ESG-Nachrichten 5/14 + 1/15 Bestellung von Werbematerialien Lesezeichen, Postkarten, Pin, Aufkleber, ...

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Alle Preisangaben sind inklusive Mehrwertsteuer und zuzüglich Versandkosten ab 2,95 € innerhalb Deutschlands. Die Versandkosten richten sich nach Versandart, Größe und dem Logistikdienstleister. 3 Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

bei einer Diskussion über die Garnisonkirche in Potsdam und die Frage, ob wir ein solches Gebäude in unserer Zeit brauchen, ent- standen Idee und Titel zu diesem Heft: „Hässliche Kirchen“. Hat da nicht jede und jeder sofort ein Gebäude vor Augen? Ein Bei- spiel haben wir auf dem Titel abgedruckt, mein Fund aus einem Sommerurlaub an der Ems: der sogenannte Emsländer Dom, St. Martinus in Haren. Eine neuromanische Kirche ersetzte 1835 den Bau aus dem Mittelalter. Davon ist der neuromanische Turm übrig geblieben, der den Eingang zur 1911 fertig gestellten neu- barocken Kirche darstellt. Ein unglaublicher Mix. Die ersten Artikel beschäftigen sich mit hässlichen Kirchen in der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch mit den Menschen, die diese Kirchen ausfüllten und der (Nicht-)Aufarbeitung in den Jahren danach. Weitere Beispiele für Hässliche Kirche(n) finden wir auch in anderen Epochen – von der Antike bis in die jüngste deutsche Geschichte. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob un- sere Kirchen wirklich schon im 21. Jahrhundert angekommen sind, siehe den „Nick-Neger“ und die Garnisonskirche. Irritierend fiel uns die Werbung der oldenburgischen Kirche für ihren theologischen Nachwuchs ins Auge. Auf der Rückseite bilden wir die Buttons ab, mit denen junge Menschen (es ist wohl auch an Frauen gedacht) animiert werden sollen, Theologie zu studieren: „Werde jemand“. Ich dachte bisher immer, dass wir vor unserem Gott schon jemand sind. Neben dem Thementeil gibt es Neuigkeiten aus den Orts- ESGn, von den Regionen und der Bundesebene und, im dritten Jahr, die CD des Jahres der ESG-Geschäftsstellenmenschen sowie das Weihnachtsrätsel.

Viel Vergnügen beim Lesen, Rätseln und Feiern. Eine gesegnete Weihnachtszeit und ein gutes neues Jahr.

Annette Klinke

5-2014 / 1-2015 4 Inhalt

Hässliche Kirchen

Umschlag Titelmotiv und Seite 5: Die Pfarrkirche Sankt Martinus in Haren, auch »Emsland-Dom« Umschlag Rückseite: So wirbt Mann in Oldenburg für das Theologiestudium …

Thema ESG stellt sich vor

6 » ... aus dem Geist unserer Zeit« 31 Zwischen »Nischel« und Sexshop Kirchenbau und NS-Ideologie Die ESG Chemnitz Beate Rossié Christoph Herbst

9 Von der Schwierigkeit der Aufarbeitung der evangelischen Kirchengeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus Verband Dietrich Kuessner 33 Der Hahn auf dem Berg 16 Von der Loyalität zu Führer und Stasi. ESG-Brockentreffen Walter Grundmann – eine deutsche (Kirchen-)Karriere Hans-Martin Krusche-Ortmann Matthias Kluge 34 MissionRespekt 20 Gute Gründe gegen den Wiederaufbau der Kongresssplitter Garnisonkirche in Potsdam 36 Von der Wucht der Weltpolitik 22 Der Nick-Neger ist wieder da Rückschau Bausoldatenkongress 2014 Flois Knolle-Hicks in Lutherstadt Wittenberg Wolfgang Klietz 24 Kalenderblatt 385 n.Chr.: Priszillian von Ávila wird in Trier hingerichtet 39 ruf aus Wittenberg: Kriegsdienstverweigerung ist Menschenrecht 25 Kritische Würdigung und Kriminalgeschichte Rezension von Sebastian Dittrich 40 BV 2014 in Plön Bericht zur Abstimmung und Diskussion über die neue 27 Kirchenkrise unter dem Brennglas Ordnung der Bundes-ESG auf der Bundesversammlung Rezension von Sebastian Dittrich Ann-Kristin Buck

28 »Selig sind die Friedfertigen« 41 Ergebnisse und Beschlüsse Rezension von Uwe-Karsten Plisch von Jörn Möller

30 »Es gibt keinen Weg zum Frieden, 43 Die besserwisserischen Ehrenamtlichen, Frieden ist der Weg« (Dietrich Bonhoeffer) die faulen Hauptamtlichen Offener Brief des Dietrich Bonhoeffer Vereins Ann-Kristin Buck

45 afrika neu Denken Bilder, Macht, Interessen von Kathrin Schreivogl

5-2014 / 1-2015 5 Inhalt

Ankündigungen

48 Übergänge – Anschlüsse – Brüche 60 Ökumenischer Bibeltag 2015 in Halle 3. aej/ESG-Forum Wissenschaft und Praxis Wissen was zählt – Der Galaterbrief Michael Freitag Save the date! 49 EKD-Synode 2014 in Dresden Einführungstagung für neue Der analoge Blog der Jugenddelegierten StudierendenpfarrerInnen

61 »EinSinGen« 2. Bundesweites ESG-Chortreffen Bücher und Materialien 62 abkürzungsverzeichnis / Impressum 52 aufruf zum Ungehorsam Rezension von Sebastian Dittrich

53 Das (angebliche) Ende des liberalen Paradigmas Rezension von Sebastian Dittrich

55 Jugend ohne Arbeit Rezension von Eckart Stief

Buchempfehlung »Die Friedliche Revolution muss weiter gehen«

56 Buchtipp Den Glauben gemeinsam feiern

57 Weihnachtsrätsel von Anette Klinke

58 cD des Jahres Bundes-ESG-Geschäftsstelle in Hannover

5-2014 / 1-2015 6 Hässliche Kirchen Thema

» ... aus dem Geist unserer Zeit« Kirchenbau und NS-Ideologie

Beate Rossié

Durch ihre trutzig-monumentale oder hei- wurden nach 1945 entfernt. Heute noch mattümelnde Architektur sowie heldische zu sehen sind Reliefköpfe von SA-Männern Jesus-Darstellungen, Propagandamotive und deutschen Frontsoldaten. (Abb. 1) und NS-Symbole in ihren Räumen zeugen Taufbecken, Kruzifix und Kanzel im Chor- heute noch viele in der Zeit des National- ­raum schuf der Bildhauer Hermann Möller. sozialismus errichtete Kirchenbauten von Der Taufsockel zeigt neben der Gestalt ihrer Entstehungszeit. Zahlreiche Kirchen- Christi wiederum einen SA-Mann und die künstler und -baumeister wollten „... aus Darstellung der „deutschen Mutter“, eines dem Geist unserer Zeit vorbildlich Neues“ der häufigsten Motive der NS- Propaganda- schaffen, wie der Architekt Winfried Wend- kunst. Auf dem Kanzelrelief ist Christus in land 1940 formulierte.1 historischem Gewand von der nationalso- Eines der umfassendsten und verstö- zialistischen „Volksgemeinschaft“ in zeit- rendsten sakralen Bildprogramme dieser genössischer Kleidung umgeben, darunter Art befindet sich in der 1933 bis 1935 nach ein SA-Mann im Stil der idealisierten Horst- dem Entwurf von Curt Steinberg errichte- Wessel-Darstellungen der damaligen Zeit. ten Martin-Luther-Gedächtnis-Kirche in (Abb. 2) Das Altarkreuz zeigt einen heroisch Abb. 1: Der Triumphbogen der Martin-Luther-Gedächtnis- -Mariendorf. In ihrer künstlerischen aufgefassten Christus, dessen athletische kirche heute (Foto: Mechthild Wilhelmi) Gestaltung werden systematisch christliche Statur und stramme Haltung an die Kämpfer und nationalsozialistische Motive verknüpft. der NS-Kunst denken lassen. Die „Deutschen Diese Verquickung entspricht der Ideologie Christen“ propagierten die Ideologie eines der „Deutschen Christen“, die eine Synthese heldischen und darüber hinaus vermeint- von Christentum und Nationalsozialismus lich „arischen“ Jesus. Der als Ehrenhalle anstrebten. In der Mariendorfer Gemeinde für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs gab es eine aktive Ortsgruppe der „Deut- gestaltete Vorraum weist an den Seiten- schen Christen“, welche großen Einfluss auf wänden die Reliefköpfe Paul von Hinden- die Ausschmückung der Kirche nahm. burgs und Martin Luthers auf. An der Stelle Der monumentale Triumphbogen ist des Lutherkopfes befand sich bis 1945 das mit rund 800, von dem Künstler Heinrich Bildnis Adolf Hitlers. Mekelburger gestalteten Reliefplatten aus Lange Zeit wurde das Thema Kir- Keramik verkleidet. Hier erschienen das chenbau und kirchliche Kunst der Zeit des Hakenkreuz in einem Strahlenkranz, das Nationalsozialismus sowohl von der kunst- NS-Hoheitszeichen und das Zeichen der und architekturhistorischen Forschung als „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ auch von der Öffentlichkeit weitgehend (NSV) unmittelbar neben den Evangelisten- ignoriert, ja geradezu negiert. Gemeinhin symbolen, dem Christusmonogramm oder galt dort die Ansicht, der Kirchenbau der Abb. 2: Ausschnitt aus dem Kanzel-Relief der Dornenkrone Christi. Die NS-Symbole NS-Zeit sei unbedeutend gewesen. So be- der Martin-Luther-Gedächtniskirche (Foto: Mechthild Wilhelmi) 1 Winfried Wendland, Die Kunst der Kirche, Berlin 1940, S. 24 2 Gerhard Langmaack, Evangelischer Kirchenbau im 19. und 20. Jahrhundert. Geschichte, Dokumentation, Synopse, Kassel 1971, S.333 3 Barbara Kahle, Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1990, S.32

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hauptete etwa Gerhard Langmaack – in der NS-Zeit selbst Architekt zahlreicher Kirchenbauten - in seiner 1971 veröffent- lichten Kirchenbau-Dokumentation über die Zeit ab 1933: „Nur wenige Kirchen können gebaut werden.“ 2 Barbara Kahle konsta- tierte in ihrer 1990 erschienenen, heute oben – Abb. 3: Die Lutherkirche in Hamburg-Wellingsbüttel (Foto: Mechthild Wilhelmi) noch viel rezipierten Publikation „Deutsche unten – Abb. 4: Hakenkreuz an der Lutherkirche in Hamburg-Wellingsbüttel (Foto: Mechthild Wilhelmi) Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts“, dass „ab etwa 1937 der Kirchenbau prak- der jeweiligen Region.6 Diese Studie ergab, der NS-Zeit besonders viele Kirchen er- tisch ganz zum Erliegen kam.“ 3 dass in Deutschland in der Zeit des Natio- richtet. Hier entstanden von 1933 bis 1940 Diese lange geltenden Einschätzungen nalsozialismus mindestens 600 Kirchen insgesamt 55 Sakralbauten, davon 25 im treffen jedoch in keiner Weise zu. Im Rah- errichtet wurden, davon mehr als 390 im katholischen und 24 im evangelischen Be- men eines 2005/06 von Stefanie Endlich, katholischen und mindestens 210 im evan- reich. Darüber hinaus wurden zahlreiche Monica Geyler-von Bernus und der Autorin gelischen Bereich. Bis 1937 stieg die Zahl kirchliche Gebäude umgestaltet. dieses Aufsatzes im Auftrag des Kirchlichen der Kirchenneubauten an. Die baulichen Im Folgenden werden einige Beispiele Bauamts der EKBO verfassten Gutachtens Aktivitäten gingen in den folgenden Jah- signifikanter Bauten und Gestaltungen über die Martin- Luther-Gedachtniskirche ren zwar zurück, wurden aber selbst nach aufgezeigt, die – ebenso wie die Martin- in Berlin-Mariendorf 4 und der darauffol- Kriegsbeginn noch fortgesetzt. Von 1937 Luther-Gedächtniskirche – in den beiden genden, vom selben Team erarbeiteten bis 1944 entstanden noch mindestens 220 genannten Ausstellungen ausführlich vor- Wander-Ausstellung „Christenkreuz und Sakralbauten. gestellt werden. Verbreitet war im Kirchen- Hakenkreuz – Kirchenbauten im National- Mit der neuen, im Jahr 2013 in der Ber- bau der damaligen Zeit der Rückgriff auf sozialismus“ 5, führte die Autorin die erste liner Gedenkstätte Deutscher Widerstand romanische Bauformen. Ab 1933 gab es bundesweite Recherche über den Kirchen- gezeigten Ausstellung „‘... aus dem Geist vermehrt rassistische Interpretationen, die bau der NS-Zeit durch. Bei allen Landes- unserer Zeit‘ - Berliner Kirchenbauten im die Romanik etwa als Ausdruck der „her- kirchlichen Archiven und Diözesanarchiven Nationalsozialismus“ richtete das Team vorragenden Eigenschaften der nordischen erfolgte dabei die Anfrage nach der Quanti- den Fokus auf die Berliner Situation. Eine Rasse“ betrachteten. Ein charakteristisches tät des Kirchenbaus und nach besonders Publikation der Autorin zu diesem Thema Beispiel eines Kirchenbaus in romanisie- auffälligen Bauten und Gestaltungen in wird 2015 erscheinen. In Berlin wurden in renden Formen ist die 1938 fertig gestellte

4 Stefanie Endlich, Monica Geyler-von Bernus, Beate Rossié, Gutachten zur historischen Bedeutung und zukünftigen Nutzung der Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf im Auftrag des Kirchlichen Bauamts der EKBO, vorgelegt im April 2006 5 Die Ausstellung wurde 2008 zunächst in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand gezeigt und war seither in vielen Institutionen und Kirchen in ganz Deutschland zu sehen. Im Mittelpunkt steht die Berliner Martin-Luther-Gedächtniskirche. Dazu werden zwanzig Vergleichsbeispiele sakraler Architektur und Kunst der NS-Zeit aus ganz Deutschland mit zeitspezifischen Charakteristika vorgestellt. Zur Ausstellung erschien die gleichnamige Publikation: Stefanie Endlich, Monica Geyler-von Bernus, Beate Rossié (Hrsg.), Christenkreuz und Hakenkreuz. Kirchenbau und sakrale Kunst im Nationalsozialismus, Berlin 2008 6 Ausgenommen waren nur die bayerischen Institutionen, da für diese Region schon eine umfassende Studie vorlag: Winfried Nerdinger (Hrsg.), Bauen im Nationalsozialismus. Bayern 1933-1945, München 1993

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„arischen“ Christus am Kreuz. Er wurde von zwei Männern verspottet, die mit Kaftan, Bart und Hakennase dem Zerrbild des „Ostjuden“ in der NS-Propaganda glichen. 1937 folgte ein Fenster mit der Darstellung des „Zwölfjährigen Jesus im Tempel“. Un- verhohlener Antisemitismus kam auch in diesem Werk zum Ausdruck, in dem die jüdischen Schriftgelehrten als bedrohliche, finstere Gestalten im Rücken des blondge- lockten Jesus erschienen. Die Fenster wur- den im Zweiten Weltkrieg zerstört. Für die Zeit nach 1945 lassen sich verschiedene Stadien und Ansätze des Umgangs mit NS- belasteten kirchlichen Bauten und Gestaltungen festhalten. Un- mittelbar nach Kriegsende mussten alle NS-Symbole beseitigt werden. Der Alliierte Kontrollrat hatte ein Gesetz zum Verbot dieser Zeichen erlassen. Nachdem in den Abb. 5: Die „deutsche Familie“ in der Lübecker Lutherkirche (Foto: Mechthild Wilhelmi) 1960er und 1970er Jahren solche Gestal- tungen häufig entweder kommentarlos in den Kirchenräumen belassen oder still- Reformations-Gedächtniskirche in Nürn- nalsozialistischen „Blut-und- Boden“-Ideo- schweigend beseitigt wurden, fand man in berg, ein monumentaler Zentralbau im logie interpretierbar war. Diese rassistische den darauffolgenden zwei Jahrzehnten zu Rundbogenstil, der mit seinen drei starken Ideologie lässt sich auch an der Hamburger anderen Formen des Umgangs mit diesen Türmen wie ein mit Bastionen umwehrtes Lutherkirche ablesen. Ihre Fassade ist mit Relikten. So versetzten manche Kirchen- Kastell anmutet. Gottfried Dauner, der Ar- altgermanischen Runen geschmückt, un- gemeinden diese Kunstwerke an weniger chitekt der Kirche, interpretierte den Bau ter denen sich nicht nur die so genannte markante Stellen ihrer Kirchen. Die Ge- als „Ausdruck unserer heutigen, herben, „Fruchtbarkeitsrune“ befand, die in vielen meinde der Lübecker Lutherkirche etwa kämpferisch-heldischen Zeit“.7 NS- Emblemen verwendet wurde, sondern entfernte die Skulpturengruppe der „Deut- Die 1937 nach dem Entwurf der Ar- auch das Hakenkreuz. (Abb. 4) schen Familie“ vom Altar und platzierte chitekten Bernhard Hopp und Rudolf Jäger Auch die innere Gestaltung damaliger sie, mit einer Kommentartafel versehen, errichtete Lutherkirche in Hamburg-Wel- Kirchen weist nicht selten eine NS-spezi­ im Eingangsbereich. Gegenwärtig wächst lingsbüttel vermittelt dagegen den Eindruck fische Prägung auf. So wurde beispielsweise in den Kirchengemeinden das Interesse eines traditionellen niedersächsischen das Propagandamotiv der „deutschen Fami- an einer Aufarbeitung dieser Phase ihrer Bauernhauses. Mit ihrer geziegelten Außen- lie“ auch im kirchlichen Kontext gezeigt. Gemeindegeschichte und an einer offenen fassade und dem Fachwerk- Geschoss ent­ In der 1937 errichteten Lübecker Luther- Auseinandersetzung mit dem Thema. spricht sie dem so genannten „Heimat- kirche exponierte man solch eine Darstel- schutzstil“. (Abb. 3) Die Vertreter dieser lung in Form einer monumentalen Skulp- schon vor 1933 entstandenen Architektur- turengruppe des Bildhauers Otto Flath mit Beate Rossié richtung postulierten eine „bodenständige“ überlebensgroßen, mittelalterlich anmuten- Kunsthistorikerin, Autorin und Ausstellungs- Bauweise. Die Verwendung natürlicher den Figuren auf dem Altar. (Abb. 5) Auch macherin in Berlin; arbeitet derzeit an Baumaterialien, der Einsatz traditioneller antisemitische Propaganda wurde in die einer Dissertation zum Thema „Kirchenbau Bautechniken sowie der Rückgriff auf regio­ Kirchenräume getragen. Ein Beispiel hier- und Kirchenkunst in Berlin 1933–1945“ an nale Architekturzitate standen auf ihrer für sind die Fenster des Künstlers Erich der TU Berlin. Agenda. In der NS-Zeit war dieser Stil Waske, die die neugotische, 1880 erbaute verbreitet, weil er die Einsparung „kriegs- Matthäuskirche in Berlin-Steglitz in den wichtiger“ Baustoffe wie Stahl oder Beton 1930er Jahren erhielt. Das Kreuzigungs- ermöglichte und weil er im Sinne der natio- fenster von 1935 zeigte einen gewaltigen,

7 Gottfried Dauner, Reformationsgedächtniskirche! in: Maxfeld-Bote, Monatsblatt der ev.-luth. Gemeinde Nürnberg-Maxfeld, 1.Jg., August 1934, nicht paginiert

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Von der Schwierigkeit der Aufarbeitung der evangelischen Kirchengeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus

Dietrich Kuessner

Warum nicht von der Schönheit einer solchen Arbeit, begonnen und außerdem für die Juden gebetet: halbes oder: von der entfachten Begeisterung an dieser Arbeit Jahr Knast. Pfarrern wird der Aufenthalt in Berlin, in seit 35 Jahren, die nicht nachlässt? Von der Notwen- Westfalen, im Rheinland, in Ostpreußen polizeilich digkeit sind wir alle hier überzeugt, und trotz aller verboten. In vielen Gemeinden kursiert ein Zettel mit Notwendigkeit gibt es bis heute keine umfassende Namen jener Pfarrer, die mit KZ, Gefängnis, Aufent- Darstellung der Geschichte der ev. Kirche 1933 - 1945, haltsverbot, Redeverbot, Gehaltsabzügen bestraft die alle damaligen kirchlichen Gruppen beschreibt: worden sind und deren Namen tapfer im öffentlichen die Bekennende Kirche, die Deutschen Christen und Gottesdienst verlesen werden. Das traditionell obrig- vor allem die kirchliche Mitte, die die weitaus größte keitstreue Verhältnis der Kirche zum Staat ist auf den Gruppe in der ev. Kirche war, ca. 70%. Kopf gestellt. Also: Kirchenkampf und zwar von 1933 Ist Aufarbeitung zu schwierig? bis 1945. Unter welchem leitenden Gesichtspunkt könnte Dieser Kirchenkampfbegriff erfuhr eine inner- eine solche Geschichte geschrieben werden? Er lau- kirchliche Zuspitzung. Kirchenkampf hieß nicht nur tete 30 Jahre lang, von 1945- 1975: Kirchenkampf. Im Kampf zwischen bekenntnistreuer Kirche und im Kern Standardlexikon „Religion für Geschichte und Gegen- atheistischem Nationalsozialismus, sondern auch Kampf wart“ 3. Auflage (Bd. 3, 1443-1453) aus dem Jahre 1959 zwischen Bekennender Kirche und den Deutschen finden wir unter diesem Stichwort folgende Beschrei- Christen, also ein innerkirchlicher Konflikt. Die Deut- bung: „ungewollter“ Kampf der Kirche gegen den schen Christen hatten sich im Aufwind der NSDAP Nationalsozialismus. Die gängige Begründung lautete gebildet, sich in die Abhängigkeit der Partei begeben damals folgendermaßen: Beide, Kirche und National­ und propagierten einen nordischen Christus, eine Ent- sozialismus, stehen unversöhnlich gegeneinander, beide beanspruchen nämlich den Menschen ganz für sich, Nationalsozialismus ist im Kern atheistisch, nach dem Endsieg werde Hitler die Kirchen unnachsichtig aus- rotten. Erst die Juden, dann die Kirchen. Der Kirche bleibe nur die Möglichkeit zum Kampf gegen den Natio­ nalsozialismus, zum Widerstand, wie ihn z.B. Dietrich Bonhoeffer geleistet habe und dafür hingerichtet wurde. Für einen Kirchenkampf lassen sich zahlreiche Beispiele aufführen: im Sommer 1934 wurden in der preußischen Kirche 500 Pfarrer an einem Tage wegen einer Kanzelabkündigung, die verboten war, von der Polizei verhaftet. Das hatte es in den letzten 400 Jahren nicht gegeben. Pfarrern wird zur Abschreckung der öffentliche, politische Prozess gemacht, der spekta- kulärste im Februar 1938 gegen den Kopf der Beken- nenden Kirche, den Berliner Pfarrer Martin Niemöller, der zwar praktisch freigesprochen, aber vom Gerichts- gebäude ins KZ Sachsenhausen verbracht wurde. Pfarrer werden von Konfirmanden denunziert, der habe Klosterkirche Mariae Verkündigung (Berlin-Westend) erbaut 1937 den Unterricht nicht vorschriftsmäßig mit „Heil Hitler“ Foto: Bodo Kubrak – wikipedia.jpg

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judung von Bibel und Gesangbuch, beschrieben Jesus Lilje, Mahrenholz und Brunotte. Sie hatten alle das als Arier und organisierten eine zentrale Reichskirche, „Dritte Reich“ in führenden, den NS-Staat grundsätz- an deren Spitze der Reichsbischof Müller stand. Gegen lich anerkennenden Positionen erlebt. die Deutschen Christen bildete sich im September Die Darstellung jener Zeit als „Kirchenkampf“ gilt 1933 die Bekennende Kirche, der im Anfang 7.000 heute als überholt. Das andere protestantische Stan- Pfarrer angehörten, die BK hielt eigene Synoden ab dardlexikon, die „Theologische Realenzyklopädie“ (TRE), und verweigerte dem Reichsbischof den Gehorsam. verzichtete 1994 in ihrer vierten Auflage auf den Be- Als bei der Eingliederung der einzelnen Landeskirchen griff „Kirchenkampf“ und verwies den Benutzer auf in diese Reichskirche sich in Württemberg und Fran- den Begriff „Nationalsozialismus“. Dort war unter dem ken massiver Widerstand von unten organisierte – die Stichwort „Nationalsozialismus und Kirchen“ zu lesen, Bischöfe Meiser und Wurm waren unter Hausarrest das Wort „Kirchenkampf“ sei als zeithistorische Ge- gestellt worden – musste Hitler klein beigeben. Er samtbezeichnung „nicht verwendbar“. „Völlig untaug- hatte sich wie auch sonst in der ev. Kirche geirrt. Die lich ist der Begriff „Kirchenkampf“, wenn mit ihm die Bischöfe wurden zu Hitler gerufen und wieder in ihre Gesamthaltung der Kirche in den Jahren der national- Ämter eingesetzt. Dieser Kirchenkampf zwischen BK sozialistischen Diktatur bezeichnet werden soll“. (TRE und DC dauerte von 1933 - 1935. Bd 24 1994 Sp. 43) Unter diesem leitenden Gesichtspunkt „Kirchen- Die vierte Auflage des bereits zitierten anderen kampf“ erschienen bis ca. 1975 zahlreiche Einzeldar- Standardlexikons „Religion für Geschichte und Gegen- stellungen aus den Landeskirchen. Es war eine Stelle wart“ verzichtete 2003 ebenfalls auf eine lexikalische zur Erforschung der Geschichte des Kirchenkampfes Aufnahme des Wortes „Kirchenkampf“ und ordnete gegründet worden, die weit über 30 Monografien es auch unter der Überschrift „Nationalsozialismus veröffentlichte. Gegen diese Darstellungen aus der und Kirchen“ ein, verzichtete allerdings auf die drastische Sicht der BK veröffentlichten einzelne deutsch-christ- Klassifizierung „nicht verwendbar“. liche Bischöfe und Professoren ihre Memoiren. Diese Was war passiert? Hatte kein Kirchenkampf statt- Phase wurde abgeschlossen mit dem dreibändigen gefunden? Waren die Pfarrer nicht verhaftet worden? Werk des Leipziger Kirchenhistorikers Kurt Meier ab War Niemöller nicht im KZ? 1976 „Der evangelische Kirchenkampf“, in dem er den Die große Mehrheit der evangelischen Gemeinde­ Kirchenkampf in allen Landeskirchen summarisch mitglieder war an einer Auseinandersetzung zwischen zusammenfasste. Diese Darstellung und Publikati- BK und DC absolut desinteressiert. Sie gehörten onsreihe stieß nun schon in den 60er Jahren an eine weder der einen noch der anderen Gruppe an. Sie Grenze. Sie wurde von den Landeskirchen begrüßt, die gehörten zur sog. Kirchlichen Mitte. Sie wollten von nach 1945 eine von der Bekennenden Kirche geprägte ihren Pfarrern gesagt bekommen, wie man als evan- Kirchenleitung erhielten, so die rheinische, die westfä- gelischer Christ im sog. Dritten Reich leben kann, lische und die von Hessen-Nassau. wollten aber nicht in den Widerstand gegen den Na- In dieser Publikationsreihe fehlten hingegen Dar- tionalsozialismus geführt werden. Wie kann man im stellungen eines Kirchenkampfes in Bayern, Hannover nationalsozialistischen Deutschland als Christ glauben und Braunschweig. Hatte dort keiner stattgefunden? und leben? Der neue leitende Gesichtspunkt hieß: die Die amtierenden Kirchenleitungen zeigten sich an ei- mitlaufende Kirche in einer Hitler entgegenlaufenden ner Aufnahme ihrer Geschichte in diese Reihe nicht Bevölkerung. interessiert, stellten keine oder nur zögerlich Archiva- Das Hitlerbild der kirchlichen Mitte, der Mehrheit lien und keine Druckkosten zur Verfügung, machten der Kirchengemeinden, war nicht das des kirchenzer- also Schwierigkeiten. Die von Kirchenrat Palmer im störenden Führers, sondern eines Kirchenförderers. Auftrag der Kommission in Hamburg angefertigte Über Hitler kursierte in kirchlichen Kreisen eine viel Arbeit über den Kirchenkampf in der Braunschwei- abgedruckte Geschichte, wie ihn einige Diakonissen ger Landeskirche wurde nicht gedruckt, sondern im besuchen, ihm ein Ständchen bringen, der betagte Gefängnis Wolfenbüttel hektografiert. Der Grund: Posaunenmeister Johannes Kuhlo aus Bethel ist mit Es gab zu viele personelle Kontinuitäten aus der Zeit dabei und lässt aus seinem Horn über den Obersalz- von vor 1945, die die Hitlerregierung unterstützt hatten berg einige Volkslieder erschallen. Woher der Kanzler und die in der Arbeit von Palmer zaghaft erwähnt die Kraft für seine Arbeit hernähme, fragt ihn eine worden waren. Das reichte, um eine Veröffentlichung Diakonisse. Da zieht Hitler aus der Rocktasche ein der Arbeit zu blockieren und eine Weiterführung zu gebrauchtes Büchlein, und erwidert: aus dem Neuen verhindern. Testament. Dieselben Befürchtungen hatten die vier Säulen- Das war nicht eine story über politisch unbedarf- heiligen der Hannoverschen Landeskirche Marahrens, te Diakonissen, sondern traf den Kern einer seit 1933

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einsetzenden Stimmung. Zu Ostern 1933 ließ die preußische Kirchenleitung eine Osterbotschaft ab- kündigen, in der es eingangs hieß: „Die Osterbotschaft von dem auferstandenen Christus ergeht in Deutsch- land in diesem Jahr an ein Volk, zu dem Gott durch eine große Wende gesprochen hat. Mit allen evangelischen Glaubensgenossen wissen wir uns eins in der Freude über den Aufbruch der tiefsten Kräfte unserer Nation zu vaterländischem Bewusstsein, echter Volksgemein- schaft und religiöser Erneuerung.“ Vier Mal hatte Hitler in seiner Regierungserklärung am 23. März 1933 das Verhältnis seiner Regierung zu den Kirchen benannt. Sie sehe „in den beiden christ- lichen Konfessionen die wichtigsten Faktoren zur Er- haltung des Volkstums“, die Sorge der Regierung gelte „dem aufrichtigen Zusammenleben zwischen Kirche und Staat“, sie sehe „im Christentum die unerschüt- terlichen Fundamente der Moral und Sittlichkeit des Volkes“, die Rechte der Kirche würden „nicht geschmälert und ihre Stellung zum Staat nicht verändert.“ Die Diakonissen haben das Bild vom Bibel lesenden Hitler wohl kaum vergessen, will diese story sagen, – und das Bild vom frommen Hitler wurde immer wieder neu aufgefrischt, z.B. als er 1938 Patenonkel bei der Taufe des ersten Kindes von Hermann Göring wurde und diese Bilder in die Illustrierten lanciert wurden, oder: von der anhaltenden kirchlichen Sprache Hitlers. Vor der Offensive der Hitlerarmee auf Moskau erließ Hitler am 3. Oktober 1941 einen Aufruf, der im Völki- schen Beobachter 10.10.41 veröffentlicht wurde, der Hitler als Taufpate bei Familie Göring folgendermaßen endete: „Was die Soldaten geleistet haben, verpflichtet schon jetzt alle zu tiefster Dank- barkeit. Mit angehaltenem Atem und Segenswünschen sich unter der Selbstbezeichnung „Neuheidentum“ begleitet euch in den nächsten schweren Tagen die als die einzig gültige nationalsozialistische Stimme zu ganze deutsche Heimat. Denn ihr schenkt ihr mit Gottes profilieren, und trommelte für den Kirchenaustritt. Sie Hilfe nicht nur den Sieg, sondern damit auch die wich- scheiterte: bei der Volkszählung 1939 bekannten sich tigste Voraussetzung für den Frieden“. 95 % der deutschen Bevölkerung öffentlich zur evan- gelischen oder katholischen Kirche, nur 3,5 % bezeich- Ebenso veränderte sich das Bild vom National- neten sich als „gottgläubig“, als Neuheiden! sozialismus als eines einheitlichen, kirchenfeindlichen Blocks zu dem eines polykratischen Herrschaftssystems. Durch den neuen Ansatz kamen zahlreiche neue, Also keine einheitliche kirchenfeindliche Regierungs- bisher vernachlässigte Personen und Gruppen ins front, sondern viele, manchmal gegensätzliche Einzel- Blickfeld, ich nenne vier Beispiele: erstens die jüdische teile in diesem Herrschaftssystem. Im Kabinett Hitler Bevölkerung im Reich. Die jüdische Bevölkerung betä- gab es den konservativ-christlichen Minister aus der tigte sich nur zu einem kleinen Teil religiös in der Syna- Zeit vor 1933 v. Neurath, auch Innenminister Frick goge, zu einem großen Teil war sie religiös indifferent stand nicht im Ruf von Kirchenfeindlichkeit, in der Par- und verstand sich vor allem als Deutsche, weniger als tei und im engeren Beraterkreis dagegen gab es wie Gläubige. Das Verhältnis von Kirche und Judentum war Alfred Rosenberg und Martin Bormann ausgesprochene m.E. nicht grundsätzlich gespannt. Es gab zwar immer Kirchenhasser. Aber ihr Gewicht wurde nicht selten wieder antijudaistische Anwandlungen, aber um 1900 durch Konkurrenten neutralisiert. Hitler spielte einen z.B. würde ich nicht von einer feindseligen Atmosphä- gegen den anderen aus und behielt sich die letzte re zwischen Synagoge und Kirche reden. Das änderte Entscheidung vor. Die Deutsche Glaubensbewegung, sich mit dem Einbruch der Ideen der völkischen Be- eine Splittergruppierung um Rosenberg, versuchte wegung in das deutsche Geistesleben durch Stewart

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hat nach mühsamen Forschungen herausgefunden, dass zur Zeit des Nationalsozialismus in der kath. und ev. Kirche ca. 1000 kirchliche Gebäude, Kirchen, Gemeindesäle, Friedhofskapellen errichtet bzw. um- gestaltet worden sind. Das widerspricht grundlegend dem Bild vom Widerstand, der sich in den Untergrund begibt. Zu dieser Bautätigkeit war viel Geld und enger Kontakte zu staatlichen Behörden notwendig. Woher kamen diese Finanzmittel? Wie hoch waren sie insge- samt? Wuchsen im sog. Dritten Reich die finanziellen Möglichkeiten der Landeskirchen? Das Berliner Archi- tektenbüro veranstaltete eine Wanderausstellung, die zuerst 2008 in Berlin im Haus des Widerstandes in der Stauffenbergstraße, und 2009 in der Brüdernkirche in Braunschweig gezeigt wurde, andere Landeskirchen indes zeigten sich völlig desinteressiert. Die Hamburger Kirche, reich an großflächigen Räumen für derartige Ausstellungen, sagte eine Ausstellung ab, nachdem noch lebende Architekten ihren Namen im Katalog der Aus- stellung entdeckten. Als drittes Beispiel nenne ich die Freiräume, die Ernst-Moritz-Arndt-Kirche (Berlin-Zehlendorf) erbaut 1934–35 die Kirche hatte. Gegen den Einbruch des Neuheiden- Foto: Bodo Kubrak wikipedia tums Rosenbergs in den öffentlichen Raum protes- tierte die Kirche mit Massenveranstaltungen in ihren Kirchen, die von Hunderten und Tausenden besucht worden waren. Chamberlains „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“, Die im Frühjahr 1937 von Hitler angeordneten Kir- der Fundgrube für rassischen Antisemitismus, der mit chenwahlen erwiesen sich als weiterer schwerer Irrtum Chamberlain salonfähig wurde. Chamberlain propa- Hitlers, weil sie die Kirchenmitglieder zu außerordent- gierte ein nordisches Christentum im Gegensatz zu lich gut besuchten Wahlveranstaltungen mobilisier- einem westeuropäischen. Die völkische Bewegung te. Als im Sommer 1937 Martin Niemöller verhaftet fand auch in der Kirche Sympathisanten und statt ei- worden war, was die Parteipresse jubelnd begrüßte, nes schroffen Nein zu jeder Form von Antisemitismus erhielt Niemöller massenhafte Solidaritätsadressen. bürgerte sich auch in der Kirche ein verräterisch „dif- Als letztes Beispiel nenne ich die Mitwirkung an ferenziertes“ Bild eines abgestuften Antisemitismus den Verbrechen der deutschen Wehrmacht 1939 -1945 ein. Dazu kam, dass die sog. Judenmission nach wie und die im Krieg wachsende Hitlerbindung. Es gibt bis vor zum Repertoire christlicher Dogmatik gehörte. Da heute keine Monographie über die Kirche im 2. Welt- der Nazi-Antisemitismus jedoch mit ungenießbaren, krieg, auch nicht über die Reaktionen der ev. Kirche rassischen Merkmalen „begründet“ wurde, galt den auf das Attentat vom 20. Juli 1944. Mehrere tausend Nazis die Taufe nur als Tarnung eines Juden. Die Juden- evangelische Pfarrer waren ihren Kirchengemeinden vernichtung wurde jahrzehntelang nicht als theologi- entzogen und in die Wehrmacht Hitlers einberufen sches Problem gesehen. Erst als die rheinische Synode worden. Bei Eintritt in den Wehrdienst hatten sie den 1980 die Judenmission ablehnte und auf den Kirchen- Eid zu schwören: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen tagen das Gespräch zwischen ev. Kirche und jüdischen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Gelehrten und Professoren begann, kam das Verbre- Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehr- chen am europäischen Judentum ins Blickfeld der Kir- macht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapfe- chengeschichte, und es wurde eine Mitschuld durch rer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Schweigen und unterlassener Hilfeleistung diskutiert. Leben einzusetzen.“ Das war schon das zweite Mal, Ein weiteres Beispiel: Die Evangelische Zeitung dass ein evangelischer Pfarrer seinen Dienst und seine vom 10. November 2013 berichtete unter der Über- Person mit Hitler verband. Das erste Mal im Frühjahr schrift „Sakralbauten in NS-Zeit“ von einer hoch- 1937, als 90 Prozent der Pfarrerschaft feierlich be- interessanten Ausstellung. Das Berliner Forum für schworen, dem Führer treu zu sein und die Nazi-Ge- Geschichte und Gegenwart, in dem Beate Rossié, Ste- setze zu beachten. Die Eideszeremonie wurde mal im fanie Endlich und Monica Geyler von Bernus arbeiten, Dienstzimmer des Superintendenten, mal in einer Sa-

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kristei nach einem Gottesdienst, mal im Gottesdienst Dabei hat es das in zwei Generationen einge- selber abgehalten. Die Pfarrer der Bekennenden Kir- fleischte Kirchenkampfverständnis wegen seines holz- che sagten sich: für uns gilt zunächst das Ordinations- schnittartigen Charakters einfacher, sich durchsetzen. gelübde, und dann erst der Führereid und zwar nur so Vor allem: es stellt die Kirche als Opfer des angeblich weit, wie er mit dem Ordinationsgelübde vereinbar ist. kirchenzerstörenden Nationalsozialismus dar. Die Op- Aber diesen Vorbehalt machte nur ein kleiner Teil der ferrolle weckt Mitleid, Sympathie, auch Bewunderung Pfarrerschaft. Der Eid war für die damalige Generation bei heldenhaftem Widerstand. Kirchenkampf passte keine Kleinigkeit, sie schuf Abhängigkeiten und mach- auch gesamtpolitisch in die parteipolitische Konstruk- te im Falle des Attentates auf Hitler 1944 den Verei- tion der Adenauerzeit, er stützte die Gründungslüge digten widerstandsunfähig. Man hatte doch bei Gott der CDU, die behauptete, die CDU sei von Mitgliedern dem Führer Treue geschworen. der ev. und kath. Kirche gegründet worden, die sich Mit dem erbärmlichen Ende der Hitlerregieren- im Widerstand und unter Verfolgung durch die Nazis den, vergiftet, erschossen, aufgehängt, ins Ausland zu gemeinsamen Handeln gefunden hätten und nun geflüchtet, galt der Eid als erledigt und war kein The- unter Adenauer den eigentlichen, wahren, christlichen ma mehr. Aber als der Braunschweiger Generalstaats- Staat errichten wollten. Tatsächlich hatten beide Kirchen anwalt Fritz Bauer für den Prozess gegen den rechts- durch Anpassung und Kompromisse, durch den Kurs der radikalen Altnazi Major Remer 1952 theologische Mitte, die zwölf Jahre NS-Zeit mit gestaltet. Gutachter zur Frage des Widerstandsrechtes und der Die Mitläuferversion galt als Enthüllungshistorie. Bedeutung des Eides suchte, antwortete ihm Landes- So löste Klaus Scholder mit seinem Aufsatz über die bischof Erdmann, er werde dafür in der lutherischen letzten Tage von Kardinal Bertram zunächst Entsetzen Kirche keine Person finden. Wie stark also war die aus, wonach der Vorsitzende der deutschen Bischofs- Bindung der Pfarrerschaft durch den zweifachen Eid während der Nazizeit und wann löste sich diese innere Bindung? Eine solche Bindung schuf in der damaligen deut- schen Bevölkerung der groteske sog. Hitlergruß. Da Maria Königin des Friedens München 1935-37 wurde bei der Begegnung zweier Menschen unver- mittelt die Gegenwart eines Dritten beschworen. A trifft B und sagt „Heil Hitler“, obwohl der gar nicht anwesend ist. Das verstand die Kirche nicht als alltäg- liche, vermeidbare Floskel, sondern der Hannoversche Oberlandeskirchenrat Christhard Mahrenholz qualifi- zierte den Hitlergruß dienstlich als ein Gebet und ver- öffentlichte diese Interpretation im Hannoverschen Amtsblatt. Die beiden unterschiedlichen Verständnisse von der Geschichte der ev. Kirche im „Dritten Reich“ lösten sich nicht 1980 ab, sondern es bestanden beide nebeneinander bis heute und wetteifern um die Deutungshoheit.

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schienene Märtyrerbuch ein problematisches Beispiel. Jahrzehntelang arbeitete die Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte unabhängig von Vorgaben durch die EKD. Das änderte sich mit dem Ratsvorsitz von Wolfgang Huber (2003-2009). Huber unterstellte wesentliche Arbeitszweige der Kirche der sympathie- werbenden Außenwirkung, dem Marketing. Kirche sollte Effizienz und Erfolge vorweisen können. Das war in der kirchengeschichtlichen Forschung mit der Darstellung einer Partnerschaft von Kirche und Natio- nalsozialismus nicht möglich, sehr wohl aber mit Beto- nung einer heldenhaften Opferrolle. So erschien 2006 mit einem Vorwort von Huber ein Buch über die evan- gelischen Märtyrer in der NS-Zeit. „Ihr Ende schaut an – Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts“. 700 Seiten dick. Es wird festgestellt, dass „die Wahr- „Tag von Potsdam“: Reichskanzler Adolf Hitler verneigt sich vor Reichspräsident Paul von Hinden- nehmung eines Konfliktes der nationalsozialistischen burg – Nationalsozialismus und Nationalkonservatismus reichen sich die Hand Ideologie mit den traditionell religiös-christlichen Bindungen im Zuge des Kirchenkampfes seit 1933“ ver­ konferenz, Kardinal Bertram, auf die Radionachricht nachlässigt würden. vom Heldentod Hitlers auf den Schanzen von Berlin Zur zweiten Generation gehört auch der Professor handschriftlich ein Requiem für den toten Führer an- für Kirchengeschichte in Heidelberg Christoph Strohm, geordnet hatte, d.h. für ein im Stande eines gläubigen Jahrgang 1958, der für die Bundeszentrale für Poli- Katholiken gestorbenen Gemeindemitgliedes. Erst tische Bildung 2011 eine Broschüre verfasst hat „Die Jahrzehnte später setzte sich die Version, weil his- Kirchen im Dritten Reich.“ Er geht zurück auf den torisch solide belegt, auch in Teilen der katholischen Begriff des Kirchenkampfes und nennt als leitende Kirche durch. Überschriften seiner sieben Kapitel: „Widerstand“ für Als Enthüllungshistorie galt es auch, als Klaus das Jahr 1934, „Ausgrenzung und Repression“ (1935- Rauterberg auf dem Stuttgarter Kirchentag 1969 ein 1939), „Krieg und Verfolgung“ (1939-1945). Die kirch- Faksimile des Liljeschen Büchleins „Der Krieg als geis- liche Mitte kommt nicht vor. Damit sind alle mühsa- tige Leistung“ verteilte. Daraufhin hieß es prompt, das men neuen Ansätze seit Scholder und Mehlhausen sei Propaganda aus der Ostzone. Über Heinz Brunotte verdrängt. hatte erstmals Heinrich Grosse in seinem Aufsatzband Die dritte Generation, die der Enkel, macht ihre „Niemand kann zwei Herren dienen“ referiert und die eigenen Entdeckungen bei der Betrachtung der Ge- Rolle Brunottes als Oberkonsistorialrat in der Kirchen- schichte ihrer Großväter und stellt ihre eigenen, neuen kanzlei vor 1945 in Berlin und nach 1945 in Hannover Fragen. Als z.B. die Wochenbriefe von Bischof Marahrens behandelt. Jens Gundlach hat in seiner umfassenden 1933-1945 vollständig gedruckt wurden, war das un- Arbeit 2010 diesen Ansatz fortgesetzt mit der Fest- gläubige Erstaunen der dritten Generation groß über stellung: nicht Widerstand, sondern Anpassung an die unvermutete Staatsnähe. den verbrecherischen Hitlerstaat war für diese Luthe- Diese Haltung der Kirchenleitungen war einge- raner die Devise für ihren Kirchendienst. Mir erging es bettet in die Zustimmung der weitaus größten Teile ähnlich, als ich in einer Arbeit über das Gesangbuch in der deutschen Bevölkerung zu Person und Politik Hit- jener Zeit die Umdichtung vom Lutherlied „Verleih uns lers. 1946 fertigte der Vater von Dietrich Bonhoeffer, Frieden gnädiglich“ durch OLKR Christhard Mahrenholz der Psychiatrieprofessor Karl Bonhoeffer ein psycho- im Anhang des Hannoverschen Gesangbuches 1938 logisches Gutachten an über die Befindlichkeit Hitlers veröffentlichte, dessen zweite Strophe nach Mahren- und der deutschen Bevölkerung und diagnostizierte holz lautete: „Gib unserm Führer und aller Obrigkeit schwere pathologische Störungen. Die Krankheit Fried und gut Regiment“. bestand aus einer virusartigen Mischung aus hemmungs- Das unterschiedliche Verständnis jener Zeit ist auch loser Geltungssucht, entstanden aus der nie einge- eine Generationsfrage: für die erste Generation der standenen Niederlage 1918 und den daraus resultie- Zeitgenossen stand das Verständnis einer Helden- renden Minderwertigkeitskomplexen, einer grotesken und Opfergeschichte im Vordergrund. Überhöhung des deutschen Menschen als in jeder Hin- Die zweite Generation setzte nicht selten zur Ver- sicht überlegene Menschenrasse, einer gefährlichen teidigung der Väter an. Dafür bietet das kürzlich er- Verengung der Lebensperspektive auf den Krieg und

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den Schützengraben, den Hitler 1914-1918 als seine wärts mit Gott für Kaiser und Vaterland“ hieß die eigene Lebensmitte verstanden hatte, damit einher- Devise im August 1914 zu Beginn des 1. Weltkrieges. gehend einem zunehmenden Realitätsverlust, indem „Mit Gott“ stand auf den Koppelschlössern der Soldaten die deutsche Bevölkerung vom 1. Februar 1933 an in der deutschen Wehrmacht zu Beginn des 2. Welt- einen Kriegszustand versetzt wurde, schließlich einem krieges. Es ging mit Gott ja gegen den atheistischen krankhaften Hass auf alles Andersdenkende und An- Bolschewismus. derssein. Auch die evangelische Kirche war als Volks- Und als die sowjetischen Truppen in den 50er und kirche von diesen Symptomen befallen. 60er Jahren offenbar ohne Gott an der Elbe standen, Es bestand 1945 viel Anlass, sich der Hitlerregierung und die 1939 geborenen Jungen nunmehr 18 jährig in und ihres erbärmlichen Endes zu schämen und der die Bundeswehr eingezogen wurden, ging es 1957 er- deutschen Wehrmacht, die eine historisch einzigartige neut um die Verteidigung des christlichen Abendlandes Niederlage erlitten hatte. Das Deutsche Reich war in gegen den Antichrist, wenn es sein musste unter Ein- einer unvorstellbaren, bisher nicht dagewesenen Weise satz von Atombomben, „um der Nächstenliebe willen“, zerstört, zertrümmert, besetzt, geteilt und seiner wie Prof. Künneth vor der EKD-Synode betonte. Selbständigkeit auf Jahrzehnte beraubt. Ein Blick in die Bibel ermöglicht das gegensätz- Aber in der deutschen Bevölkerung schämte sich liche Bild: „Gott gegen uns“. Gott gegen sein Volk kein Mensch. Der Rat der ev. Kirche formulierte zwar in Israel, das anderen Göttern nachläuft, Gott gegen eine Stuttgart im Herbst 1945 eine Schulderklärung, die je- Kirche, deren Lieder ihm wie Geplärr klingen. Immer doch von der Bevölkerung einhellig abgelehnt wurde. wieder haben die Propheten den schweren Auftrag Auch die Nürnberger Prozesse gegen die na- bekommen, der Bevölkerung den Unwillen, ja den zistischen Spitzenpolitiker, gegen die Politiker des Zorn Gottes zu predigen, wenn es Unrecht für Recht Reichsaußenamtes, gegen verantwortliche Juristen erklärte, die im Elend sind, nicht ins Haus führte und und Wirtschaftleute weckten keine Einsicht in eine dem Hungrigen nicht das Brot abbrach. Gott gegen Mitverantwortung der Gesamtbevölkerung am Ent- sein Volk, das sein Bundeszeichen trug. Gott gegen stehen und Fortbestehen der Naziherrschaft bis zum eine Kirche, die sich nicht von ihm rechtfertigen lässt, beschämenden wie befreienden Ende. Die Frage Gottes sondern lebenslang in Selbstrechtfertigung verharrt. an Kain: was hast du getan? das Blut deines Bruders „Und Gott verstockte ihr Herz“. Nachdem der Prophet schreit zu mir – blieb ungehört und wenn, dann un­- Jesaja die Engel um den Altar schweben sieht und sin- beantwortet. gen hört, bekam er einen Auftrag „Geh hin und sprich Die größte Schwierigkeit bei der Bearbeitung der zu diesem Volk. Hört und versteht es nicht. Verstocke Kirchengeschichte jener Epoche ist für mich das ver- das Herz dieses Volkes und lass ihre Ohren taub sein breitete Bild vom „Gott mit uns“. „Gott mit uns“ steht und ihr Augen blind, dass sie nicht sehen und nicht meterhoch in Stein gemeißelt über dem Eingang des hören mit ihrem Herzen.“ Gott nicht für uns sondern scheußlichen Völkerschlachtdenkmals in Leipzig zur gegen sein Volk „wie ein am Weg lauernder Panther, Erinnerung an die Kämpfe im Oktober 1813. Gott mit wie eine Bärin, der man ihre Jungen weggenommen uns, nicht mit den Franzosen und Napoleon. „Vor- hat, ich will ihr verstocktes Herz zerreißen, die wílden Tiere sollen sie zerreißen.“ (Hosea 13) „Gott verstockt, welche er will“, heißt es im Neuen Testament (Röm 9,18). Das ist die prophetische Dimension der Kirchenge- schichtsschreibung, die größte Schwierigkeit bei der Arbeit an der Geschichte unserer Kirche, die als Ver- stockungsgeschichte erst noch geschrieben werden muss.

Vortrag im Antikriegshaus Sievershausen am 10.11.2013

Dietrich Kuessner, Jahrgang 1934, ist evangelischer Theologe und Historiker

GOTT MIT UNS: Koppelschloss der Wehrmacht

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Von der Loyalität zu Führer und Stasi Walter Grundmann – eine deutsche (Kirchen-)Karriere

Matthias Kluge

Sein Vorname schreibt sich ohne „h“ – wie etwa auch Mit der verheerenden Niederlage Deutschlands im bei Walter Ulbricht. Beide sind nicht ganz vom selben Ersten Weltkrieg wird der besagte Nationalprotes- Jahrgang. Der doktrinäre Altkommunist mit Spitzbart tantismus aber keineswegs überwunden. Ganz im und Brille wurde am 30. Juni 1893 in Leipzig geboren. Gegenteil: Das Friedensdiktat von Versailles wird als Grundmann kam am 21.10.1906 in Chemnitz zur Welt; Herausforderung begriffen und schafft nur neuerliche beide sind also Sachsen. Und beide sind sie ganz Verbitterung und Verhärtung. So bleibt die Weimarer Kind ihrer Zeit. Walter Grundmann entstammt als Republik die Demokratie ohne Demokraten, die Republik Sohn eines Reichsbahninspektors einem bildungs- ohne Republikaner. bürgerlichen, völkisch-national und kirchlich gepräg- Grundmann hatte indes 1926 sein Theologiestu- ten Elternhaus. dium in Leipzig aufgenommen, um es in Tübingen, Einerseits völkisch-national und andererseits Rostock und neuerlich in Leipzig fortzuführen. 1930 kirchlich zu sein, das sind im deutschen Kaiserreich keine legt er bei der sächsischen Landeskirche sein Erstes Antipoden, die einen Spannungsbogen beschreiben, Theologisches Examen ab. sondern beides gehört wie ganz selbstverständlich Manch ein Politiker der Weimarer Republik bleibt zusammen. Da hatte sich seit etwa 1813 eine krude zwar „Herzens-Monarchist“, agiert aber als „Vernunft- emotionale Gemengelage herausgebildet aus Elementen Republikaner“. Solche Einsichten gehen an Grundmann wie Protestantismus, übersteigertem Nationalismus vorbei. Noch im Jahr seines Ersten Theologischen und nicht zuletzt dem Sozialdarwinismus. Danach hat Examens tritt er der NSDAP bei, nachdem ihn eine (im Tierreich) der Stärkere nicht nur das Recht, sich Hitler-Rede auf einer Parteiveranstaltung in Stuttgart dem Schwächeren gegenüber durchzusetzen, sondern stark begeistert hatte.3 Im Folgejahr wird er ab 1. April es sei gleichsam seine heilige Pflicht. Das wurde im förderndes SS-Mitglied. Verhältnis eins zu eins auf das Zusammenleben der Von 1930 bis 1932 arbeitet Grundmann als Assistent Völker übertragen. Das kann man mit der Muttermilch von Gerhard Kittel an der Universität Tübingen am aufsaugen und gleichzeitig ganz fromm sein. So ist „Theologischen Wörterbuch des Neuen Testaments“. Walter Grundmann Mitglied eines Schülerbibelkreises Hier wird er auch 1931oder 1932 – die Angaben dazu und gehört dem CVJM an.1 variieren – zum Doktor der Theologie promoviert. Es ist nicht zuletzt dieser protestantisch geprägte 1932 läuft seine Assistentenzeit in Tübingen aus und er und übersteigerte Nationalismus, der 1914 zum Ausbruch kehrt nach Sachsen zurück, wo er sein Zweites Theo- des Ersten Weltkrieges führt, der zur „Urkatastrophe logisches Examen ablegt und zunächst Hilfsgeistlicher des 20. Jahrhunderts“ 2 werden sollte. in Oberlichtenau bei Kamenz wird.

1 Gerhard Lindemann: Walter Grundmann. „Chefideologe“ der sächsischen Deutschen Christen, in: Christine Pieper, Mike Schmeitzner, Gerhard Naser (Hg.): Braune Karrieren. Dresdner Täter und Akteure im Nationalsozialismus, Dresden 2012, S. 214-219, hier S. 214. 2 Zum einhundertsten Jahrestag des Kriegsausbruchs wird diese Formulierung in der Publizistik plötzlich überall und inflationär verwendet, gern auch ohne Urheberverweis. Noch kurze Zeit vorher war dieses Zitat nur Fachleuten geläufig. Es stammt von dem US-amerikanischen Diplomaten George F. Kennan, der in der Entstehungsgeschichte des Kalten Krieges eine zentrale Rolle spielte. Zur Genese des Zitats vgl. Hans-Peter Ullmann: Das Deutsche Kaiserreich 1871 – 1918, Frankfurt/M 1995, S. 227. 3 Susannah Heschel: Die Nazifizierung der christlichen Theologie. Walter Grundmann und das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“, in: Verein für politische und theologische Bildung LEHRHAUS e.V. (Hg.): Texte und Kontexte, 19. Jg., Heft 2/96, S. 33 – 52, hier S. 37; im Original: diess.: The Aryan Jesus. Christian Theologians and the in Nazi Germany, Princeton 2008.

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Der Sozialdarwinismus hatte schon im National- schränkt, seine „28 Thesen“ bald außer Kraft gesetzt protestantismus seinen Platz gefunden. Jetzt ist für und schließlich wird er (unter Fortzahlung seiner Bezüge) Grundmann der sog. Rassegedanke seines Verständ- sogar beurlaubt. nisses der NS-Ideologie.4 Er wird publizistisch aktiv Die Zeit der Kirchenausschüsse endete zwar mit dem und wird (spätestens nach seiner Rückkehr in die Heimat) Rücktritt des Reichskirchenausschusses am 12.02.1937 in Sachsen auch verlegt. auf Reichsebene bzw. mit der handstreichartigen Be- Es mag kein Karrieresprung gewesen sein, vom setzung des Dresdner Landeskirchenamtes mit vorge- wissenschaftlichen Assistenten an einer altehrwür- haltener Pistole durch Klotsche („Revolver-Klotsche“) digen Universität zum Hilfsgeistlichen in der Provinz am 09.08.1937 – doch Grundmann hatte sich bereits im zu mutieren; allenfalls ist das seiner sozialen Existenz­ Vorjahr vom Rektor der Universität Jena nach Thüringen sicherung förderlich. Sein großes Jahr kommt mit 1933. abwerben lassen. Die sächsische Landeskirche als formale Institution Mit der neuerlichen Kulmination des Kirchen- kann im Jahr der sog. „Machtergreifung“ von den kampfes ab 1937 kann nun auch die überaus polarisie- Deutschen Christen 5 vereinnahmt werden. Auf den rende Figur Grundmann reaktiviert werden: 1938 wird er, verstorbenen Landesbischof Ludwig Heinrich Ihmels mit 32 Jahren, zum Ordentlichen Professor für „Völkische folgt mit Friedrich Otto Coch ein machtambitionierter Theologie und Neues Testament“ mit einer Urkunde DC 6; analog dazu folgt auf Reichsebene auf den ver- ernannt, die Hitlers eigenhändige Unterschrift trägt. unsicherten Friedrich von Bodelschwingh mit Ludwig Mit so viel offiziellem Rückenwind kann er dann auch Müller ebenfalls ein machtambitionierter DC. kurzerhand den Hebräischun- Es konstituiert sich Sachsens sog. „braune Landes- terricht für seine Studenten synode“, die am 10.12.1933 Grundmanns „28 Thesen der einfach abschaffen. Der Zeitgeist Deutschen Christen“ annimmt. Ebenfalls in diesem Jahr beschwingt ihn noch weiter. publiziert er sein Buch „Gott und Nation“. Zuvor war Am 06.05.1939 kann er sein Grundmann zum 01.09.1933 (also noch mit 26 Jahren) Eisenacher „Entjudungsinstitut“ zunächst kommissarisch ins Landeskirchenamt Dres- eröffnen, was offiziell „Institut den übernommen worden, wo er ab 09.11.1933 von DC- zur Erforschung und Beseiti- Landesbischof Coch zum theologischen Hilfsarbeiter gung des jüdischen Einflusses mit der Amtsbezeichnung Oberkirchenrat ernannt auf das kirchliche Leben des wird. Grundmann gilt als Cochs Assistent. Spätestens deutschen Volkes“ heißt. Offi­ jetzt dürfte er (in NS-Kreisen) landesweit bekannt sein. ziell ist es eine gemeinsame Der handstreichartige Siegeszug der DC von 1933 Einrichtung von elf Landeskir- war atemberaubend, aber nur vorübergehender Na- chen mit 200 Mitarbeitern in tur. Die Bekennende Kirche (BK) konstituierte sich als Eisenach, Bornstraße 11. Dieses Gegenpol und im Vorfeld der Olympischen Spiele von sog. „Entjudungsinstitut“ und 1936 brauchte Hitler innenpolitische Beruhigung. So seine publizistischen Ergüsse 7 kam es zur Phase der Kirchenausschüsse (vom Orts- gelten heute gemeinhin als der kirchenausschuss bis zum Reichskirchenausschuss), in traurige Höhepunkt in Grund- der sich das Regime zu Konzessionen veranlasst sah. manns NS-Karriere. Für Grundmann ist das der Absturz nach dem ersten Höhenflug. Seine Kompetenzen wurden stark einge-

4 Eine einheitliche, in sich stringente Nationalsozialistische Ideologie hat es nie gegeben. NS-Machtausübung basierte immer auf dem taktischen Spiel mit unterschiedlichen Strömungen, die miteinander konkurrierten. Dieser Grundsatz galt auch im ideologischen Bereich. 5 Es würde zu kurz greifen, die Deutschen Christen schlichtweg als die innerkirchlichen Nazis bezeichnen zu wollen. Manch ein DC soll ein aufrichtig gläubiger Mensch gewesen sein; andererseits war die Bekennende Kirche (BK) von traditionell durch und durch nationalistischen Köpfen geprägt. Sowohl DC als auch BK waren intern ausdifferenziert bis zerstritten. Vielleicht ist der gemeinsame Hauptnenner aller DC-Strömungen der, dass auch sie letztlich für Hitler nur zeitweilig nützliches Mittel zum Zweck waren. 6 Dieter Auerbach: Evangelisches Sachsen, Leipzig 1999, S. 35. Landesbischog Ihmels (75 Jahre alt) hatte bereits am 21.04.1933 darum ersucht, zum 30.06.1933 in den Ruhestand gehen zu können. Am 07.06.1933 verstirbt er. Am 30.06.1933 setzt der sächs. Innenminister den DC Pf. Friedrich Coch als neuen Landesbischof ein. Zudem folgt mit August 1933 auf die 15. (reguläre) sächs. Landessynode nun mehr die 16. (braune) Landessynode; vgl. dazu: Dorothea Röthig: Chronik des Kirchenkampfes in Sachsen, Dresden 1960, S. 29. 7 So etwa das 1940 erschienene „Volkstestament“, das 1941 erschienene Gesangbuch „Großer Gott wir loben dich“, das ebenfalls 1941 publizierte „Glaubensbuch“ und „Deutsche mit Gott“; vgl. dazu: Lindemann: Grundmann, a.a.O., S. 218.

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Freilich kann man das auch Karriere. 1946 wird er als Mitarbeiter im Eisenacher genau andersherum sehen: Büro des Kirchlichen Hilfswerkes eingestellt; 1949 „Grundmann sah sich mit dem wird er als Hilfsgeistlicher wieder beschäftigt und Problem konfrontiert, eine Ant- 1950 erhält er schon wieder eine Predigtstätte im thü- wort auf die Nazi-Beschuldigun- ringischen Waltershausen bei Gotha. 1954 avanciert gen geben zu müssen, dass die er zum Rektor des Thüringer Katechetenseminars in Christen keinen Platz in einem Eisenach. Der Herr Rektor ist 1957 - 1975 zudem Bibel- nationalsozialistischen Staat Dozent am Katechetenseminar und nimmt Lehrauf- hätten, weil sie einen jüdischen träge an der Kirchlichen Hochschule Naumburg sowie Gott verehrten“.8 am lutherischen Theologischen Seminar in Leipzig wahr. Mit dem Kriegsausbruch im Grundmann ist für die Evangelische Verlagsan- September 1939 lässt die zuvor stalt (EVA) in Ostberlin sowohl als wissenschaftlicher zugespitzte Konfrontation Berater wie auch als Autor tätig. Unvergessen ist hier zwischen DC und BK tendenziell das Werk „Umwelt des Urchristentums“, Pflichtlektü- immer weiter nach. Die (durch re eines jeden Theologiestudenten, was noch in der und durch nationalistische) BK 8. Auflage von 1990 mit einem Vorwort von Walter frönt zunächst einer Art Burg- Grundmann erscheint! frieden-Mentalität; später im Aber der freundliche, nunmehr etwas ältere Herr Kriegsverlauf (als der verbreche- vermag das gesamte Bevölkerungsspektrum pub- rische Charakter des NS-Regimes immer offenkundiger lizistisch abzudecken. Er verfasst erbauliche Texte wurde) erlag der Kirchenkampf der Entkräftung, standen für die kleinen Kinderlein 9 wie auch zur kirchlichen doch alle Männer unentrinnbar an der Front. Im März Kunstgeschichte.10 1943 wird auch Grundmann zur Wehrmacht eingezo- 1975 erlebt er noch die Ernennung zum Kirchen- gen und an der Ostfront verwendet, wo er Anfang rat. Er verstirbt am 30.08.1976 friedlich und wird in 1945 in sowjetische Gefangenschaft gerät. Das soll- Eisenach begraben. Der rührseligen Geschichte vom te es gewesen sein – so möchte man meinen. Doch geläuterten Deutschen Christen ist selbst ein Bischof mitnichten. wie Kurt Scharf aufgesessen.11 Die zweite Karriere ei- Zwar geht der NS-Staat in einem infernalischen nes vom Saulus zum Paulus Geläuterten? Mitnichten! Strudel unter, doch im Umgang mit dem sog. „Entju- Aus Grundmanns subjektiver Sicht haben mit dungsinstitut“ zögern die Thüringer. Am 24.05.1945 Kriegsende 1945 seine kirchenpolitischen Gegner von trifft sich der Thüringer Landeskirchenrat mit den der BK flächendeckend die Kirchenleitungen über- intellektuellen Köpfen des Instituts: „Moritz Mitzen- nommen. Das mag historisch so nicht haltbar sein; als heim […] drängte auf die Auflösung des Instituts, aber seine subjektive Sicht ist es Realität. Diesen Leuten gilt den Erhalt des Besitzes“, heißt es. Erst am 31.05.1945 nach wie vor sein klammheimlicher, aber ungebroche- teilt der Thüringer Landeskirchenrat mit, dass das Ins- ner Hass. Im November 1956 beginnt Grundmann bei titut nicht wiedereröffnet werde. Grundmann selbst der Staatssicherheit (MfS) seine Spitzel-Karriere als kommt im Oktober 1945 aus sowjetischer Kriegsge- „GI Berg“ aus „Hass gegen die Kirchenleitung und die fangenschaft zurück und sieht sich von seiner Pro- Bekennende Kirche“.12 Er hat für seine Spitzel-Tätigkeit fessorenstelle entlassen. Auch aus dem kirchlichen vom MfS auch Geld angenommen.13 Geldscheine sind Dienst fliegt er zunächst gänzlich raus. aber nicht die eigentliche Gegenleistung des MfS, Ge- Aber der vermeintliche Endpunkt erweist sich als heimdienst und Geheimpolizei zugleich, für Grund- Doppelpunkt, als Ausgangspunkt einer neuerlichen mann. „Er arbeitet bis an sein Lebensende an einem

8 Susannah Heschel: Die Nazifizierung, a.a.O., S. 41. 9 Beitrag für Kinder zum Himmelfahrts-Tag von Rektor Dr. Walter Grundmann, Eisenach-Hainstein, in: Landeskirchenrat der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen (Hg.): Christlicher Hauskalender 1957, 9. Jg., Berlin [-Ost] 1956, S. 55/56. 10 Walter Grundmann: Die Sprache des Altars. Zur Glaubensaussage im deutschen Flügel- und Schreinaltar, Berlin [-Ost]1966. 11 „Auch die Leiter des Eisenacher Antisemitismus-Instituts haben gemäß Scharf ihr Tun und Treiben bereut“, aus: Wolf-Dieter Zimmermann: Kurt Scharf. Ein Leben zwischen Vision und Wirklichkeit, Göttingen 1992, S. 62. 12 Christian Dietrich: Der Weimarer Arbeitskreis, die Ost-CDU und der Thüringer Weg der evangelischen Kirche, in: epd-Dokumentation 20/2012, S. 38 – 53, hier S. 46 und Fußn. 63, S. 51/52. 13 Wikipedia-Artikel zu Walter Grundmann.

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Netzwerk der ehemaligen Deutschen Christen und er- fährt dabei auch Unterstützung durch die Stasi“. Hass war offenkundig seine lebenslängliche Triebkraft. Ob er da tatsächlich so friedlich verschieden ist wie ange- nommen wird, das sei dahingestellt.

Was soll uns das alles heute?

1. Wenn Grundmann ab Kriegsende über dreißig Jahre Einladung zu einer Feierstunde der Deutschen Christen mit Walter Grundmann, Werdau 1938, hinweg ein Netzwerk ehemaliger DC-Akteure aufgebaut Privatarchiv zum Kirchenkampf im Raum Werdau von Sup. Hammerschmidt (BK) und klammheimlich belebt hat, so wirkt das beinahe wie eine Art braune Schattenarmee, von der die DDR- Kirchengeschichtsschreibung bislang nichts wusste. Man fühlt sich fatal daran erinnert, dass erst vor we- 3. nigen Wochen die seinerzeitige Existenz einer geheimen Grundmann war ja offenkundig nicht nur in der Thü- Truppe aus ehemaligen Wehrmachtsoffizieren in der ringer Kirche möglich – in der Kirche also, von der man jungen Bundesrepublik enthüllt wurde.14 Beiden Ge- sagt, sie sei in der DDR so rot gewesen, weil sie zuvor schichten gemein ist, dass sie noch nachträglich ein so braun war. Grundmann war, wie ausgeführt, ebenso dumpfes Bedrohungsgefühl hervorrufen. unbeschwert im sächsischen Leipzig der DDR-Zeit munter tätig. Ist Grundmann tatsächlich die leidliche 2. Ausnahme, die die (antifaschistische) Regel bestätigt? Es ist eine Sache, wenn diese obernotpeinliche Tradi- Oder ist der Fall Grundmann nicht vielmehr Anlass, sich tionslinie aus der unheilvollen Vergangenheit (Grund- endlich daran zu erinnern, dass es mit den 1950iger mann) in den letzten Jahren zunehmend thematisiert Jahren eine Zeit gab, wo gar so viele Pfarrer (auch und erforscht wird.15 Es ist aber eine ganz andere Frage, Jugendpfarrer) gediente Wehrmachts-Offiziere waren, ob wir damit unsere „Hausaufgaben“ wirklich schon denen man das auch unschwer anmerken konnte? hinreichend gemacht haben. War das alte Autoritätsgehabe nicht auch in der Kirche Mit Kriegsende 1945 verschwindet das Phänomen allerorts anzutreffen; war da womöglich auch der der „Deutschen Christen“ faktisch über Nacht. Scheinbar Grundsatz von Befehl und Unterordnung stillschweigend vermag – über Jahrzehnte hinweg – keiner mehr sich verinnerlicht? Und ist es wirklich mit dem lapidaren zu erinnern.16 Aber die können ja nicht alle „gefallen“ Allgemeinplatz abgetan, dass schließlich alle (Amts- sein, zumal auch (wie etwa in Werdau) Frauen DC- träger) Kinder ihrer jeweiligen Zeit sind und bleiben? Ortsgruppenführerinnen gewesen sein konnten. Gerade Ist es unter Umständen möglich, dass die „Arbeiter das von Grundmann aufgebaute Netz beweist doch, im Weinberg des Herren“ womöglich viel mehr dass auch nicht alle Deutsche Christen in die westlichen Menschen verprellen als hinführen? Besatzungszonen geflohen sein konnten. Mit der die Deutschen einigenden Furcht vor der sowjetischen Besatzungsmacht war im innerkirchlichen Raum ein Dr. Matthias Kluge, Crimmitschau neuer „gemeinsamer Hauptnenner“ gefunden, hinter Historiker und freier Dozent den vormalige Differenzen nur gar zu schnell zurück­- traten.

14 Klaus Wiegrefe: Adenauer und die Geheimarmee, in: Der Spiegel Nr. 20 vom 12.05.2014, S. 47 – 49. 15 Vgl. dazu Roland Deines, Volker Leppin, Karl-Wilhelm Niebuhr (Hg.): Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich, Leipzig 2007. Hinzu kommt eine ansteigende Fülle an Zeitungsartikeln aus der kirchlichen Presse. 16 Pf. Fritz Falckenberg, über Jahrzehnte hinweg Ortspfarrer der Crimmitschauer Lutherkirche, einer vormaligen DC-Hochburg von zumindest regionaler Bedeutung, berichtet, dass dieses Thema während seiner gesamten Amtszeit dort kein einziges Mal von irgendeiner Seite angesprochen worden war.

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Gute Gründe gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam

1. Unsichere Finanzierung: 5. Mahnzeichen: JA. zu großes Risiko für unsere Stadt Wiederaufbau: NEIN In den letzten zehn Jahren ist es nicht ansatzweise gelungen, die Der Geist der Garnisonkirche steht für Großmacht, Krieg und Unter- nötigen Spenden für den Aufbau des Turms oder gar die 100 Mil- drückung. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan lionen Euro für die gesamte Kirche zusammenzubringen. Die Garni- J. Kramer, sieht die Garnisonkirchen-Kopie als „nicht nur für die sonkirchenstiftung forciert mit ihrem angekündigten Baustart jüdische Gemeinschaft äußerst negativ-symbolträchtig“. Der eine riesige Potsdamer Bauruine mit unabsehbaren Folgekosten. Bürgerrechtler und Theologe Friedrich Schorlemmer postulierte: „Diese Kirche war kein Friedenssymbol und kann durch aufwendigen Wiederaufbau keins werden.“ Gleichwohl kann in der Breiten 2. Keine Steuergelder Straße eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit geschehen. für eine 100 Mio.-Militärkirche Zum Nachdenken über die Funktion und die Zerstörung der Garnisonkirche kann eine Gestaltung des Ortes in zeitgemäßer Überall – selbst bei Sanierungsvorhaben in Brandenburger Kirchen – Formensprache beitragen. fehlt Geld. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum eine gigantische Kirchenkopie, die keiner braucht und nur wenige haben wollen, mit Steuergeldern – u.a. 12 Millionen € aus nationalen Denkmal- 6. Keine Höhendominante schutzgeldern – finanziert werden soll. für Alt- und Neonazis Die Wiederaufbaubemühungen haben ihre Wurzeln bei als 3. Garnisonkirchenkopie rechtsextrem eingestuften ehemaligen Militärs. Diese warben ohne Nutzen bislang die meisten Gelder für die Garnisonkirchen-Kopie ein. International gilt die Garnisonkirche vielfach als Geburtsstätte Die zukünftige Kirche wird keine Ortsgemeinde beherbergen, da des Dritten Reiches, da am „Tag von Potsdam“1933 der Schulter- es keinen Bedarf für eine neue Gemeinde in der Innenstadt gibt. schluss von Nationalkonservativen, Monarchisten und National- Potsdam hat ausreichend touristische Attraktionen. Wegen einer sozialisten stattfand. Die NPD hat sich öffentlich für den Wieder- Garnisonkirchen-Kopie werden nicht mehr TouristInnen kommen. aufbau eingesetzt und wird dies wahrscheinlich auch in Zukunft Viel eher werden die TouristInnen von der mangelnden Echtheit tun. Mit ihren 88m Höhe würde die Kirchenkopie alle Gebäude der des Stadtbildes irritiert sein. Innenstadt deutlich überragen. Zum Vergleich: Das Hotel Mercure ist gerade 54 m hoch. Damit würde das Gebäude das neue Wahr- zeichen der Stadt werden und als negativer Symbolbau Potsdams 4. Moderne Kirchen benötigen zukünftiges Stadtbild prägen. keine militaristische Symbolik

Eine wiederaufgebaute Garnisonkirche wäre über und über mit NS-Gendenkmünze 1933 Soldatenfiguren und Waffen „geschmückt“. In der alten Garnisonkirche wurden Soldaten für die preußischen Eroberungskriege gesegnet und wurden Beutestücke und Fahnen der besiegten Mächte ausge- stellt. Am selben Ort sollen erneut militärische Institutionen wirken. Dies bezeugen eine Großspende der Militärseelsorge der Bundes- wehr, weiterhin tätige ehemalige Militärs in der Fördergesellschaft Garnisonkirche und eine Veranstaltung der Garnisonkirchenstiftung mit dem ehemaligen Verteidigungsminister de Maiziere zur Recht- fertigung von Militäreinsätzen im Ausland.

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7. Verstoß gegen Trennung zwischen Staat und Kirche

Obwohl die Stadt Teil der mehrheitlich von der Kirche bestimmten Hitler spricht in der Garnisonkirche. Foto: Bundesarchiv Stiftung Garnisonkirche ist, hat sie dort letztlich kein Ent- scheidungsrecht. Die staatlichen Interessen müssen sich in der Die Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam kirchlichen Stiftung unterordnen. Dagegen wurden durch die Die 1732 geweihte Garnisonskirche wurde von Friedrich Wilhelm I. Grundstücksschenkung und die großen Finanzhilfen vom Land von Preußen in seiner Sommerresidenz für die Angehörigen schon mehrere Mio. Euro öffentlichen Geldes des Hofstaats und der Garnison errichtet und auch von der eingesetzt. Zivilgemeinde genutzt. Sie dient auch als Begräbnisstätte für Friedrich Wilhelm I. sowie seinen Sohn Friedrich II.. Über 1918 hinaus war die Garnisonskirche eine Stätte der Verehrung 8. Historisierte Potsdamer Mitte: Preußens und seines Königtums. weder nachhaltig noch sozial Am 21. März 1933 fand in der Garnisonkirche der Festakt zur konstituierenden Sitzung des Reichstages statt. Beim „Tag Das Wiederaufbauprojekt ist Teil einer Umgestaltung der Innen- von Potsdam“ wurde der Handschlag Adolf Hitlers mit Reichs- stadt zu einem Freilichtmuseum, bei der bewusst die Verwechslung präsident Paul von Hindenburg als Symbol der Versöhnung des von Original und Nachbildung in Kauf genommen wird. Es wäre national-konservativen, evangelischen Preußen mit der Partei nur eine Frage der Zeit, bis die Wohnbebauung an der Neustädter der neuen nationalsozialistischen Regierung inszeniert. Nach Havelbucht und die Studierendenwohnheime neben der Kirchen- schweren Kriegsschäden und beginnendem Wiederaufbau wurde kopie als Störfaktor im historisierten Stadtbild wahrgenommen die Ruine der Garnisonskirche im Mai und Juni 1968 gesprengt. würden. Der dann folgende Ruf nach ihrer Entfernung wäre eine Seit 2004 setzen sich die Fördergesellschaft für den Wieder- weitere Maßnahme zur Vernichtung von Wohn- und Lebensraum aufbau der Garnisonkirche Potsdam e.V. und seit Juni 2008 die in der Potsdamer Mitte, den sich auch NormalverdienerInnen Stiftung Garnisonkirche Potsdam gemeinsam für den Wiederauf- leisten können. bau ein. Seit 2011 setzt sich die Bürgerinitiative „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ gegen den Wiederaufbau und für eine Auflösung der Stiftung Garnisonkirche ein.

NS-Postkarte zum „Tag von Potsdam“ www.ohne-garnisonkirche.de

Kontakt: BI Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche c/o studentisches Kulturzentrum Hermann-Elfleinstraße 10 • 14467 Potsdam [email protected] Tel.: 0176 -94 85 53 66 weitere links: http://christen-brauchen-keine-garnisonkirche.de UnterstützerInnen des Wiederaufbaus: http://garnisonkirche-potsdam.de/ http://www.preussisches-kulturerbe.de/

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Der Nick-Neger ist wieder da

Manch eine/r kennt ihn vielleicht noch aus eigener An- schauung, sei es aus der eigenen Gemeinde, aus einer Ausstellung zur Kolonialgeschichte oder aus einem Zwischenstopp in einer bayrischen Dorfkirche – den Nick-Neger, ein Spendensammelbehältnis für die Afrika- Mission. Wirft man ein Geldstück hinein, macht der dankbare Neger einen artigen Diener. So schauderhaft, so alt, möchte man meinen. Doch nein. Vor einigen Jahren nahm die Firma Marolin den Nick-Neger (Spen- densammelbox „Afrika“) wieder ins Programm und man fragt sich erschreckt, wer kauft sowas? Von: Flois Knolle-Hicks Gesendet: Mittwoch, 10. Dezember 2008 09:51 An: ‚[email protected]‘ Betreff: Neuheiten

Dear Marolin, Is it so necessary painful memories in the name of Nostalgia to bring on the market again? Do you really want to remind white people that Blacks (Nick Negers) are subservient servile beggars of the colonial, mis- sion past, and remain as such still today? It reminds me of the punished Black a Mohr of „Strulwelpeter“, and „10 kleine Negerlein“. They should all vanish from the earth, but un- fortunately keep returning to nightmare the world, be they Die Sängerin und Musikpädagogin Flois Knolle-Hicks, at home in Afrika, or Flüchtlinge and Immigrants in Germany vielen ESGn aus gemeinsamen Workshops und Kon- and Europe. zerten wohlbekannt, wandte sich daraufhin verwundert This is white racist „Art“, an „Art“ which comes from the an die Herstellerfirma und bekam auch Antwort. Der White World, you would never see Black people presenting Briefwechsel bedarf keines Kommentars. Wir doku- themselves this way. This is enjoyable „Art“ of Whites who mentieren ihn hier ungekürzt. have not heard Black struggles to be free of racism in all its forms. It is humiliating like the inbreeded statements Die Firma Marolin führt den Nick-Neger weiterhin im for generations with the „Neger Kuss.“ Your Marolin mission Programm. figures belong to this category. You do White children, and Black children a pedagogic disservice by promoting the in- justices of the past into the future. Whites are instilled with pitiful and superiority behaviour of those Blacks, and Blacks are instilled and composed with inferiority complexes and hurt, and negation. I find your „Art“ a sign of the past, and it should stay that way, cancelled from the modern market.

Yo ur s Tr uly, Flois Knolle-Hicks

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Von: Richard Mahr GmbH - MAROLIN(R) Gesendet: Mittwoch, 10. Dezember 2008 11:22 An: Flois Knolle-Hicks Betreff: Re: Neuheiten

Sehr geehrte Frau Knolle-Hicks, Offizielle Website des Erzbistums Köln vielen Dank für Ihre aufschlussreichen Bemerkungen. Die In- tention der Fertigung unserer Sammeldosen war weder die Dis- P5 „Nickneger“ - 1. Hälfte 20. Jh. (Abb. 18) kreminierung der Farbigen, noch die Proklamierung rassisti- Der sog. „Nickneger“ ist eine in guter Absicht ver- scher Sichtweisen. wendete, bei Jung und Alt bis fast in die Gegenwart Vielmehr sehen wir uns in der Verpflichtung, ein über 100 Jah- hinein bekannte und beliebte Form der Spenden- re altes Handwerk in all seinen Facetten am Leben zu erhalten. dose zu Gunsten der Mission in Übersee. Geziert Haben Sie sich schon einmal gefragt, wieviele alte Handwerks- wird sie von einem „Negerkind“ – hier sitzend, an künste sich nicht bis heute erhalten haben? Wir möchten nicht, den abgesägten Stamm einer Palme angelehnt –, dass das irgendwann auch auf die unsere zutrifft. das sich bei jedem Einwerfen der Münzen durch Sie sollten sich in diesem Zusammenhang auch einmal fragen, Kopfnicken beim (weißen) Spender bedankt. Zu- was in der Menschheitsgeschichte mehr Schaden und Leid ange- nehmende Gleichberechtigung der Völker und die richtet hat: die christliche Mission oder die zahllosen Krie- Achtung der Christen vor den Lebensformen und ge!? Offensichtlich bleiben jedoch die weltweit unzähligen religiösen Traditionen andernorts haben diese be- Hersteller von kriegerischen Spielfiguren, Soldaten, Spiel- lustigende Form der Werbung für die Mission seit zeugwaffen und verniedlichtem Kriegsgerät von Ihrem Pranger den 1960er Jahren mehr und mehr zum Verschwin- verschont. den gebracht; mit dem Nebeneffekt, dass solche In unserer aufgeklärten Zeit werden Sie doch nicht so be- Zeugnisse unserer europäisch-christlichen Kultur grenzt denken, dass wir mit einem solchen nostalgischen Ob- vielfach verloren gingen und heute nur noch in jekt eine Welle des Rassismus auslösen könnten. Außerdem wenigen Pfarreien existieren. halte ich es für äußerst zweifelhaft, Missionssammeldosen als ursächlich für die Diskriminierung bestimmter Völker zu betrachten. Und das nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit. Wie Sie dem folgenden Text des Erzbistums Köln entnehmen können, werden solche Sammeldosen auch aus Sicht der Kirche als „...Zeugnisse unserer europäisch-christlichen Kultur...“ betrachtet. Dem in diesem Text ebenfalls erwähnten „Verlo- rengehen“ dieser Zeugnisse wirken wir mit der Fertigung der Sammeldose entgegen.

Hier der Link: http://www.christen-am-rhein.de/erzbistum/archiv/christenam- rhein/geschichte/p05_nickneger.html

Mit freundlichen Grüßen, Christian Forkel

Richard Mahr GmbH Steinach w w w.marolin.de

(historischer) Nickneger in der Pfarrkirche Pinzberg (Franken)

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Kalenderblatt

385 n.Chr.: Priszillian von Ávila wird in Trier hingerichtet

Ende des 4. Jahrhunderts, als das Christentum schon hoben worden) lediglich einige Lehrsätze, Priszillian etabliert, aber noch nicht Staatsreligion geworden war gar nicht erschienen und Damasus von Rom warnte war, begründete Priszillian von Ávila in Nordspanien vor einem Verfahren gegen Abwesende ohne dass eine innerkirchliche Erneuerungsbewegung. Priszillian man sie zuvor gehört habe. war ein gebildeter Laie aus vermögendem Hause, las besonders intensiv die Briefe des Apostels Paulus, war Nun zerrten die intriganten Bischöfe Priszillian aber zugleich offen für nichtkanonisierte (apokryphe) vor den Kaiser. Unglücklicherweise hatten gerade die Schriften. Er forderte strenge Askese und lebte sie vor, britannischen Legionen ihren General Maximus zum nahm Frauen gleichberechtigt in seine Gemeinschaft (Gegen-)Kaiser im Westen ausgerufen. Dieser hielt auf, belebte das urchristliche „Amt“ des Lehrers neu Hof in Trier und saß zu Gericht in der Konstantins- und sammelte um sich eine große Anhängerschar – basilika. Vergeblich bemühte sich der (später heilige) selbst unter Bischöfen. Martin von Tour (der mit den Gänsen und den zwei halben Mänteln) das Schlimmste zu verhüten. Die An- Das gefiel in der Kirche nicht jedem. Zwei besonders klagepunkte waren die Üblichen: Manichäismus, Zau- übel beleumundete spanische Bischöfe, Ydacius von berei und Unzucht. Besonders der letzte Vorwurf ist Merida und Ithacius von Ossonoba, so ziemlich das im Falle Priszillians besonders unsinnig, gehört aber Verkommenste, was der damalige Klerus zu bieten zum Standardrepertoire spätantiker Auseinanderset- hatte, verklagten Priszillian zunächst vor einer Synode zung. Fehlt es an sachlichen Argumenten, gelten stets und schließlich vor dem Kaiser. Die Synode von Sara- zwei Faustregeln: 1. Die anderen sind immer Ferkel. gossa verurteilte 380 (da war das Christentum im 2. Ferkel sind immer die anderen. So kam es, wie es Osten unter Theodosius gerade zur Staatsreligion er- kommen musste: Der frischgebackene Kaiser wollte klare Kante zeigen. Priszillian und seine Mitangeklagten wurden ver- urteilt und enthauptet – als erste christliche „Ketzer“ der Kirchenge- schichte. Martin von Tour, als Asket selbst Anfeindungen ausgesetzt, zog sich frustriert aus der Kirchenpolitik zurück. Fortan drohte verurteilten „Ketzern“ nicht nur die Exkommu- nikation, sondern auch Folter und Tod. Die Bewegung der Priszillianer bestand indes noch mehrere Jahr- hunderte fort und wurde ihrerseits verfolgt.

Die kaiserliche Richthalle in Trier (Konstantinsbasilika) als Bastelbogen

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Kritische Würdigung und Kriminalgeschichte

Rezension von Sebastian Dittrich

In vielen Wissenschafts-Disziplinen ge- Zunächst werden ausführlich die Rah- nießen Monographien nur noch geringe menbedingungen des Katholizismus in der Wertschätzung. Sie seien zu kostspielig DDR dargestellt. Über lange Zeit bestand hier (für Promovierende wie Endabnehmer), – dem Vorbild des Daniel in der Löwengrube und in schnelllebigen Zeiten würde sich folgend – eine Art Stillhalte-Abkommen ohnehin niemand mehr bemühen, Bücher zwischen der Bischofskonferenz Ost und von mehreren Hundert Seiten durchzu- dem SED-Regime. Dies bedeutete im lesen. Der hier vorliegenden Abschluss- Wesentlichen, dass die Bischöfe sich prak- arbeit vom Sebastian Holzbrecher, ent- tisch nicht zu politischen Themen äußerten standen an der katholisch-theologischen und diese Linie auch nach innen streng Fakultät der Universität Erfurt, wäre durchsetzten. Eine kritische oder gar kons­ letzteres nicht zu wünschen. Denn die truktive Auseinandersetzung mit dem Sozi- gewichtige Aufarbeitung der Geschich- alismus und der gesellschaftlichen Rea­ te des „Aktionskreises Halle“ (AKH) ist lität der DDR fand lange Zeit praktisch mit 462 Seiten und 2265 Fußnoten nicht nicht statt. Dieses Defizit wurde vom AKH nur umfangreich, sondern auch über angegangen. Inspiriert vom 2. Vatikanischen weite Strecken gut und sogar spannend Konzil und gegründet aus dem Umfeld der geschrieben. Katholischen Studentengemeinde Halle Kaum zu unterschätzen ist die Pionier- und reformorientierter Lese- und Ge- leistung Holzbrechers, denn die Geschichte sprächskreise, drang die Gruppe von Pries- Sebastian Holzbrecher des Katholizismus in der DDR ist noch bei tern und Laien von Beginn an auf eine Der Aktionskreis Halle. Postkonziliare weitem nicht vollständig aufgearbeitet. stärkere Demokratisierung – in Kirche und Konflikte im Katholizismus der DDR. Umso weniger die Geschichte der Reform- Gesellschaft. Und als eine der ersten Grup- Erfurter Theologische Studien 106. gruppen, die hier unter gänzlich anderen pen in der katholischen Kirche setzte sich Echter Verlag, Würzburg 2014. Rahmenbedingungen als in der BRD ar- der AKH kritisch mit der gesellschaftlichen ISBN: 978-3-429-03627-0 beiteten. Die Evangelischen Kirchen haben Realität in der DDR auseinander. Und da- 462 S., 24,00 Euro. die friedliche Revolution in der DDR und mit auch mit dem Gesellschaftsmodell des die unter dem Kirchendach aktiven ge- Sozialismus, zu dem sich ein kritisches, sellschaftskritischen Gruppen längst als aber auch differenziertes Verhältnis ent­- Heldenmythos vereinnahmt. Auf römisch- wickelte. katholischer Seite ist die Geschichte der Der AKH ist insofern bemerkenswert, Reformgruppen und des Umgangs mit als es sich wohl um die einzige, auch über- dem SED-Regime noch immer unterbe- regional aktive katholische Reformgruppe lichtet. Obschon, wie hier gezeigt wird, in der DDR handelte. Unter primitivsten mehr zu finden ist als die von Johannes Bedingungen wurden ein größerer Perso- Paul II. und Benedikt XVI. so verklärten nenkreis mit eigenen Rundbriefen über die „glaubensstarken“ Eichsfelder. Und nach Arbeit des AKH informiert – und auch die der Lektüre dieses Buches können die Basistexte westdeutscher Reformgruppen LeserInnen auch ahnen, warum: Die Ge- (z.B. von Hans Küng, Johannes Baptist schichte des Umgangs mit dem AKH ist Metz u.a.) in der DDR bekannt gemacht. kein Ruhmesblatt für die katholische Kirche Die so ermöglichte breite Rezeption dürfte in der DDR. eine der größten Leistungen des AKH sein.

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Auch die Vernetzung mit westdeutschen manche kirchliche Sanktionen gegen Re- Terror nicht nur nicht verhindert, sie haben Solidaritätsgruppen hat entscheidend zur formgruppen in der BRD als harmlos er- ihn mit ihren offiziellen Aussagen erst er- Gründung des AKH beigetragen. Von Be- scheinen. Umso beeindruckender, dass der möglicht“. Beide tragen also eine Mitver- ginn verstand sich der AKH aber auch als AKH darauf nicht mit verschüchtertem antwortung am staatlichen Terror gegen ökumenische Gruppe. Schon früh konnten Rückzug reagiert hat! den AKH und seine Mitglieder. evangelische ChristInnen an Vollversamm- Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich Es wäre aber zu kurz gegriffen, das lungen des AKH (als Gäste) teilnehmen, schließlich mit einer „unheiligen Allianz“ Werk auf die Aufklärung dieser „unheiligen fanden Tagungen in evangelischen Ein- zwischen dem Staat und der katholischen Allianz“ zu reduzieren. Denn vor allem ist richtungen statt, wurden auch zunehmend Kirche gegen den AKH. Bemerkenswert das gewichtige Buch eines: kritische, dabei evangelische Referenten eingeladen. Ein ist dabei, dass der amtierende Magdebur- ebenso wohlwollende wie differenzierte kirchenhistorisches „Kuriosum“ ist weiter- ger Bischof Gerhard Feige dies in einem Würdigung einer (bis heute) lebendigen, hin die Beschäftigung des AKH-Mitgliedes Glückwunschschreiben zum 40-jährigen höchst aktiven Reformgruppe. Die ent- Joachim Garstecki als friedenspolitischer Bestehen des AKH selbst eingeräumt hat. scheidenden Verdienste des AKH liegen im Referent beim Bund der evangelischen Tatsächlich werden von Holzbrecher nicht Bereich einer autonomen Rezeption des 2. Kirchen in der DDR. So hatte der AKH nicht nur mögliche Verbindungslinien zwischen Vaticanums „von unten“, einer konstruk- nur Anteil an den friedenspolitischen Dis- staatlichen und kirchlichen Stellen aufge- tiven Auseinandersetzung mit der gesell- kursen in den evangelischen Kirchen, son- zeigt. Auch hatte die Stasi offenbar aus schaftlichen Realität seiner Zeit (und bis dern suchte sie auch für die katholische erfolgreichen Zersetzungsmaßnahmen heute), einem engagierten Eintreten für Kirche fruchtbar zu machen. geschlossen, dass insbesondere gegen Menschenrechte, Demokratisierung und In der Wagenburg-Situation der ka- Priester im AKH besonders effektiv vorge- friedenspolitische Arbeit in Kirche und tholischen Kirche in der DDR waren Re- gangen werden konnte, wenn sie darauf Staat. Wahrhaft ökumenische Anliegen – formgruppen wie der AKH nun aber nicht hinwirkte, dass „die Kirche selbst gegen tief verwurzelt auch in der Arbeitsweise nur unbequem, sondern auch Störenfriede, sie vorging“ (348). des AKH. Von Anfang an. Der AKH hat in die die Einheitsfront gegenüber dem sozia- Tatsächlich hat sich die katholische gesellschaftlicher und kirchlicher Eiszeit listischen Staat gefährdeten. Die Kirchen- Kirche in den 1980er Jahren überdeutlich Defizite klar benannt und auf hohem Ni- spitze, insbesondere der damalige Vorsit- vom AKH distanziert, „wohl wissend, dass veau bearbeitet. zende der Berliner Ordinarienkonferenz staatliche Sanktionen drohten“ (399). Dem Die wohlwollende Rezeption durch Alfred Bengsch, geistiger Ziehvater von AKH wurde der kirchliche Schutz, wie ihn einige Bischöfe namentlich Joachim Wanke Joachim Kardinal Meisner, reagierte mit andere Gruppen z.B. unter dem Dach der und Gerhard Feige – ersterer liefert zudem Sanktionen. Tatsächlich hatte die Stasi of- evangelischen Kirche genossen, so min- das Geleitwort dieser Dissertation (!), zeigt: fenbar die Absicht, kirchliche Reformgrup- destens partiell entzogen. Dabei macht Reformgruppen tun nicht nur der Gesell- pen wie den AKH zu benutzen, das kirchliche Holzbrecher deutlich: Aus rechtlicher Sicht schaft, sondern auch den Kirchen gut – Milieu auseinander zu dividieren und so zu war und ist der AKH keine kirchliche wenn diese sich ihnen nicht verschließen. schwächen. Gruppe, seine Gründung sei 1970 als freie Gern möchte man sich Bischof em. Wanke Zunächst waren die staatlichen Ein- kirchliche Gruppe praeter legem (am Recht anschließen: „Es kann in der Kirche nie schätzungen zum AKH durchaus diffe- vorbei) erfolgt. Dass der AKH außerhalb genug an Transparenz, an gemeinsamen renziert – und durch viele Zuträger auch der Kirche stände, sei jedoch theologisch Gespräch und gegenseitigem Austausch fundiert. Inoffizielle Mitarbeiter (IMs) des falsch. geben“. – Dass aber innerkirchliche Anlie- Ministeriums für Staats-Sicherheit waren Immerhin liegt laut Holzbrecher die gen im gleichen Maße wie gesellschafts- vom kirchlichen Umfeld bis in den Sprecher- Vermutung nahe, dass der frühere Magde- politische Forderungen bearbeitet werden kreis des AKH platziert. Das aber doch burger Bischof Braun von staatlichen Zer- müssen, dafür steht der AKH. Das ist sein auch gesellschaftskritische Profil und um- setzungsmaßnahmen gewusst und diese bleibendes Verdienst und zugleich Richt- fangreiche Kontakte nach Westdeutsch- geduldet hat. Joachim Kardinal Meisner, schnur für Reformgruppen, die unter weit- land gaben genügend Anlass, den AK Vorsitzender der Berliner Bischofskonfe- aus günstigeren Bedingungen arbeiten stärker ins Visier der Stasi zu nehmen und renz, hatte sich auf einen Brief des AKH und gearbeitet haben. mittels „operativer Vorgänge“ zu zersetzen. hin, der die staatlichen Terrormaßnahmen Dies ist der interessanteste und für den west­ thematisierte, als nicht zuständig erklärt. deutschen Rezensenten auch erschreckend- Als Erklärung führt Holzbrecher nicht nur Dr. rer. nat. Sebastian Dittrich, ste Abschnitt: das geschilderte Arsenal kirchenpolitische, sondern auch theologische geboren 1982, ist Mitglied im Leitungsteam persönlicher Einschüchterung, Einfluss- Gründe an. Immerhin gelangt Holzbrecher der IKvu. Promotion im Fach Biologie an nahme durch IMs auf interne Diskussionen, zu der klaren und umso gewichtigeren der Universität Göttingen. Er ist aktiv in Postkontrollen, Diskreditierung der Pro- Aussage: „Aufgrund gezielt verweigerter der ev.-luth. Petri-PauliKirchengemeinde tagonisten und vieles mehr. Der Katalog Schutzzusagen für den AKH haben Bischof Bad Münder. staatlicher Grausamkeiten lässt heute so Braun und Kardinal Meisner den staatlichen

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Kirchenkrise unter dem Brennglas

Rezension von Sebastian Dittrich

Der Prüfungsbericht der von der deutschen Wiederherstellung von Vertrauen (Michael (katholischen) Bischofskonferenz eingesetz- Kempf bzw. Michael N. Ebertz und Lucia ten Prüfungs-Kommission hat das Ausmaß Segler) eher abstrakt bearbeitet wurden. der Verfehlungen des früheren Bischofs Außerordentlich lesenswert sind die von Limburg, und die Verantwortung wei- kirchenrechtlichen Anmerkungen von Tho- terer Akteure im Bistum schonungslos mas Schüller. Die hier eingangs gestellte offengelegt. In Anknüpfung an den Prü- Frage ob das kirchliche Strafrecht zahnlos fungsbericht will der vorliegende Sammel- sei, wird aber hinsichtlich des Bischofs nicht band nach den Worten des Herausgebers klar beantwortet. Umso entschiedener ist „verstehen, was geschehen ist und welche Schüller in seinem moralischen Stab-Bruch Mentalitäten und Strukturen dafür ver- über die Mitglieder des Limburger Vermö- Joachim Valentin (Hrsg.) antwortlich waren“ (S. 7). Hierzu tragen gensverwaltungsrates. Sie hätten sich für Der »Fall« Tebartz-van Elst. 10 sachkundige AutorInnen bei, die die „jedwede zukünftige ehren- wie haupt- Kirchenkrise unter dem Brennglas. Limburger Krise aus medienwissenschaft- amtliche Tätigkeit in der Kirche oder im Herder-Verlag, Freiburg i.Br., 2014. licher, dogmatisch-kirchenrechtlicher, aber kirchennahen Bereich augenscheinlich 206 S., 14,99 Euro auch soziologisch-pastoraler Sicht in den disqualifiziert“ (125f.). Diözesane Kontroll- ISBN 978-3-451-31244-1 Blick nehmen. Eingerahmt werden diese gremien zukünftig ausschließlich mit un- Fachbeiträge mit Essays des FAZ-Redak- abhängigen, selbstbewussten Ehrenamt­ teurs Daniel Deckers (FAZ) und des Frank- lichen zu besetzen, wofür Schüller plädiert, furter Stadtdekans Johannes zu Eltz. Alle wird angesichts solcher potenzieller Ent- Texte bieten vielfältige Einblicke in die Ehrungen kaum möglich sein. Aspekte und Hintergründe der Limburger Die theologische Dimension des Falls Krise. Das ist nicht nur informativ, sondern Tebartz-van Elst wird, anders als es das Er- über weite Strecken auch fesselnd. scheinen in der Reihe „Theologie kontrovers“ Zunächst gibt Daniel Deckers, offen- vermuten ließe, nur oberflächlich berührt, kundiger Intimkenner des Bistums wie auch denn das sakrale Bischofsamt als solches des deutschen Katholizismus insgesamt, wird offenbar von allen AutorInnen als eine launige Gesamtschau der Entwicklun- konstitutiv vorausgesetzt. In seinem Beitrag gen im Bistum Limburg seit dem Amts- zu „Anspruch und Ausübung des Bischofs­ antritt von Tebartz-van Elst. Erhellend ist amtes“ will Josef Freitag die Krise daher auch der Beitrag des Medienwissenschaft- vor allem „an der erlebten Ausübung des lers Christian Klenk, der insbesondere dem Amtes [durch Franz-Peter Tebartz-van Vorwurf der „Medienkampagne“ nachgeht. Elst]“ (79) festmachen. Dem Verhalten des Ein Mitarbeiter des Bistums (Johannes Bischofs, wie auch dem Versagen anderer Weuthen) stellt weiterhin den umstritte- Gremien lag jedoch eine bestimmte Auf- nen Prozess pastoraler Strukturverände- fassung von dem Amt eines Bischofs zu rungen dar, der auch nach dem Rücktritt Grunde. Aufgrund deren glaubte Tebartz- des Bischofs fortgesetzt werden wird. van Elst so handeln zu dürfen, wie er es Wichtige Antworten gibt ein Beitrag zum tat, während andere sich lange nicht vor- kirchlichen Arbeitsrecht (Klaus Lüdicke), stellen konnten, dass ein Bischof (und sein während die Themen Veränderungsma- getreuer Generalvikar) so handeln könnte nagement und Personalführung sowie die – nämlich fahrlässig bis kriminell. Daher

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wäre schon die Existenz des römisch- bewusst zu sein, dass es andere, weniger Die Einlassungen zu Eltz‘ zum Fall Patrick katholischen Bischofsamtes theologisch viel hierarchische und sakralisierte Kirchen- Dehm, der wie kein zweiter für das unselige kritischer in den Blick zu nehmen. Fürchtet ordnungen und -Ämter schon gibt. Eben- Bischofs-Regime steht, klingen jedoch man die Konsequenzen? so finden sich kaum entsprechende Bibel- wie der Versuch einer persönlichen Rein­ Die Zeiten eines theologisch über- Bezüge (z.B. Markus 10,42-44 oder Römer waschung.1 Und so bleiben nicht nur zu Eltz höhten Bischofsamtes seien vorbei, meint 12,3-8). Umso häufiger werden die der „Fragen auf die ich keine Antwort finde, immerhin Daniel Deckers. Thomas Schüller Hierarchie maßgebenden vatikanischen und Zweifel, die sich nicht verscheuchen benennt klar die Intransparenz und Fehler- Rechtstexte, insbesondere der Codex Iuris lassen“ (203). anfälligkeit des derzeitigen Systems der Canonici (CIC) und Lumen Gentium (LG) Eine Frage nicht zuletzt nach der Lek­ römisch-katholischen Bischofs-Ernennungen. herangezogen. türe dieses Buches ist: Wird die (römisch- Aber ist das Bischofsamt nicht längst Den Schlusspunkt setzt schließlich katholische) Kirche aus dem Fall Tebartz-van grundsätzlich in Frage gestellt? Gregor Johannes zu Eltz, der hier auch persönliche Elst nachhaltige Lehren ziehen? – Grund- Maria Hoff leistet ein Plädoyer für eine Abrechnung betreibt – insbesondere mit legende Reformen des Bischofsamtes, „exzentrische Ekklesiologie“ (64ff.), die die seinem früheren Bischof („Siebenmeilen- mindestens die Stärkung unabhängiger autoritären Grenzen des Bischofsamtes stiefel mit Stahlkappen“) und dessen Kontrollen, sind unabdingbar. Dass aber sprenge und erlaube, das Amt neu auszu- berüchtigtem Fahrer („die Sakristei auf­- „Chance[n] für einen Aufbruch“ (66) be- füllen. Naheliegendes Vorbild: Papst Fran- gemischt […] wie der Fuchs den Hühner- stehen, oder etwas „an der Zeit ist“ (88), ziskus. Hier geht es aber um persönliche stall“). Die Einblicke in das Innere des hat die Kirche(n) bisher selten veranlasst, Akzentsetzungen innerhalb der beste- stolzen Kirchenfürsten lassen greifbar schnell zu handeln. henden (römisch-katholischen) Kirchen- werden, wie tief der Konflikt des Bischofs ordnung. Den AutorInnen scheint nicht mit den ChristInnen seiner Diözese reichte.

1 Siehe auch: Patrick Dehm, Diese Seelsorge empört mich - http://www.publik-forum.de/Religion-Kirchen/diese-seelsorge-empoert-mich, Stand: 15.08.2014.

»Selig sind die Friedfertigen«

Rezension von Uwe-Karsten Plisch

Viele werden es gar nicht bemerkt haben: Überaus seltsam ist auch der Titel der friedlich, harmlos stattgefunden, dem die Zu Anfang dieses Jahres veröffentlichte die Afghanistan-Handreichung „Selig sind die Revision der Lutherbibel von 1984 Rechnung EKD eine Stellungnahme zum Afghanistan- Friedfertigen“. Es handelt sich natürlich trägt, indem sie sachlich zu- Krieg – pünktlich zum beginnenden Abzug um ein Zitat aus der Bergpredigt (der voll- treffend mit „Friedensstifter“ wiedergibt. der deutschen Truppen. Schon der gewählte ständige Vers – Mt 5,9 – ist dann auch Der erste Satz des Vorwortes lautet: Zeitpunkt ist also merkwürdig und man dem Vorwort vorangestellt) 1, aber in einer „Die deutsche Beteiligung am internatio- fragt sich: Warum jetzt? merkwürdig altertümlichen Übersetzung, nalen Einsatz in Afghanistan geht ihrem Wie schon bei der Friedensdenkschrift nämlich der der unrevidierten Lutherbibel. Ende entgegen.“ Man spürt förmlich die von 2007 haben auch an diesem Text u.a. Luther hatte den Begriff der „Friedfertigen“ Erleichterung, sich künftig mit diesem Vertreter von CDU/CSU, SPD und FDP mit- als Übersetzungsäquivalent zu griech. heiklen Thema nicht mehr so intensiv be- gearbeitet, außerdem z.B. Generalleutnant (wörtl. „Friedensmacher“) neu schäftigen zu müssen. Weiter heißt es: „Die a.D. Rainer Glatz und der damalige Militär- gebildet und in der ersten Vollbibel 1534 Stützpunkte werden geräumt, die Truppen bischof Martin Dutzmann. Andererseits auch in einer Randbemerkung verdeutlicht, ziehen ab. Über Art und Umfang einer fehlen Vertreter der innerkirchlichen Frie- was er unter den Friedfertigen versteht, Folgemission für Afghanistan ist politisch densarbeit wie der Friedensbeauftragte der nämlich die den Frieden verfertigen, ganz noch nicht abschließend entschieden. Von EKD Renke Brahms oder MitarbeiterInnen im Sinne des griechischen Urtextes. In einem Frieden in Afghanistan kann aber der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für den letzten knapp 500 Jahren hat aber ein nicht die Rede sein. So stellt sich auch an- Kriegsdienstverweigerung (EAK). Bedeutungswandel von „friedfertig“ hin zu gesichts der dramatischen Situation im sy-

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rischen Bürgerkrieg sehr aktuell die Frage Worum es in diesem substanzlosen nach den Möglichkeiten und Grenzen eines Papier eigentlich geht, findet sich dann erst militärischen Eingreifens zum Schutz der S. 41 im Abschnitt über die Aufgaben der leidenden Zivilbevölkerung. Ein politischer Soldatenseelsorge (§41): „Zu den Kernauf- Ausweg aus dem Dilemma zwischen hu- gaben der Militärgeistlichen gehören neben manitärer Schutzverantwortung einerseits der Seelsorge Gottesdienste, Andachten und der Einsicht in die tiefe Zweideutigkeit und Rüstzeiten. Angesprochen werden der militärischen Mittel andererseits ist nicht auch Soldatenfamilien. Das christliche An- absehbar.“ (S. 7). Dieser erste Abschnitt gebot trägt dazu bei, den Alltag zu struk- offenbart bereits etliche Selbstbeschrän­ turieren und Raum für seelische Rekreation kungen, denen sich die Kammer bei der zu bieten. Junge Soldatinnen und Soldaten Bearbeitung des leidigen Themas Afghanis- werden in Afghanistan mit existenziellen tan unterworfen hat. Der Begriff „Krieg“ Grenzerfahrungen konfrontiert. Militär- wird im Zusammenhang mit Afghanistan geistliche helfen bei der Bearbeitung und konsequent vermieden, an seine Stelle Einordnung solcher Erfahrungen.“ treten diverse Euphemismen, der „Einsatz“ Bündiger ist Militärseelsorge als ist „international“ (Glück gehabt, wir sind Wehrertüchtigung selten formuliert wor- ja nicht allein verantwortlich). Nur einmal, den. Damit ist dann auch klar, was der S. 37, erscheint der Begriff Krieg, aber, eigentliche (und vermutlich einzige) Zweck zum Zwecke der Ironisierung, in Anfüh­- dieses EKD-Papieres ist: die Unverzicht- „Selig sind die Friedfertigen“. rungs­zeichen. barkeit der Militärseelsorge herauszu- Eine Stellungnahme der Kammer für Explizit wird unterstellt, die „Mission“ streichen, auf dass der Staat weiter für Öffentliche Verantwortung der EKD. geschehe aus „humanitärer Schutzverant- sie zahle.2 Von daher erschließt sich auch Der Einsatz in Afghanistan: Aufgaben wortung“, Fragen nach Ursachen, Zwecken der merkwürdige Titel der Schrift: Selig, evangelischer Friedensethik oder Profiteuren des Afghanistan-Krieges das sind wir selber, denn wir sind fried- (EKD-Texte 116), Dezember 2013. werden gar nicht erst gestellt. Neu an der fertig. Wir tun nix, wir wollen nur weiter Handreichung ist, dass der an der Frie- mitspielen. Download unter: http://www.ekd.de/ densdenkschrift noch so überschwänglich download/ekd_texte_116.pdf gepriesene Konsens sich hier, wo es konkret Dr. Uwe-Karsten Plisch wird, nicht mehr ohne weiteres herstellen Referent für Theologie, Hochschul- ließ. Allerdings bleibt der Dissens system- und Genderpolitikin der gemeinsamen immanent und entzündet sich nur an der Geschäftsstelle von ESG und aej Frage der Reichweite des Selbstverteidi- gungsrechts. Das Maximum an Kritik, zu dem sich die EKD in der Lage sieht, findet sich auf S. 17: „Ein Teil der Kammer kommt zu dem kritischen Urteil, dass die Legitimität der Fortsetzung einer Intervention situativ immer wieder sorgfältig überprüft und unter Umständen revidiert werden muss.“

1 Am Ende des Vorwortes wird der Bibelvers noch einmal aufgenommen, allerdings mit einer falschen Stellenangabe (Mt 5,10). 2 Dazu der neue ev. Militärbischof Sigurd Rink (epd 120/2014): „Wir können uns nicht völlig davon frei machen, dass mit der Verkleinerung der Bundeswehr auch eine Reduzierung in der Militärseelsorge verbunden ist. Das ist bislang sehr moderat, denn es wurde ausgezeichnet verhandelt. Man geht von derzeit 104 auf künftig 95 Seelsorger.“

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5-2014 / 1-2015 31 ESG stellt sich vor Chemnitz

Zwischen »Nischel« und Sexshop Die ESG Chemnitz

Christoph Herbst

Werbepostkarte der ESG Chemnitz

„Stadt der Moderne“ nennt sich Chemnitz, internationale Studierende – ein neuer- figen „Vorstand“ wählen lassen. Er verant- die viertgrößte Stadt Ostdeutschlands. Und dings erfreulich steigender Anteil. Neben wortet und organisiert gemeinsam mit dem wenn irgendwo, dann ist die spannungs- den traditionellen Ingenieurs- und Natur­ Studierendenpfarrer die inhaltliche Arbeit volle Geschichte des 20. Jahrhunderts wissenschaften bilden die neuen Europa­ – vom Gottesdienst über öffentliche Akti- tatsächlich hier augenfällig. Karl Marx, vor studiengänge einen inhaltlichen Schwer­- onen bis zum Brötchenkauf. 43 Jahren in solide Bronze gegossen durch punkt. Die Studierendenpfarrstelle hat den den sowjetischen Bildhauer Lew Kerbel, „Evangelische Studentengemeinde“ Umfang einer halben Stelle. Das verlangt schaut in Chemnitz unverdrossen über gibt es an der TH und TU Chemnitz schon – jedenfalls für hauptamtliche Aktivitäten – realsozialistische, inzwischen marktwirt- seit Jahrzehnten – in bunter und durchaus an einer Universität mit über 11.000 Stu- schaftlich getünchte Bauten in Richtung unterschiedlicher Profilierung durch die dierenden Schwerpunktsetzungen. Eine der Stadtkirche St. Jakobi. Den „Nischel“, Jahrzehnte: mit einem tief prägenden, wachsende Aufgabe ist die Beratung inter- wie er genannt wird, gibt es für Besucher­ geistlichen Schwerpunkt in den Jahrzehnten nationaler Studierender, auch in finanzi- Innen hier inzwischen auch aus Marzipan. nach dem Krieg, später, bis in die Nachwen- ellen Schwierigkeiten. Dafür gibt es gute Eine „Königliche Gewerbschule“ war die dezeit, mit deutlich gesellschaftskritisch- Kontakte mit dem „Internationalen Uni- Wurzel für die „Technische Hochschule“, aus politischer Akzentuierung. versitätszentrum“ der TU und mit STUBE. der 1986 die „Technische Universität wurde. Unser Gemeindeleben wird getragen Seit etwa zehn Jahren nutzen wir Heute gibt es in acht Fakultäten etwa von ehrenamtlichen Studierenden, die sich gemietete Räume im Gemeindehaus der 11.500 Studierende. Davon sind etwa 10% für jeweils zwei Semester in den vierköp­ ehemaligen St.-Petri-Gemeinde, gleich neben dem Hauptgebäude der TU, zwischen Haupt- und Busbahnhof – also sehr günstig gelegen. In der ehemaligen Pfarrwohnung in der 1. Etage lebt eine WG, was der Lebendig- keit des Hauses sehr gut tut. Mittelfristig ist die Zukunft unserer Räume aber unsicher. Wir wollen unseren Standort gerne halten und weiter profilieren. Nur wenige Schritte entfernt wird der Neubau der zentralen Universitätsbibliothek entstehen. Ideen für Aktionen und Kooperation haben wir schon …

Der Nischel. Foto: Wikimedia Commons

5-2014 / 1-2015 32 Chemnitz ESG stellt sich vor

Das Herz der Chemnitzer ESG schlägt Was aus ESG-Arbeit werden kann, ist am Dienstagabend. Selbstgekochtes, oft an einer Besonderheit der Chemnitzer ESG internationales Abendessen, gemeinsames zu sehen: dem schon seit einem halben Singen und Tischgebet gehören dazu. Ver- Jahrhundert (!) etablierten „Altfreunde­ schiedenste Themen und Formate laufen, treffen“. Dafür gibt es einen eigenen Vorbe- jetzt im Wintersemester etwa: eine Dis- reitungskreis von Ehrenamtlichen zwischen kussion um „Autonomie am Lebensende“, 35 und 75 Jahren. Jährlich treffen sich etwa eine Bibelarbeit als „Bibliolog“, Advents- 150 Leute zu intensiver Gemeinschaft und basteln, einen Vortrag über das „Gewissen“ thematischer Arbeit. Es ist einfach groß- und seine Tragweite … und einfach viel artig, zu sehen, welches Engagement die Zeit zum Austausch und Entspannen. Aus ESG-Arbeit vergangener Jahrzehnte bis einem losen „SympathisantInnenkreis“ von heute freisetzt und wieviel Offenheit und etwa 50 Personen kommen zu den Abenden Verbundenheit da entstanden ist. zwischen 15 bis 25 Leute. Wir feiern mo- Das tut gut und macht Lust auf mehr natliche Abendmahlsgottesdienste und ESG in der Stadt mit dem Nischel … regelmäßige Taizé-Andachten. Jeden Freitag gibt es ungezwungene Morgenandachten und ein gemeinsames Frühstück. Dr. Christoph Herbst Produktiv (aber in einer Stadt mit 80% Studierendenpfarrer in der ESG Chemnitz Konfessionslosen auch ohne Alternative) Hereinspaziert – die Tür zur ESG ist unsere ökumenische Zusammenarbeit Kontakt: mit anderen christlichen Gruppen an der Evangelische Studentengemeinde Chemnitz TU. Mit der KSG gibt es einen gemeinsa- Straße der Nationen 72, 09111 Chemnitz men Abend im Semester. ESG, KSG und Telefon: (0371) 35600216 die Hochschul-SMD als „freie“, evangelikal E-Mail: [email protected] orientierte christliche Gruppe planen und feiern gemeinsam einen Ökumenischen Semestereröffnungsgottesdienst. Schon die Vorbereitung, in der sich die manchmal sehr verschiedenen Profile zu Kompromis- sen zusammenfinden, ist ein wunderbarer Lernprozess …

In der ESG

5-2014 / 1-2015 33 Verband Brockentreffen

Der Hahn auf dem Berg ESG-Brockentreffen

Hans-Martin Krusche-Ortmann

Das ESG-Brockentreffen ist in den letzten Dieses Jahr waren am 21. Juni ca. 30 ESGler Jahren eine schöne Tradition der Brocken- aus Halle, Braunschweig, Berlin, Magde- Anrainer-ESGn geworden. Auf unterschied- burg und Leipzig unterwegs und gingen lichen Wegen besteigen wir Jahr um Jahr den kurzen, aber urwüchsigen Weg über den höchsten Berg des Harzes. Wir singen, das Eckerloch auf den mythischen Berg beten, wandern und lernen einander ken- hinauf. Corina aus Berlin kam im Rollstuhl. nen. Und auf dem Gipfel erwartet uns eine Das war eine besondere Herausforderung „Bergpredigt“ und ein echtes Highlight: Gemeinsam schaffen wir das! Glück mit dem Wetter hatten wir auch, denn der Regen kam erst auf den letzten Metern des Abstiegs. Klar, nächstes Jahr sind wir wieder mit dabei! Du auch?

Hans-Martin Krusche-Ortmann Studierendenpfarrer der ESG Magdeburg

5-2014 / 1-2015 34 MissionRespekt Verband

MissionRespekt Kongresssplitter

Vom 27. bis 28. August 2014 hat in Berlin Eine Kernaussage des Kongresses war Der Kongress MissionRespekt war eine der internationale, ökumenische Kongress für mich, dass wir uns unseres eigenen wertvolle Erfahrung für mich. Noch nie „MissionRespekt. Christliches Zeugnis in Glaubens bewusst sein müssen und in habe ich eine so große Vielfalt von Men- einer multireligiösen Welt“ stattgefunden der Lage zu sein, anderen diesen Glauben schen aus christlichen Kirchen, Werken (http://www.missionrespekt.de/). Über 250 verständlich zu machen. Wer sicher in und Organisationen zusammen sehen TeilnehmerInnen aus aller Welt, darunter seiner eigenen Identität ist, braucht keine können, die sich nicht auf ihre theolo- auch etliche aus ESGn und befreundeten Angst vor dem Fremden zu haben. Dar- gischen und historischen Differenzen, Organisationen, hatten sich zusammenge- um ist es möglich, sich auf freundschaft- sondern auf ihren gemeinsamen Weg mit funden, um auf der Grundlage des Papiers licher und offener Basis mit Muslimen Gott zu den Menschen fokussiert haben.! „Christliches Zeugnis in einer multireligiösen und Menschen anderer Religionen zu Besonders beeindruckt hat mich nicht Welt“ Möglichkeiten eines ökumenischen unterhalten. Wenn beide Seiten zu ihrem nur der freundliche und geschwisterliche und interreligiösen Miteinanders auszuloten. Glauben stehen und sich dabei respektie- Umgang miteinander, sondern auch die Die ESG gehört(e) zu den Trägerinnen des ren, kann man den anderen und seinen Einheit, die in den verschiedenen Diskus- Prozesses. Glauben kennen lernen. Darum heißt es: sionen zu spüren war. Hier einige Blitzlichter von TeilnehmerInnen Mut haben Farbe zu bekennen, während Ich besuchte den Workshop I „Deutschland des Kongresses. auch wir Gott immer mehr kennen lernen. – Missionsland“. Dort ging es besonders Dazu kam die Gemeinschaft der vielen darum, wie Gemeinden anderer Sprache Leiter verschiedener Konfessionen. Das war oder Herkunft ihre Situation in Deutsch- ein machtvolles Zeugnis, dass die Kirche land bewerten und wie wir gemeinsam Jesu im Grunde eins ist und auf dem Weg – die einheimischen Gemeinden und die ist, immer mehr eins zu werden. Migrationskirchen – auf den Weg kommen können, unsere Mitmenschen für den Glau- Paulien Wagener ben zu gewinnen. Nicht ganz überzeugt hat mich die Orga- nisation. Die Podiumsdiskussion mit Po- litkern am Abend fand ich eher ermüdend und wenig weiterbringend, auch weil das Hauptthema des Kongresses kaum eine Rolle spielte. Zudem wäre die Abstimmung über eine Pressemitteilung am Ende des zweiten Tages in der Evangelischen Jugend sicher weniger chaotisch verlaufen. Insgesamt bin ich aber froh, dabei gewesen sein zu können und hoffe, dass der ge- meinsame Weg aller Kirchen zu einer res­ pektvollen Missionsarbeit weltweit und in Deutschland weitergeht.

Daniel Klinkmann (Landesjugendvertretung Westfalen e.V.)

5-2014 / 1-2015 35 Verband MissionRespekt

Ich habe den Missionskongress als unheim- lich spannend und bereichernd empfunden. Spannend und vielleicht auch etwas an- gespannt, weil doch sehr unterschiedliche Glaubensformen zusammen gekommen sind; gleichzeitig war das auch das Berei- chernde: zum ersten Mal haben Protestan- ten, Katholiken und Evangelikale mitein- ander über Mission geredet. Ich habe viel gelernt von den Beiträgen aus aller Welt, wie es um die Christen auf anderen Konti- nenten steht. Besonders interessant war es, in kleinen Gruppen oder beim Essen mit den ganz unterschiedlichen Leuten ins Gespräch zu kommen. Erkenntnis: Mission ist ein wichtiges Thema, auch und gerade in Deutschland, aber nichts wovor man Angst haben muss, denn Mission heißt erzählen, was man liebt. Als tatsächlicher Teilnehmer der multi­ Steve Kennedy Henkel religiösen Welt war es für mich spannend zu sehen, welche Fragen auf ökumenischer Aus meiner Sicht hat der Kongress „Mission- Ebene diskutiert werden müssen, um sich Respekt“ zukunftsweisende Perspektiven für die Welt, in der wir alle gemeinsam und Impulse vermittelt. Wie schaffen wir leben, zu öffnen. Bei unserem Workshop es, respektvoll unseren Glauben zu bezeu- konnten wir feststellen, wo die gemein- gen? Wie treten wir in den Dialog mit den same Basis liegt und an welchen Punkten verschiedenen Kulturen unserer Gesell- die Ansichten auseinandergehen. schaft? Dies und vieles Weitere haben wir in diskussionsfreudiger und entspannter Alexander Smolianitski, LIMMUD Atmosphäre besprochen. Besonders der Workshop „Christsein an der Hochschule“ Der Kongress war eine spannende Er- hat gezeigt, wie sich unterschiedliche fahrung. Zu sehen, dass es miteinander christliche Traditionen ergänzen. Das Ge- wirklich funktionieren kann, ist eine spräch hat den Blick auf Neues eröffnet Ermutigung. und die gemeinsamen Herausforderungen Sehr gut hat mir der Workshop „Missions- für das Christsein in einer zunehmend land Deutschland“ gefallen und dabei säkularisierten Gesellschaft geschärft. verschiedene Ansichten und Denkanstöße zu hören. Fabian Mederacke, smd Simone Widmann Die Teilnahme am Kongress bestätigte mir als Muslimin noch einmal, wie wichtig Das schönste am Kongress war für mich das Miteinander der Religionen in Respekt das Zusammenkommen der ganzen ver- und Dialog in einer multireligiösen Ge- schiedenen Glaubensrichtungen. Leider sellschaft und in Zeiten von Missbrauch gab es auf dem Kongress nur wenig Gele- der Religionen ist. Der Aufruf zum Frieden, genheit, um zu diskutieren und die Unter- zur Gerechtigkeit und Solidarität ist das schiede des anderen kennen und schätzen Gebot der Stunde. Vorurteilen und Un- zu lernen. Wo dies geschehen ist, habe ich wissenheit können wir gemeinsam durch viel Bereicherndes mitgenommen. Beim mehr Begegnung, Freundschaft und Wissen nächsten Event dieser Art bin ich gerne entgegnen. wieder mit Freuden dabei.

Hatice Durmaz, RAMSA Ralf Leppla

5-2014 / 1-2015 36 Bausoldatenkongress Verband

Von der Wucht der Weltpolitik Rückschau Bausoldatenkongress 2014 in Lutherstadt Wittenberg

Wolfgang Klietz

1. Aktuelle Situation Und die Angst vor einem neuen Kalten Das Dilemma war wieder präsent: Krieg mit Russland inklusive Truppenverle- Kann der Einzelne den Pazifismus predi- „Waffenruhe vereinbart“ meldeten die gungen der Nato nach Osteuropa dürfte gen und Krieg und Gräueln zusehen? Gilt Medien, als der Bausoldatenkongress am auch kaum jemand erwartet haben. Wie grundsätzlich der Satz, den Bausoldat 5. September 2014 begann. „Waffenruhe „ziemlich alte Feinde“ stehen sich Ost und Gottfried Arlt auf dem Podium mit Blick brüchig“ hieß es drei Tage später, als der West wieder gegenüber, wie es in einem auf den Wendeherbst 1989 sagte: „Wenn Kongress zu Ende ging. Der Konflikt in der Kommentar im NDR hieß. Der Kongress wir Gewalt anwenden, haben wir verloren“? Ukraine ging weiter ­- er war nicht der ein- reagierte wie weite Teile der Gesellschaft: „Ich bin hierher gekommen, weil ich zige Kriegsschauplatz. Er werde die Terror- mit Besorgnis und einer gehörigen Portion Antworten suche“, sagte ein ehemaliger Organisation Islamischer Staat zerstören, Ratlosigkeit. Bausoldat in einem der Foren. Ob der Kon- verkündete US-Präsident Barack Obama, gress sie liefern konnte, wird jeder Teilneh- während sich in Lutherstadt Wittenberg mer nur für sich beantworten können. mehr als 300 ehemalige Bausoldaten tra- Es gehörte zu den Stärken dieser drei- fen. Gleichzeitig liefen die Vorbereitungen 2. Fragen tägigen Veranstaltung, dass die Bausolda- für die Lieferung deutscher Waffen an ten und Referenten umfassend diskutiert die Kurden im Irak, um sie für den Kampf Gegenwärtige Kriege und Krisen der Welt haben, dass sie die wichtigen Fragen ge- gegen die Mörderbanden des IS zu rüs- sorgten in Wittenberg für eine Dynamik, stellt haben und dass in jeder Diskussion ten. Damit liefert Nachkriegsdeutschland der sich kaum ein Teilnehmer entziehen deutlich wurde: Kriegsdienstverweige- erstmals Waffen in ein Kriegsgebiet. Und konnte. Kaum einer verharrte noch bei den rung bleibt ein unumstößliches, individu- in Gaza schwiegen die Waffen erst seit we- Weißt-du-noch-Gesprächen und der histo- elles Menschenrecht, das ohne Sanktionen nigen Wochen. rischen sowie persönlichen Aufarbeitung. zu gewährleisten ist. Verweigerung kann Keiner der Teilnehmer konnte vor Es stellten sich darüber hinaus aktuelle jedoch kein politisches oder gesellschaft- dem Beginn des Treffens in Wittenberg Fragen: Welchen Wert und welche Konse- liches Prinzip in einer vernetzten Welt sein erwarten, dass aktuelle Konflikte und Ent- quenz hat der Pazifismus, wenn im Irak ein ­– ein Streit über diesen Grundsatz war in scheidungen dieses Treffen der DDR-Waf- Völkermord droht und die Ukraine von ei- Wittenberg nicht zu vernehmen. Die Kon- fendienstverweigerer mit einer solchen ner Weltmacht in einen Krieg gezerrt wird? sequenz bedeutet für den Staat nicht zwin- Wucht beeinflussen würden. Keiner hatte Kann es einen waffenlosen Frieden geben? gend militärisches Engagement in einer damit rechnen können, dass der einstige Welche Rolle spielt das historische Kapitel Krise, wohl aber Hilfe für Opfer und Einsatz DDR-Bürgerrechtler und amtierende Bun- Bausoldaten bei der Bewertung gegen- für eine dauerhafte friedliche Lösung. despräsident Joachim Gauck sich wenige wärtiger Konflikte? Mit dem „Ruf aus Wittenberg“ woll- Wochen vor Wittenberg für einen Militä- „Wenn ein Haus brennt, muss man te das Organisationsteam des Kongresses reinsatz als letztes Mittel ausgesprochen es löschen!“ hatte militärisch pragma- das Menschenrecht in den öffentlichen Fo- hatte. Im Kampf für Menschenrechte oder tisch der Leiter des Militärhistorischen kus rücken. „Ruf aus Wittenberg: Kriegs- für das Überleben unschuldiger Menschen Museums in Dresden und Oberst der dienstverweigerung ist Menschenrecht“, sei es „manchmal erforderlich, auch zu den Bundeswehr, Matthias Rogg, auf dem hieß das Papier, das mit Unterschriftenlis- Waffen zu greifen“, hatte der Bundespräsi- Podium in Wittenberg gesagt. Kaum ein te im Foyer des Tagungszentrums auslag, dent gesagt. Widerspruch war zu vernehmen. Und aber in der Öffentlichkeit seltsam unbeob- er legte nach einem Zwischenruf nach: achtet blieb. Sicher müsse auch geklärt werden, wer die Streichhölzer geliefert habe, doch die Rückschau helfe den Menschen in dem brennenden Haus nicht.

5-2014 / 1-2015 37 Verband Bausoldatenkongress

War das mediale Echo zum Thema renwerte Entscheidung zur Waffendienst- Bausoldaten groß, blieb es bei dem Ruf verweigerung trafen, ohne eine stringente gering. Auch die Diskussionen unter den Argumentation abspulen zu können. Sie Teilnehmern waren verhalten. Die Re- wollten sich schlicht treu bleiben. sonanz wäre sicherlich größer gewesen, Mit seinen vielen Zeitzeugen und wenn der Ruf auf dem Kongress erarbeitet hochkarätigen Referenten hat der Kon- und zur Diskussion gestellt worden wäre. gress ein differenziertes Bild der Bausolda- Aktuelle Aspekte und die Diskussionen des ten präsentiert. Sie werden immer wieder Kongresses über Pazifismus in einer zu- in vielen Medien oberflächlich und pau- Appell der Jugend nehmend kriegerischen Welt hätten dem schal als Widerstandskämpfer skizziert, Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ruf zu mehr Popularität und Wirkung ver- die das Regime in die gesundheitsgefähr- gestern saßen wir 5 Jugendliche zusam- holfen. Außerdem dürfte der Ruf nur be- denden Chemiewerke und in die Unter- men mit dem ehemaligen Bausoldaten grenzt in einer Gesellschaft Gehör finden, wasserbaustellen des Fährhafens Mukran Heiko Lietz im Café, um ihn zu inter- in der die Wehrpflicht ruht und die weitge- schickte. Doch zur Wahrheit gehören auch viewen. Wir erfuhren viel über ihn und hend demilitarisiert wurde – wenn man als die vergleichsweise passablen Jobs als auch über seine Jugendzeit. Auf das Vergleichsmaßstab die Situation in beiden Hausmeister oder Heizer. Interview an sich folgte dann eine offe­ne deutschen Staaten im Kalten Krieg anlegt. Diskussion mit den Zuschauern. Wir fan- den dabei heraus, wie schlecht es doch 3. Zeugnis um unsere junge Generation steht. Auch 4. Zukunft wir Jugendliche selber müssen uns das und Bekenntnis Ganze eingestehen. Nun bleibt jedoch die Frage: Wie ändern wir das? Die Verweigerung des Waffendienstes in Gleichwohl hatte die Entscheidung für die Ich sage bewusst wir, weil nur WIR der DDR und die Lehren für die Gegen- Waffenverweigerung politische Konse- alle es schaffen können. Generationen- wart führten auf dem Kongress auch zur quenzen, die zu der Frage führen, was die übergreifend müssen wir uns darum Diskussion über das Motto der Veranstal- Gesellschaft aus dem Verhalten der Män- kümmern unsere jetzige Jugend aus tung: „Friedenszeugnis ohne Gew(a)ehr“. ner lernen kann, die einst als Staatsfeinde Lethargie, Gleichgültigkeit gegenüber War die Entscheidung, keine Waffe in die galten. Der Blick in die Zukunft ist gefragt. dem Nebenmann und der Politikver- Hand zu nehmen, bereits ein Bekenntnis? Knapp, aber eindrücklich appellierten drei drossenheit wach zu küssen. War der Entschluss ein Signal, das in einem Schüler kurz vor Ende der Veranstaltung Sie können dabei helfen. Gehen sie beispiellos durchmilitarisierten Staat ge- vom Podium an die Teilnehmer, ihre Erfah- an Schulen, in Junge Gemeinden, um dort hört werden sollte? Wahrlich nicht immer. rungen und ihr Wissen an die junge Gene- ihre Geschichten zu erzählen. Seien sie Die zahllosen und wichtigen Gesprä- ration weiterzugeben und sich gegen die uns Vorbilder und ermutigen sie uns zu che über das Weißt-du-noch haben einmal Entpolitisierung zu engagieren. „Wir jun- provozieren, kontrovers zu diskutieren mehr gezeigt, dass nicht jede Verweige- gen Menschen müssen aus dem Knick kom- und nicht alles ohne Nachfragen hin- rung als ein Akt des Widerstands gegen men, helfen Sie uns“, rief der junge Mann in zunehmen. Wir müssen uns empören das System der DDR gedeutet werden den Saal. Dieser Appell sollte Gehör finden. können und Missstände ansprechen. darf. Diese pauschale Interpretation ähnelt Gerade die Bausoldaten, die als junge Men- Erinnern sie sich an ihre Jugendzeit und der des SED-Regimes über die „feindlich- schen eine schwerwiegende Entscheidung helfen sie uns dabei, Empörung wieder negativen“ Kräfte, denen allesamt eine trafen, personifizieren exemplarisch Frei- zu erlernen. Schaffen sie ein Gleichgewicht Grundhaltung unterstellt wurde: Sie wur- heit und Friedenssehnsucht. Damit stehen zu Bundeswehroffizieren in Schulen, die den als Staatsfeinde diffamiert. sie für Themen, die viele junge Menschen jährlich junge Menschen für den Dienst Vielmehr beruhte die Verweigerung in ihrem Reifeprozess begleiten und ihr po- anwerben wollen. Wo sind die, die für der jungen Männer häufig auf der individu- litisches Bewusstsein prägen. Waffenlosigkeit und Frieden werben? ellen, zutiefst persönlichen, manchmal so- Ich kann sie nur ermutigen, ja sogar gar intimen Entscheidung, keine Waffe in in die Pflicht nehmen, uns zu unterstüt- die Hand zu nehmen. Auch spielten dabei, zen auf diesem Weg und selbst Initiative wie häufig nachzulesen ist, nicht immer ergreifen um dieses Problem zu lösen. religiöse Motive die entscheidende Rolle. Mal waren es pazifistische Motive, mal wa- Die beteiligten Jugendlichen waren: ren es kulturelle oder politische. Vielen der Maximilian Hänig, Anna-Luise Pohl jungen Männer darf auch unterstellt wer- Kateryna Chernii, Lora Lehrach den, dass sie die folgenschwere und eh- Clemens Finck

5-2014 / 1-2015 38 Bausoldatenkongress Verband

Bei der Frage nach künftigen Aufga- ben gerät außerdem eine Personengruppe in den Fokus, die von ähnlichen Motiven wie die Bausoldaten getrieben dem SED- Regime die Gefolgschaft konsequent ver- weigerte: die Totalverweigerer. Bei weitem nicht so gut vernetzt und organisiert wie die Bausoldaten stehen diese Männer nur selten im Interesse der Öffentlichkeit. „Ab nach Schwedt!“ – Weigelab ins Militärge- fängnis! Das war die Konsequenz, die die- se Männer ertragen mussten, wollten sie nicht den vielfach zitierten faulen Kompro- miss des Bausoldatendienstes eingehen. Beide Kapitel – Bausoldaten und Total- verweigerer – gehören eng zusammen. Es wird Zeit, beide Kapitel gründlich aufzuar- beiten und Zeitzeugenberichte zu sichern. Russische Menschenrechtler berichten. Foto: Kluge Zu den wenig beachteten Aspekten bei der Beschäftigung mit Verweigerung Der Perspektivwechsel könnte nicht ses zählt für den Autor dieser Zeilen ein und Widerstand gehört die Frage nach den nur einen Beitrag zur wissenschaftlichen Gespräch mit einem „Spati“ im Erzählcafé Motiven der „Täter“ und der Notwendig- Ausleuchtung leisten. Auch persönlich zum Thema Prora und Mukran. „30 Jahre keit, beim Blick in die Vergangenheit einen wird der vertiefte Blick auf den vermeint- habe ich darüber nicht geredet“, sagte der Perspektivwechsel zu wagen. Leider muss- lichen oder tatsächlichen Täter manchem Mann. „Wenn Sie das hören wollen, freut te aus gesundheitlichen Gründen eine Bausoldaten helfen können, das Erlebte mich das sehr.“ Veranstaltung mit einem hochrangigen besser zu verstehen. Kurz darauf erkannte der einstige Ex-NVA-Offizier abgesagt werden. Man- Zu den künftigen Aufgaben sollte Bausoldat am Tisch einen anderen Mann che Vorgesetzte schikanierten die Bau- auch die Suche nach zentralen Orten des wieder, der ihm gegenüber saß. Seit der Gedenkens und der Informationen gehö- Zeit in Block V in Prora hatten sich die bei- ren. Mit dem Prora-Zentrum sind bereits den nicht mehr gesehen. erste Voraussetzungen geschaffen wor- Wolfgang Klietz, Jahrgang 1963, den, doch noch fehlt es an finanzieller Un- wuchs in Schleswig-Holstein auf und ist als terstützung. Ohne Geld bleiben alle in die Redakteur beim „Hamburger Abendblatt“ Zukunft gerichteten Konzepte Makulatur. beschäftigt. Er hat das Buch „Ostseefäh- Wichtige Arbeit leistet auch das Thüringer ren im Kalten Krieg“ über die Geschichte Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Do- der Fährlinie von Mukran nach Klaipeda maschk”, das jedoch vor demselben Pro- geschrieben und forscht zu weiteren The- blem steht wie das Prora-Zentrum: Ohne men der Zeitgeschichte. Für die Bundes- ehem. Außenminister Markus Meckel eine bessere Ausstattung wird eine an- wehr arbeitet Wolfgang Klietz als Dozent und sein Freund Hansjörg Weigel. Foto: Kluge spruchsvolle Arbeit über das Thema Bau- an der Akademie für Information und soldaten kaum zu schaffen sein. Kommunikation in Strausberg. soldaten mit unsinnigen und manchmal unmenschlichen Befehlen. Andere zeigten Verständnis für die Haltung der Verwei- 5. Ein berührender gerer. Welche Dienstanweisungen lagen Moment dem Umgang mit Bausoldaten zugrunde? Welchen Spielraum hatte der militärische Zeitzeugen müssen reden, die Weißt-du- Vorgesetzte? Welchen Kontrollen unterlag noch-Geschichten sind wichtig. Die Ge- er selbst? sellschaft und die Forschung sind auf das persönliche Zeugnis der einstigen Verwei- gerer angewiesen. Sie müssen zuweilen aber auch um ihrer selbst willen reden – Heiko Lietz (Begründer des Friedensseminares Kessin), als Akt der Befreiung. Zu den leisen, aber Hansjörg Weigel (Begründer des Friedensseminares unvergesslichen Erlebnissen des Kongres- Königswalde). Foto: Kluge

5-2014 / 1-2015 39 Verband Bausoldatenkongress

Ruf aus Wittenberg: Kriegsdienstverweigerung ist Menschenrecht

Die Bausoldaten haben in der DDR den Dienst an der Über das weltweite individuelle Recht auf Kriegs- Waffe verweigert. Damit wollten sie ein deutliches dienstverweigerung hinaus, ist angesichts der aktuellen Zeichen für Gewaltfreiheit und Frieden setzen. Dennoch Krisen, gewaltsamen Konflikte und Kriege eine aktive, mussten sie bei den Baueinheiten – zwar ohne Waffen, langfristig angelegte Friedenspolitik gefordert. Diese doch voll integriert in das militärische System der NVA – muss auf den zivilen Instrumenten der Konfliktbear- einen Wehrdienst leisten. Das Recht auf Kriegsdienst- beitung basieren, die umfassend auszubauen sind. verweigerung und ein ziviler Ersatzdienst wurden ihnen Notwendig ist die Abkehr von einem am Sicherheits- verwehrt. denken orientierten Reagieren, hin zu einem verant- Aus dieser Erfahrung heraus setzten und setzen sich wortungsbewussten, gewaltfreien Agieren im Sinne viele Bausoldaten für das Recht auf Kriegsdienstverwei- der Friedenslogik. gerung ein. Bis heute ist es keine Selbstverständlichkeit. Die Verankerung des Rechtes auf Kriegsdienstverwei- Erstunterzeichner: gerung im Grundgesetz der Bundesrepublik halten wir Gottfried Arlt (Halle), Pfarrer i.R. für eine große Errungenschaft, die es zu schützen gilt. Angesichts zahlreicher Kriege weltweit wie im Andreas Ilse (Tauhardt), Regionalbetreuer im Nahen Osten und in der Ukraine bleibt die umfassende Bundesfreiwilligendienst Durchsetzung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung Friedrich Kramer (Halle/Wittenberg, Theologe, international von größter Bedeutung. Die Entscheidung Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt zur Verweigerung des Kriegsdienstes muss ohne Gewissensprüfung respektiert und eine Verfolgung Sebastian Kranich (Halle), Theologe oder Benachteiligung von Verweigerer_innen gestoppt Stephan Schack (Naumburg/Saale), Trainer, werden. Berater & Coach Wir erinnern die Kirchen an die geistigen Wurzeln jenes Rechtes in prophetischen Visionen und Bergpredigt, Johannes Spengler (Halle), Denkmalpfleger in Früher Kirche und reformatorischer Achtung des Christof Starke (Halle) Geschäftsführer des Gewissens, in pazifistischen Orden, Gruppen und Frei- Friedenskreis Halle e.V. kirchen sowie im Menschenbild der Aufklärung. Wir bitten sie, für Kriegsdienstverweigerer_innen einzutre- Justus Vesting (Halle) Historiker und Theologe ten und für sie zu beten, wie das in der DDR Praxis war. Bundestag und Regierung der Bundesrepublik Deutschland fordern wir auf, sich international stärker für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung zu engagieren. Wegen Kriegsdienstverweigerung ver- folgte Flüchtlinge müssen generell Asyl in Deutsch- land erhalten können. In Deutschland wurde die Wehrpflicht ausgesetzt, dienende Zeit- und Berufssoldat_innen müssen sich bei einer Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung dennoch einer Gewissenprüfung unterziehen. Ein Prüfverfahren, damit ein Mensch das Grund- und Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in An- spruch nehmen kann, halten wir weder für zeitgerecht noch für legitim, da ein Gewissen nicht prüfbar ist und im Zweifel zur Vorenthaltung eines Grundrechtes führt. Die Gesetzgebung zum Kriegsdienstverweigerungs- recht der Bundesrepublik ist dahingehend zu refor- mieren. Hier konnte der Ruf aus Wittenberg unterschrieben werden.

5-2014 / 1-2015 40 Bundesversammlung in Plön Verband

BV 2014 in Plön Bericht zur Abstimmung und Diskussion über die neue Ordnung der Bundes-ESG auf der Bundesversammlung

Ann-Kristin Buck

Die Bundes ESG hat – mal wieder – eine neue Ordnung. Gekommen waren insgesamt 45 ESGn und 88 Doch diesmal wird sie weniger leicht zu verändern Delegierte. Einige der ESGn sind nach längerer Bundes- sein, als die alten Ordnungen es waren. Jeder Ände- ESG-Auszeit wieder dabei gewesen. Dafür waren andere rung der Ordnung muss der Rat der EKD zustimmen. langjährige Aktive nun nicht mehr dabei. Ein Gene- Nach einem Jahr Strukturprozess, der laut EKD gleich- rationswechsel, der in gewisser Hinsicht auch durch berechtigt und fair abgelaufen ist, was aber durchaus die hohe Fluktuation an Ehrenamtlichen (und Haupt- von anderen Stimmen auch anders gesehen wurde, amtlichen) in den Orts-ESGn und ein durch Bachelor hat die Bundesversammlung (BV) der ESG nun sich und Master rasantes und dafür weniger tiefgehendes selbst abgeschafft und an ihrer statt wird an der Basis Studieren bedingt ist. In diesem Fall gab es aber auch demnächst eine Vollversammlung (VV) und an deren eine bewusste Absage ehemaliger Generationen von Kopf ein Gremium jeweils drei von der VV gewählten Bundes-ESGler_innen. Anders war auch, dass auf Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen und drei weite- dieser BV mehr Hauptamtliche als auf den letzten ren Personen aus EKD, Landeskirchen und aej steht. Bundesversammlungen zu finden waren. Insgesamt Dafür fallen Bundesrat und Lenkungsrat gänzlich 24 aus den Orts-ESGn, darunter viele Delegierte und weg. Ein durchaus großer Einschnitt in der Geschichte neue Gesichter, von denen eines mir erzählte, dass in der ESG; nicht zuletzt, weil auch der ESG e.V., pers- der Ausschreibung für die Stelle bereits „Interesse und pektivisch in einen Förderverein verwandelt werden Mitwirkung an der Arbeit auf Bundesebene“ stand. soll und damit sowohl die formelle Unabhängigkeit Aber kommen wir zurück zur Strukturdebatte. von der EKD (die finanzielle Abhängigkeit hat schon Für die Annahme des Antrags war eine Zweidrittel- immer bestanden) als auch die „Zwitterkonstellation“ mehrheit notwendig. Um alle Delegierten auf einen zwischen aej und ESG e.V. Geschichte ist. Informationsstand zu bringen, wurde die Ordnung zu- nächst von Fr. Dr. Lutz-Bachmann aus der Rechtsab- teilung des EKD-Kirchenamtes und Jörn Möller, dem Strukturbeauftragten, so vorgestellt, dass deutlich wurde, wie die Gremien konstituiert sind und wel- che Kompetenzen sie besitzen. Anschließend wurden drei grundsätzliche Voten von Stefan von Deylen, Jan-Hinrich Busch und Frank Martin gehalten, die deutlich machten, was diese Ordnung bedeutet und bedeuten kann. Einerseits wurde durch die Voten der Entstehungsprozess der Ordnung beschrieben und (auch kritisch) reflektiert, andererseits ein Blick auf die Zukunft gewagt, der pragmatische, kritische und hoffnungsvolle Argumente für und gegen die Annahme der Ordnung brachte. Dabei wurde auch auf Alter­ nativen eingegangen. Auf dieser Basis führte die BV eine weitere Aussprache. Grundsätzlich zeigte die Debatte, dass eine Mehrheit sich – wenn auch unter einigen Kritikpunkten - für die Annahme der Ordnung aussprechen würde und diese für notwendig hält. Kri- tisiert wurde dabei dennoch das Delegationsprinzip

5-2014 / 1-2015 41 Verband Bundesversammlung in Plön

Workshop im Freien Im WorldCafe

über die landeskirchlichen Listen allgemein und im Koordinierungsrat gewählt werden. Wie die Arbeit Besonderen der Ausschluss von ESGn, die nicht landes- in der neuen Struktur dann funktionieren wird, kann kirchlich anerkannt werden. Es bestand bei einigen letztendlich nur die Zukunft zeigen. Betrachtet man Personen auch die Ansicht und Hoffnung, dass Teile die Debatten auf der Bundesversammlung gibt es der Ordnung gegebenenfalls zu einem späteren Zeit- berechtigte Annahme zur Skepsis aber auch zur Hoff- punkt wieder verändert werden können. Ein weiterer nung und viele neue Haupt- und Ehrenamtliche, an kontroverser Punkt waren die Zusammensetzung denen es nun liegt, die Zukunft der Bundes ESG mit und Aufgaben des Koordinierungsrates. So zeigten Leben und Inhalt zu füllen. Der neue Koordinierungs- sich Bedenken im Hinblick auf den Machtverlust der rat wird auch für die Ausschreibung und Besetzung Ehrenamtlichen, gegenüber der Darstellung, dass das der Stelle der_s neuen Bundesstudierendenpfarrer_in Gremium nun eine „Parität der Verantwortlichkei- zuständig sein. Nicht zuletzt diese Entscheidung ist ten“ widerspiegele, die Blockadepositionen einzelner von Bedeutung im Hinblick darauf, wie die Bundes- Gruppen verhindere. Die Einbindung der Landeskir- ESG in Zukunft arbeiten wird. Ein angedachter Zeit- chen wurde vor allem von hauptamtlicher Seite in der punkt für die Ausschreibung der Stelle ist Februar/ Debatte positiv betont. Durch den Einbezug würde März 2015 mit der Perspektive einer Besetzung im insgesamt ein höheres Interesse an der Bundes-ESG Sommer. auftreten, was zum Teil schon jetzt der Fall sei. Um, im Sinne einer Zweiten Lesung, noch einmal Ann-Kristin Buck, ESG Berlin über die ausgetauschten Argumente nachzudenken, Stellvertreterin im Bundesrat 2013/14 und entschloss sich die BV noch eine Nacht über die Ent- Beobachterin auf der BV scheidung zu schlafen und am nächsten Tag ohne weitere Debatte zur Abstimmung zu kommen. In der Abstimmung wurde diese Mehrheit dann in Zahlen sichtbar: Das Plenum stimmte mit 74 Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen und sieben Nein-Stimmen deutlich für die Annahme der neuen Ordnung. Sie tritt somit ab dem 01. Oktober in Kraft. Aus der Annahme der Satzung ergibt sich, dass am 13. Dezember die kons­ tituierende Sitzung der Vollversammlung in Fulda stattfinden wird, in der die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitglieder aus den Orts-ESGn für den

5-2014 / 1-2015 42 Bundesversammlung in Plön Verband

BV 2014 in Plön Ergebnisse und Beschlüsse von Jörn Möller

Vom 17. bis 19. September fand in Plön die diesjährige Bundesversammlung (BV) der ESG statt. Im Folgenden sollen in Kürze die Ergebnisse von Wahlen und Beschlüssen zusammengefasst werden.

TeilnehmerInnen Mit 88 Mandaten aus 45 Orts-ESGn war die Bundesversammlung beschlussfähig. Mit Gästen nahmen rund 100 Personen an der BV teil.

Zentrales Thema war die Verabschiedung einer neuen Ordnung für die Bundes-ESG. Sie wurde in zwei Lesungen diskutiert und mit 74 Ja-Stimmen, 7 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen angenommen. Der Text steht auf der Homepage www.bundes-esg.de, Bereich „Bundes-ESG“, Menü „Gremien und Struktur“. Die neue Ordnung trat am 1. Oktober in Kraft. Da sie eine neue Struktur der Gremien enthält, wird am 13. Dezember 2014 eine konstituierende Vollversammlung der Bundes-ESG in Fulda stattfinden. Es wurde daher auch kein neuer Bundesrat gewählt, sondern beschlossen, dass die noch amtierenden Bundes- rätInnen mit der Geschäftsstelle und dem BSPK-Präsidium die konstituierende Vollversammlung vorbereiten.

Es sind: Stefan von Deylen (ESG Berlin) Valentin Tranchand (ESG Konstanz) Ralf Leppla (ESG Mainz)

Als Delegierte bei Partnerorganisationen und in Gremien wurden gewählt: Valentin Tranchand (ESG Konstanz) - Vollversammlung des WSCF in Bogotá, Kolumbien Miriam Schubert (ESG Rostock) - European regional assembly des WSCF Malena Tara (ESG Bremen) - European regional assembly des WSCF Thomas Rahimi (ESG Witzenhausen) - EKD-Jugenddelegierter (nach Rücktritt von Maike Axenkopf) Nathanael Wüst (ESG Halle) - Hauptamtlichenkonferenz (bisher: BSPK) Miriam Schubert (ESG Leipzig) – Hauptamtlichenkonferenz (bisher: BSPK) Richard Götte (ESG Kassel) – Arbeitsgemeinschaft Katholischer Hochschulgemeinden (AKH) Jakob Bubenheimer (ESG Konstanz) – Initiative Kirche von unten (IKvu) Serge Ngongang (ESG Dortmund) - DEAE (Stellvertreter) Anne Roth (ESG Bonn) – Evangelisches Studienwerk Villigst Richard Götte (ESG Kassel) - Evangelische Akademikerschaft in Deutschland (EAiD) Serge Ngongang (ESG Dortmund) - Evangelische Akademikerschaft in Deutschland (EAiD) Für die Delegation zum Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) war eine Wahl nicht erforderlich, da keine Vollversammlung geplant ist.

Weiterhin werden folgende Delegationen wahrgenommen: Elisabeth Neuhaus – EKD-Jugenddelegierte

5-2014 / 1-2015 43 Verband Bundesversammlung in Plön

Die Bundesversammlung hat folgende Beschlüsse gefasst:

1. Resolution: „Ich war ein Fremder, und ihr habt mich aufgenommen.“ Die 10. ESG-Bundesversammlung unterstützt die ESG Berlin und das Theologische Konvikt in ihrem Engagement für und mit Geflüchteten. Sie bittet die Orts-ESGn in Deutschland, sich immer wieder für das Recht der Fremden und Schutzlosen einzusetzen und ihnen in der Not beizustehen. Wir unterstützen die Proteste der Geflüchteten und fordern insbesondere: die Abschaffung der Residenzpflicht und der Lagerpflicht, der rücksichtslosen Verteilungspraxis und des Sachleistungsprinzips, der Kriminalisierung von Geflüchteten und der Drittstaatenregelung, den Zugang zu Bildung, Arbeit und Teilhabe und ein offenes Europa.

2. Es wird eine Arbeitsgemeinschaft eingerichtet, welche in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle das Konzept des ESG-Standes auf dem 35. Deutschen Evangelischen Kirchentag 2015 in Stuttgart überarbeitet. Ziel soll sein, ein schlüssiges, zielgruppenori- entiertes Gesamtkonzept zu entwickeln.

3. Die BV begrüßt die Planung des Programms „klug werden in der Wissensgesellschaft“, das die ökumenischen Studierenden- und Hochschulgemeinden der Region Stuttgart für ein „Zentrum Studierende und Hochschulen“ auf dem Kirchentag vorbereiten. Der aktuelle Stand der Planung soll den ESGn bundesweit bekannt gemacht werden und für eine Beteiligung, insbesondere auch bei den „World Café / Open Space“ Runden eingeladen werden. Kontakt: Stephan Mühlich, ÖZ Stuttgart-Vaihingen; [email protected]

4. Die zuständigen Gremien der Bundes-ESG sollen sich für eine finanzielle Unterstützung eines Bundestreffens im Jahr 2015 zum Thema „Asyl“ aussprechen und diese beschließen. Orientiert an Beschlüssen der Bundesversammlung zur Nachhaltigkeit – und damit auch Papiervermeidung - sind hier nur die jeweils Gewählten und gefällte Beschlüsse dokumentiert.

Ein ausführlicheres Protokoll wird nach Fertigstellung im Internet veröffentlicht (www.bundes-esg.de, Bereich Service, Protokolle).

ESGn aus ganz Deutschland stellten sich mit Plakaten vor

5-2014 / 1-2015 44 Bundesversammlung in Plön Verband

BV 2014 in Plön Die besserwisserischen Ehrenamtlichen, die faulen Hauptamtlichen

Polemische Debatten, Anerkennung und Vertrauen – Zum inhaltlichen Teil der Bundesversammlung

Ann-Kristin Buck

„Hauptamtliche haben mehr Macht, weil sie mehr Person aus der ESG beim Plakat und erklärte, wie die Wissen haben.“ „Hauptamtliche haben mehr Ahnung Arbeit vor Ort funktioniert. Durch den Austausch gab als Ehrenamtliche.“ „Wofür werden die eigentlich be- es viele Anregungen, die in die eigenen ESGn mitge- zahlt?“ „Ehrenamtliche können jederzeit verduften“. nommen werden. Gleichzeit wurde deutlich, dass es Provokante Thesen, die zur Diskussion anregten. Dass viele ESGn auch strukturell nicht immer einfach haben ausgerechnet beim Thema Hauptamt/Ehrenamt auf und es inhaltlich viele verschiedene Schwerpunkte in der letzten BV mehr Hauptamtliche als in den vorhe- der Arbeit gibt. rigen Jahren anwesend waren, belebte die Diskussion Neben einem Vortrag über das Verhältnis von an und auf den Plakaten. Die – manchmal polemischen, Haupt- und Ehrenamtlichen gab es außerdem Work- manchmal tiefgreifenden – Debatten, die an den Tischen shops zu verschiedenen Themen. Ein Planspiel zum des World Cafés stattfanden, haben allen Beteiligten „Zoff im StuPa“ war ebenso dabei wie ein Workshop viel Spaß und beiden Seiten interessante Einblicke zum Konzept der Basisdemokratie und der Austausch in die andere Perspektive gegeben. Niemand muss mit der (noch) rein ehrenamtlichen Bundesorganisati- sich am Ende einig werden, dafür sind die Perspek- on RAMSA (Rat muslimischer Studierender und Aka- tiven zu unterschiedlich, aber hier haben alle etwas demiker). Auch die biblische Perspektive aufs Thema mitgenommen! wurde dabei betrachtet. Auch der Austausch zwischen den Orts-ESGn fand Die Stimmung zwischen Haupt- und Ehrenamt- dieses Mal anhand von Plakaten statt, die die einzel- lichen auf der BV war angenehm, offen und positiv. nen Delegierten mitgebracht haben. Wie ist die Struktur Auf Leitungsebene wurde dies auch im gegenseitigen der ESGn? Wer bestimmt? Was sind die Inhalte? All Dank des Bundesrates und der Mitarbeitenden der das wurde unter dem Fokus der Rolle der Haupt- und Geschäftsstelle für die Annäherung im letzten Jahr Ehrenamtlichen betrachtet. Dabei blieb immer eine deutlich, die nicht zuletzt gerade im Hinblick auf die Vorbereitung und Durchführung der BV in guter Zu- Verabschiedung des alten Bundesrates sammenarbeit endeten. Es wird auch hier spannend, ob die höhere Beteiligung der Hauptamtlichen, die in der neuen Ordnung angestrebt ist, konstant auf dem Level bleibt, das auf der BV positiv hervorgehoben werden kann.

Ann-Kristin Buck, ESG Berlin Stellvertreterin im Bundesrat 2013/14 und Beobachterin auf der BV

5-2014 / 1-2015 45 Verband Afrika neu denken

tiziert wird? All diese Fragen gaben den Afrika neu Denken Anstoß zu einer weiteren Tagung. Auch vordergründig gut gemeinte Bilder, Macht, Interessen Ideen können mehr schaden als nützen, wenn Entwicklungsorganisationen und kirchliche Hilfswerke sich der gängigen von Kathrin Schreivogl Bilder von Afrika bedienen: Die Grenze von „nichts haben“ zu „nichts sein“ ist dann schnell überschritten. Die zweite Konferenz AFRIKA NEU DENKEN fragte nach den verbreiteten Bildern von „Af- rika“: Welche Machtkonstellationen und Kein Kontinent wird so stereotyp und mit Diese Berichterstattung lässt jedoch Interessen stehen hinter diesen Darstel- Vorurteilen behaftet wahrgenommen wie ein sehr einseitiges „Afrika-Bild“ entste- lungen und Suggestionen? Wer nutzt der afrikanische. Entscheidend ist dabei, hen, das wiederum die üblichen Politikan- sie wie? Und wem nutzen sie wie und dass meist nicht einmal bewusst ist, dass sätze bezüglich Afrika in der Tradition der weshalb? die Afrika-Bilder nicht mit der afrikanischen post- und neokolonialen Entwicklungen Welche Chiffren stehen hinter diesen Wirklichkeit übereinstimmen. Viele dieser der vergangenen Jahrzehnte – die Armut, Bildern? Wie können diese Bilder neu ge- Bilder haben ihre Wurzeln in der Kolonialzeit Umweltzerstörung und Fluchtbewegungen zeichnet bzw. neu analysiert, umgedeutet und sind bis heute weitgehend unverän- hervorrufen – verankern. Auch kirchliche und de-chiffriert werden? Welche Bilder dert geblieben. Hilfsorganisationen transportieren leider zeichnet die Diaspora selbst? Und welche Besondere Unkenntnis herrscht in solche Bilder, etwa wenn sie mit Bildern (Selbst-)Bilder können wir den herrschen- Bezug auf diese bereits weit zurückreichen­ hungernder Kinder um Spenden werben. den Bildern entgegensetzen, damit ein de Geschichte. Auch die Historie der afri- Doch was sagen diese Bilder über die „anderes“ Afrika aufblühen kann? kanisch-deutschen Begegnung wird hier- porträtierten Menschen aus? Wie beein- Die Redebeiträge beschäftigten sich zulande nur wenig thematisiert und ist flussen sie Menschen aus Afrika, die hier mit Kolonialismus und Antikolonialismus fast unbekannt. Die Kolonialzeit spielt im leben? Ist die Verbreitung von „Bildern sowie mit Afrika-Bildern in Medien, Touris- Bewusstsein der Bevölkerung, vor allem der Bedürftigkeit“ nur gut gemeint? Wer mus, Kunst, Literatur, Bildung, Päda­gogik, bei Kindern und Jugendlichen, keine Rolle bedient sich ihrer, wer profitiert von ih- Ökonomie und Politik. Ziel war es, Mög- und wird bei älteren Menschen allenfalls nen, und was bewirken sie? Was sagen lichkeiten aufzuzeigen, die zur Dekons­ verklärt „erinnert“. Das „heutige Bild“ über die Bilder über einen Kontinent, der eine truktion einseitiger Afrika-Bilder führen das Leben in „Afrika“ und über Menschen Vielfalt an kreativen Potentialen enthält, und damit einen Wandel realer Herrschafts- afrikanischer Herkunft ist bei uns weit- dessen Bevölkerung wächst und dessen verhältnissen, Denk- und Redeweisen be­- gehend durch die Medien geprägt. Dabei Märkten enormes Wachstum prognos- schleunigen. überwiegen negative Schlagzeilen und Bil- der, in denen Frauen und Kinder vorrangig als Opfer bestehender Verhältnisse (z.B. als ökonomisch und sozial benachteiligt, etwa in polygamen Ehen, als von Armut und Hungerkatastrophen besonders be- troffene Gruppen, als Opfer von Kriegen) dargestellt werden.

5-2014 / 1-2015 46 Afrika neu denken Verband

Trägerkreis Afrika-Konferenz

Entwicklungspolitisches Netzwerk Hessen (EPN)

Evangelische Akademie Frankfurt

Evangelische Kirche in Frankfurt am Main

Evangelische Studierendengemeinde (Bundes-ESG)

Evangelische Studierendengemeinde Frankfurt (ESG Frankfurt)

Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V. Dr. Pierette Fofana-Herzberger, Stadträtin Wendpanga Eric Segueda, freiberuflicher Katholische Akademie „Grüne Liste“ aus Erlangen und Sprecherin Journalist, betonte noch mal den Negati- Rabanus Maurus / Haus am Dom für Schule, Migration und Integration, wies vismus bzgl. „Afrika“ von Seiten der Me- Kirchliche Arbeitsstelle darauf hin, dass die Berichterstattung dien und der Hilfsorganisationen. Seiner Südliches Afrika (KASA) deutscher Medien über „Afrika“ voller Kli- Erkenntnis nach liegen die Gründe hierfür schees ist, die gerade in den vorweihnacht- u.a. in der Natur des Menschen, der mehr Ökumenisches Netzwerk Initiative lichen Zeiten bekräftigt werden. Frei nach an schlechten Neuigkeiten interessiert sei Kirche von unten (IKvu) dem Motto „bad news are good news“. als an positiven. Außerdem würden die Ökumenisches Zentrum Christuskirche Negative Schlagzeilen verkaufen sich besser Medien primär ein schlechtes Bild von und entsprechen dem Unterhaltungsbe- „Afrika“ zeichnen, da ein „unbewusster“ Oromo-Gemeinde Frankfurt dürfnis des hiesigen Publikums. Hungers- Rassismus bei den westlichen Journalisten The African Network of Germany not, korrupte Diktatoren, Krankheiten herrschen würde. Auch die Journalisten wie AIDS und neuerdings EBOLA sind würden in rassistischen Strukturen auf- Zentrum Ökumene der Evangelischen die Stereotypen, die das Afrikabild in den wachsen. Er ist der Auffassung, dass die Kirche in Hessen und Nassau Medien prägen. Sie wies außerdem darauf Bürger in Europa und in den westlichen hin, dass sie die Arbeit der Entwicklungs- Nationen im Allgemeinen keine Artikel organisationen als wertvoll erachtet und lesen würden, die nicht zu ihren eigenen respektiert. Jedoch sei das „Geschäft mit Vorstellungen passen. Deshalb spricht er den traurig aussehenden Kindern“ ein sehr vom Bedienen einer rassistischen Gesell- lukratives. Die „Entwicklungshilfe“ ist seit schaft durch die Medien. einigen Jahren zu der Idee der „Entwick- Zentral war in allen Vorträgen und lungszusammenarbeit“ gelangt, jedoch Diskussionen immer wieder die paternalis­ sind die Bilder, die nach wie vor benutzt tische Haltung Europas (oder des Westens werden, widersprüchlich. Sie betonen die im Allgemeinen) gegenüber „Afrika“. Die „überlegene“ Haltung des Westens gegen- eurozentristische Sichtweise auf die Welt über dem afrikanischen Kontinent, anstatt und im speziellen auf „Afrika“ wurde im- eine Zusammenarbeit mit einem Partner mer wieder als Problem zum Ausdruck auf Augenhöhe zu stärken. gebracht.

5-2014 / 1-2015 47 Verband Afrika neu denken

Dr. Florence Tsagué Assopgoum, Balufu Bakupa-Kanyinda, Dr. Boniface Mabanza Bambu 2. Konferenz „Afrika neu denken“ am 26. + 27. September 2014 in Frankfurt am Main

Eine ausführliche Dokumentation zu den Referent­Innen und zum Programm befindet sich auf unserer Website

www.afrika-im-zentrum.de

Joshua Kwesi Aikins, sprach über „das Angesichts der zahlreichen Konfe- fragile Ei der Macht“. Hierbei ging es um renzbesucherInnen und des erfolgreichen die konzeptionelle Vielfalt afrikanischer Verlaufs der Veranstaltung äußerten die politischer Systeme. Herr Aikins betonte, BesucherInnen und OrganisatorInnen den dass eine rein eurozentristische Vorlage Wunsch, den Frankfurter Afrika-Diskurs zur Gestaltung von Gesellschaftspolitik in auch in Zukunft fortzusetzen und eine Ländern, die multiethnisch geprägt sind, nächste Tagung 2015 stattfinden zu lassen. nicht ausreicht, um den Herausforderungen und Erwartungen afrikanischer Gesell- schaften gerecht zu werden. Er ist der Auf- Die Ethnologin Kathrin Schreivogl arbeitet fassung, dass die Diversität der indigenen in der ESG Frankfurt am Main in den Systeme bei der Konzeptionalisierung mit Bereichen Internationale Arbeit und Bera- berücksichtigt und einbezogen werden tung für ausländische Studierende an der sollte. Johann Wolfgang Goethe-Universität. Besonders deutlich wurde während der ganzen Veranstaltung, wie stark die dominanten Afrikabilder der deutschen Gesellschaft, in denen koloniale Perspek- tiven auf Afrika und Afrikaner/innen bis heute nahezu ungebrochen fortwirken, manifestiert sind. Zwar haben sich im Ver- lauf der letzten hundert Jahre die Vorstel- lungen über den afrikanischen Kontinent auch verändert, aber nach landläufigen Vorstellungen sind noch immer Europäer­ Innen das entscheidende Element zur Rettung der AfrikanerInnen. Denn noch immer sind „Mohrenkopf“ und „Neger- kuss“ nicht verschwunden.

Carolin Authaler, Dr. Pierette Fofana-Herzberger, Jamila Adamou, Wendpanga Eric Segueda, Marianne Pötter-Jantzen

5-2014 / 1-2015 48 3. aej/ESG-Forum Verband

Übergänge – Anschlüsse – Brüche 3. aej/ESG-Forum Wissenschaft und Praxis

Michael Freitag

In Kooperation mit der Eberhard Karls Universität Tü­ Fachleute aus verschiedenen europäischen Län- bingen (Lehrstuhl Friedrich Schweitzer) veranstalteten dern sowie aus Deutschland referierten über Modelle aej und ESG am 1. und 2. Oktober 2014 in Berlin ihr und Entwicklungen der Konfirmand(inn)enarbeit. Ins- drittes Forum Wissenschaft und Praxis. Thema waren besondere unter der Perspektive kirchlicher Entwick- „Übergänge – Anschlüsse – Brüche. Schnittstellen lungen, der oben genannten Übergangsfragen und zwischen der Arbeit mit Kindern, der Konfirmandenar- der konzeptionellen Verhältnisbestimmung der jewei- beit und der Jugendarbeit im europäischen Vergleich.“ ligen Arbeitsfelder zueinander und vor allem in einem Im Zentrum standen Forschungsergebnisse und Er- integrativen Gemeindekonzept. kenntnisse zur Konfirmandenarbeit (KA) in Deutschland Das Forschungsforum war mit rund 70 Teilneh­ und in verschiedenen europäischen Ländern sowie zu mer(innen) aus den verschiedensten Arbeitsbereichen Übergängen von der KA in die Jugendarbeit einerseits der evangelischen Kinder-, Jugend- und Studierenden- und von der Arbeit mit Kindern in die KA andererseits. arbeit sehr gut besucht und wird positiv bewertet. Dem zugrunde lagen erste Ergebnisse der Zweiten Bundesweiten und Internationalen Studie zur Konfir- mandenarbeit aktuelle Daten zur Michael Freitag empirischen Realität der evan- ist theologischer Grundsatzreferent der aej gelischen Kinder- und Jugend- in der aej/ESG-Geschäftsstelle arbeit in Deutschland (Statistik der evangelischen Kinder- und Vorträge und Präsentationen der Jugendarbeit auf Bundesebene Referent(inn)en unter und in Baden-Württemberg) http://www.evangelische-jugend.de/wup2014 sowie Ergebnisse der qualita- tiven Studie Brücken und Bar- rieren in Baden-Württemberg. v.l.: Dr. Wolfgang Ilg, Prof. Dr. Friedrich Schweitzer, Mike Corsa

5-2014 / 1-2015 49 Verband EKD-Synode 2014

EKD-Synode 2014 in Dresden Der analoge Blog der Jugenddelegierten

Sonntag 9.11.2014 9:30 Sonntag 9.11.2014 20:00

Obwohl schon gestern erste Treffen für die EKD-Synode ,,Wenn ihr komplett kopflos werdet, übernehme ich stattfanden und es bereits gestern einen Empfang den Laden“, Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hält das gab, geht es erst heute mit dem Gottesdienst in der Grußwort der Deutschen Bischofskonferenz. Das Zitat Kreuzkirche richtig los. Das Thema des Gottesdienstes ist aus seiner Rede wird über den gesamten Zeitraum der der 25. Jahrestag des Mauerfalls, dessen in verschie- Synodentagung in Erinnerung bleiben. denen Statements gedacht wurde. Den Tag über haben wir die unterschiedlichsten Die #ekdsynode beginnt. Landesbischof Bohl pre- Grußworte verschiedenster Menschen und entsen­ digt über die Rolle von ChristInnen in der Gesellschaft dender Organisationen gehört, zum Beispiel von und die Wichtigkeit des Engagements für andere Thomas de Maizière, Alois Glück und nun eben von Menschen und die Schöpfung. Reinhard Marx. Gerade der Beitrag von Thomas de Maizière ging über den Umfang eines Grußwortes eher hinaus und war politisch, zu den Themen Flücht- linge und Islamismus durchaus kontrovers. Und her- Sonntag 9.11.2014 16:00 ausfordernd. De Maizière stellte Fragen an die Synode. Z.B. zur Flüchtlingspolitik: „Wie wollen wir damit um- Der scheidende Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider gehen? Da, glaube ich, müssen wir alle, die Kirchen, berichtet aus der Arbeit des Rates. Im mündlichen Teil der Staat, unbequeme Fragen stellen. Ich will einige des Berichtes geht der Ratsvorsitzende in der Regel nennen: Wen nehmen wir auf jeden Fall auf? Sicher- auf die Themen ein, die ihm besonders am Herzen lich die politisch Verfolgten. Dort gibt es auch keine liegen. Das waren in diesem Jahr theologische An- Obergrenzen. Wen nehmen wir nicht auf? In welchen merkungen zum kürzlich erschienen Grundlagentext Verfahren wird das entschieden? Was geschieht nach „Rechtfertigung und Freiheit – 500 Jahre Reformation 2017“. Dieser Text beschäftigt sich mit den Lehren der Reformation aus heutiger Sicht und ist sicherlich auch Jugend blogt für ESGn ein interessanter Text in der Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum 2017. Aber auch ein Blick auf die Ökumene, auf innerkirchliche Prozesse und auf die Krisen dieser Welt (die Lage in der Ukraine, im Gaza-Streifen oder in Syrien). „Erste Aufgabe der Kirche ist Beten und humanitäre Nothilfe – für unsere bedrohten Glaubensgeschwister, aber auch für alle anderen unter der Gewalt leidenden Menschen“, betonte der Ratsvorsitzende.Er bittet außer- dem darum, „im Gebet, in der Bereitschaft zu spenden und in der Flüchtlingshilfe nicht nachzulassen“. Ein weiterer wichtiger Abschnitt des Berichts galt der ab nächster Woche im Bundestag geführten De- batte zur Sterbehilfe. Hier bekräftigte Herr Schneider die grundsätzliche Ablehnung der EKD zur Selbsttötung und der Beihilfe zur Selbsttötung, sprach sich aber auch für einen Ausbau der Palliativmedizin und gegen eine „unsinnige Behandlung am Lebensende“ aus.

5-2014 / 1-2015 50 EKD-Synode 2014 Verband

Montag 10.11.2014 13:00

Abschluss der Verfahren? Ist das Ergebnis der Verfahren Das Schwerpunktthema ist zu Ende besprochen, wir folgenlos oder nicht? Wann kann die Kirche in einem haben 3 Vorträge zur Kirche in der digitalen Gesell- Rechtsstaat ihre eigene Beurteilung über einen Ein- schaft gehört. In einem hat Professor Grethlein aus zelfall an die Stelle von Verwaltung und Gerichten Münster über die Dimensionen von Gemeinde in der stellen und mit welcher Legitimation? Welche Maß- digitalen Gesellschaft gesprochen, die Professorin stäbe wollen wir anlegen?“ Geesche Joost (Internetbeauftragte seit 1914 ähh 2014) hat über den Nutzen des Internets gesprochen und die Professorin Caja Thimm über die Grundlagen gu- ter Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Netzwerken und warum die evangelische Kirche darin nicht so gut ist. Nach diesen im Plenum sehr kontrovers diskutierten Vorträgen ging es in die Foren. Dort haben wir uns über die verschiedenen Dimensionen des Themas ver- tieft unterhalten.

Dienstag 11.11.2014 10:00

Heute ist der Tag der Wahlen. Am Morgen findet die Nachwahl in den Rat der EKD statt, wo, nachdem Niko- laus Schneider von allen Ämtern zurückgetreten ist, um die Zeit mit seiner an Krebs erkrankten Frau Anne zu verbringen, ein Platz frei ist. Wie zu erwarten wird der einzige Kandidat, Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, neues Montag 10.11.2014 9:00 Ratsmitglied. Auch der Nachmittag steht im Zeichen der Wahlen, Wir Jugenddelegierte halten die heutige Bibelarbeit einer Wahl über die die Medien bereits länger berich- zum Thema Kommunikation des Evangeliums in der tet haben: der Wahl des Ratsvorsitzenden der EKD. digitalen Gesellschaft, dem Schwerpunktthema der Auf der Synode war der Name des für diesen Posten Synode. Wir ermutigen und hinterfragen mit der nominierten Menschen nicht offen genannt worden, Pfingstgeschichte: in den Medien war er bereits publik. Nominiert und „Eine Kirche, die nicht bei sich selbst bleibt, sondern mit großer Mehrheit gewählt ist Heinrich Bedford- Kommunikation des Evangeliums in allen Sprachen Strohm, Bischof der bayerischen Landeskirche. lebt, befähigt durch den Heiligen Geist. Das ist das Bereits in seiner Bewerbungsrede bringt er zum Ergebnis des Pfingstereignisses wie wir es in der Apos­ Ausdruck, wie wichtig ihm das Engagement junger telgeschichte lesen. Gilt das auch noch für uns heute? Menschen in der Kirche und wie wichtig die Präsenz Sind auch wir eine Kirche, die begeistert ist und be- der Kirche im Internet ist. geisterte Kommunikation des Evangeliums lebt? Oder Hoffentlich hat die evangelische Kirche in ihm einen müssen wir genau das vielleicht neu lernen?“ Ratsvorsitzenden, der sich für die Belange der Jugend- „Wenn wir wollen, dass uns die Kommunikation arbeit wie auch der Studierendenarbeit einsetzt und des Evangeliums in der Digitalen Gesellschaft gelingt, sie stärkt. dann müssen wir raus – aus der bequemen Nische, aus den vertrauten Gebäuden, aus der Sicherheit der Strukturen, aus der kontrollierbaren Kommunikation – hinein in die Lebenswelten der Menschen. Bewegt, begeistert, ansprechend.“

5-2014 / 1-2015 51 Verband EKD-Synode 2014

Dienstag 11.11.2014 18:00 Mittwoch 12.11.2014 22:00

Bisher gab es die Tradition, dass die Jugenddelegierten Nachmittags wurden die Gesetzestexte, der Haushalt ein Essen mit dem Ratsvorsitzenden und der Präses und weitere Anträge in der Synode abgestimmt. Die haben. Aber da alle Medien derzeit Interviews mit Synode fasst Beschlüsse zur Willkommenskultur für Heinrich Bedford-Strohm führen, treffen wir uns mit Flüchtlinge in Deutschland, aber auch zum Umgang dem gesamten Präsidium der Synode. Da das Schwer- mit Flüchtlingen in Europa, zur Lage der Christinnen punktthema der Synode auf Anregung der Jugend- und Christen im Südsudan ebenso wie zur Thematik des delegierten entstand, werden wir immer in gewisser Human Trafficking auf der Sinai Halbinsel, zu Fracking Weise als Experten gehandelt, unsere Meinung zum und zu TTIP. Kundgebungsentwurf ist von Interesse. Zum Abschluss gibt es einen sehr schönen ge- Am Ende des Essens gehen wir mit dem Gefühl, meinsamen Gottesdienst, in dem auch der neue Rats- gehört worden zu sein. vorsitzende in sein Amt eingeführt wird, gefolgt vom „Donnerschweh-Abend“, an dem die Ereignisse der letzten Tage von allen kabarettistisch verarbeitet Mittwoch 12.11.2014 10:00 werden. Wer Lust hat noch mehr zu lesen, sei auf die Seiten der Heute steht vor allem die Beschlussfassung über den EKD verwiesen oder auf den Blog (http://ekdjugend. Kundgebungsentwurf und der gestellten Anträge im tumblr.com), in dem wir während der Synode gepostet Zentrum der synodalen Aufmerksamkeit. Der Kund- haben. gebungsentwurf wurde nach den Diskussionen im Plenum und in den Foren durch den Themenausschuss Wir freuen uns, wenn der Kundgebungsentwurf und noch einmal verändert und wird in der neuen Form im die gefassten Beschlüsse in unseren Gemeinden gelesen Plenum noch einmal intensiv diskutiert. Wir bringen und diskutiert werden. uns als Jugenddelegierte an vielen Stellen ein, wobei uns besonders wichtig ist, dass möglichst viele kon- Viele Grüße krete Punkte in die Kundgebung aufgenommen wer- Elisabeth Neuhaus und Thomas Rahimi den. Besonders freuen wir uns, dass die Synode dafür Jugenddelegierte stimmt, den Absatz „Der Rat der EKD wird gebeten, innerkirchliche und externe Expertinnen und Exper- ten, bestehende Projekte, Initiativen und Institutionen in Bezug auf die digitale Gesellschaft ins Gespräch zu bringen und zu vernetzen.“ noch mit in die Kundgebung aufzunehmen.

Die Jugenddelegierten im Gespräch mit dem neuen Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm Die Jugenddelegierten

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Aufruf zum Ungehorsam

Rezension von Sebastian Dittrich

Beide großen Kirchen sind von einer be- von selbstständig denken Menschen heute Aber ist das im Sinne des Jesus von ständigen Erosion mit stetig sinkenden kaum noch geglaubt werden kann. So geht Nazareth? – Nein. Schon Gotthold Ephraim Mitgliederzahlen betroffen. Auch die Ge- Koch auch besonders „heiklen“ Frage nach, Lessing stellte die Frage nach dem Glauben genstrategien sind sehr ähnlich, insbeson- sei es der „fundamentalistischen Zumutung“ Jesu. Und in der Tradition der Aufklärung dere die Aktivitäten auf dem Gebiet der des apostolischen Glaubensbekenntnisses, können ChristInnen nicht an der Frage Mission (bzw. Neu-Evangelisation) und und nicht zuletzt der zählebigen Lehre vorbei gehen, ob nicht die überkommenen einer stärkeren Qualifizierung der Verkün- vom stellvertretenden Opfertod Jesu. Und kirchlichen Dogmen die Lehren Jesu ver- digung. Gemessen am Aufwand ist eine es wird deutlich: Zwischen dem Evangelium zerren, und aus dem großen Propheten Trendwende aber bisher kaum erkennbar. Ob Gottes, der frohen Botschaft des Jesus von nicht ein entrückter Gottessohn geworden es daran liegt, dass die bisherigen Bemü- Nazareth, und der Lehre über ihn, die sich ist, den sich kirchliche Hierarchien nach hungen sich vorwiegend mit dem „Wie“ in kirchlichen Dogmen manifestiert, be- eigenen Bilde geschaffen haben. Doch je- der Verkündigung, aber nur wenig mit dem stehen erhebliche Unterschiede. Kirchliche ner Jesus, der zu seinem Abba (geliebten „Was“ beschäftigen? Dogmen sollen nicht mehr gehorsam ge- Vater) ein so inniges persönliches Verhält- Der Frage nach dem „Was“ geht das glaubt werden. Vielmehr ist der Prophet nis hatte, dem waren Hierarchien zuwider, neue Werk „Glaubensbefreiung“ von Her- Jesus ernst zu nehmen. Selbstständiges der verachtete das zeitgenössische Pries- bert Koch nach, mit der radikalen These: Denken der freien Christenmenschen ist ­tertum. Dass der Jesus, wie er in der altkirchlich- angesagt – das flüssig lesbare wie unter- Im Glauben dieses Jesus von Nazareth, dogmatischen Überlieferung geworden ist, haltsame Buch ist dazu ebenso Ermuti- nicht der Lehre über ihn, hat ein Priestertum gung wie ein Aufruf zum Ungehorsam. keinen Platz mehr. Eine (römisch-)katho- Zunächst beleuchtet Koch kenntnis- lische Kirche mit einer real existierenden reich, wie aus dem Evangelium Gottes die Trennung von Priestern (Geistlichen) und real existierende Kirche werden konnte. Laien kann sich nicht auf Jesus berufen. Der Weg zur Priesterkirche führt über die Ebenso wenig die evangelische Pastoren- missbräuchliche Auslegung der Paulus- kirche. Die vermeintlichen Laien bedürfen Briefe, die Selbstermächtigung der Bischöfe keiner Glaubensvermittlung durch einen in der Tradition des Ignatius von Antiochien geistlichen Stand und studierte Theolog­ bis hin zur Sündenlehre des Augustinus. Innen. Für freie Christenmenschen, ins- Daraus folgen der Zölibat, die Herabsetzung besondere Nicht-TheologInnen ist dieses der Frauen und die Differenzierung der Buch geschrieben. Und man muss sagen: Christenheit in Geistliche und ihnen unter­ Es ist ein sehr protestantisches Buch. Seine geordnete so genannte Laien. Die Sünden- wesentlichen Bezugspunkte sind insbe- lehre machte einen Klerus unentbehrlich, sondere der frühe Luther, Adolf von Harnack der die Gnadenmittel verwaltete, die angst- – und als geradezu lustvoll zerlegter Wider- erfüllte Gläubige vor den Folgen der Sünde part Benedikt XVI. schützen sollen. Es sind gerade die so genannten Auch damit wollte der frühe Luther „Laien“, die Koch, ganz in der Tradition des aufräumen. Er entdeckte das Priestertum frühen Luther, ermutigen will, ihre, unse- aller Getauften neu, und die Rechtfertigung re Kirche(n) zu verändern. Sie sollen sich, aus Gnade, die der Höllenangst ein Ende wie es die Aufklärung fordert, ihres eigenen machte. Aber auch diese Reformation blieb Verstandes bedienen. Damit aber haben unvollendet. Und so hat sich auch in den die Kirchen nach wie vor ein Problem. Nach Herbert Koch Kirchen der Reformation ein geistlicher wie vor haben die Kirchen zur Gedanken- Glaubensbefreiung. Notwendige Stand herausgebildet. Auch in den evan- und Gewissensfreiheit kein positives Ver- Reformen in Theologie und Kirchen. gelischen Kirchen dominieren die Amts­ hältnis entwickelt. Vielmehr macht Koch Publik-Forum Verlagsgesellschaft, trägerInnen, die sich weithin selbst als Kirche Tendenzen zur Sektenbildung aus: Zu to- Oberursel 2014. verstehen. Entgegen allen Beteuerungen talitären Gemeinschaften, die ihren Mit- ISBN 978-3-88095-259-1 stehen „Laien“ und „Geistliche“ auch hier gliedern vorschreiben, was zu glauben ist. 200 S., 17,90 Euro nicht auf einer Stufe. Dabei liegt der Fokus aber sehr stark auf

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der römisch-katholischen Kirche. In der wortung zu übernehmen. Da auch die Or- ernst zu nehmen. Man muss das apos­ „ungestalteten Liberalität“ der evange- dination allein eben keine Sonderstellung tolische Credo nicht als „fundamentalistische lischen Kirchen sieht Koch immerhin noch der Pastorinnen und Pastoren begründet, Zumutung“ betrachten, wie Herbert Koch. Veränderungspotenzial zum Besseren. können und sollen sie stärker an der Ver- Aber die von ihm aufgeworfene Fragen Was aber für die Glaubensbefreiung kündigung teilhaben. Gerade sie stehen in sind Anstoß, selber zu denken. Und den ei- gebraucht wird: engagierte Nicht-Theolog­ der Tradition des „Laienpredigers“ Jesus genen Christenglauben von lehramtlichen Innen, die fähig und bereit sind, sich ihres von Nazareth. Glaubensbefreiung heißt, Bevormundungen zu befreien. Verstandes zu bedienen und mehr Verant- diesen Propheten, sein „Evangelium Gottes“

Das (angebliche) Ende des liberalen Paradigmas

Rezension von Sebastian Dittrich

„Das Ende des liberalen Paradigmas“ – das Kreativität oder pastorale Pathologie“ klingt zunächst nach verkaufsfördernder durchzuarbeiten. Viele Miss-Stände werden Provokation. Dabei handelt sich genau klar benannt und zum Teil überraschende genommen um den Untertitel des Buches wie unbequeme Schlussfolgerungen ge­- „Kirchenbindung und Religiöse Kommu- zogen. Auf insgesamt 169 Seiten kann nikation“. Denn darüber hat sich Gerhard Wegner mit vielen erfrischenden Hinwei- Wegner, Leiter des Sozialwissenschaftlichen sen aufwarten, wie die Kirchenbindung Instituts der EKD, vor allem Gedanken nachhaltig gestärkt werden kann. Dazu gemacht. Seine Thesen entfalten sich in Vor- gehören Ausführungen zu Gottesdienst- trägen, Zeitschriftenbeiträgen und Essays, Gestaltung, geistlicher Leitung, Gemeinde-­ die in diesem Band vereinigt sind, der Entwicklung, den unterschiedlichen Formen pünktlich zur Veröffentlichung der V. EKD- von Kirchenbindung bis hin zu potenziell Kirchenmitgliedschaftsstudie erschienen ist. unterschätzten neuen Zielgruppen. Viele Gerhard Wegner Anders als es der Titel erwarten ließe, Anstöße für ChristInnen und Gemeinden Religiöse Kommunikation und fehlt es zunächst an einer klaren Definition wieder „etwas zu wollen“. Leider wird oft Kirchenbindung. Ende des liberalen religiöser Kommunikation. Daran herrscht sehr pauschal auf „die Wirtschaft“ ver- Paradigmas? ja angeblich Mangel. Negative Abgrenzun- wiesen, um in den Kirchen bisher unge- Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2014. gen, was nicht religiöse Kommunikation wohnte Konzepte einzuführen. Besonders ISBN: 978-3-374-03912-8 sei oder eher soziale Aktivität, schaffen ärgerlich ist aber der Grundtenor: Das so 462 S., 19,90 Euro. nur begrenzt Klarheit. Die durchgängigen genannte „liberale Paradigma“ sei am Ende, Ausweitungen und Differenzierungen der es habe zu lange kirchliche Passivität Thesen sind geeignet, lange Akademievor- gefördert. träge zu gestalten, jedoch einem leichten Für Wegner hat das „liberale Paradig- Leseverständnis abträglich. Wer schneller ma“ die Hauptschuld an der nachlassenden zum Kern vorstoßen möchte, sollte nach Kirchenbindung und mangelnden Religiosi- der Einleitung fünf Kapitel überspringen tät der Kirchenmitglieder. Es stimme einfach und gleich zum Resümee „Wie können wir nicht, dass jeder Mensch irgendwie religiös die Bindung an die Kirche stärken“ über- sei, und die Kirche bloß zu dogmatisch gehen. Das Thema Kirchenbindung bildet und autoritär, um damit umzugehen. Re- ohnehin den eigentlichen Schwerpunkt. ligiöse Kommunikation finde außerhalb Dennoch lohnt es, sich durch „Teaching der Kirchen kaum noch statt. Nun hätten an elephant to dance“ bis hin zu „Religiöse sich liberale wie konservative Theolo-

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gen vor 100 Jahren wohl kaum vorstellen ten“ (53)? Als ob Kirche Tupperware für mehr ihrer Differenz zur Gesellschaft ver- können, dass es in Deutschland Atheisten bisher unbekannte Verwendungszwecke sichern – und ihre christlich-religiösen in der dritten (oder mehr) Generation ge- verkaufte. Grundlagen betonen (13). Aber wer defi- ben könnte, die Kruzifixe eher mit dem Bemerkenswert ist bei den zitierten niert diese christlich-religiösen Grundlagen? Spartacus-Aufstand verbinden. Dass frei Quellen das Übergewicht von EKD-Mit- Von einem wirklichen Konsens über man- denkende Menschen aber mit zentralen gliedschafts-Untersuchungen und anderen che „Grundlagen“ kann ja keine Rede sein. Dogmen der Kirche nicht zurechtkommen, kirchlichen Studien, deren Ergebnisse se- Weiterhin könnte man auf vergangene und sie als Zumutung empfinden – jenseits lektiv herangezogen werden, um eigene Differenzierungen zur Gesellschaft ver- eines persönlichen Gottesbezuges und der Thesen zu stützen. Was ist aber mit an- weisen, ja, auf bewusste Gegnerschaft der Wertschätzung Jesu – das ist keine neue deren Studien, die klar zeigen, dass eine Kirche(n) zur vermeintlich „unchristlichen“ Erscheinung. Eine liberale, undogmatischere wachsende Minderheit auch in den Kirchen modernen Gesellschaft der Weimarer Re- Theologie hätte dazu manches anzubieten. zentrale Glaubensinhalte, oder besser: publik. Die Folgen sind bekannt. Auf dieses Angebot haben sich aber kirchliche Dogmen nicht mehr glauben Auffällig ist nicht zuletzt der schwache auch die evangelischen Kirchen nie wirk- kann (z.B. Ebertz et al. 2012: „Was glauben Evangeliums-Bezug. Das ist nur scheinbar lich einlassen wollen. Insofern kann von die Hessen?“)? Wenn religiöse Kommuni- ein Widerspruch zur Forderung nach mehr einem „Ende“ des liberalen Paradigmas kation aber nicht nur kirchlicher Monolog religiöser Kommunikation – die ja eigent- gar keine Rede sein – es hat sich ja nie sein soll, dann muss Kirche auch hören, lich auch auf die Heilige Schrift bezogen wirklich durchgesetzt. Tatsächlich haben was Menschen am Glauben hindert und sein müsste. Vielmehr steckt wohl Absicht die evangelischen Landeskirchen den ihnen (vielleicht ganz unnötig) im Wege dahinter, denn so manche These steht im freien Christenmenschen bisher kaum steht. Auch wenn es hier um eine Minder- diametralen Gegensatz zur Verkündigung zugetraut, die durch Aufklärung und li- heit geht, biblisch wäre es gut begründet: Jesu. Ein Beispiel: „Die Kirche bindet nicht berale Theologie eröffneten Freiräume Denn „die Gesunden bedürfen des Arztes am besten Mitglieder, indem sie ihren Mit- auszufüllen. Man mag auf Kirchentagen nicht, sondern die Kranken“ (Lukas 5,31). gliedern hinterherläuft […] schon gar nicht das Feierabendmahl begehen – das Abend- Wobei auch der Kranke (Zweifelnde) den den Distanzierten. Das tut im Übrigen auch mahl im sonntäglichen Gemeindegottes­ Arzt heilen könnte, wenn der Arzt sich selbst kein Unternehmen in der Wirtschaft“ (41). dienst verzichtet kaum auf das Agnus dei. hinterfragen kann und dadurch neue Pers- Der Theologe Wegner sollte wissen, dass Das apostolische Credo bleibt im Haupt- pektiven entwickelt. Jesus von Nazareth anderes predigte – gottesdienst die Regel. Ganz gleich, ob Offenkundig werden „individualisierte“ siehe das Gleichnis vom verlorenen Schaf dessen zentrale Inhalte noch geglaubt Formen von Religion hier nicht als Heilung (Lukas 15, 4-7). werden. Wer nicht glaubt, und das kon- angesehen, und sie werden auch eher pro- Nun könnte man einwenden, dass Jesus ventionelle TheologInnen-Sprech (s. „in blematisiert denn als integrationsfähig kaum an eine institutionalisierte Kirche ge- und durch Christus“) nicht versteht, bleibt betrachtet. Aus Wegners Sicht muss viel- dacht hat, einen individuellen Gottesbezug dann eben häufig fern. mehr die (kirchliche) „Gemeinschaft vor lebte und weithin von Gott-vertrauender Einerseits meint man, selbst Skeptikern Ort“ gestärkt werden – so dass die indi- Endzeiterwartung getragen war. Eine einen überkommenen Dogmenglauben vidualisierten Menschen daran andocken Kirche, die offenkundig an mittelfristiger widerstandslos verabreichen zu können, können. Denn ihre Individualreligionen ha- Selbsterhaltung und Besitzstandswahrung andererseits werden mündige ChristInnen ben ja keine eigene Sozialgestalt. Sie sollen interessiert ist, kann sich das natürlich nicht verhätschelt, vermeintlich unbequeme sich gleichsam am harten Kern (nämlich zu Eigen machen. Was aber, wenn der Glaubenssätze in einer „Kultur der Harm- der kirchentreuen ChristInnen) anlagern. Fortbestand der Kirche, und mit ihr die Kir- losigkeit“ (13) verwässert und selbst von Wenn der harte Kern aber zur Sekte dege- chenbindung, zum Selbstzweck verkommt, Gott wird kaum noch geredet. In jedem neriert, was dann? Die Ähnlichkeit mit der der vom eigentlichen Gottesdienst abhält? Fall werden freie Christenmenschen nicht von Benedikt XVI. propagierten „Minder- Dann gebührte auch Bindung und Loyalität ernst genommen. So verstanden, wäre heitenkirche“ und ihren „kleinen lebendi- zuallererst Gott selbst – der zweifellos auch Niedrigschwelligkeit tatsächlich das gen Kreisen von wirklich Überzeugten und auch ohne und außerhalb der Kirche exis- „Unwort der Dekade“ (18). Nicht aber, wenn Glaubenden“ ist hier mit Händen zu greifen tiert und wirkt. Gottesdienste und gemeindliche Angebote (Ratzinger/Benedikt XVI. 2005/1996). sich auf unterschiedlichen Religiositäten Die Gefahr einer möglichen Sekten- und Frömmigkeiten (sofern vorhanden) Bildung ist Wegner wohl bewusst. Dennoch einstellten. Und die vermeintlich „gute redet er auch einer religiösen „Erweckung“ Praxis“ nach überhohen Barrieren hinter- das Wort. Zwar will er diese nicht als Ab- fragten. Sollte man sich aber auf Strategi- kopplung von sozialem und gesellschaft- en der „Wirtschaft“ einlassen, die „genau lichem Engagement verstanden wissen. [weiß], dass die Menschen oft gar nicht Aber die Kirche solle ihre „Außenseite“ wissen, was sie selbst wünschen könn- stärken. Ihre Sozialethik solle sich wieder

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Jugend ohne Arbeit

Rezension von Eckart Stief

Der langjährige Kaiserslauterer ESG-Förderer europäische Ausland mag dem engagierten Joachim Münch, emeritierter Professor für Autor dabei Recht geben. Pädagogik, insbesondere Berufspädagogik, Seine Ausführungen gliedern sich in am Fachbereich Sozialwissenschaften der dreizehn auch im Einzelnen gut lesbare TU, überrascht mit einer kurzweiligen, sehr Abschnitte, gefolgt von einem Resumee ernst zunehmenden Betrachtung über ein (Kap. 14) und einem umfangreichen Litera- in diesen Tagen eher in den Hintergrund turverzeichnis, das die Vertiefung ermög- getretenes Thema. Als Bildungsforscher licht. Dabei haben die ersten vier Kapitel geht er auf vielfältige Ursachen von Ar- (Recht, Bedeutung, Geschichte, Statistik) beitslosigkeit ein (und darüber hinaus auf grundlegenden Charakter, die Teile fünf die Bedeutung von Arbeit schlechthin – bis elf wenden sich daraufhin explizit dem Pascal: „Nichts ist dem Menschen unerträg­ Problem Jugendarbeitslosigkeit zu. Münch licher als völlige Untätigkeit …“), immer stellt dar, „welche Folgen Arbeitslosigkeit mit dem Focus auf Jugendarbeitslosigkeit. insbesondere für junge Menschen hat“ Joachim Münch Vor allem aber hebt er die für Individuum und „welche Maßnahmen dazu beitragen Jugend ohne Arbeit. Eine unendliche und Gesellschaft verheerenden Folgen können, das Problem der Jugendarbeits­ Geschichte? hervor, sollten nicht ständig erforderliche losigkeit (…) zu minimieren“ (S. 4). Auf das Baltmannsweiler (Schneider Verlag wirtschafts-, beschäftigungs- und bildungs- duale Berufsbildungssystem, das er für Hohengehren) 2014 politische Anstrengungen erfolgen. Die Deutschland einen „Glücksfall“ nennt, geht 120 Seiten, 14,00 Euro Stimme eines Mahners. Der Blick auf das er abschließend ein (Kap. 12 und 13). Ab- ISBN: 978-383401385-9

Buchempfehlung »Die Friedliche Revolution muss weiter gehen«

Buchempfehlung von Stud. Pfr. Johann-Hinrich Witzel, ESG-Halle

Die Stiftung Friedliche Revolution ist Platt- Ein einzigartiges Buch mit zahlreichen Bil- form für alle Bürger, die sich für Gewaltlosig- dern und einer detaillierten Jahreschronik, keit, Frieden, Demokratie und kultu­relle die Tag für Tag die Entwicklungen nach- Vielfalt engagieren wollen. Diese hat ein zeichnet, die 1989 zum Revolutionsjahr Buch herausgegeben, das 25 Jahre nach dem machten. Ein lesenswertes Buch und eine Ende der SED-Herrschaft mit 57 Beiträgen Fundgrube für alle, die den Rückblick nicht namhafter Zeitzeugen und Journalisten scheuen: informativ, leserfreundlich und auf die vielfältigen Aspekte aufmerksam unterhaltsam – sowohl für die, die dabei machen will, die zum Herbst 1989 führten, waren und sich gern erinnern, aber auch Das Buch kann bestellt werden: oder die Eindrücke aus der Zeit der Demons- für die, die nicht dabei sein konnten und per Post an Stiftung Friedliche Revolution, trationen festhalten. Es trägt den Titel mehr wissen wollen. Nikolaikirchhof 3, 04109 Leipzig; „Das Revolutionsjahr 1989 – Ein Lesebuch per Mail an [email protected] mit Jahreschronik“, hat einen Umfang von oder im Buchhandel 208 Seiten und kostet 19,89 Euro. (ISBN-Nummer: 978-3-00-046724-0)

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bildungen und Tabellen dienen dem Beleg platz zu finden. Münch zitiert die fran- „Eine unendliche Geschichte?“ fragt und der Veranschaulichung. zösische Wissenschaftlerin Tammeveski der Autor in der Überschrift seines Buches. Im ESG-Kontext interessiert seine („Jeune, Dynamique, sans Emploi“), die den Arbeitslosigkeit, und damit auch Jugend­ Darstellung über Jungakademikerinnen und Begriff Generation Praktikum durch die arbeitslosigkeit, werde eine bleiben. „Staats- -akademiker (Kap. 8, „Jungakademiker – Begriffe „Géneration prekär“ bzw. „Géne- schuldenkrisen und die Bankenkrisen (…) sicher und dauerhaft in den Beruf?“) in be- ration sacrifiée“ (aufgegebene Generation) sowie demographische Entwicklungen und sonderer Weise. Grundsätzlich trifft ohne abgelöst sieht: die Realität nach dem Stu- kaum beherrschbare ökonomische Inter­- Zweifel Münchs These zu, Arbeit sei ein dium sei „für die meisten deutschen und dependenzen in einer globalisierten Welt wichtiger Faktor für soziale Anerkennung französischen Uni-Absolventen mehr als machen (…) deutlich, wie schwierig es (…) ist, und ein „Nährboden für das Selbstwert- ernüchternd“. Auf die Frage, ob Hochschulen wünschbares Wachstum der Wirtschaft gefühl“, was somit auch für Hochschulab- der so genannten Employability ihrer Ab- und eine positive Entwicklung des Be- solventinnen und -absolventen gilt, mit solventinnen und Absolventen zu wenig schäftigungssystems zu sichern.“ (S. 107) dem Unterschied, dass diese ein gerin- Gewicht beimessen, geht Münch leider Doch Minimierung, darauf weist Joachim geres „Arbeitsmarktrisiko“ hätten. Es sei nicht näher ein. Münch mit Nachdruck hin, ist möglich. positiv zu konstatieren, „dass kein Bereich Aufschlussreich, auf dem Hintergrund Ein Buch, das man nachdenklich aus des Gesamtbildungssystems in den letz- entsprechender OECD-Studien, ist sein der Hand legt – ein Thema, gut geeignet ten Jahren so stark expandiert ist wie das Plädoyer für das duale System der Berufs- für eine abendliche ESG-Gesprächsrunde. Hochschulsystem mit seinen gegenwärtig bildung, das sich „zunehmender interna- über 2,5 Millionen Studierenden, von de- tionaler Wertschätzung“ erfreue (S. 88). nen über 45% Frauen sind“ (S. 49) – 1950 Dessen „Präsenz“ und „Offenheit“ könnten Studierendenpfarrer Eckart Stief gab es im alten Bundesgebiet 120.000 bei entsprechenden Bemühungen Vorteile ESG-Zentrum Kaiserslautern und Studierende, davon 3% Frauen. Allerdings für benachteiligte Jugendliche (die die Schu- Homburg/Saar gebe es seit Jahren eine wachsende Zahl le mit schlechtem Ergebnis bzw. ohne von Jungakademikerinnen und -akademi- Abschluss verlassen und deshalb von Ar- kern, die Schwierigkeiten hätten, einen ihrer beitslosigkeit am Stärksten betroffen sind) Qualifikation (!) entsprechenden Arbeits- bedeuten.

Buchtipp Den Glauben gemeinsam feiern

„Die Ökumene ist lebendig, sie steht zu- Gottesdienste einmünden konnten in eine sammen, feiert inspirierende Gottes- gemeinsam entwickelte gottesdienstliche dienste und kann tragfähige Perspekti- Spiritualität. ven entwickeln.“ Das war die Erfahrung Das Buch will Wege aufzeigen, wie von Seelsorgerinnen und Seelsorgern, eine verantwortete ökumenische Glau- Menschen an der Basis von Hochschulge- benspraxis gelingen kann, die nicht bei meinden und Kirchengemeinden während dem stehen bleibt, was die Kirchen heu- einer Fachtagung „Eingeladen zum Fest te noch trennt, sondern das gemeinsam des Glaubens“ im Vorfeld zum 2. Ökume- Mögliche realisiert. nischen Kirchentag in Freising/München. Der vorliegende Band fasst Beiträge Den Glauben gemeinsam feiern. und Reflexionen der Teilnehmer/-innen Liturgische Modelle und Reflexionen und Referenten/-innen zusammen. Die- für eine gelingende Ökumene se Fachtagung hat ausgezeichnet, dass Robert Lappy | Hermann M. Probst (Hrsg.) sowohl theologische Reflexion und wis- Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2014 senschaftlich fundierte Vorträge als auch ISBN 978-3-374-02922-8 Berichte über gelungene ökumenische 180 Seiten, 19,90 Euro

5-2014 / 1-2015 57 Weihnachtsrätsel

Weihnachtsrätsel von Annette Klinke

Die Suchbegriffe:

Adventskranz N J L A M E T T A F T K P L D Anis Baumkerzen I E I S U W U N D E R O Y G E Braten Eis 6X K S H M A R I A V U I M R I I Engel Esel 2X O U E C B R A T E N H E A E L Gänse Glühwein L S I E N A C E N N A T M W S Hirt Hirten A N S I E N U H T T T M I Z T Jahr Jesus U E N N N A Ä M S I N A D N H Kerze Komet S T E R N E  M K E R Z E E C Lametta Lichter C R H U A J A H R E I S L N A Märchen Maria L I C H T E R H A E R Ä E N N Nikolaus Nüsse E H Z E S T E R N E H Z S A H Plätzchen Printen G G T N E F P A Z S Y C E T I Pyramide Räuchermännchen N M Ä R C H E N P E I S U N E Ruhe Sterne 2X E G L Ü H W E I N L E M R Ä W Tanne Tannenbaum T E P R I N T E N Ü S S E N R Tannenzweig Wärme Weihnachtslied Alle Suchbegriffe sind in den Buchstaben Unter den richtigen Einsendungen verlosen Wunder zu finden, sowohl waagerecht als auch wir drei Geschenkpakete. Zapfen senkrecht und diagonal, in allen Varianten Einsendeschluss: Der Montag nach dem Zimt können die Buchstaben auch rückwärts Weltgebetstag der Frauen und dem Inter- sowie von unten nach oben verwendet nationalen Frauentag 2015. werden. Einzelne Buchstaben können auch zu mehreren Begriffen gehören. Die Lösungsvorschläge bitte per Post an die nichtverwendeten 17 Buchstaben bilden ESG/aej-Geschäftsstelle (s. Impressum) die Lösungswortgruppe. oder per e-mail an [email protected] Betreff: Preisrätsel.

5-2014 / 1-2015 58 Bücher & Materialien

CD des Jahres Bundes-ESG-Geschäftsstelle in Hannover

Klaus Hoffmann: Pharmakon: Melancholia (2000) Abandon (2013) Stille Music (Indigo) Sacred Bones (Cargo Records)

Meine CD des Jahres 2014 ist alles andere als neu, und als ich sie Maximaler Schmerz geschenkt bekam, dachte ich, naja, ist ja nett. Ich bin kein Fan von Die 22jährige New Yorkerin Margaret Chardiet macht unter dem Klaus Hoffmann, manche seiner Liedtexte sagen mir nichts. Doch Namen Pharmakon („Arznei“) elektronisch erzeugte Musik, die die CD „Melanchoila“ aus dem Jahre 2000 ist mir in diesem Jahr nicht darauf zielt, beim Hörer wohlige Gefühle zu erzeugen oder zur Trost-CD geworden. Für das Jahr 2014 hätte ich sowohl in be- in Fahrstühlen konsumiert zu werden. Wo hier der Hammer hängt, ruflicher als auch in privater Hinsicht sehr viele Verbesserungs- macht schon das Cover klar, das die Künstlerin mit einem Schwung vorschläge. Da war es dann gut für mich, diesen melancholischen, Maden im Schoß präsentiert. Auch die Titel der Stücke des Al- nachdenklichen, schönen Liedern zuzuhören. Einige im Duett mit bums sind hinreichend deutlich und man sollte sie ernst nehmen: Reinhard Mey. Sie passen zu traurigen Stimmungen und nehmen Milkweed/It hangs heavy – Ache – Pitted – Crawling on bruised sie gleichzeitig auf, besonders das Stück: „Den Rest besorgt die knees. Spätestens der durchdringende Schrei, mit dem das Album Zeit“. Ein Mut-mach-Lied mit der Zusicherung, dass uns etwas einsetzt, lässt keinen Zweifel daran, was eine/n in der kommen- trägt, wenn wir glauben, alles wird zu schwer: den knappen halben Stunde erwartet: die Suche nach Nähe durch maximale Abstoßung. Das letzte Stück als „versöhnlich“ zu be- etwas in dir wird dich lenken zeichnen, wäre sicher übertrieben; man kann es immerhin als wenn du denkst allein zu sein, hommage an das alte Kinks-Instrumental „Revenge“ hören. Die etwas wird dir Größe schenken CD-Version enthält mit Sour Sap noch ein Bonusstück, das etwas fühlst du dich auch noch so klein länger ist als das restliche Album und seine Affinität zum Drone Von einem Märchen erzählt er in „Sternenstaub“, es passt viel- Doom à la Sunn0))) oder Earth nicht verleugnet. Was mich für leicht in die Weihnachtszeit. Ein Junge in einer Dornenwand, das Album einnimmt, ist seine Ökonomie: hier gibt es keine präten- er hält etwas in der Hand und ändert das Ziel des Sängers. Am tiöse spätpubertäre Zurschaustellung technischer Möglichkeiten Schluss sprießt Grün aus der Dornenwand. So verstärkt diese Mu- nach dem Motto „Guck mal, was für Krach ich mit meinem Laptop sik bei aller Melancholie nicht noch mehr die eigene Traurigkeit, so erzeugen kann“. Die Künstlerin kommt vielmehr diszipliniert, sondern singt auch von der Hoffnung und der Notwendigkeit konsequent und präzise auf den • Neues zu wagen. Den Rest besorgt die Zeit. Uwe-Karsten Plisch Annette Klinke

5-2014 / 1-2015 59 Bücher & Materialien

osität, Sammlung und Ruhe ausstrahlt. Letzterer Eindruck wird noch verstärkt, wenn man sich den DVD-Mitschnitt des Kon- zertes gönnt, bei dem entspannt mampfende Kühe als Zuhörer den Hintergrund zu den Musikern bilden. Ein kleiner Hinweis ist notwendig: Bis auf die Gastsänger Stephan Remmler und Rocko Schamoni ist der bayerische Gesang für Flachländer schwer ver- ständlich. Angesichts vieler deutscher und englischer Texte, die man lieber nie verstanden hätte, schmälert das den Genuss der exzellenten Musik aber in keiner Weise.

Jörn Möller

LaBrassBanda: Kiah Royal (2014) RCA Deutschland (Sony Music)

Es gibt verschiedene (Selbst-)Bezeichnungen für die Musik von LaBrassBanda: Bayerischer Gypsy Brass, Funk Brass oder Alpen Jazz Techno. Manchen dürfte auch der zweite Platz bei der deut- schen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest 2013 mit ‚Nackert’ im Gedächtnis sein. Mich selbst fasziniert – nach quälenden Jahren in einem Blasorchester mit ewig kicksenden Trompeten – eine absolut virtuose Beherrschung dieser Instrumente. Das Ergebnis ist eine Musik, die irgendwo zwischen Jazz, Funk, Ska und – wirklich – Techno echt abgeht. Das funktioniert natürlich live am besten und daher ist LaBrassBanda vor allem für tempe- Kings of Convenience: ramentvolle Auftritte bei Festivals und in großen Hallen bekannt. Riot on an Empty Street (2004) Leider kann man das in Norddeutschland lebend mit vollem Ter- minkalender nur mit Glück oder von Live-CDs oder DVDs erleben. Virgin (Universal Music) „Kiah Royal“ geht einen anderen Weg. Es ist der Versuch eines unplugged-Livekonzertes ohne die üblichen Reaktionen des Eines meiner absoluten Lieblingsalben! Publikums. Dazu wurden die Stücke neu arrangiert, um auf elek­ Die norwegische Band Kings of Convenience überrascht den Hörer/ tronische Instrumente und Verstärkung verzichten zu können. Die die Hörerin mit vornehmer musikalischer Ruhe – unaufgeregt ursprünglich mit Trompete, Posaune, Tuba, Bass und Schlagzeug und schön und trotzdem mit lyrisch-kritischen Texten untermalt. besetzte Band wurde zum Oktett erweitert. Und dann wurde live Die Kings sind so etwas wie Simon & Garfunkel der Neuzeit. gespielt – wie der Name der CD nahelegt (‚Kiah’= hochdeutsch: Mein Lieblingslied aus diesem Album ist „Gold in the air of summer“. Kühe) auf dem breiten Futtergang eines Laufstalls in Höllthal im Es geht um den beginnenden Abschied von der Jugend oder anders Chiemgau vor 80 Kühen. Das Ergebnis ist wunderbar entspannt gesagt: ums Erwachsenwerden. Ja, es bleibt wohl dabei – Erwachsen groovende Musik die immer noch abgeht, aber gleichzeitig Virtu- werden ist ein schmerzhafter Prozess.

Vassiliki Chryssikopoulou

5-2014 / 1-2015 60 Ankündigungen

Ökumenischer Bibeltag 2015 in Halle Wissen was zählt – Der Galaterbrief

19. April 2015 | ESG Halle (Saale)

Ruppig und zärtlich zugleich – so geht es im Galaterbrief zur Sache. Für Paulus steht das ganze Evangelium auf dem Spiel, entsprechend engagiert wäscht er den „blöden Kelten“ (Luther: O ihr unverständigen Galater!) den Kopf. Was bedeutet es, (heute) Christ*in zu sein? Was heißt: Gerechtigkeit aus Glauben – Gerechtigkeit aus Gnade – Gerechtigkeit vor Gott? Wer sehen will, was es heißt, dass der Glaube einen unbedingt angeht, ist beim Galater­brief genau richtig. Gemeinsam mit euch wollen wir uns darauf einlassen.

Auf euer Kommen freuen sich Nathanael Wüst | Johann-Hinrich Witzel | Uwe-Karsten Plisch

Ort: ESG Halle Zeit: 10-17 Uhr; Abschlussgottesdienst 18 Uhr Anmeldung über [email protected] weitere Infos unter www.halle-esg.de

Fahrtkosten für auswärtige Teilnehmer*innen werden zur Hälfte erstattet.

Save the date! Einführungstagung für neue StudierendenpfarrerInnen

28.–29. April 2015 | ESG-Geschäftsstelle Hannover

Auch 2015 wird es die traditionelle Einführungstagung für neue Der Ablauf orientiert sich an den Interessen der Teilnehmenden. StudierendenpfarrerInnen, die wir von der Geschäftsstelle in Auf- Eine offizielle Einladung mit Anmeldefristen und ausführ­ trag und Kooperation mit der Bundesstudierendenpfarrkonferenz lichem Programm folgt und kann ab Anfang des Jahres auch (BSPK) durchführen, geben. in der Geschäftsstelle erfragt werden. Die Tagung findet statt von Dienstag, 28. April 2015, 11 Uhr bis Mittwoch, 29. April 2015, ca. 16 Uhr. Ort der Tagung ist die ESG-­ Geschäftsstelle in Hannover. Die Kosten trägt die Bundes-ESG.

5-2014 / 1-2015 61 Ankündigungen

30. Oktober – 1. November 2015 | Frankfurt am Main

Nach dem Erfolg des ersten bundesweiten ESG-Chortreffens im Start: Freitag, 30.10. 2015 um 18 Uhr mit dem Abendessen November 2013 wollen wir im nächsten Jahr ein zweites Treffen in der Jugendherberge Frankfurt organisieren. Gemeinsam mit der ESG Frankfurt am Main lädt die Bundes-ESG Sängerinnen und Sänger aus allen ESG-Chören Abschluss: Sonntag, 1.11.2015 nach dem Gottesdienst ein, vom 30.10. – 1.11.2015 nach Frankfurt zu kommen. Los geht es in der Frankfurter Dreikönigskirche (beginnt um 10:00 Uhr) Freitagabend mit einem Kennenlernen und einer großen Probe. Samstag werden Workshops zu den verschiedensten Themen Ort: Das Treffen findet in der Frankfurter Jugendherberge und angeboten (Gospel, Popchor, Stimmbildung, Barbershop u.v.m.), der ESG Frankfurt am Main statt. abends proben wir wieder gemeinsam. Abschluss bildet Sonntag- vormittag ein Gottesdienst in der Dreikönigs-kirche, den wir mit Anmeldung: Ab 01. April, mit einem Frühbucherrabatt von 5 € den erarbeiteten Stücken gestalten. p.Person bei Anmeldung bis zum 31. Mai. Die begrenzten Plätze Und dazwischen wollen wir neue Kontakte knüpfen, miteinander werden nach Eingang der Anmeldung vergeben. Anmeldeformulare essen, trinken und feiern. auf www.bundes-esg.de oder facebook.com/einsingen. Pro ESG-Chor bitte eine gemeinsame Anmeldung abgeben, danke! Kosten incl. zwei Abendessen und Getränken während der Workshops: Für Studierende: 40 € (mit Ü/F), 25 € (ohne Ü/F) Bei Rückfragen: 0511/1215-139 Für alle anderen: 80 € (mit Ü/F), 50 € (ohne Ü/F) Fahrtkosten werden zu 50% bis zu einem Höchstbetrag von 50€ erstattet

5-2014 / 1-2015 62 Impressum

Abkürzungen Impressum im ESG-Kontext des Heftes

AKH Arbeitsgemeinschaft Katholischer Redaktion: Annette Klinke, Jörn Möller, Hochschulgemeinden Uwe-Karsten Plisch (verantw.) AG Arbeitsgruppe ATP AG Adivasi-Tee-Projekt Layout: Jörn Bensch - triagonale.de AUSKO AusländerInnen-BeraterInnen/-ReferentInnen- Konferenz Fotos: ESG (sofern nicht anders angegeben) BMBF Bundesministerium für Bildung, Forschung, Wissenschaft und Technologie – Zuschussgeber Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht in BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Jugend – Zuschussgeber BSPK Bundesstudierendenpfarrkonferenz Die „ansätze“ erscheinen fünfmal jährlich. (demnächst Hauptamtlichenkonferenz) Abo: 13 Euro/Jahr (Kündigung ist bis sechs Wochen DEAE Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft vor Jahresende möglich) für Erwachsenenbildung EAiD Evangelische Akademikerschaft in Deutschland Herausgeberin: EGGYS Ecumenical Global Gathering of Youth and Verband der Evangelischen Studierendengemeinden Students (des WSCF) in Deutschland – Mitglied im WSCF (World Student EKD Evangelische Kirche in Deutschland Christian Federation) EÖV Europäische Ökumenische Versammlung ERA European Regional Assembly (des WSCF) Geschäftsstelle ESG/aej ERC European Regional Committee (des WSCF) Otto-Brenner-Str. 9 | D-30159 Hannover EWDE Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung Telefon: 0511/1215–0 | Mail: [email protected] (Brot für die Welt) – Zuschussgeber http://www.bundes-esg.de EYCE Ecumenical Youth Council of Europe FSI Friedenssteuerinitiative Konto: Evangelische Bank eG GO Geschäftsordnung IBAN DE88 520 60410 0000 0002 64 GS Geschäftsstelle IKvu Ökumenisches Netzwerk Initiative Kirche von unten Druck: Senser Druck GmbH Bergstraße 3 IRO Interregional Office (des WSCF) 86199 Augsburg KED Kirchlicher Entwicklungsdienst KEK Konferenz Europäischer Kirchen (Sitz Genf) Die „ansätze“ werden gefördert aus Mitteln des KJP Kinder und Jugendplan des Bundes Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen MATA MitarbeiterInnenkonferenz und Jugend und der EKD ÖRK Ökumenischer Rat der Kirchen RAMSA Rat muslimischer Studierender und Akademiker e.V. RK (ReKo) Regionalkonferenz ISSN 0721-2291 SP Studierendenpfarrer/in SPK Studierendenpfarrkonferenz Das nächste Heft: 2+3 / 2015 STUBE Studienbegleitprogramm steht unter dem Thema: Lehre uns bedenken, dass VAU Vertrauensausschuss wir sterben müssen … auf dass wir klug werden. VV Vollversammlung WSCF World Student Christian Federation Die Ausgabe erscheint Anfang Juni 2015. Beiträge, die zur Veröffentlichung bestimmt sind, bitte an Uwe-Karsten Plisch senden: [email protected]

Redaktionsschluss: 10.04. 2015

5-2014 / 1-2015 Bestellung des ESG-Gesangbuches

Das Gesangbuch der Evangelischen Der Flyer zum Gesangbuch Studierendengemeinde Hardcover, Wenn sie noch Fragen haben, warum ca. 700 Seiten. Nähere Angaben zum Inhalt das Gesangbuch zum Klassiker gereicht, unter www.bundes-esg.de finden Sie hier die Antwort. Der Flyer eignet sich hervorragend zur Zum Preis von: Bewerbung und eigenen Öffentlich- 12,00 Euro pro Stück für 1 – 19 Ex. bzw. 10,00 keitsarbeit. Euro pro Stück ab 20 Ex. Kostenlos zu bestellen bei der Bestellungen bitte an den STRUBE VERLAG Bundes-ESG Hannover (per Fax, email oder Post) unter Nutzung dieses Formulars:

STRUBE VERLAG GMBH Pettenkoferstr. 24 / 80336 München Fax: 089.54 42 66 33 E-Mail: [email protected]

Bestellformular

Wir bestellen Exemplare »Durch Hohes und Tiefes«

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Für die Bestellung des Image-Flyers siehe die vordere Umschlagseite! 6. Januar 2015, weltweit Epiphanias

19.-20. Februar 2015 in Mainz STUBE-ReferentInnentreffen

23.–26. Februar 2015 in Konstanz/Hegne Hauptamtlichenkonferenz (BSPK/AUSKO)

6. März 2015, Bahamas/weltweit Weltgebetstag der Frauen

8. März 2015, weltweit Internationaler Frauentag

17.–20. März 2015 in Stuttgart MATA

3. April 2015, weltweit Karfreitag

19. April 2015 in Halle/S. Ökumenischer Bibeltag – Der Galaterbrief

28.–29. April 2015 in Hannover Einführungstagung für neue StudierendenpfarrerInnen

3.–7. Juni 2015 in Stuttgart Deutscher Evangelischer Kirchentag

9. Juli 2015 in Kassel Notfondsstudientag