli- gegriffen und welche Ziele im Einzelnen ange- tisch begründet" ist. Sich für andere (selbstlos) strebt werden, wird nachfolgend für die Bereiche einzusetzen, das haben Ältere früher gleichfalls "Gesellschaft" und "Kommune" aufgezeigt. Aus dem Evangelischen Seniorenwerk 47

2. Ältere als Mitgestalter der Gesellschaft lasten sollten. Die von der Bundesarbeitsgemein- Die hohe Wahlbeteiligung älterer Menschen spie- schaft der Senioren-Organisationen BAGSO vor- gelt ihren Willen, auf gesellschaftlicher Ebene gebrachten Forderungen beziehen sich daher auf mitreden zu wollen. Wie derzeit wieder einmal zu konkrete Maßnahmen, die dazu dienen sollen, beobachten ist, sind Politiker kurz vor einer Wahl dass die Gesetzliche Rentenversicherung auch auch gern bereit, auf die Wünsche von Senior- in Zukunft mehr als eine Armut vermeidende innen und Senioren einzugehen, um sie für die Grundsicherung bleibt. Außerdem sollen Fami- eigene Partei zu werben. Seniorenverbände lienleistungen wie Erziehung von Kindern oder nutzen das geschickt aus und formulieren Wahl- die Pflege von Angehörigen künftig stärker als prüfsteine mit aktuellen Forderungen. Auch das bisher als Zeiten für die Rente angerechnet wer- Evangelische Seniorenwerk hat rechtzeitig ge- den. Ebenso ist es nach zwanzig Jahren Wieder- handelt und persönliche Entscheidungshilfen vereinigung längst überfällig, für Ost- und West- herausgegeben. Die kurzzeitige Berücksichti- deutschland ein einheitliches Rentenniveau ein- gung von Senioreninteressen ist der Tropfen auf zuführen. Nach Aussage der Bundeskanzlerin den heißen Stein, der erfreut begrüßt wird, aber auch beim Deutschen Seniorentag in Leipzig die Zielmarke der kontinuierlichen Einbeziehung 2009 ist die Durchsetzung der letzten Forderung in politische Entscheidungsprozesse nicht an- bereits abzusehen. nähernd erreicht. Darum muss nach wie vor mit den in einer Demokratie zur Verfügung stehen- Ältere flexibel beschäftigen den Mitteln darum gekämpft werden, die Mitwir- Im Hinblick auf die materielle Lage älterer Men- kungsmöglichkeiten von Senioren zielstrebig schen ist eine kontinuierliche Beschäftigung auszuweiten und Eingang in wichtige Gremien zu vor dem Eintritt in die Rente ungemein wichtig. finden. Die Legitimation ergibt sich auch daraus, Nach den Erfahrungen in fortschrittlichen Betrie- dass mehr gesellschaftliche Beteiligung und ben und Ergebnissen von Forschungsprojekten mehr politische Partizipation älterer Mitbürger- kann der Verbleib älterer Arbeitnehmer etwa innen und Mitbürger vonnöten sind, um die durch präventive Maßnahmen, gezielte Fortbil- Auswirkungen des sich seit langem abzeichnen- dung, altersgemischte Teams, Wahl eines geeig- den demografischen Wandels zu bewältigen. neten Arbeitsplatzes o.ä. gefördert werden. Hier ist Überzeugungsarbeit auf unterschiedlichen Politik mit und für Ältere politischen Ebenen zu leisten, um Vorurteile ge- An welchen Punkten hat nun die "Politik mit und gen ältere Arbeitnehmer abzubauen und die Vor- für die Alten" anzusetzen? Auch wenn es den teile, die ihre Weiterbeschäftigung etwa für Ser- meisten Senioren nach den Durchschnittswerten viceleistungen oder die Bindung von Kunden der Renten- und Einkommensstatistik materiell bringt, zu verdeutlichen. Erste, statistisch nach- besser als Älteren vorheriger Generationen geht, weisbare Erfolge sind bereits zu erkennen. Eine so dürfen diese Zahlen nicht darüber hinwegtäu- weitere Forderung in diesem Zusammenhang schen, dass das Risiko der Altersarmut steigt. betrifft die Flexibilisierung beruflicher Altersgren- Oft werden aus Scham auch keine Anträge auf zen verbunden mit der Möglichkeit, über das ge- Sozialleistungen gestellt. Vor allem die renten- setzliche Rentenalter hinaus zu arbeiten und da- nahen Jahrgänge werden von Armut betroffen durch zusätzliche Rentenansprüche erwerben zu sein, wenn ihre Erwerbsbiografien Lücken auf- können. Von solchen Regelungen könnten auch weisen. Bei der seit Jahren andauernden hohen Frauen profitieren, die dem Risiko der Altersar- Arbeitslosigkeit ist das bereits heute abzusehen. mut besonders ausgesetzt sind. Eine verläss- Um diese Entwicklung möglichst zu verhindern, liche gesundheitliche Versorgung gehört eben- setzen sich Sozial- und Seniorenverbände für falls zu den zentralen Forderungen von Senior- Verbesserungen ein, die allerdings die in der Re- innen und Senioren. Diese hängt jedoch, wie gel jüngeren Beitragszahler nicht übermäßig be- auch die Pflege, stark davon ab, in welchem 48 Aus dem Evangelischen Seniorenwerk

Bundesland und ob er in der Stadt oder auf dem Mit diesen grundlegenden Strategien wird die Land wohnt. Momentan sind wir in Deutschland Ziellinie hoch angesetzt. Es ist wichtig, sie klar allerdings noch weit von einer flächendeckenden herauszuarbeiten, damit Seniorenverbände und haus- und fachärztlichen Versorgung entfernt, ihre Funktionsträger sich daran orientieren ganz zu schweigen von speziellen geriatrischen können und die gleiche Stoßrichtung haben. Auf Kenntnissen, die in der Ausbildung von Ärzten diese Weise können die Kräfte gebündelt wer- trotz entsprechender Forderungen immer noch den. Die Orientierung an übergeordneten Zielvor- nicht verankert sind. In diesem Bereich arbeiten gaben und Strategien ist auch für die vor Ort tä- Ärzte- und Seniorenverbände teilweise zu- tigen Seniorinnen und Senioren unerlässlich, da- sammen, um auf politischer Ebene mehr Gehör mit der freiwillige Einsatz längerfristig die Verän- zu finden. So hat der Hartmannbund z.B. einen derungen auf den Weg bringt, die angesichts des Ausschuss „Alter und Medizin“ eingerichtet, der demografischen Wandels erforderlich sind. sich gezielt mit solchen Problemlagen befasst. 3. Ältere als Mitgestalter in der Kommune Transparenz und Mitwirkung Mit steigendem Alter konzentriert sich das Leben In der „Politik mit und für Alte“ gibt es noch verstärkt auf die Wohngemeinde und die Woh- weitere Ansatzpunkte, so dass noch viele For- nung. Die Bereitschaft älterer Menschen, sich derungen anstehen, die hier nicht näher ausge- in ihrer Stadt oder ihrem Dorf zu engagieren, führt werden können. Vielmehr erfolgt nun ein macht also Sinn. Häufig geht damit der Wunsch Überblick über die Vorgehensweisen, die dazu einher, zu Verbesserungen beizutragen, die beitragen können, die gesellschaftliche Betei- Senioren den Alltag erleichtern und dadurch den ligung von Senioren auszuweiten und zu stär- möglichst langen Erhalt der Selbstständigkeit ken. Ich verweise auf die Ergebnisse der fördern. In manchen Kommunen werden solche BAGSO-Jahrestagung 2006. Danach dienen Initiativen unterstützt, aber oft werden sie von folgende Strategien zur Erhöhung der Mitwir- Politik und Verwaltung nicht ernst genommen, kung älterer Menschen bei politischen Ent- und die Akteure erleben Enttäuschungen. Der scheidungsprozessen: „Tag der älteren Generation“ am 2. April 2008 - Ein realistisches Altersbild propagieren und den brachte eine entscheidende Wende, weil mit Stellenwert der Älteren steigern, Über gabe des Memorandums "Mitgestalten - Gesetze/Vorschriften zur Ausweitung der und Mitentscheiden: Ältere Menschen in Partizipation und Mitwirkung Älterer einführen Kommunen" an die Bundesseniorenministerin (Quotenregelung?), Ursula von der Leyen das Förderprogramm des - politische und wirtschaftliche Strukturen Familienministeriums BMFSFJ an die Öffentlich- transparenter machen (so in der Gesundheits- keit ging, das zur Durchsetzung des Leitbildes politik), des „Aktiven Alters“ verhelfen soll. Die Gemein- - mehr Aufklärung/Schulung Älterer über ihre schaftsinitiative wird von Bundesländern, Kom- Rechte und Aufklärungsmöglichkeiten als munalen Spitzenverbänden, Kirchen, Wohlfahrts- Verbraucher, als Patient, als Heimbewohner usw. organisationen und Seniorenverbänden als Part- anbieten, nern getragen, wobei die BAGSO mit der Feder- - „seniorengerechte Lebenswelten“ ermöglichen führung für die Erstellung des Memorandums durch die barrierefreie Gestaltung von Produk- wichtige Vorarbeiten geleistet hat. ten, Dienstleistungen, Wohnungen sowie Infra- strukturmaßnahmen und Bahnbrechende Förderung - strukturelle und konzeptionelle Rahmenbe- Mit der Installierung des Förderprogramms wur- dingungen für freiwilliges Engagement de ein bahnbrechender Prozess angestoßen, der verbessern. die Basis für das Engagement älterer Menschen verstärkt und die Voraussetzungen für ihre ge- Aus dem Evangelischen Seniorenwerk 49

sellschaftliche Partizipation schafft. Das wird da- dingungen in ihrer Stadt diesen Anforderungen durch erreicht, dass die Partner, weitere Akteure gerecht werden. Wenn im Laufe des Projekts und Kommunen eine Selbstverpflichtung zur solche „Stolperfallen“ für Senioren beseitigt Unterstützung der Leitlinien des Memoran- werden, profitieren davon auch Jüngere und dums abgeben. Diese benennen die grundsätz- steigern ihre Lebensqualität. lichen Bedingungen für die Realisierung einer aktiven Altenpolitik in Kommunen, die den de- Lokale Bürgerforen unter dem Motto "Wie mografischen Wandel als Chance nutzen und vor wollen wir morgen leben?": Die Befragungser- allem ältere Bürger in die (Um)-Gestaltungspro- gebnisse legen die Ansatzpunkte für Verbesser- zesse einbeziehen wollen. Die Leitlinien werden ungen offen. Um möglichst praxisnahe Vorschlä- durch Handlungsperspektiven ergänzt, die für ge zu sammeln, sollen viele Bürger z.B. in einem die Bereiche Infrastruktur, Politische Partizipa- bestimmten Stadtviertel beteiligt werden und ihre tion, Wohnen und Wohnumfeld, Nachbarschafts- Meinung einbringen. Anschließend soll eine ge- hilfen und Dienstleistungen, Sport, Gesundheit, meinsame Strategie entwickelt und Senioren- Prävention sowie Bildung und Kultur konkrete gruppen gebildet werden, die selbst organisiert Empfehlungen für die Umsetzung geben. die erforderlichen Aktivitäten in die Hand nehmen. Kooperationspartner stützen Die Veröffentlichung des Memorandums gab Aufbau von Kooperationen: Die Vernetzung mit auch das Startsignal für ein Ausschreibungs- bereits in der Kommune tätigen Initiativen, Ver- verfahren, bei dem sich Kommunen in Koope- einen und Institutionen soll die Veränderungspro- ration mit Seniorengruppierungen um eine An- zesse voran und möglichst viele Akteure zusam- schubfinanzierung in Höhe von 10.000 Euro men bringen. Es sollen keine Konkurrenzen auf- bewerben konnten. Insgesamt wurden 150 An- gebaut werden, sondern vorhandene Ressour- träge bewilligt, so dass nun in ganz Deutsch- cen gemeinsam genutzt werden. land zu den bereits vorhandenen Seniorenver- tretungen, Seniorenbüros etc. noch 150 Kom- Entwicklung von Projekten älterer Menschen: munen hinzugekommen sind, die sich als Mo- Die aktiven Seniorengruppen sollen die anste- toren einer aktiven Seniorenpolitik verstehen. Sie henden Veränderungsprozesse mitgestalten, in- werden im Rahmen des Programms wissen- dem sie in Eigenregie Projekte planen und durch- schaftlich begleitet und zu Fortbildungs-Veran- führen. „Hierdurch können unter günstigen finan- staltungen eingeladen. Dadurch wird ein bundes- ziellen Rahmenbedingungen neue Angebote in weites Netzwerk forciert. Die Kommunen, die Kommunen entstehen, die bürgernah und be- einen Zuschuss erhalten haben, müssen zusam- darfsgerecht sind“ (die Kurzbeschreibung des men mit „ihrem“ Senioren-Projektpartner einen Programms „Aktiv im Alter“ findet sich unter vorgeschriebenen Arbeitsplan erfüllen. Dieser www.aktiv-im-alter.net ). Mit diesem Arbeitsplan enthält folgende Meilensteine, damit die Ziel- gibt das Programm „Aktiv im Alter“ idealtypisch vorgabe, eine zukunftsfähige Stadt zu ent- ein Vorgehen vor, das auch Senioren in Orten wickeln, erreicht wird: realisieren können, die nicht zu den Zuschuss- empfängern gehören. Ohne die Förderung wird Bedarfsermittlung: Durch Diskussionsrunden, die Umsetzung voraussichtlich schwieriger sein Befragungen oder auch Checklisten soll der und länger dauern, aber nachdem bundesweit Handlungsbedarf vor Ort festgestellt werden. vorbildhafte Modelle entstehen, werden weitere Das ist notwendig, weil ältere Bürger im Hinblick Kommunen einen Nachholbedarf verspüren. Da- auf die Erhaltung ihrer Selbständigkeit unter- mit steigt die Chance, dass die Bedürfnisse von schiedliche Bedürfnisse haben. Daher müssen Senioren auf Verständnis stoßen und ihr Engage- sie selbst beurteilen, in wieweit die Rahmenbe- ment unterstützt wird. 50 Aus dem Evangelischen Seniorenwerk

Für Kirchengemeinden hilfreich So steht es im Arbeitsheft „Bausteine Altenar- Die Voraussetzungen für die gleichberechtigte beit“ mit dem Thema „Reisen und Urlaub“ als Teilhabe älterer Menschen und ihre gesell- eine Handreichung für eine virtuelle Reise zuhau- schaftliche Partizipation werden sich also ver- se ohne Kofferpacken: Gedacht für Teilnehme- bessern, weil die demografische Notwendigkeit rinnen und Teilnehmer von Altenkreisen, die die immer deutlicher wird und vor allem diejenigen Beschwernisse des Reisens nicht mehr auf sich Kommunen vom Fortschritt profitieren, die sich nehmen können oder wollen. Eine solche Fanta- zu einer aktiven Seniorenpolitik entschlossen siereise könnte im jetzigen Calvin-Gedenkjahr et- haben.Damit werden die älteren Menschen, die wa nach Genf oder nach Straßburg als wichtigen mitverantwortlich handeln wollen, mehr Mög- Stationen des französischen Reformators führen. lichkeiten zur Mitgestaltung in Gesellschaft und Kommune erhalten. Die Fülle von Praxisbei- Im Schreiben bewanderte Mitglieder des Evan- spielen, die derzeit entstehen, geben dafür gelischen Seniorenwerks Bundesverband für wertvolle Anregungen. Dazu gehören auch Frauen und Männer im Ruhestand gestalten all- Modelle, die aus Senioren-Initiativen und - jährlich eines dieser regelmäßig erscheinenden gruppen in Kirchengemeinden hervorgegangen Material-Hefte „Bausteine Altenarbeit“. Der in sind und sich dann vor Ort ausbreiten. Auf diese Aachen ansässige Verlag Bergmoser und Höller Weise erfüllen Seniorinnen und Senioren bringt laufend diese themenbezogenen Arbeits- diakonische Aufgaben und tragen als gleichbe- hefte für die aktivierende Altenarbeit in vorwie- rechtigte Partner zu einer aktiven Bürgergesell- gend kirchlichen - evangelischen wie katholi- schaft bei. schen - Gruppen heraus. Die „Bausteine“ teilen so das Ziel des Evangelischen Seniorenwerks, sich für eine neue, selbstbestimmte und selbst- Bausteine aus erfahrenen verantwortete Alterskultur einzusetzen. Händen Die Animateure von Seniorenkreisen sollen mit diesen inzwischen fünfmal jährlich erscheinen- Evangeliums-Rundfunk sen- den „Bausteinen Altenarbeit“ in die Lage versetzt werden, niveauvolle und anregende Aktivitäten in det über ESW-Publikationen ihren Gruppen auszulösen. Jeder „Baustein“ deckt auf 40 Seiten ein spezifisches Thema für In einem Beitrag zu Beginn dieses Jahres wid- die offene Alten-Gruppenarbeit ab. Themen mete sich der Evangeliums-Rundfunk ERF in waren zuletzt „Bäume“, „Seefahrt“, „Wiege“, Wetzlar den Publikationen der Arbeitshefte „Sport und Bewegung“, „Erntedank - Lebens- „Bausteine Altenarbeit“ durch Mitglieder des dank“, „Reisen und Urlaub“ und anderes. Evangelische Seniorenwerks. Die ERF-Sendung behandelte Sinn und Zweck sowie einzelne In- Jedes Arbeitsheft ist in die Abschnitte Thema, halte der „Bausteine Altenarbeit“ und hatte fol- Kreatives, Erzählteil, Fokus und Festgestaltung genden Wortlaut. gegliedert. Der Aktivierung dienen besonders die „Bei der Fantasiereise soll sich die Senioren- Kreativ-Teile mit methodischen Anleitungen für gruppe gemeinsam ein Ziel in Gedanken für das Spiele, zum Raten, für Rundgespräche, zur Be- nächste Treffen aussuchen, damit man die wegung, für das Lieder-Singen oder für gemein- Fantasiereise vorbereiten kann. Zu beschaffen sames Kochen. sind Anschauungsmaterial über das Reiseziel, ein Gedicht, ein Buchauszug, Bilder, Filme oder Die Gemeinschaft in den Gruppen befördern Zeugnisse einer mit dem Reiseziel verbundenen sollen auch die Vorschläge für das Feiern von Persönlichkeit“. Festen wie Erntedank oder Weihnachten, von Aus dem Evangelischen Seniorenwerk 51

Gottesdiensten im Freien oder der Goldenen Speyer. In der Altenarbeit und in der Text-Gestal- Konfirmation. Zu einem Wander-Gottesdienst ist tung erfahrene Hände nehmen somit also die im Bausteine-Heft „Reisen und Urlaub“ fol- Herstellung der Bausteine in die Hand. gendes zu lesen: Ein für das Jahr 2010 vom Evangelischen Seni- „Eine Wandertour hat eine eigene, durchaus dem orenwerk vorbereitetes Bausteine-Heft behandelt Gottesdienst ähnliche Liturgie mit Zusam- das lebens-biografische Thema „Sammeln und menkommen, Eröffnung, Anstieg, Höhepunkt, Loslassen“. Es widmet sich dem geordneten gemeinsamem Mahl, Abstieg und Trennung. Rückzug aus der Fülle des Lebens und eröffnet Diese Abschnitte lassen sich auch liturgisch ge- transzendierende Zugänge in eine andere Welt. stalten und mit den persönlichen Themen der Geplant ist in Regie des Evangelischen Senioren- Mitwandernden verbinden, da während der werks auch noch ein Bausteine-Heft zu biografi- Wanderung durchaus auch ein persönliches schen Lebensrückblicken mit einer Besinnung Gespräch geführt werden kann.“ darauf, was einem im zurück liegenden Leben gelungen und was einem misslungen ist. Sein Lange Zeit besorgten für das Evangelische Motto: „Volltreffer und Fehlleistungen“. Seniorenwerk Pfarrer Dr. Friedrich Haarhaus aus Bonn und Schwester Kirsten Hartlieb aus Die „Bausteine Altenarbeit“ sind zu beziehen Flensburg die Zusammenstellung der Bausteine. über den Verlag Bergmoser + Höller, Karl-Friedrich-Strasse 76, 52072 Aachen. Internet www.buhv.de

Wenn ich erkenne, wie gut ich es habe, dann werde ich glücklich und mein Herz wird weit. Weitherzige Titelseite der Ausgabe Reisen und Urlaub Foto: Verlag Bergmoser + Höller Menschen sind nzwischen hat sich im Evangelischen Senio- renwerk ein Redaktionskreis für die Abfassung großzügig. Sie und Auswahl der Bausteine-Texte zusammen gefunden. Die Schriftleitung für das Heft „Ernte- geben gern. dank - Lebensdank“ von 2007 besorgte Pfarrer Dr. Karl Dieterich Pfisterer aus Stuttgart, die Re- Tina Willms daktion für das 2008 erschienene Heft „Reisen und Urlaub“ Professor Kurt Witterstätter aus 52 Aus dem Evangelischen Seniorenwerk

bedeuten Einheits- und Zusatzbeiträge für diese Enttäuschung steht am in der Kranken- und Pflegeversicherung real ei- Anfang nen Einkommensrückgang. Vor der Wahl gege- bene Versprechen über „Mehr Netto vom Brutto“ AKKG fordert wirksame sind da schnell vergessen. Die gesetzliche Ren- tengarantie wird durch die beabsichtigten Abga- Investitionen in soziale ben entwertet Leistungen Die Erhöhung des Schonvermögens für Hartz-IV- Der Beginn der neuen, schwarz-gelben Bun- Empfänger stellt nur eine kosmetische Korrektur desregierung enttäuscht den Arbeitskreis Kirche dar. Nötig für eine würdevolle Beteiligung Ar- und Gesellschaft AKKG des Evangelischen beitsloser, von Geringverdienern und aus sons- Seniorenwerks ESW. Worunter Deutschland am tigen Gründen unzureichend Erwerbstätiger wäre Beginn des 20. Jahres der Einheit von Ost und eine nachhaltige Erhöhung der Bedarfssätze West leidet, ist das immer stärkere Auseinan- und Unterkunftskosten nach SGB II. Diese unter- derfallen von Reichtum und Armut. Damit diese bleiben jedoch leider. Spreizung nicht zu konflikthaften Verwerfun- gen führt, fordert der AKKG des ESW nachhal- Das Evangelische Seniorenwerk Bundesverband tige Verbesserungen der sozialen Situation der der Frauen und Männer im Ruhestand e.V. tritt minder Privilegierten. vehement dafür ein, dass der sozialpolitische Die Finanzierung der Sozialleistungssysteme Grundsatz „Starke Schultern übernehmen muss auf Dauer auf eine neue Grundlage ge- solidarisch höhere Lasten als schwächere stellt werden. Die Arbeitskosten können nicht Mitglieder der Gesellschaft“ nicht der aktuellen immer weiter belastet werden. Andererseits Krise geopfert wird. sollte von der paritätischen Finanzierung der Sozialsysteme nicht abgegangen werden. Alle Kreise sollten gemäß ihren Kräften an der Fi- nanzierung der Systeme der Sozialen Sicherung beteiligt werden. Ein gangbarer Weg ist hier die Heranziehung aller Einkunftsarten, mithin neben den Arbeitseinkünften auch der Vermögenserträge. Eine separate Belastung nur der Versicherten, wie sie mit der zusätzlich angedachten privaten Pflegekostenversicherung beabsichtigt ist, stellt eine einseitige Belastung dar. Unternehmer, Selbstständige und Arbeit- geber bleiben hier außer Verantwortung. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Vor-stellungen über das Einfrieren der Arbeitgeber-Kranken- kassenbeiträge und variable Einheitsbeiträge in der Krankenversicherung unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Krankenver- sicherten.

Bei sich andeutenden Nullrunden für Rentner- innen und Rentner in den kommenden Jahren Aus dem Evangelischen Seniorenwerk 53

Auszeichnung für Dr.Erika Welches Alter hatte? Neubauer Persönlichkeiten mit Alters- Zweite ESW-Vorsitzende Kreativität erhält Bundesverdienstkreuz Als Ratespiel nutzte das ESW bei seinen Stän- den mit Öffentlichkeitsarbeit folgende Fragen zur Alterskreativität bekannter Persönlichkeiten. Die- ses Quiz drucken wir hier etwas erweitert ab. Es kann auch vor Ort in den Seniorenkreisen be- nutzt werden. Gefragt wird: Welches Alter hatte

Theodor Fontane, als er den Roman „Effie Briest“ begann?

Marion Gräfin Dönhoff, als sie Herausgeberin der Wochenzeitung „Die Zeit“ wurde?

Pablo Picasso, als er sein letztes Gemälde schuf?

Elly Heuss-Knapp, als sie das Müttergene- sungswerk gründete?

Konrad Adenauer, als er erstmals Bundeskanz- ler wurde?

Giuseppe Verdi, als er seine letzte Oper „Fal- staff“ schrieb?

Die stellvertretende ESW-Vorsitzwende Dr. Erika Johann Wolfgang von Goethe, als er aus sei- Neubauer ist für ihre Verdienste als langjährige nen am Ende erfolglosen Anbahnungsversuchen Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemein- einer Verbindung mit Ulrike von Lewetzow die schaft der Seniorenorganisationen BAGSO und „Marienbader Elegien“ schrieb? ihre rührige Arbeit in ihrer Wohngemeinde Meckenheim sowie nicht zuletzt im ESW mit Ursula Lehr, als sie ihre „Psychologie des dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstor- Alterns“ 2007 in die 11. Auflage brachte? dens der Bundesrepublik ausgezeichnet wor- den. Die Ehrung überbrachte der zweiten ESW- Das jeweilige Kreativ-Alter der genannten Per- Vorsitzenden der Vizelandrat ihres heimischen sönlichkeiten finden sie am Ende unseres Infor- Rhein-Sieg-Kreises Rolf Bausch im Namen von mationsbriefs. Bundespräsident Dr. Horst Köhler. Den zahlrei- chen Gratulanten schloss sich auch Vorsitzen- der Klaus Meyer für das ESW an. 54 Für Sie gelesen

unserer Zeit (Sophie Scholl, Hillary Clinton, Für Sie gelesen... George Foreman u. v. a.) stieß, um den Leser zu ...von Hans Steinacker ermutigen: Lebenskrisen sind keine Katastro- phen, sondern neue Chancen. Ein persönliches und hilfreiches Buch. Ein Psychiater schlägt Alarm Norbert Lurz. Das Micha-Prinzip. Wie aus Und das mit gutem Grund: Denn unser Prob- Niederlagen Siege werden können. Paperback. lem, meint der Experte, sind die so genannten 142 Seiten. Brunnen ganz Normalen. Der bekannte Bestsellerautor und Psychiater Manfred Lütz schöpft aus sei- nem Erfahrungswissen, wenn er die Schar sei- Der Engel der Hölle zum Hundertsten ner Patienten - rührende Demenzkranke, dünn- So hat sich Mutter Teresa von Kalkutta, die Ikone häutige Süchtige, hochsensible Schizophrene, der Moderne, uns eingeprägt. Wie aus dem ein- erschütternd Depressive und mitreißende Mani- fachen kleinen Mädchen Agnes Bojaxhiu aus ker betrachtet und dabei den Spieß so um- Skopje, einem verborgenen Winkel Osteuropas, dreht, dass die in den abendlichen TV-Nach- eine internationale Persönlichkeit mit prägendem richten und Blödelschauen präsentierten Kriegs- Einfluss für das 20. Jahrhundert wurde, zeichnet hetzer, Wirtschaftskriminellen, Entertainer, eben ein international bekannter Autor nach. Das zu eiskalte Buchhaltertypen und schamlose ihrem 100. Geburtstag am 26. August erschiene Egomanen, angeblich alles völlig Normale, für Buch ist nicht nur eine wohlfeile opulent gestal- eine durchgreifende Behandlung fällig wären. Mit tete Bildbiografie geworden, sondern auch eine witzigem Scharfsinn und kabarettistischer Wort- bewegende Dokumentation ihres aufopfernden wahl klärt Lütz über die wahnwitzigen Normalen Dienstes an den Armen in Kalkutta. Mit erschüt- und die ganz normalen Wahnsinnigen auf. Ohne ternder Schärfe wird nicht nur ihr selbst gewähl- Zweifel ist der Bestseller ein einziger Lesespaß. tes Leben in der Großstadtgosse nachgezeich- Aber Vorsicht, denn man sollte genau hinsehen net, sondern auch ihre Begegnung mit Sadam und seine Sinne schärfen, um bei allem die Hussein, ihre Verbundenheit mit Diana und ihr Zeitkritik nicht zu verpassen. Ein Beispiel: Ge- Stehvermögen auf dem Parkett der Öffentlich- sund ist ein Mensch, der nicht ausreichend keit. Es ist keine strahlende Heiligenlegende, untersucht wurde. sondern die facettenreiche Lebensdarstellung, Manfred Lütz. Irre! Wir behandeln die Falschen. die den Engel der Hölle auch in ihren Anfechtun- 185 Seiten, Geb. mit Schutzumschlag, 13,5 x gen und Anfeindungen zeigt. 21,5 cm, 17,95 Euro. Gütersloher Verlagshaus Mutter Teresa. Heilige der Dunkelheit. Klappenbroschur, 14 x 21,7 cm, durchgehend Lebenskrisen sind Chancen! reich bebildert, 192 Seiten. 16,95 Euro. Brendow Ein kleiner Mann mit einer großen Vision liegt buchstäblich am Boden. Aber er weiß: Hinfallen ist schlimm, Liegenbleiben ist tödlich. Der Pro- 12 Top-Argumente für den Glauben phet Micha wird zu einem Ermutiger und Auf- Die hält der bekannte Oxforder Pfarrer und Pro- richter. Er lebt das biblische Prinzip, das uns zum essor für Evangelisation am Regent College in Aufstehen und Weitergehen hilft. Der Autor, Kanada, Dr. Michael Green, bereit, wenn er in Norbert Lurz, Regierungsdirektor in einem Kul- einer völlig neu bearbeiteten Ausgabe seines tusministerium, hat in einer bittereren persön- Bestsellers zwölf Einwände gegen den christ- lichen Niederlage in der Politik selbst aus der lichen Glauben brillant argumentierend aufgreift. Micha-Erfahrung gelernt. Nahe liegend, dass der Er nimmt berechtigte Anfragen ernst und weist Historiker und Sportfreund bei seinem Nach- andererseits, ohne den Fragenden „abzukan- denken auf Gestalten der Antike (Leonidas) und zeln“, auf logische Fakten und oft übersehenes Für Sie gelesen 55

Beweismaterial hin. Wer kennt nicht diese Fra- gen und Einwände: Ich bin nicht religiös.- Die ...von Kurt Witterstätter Wissenschaft hat den Glauben besiegt. - Jesus war nur ein guter Mensch. - Alle Religionen füh- Schützen und öffnen ren zu Gott. - Hatte Jesus ein Kind mit Maria Muss es mit der stei- Magdalena? u. a. Wer mit Fragenden im Ge- genden Zahl Pflegebe- spräch ist oder selbst Antworten sucht, wird dürftiger immer mehr gern immer wieder diese lesbare Argumenta- Heimbewohner geben? tionshilfe in die Hand nehmen. Michael Green. Im jetzt bei Mabuse in Es komme mir keiner mit Tatsachen. Paperback. Frankfurt erschienenen, 238 Seiten. 14,95 Euro. Hänssler von Harald Blonski herausgegebenen, 222 Weltfrömmigkeit und Himmelssehnsucht Seiten starken Aufsatz- Darf man ein solches Buch den Lesern einer Band „Die Vielfalt des seriösen evangelischen Seniorenzeitschrift vor- Wohnens im Alter“ fin- stellen? Etliche Gründe sprechen dafür. Der aus den sich Alternativen der alemannischen Provinz mit seinem bäuer- mit Beiträgen zum Ge- lichen Katholizismus stammende Autor rollt mit meinschaftlichen Wohnen im Alter und zum Be- verblüffendem Wortwitz und Augenzwinkern sein treuten Wohnen. Der Sammelband behandelt so unscheinbar verlaufendes Leben auf, dessen architektonische Fragen des Altenwohnens, die Trivialitäten und auch Deftigkeiten für ihn Erleb- Gartengestaltung für Alte und die Wohnversor- nishöhepunkte sind. Da wird nichts ausgespart, gung von kalendarisch alten Sondergruppen wie vertuscht oder schön geredet, sondern nur be- Dementen, Abhängigen, Wohnungslosen und obachtet und erzählt. Und das so meisterhaft, von Sterbenden. Die Zielrichtung von Wohnen im dass es dem Leser die Sprache verschlägt. Alter wird in einem kurzen Satz einer Autorin Nichts Menschliches ist Stadler fremd, wenn er deutlich: Hier „kann ich meine kleiner gewordene sein Leben als eine unsägliche Realsatire be- Welt öffnen und auch schützen“. Ein Buch für die schreibt. Angesichts der Feststellung, dass in Altenhilfe am Nerv der Zeit. Der Band könnte Deutschland der Ikea-Katalog mehr gelesen wird aber mit der Schilderung von Verbesserungen im als die Bibel und die Lächerlichkeit mehr ge- bereits vorhandenen Wohnungsbestand noch fürchtet wird als der Tod, ist der durch den Büch- vollständiger sein. ner-Preis Geadelte mehr als vorsichtig, uns eine Harald Blonski (Hg.): Die Vielfalt des Wohnens im christliche Auflösung der Probleme zu empfeh- Alter. Modelle, Erfahrungen und Entscheidungs- len. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Aber hilfen. Frankfurt: Mabuse 2009. 222 Seiten. ISBN er versteht, unser Gedächtnis der Frömmigkeit 978-3-940529-05-3. 19,90 Euro wachzurufen, in dem er seine Weltschmerz- Erfahrungen nicht nur als eine tragikkomische Verdummung für die Reichen Konfession bündelt, sondern bei allem die Damit es in der Gesellschaft bei den wenigen, Himmelssehnsucht des Menschen durchschei- immer Reicheren und den vielen immer Ärmeren nen lässt. Ob das Stadler wohl auch zu seinen nicht zum Knall kommt, bedarf es nach Thomas beachtlichen Psalmenübersetzungen (Insel Wieczoreks neuem, 318 Seiten starken Knaur- Verlag) animiert hat? Buch „Die verblödete Republik“ der „gezielten Arnold Stadler. Einmal auf der Welt. Und dann und systematischen Volksverdummung“. Der so. Gebunden, Schutzumschlag, 382 Seiten. Autor ist überzeugt: Nicht nur Boulevardpresse 19,90 Euro. S. Fischer und Privatfernsehen, sondern auch seriöse Ma- gazine und Talkrunden berieseln uns mit Halb- wahrheiten aus gesponserten „Mietmäulern“: 56 Für Sie gelesen

Vom unausweich- Der Autor be- lichen Neolibera- handelt das Al- lismus, von der die ter im sozial- heilsame Kon- strukturellen kurrenz beflügeln- Wandel, als den Marktwirt- sozialwissen- schaft, von sau- schaftliche berer Kernenergie Kategorie und und schädlichen bringt ausge- Lohnnebenkosten, wählte Alters- überflüssigen Min- theorien. Im destlöhnen, belas- zweiten, größe- tenden Renten und ren Abschnitt terroristischem werden die ein- Islam. Mit Instituts- zelnen Lebens- zahlen und Exper- lagen im Alter tengehabe vor mit Einkommen, allem der „Initiative Neue Soziale Marktwirt- Gesundheit/ schaft“ unterfüttert, werden die Medienkonsu- Krankheit, Tätigsein, Wohnen und Familie um- menten mit diesen wohlfeilen Statements zuge- rissen. Das Buch ist reichhaltig mit Abbildungen dröhnt. Eine der breiten Masse förderliche Politik und Statistiken versehen. Allerdings kommen die bekommen wir so nicht. Wieczoreks Anklage sozialpolitischen und institutionellen Hilfen für wäre in die Reihe der Medienschelte von Orwells die Hochbetagten-Phase bei Krankheit und Pfle- „1984“, Riesmans Außenleitung über Huxleys gebedürftigkeit nicht genügend zur Sprache. Die „Schöne Neue Welt“ bis zu Postmans Zu-Tode- Heimdiskussion wird praktisch nicht geführt. Amüsieren einzureihen, wenn nicht inzwischen Voges bleibt zu sehr beim höheren Erwachse- „das Lügen, Verdrehen, Verschweigen und nenalter stehen. Vortäuschen zum Alltagsgeschäft der Politik“ Wolfgang Voges: Soziologie des höheren gehörte (Seite 68). Einen Trost erblickt der Autor Lebensalters. Ein Studienbuch zur Gerontologie. in den weltweiten Kapitalismus- und Ökologie- 330 Seiten. Augsburg: Maro-Verlag 2008. ISBN kritischen Bewegungen. 978-3-87512-314-2. 22 Euro Thomas Wieczorekt: Die verblödete Republik. Wie uns Medien, Wrtschaft und Politik für dumm verkaufen. München: Knaur 2009. 318 Seiten. ISBN 978-3-426-78098-5. 8,95 Euro Brot für alle Mutmachgeschichten von Für die Jungen Alten Der Bremer Soziologe Wolfgang Voges sieht in ESW und Brot für die Welt seiner bei Lambertus Freiburg heraus gekom- menen „Soziologie des höheren Lebensalters“ die Altenpopulation zunehmend gespreizt, Orientalische Märchen-Geschichten für den einerseits in die Älteren über 60jährigen mit Sultan gibt es „Tausend und eine“: Hans Stap- neuen Optionen für nachberufliches Tätigsein perfenne legt uns in seinen Märchen für eine und eigenständiger Lebensgestaltung, sowie bessere und gerechtere Welt „Neunundneunzig andererseits in die Hochbetagten über 80jähri- und eine“ Mutmachgeschichten vor. In ihnen er- gen mit häufiger verbreiteten, chronischen kennen wir, wie es vor Ort möglich ist, für eine Krankheiten und Pflegebedarfen. ökonomisch gerechtere und ökologisch nach- Hinweise und Mitteilungen 57

haltigere Welt einzutreten. Ziel der beschriebe- nen Aktionen war und ist es, allen das „Brot zum Europa machts möglich Leben“, wie das aus den Geschichten ent- Günstige Europa-Apotheke standene 148seitige Buch heißt, zu sichern. Ergänzt werden die 99 Mutmachgeschichten Venlo/Mönchengladbach durch Gedichte, Lieder, Zeichnungen und Fo-tos. Die zusätzliche Geschichte können die Le- Über die innereuropäische, deutsch-niederlän- serinnen und Leser selbst ergänzen. Das Buch dische Grenze bietet die Europa-Apotheke Ven- entstand in Federführung von Pfarrer Hans lo-Mönchengladbach auch sozialversicherten Stapperfenne durch die ESW-Gruppe BrotZeit in Patienten den günstigen Bezug von Medikamen- Zusammenarbeit mit der Aktion „Brot für die ten an. Die Großapotheke mit einer Umsatzgröße Welt“ des Diakonischen Werks. Das Buch er- von hundert konventionellen Apotheken, die vom mutigt zum ehrenamtlichen Engagement und zur niederländischen Gesundheitsministerium zuge- Unterstützung der Aktion „Brot für die Welt“. Zu lassen ist, erhält beim Einkauf sehr beträchtliche beziehen ist es zum Preis von 5,80 Euro über Mengenrabatte, die sie über Boni in Höhe be- „Brot für die Welt“ oder das ESW, trächtlicher Anteile der gesetzlichen Zuzahlung Stafflenbergstrasse 76, 70184 Stuttgart, Tel. an die Versicherten weitergibt. Temperaturem- 0711.2159136; Mail: [email protected] pfindliche Arznei wird besonders schnell und in temperierten Spezialfahrzeugen ausgeliefert. Mit den Gutschriften können die Kunden weitere Käufe tätigen. Die Gutschriften erfolgen auch für Engagement vor Ort Privatversicherte und Zuzahlungsbefreite. ESW-Faltblatt „Senioren Anschrift: Europa Apotheek Venlo, 41259 Mönchengladbach; Tel. 0180.2276225; Mail: aktiv in ihrer Gemeinde“ [email protected]

Zum Engagement in der Kirchengemeinde vor Ort ruft das neue, sechsseitige Faltblatt des ESW Kuren für Pflege- „Seniorinnen und Senioren aktiv in ihrer Gemeinde“ auf. Ausgehend von Berufsaustritt bedürftige und persönlichen Lücken, die viele im Alter Gesundheitshotel Bad beklagen, gibt das Blatt erste Orientierungshil- fen zur Umorientierung des Lebenslaufs und zur Peterstal im Nordschwarz- Nutzung der eigenen Talente gemeinsam mit anderen zum Wohle der Nächsten. Geschildert wald werden Ansatzpunkte für eine selbstorga- nisierte Seniorenarbeit, mögliche Ziele für teil- Auf Kuranwendungen für Pflegebedürftige mit nehmerorientierte Angebote und Tipps für eine ihren betreuenden Angehörigen ausgelegt ist das störungsfreie Gruppendynamik. Das Faltblatt ist Gesundheitshotel „Das Bad Peterstal“ im Kurort zu beziehen über das ESW, Stafflenbergstrasse Bad Peterstal-Griesbach im hinteren Renchtal im 76, 70184 Stuttgart, Tel. 0711.2159136; Mail: Nordschwarzwald. Durch Barrierefreiheit und [email protected] Hilfsmittel können Pflegebedürftige und Pflegen- de gemeinsam kuren. Zur Anwendung gelangen balneologische und hydrotherapeutische Anwen- dungen. Für Sozialversicherte übernehmen die Krankenkassen auf Antrag 90 Prozent der An- wendungskosten, die Kosten des Badearztes 58 Hinweise und Mitteilungen

sowie 13 Euro pro Tag für die Unterkunfts- gute Grundlage für weitere gemeinsame Projekte kosten. Anschrift: Gesundheitshotel Das Bad in der Zukunft“. Peterstal, Schwarzwaldstrasse 40, 77740 Bad Die Info-Adressen Peterstal-Griesbach, Tel. 07806.986600; Mail: Der Steuer-Check ist auf den Internetseiten der [email protected] BAGSO unter www.bagso.de/steuern.html

sowie auf den Internetseiten des Renten Service unter www.rentenservice.de/steuern zu erreichen. Steuercheck hilft Weitere Informationen: zum Steuercheck gibt BAGSO und Post informieren Guido Steinke von der BAGSO Service GmbH, Bonngasse 10, 53111 Bonn, Tel. 0228/55525559, Fax 0228.555255-66; Die Finanzverwaltung hat angekündigt, dass sie E-Mail: [email protected] seit letztem Herbst verstärkt auf Rentnerinnen und Rentner zugeht, die bislang keine Steuerer- klärung abgegeben haben. Die Bundesarbeits- gemeinschaft der Seniorenorganisationen BAGSO, in der auch das ESW mitarbeitet, bietet zusammen mit dem Renten-Service der Deutschen Post allen interessierten Renterinnen und Rentnern einen kostenlosen Steuer-Check im Internet an, der individuelle Antworten darauf gibt, wer steuerpflichtig ist und wer nicht. Außerdem erfahren die Nutzer auch, welche Auswirkungen die Abgeltungssteuer auf die persönlichen Finanzen hat, welche Freibeträge genutzt werden können oder wie sich gesetz- liche Änderungen bei der Besteuerung von Le- Auflösung unseres Ratespiels von Seite 53 bensversicherungen auswirken. Für die fach- liche Beratung arbeiten BAGSO und Renten- Das jeweilige Lebensalter betrug: Service mit den Steuerexperten von Deutsch- lands größtem Lohnsteuerhilfeverein, der Ver- Theodor Fontane 71, einigten Lohnsteuerhilfe e. V., zusammen. Marion Gräfin Dönhoff 63, „Durch das Alterseinkünftegesetz sind etwa 3,5 Pablo Picasso 91, Millionen Rentenempfänger zur Abgabe der Elly Heuss-Knapp 67, Steuererklärung verpflichtet. Bei vielen Betrof- Konrad Adenauer 73, fenen herrscht Unklarheit über die Rechtslage Giuseppe Verdi 80, und somit auch über die Steuersparmöglich- Johann Wolfgang von Goethe 74 und keiten, die sich ihnen oft bieten. Mit diesem Ursula Lehr 77 Jahre. Steuer-Check möchten wir aufklären, wertvolle Informationen geben und Klarheit schaffen“, betont Walter Link, Vorsitzender der BAGSO. Uwe Ringling, Geschäftsbereichsleiter Renten Service bei der Deutschen Post, erklärt: „Die Kooperation zwischen der Bundesarbeitsge- meinschaft der Senioren-Organisationen und dem Renten Service der Deutschen Post ist eine Impressum 59

Herausgeber: EVANGELISCHES SENIORENWERK - Bundesverband für Frauen und Männer im Ruhestand e.V.

Vorsitz: Klaus Meyer, Schlieffenstr. 3, 90491 Nürnberg Telefon/Fax: 0911/591602, e-Mail: [email protected]

Redaktion: Prof. Kurt Witterstätter, Alfred-Delp-Str. 1, 67346 Speyer -V.i.S.d.PR- Tel.: 06232/3793, e-Mail: Kurt.Witterstaetter@ t-online.de

Layout und Satz: Manfred Storck, Virchowstr. 14, 67063 Ludwigshafen Tel.: 0621/523754, Fax: 0621/62900160, e-Mail: [email protected] oder [email protected]

Zuschriften, Druckvorlagen und Fotos werden an die Redaktion erbeten!

Redaktionsschluß für die ESW-Info 2-2010 ist der 1. März 2010

Ständige Mitarbeiter: Ingrid Bader und Gudrun Dirscherl, Ludwigshafen; Kalligraphie: Klaus Dieter Härtel, Bad Münster am Stein-Ebernburg; Druck: DW-Druckerei, Filderstadt.

Versand: ESW-Geschäftsstelle Frau Anneliese Alber

Der ESW-Informationsbrief erscheint vierteljährlich. Der Bezugspreis wird durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten.

Nachdruck gestattet, Beleg- exemplare sind Pflicht. Geschäftsstelle Stafflenbergstraße 76 70184 Stuttgart Postfach 10 11 42 70010 Stuttgart Telefon: (07 11) 21 59 - 136 / 137 Telefax: (07 11) 21 59 - 550 [email protected] www.evangelisches-seniorenwerk.de