Francesca Falk

Grenzverwischer

Arbeitskopie



4512falk.indd 1 19.05.2008 17:11:13 Uhr Schriften des Centrums für Jüdische Studien

Band 13

Reihenherausgeber: Klaus Hödl

Arbeitskopie



4512falk.indd 2 19.05.2008 17:11:13 Uhr Francesca Falk Grenzverwischer „Jud Süss“ und „Das Dritte Geschlecht“. Verschränkte Diskurse von Ausgrenzung

Arbeitskopie

StudienVerlag Innsbruck Wien Bozen



4512falk.indd 3 19.05.2008 17:11:14 Uhr © 2008 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck E-Mail: [email protected] Internet: www.studienverlag.at

Gedruckt mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Wien und die Stiftung Irène Bollag-Herzheimer.

Buchgestaltung nach Entwürfen von Kurt Höretzeder Satz und Umschlag:Arbeitskopie Studienverlag/Thomas Auer Umschlagbilder: Abbildung der Titelseiten „Jud Süß“ (Illustrierter Film-Kurier) und „Das dritte Geschlecht“ (Illustrierte Film-Bühne) mit freundlicher Genehmigung © Verlag für Filmschriften – Christian Unucka – 85241 Herbertshausen –

Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.d< e> abrufbar.

ISBN 978-3-7065-4512-9

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.



4512falk.indd 4 19.05.2008 17:11:14 Uhr Inhaltsverzeichnis

Danke 7

Vorwort von Heiko Haumann 9

1. Einleitende Bemerkungen 11 1.1. Fragestellung, Fokus und Forschungsstand 11 1.2. Von „Jud Süss“ bis zum „Dritten Geschlecht“: Verbote, Proteste und eine Bombe 13

2. Methodische Anmerkungen 25 2.1. Diskursbegriff 25 2.2. Filme und Diskurse 27 2.3. Erläuterungen zum Sprachgebrauch: Antisemitismus und Homophobie 29

3. Der Film „Das Dritte Geschlecht“ 33 3.1. Eine Auswahl von Standbildern 33 3.2. Die Story 35 3.3. Der Gerichtsprozess und die Ankündigung des medizinischen Diskurses 35 3.4. Kunst und gleichgeschlechtliche Verführung 36 3.5. Homosexualität als Krankheit – und die richtige Medizin dagegen 40 3.6. (De-)Konstruktion von Homosexualität: Sexualwissenschaften und Queer Theory 42 3.7. Visuelle und metaphorischeArbeitskopie Strategien zur Darstellung von Homosexualität 47

4. Diskursverschränkungen 51 4.1. Juden und Homosexuelle als Grenzverwischer 51 4.2. Entartete Kunst als krankes Sehen 54 4.3. Die Inszenierung des penetrierenden und des heilenden Blicks 58

5. „Das Dritte Geschlecht“ und „Jud Süss“: Ein vergleichendes Sehen 61 5.1. Figurenkonstellation, Evidenzproduktion und Argumentationsführung 61 5.2. Über Frauenopfer und Rachegelüste 62 5.3. „Legitimationsressourcen“ diskriminierender Argumentationsmuster 64 5.4. Die jüdische Agentur des Sehens 68 5.5. Subjektstatus und Interpretationsvariationen 69



4512falk.indd 5 19.05.2008 17:11:14 Uhr 6. Der Regisseur von „Jud Süss“ und sein Film „Das Dritte Geschlecht“ stehen zur Debatte 73 6.1. Wer erzählte für wen – und mit welcher Wirkung – welche Geschichte? 73 6.2. Veit Harlans Verteidigungsstrategie des apolitischen Kunstbegriffes 73 6.3. Der prüfende Blick der FSK und seine Folgen 78 6.4. „Das Dritte Geschlecht“ kommt nach Basel 88 6.5. Die Artikulation diskriminierender Diskurse in der medialen Öffentlichkeit 99

7. Fazit 109 7.1. Evidenzeffekte 109 7.2. Emotionale Räume: Visualität und Identität 109 7.3. Über die Dialektik von In- und Exklusionen 113 7.4. Rück- und Ausblick 117

8. Zusammenfassung 121

Anmerkungen 123

Bibliografie 147

Filmografie 163 Das Dritte Geschlecht 163 Jud Süss 164 Arbeitskopie



4512falk.indd 6 19.05.2008 17:11:14 Uhr Danke

Widmen möchte ich diese Arbeit meinen Eltern, die mein Sehen prägten. Und M.F. für ein Leben im Dialog.

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei Prof. Dr. Regina Wecker und Prof. Dr. Walter Leimgruber für ihre sehr hilfreiche Betreuung dieser Studie. Ich habe sie als Abschlussarbeit im Sommer 2004 an der Philosophisch-Historischen Fakul- tät der Universität Basel eingereicht.1 Dank einer telefonischen Auskunft von Manfred Herzer war es mir möglich, den Film „Das Dritte Geschlecht“ aufzutreiben. Die Filmfassung „Anders als du und ich“ wurde mir durch das Studienzentrum des Wiener Filmarchivs vermit- telt.2 Den Film „Jud Süss“ stellte mir die Friedrich Wilhelm Murnau-Stifung zur Verfügung. Für ihre Bemühungen möchte ich mich bei den genannten Personen und Institutionen herzlich bedanken. Ich danke auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Basler Universitätsbibliothek, des New Media Centers der Uni- versität Basel, des Staatsarchivs des Kantons Basel-Stadt, des Schweizer Bundes- archivs, des Archivs für Zeitgeschichte und des Schweizerischen Sozialarchivs in Zürich, der Cinémathèque Suisse in Lausanne wie auch der Dokumentationsstelle Zoom in Zürich sowie der Deutschen „Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirt- schaft“ in Wiesbaden; ohne ihre Hilfeleistungen wäre dieses Buch nicht zustande gekommen. Itta Shedletzky nahm sich viel Zeit für meine Fragen; ich bin ihr sehr dankbar dafür. Prof. Dr. Sabine Maasen, die mir während meines Studiums ein lehrreiches Arbeitsumfeld bot, hat mich nicht nur beim Verfassen dieser Arbeit in grosszügiger Weise unterstützt. Prof. Dr. Jakob Tanner lieferte mir einige sehr interessante Hin- weise. Marcel und Franz Falk, Richard, Paola und Hansjörg Hoechner-Gallicani, Martin Mühlheim, DominiqueArbeitskopie Rudin und Sophie Schudel stellten als kritische Leserinnen und Leser scharfe Augen und wache Köpfe zur Verfügung. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank. Selbstverständlich gehen alle Fehler, welche die auf- merksame Leserin gewiss noch entdecken wird, zu meinen Lasten. Besonders bedanken möchte ich mich schliesslich bei Prof. Heiko Haumann und bei Univ.-Doz. Mag. Dr. Klaus Hödl; ihr Engagement ermöglichte diese Publi- kation.



4512falk.indd 7 19.05.2008 17:11:15 Uhr Arbeitskopie



4512falk.indd 8 19.05.2008 17:11:15 Uhr Vorwort

Bei regionalgeschichtlichen Forschungen zur Geschichte Südbadens nach dem Zweiten Weltkrieg stiess ich vor mehreren Jahren auf den „Fall Harlan“: Als in Freiburg i. Br. im Januar 1952 der Film „Hanna Amon“ des Regisseurs aufgeführt werden sollte, kam es zur ersten grossen Studierendendemonstration in der Bundesrepublik Deutschland, die in gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei endete. Hintergrund war Harlans Tätigkeit im „Dritten Reich“, namentlich sein Film „Jud Süss“. Die Vorkommnisse in Freiburg, die zunächst zur Absetzung des Films führten, hinterliessen deutliche Spuren im öffentlichen Bewusstsein, sorgten für ein nachhaltiges publizistisches Echo in ganz West- deutschland und regten eine intensive Debatte über den Umgang mit der Ver- gangenheit an. An diese Vorgänge erinnerte ich mich, als mir Francesca Falk ihre Studie zum Lesen gab, und ich war beeindruckt, wie sie an Harlans Filmen „Jud Süss“ und „Das Dritte Geschlecht“ die diskriminierenden Diskurse über Juden und Homo- sexuelle miteinander in Beziehung setzte und Ausgrenzungsmechanismen ana- lysierte. Frau Falk kann herausarbeiten, dass sich die Begriffsnetze gleichen, dass somit Harlan antisemitisch geprägte Vorstellungen auf die Homosexualität über- trug. Allein dieser Zusammenhang, den sie im Begriff des „Grenzverwischers“ fasst, ist von hoher Bedeutung. Darüber hinaus untersucht Francesca Falk die Aus- einandersetzungen um den Film „Das Dritte Geschlecht“ in der Schweiz, die damit verbundenen dichten Kommunikationsprozesse und fragt danach, warum der von ihr gesehene Zusammenhang nicht thematisiert wurde. Francesca Falks Schrift ist ein wesentlicher Beitrag zur Geschichte der Schweiz, zur Filmanalyse, zum Verhältnis von Film und Gesellschaft, zur Wirkung juden- feindlicher und homophober Einstellungen und zum Verständnis diskriminieren- der Mechanismen. DarausArbeitskopie ist viel zu lernen.

Heiko Haumann



4512falk.indd 9 19.05.2008 17:11:15 Uhr Arbeitskopie

10

4512falk.indd 10 19.05.2008 17:11:15 Uhr 1. Einleitende Bemerkungen

1.1. Fragestellung, Fokus und Forschungsstand

Wie werden gesellschaftliche Grenzen gezogen, begründet und gedacht? Diese Frage trieb mich zur Suche nach einem Ereignis, das mir erlauben sollte, Mechanismen der Marginalisierung besser zu verstehen. Gibt es irgendwo einen Punkt, fragte ich mich, wo ich diskriminierende Diskurse gleichsam durchschnei- den und so ihre Funktionsweise in vergleichender Perspektive erfassen kann? Auf der Suche nach einem Ort, wo sich – in einer vertikal-synchron oder horizontal- diachron durchgeführten Probebohrung – diskriminierende Diskurse einander gegenüberstellen lassen, stiess ich auf Veit Harlans Film „Das Dritte Geschlecht“. Dieser 1957 produzierte Streifen handelt – wie damals gesagt wurde – vom „Pro- blem der Homosexualität“.3 Der Film wurde auch in der Schweiz gezeigt, wo seine Aufführungen heftige Auseinandersetzungen provozierten. Sein Regisseur, Veit Harlan, hatte im Dritten Reich den antisemitischen Hetzfilm „Jud Süss“ gedreht. Diese Konstellation erlaubt es mir, wie ich in dieser Arbeit zeigen werde, die Ver- schränkung diskriminierender Diskurse – hier am Beispiel von Antisemitismus und Homophobie – in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu beleuchten. In meiner Untersuchung stelle ich zuerst die Funktions- und Argumentations- weise des Films „Das Dritte Geschlecht“ dar. Ich untersuche, mit welchen visuellen und metaphorischen „Bildern“ Homosexualität dargestellt wird. Dann zeige ich, wie über das Kollektivsymbol des „Grenzverwischers“4 eine Verschränkung zwi- schen antisemitischen und homophoben Diskursen hergestellt wird. Diskursver- schränkungen erzeugen Selbstreferenz und damit auch etwas, was als „diskursiv hergestellte Evidenz“ bezeichnet werden kann. Juden und Homosexuellen wird dabei nicht nur vorgeworfen, sie würden territoriale, Geschlechter- oder Standes- grenzen verwischen, Arbeitskopiesondern beispielsweise durch abstrakte Kunst eine Referenz auf ein Aussen verweigern und damit auch die „konventionellen“ Grenzen des Bildes gefährden. Diese Aspekte, die ich im vierten Kapitel entwickle, scheinen mir für die Funktionsweise diskriminierender Diskurse fundamental zu sein, weshalb ich auch im Fazit meiner Arbeit den Fokus nochmals auf diese Frage richte. Des Weiteren werde ich die Figurenkonstellation, Evidenzproduktion und Argumenta- tionsführung von „Jud Süss“ und „Das Dritte Geschlecht“ in einem vergleichenden Nachzeichnen sprachlicher und visueller Ausgrenzungsmechanismen einander gegenüberstellen. Da die „Jud Süss-Affäre“ wissenschaftlich ausgiebig bearbeitet worden ist, kann ich hier auf umfangreiche Literaturbestände zurückgreifen. Über den Harlan-Film „Das Dritte Geschlecht“ beziehungsweise „Anders als du und ich“ – so hiess die Filmfassung, die in der BRD gezeigt wurde – sind hingegen nach meinem Kenntnisstand nur einige kurze, allerdings für mich oft sehr interessante Artikel publiziert worden. Systematisch vergleichende Untersuchungen zu den beiden Filmen wurden meines Wissens noch nicht angestellt. Anschliessend unter- suche ich die Debatten, die dieser Film ausgelöst hat. Wie wird zu diesem Zeitpunkt in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen über Juden und Homosexuelle –

11

4512falk.indd 11 19.05.2008 17:11:15 Uhr beziehungsweise Antisemitismus und Homophobie – gesprochen und geschwie- gen? Wer erzählte für wen – und mit welcher Wirkung – welche Geschichte? Nach der Darstellung von Veit Harlans Strategie des apolitischen Kunstbegriffes zeichne ich den prüfenden Blick der deutschen „Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirt- schaft“ auf „Das Dritte Geschlecht“ nach. Weiter rekonstruiere ich, wie sich in Basel zwischen den Behörden, dem Filmverleiher, der Israelitischen Gemeinde und einem katholischen Filmfunktionär Kommunikationsprozesse entwickeln. Welche Argumente tauchen immer wieder auf – über welche Wege zirkulieren diese? Wel- che Akteure verfügen über welche Möglichkeiten der Resonanzerzeugung? Und was für Konsequenzen zeigen bestimmte Diskurse; welche Massnahmen werden in der Folge von wem getroffen?5 Zu den medialen Debatten um den „Fall Har- lan“ und den Film „Das Dritte Geschlecht“ präsentiere ich Überlegungen, die zum Dialog anregen wollen und die nicht etwa als in quantitativer Hinsicht abgestützte Forschungsresultate zu begreifen sind. Schliesslich formuliere ich in Form eines Fazits einige Überlegungen zum Verhältnis von Bildern und Identitätsbildung, der Dialektik von In- und Exklusionen und der Aufgabe der Geschichtswissenschaft in Bezug auf die Reflexion gesellschaftlicher Grenzziehungen. Es gibt zwar einige Arbeiten, welche die ähnliche „Stereotypisierung“6 von Juden und Homosexuellen erwähnen. Seltener sind Studien, welche die Verschränkung antisemitischer und homosexueller Diskurse explizit erforschen. Erinnert sei hier beispielsweise an die diesbezüglichen Untersuchungen von Hans Mayer, Sander Gilman, George Mosse und Klaus Hödl.7 Doch selbst im Sammelband zu „Queer Theory and the Jewish Question“, der von Daniel Boyarin, Daniel Itzkowitz und Ann Pellegrini publiziert wurde, heisst es:

„And yet, connections between the construction of modern Jewish racialized identity and the construction of modern sexuality have been an undertheo- rized aspect of even the newly queered Jewish Studies.“8 Im Bewusstsein,Arbeitskopie dass man die Besonderheiten der spezifischen Diskurslogiken nicht ausblenden soll, möchte ich in meiner Untersuchung nach parallelen Struktur- und Funktionsmerkmalen diskriminierender Diskurse Ausschau halten, um sie auf diese Weise nicht nur als Einzelphänomene zu sehen. Deshalb ist ein vergleichendes Sehen für mich an gewissen Stellen ein praktisches Verfahren.* Doch Vergleiche tragen die eigene Berechtigung nicht a priori in sich. Vieles lässt sich miteinander vergleichen; die Frage ist, was ein Vergleich bringt, was ein Vergleich will und ob das Instrument des Vergleiches für meine Untersuchung überhaupt taugt. Fest steht, dass ich in mei- ner Untersuchung keinen symmetrischen Vergleich zwischen Juden und Homose- xuellen beziehungsweise Antisemitismus und Homophobie leisten will. Vielmehr übertrage ich methodische Kenntnisse aus der Antisemitismusforschung auf das Untersuchungsfeld „Homophobie“; die Auseinandersetzung mit antisemitischen Argumentationsmustern hat mir sozusagen das Auge geschärft für die Wahrneh- mung homophober Artikulationen. Auch im Umgang mit den Filmen hat sich ein

* Lena Bader und Falk Wolf nähern sich in ihren Dissertationsprojekten dem vergleichenden Sehen aus kunstwissenschaftlicher Perspektive, siehe www.eikones.ch (Dezember2 007).

12

4512falk.indd 12 19.05.2008 17:11:16 Uhr vergleichender Blick als nützlich erwiesen, bemerkte ich doch so im Film „Das Dritte Geschlecht“ Funktionsweisen, die mir sonst wohl nicht aufgefallen wären. Dieser Befund wiederum soll nicht ausschliessen, dass beispielsweise auch Ergebnisse der Queer Theory für die Antisemitismusforschung interessant sein können. In meiner Arbeit geht es mir zudem nicht um eine Relativierung historischer Phänomene oder um eine Gleichsetzung diskriminierender Diskurse. Um zwei Objekte auf fruchtbare Weise miteinander vergleichen zu können, muss man schliesslich voraussetzen, dass diese verschieden sind.9 Mit den Begriffen des Transfers und der Transnationalität werde ich in meiner Arbeit nicht explizit operieren. Gerade in einer international vergleichenden Per- spektive könnte eine Analyse der Auseinandersetzungen um den Film „Das Dritte Geschlecht“ interessante Einblicke geben, denn dieser Film wurde beispielsweise auch in Österreich, Frankreich, Italien oder den Vereinigten Staaten gezeigt. Der Blick könnte sich dabei sowohl auf die Vergangenheitspolitik einzelner Länder richten wie auch den jeweiligen Diskussionsstand in Bezug auf die Themen Antise- mitismus und Homophobie. Eine solche systematische Untersuchung kann ich im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht leisten. Zu den Debatten, welche der Film „Das Dritte Geschlecht“ in der Schweiz auslö- ste, bestehen meines Wissens nur zwei wissenschaftliche Arbeiten. Der Artikel von Kuno Trüeb, den er im Rahmen des heute immer noch ausnehmend informativen Ausstellungsbandes zu „Männergeschichte – Schwule in Basel seit 1930“ verfasste, machte mich auf die im Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt vorhandenen Unterla- gen aufmerksam.10 In seiner Untersuchung zitiert Trüeb allerdings nur einen Teil die- ser Akten. Der gleiche Befund trifft auch auf die aufschlussreiche Lizentiatsarbeit von Christian Hilzinger zur Filmzensur in Basel zu.11 Gar nicht wissenschaftlich aufgear- beitet sind meines Wissens das Schweizer Verbot von „Jud Süss“ sowie die Aktionen gegen die Veit Harlan-Filme, die in der Schweiz stattfanden.12 Deshalb folgt zuerst eine Skizze jener Geschehnisse, die in der Schweiz zum Verbot von „Jud Süss“ und zu den Protesten gegen „Das Dritte Geschlecht“ führten. Sie stützt sich zu weiten Teilen auf bisher unveröffentlichtesArbeitskopie Material aus dem Bundesarchiv, dem Archiv für Zeitge- schichte, dem Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt und der Cinémathèque Suisse.

1.2. Von „Jud Süss“ bis zum „Dritten Geschlecht“: Verbote, Proteste und eine Bombe Süss Oppenheimer, der Finanzberater des württembergischen Herzogs Alexan- der, wurde nach dem Tod seines Auftraggebers 1737 verhaftet, wegen „Aussagen des Landes“ vor Gericht gestellt und 1738 in öffentlich hingerichtet: „Er diente als Sündenbock für die Zerrüttung der Staatsfinanzen und den Verfall der landständischen Rechte.“13 Im Dritten Reich drehte Veit Harlan den Film „Jud Süss“. Die Produktion dieses Films wurde damals von Goebbels persönlich über- wacht; Goebbels griff auch selber in die Produktion des Films ein.

„1939, im Produktionsjahr von Jud Süss und Der Ewige Jude, war die deut- sche Filmindustrie in allen Bereichen gleichgeschaltet. Der Propagandami-

13

4512falk.indd 13 19.05.2008 17:11:16 Uhr nister konnte sich, sofern ihn ein spezifisches Projekt interessierte, jederzeit gezielt in jedes Stadium der Filmproduktion einschalten.“14

Die propagandistische Funktion von „Jud Süss“ bestand darin, den Verfügungs- schatz antisemitischer Bilder bei den Zuschauern zu erweitern und abrufbar zu machen.15 Tatsächlich zeigt sich in diesem Film ein durchgängiges antisemitisches Konzept, das bis zur Forderung von politischen Konsequenzen reicht.16 Denn „Jud Süss“ erzählt die Geschichte des Juden Josef Süss Oppenheimer, der im 18. Jahr- hundert als Finanzberater den württembergischen Herzog Karl Alexander zu Luxus verführt, um sich in die ständische Gesellschaft einzuschleichen.17 Zahlen muss das württembergische Volk; skrupellos erhöht der Jude die Steuern. Schliess- lich vergewaltigt Süss Oppenheimer Dorothea, die Tochter des Landschaftskon- sulenten Sturm. Um sein Opfer gefügig zu machen, lässt Oppenheimer vorher Dorotheas Mann Faber foltern. Nach ihrer Freilassung steigt Dorothea ins Wasser. „Durch Dorotheas Opfergang wird die Rassenschande getilgt.“18 Am Ende des Films wird der Jude wegen „Rassenschande“ gehängt.

„Dass diese ‚Rassenschändung‘ durch eine Vergewaltigung vollzogen wurde, kommt gar nicht mehr zur Sprache.“19

Sturms Familie, für welche die Zuschauer emotionale Anteilnahme entwickeln sollen, verkörpert in „Jud Süss“ einen staatlichen Mikrokosmos:

„die Gewalt, die sich gegen die Familie Sturm richtet, steht für jene gegen Württemberg insgesamt.“20

Nach der spektakulären Hinrichtung verkündet Vater Sturm mit lauter Stimme dem schweigenden Volk den Entscheid der Landstände: „Die LandständeArbeitskopie verkünden durch meinen Mund den Willen des württem- bergischen Volkes: Alle Juden haben innerhalb dreier Tage Württemberg zu verlassen. Für ganz Württemberg gilt hiermit der Judenbann! – Gegeben zu Stuttgart am 4. Februar 1738. Mögen unsere Nachfahren an diesem Gesetz ehern festhalten, auf dass ihnen viel Leid erspart bleibe an ihrem Gut und Leben und an dem Blut ihrer Kinder und Kindeskinder.“21

Der Film „Jud Süss“ zeigt, wie die Nationalsozialisten die Juden sahen, und nicht, wie Joseph Süss Oppenheimer lebte. Gleichzeitig aber trug der historische Bezug dazu bei, seine aktuelle antisemitische Wirkungsabsicht zu kaschieren. „Jud Süss“ sollte aufzeigen, dass Antisemitismus keine nationalsozialistische Erfindung, sondern tief im deutschen Volk verwurzelt sei.22 Der Film wurde in Venedig am 5. September 1940 uraufgeführt. Gezeigt wurde er später in Finnland, Däne- mark, Norwegen, Holland, Belgien, Frankreich, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Polen, dann auch in den baltischen Staaten, in Spanien, der Ukraine und im besetzten Teil der Sowjetunion. Der Film kam damit zu einem Zeitpunkt in die Kinos, als in Europas besetzten Gebieten die Deportationen jüdischer Menschen

14

4512falk.indd 14 19.05.2008 17:11:16 Uhr in sehr grossem Umfang begannen.23 Die intendierte Wechselwirkung zwischen antisemitischer Propaganda und direkten politischen Massnahmen zeigte sich beispielsweise in Himmlers Weisung, allen Mitgliedern von SS und Polizei „Jud Süss“ im Laufe des Winters 1940 vorzuführen.24 Und in einer Werbeschrift der Produktionsfirma „Terra“25 hiess es:

„Der Film ‚Jud Süss‘ reisst den Juden die Maske vom Gesicht und zeigt unse- rem Volk den Weg zur befreienden Tat.“26

Auch in der Schweiz wollten die Fronten den Weg für den Film vorbereiten. Das „Zentrale Kampfblatt der Nationalen Front“ begann in der Nummer 8/1939 mit dem Abdruck von Hauffs Novelle „Jud Süss“.27 Doch der Film wurde in der Schweiz von der Militärzensur nicht zugelassen. Die Militärzensur war in der Schweiz vom 8. September 1939 bis zum 18. Juni 1945 tätig; sie war die einzige Zensurstelle, die je auf Bundesebene einge- richtet wurde.28 Ihre gesetzliche Grundlage hatte der Bundesrat am 20. Septem- ber 1939 in Form einer allgemeinen Verordnung erlassen. Durchgeführt wurde die Zensur vom Militär in der eigens dafür eingerichteten Abteilung Presse und Funk- spruch im Armeestab in Bern. Da man die Kriegsparteien gleichwertig behandeln wollte, wurden von beiden Seiten ungefähr gleich viele Filme aus dem Verkehr gezogen.29 In den sechs Jahren wurden 233 Filme vollständig verboten, was in etwa 1,3 Prozent der geprüften Filme entsprach.30 Dabei wurden sowohl Filme aus dem Verkehr gezogen, die für eine Kriegsseite in zu deutlicher Form Partei ergreifen, als auch Filme mit militärkritischen Tendenzen.31 Die Zensurregelungen waren absichtlich offen formuliert worden, um so eine pragmatische Handhabung der Verbote zu ermöglichen.32 Die moralische Zensur sollte weiterhin von den lokalen Stellen durchgeführt werden.33 Das Einfuhrgesuch für „Jud Süss“ wird in der Schweiz am 7. März 1941 gestellt. Eine Woche später wird die Zensurverfügung ausgesprochen. Als Motiv, das jeweils in einem einzigen SatzArbeitskopie zusammengefasst wird, heisst es: „Verboten, weil geeignet Manifestationen hervorzurufen“; ein expliziter Verweis auf die antisemitische Wir- kungsabsicht des Films fehlt hier also.34 Der Gesuchsteller erhebt am 18. März einen Rekurs gegen das Verbot. In seiner Begründung betont er, bei „Jud Süss“ handle es sich um einen „reinen Spielfilm ohne militärische oder politische Handlung“, zudem sei vor ungefähr acht Jahren in der Schweiz der englische Film „Jew Suess“ zur Vor- führung gebracht worden. Schliesslich listet der Gesuchsteller die Länder auf, in wel- chen der Film gezeigt werde – Ungarn, Frankreich, Belgien, Dänemark, Rumänien, Jugoslawien, Slowakei – oder die Uraufführung bevorstehe oder vor kurzem statt- gefunden habe: Schweden, Finnland, Italien und Spanien. Der Chef der Abteilung Presse und Funkspruch, Werner Sautter, beantragt die Abweisung des Rekurses.35 „Jud Süss“ sei in dem Sinne politisch, als er die von der NSDAP vertretene Rassen- theorie sehr eindrucksvoll und publikumswirksam zum Ausdruck bringe:

„Der Film ist dazu angetan, die schweizerische Bevölkerung in unzulässiger Weise zu beeinflussen, ja sogar die innere Sicherheit des Landes zu gefähr- den.“36

15

4512falk.indd 15 19.05.2008 17:11:17 Uhr Da der englische kein Propagandafilm sei, wäre der Vergleich unzulässig, fügt Sau- tter weiter an. Auch das Argument, dass der Film anderorts gezeigt werde, sei in Anbetracht der verschiedenen politischen Lagen dieser Länder im Vergleich zur Schweiz nicht stichhaltig. Die Rekurskommission wird den Ausführungen Sautters folgen:

„Der Film, für den der Rekurs Freigabe nachsucht, ist nicht ein Spielfilm, sondern ein Propagandafilm. Er will nicht nur unterhalten, sondern, und zwar in erster Linie, für den Antisemitismus werben.“37

„Jud Süss“ würde mit hemmungslosen Mitteln versuchen, Stimmung gegen eine kleine Minderheit zu machen, „der in der Schweiz die gleichen Rechte zukommen wie den andern Bürgern.“ Dem englischen Film mit dem gleichen Titel läge keine antisemitische Einstellung zugrunde, richtig sei aber, dass auch ihm eine „gewisse Tendenz“ innewohne und „dass auch er nicht als reiner Spielfilm bezeichnet werden kann.“38 Die Rekurskommission empfiehlt der Sektion Film aus diesem Grunde, die Frage zu prüfen, „ob die weitere Vorführung dieses andern Filmes in der Schweiz zulässig ist“.39 Die Deutsche Gesandtschaft protestiert am 5. Juni in einem Memorandum an das Eidgenössische Politische Departement gegen das bestätigte Verbot.40 Es sei unverständlich, dass in einem Lande wie der Schweiz, wo vom Recht der freien Meinungsäusserung so weitgehend Gebrauch gemacht werde, ein derartiger Film verboten würde.

„Das Verbot ist aber unerklärlicher, als dass das gleichnamige Buch des Juden Lion Feuchtwanger, in dem das gleiche Thema in einer für das Judentum ebenso wenig vorteilhaften Weise behandelt wird, in der Schweiz nicht ver- boten ist.“

Die Deutsche Gesandtschaft spricht schliesslich im Auftrag ihrer Regierung die Erwartung aus,Arbeitskopie dass die gefällte Entscheidung einer Überprüfung unterzogen werde.

„Sollte diese Entscheidung der Rekurskommission aufrecht erhalten werden, so würde die Deutsche Regierung in einem so erheblichen Abweichen der Schweizer Haltung von der anderer Staaten, die zudem sachlich nicht näher begründet wird, eine Unfreundlichkeit erblicken müssen.“41

Das EDA reicht das Memorandum am 7. Juni mit folgender Bemerkung an die Abteilung Presse und Funkspruch im Armeestab weiter:

„Wir ersuchen Sie, die gegen das Verbot und für die Zulassung des Films angeführten Gründe mit der dem deutscherseits der Angelegenheit ent- gegengebrachten Interesse entsprechenden Aufmerksamkeit zu prüfen und uns zuhanden der Gesandtschaft von Ihrem Entscheid zu verständigen.“42

Doch die Abteilung Presse und Funkspruch wird an ihrer Meinung festhalten:

16

4512falk.indd 16 19.05.2008 17:11:17 Uhr „Da wir es nachgerade gewohnt sind, dass, wenn wir es wagen, einen deut- schen Film zu verbieten, nachträglich die Deutsche Gesandtschaft interveniert, wurde die Rekurskommission deswegen besonders zusammengesetzt und erweitert, um ja ein objektives Urteil zu erhalten.“43

Das Memorandum erhalte weiter keine neuen Tatsachen, weshalb sie nach wie vor der Ansicht seien, „dass dieser Film mit seiner Rassentheorie in unserem Lande nicht erwünscht ist und dessen Zulassung gegen das Verbot der Propaganda-Filme verstossen würde.“44 Die Vorführung des Films bleibt deshalb in der Schweiz verboten. Laut einem handschriftlichen und unsignierten Schreiben, das sich in der Zürcher Filmdoku- mentationsstelle im Dossier zu „Jud Süss“ befindet, ist der Film am 30. Mai 1943 um 10 Uhr morgens im Zürcher Kino Capitol gezeigt worden. Der Film, so der anonyme Schreiber, ziele darauf, „die deutschen Massnahmen zur Ausrottung des Judentums dem deutschen Volk mundgerecht zu machen.“ Gespielt sei der Film ausgezeichnet, seine Tendenz sei jedoch „derart handgreiflich und grotesk, dass selbst bei der Auf- führung in Zürich der anfänglich starke Beifall mehr und mehr verebbte, um sich bei der Schlussszene der Hinrichtung des Juden lediglich auf einige wenige Klaqueure zu beschränken.“ Die Abteilung Presse und Funkspruch Sektion Film scheint von dieser Aufführung nicht gewusst zu haben. Sie schreibt am 5. Mai 1944 an die Idéal Film A.G. in Genf:

„Wir kommen zurück auf den in dieser Angelegenheit geführten Schriftwechsel und teilen ihnen mit, dass dieser Film in Zürich nicht zur Vorführung gelangte. Herr Rosenthal vom Cinéma Bellevue in Zürich, den wir in dieser Angelegen- heit befragt haben, meldet uns, er habe seinerzeit lediglich mitgeteilt, es sei beabsichtigt diesen Film in einer Matinee im Kino Orient in Zürich zu zeigen; ob dieses Vorhaben ausgeführt worden sei, entziehe sich seiner Kenntnis.“45 Auch heute sind in derArbeitskopie Schweiz öffentliche Vorführungen dieses Films nur mit „ent- sprechendem Einführungsreferat“ erlaubt.46 In Gruppierungen, welche den Holo- caust leugnen, nimmt der Film „Jud Süss“ offenbar immer noch eine wichtige Stellung ein. In der Cinémathèque Suisse in Lausanne findet man im Dossier zu „Veit Harlan/ Jud Süss“ eine Notiz vom Verein „Vérité et Justice“47. Sie datiert auf den 27. April 2003 und richtet sich mit folgender Bemerkung an den Direktor der Cinémathèque:

„Permettez-moi de vous adresser mes félicitations pour avoir en [sic] le courage de programmer ‘Le Juif Süss’ le 26 avril dernier. Ce film d’une admirable lucidité devrait être vu dans toutes les écoles. Dans l’espoir que d’autres projections de ce film seront programmées, je vous prie de croire à mes salutations distinguées.“

„Jud Süss“ war in der Kriegszeit ein finanzieller Erfolg:

„Schon nach 15-monatiger Laufzeit hatte er mit rund sechs Millionen Reichsmark etwa das Dreifache der für seinerzeitige Verhältnisse hohen Pro- duktionskosten eingespielt.“48

17

4512falk.indd 17 19.05.2008 17:11:17 Uhr Nach dem Krieg muss sich Harlan für seine „künstlerische Tat“ wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit49 vor Gericht verantworten. Aus „Mangel an Beweisen“ wird der Regisseur 1950 – allerdings unter sehr umstrittenen Umständen – frei- gesprochen. In der Begründung heisst es, die Ansicht des Angeklagten sei nicht zu widerlegen gewesen, dass er sich bei der Herstellung des Films „Jud Süss“ in keiner freien Entscheidungssituation, sondern ‚im Notstand‘ befunden habe.50 Harlan kann in der Folge seine Regietätigkeit fortsetzen. Er dreht in der Nach- kriegszeit u.a. „Unsterbliche Geliebte“ (1950), „Hanna Amon“ (1951), „Sterne über Colombo“ (1953), „Die Gefangene des Maharadscha“ (1954) und schliesslich „Das Dritte Geschlecht“ (1957), den ersten bundesdeutschen Film zum Thema der Homosexualität. Proteste gegen den Regisseur von „Jud Süss“ setzen bereits 1951 mit Harlans erstem Film der Nachkriegszeit ein. Besonders heftig sind 1952 die Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den protestierenden Studieren- den in Freiburg im Breisgau, als dort der Film „Hanna Amon“ läuft:51

„Mitte Januar 1952 führte das Kino Friedrichsbau in Freiburg i.Br. den neuen Film Veit Harlans „Hanna Amon“ in Anwesenheit des Regisseurs erstmals vor. Auf Initiative der Gruppe des Sozialistischen Deutschen Studenten- bundes (SDS) fand am 16. 1. eine Protestveranstaltung vor dem Kino statt, woran sich auch andere demokratische Studenten- und Jugendverbände, Fal- ken und Gewerkschaftsjugend beteiligten. Es kam zu tätlichen Auseinander- setzungen zwischen der Polizei und den Demonstranten. Die Bevölkerung nahm zum grösseren Teil gegen die Demonstranten Stellung mit Ausdrücken wie ‚Judensöldling‘, ‚Judenlümmel‘.“52

Auch in der Schweiz werden in der Nachkriegszeit Gruppierungen aktiv, welche die Vorführung von Harlan-Filmen verhindern wollen. Die Pressestelle JUNA des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) baut unter der Lei- tung von Benjamin Sagalowitz eine umfangreiche Dokumentation zum Harlan- Fall auf.53 Im ArbeitskopieNovember 1951 teilt Georg Guggenheim dem Präsidenten des SIG, Georges Brunschvig, brieflich mit, die Zürcher Polizeidirektion habe ihn zu einer Zensurvorführung des Harlan-Films „Unsterbliche Geliebte“ eingeladen.54 Ein „Aktionskomitee gegen die Aufführung von Harlan-Filmen“ bildet sich am 1. Februar 1951 und entwickelt in der Folge eine rege Tätigkeit, um die Auffüh- rung dieses Films zu verhindern. Dem Komitee gehören die christlich-sozialen, die demokratischen, die freisinnigen und die sozialdemokratischen Zürcher Stadtparteien an, weiter auch das Gewerkschaftskartell der Stadt Zürich, die Schweizerische Arbeiterbildungs-Zentrale, der Schweizerische Bühnenkünstler- verband, die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft, der Schweizer Filmbund, der Schweizerische Israelitische Gemeindebund, der Schweizerische Schriftstel- lerverein, der Lehrerverein und die Sozialistische Jugend der Stadt Zürich.55 In einer Sitzung des Komitees vom 8. Februar 1952 erinnert der NZZ-Redaktor Edwin Arnet „an die geschlossene Aufführung des ‚Jud Süss‘ für die deutsche Kolonie im ‚Capitol‘, an der Harlan sich feiern liess“; er und viele andere hät- ten damals die Fäuste nur im Sack ballen können.56 Später fügt Arnet folgende Bemerkung zu Harlans Filmpublikum an:

18

4512falk.indd 18 19.05.2008 17:11:18 Uhr „Es gibt Leute, die versteckt warten, bis der Film läuft, damit sie einmal legal für Nationalsozialismus und Antisemitismus eintreten können, indem sie zehn Wochen lang den Saal füllen.“57

Doch der Einsatz des Komitees lohnt sich, der Film wird in Zürich schliesslich nicht gezeigt.58 Dieses Engagement wird nicht nur in der Schweiz Folgen zeigen. Denn um über geplante Aufführungen von Harlan-Filmen informiert zu sein, steht die JUNA unter anderem auch in Korrespondenz mit dem World Jewish Congress. Ein Vertreter des World Jewish Congress schreibt am 9. März 1951 an Benjamin Sagalowitz, dem Pressechef der JUNA:

„You will be interested to learn that thanks to our intervention, Veit Harlan’s Films have been banned in Austria.“59

Um das Schweizer Publikum wieder für sich zu gewinnen, inszeniert Harlan 1954 in Zürich eine spektakuläre öffentliche Verbrennung der angeblich letzten „Jud Süss-Kopie“, die Harlan zuvor als so genanntes Original-Duplikat (d.h. als Versicherungsexemplar des Originals) ausgab. Der Schweizerische Israelische Gemeindebund und die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft lehnen es ab, sich als Staffage für den angeblichen Reueakt hinzugeben.60 1959 werden weitere „Jud Süss-Kopien“ auftauchen. Während des Krieges, aber auch noch in der Nach- kriegszeit, waren in der Schweiz allerdings mehrere Harlan-Filme mit grossem Erfolg gezeigt worden, so beispielsweise „Opfergang“, „Immensee“, „Die Goldene Stadt“ oder „Die Reise nach Tilsit“.61 1949 läuft in Zürich Harlans Durchhaltewerk „Kolberg“ unter dem Titel „Entsagung“; der Name des Regisseurs soll damals aller- dings weggelassen worden sein.62 Im Jahr 1952 lehnt der Bundesrat ein nationales Verbot von „Unsterbliche Geliebte“ ab.63 Das Schweizer Film-Magazin erwähnt im selben Jahr den „Hanna Amon“-Film positiv, ohne dabei auf Harlans Vergangen- heit zu sprechen zu kommen.64 Sechs Jahre später berichtet das gleiche Film-Maga- zin in ganz ähnlichemArbeitskopie Tenor über den Film „Das Dritte Geschlecht“. Nun wird Veit Harlan als guter Menschenkenner gelobt, „der seine Schauspieler glänzend führt.“65 In der Nachkriegszeit äussern sich also nicht nur die Harlan-Gegner. In Luzern wird 1947 ein Harlan-Söderbaum Club – nach eigenen Angaben von jun- gen Schauspielern – gegründet.66 Eine Abklärung der Jüdischen Gemeinde Luzern ergibt, dass der Club 1951 ca. 20 Mitglieder umfasst. Auf eine Anfrage der JUNA berichtet der Clubgründer am 6. April 1951 über das anvisierte Ziel folgendes:

„Auch weiterhin werden wir Veit Harlan die Treue halten und ihn in der Wahrung seiner Rechte unterstützen, und nicht denjenigen unter die Arme greifen, die gegen ihn arbeiten und damit angeblich für ein besseres Deutsch- land kämpfen wollen.“67

Dieser Club wird in den Medien zwar oft genannt, tritt aber bei den Auseinanderset- zungen um die Harlan-Filme kaum in Erscheinung. Auch nach der Absetzung von „Unsterbliche Geliebte“ wird weiter versucht, Harlan-Filme in der Schweiz zu zeigen, beispielsweise „Sterne über Colombo“ und „Die Gefangene des Maharadscha“.68

19

4512falk.indd 19 19.05.2008 17:11:18 Uhr Meines Wissens bestehen noch keine Untersuchungen zur Frage, wann und wo welche Harlan-Filme in der Schweizer Nachkriegszeit aufgeführt – oder verboten – wurden. Nicht mit Sicherheit feststellen kann ich, dass in Zürich und Basel nach „Entsagung“ und vor „Das Dritte Geschlecht“ keine Harlan-Filme gezeigt wurden. Eine solche Vermutung ist aber plausibel, finden sich doch in der Zürcher Dokumen- tationsstelle Karteikarten dieser Filme mit dem Vermerk, wo diese gezeigt wurden; Schweizer Einträge fehlen. Träfe die geäusserte Vermutung zu, schliesse sich daran die Frage an, weshalb gerade „Das Dritte Geschlecht“ zur Vorführung gelangte. Versprachen sich die Filmverleiher von diesem brisanten Thema besonders grosse Gewinne? Fest steht jedenfalls, dass die Aufführung des Harlan-Films „Das Dritte Geschlecht“ Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre heftige Proteste provozierte. Dieser wird in der BRD von der „Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“ zunächst nicht freigegeben; er erscheint in Deutschland später in der veränderten Fassung „Anders als du und ich – § 175“. Die Zürcher Film-Kommission gibt „Das Dritte Geschlecht“ am 9. Januar 1959 zur Aufführung frei.69 Der Film wird erstmals am 14. März 1959, einem Samstag, im Kino Stauffacher aufgeführt, wobei es zu Demons- trationen kommt. Dies veranlasst den Zürcher Stadtrat, mit Beschluss vom 16. März die weiteren Aufführungen des Films in Zürich zu verbieten. Gegen dieses Verbot legen der Kinobesitzer und der Filmverleiher Rekurs ein. Das Zürcher Verwaltungs- gericht lehnt den Rekurs ab, weist aber den Stadtrat an, die Sache erneut zu prüfen, da ein Verbot aus sicherheitspolizeilichen Gründen zu überprüfen sei. Schliesslich wird das Verbot aufgehoben; der Stadtrat gibt den Film am 9. März 1962 frei. Doch aufgrund von Demonstrationen verbietet der Polizeivorstand am 17. April 1962 den Film erneut. In der folgenden Nacht – wahrscheinlich war das Verbot noch nicht öffentlich kommuniziert worden – explodiert um 5 Uhr im Kino Stauffacher eine Bombe; der Sachschaden sei gross, verletzt sei aber niemand worden, berichtet der Tages-Anzeiger am folgenden Morgen.70 Auch das Schweizer Fernsehen informiert über die Proteste. Am 15. April 1962 werden in einem Tagesschau-Bericht unter anderem Aufnahmen der Protest-Plakate und ein Handgemenge zwischen Polizei und DemonstrierendenArbeitskopie gezeigt.71 Drei Tage später zeigt die Tagesschau die Folgen des Sprengstoff-Anschlages und das aufgehängte amtliche Verbots-Plakat.72 In meiner Untersuchung werde ich vor allem die Basler Debatten um „Das Dritte Geschlecht“ genauer beleuchten. Die folgende Skizze der medial vermittel- ten Ereignisse soll deshalb für spätere Ausführungen zur Orientierung dienen. Bei der Basler Polizei trifft am1 6. November 1961 abends um Viertel nach Neun die Meldung einer Bombendrohung ein. Ein Unbekannter habe im Cinéma Corso eine Zeitbombe gelegt, ist der Kino-Kassiererin in einem anonymen Telefonanruf mitgeteilt worden.73 Eine Patrouille rückt aus. Die Bombe soll sich angeblich bei der Leinwand befinden; dieser Raum wird von der Polizei und von Kinoangestell- ten abgesucht. Doch nichts wird gefunden. Die Kinovorstellung wird nicht unter- brochen. Auch nach Schluss der letzten Vorstellung verläuft die erneute Suche erfolglos. „Da evtl. noch weitere solche Drohungen befürchtet werden, so wäre es evtl. am Platze Sicherheitsmassnahmen zu treffen“, rapportiert ein Polizist. An diesem Tag war in der National-Zeitung in einem Artikel mit dem Titel „Ein überflüssiger Film und ein notwendiger Protest“ berichtet worden, es laufe im Cinéma Corso der deutsche Film „Das dritte Geschlecht“. Die Qualität des Films

20

4512falk.indd 20 19.05.2008 17:11:18 Uhr sei sehr gering; es bestehe kein Grund, diesen in der Schweiz zu zeigen. Dennoch werde mit den Worten „Ein mutiger Film, der nichts beschönigt, nichts verschlei- ert, sondern unverhüllt die Wahrheit sagt“ für diesen schlechten Streifen geworben. Hier allerdings sei ein Punkt zu setzen, meint der Verfasser des Zeitungsartikels, Heinrich Burkhardt, dezidiert:

„Es wird nämlich sowohl in der Anzeige, als auch im Vorspann schamhaft der Name des Regisseurs verschwiegen, ein Name also, der sonst mit beson- derer Betonung genannt wird.“

Das habe seine guten Gründe: Der Regisseur sei nämlich Veit Harlan, „der im Dritten Reich eine grosse Rolle spielte und in seinem ‚Jud Süss‘ einen üblen Anti- semitismus pflegte.“ Zwei Tage später, einem Samstag, erscheint in der National- Zeitung ein Aufruf zur Teilnahme an einer öffentlichen Demonstration. Die Basler „Jüdischen Jugendbünde“, der „Helferkreis Rote Falken“ und die „Vereinigung jun- ger Sozialdemokraten“ rufen zu einer Kundgebung gegen den laufenden Film von Veit Harlan, Regisseur des antisemitischen Films „Jud Süss“ auf. Abends um acht wolle man sich auf der „Klagemauer am Barfüsserplatz“ versammeln. Um 19 Uhr meldet Kommissar Dätwyler, der Patrouillendienst sei ab 20 Uhr bis auf weiteres einzustellen; die Mannschaft habe auf dem Posten zu bleiben. Werde die Mann- schaft nach dem Polizeiposten Kannefeld beordert, so habe sie die Gummiknüttel mitzunehmen. Am folgenden Montag berichten die Basler Nachrichten, mehr als 150 Jugend- liche aus jüdischen und sozialistischen Kreisen hätten sich am Samstagabend um 20 Uhr vor dem Historischen Museum versammelt, um gegen den Harlan-Film zu demonstrieren. Als Sprecher der Jugendlichen habe Elia Werczberger den Demons- tranten und Zuschauern berichtet, es sei für Basel eine Schande, dass Filme von Nazi-Regisseuren aufgeführt würden. Nach dieser Ansprache seien die Demons- tranten in geordneten Viererreihen den Kohlenberg hinauf und via Spalentor zum Corso-Kino marschiert.Arbeitskopie Auch die National-Zeitung informiert am Montag über „Protestdemonstratio- nen und Pfui-Rufe vor dem Corso-Kino“. Es sei schon die zweite Woche, dass im Corso-Kino der von Veit Harlan geschaffene Film „Das Dritte Geschlecht“ laufe; ein nach übereinstimmenden Feststellungen übrigens „ganz guter Streifen“, wie es diesmal heisst. Dass man den anrüchigen Namen des Regisseurs im Vorspann weggelassen habe, dürfe der Grund sein, weshalb die Protestaktionen etwas ver- spätet eingesetzt hätten. Das Aktionskomitee habe für die Protestversammlung „von der Polizei ihren Segen erhalten“, weiss die National-Zeitung weiter zu berichten. Als der Demons- trationszug vor dem Kino eintraf, waltete die Polizei bereits unter der Leitung von Kommissär Paul Dätwyler ihres Amtes:

„Sie wies die jungen Leute, die sich mittlerweile auf die Strasse und aufs Trottoir gesetzt hatten, an, die Kinoein- und ausgänge [sic] für die Besucher freizuhalten und die Strasse für den Verkehr zu räumen – eine Aufforderung, der restlos und diszipliniert Folge geleistet wurde.“

21

4512falk.indd 21 19.05.2008 17:11:19 Uhr Wieder zwei Tage später, am Mittwoch dem 22. November, erscheint im Basler- stab, der zwei Wochen vorher eine Werbeanzeige des Kino Corso für „Das Dritte Geschlecht“ geschaltet hatte, ein weiterer Aufruf zur Protestkundgebung um 20 Uhr. Unterzeichnet haben das Inserat nun zusätzlich auch die Basler „Jungradi- kalen“, die „Jungkatholiken“, der „Zwinglibund“, die „Jünglingsbünde des Blauen Kreuzes“ und „Le bon film“. An diesem Abend haben um 19.30 Uhr auf dem PP Kannefeld Polizisten von den Posten Spiegelhof, Clara, Aeschen, Gundeldingen, Wieland, Horburg, Badischer Bahnhof, SBB, Lohnhof und Riehen anzutreten: insgesamt 17 Mann, mit Stahlhelm ausgerüstet. Um 21.43 wird die Pikettstellung aufgehoben. „‚Das dritte Geschlecht‘ musste weichen!“, wird am nächsten Tag die Arbeiter Zeitung triumphierend titeln. Fast 800 Menschen hätten sich am Mitt- wochabend vor dem Historischen Museum versammelt, berichtet die Arbeiter Zeitung:

„Ein heller Vollmond beschien die unzähligen, in einer kalten Brise frie- renden Gesichter. Alles wartete gespannt auf das Signal des Beginns der Kundgebung. Man wusste, es ging um den Kampf bis aufs Messer, denn die notwendige gesetzliche Handhabe, um den Harlan-Film vom Programm abzusetzen, fehlte.“

Doch Erwin Betzler, Sprecher der Vereinigung junger Sozialdemokraten, hatte, so die Arbeiter Zeitung, eine gute Botschaft zu verkünden. Wenige Minuten vor dem Versammlungsbeginn seien zwei Polizeifunktionäre zu ihm gekommen und hätten die Botschaft überbracht, der Kinobesitzer würde noch am gleichen Abend den besagten Film aus seinem Programm streichen. Die „Helfer der Roten Falken“ würden allerdings diesen Kinobesitzer wegen Verleumdung anklagen, kündet Betzler an, da dieser in einem Brief die Auffassung vertrat, die „Helfer der Roten Falken“ seien Kommunisten und die Jugendverbände wären von dieser Organisa- tion missbraucht worden. Aufgrund dieser Proteste wird das Basler Polizeidepar- tement den besagtenArbeitskopie Film im Dezember 1961 aus sicherheits- und verkehrspoli- zeilichen Gründen offiziell verbieten. Doch die heissen Debatten um „Das Dritte Geschlecht“ werden nicht an diesem kalten Novemberabend enden. Die Aufführung des Films ist nicht in der ganzen Schweiz untersagt. Da der Bundesrat keine nationale Zensur über den Film verhängt, kann „Das Dritte Geschlecht“ in anderen Kantonen gezeigt werden. In Bezug auf einen weiteren Film wurde hingegen anders verfahren. Der Bundesrat hatte am 23. Dezember 1958 für die ganze Schweiz Stanley Kubricks militärkritischen Film „Wege zum Ruhm“ verboten.74 In Basel hatten Hautpmann Flisch und sein Sekretär den Film im Oktober verboten:

„Die beiden Polizeibeamten begründeten, der Film empöre die in Basel woh- nenden Franzosen und er verunglimpfe die französische Armee. Sie stiessen sich am Film, dass ein General und ein Pfarrer zynisch dargestellt wurden, dass Offiziere ihre Mannschaft für den eigenen Ruhm opfern, und dass die Militärjustiz ungerecht verfährt, indem sie unschuldige Soldaten zum Tod verurteilt.“75

22

4512falk.indd 22 19.05.2008 17:11:19 Uhr Das Basler Polizeiinspektorat informiert in der Folge die Waadtländer und Berner Polizeidepartemente über das verhängte Filmverbot. Da der Kanton Bern keine Vorzensur kennt, fragt die Berner Polizei an, ob der Film in der ganzen Schweiz verboten werden könnte. Die Bundesanwaltschaft versucht auf den Filmverleiher Druck auszuüben, damit er den Film selber wieder aus dem Land schaffe. Doch die- ser informiert die Presse; die öffentliche Meinung bringt ihn schliesslich dazu, den bereits ausgeführten Film wieder einzuführen und so eine eidgenössische Zensur zu provozieren. Doch auch der Bundesrat verbietet den Film. Im März 1959 wer- den die Bundesräte Max Petitpierre und Fritz Wahlen, der bei der Visionierung des Films noch nicht im Amt war, ausgiebig verhandeln, ob in der offiziellen Zensur- begründung neben dem Argument, dass der Film die Beziehungen zu Frankreich störe, auch das Argument der Militärfeindlichkeit berücksichtigt werden soll.76 Im gleichen Monat wird sich der Bundesrat auf den Standpunkt stellen, dass die Filmzensur grundsätzlich in die Hoheit der Kantone falle, weshalb er die Harlan- Filme nicht verbieten werde. Eine Ausnahme würden nur Filme bilden, welche in staatspolitischer Hinsicht eine Belastung bedeuteten. Der Bundesrat teile jedoch die Auffassung, dass eine Ablehnung der Vorführung von Harlan-Filmen aus mora- lischen Gründen zu unterstützen sei; er begrüsse es deshalb, wenn Kinos privat- rechtliche Massnahmen ergreifen würden, damit der besagte Film eine möglichst geringe Verbreitung fände.77 Welche Motive den Ausschlag zum Verbot von „Wege zum Ruhm“ gaben, ist unklar. Nicht unwesentlich war wohl auch die Tatsache, dass sich der Bundesanwalt René Dubois kürzlich erschossen hatte, als bekannt wurde, wie aus seinem Dienstbereich geheimes Material zum Algerienkonflikt an den französischen Bundesanwalt weitergegeben worden war.

„Die erste Amtshandlung seines Nachfolgers war ausgerechnet das Verbot von ‚Wege zum Ruhm‘, und schon Zeitgenossen vermuteten, der Bundesrat habe den frisch amtierenden Bundesanwalt nicht gleich desavouieren wollen.“78 Der Film „Wege zumArbeitskopie Ruhm“ wird in der Schweiz bis 1970 verboten bleiben; das Basler Kinopublikum kann allerdings das eidgenössische Filmverbot umgehen:

„Ganze Hundertschaften marschierten nach Lörrach, wo ‚Wege zum Ruhm‘ gezeigt werden durfte – und dort sogar ab zwölf Jahren freigegeben worden war.“79

Mit diesen Bemerkungen zur Filmzensur in der Schweiz der 50er Jahre möchte ich vorerst die Ausführungen zum Kontext meiner Untersuchung abschliessen. Im Folgenden werde ich mich einerseits auf konkrete Filmstellen beziehen, anderer- seits meine Beobachtungen an mir verfügbarem Kontextwissen anschliessen, um die mich interessierenden Filme in jenen Zusammenhängen, in denen sie stehen, angemessen berücksichtigen zu können. Den Umstand, dass Kontexte nie „voll- ständig repräsentiert, sondern nur unter verschiedenen Perspektiven konstruiert werden“80, sollte die Leserin oder der Leser also auch im weiteren Verlauf meiner Arbeit im Auge behalten. Bevor ich allerdings in die Filmgeschichte einsteige, möchte ich noch einige methodische Anmerkung anbringen.

23

4512falk.indd 23 19.05.2008 17:11:19 Uhr Arbeitskopie

24

4512falk.indd 24 19.05.2008 17:11:19 Uhr 2. Methodische Anmerkungen

2.1. Diskursbegriff

Historische Diskursanalysen interessieren sich, schreibt Philipp Sarasin, für die Denkvoraussetzungen einer Gesellschaft.81 Nach Foucault wird in jeder Gesell- schaft die Produktion des Diskurses kontrolliert, selektiert, organisiert und kana- lisiert.82 Jürgen Link, der sich auf Foucault stützt, unterscheidet zwischen einer diskursiven Formation, die einen „ein spezielles Wissen produzierenden und reproduzierenden Sagbarkeitsraum“ meine und der „Öffentlichkeit“, in der sich verschiedene Diskurse schneiden.

„Mehr noch: Es schneiden sich nicht bloss mehrere Diskurse im Sinne Fou- caults, sondern diese schneiden sich zusätzlich mit ‚Alltagswissen‘“.83

Link bezeichnet die Schnittstellen mehrerer Spezialdiskurse als Interdiskurse und schlägt ausserdem vor, das Alltagswissen „Elementardiskurs“ zu nennen. Diskur- sive Formationen seien dabei neben-, und nicht über- oder untereinander zu situ- ieren. Komme es zwischen verschiedenen Diskursen allerdings zu einem „Deu- tungskampf“, können die Machtaspekte dieses Konfliktes um Hegemonie auf einer vertikalen Achse dargestellt werden. Dieses Problem des Verhältnisses zwischen der funkional-differenzierenden „horizontalen“ und der hierarchisch „vertikalen“ Dimension der Gesellschaft gehört nach Jürgen Link zu „den mit Vorrang zu klä- renden Fragen der Diskurstheorie“.84 Von Foucault bleibe dabei zu lernen, dass es in aller Regel keine gesonderten Diskurse der Herrschenden und Beherrschten gebe, „sondern lediglich Polarisierungen und Ausbildungen konträrer diskursiver Positionen innerhalb von gemeinsamen Diskurssystemen und vor allem inner- halb von gemeinsamenArbeitskopie Interdiskursen wie heute besonders den mediopolitischen Interdiskursen.“85 Nach Michael Imhof kann aus einer diskursanalytischen Perspektive von „ste- reotypisiertem Wissen“ gesprochen werden, welches einem Individuum „zur Ver- fügung steht“.86 Wie das Verstehen literarischer Texte setzt auch das Verstehen von Filmen bei den Rezipienten ein „kulturelles Wissen“ voraus, welches als wahr gesetzt wird.87 Allerdings stellt sich meiner Meinung nach die Frage, inwieweit der Begriff des „Stereotyps“ aus einer diskursanalytischen Perspektive nützlich ist. Nicht ver- gessen werden sollte jedenfalls, dass auch Stereotype relativ zu einem bestimmten bestehenden gesellschaftlichen Werte- und Wissenssystem zu bestimmen sind, was Mark Terkessidis in eindrücklicher Weise gezeigt hat.88 Kritisch angemerkt wird zuweilen, dass diskursanalytische Herangehensweisen die „Dominanz sprachwissenschaftlicher Modelle als Interpretationsverfahren“ weiter fortschreiben, wenn sie Kultur als ein „Feld sich überschneidender Dis- kurse“ konzeptualisieren.89 Der Vorwurf lautet, dass Wahrnehmungsweisen und Erfahrungswelten, welche sich nicht in Sprache fassen lassen, ausgeblendet werden. Unter der Bezeichnung „Sprache“ wird zwar gerne ein Geflecht aus Bildern und

25

4512falk.indd 25 19.05.2008 17:11:20 Uhr Begriffen verstanden, reflektiert werden aus einer diskursanalytischen Perspektive jedoch oft nur verbalsprachliche Bilder. Auch wenn der Ort und die Bedeutung des Bildes je nach Diskurskonzeption anders ausfallen und ein bestimmter Dis- kursbegriff auch visuelle Bilder zu umfassen vermag, besteht aus dieser Sicht die Gefahr, dass eine diskursanalytische Herangehensweise, wenn nicht prinzipiell, so zumindest potenziell blind gegenüber ikonischen Phänomenen und ihren spezi- fischen Wirkweisen ist. Es stellt sich demnach die Frage, ob visuelle Bilder über- haupt unter den Begriff des Diskurses gefasst werden sollen, wie ich es in dieser Untersuchung handhabe; ich benutze einen breiten Bildbegriff, schliesse sowohl verbalsprachliche als auch visuelle Phänomene von Bildlichkeit mit ein. Michel Foucault selbst äusserte sich zum Verhältnis von Begrifflich- und Bild- lichkeit in seinem 1967 publizierten Essay „Worte und Bilder“ folgendermassen:

„Der Diskurs ist also nicht die gemeinsame Interpretationsgrundlage aller Erscheinungen einer Kultur. Eine Form erscheinen zu lassen ist keine indirekte (subtilere oder naivere) Art, etwas zu sagen. Nicht alles, was die Menschen tun, ist letztlich ein entschlüsselbares Rauschen. Diskurs und Figur haben jeweils ihre eigene Seinsweise; aber sie unterhalten komplexe, verschachtelte Beziehungen. Ihr wechselseitiges Funktionieren gilt es zu beschreiben.“90

Bemerkenswert ist, dass Foucault hier nicht für einen möglichst breiten Diskurs- begriff plädiert, sondern von der Existenz nichtdiskursiver Praktiken ausgeht, wobei insgesamt unklar bleibt, „wie die Grenze zwischen diskursiven und nichtdis- kursiven Praktiken gezogen und wie sie überbrückt wird.“91 Interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang aber auch der Umstand, dass sich Foucault dabei auf Panofsky bezieht. Er schreibt: „Panofsky hebt das Privileg des Diskurses auf.“92 Panofskys Verfahren „Bilder massgeblich mit Hilfe von Texten zu deuten“93, wird allerdings heute oft als sprachzentriert kritisiert. Weiter ist anzumerken, dass nach Foucault das Sagbare und das Sichtbare nicht ineinander aufgehen; sie unterliegen einer striktenArbeitskopie Trennung, wobei jedoch auch das Verhältnis zwischen Text und Bild nicht ahistorisch zu bestimmen ist.94 Bei Gilles Deleuze findet sich eine Konzeptualisierung der Sag- und Sichtbarkeit, die bei Foucault nur implizit vorhanden ist, wobei Deleuze ein Auseinanderfallen zwischen Sprechen und Sehen diagnostiziert. Er unterscheidet zwischen einer Art des Sagens und einer Weise des Sehens, zwischen Diskursivitäten und Evidenzen.95 Die klassische Rhetorik begreift Evidenz indes als rhetorische Operation; als eine einleuchtende Anschaulichkeit, welche über das Medium der Sprache hergestellt wird. Evidenz wird als Sehzwang nach meinem Verständnis stets produziert, doch jeweils ausgehend von spezifisch vorhandenen medialen Möglichkeiten und mate- riellen Widerspenstigkeiten. Die konkreten Verfahren der Evidenzherstellung sind also als historisch kontingent zu verstehen. Wichtig für den Verlauf von Diskursen sind nach Siegfried Jäger diskursive Ereignisse:

„Hierbei handelt es sich nicht um ‚reale‘ Ereignisse wie etwa einen Reaktor- unfall oder ein Wahlergebnis, sondern um den breit entfalteten Diskurs über

26

4512falk.indd 26 19.05.2008 17:11:20 Uhr diese Ereignisse. Ereignis und diskursives Ereignis müssen sich nicht ent- sprechen: Wenn ein Reaktorunfall verschwiegen wird, wird er nicht zu einem diskursiven Ereignis, auch wenn er noch so viele Menschenleben fordert.“96

Zugleich aber ist oft keine klare Unterscheidung mehr möglich zwischen einem „realen Ereignis“ und seiner medialen Repräsentation:

„Bill Clintons Affäre mit Monica Lewinsky ist so eng mit der medialen Berichterstattung darüber verbunden bzw. deren Produkt, dass es kein Zurück mehr zu einer authentischen, nicht vermittelten Geschichte geben kann, die es erlauben würde, die medialen Repräsentationen als ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ zu bestimmen.“97

2.2. Filme und Diskurse

„Der Ort, den eine Epoche im Geschichtsprozess einnimmt, ist aus der Ana- lyse ihrer unscheinbaren Oberflächenäusserungen schlagender zu bestim- men als aus den Urteilen der Epoche über sich selbst.“98

In Filmen werden Lebensentwürfe, Verhaltensweisen und gesellschaftliche Werte präsentiert; sie vermitteln uns – meist auf unauffällige Weise – Normalitätsvor- stellungen und Wahrnehmungsprinzipien. Filme können die herrschenden Vor- stellungen in Frage stellen oder bestätigen.99 Wie andere Medien sind auch Filme Agenturen der Gesellschaft, „mit denen sich die Gesellschaft als Gesellschaft selbst erhält: Der Mensch wird durch sie zu einem kulturellen Wesen geformt.“100 Filme sind ein Mittel zur Identitätsbildung; was als vertraut oder fremd empfunden wird, ist häufig ein Ergebnis der Medien. Gerade der oft fiktive Charakter kultureller Produkte erfüllt dabei eine wichtige Funktion, wie Knut Hickethier treffend fest- stellt: Arbeitskopie „Es ist die Konstruktion des ‚Als-ob‘, die eine kulturelle Konvention darstellt und die zumindest für die abendländischen Kulturen eine grundsätzliche Basis bildet. Denn durch sie lassen sich menschliche Konflikte kulturell ‚durchspielen‘, Kausalitäten erkennbar machen und als Konstruktionen gesellschaftlich etablieren, Ursachen modellhaft diskutieren und Konsequen- zen erörtern. Die Bewertung von menschlichen Verhaltensweisen kann auf diese Weise per Anschauung wirksam vorgeführt werden, in der Hoffnung, dadurch Normen und Wertsetzungen dauerhaft zu vermitteln.“101

Kulturproduktionen können aber auch neue Denkmöglichkeiten eröffnen. Die Menschen sind bei fiktiven Geschichten offenbar eher bereit, Gültigkeitsbedin- gungen mental in Frage zu stellen. Filme können ausserdem als Vermittlungs- instanz zwischen gesellschaftlichen Strukturen und dem Individuum gesehen werden. Doch auch Filmbilder werden nicht ohne Verdauungsprozess geschluckt; das Publikum tritt in eine Beziehung zum Gesehenen und Gehörten, eine Inter-

27

4512falk.indd 27 19.05.2008 17:11:20 Uhr aktion beginnt. Auf die Frage, ob Filme gesellschaftliche Werte produzieren oder reproduzieren, gibt es deshalb nicht eine Antwort.102 Dieser Befund gilt auch für Propaganda-Filme, wenn hier auch die besonders ausgeprägte Strukturierung der Rezeptionsbedingungen mitberücksichtigt werden muss. So fanden sich im Dritten Reich in vielen Kinoaufführungen geschlossene Formationen von NSDAP, SA, SS oder HJ ein, „die durch Zwischenrufe und anschliessende Propagandamärsche die Rezeption des Filmes beeinflussen konnten.“103 Die bisherige Wirkungsforschung zum NS-Film, so Armin Nolzen, stand ausserdem lange Zeit in der Tradition der älteren Wirkungshypothese, welche davon ausgehe, dass ein spezifisches Medien- angebot eine spezifische Wirkung beim Rezipienten erzeuge. Hingegen werde beim so genannten Nutzenansatz argumentiert, „dass der Rezipient aktiv ist und sich aus der Vielfalt der Medienangebote und Deutungshorizonte diejenigen aus- sucht, die seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechen.“104 Anke-Marie Lohmeiers Argumentation in Bezug auf den Film „Jud Süss“ verläuft in eine ähnliche Rich- tung. Dass die in diesem Film vorhandenen Ambivalenzen in der deutschen Nach- kriegsgesellschaft nicht thematisiert wurden, könne auch als Selbstentlastungs- strategie gelesen werden. Denn der Topos der verführten Nation erlaube es, die Verantwortung an der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung „als unausweichliche Konsequenz propagandistischer Manipulation zu legitimieren und die deutsche Bevölkerung damit ihrerseits als Opfer zu postulieren.“105 In diesem Sinne sei es also sozusagen zu bequem, das politische Denken und Handeln von Menschen und die Entscheidungen einer Gesellschaft nur auf die Wirkung von Spielfilmen zurückzuführen. Jedenfalls sind Filme Schaltstelle und Umschlagorte für Diskurse; gleichzeitig wirken sie auf die durchgearbeiteten Diskurse zurück. Homosexualität war im Film schon sehr früh sichtbar, aber die Art und Weise, wie sie sichtbar gemacht wurde, war fast ein Jahrhundert lang beleidigend:106

„Von Anfang an konnte sich das Kino auf Homosexualität verlassen – als todsichereArbeitskopie Quelle für Witze.“107 Auch „Das Dritte Geschlecht“ greift selektiv bestimmte Diskurse über Homo­ sexualität auf und verknüpft diese in einer ästhetisch kodierten Form. Dennoch kann „Das Dritte Geschlecht“ nicht aus dem rekonstruierten Kontext kausal abge- leitet werden. Denn jeder Kontext birgt eine unendliche Anzahl potenzieller Dar- stellungen.108 Da Filme zudem eine enorm dichte, sich dazu noch in ständigem Fluss befindliche Menge von Daten verknüpfen und dabei ein enges Netz von Bedeutungen weben109 – wobei sich verschiedene Zeichensysteme mit wechselnden Hierarchien gegenseitig durchdringen110 – kann ich nur fragmentarisch einige Ele- mente des Films „Das Dritte Geschlecht“ herausgreifen, die mir auch für meine weitere Untersuchung besonders wichtig erscheinen. Dabei werde ich versuchen, das Einzelne auf das Ganze zu beziehen – das filmische Detail in seiner Bezug- nahme zu Vorstellungs- und Denkstrukturen zu sehen. Damit die Leserin und der Leser meiner Darlegung zu folgen vermag, schildere ich vorher kurz den Gang der Filmerzählung. Die vorangestellten Standbilder werden, hoffe ich, die Überprüfbarkeit meiner Argumentation erleichtern. Über die Produktionsbedingungen des Films stehen mir leider nur wenige Informatio-

28

4512falk.indd 28 19.05.2008 17:11:21 Uhr nen zur Verfügung, weshalb ich mich hier damit begnüge, auf die filmografischen Angaben, die sich am Ende dieser Arbeit befinden, zu verweisen. Doch vorher fol- gen noch einige wichtige Erläuterungen zu meinem Sprachgebrauch der Begriffe „Antisemitismus“, „Diskriminierung“, „Marginalisierung“ und „Homophobie“.

2.3. Erläuterungen zum Sprachgebrauch: Antisemitismus und Homophobie Der Ausdruck „semitisch“ kennzeichnete zuerst eine bestimmte Sprachfamilie; zu den Semiten wurden nicht nur die Juden, sondern auch die Araber gerechnet. Der Begriff „Antisemitismus“, der 1879 im Umfeld von Wilhelm Marr als Selbst- bezeichnung antijüdischer Bewegungen vermehrt verwendet wurde und der die intendierte „biologische“ Argumentationsweise der artikulierten Judengegner- schaft betonen sollte, bezog sich hingegen nur auf Juden.111 Das Wort „Antise- mitismus“ wurde im Nationalsozialismus abgelehnt:

„Der Begriff ‚antisemitisch‘ wurde 1935 auf Anweisung des Propagandami- nisteriums, nicht zuletzt aus aussenpolitischen Gründen, durch die Sprach- regelung ‚anti-jüdisch‘ ersetzt. Erst nach 1945 wurde ‚Antisemitismus‘ zu einem sozialwissenschaftlichen Terminus technicus.“112

Georg Christoph Berger Waldenegg plädiert aufgrund der problematischen Etymo- logie des Begriffes „Antisemitismus“, seiner Ungenauigkeit und seinem potenziell anachronistischen Sprachgebrauch für die Verwendung des Begriffes „Judengeg- nerschaft“, der mit Attributen wie „moderat“, „radikal“, „religiös“ oder „rassistisch“ differenziert werden solle. Auch er wendet allerdings ein, dass „eine terminologi- sche Ideallösung, die jeglicher Kritik widerstehen könnte“, nicht existiere.113 Da der Begriff „Antisemitismus“ auch in international geführten Diskussionen immer noch benutztArbeitskopie wird, werde ich diesen Begriff, in Anlehnung an Wolfgang Benz, in einer weiten Bedeutung verwenden. Darunter subsumiere ich „die Gesamtheit judenfeindlicher Äusserungen, Tendenzen, Ressentiments, Haltungen und Handlungen, unabhängig von ihren religiösen, rassistischen, sozialen oder sonstigen Motiven“.114 Ob im Konkreten antisemitische Charakterisierungen, Ressentiments oder Handlungen gemeint sind, muss deshalb jeweils mit anderen sprachlichen Mitteln spezifiziert werden. Mag manchen diese Verwendung des Begriffes Antisemitismus in Bezug auf bestimmte Phänomene als anachronistisch oder zu weit gefasst erscheinen, so möchte ich anführen, dass diese Weite und Unbestimmtheit auch Vorteile haben kann. Denn Benz bezeichnet Antisemitis- mus als „Prototyp des sozialen und politischen Ressentiments“.115 Aufgrund von Migrationsprozessen würden sich heute, so Benz, strukturell viele Konflikte und Problemstellungen wiederholen, „die wir aus der Geschichte des Zusammenlebens von Juden und Nichtjuden kennen.“116 Deshalb müsse sich auch Antisemitismus- forschung als Fach erweitern „von der Untersuchung des speziellen Ressentiments und seiner Wirkungen zur allgemeinen und übergreifenden Problematik von Vor- urteil und Diskriminierung, Ausgrenzung von Minderheiten und Xenophobie.“117

29

4512falk.indd 29 19.05.2008 17:11:21 Uhr Der Begriff „Diskriminierung“ stammt vom lat. „discrimen“, was eine Spalte oder einen Riss bezeichnete, später dann auch das „Unterscheidende“ oder das „Entscheidende“. „Discriminare“ bedeutet also zunächst trennen, scheiden und unterscheiden; diese Trennung kann als Grundlage für eine Benachteiligung die- nen. Im Sinne von „Benachteiligung“ wird der Begriff „Diskriminierung“ heute meist gebraucht. „Marginalisierung“ bezeichnet die randständige Existenz (von lat. margo: Rand). Marginalisierung und Ausgrenzung bedeuten also nicht das gleiche, stehen aber dennoch in einem Zusammenhang zueinander: Um eine Person über die Grenze stossen zu können, muss sie vorher an den Rand gedrängt werden. Wer den Begriff Homophobie prägte, ist ungeklärt. Der Psychologe George Weinberg soll die Bezeichnung ab 1967 benutzt und 1972 durch seine Publikation „Society and the Healthy Homosexual“ einem breiten Publikum bekannt gemacht haben:

„As used by Weinberg, it indicates a dread of being in close quarters with homosexuals, and in the case of some homosexuals themselves, a self-loath- ing revulsion. A phobia is an irrational fear that runs contrary to cultural norms, but homophobia is most often used to designate a prejudicial hatred of homosexuality comparable to racism. Homophobia can be and often is institutionalized in anti-gay laws, policies, and the pronouncements of church and state. It also manifests itself in individuals, where its effects can range from verbal abuse to gay bashing and even murder. One of its most unfortunate manifestations is in homosexuals who have been convinced by society that their affections and desires are monstrous and deserving of punishment.“118

Ein Vorteil der Begrifflichkeit ist die geleistete Verdeutlichung, dass Homophobie und nicht Homosexualität als Problem angesehen werden soll. Die Bezeichnung Homophobie ist allerdings nicht unproblematisch; wörtlich wäre damit die „Angst vor dem Gleichen“Arbeitskopie gemeint. Wer unter einer Phobie leidet, erscheint als Opfer der eigenen Angst, wodurch der Ausdruck Homophobie einen euphemistischen Cha- rakter erhält. Da allerdings der Begriff „Heterosexismus“ im allgemeinen Sprach- gebrauch noch weniger bekannt ist und zudem eine etwas anders gelagerte Bedeu- tung aufweist119, werde ich aufgrund mangelnder terminologischer Alternativen dennoch auf die Bezeichnung Homophobie zurückgreifen. In Anlehnung an die weiter vorne aufgeführte Definition zu Antisemitismus verstehe ich unter Homo- phobie die Gesamtheit von Äusserungen, Tendenzen, Ressentiments, Haltungen und Handlungen gegenüber Menschen, die gegenüber der „sexuellen Normorien- tierung“ als nicht konform angesehen werden; darunter können also auch Bisexu- elle, Transvestiten oder Transsexuelle fallen. Der Begriff „Homophobie“ taucht in der zehnbändigen Ausgabe des Dudens erstmals in der zweiten Auflage von 1994 auf.120 „Homophob“ bedeutet hier, „eine starke [krankhafte] Abneigung gegen Homosexualität“ haben oder zeigen; hier stellt sich die unfreiwillige Frage, welche Abneigung gegen Homosexuelle denn als gesund zu gelten habe.121 In der einbän- digen Ausgabe zur deutschen Rechtschreibung fehlt der Eintrag weiterhin; hinge- gen ist beispielsweise die Bezeichnung „homophil“ vorhanden. Zuweilen wird eine

30

4512falk.indd 30 19.05.2008 17:11:21 Uhr Unterscheidung zwischen Gayo- und Lesbophobie vorgenommen.122 Eine solche Differenzierung hat den Vorteil, bestimmte Sachverhalte präziser zu fassen, äus- sern sich doch die Feindlichkeiten gegenüber Schwulen und Lesben oft in sehr verschiedener Form. Mir allerdings erscheint gerade die Breite der Bezeichnung Homophobie als nützlich. Ausserdem ist auch der Begriff „Homosexualität“ auf beide Geschlechter anwendbar.123 Dennoch soll hier nochmals betont werden, dass ich mich in meiner Unter- suchung mit Homophobie befasse, die gegenüber homosexuellen Männern artiku- liert wird, was in der Tat durch einen weit gefassten Homophobiebegriff leicht in Vergessenheit geraten könnte.124

Arbeitskopie

31

4512falk.indd 31 19.05.2008 17:11:22 Uhr Arbeitskopie

32

4512falk.indd 32 19.05.2008 17:11:22 Uhr 3. Der Film „Das Dritte Geschlecht“

3.1. Eine Auswahl von Standbildern

1 2 3

4 5 6 Arbeitskopie

7 8 9

Abb. 3

33

4512falk.indd 33 19.05.2008 17:11:24 Uhr 10 11 12

13 14 15 Arbeitskopie

16 17 18

Abb. 4

34

4512falk.indd 34 19.05.2008 17:11:24 Uhr 3.2. Die Story

Auf das höchste beunruhigt sind Bankdirektor Teichmann und seine Frau Christa. Denn ihr Sohn Klaus ist sehr eng mit seinem Schulkameraden Manfred befreun- det, welcher als „homosexuell veranlagt“ gilt; die Eltern befürchten, auch Klaus verkehre in homosexuellen Kreisen. Als sie mit Schrecken von Klaus’ Bekannt- schaft mit einem homosexuellen Kunst- und Antiquitätenhändler, Dr. Boris Winkler, erfahren, suchen sie gemeinsam beim Psychologen Schmidt nach Rat. Auch der Geheimrat und Hausarzt, den Frau Teichmann anschliessend alleine aufsucht, empfiehlt der besorgten Mutter ein schnelles Handeln. Diese Ratschläge stossen bei Frau Teichmann auf offene Ohren. Mutter Teichmann ermutigt nun das hübsche und in ihren Sohn verliebte Hausmädchen Gerda dazu, Klaus zu verführen. Der entscheidende Wendepunkt des Films tritt ein, als die Eltern ver- reisen: Gerda ergreift die günstige Gelegenheit und „bekehrt“ Klaus erfolgreich zur Heterosexualität. Frau Teichmann wird Gerda später für ihre Dienste ein Schmuckstück anbieten; Gerda wird das Geschenk aber ablehnen. Vater Teich- mann allerdings, der über diese Verführungspläne nicht unterrichtet ist, hat vor der Abreise Boris Winkler wegen Verführung Minderjähriger angezeigt. Dieser rächt sich nun, indem er die Mutter ihrerseits wegen Kuppelei einer Abhängigen verklagt. Schliesslich wird Christa Teichmann nach einer Gerichtsverhandlung zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt. Boris Winkler hingegen kann sich nach Italien absetzen.125

3.3. Der Gerichtsprozess und die Ankündigung des medizinischen Diskurses Diese Filmhandlungen werden allerdings nicht in chronologischer Weise präsen- tiert. Der Spielfilm beginnt im Gericht. Hier erfahren wir von der Klage gegen Mutter Teichmann. DieseArbeitskopie hätte, so der Richter, durch Gewährung oder Verschär- fung von Gelegenheit der Unzucht Vorschub geleistet, und zwar unter strafver- schärfenden Bedingungen, weil sie zu der verkuppelten Person in dem Verhältnis von Eltern zu Kindern stehe. Die Ankündigung, der Prozess gegen Christa Teich- mann werde wegen „Gefährdung der Sittlichkeit“ unter Ausschluss der Öffentlich- keit stattfinden, stimuliert die Schaulust des Filmpublikums; gleichzeitig wird die- sem suggeriert, aus einer privilegierten Position etwas beobachten zu dürfen, das sonst nur hinter verschlossenen Türen verhandelt werde. Der Richter fordert nun Mutter Teichmann auf, zu erzählen, wie Klaus und Boris Winkler sich begegneten. So folgt nun im Rückblick eine Darstellung der Ereignisse. Die Gerichtsverhand- lung in Form einer Rahmenhandlung dient als Motivationsapparat für die Rück- blende. Auch am Schluss des Films befinden wir uns wieder im Gerichtssaal; jetzt wird der Schuldspruch gefällt. Es ist also die Gerichtsverhandlung, welche im Film die Gelegenheit schafft, über Homosexualität zu reden. Denn auf diese Weise wird ein Kontext etabliert, innerhalb dessen das Reden über Homosexualität von der Gesellschaft als legitim empfunden wird. Gleichzeitig verdeutlichen die Schwarz- Weiss-Aufnahmen, dass hier „das Problem der Homosexualität“ nicht in Skandal-

35

4512falk.indd 35 19.05.2008 17:11:25 Uhr farben ausgemalt, sondern ernsthaft behandelt werden soll.126 Auch der medizi- nische Diskurs, über welchen ein Grossteil des Redens über gleichgeschlechtliche Sexualität ablief, kündigt sich gleich zu Beginn an. Der Vorspann macht auf die fachwissenschaftliche Beratung durch das „Frankfurter Institut für Sexualfor- schung“ aufmerksam. Das Rekurrieren auf eine wissenschaftliche Institution soll der filmischen Darstellung Glaubwürdigkeit verschaffen:

„Die Handlung des Filmes ist einem tatsächlichen Geschehen nachgebildet. Die Personen sind frei erfunden.“

Dieser Anspruch des Films, in Form einer Fiktion ein reales Ereignis mit Aktua- litätsanspruch präsentieren zu wollen, wird in „Anders als Du und ich“ deutlich zurückgenommen. Hier heisst es kaum leserlich:

„Handlungen und Personen dieses Filmes sind frei erfunden. Jede Ähnlich- keit mit jetzt oder früher lebenden Personen oder tatsächlichen Begebenhei- ten wäre rein zufällig.“127

Wir haben nun die ersten Eckpfeiler ausgemacht, welche das Erzählfeld des „Dritten Geschlechts“ abstecken. Wie aber wird nun im Film konkret über Homosexualität gesprochen – und mit welchen Mitteln wird Homosexualität visuell dargestellt? Der Begriff „homosexuell“ wird im Film fünfmal verwendet. Begeben wir uns also dahin, wo die Bezeichnung zum ersten Mal fällt.

3.4. Kunst und gleichgeschlechtliche Verführung

Onkel Max, Vater und Mutter Teichmann nehmen im Wohnzimmer der Teich- manns ihr sonntägliches Abendbrot ein. Onkel Max hat die Eltern offensichtlich darüber informiert,Arbeitskopie dass Klaus am Vorabend das Tanzfest mit Manfred ganz plötz- lich verlassen hat. „Dein Sohn ist ja diesem Manfred schon so verfallen … dem ist er ja hörig!“, klagt Vater Teichmann mit vorwurfsvollem Blick zur Mutter und fährt weiter fort:

„Ich habe mich nach diesem Herzensfreund, dem Manfred Glatz, genau erkundigt. Der Junge ist erwiesenermassen homosexuell veranlagt. – Ich weiss, Christa, du hörst das Wort nicht gern, aber es muss einmal gesagt wer- den. Alle gesunden Jungen lehnen diesen Manfred ab. Nur unser Sohn, unser Genie, der geht zu ihm. Teilt sein Leben mit ihm. Und was dieses – dieses ungebackene Brötchen zu ihm sagt, das ist für ihn eine Offenbarung.“

Vater Teichmann ist fest entschlossen, seinen Sohnemann zur Sprache zu stel- len. Deshalb hat er Klaus in sein Zimmer eingesperrt. Durch Einsperren will der Vater also sozusagen ein „Coming-Out“ des Sohnes verhindern. Während aber im Wohnzimmer Vater, Mutter und Onkel die Gefährdung von Klaus besprechen, klettert dieser aus dem Fenster und macht sich aus dem Staub. Der erboste Vater

36

4512falk.indd 36 19.05.2008 17:11:25 Uhr bemerkt kurz darauf die Flucht von Klaus. Von Gerda Böttcher, dem Hausmäd- chen, erfährt er, dass Klaus und Manfred zusammen wohl zu einem Herrn Doktor Winkler gingen:

Gerda: „Übrigens … die beiden wollten zu einem Herrn Dr. Winkler.“ Vater: „Dr. Winkler? Wer ist denn das schon wieder?“ Gerda: „Das ist ein Mann, der mit Kunst zu tun hat, sagt Klaus.“ Vater: „Mit Kunst? Was denn für Kunst? Wer weiss, was das wieder für eine dunkle Gestalt ist?“ Gerda: „Klaus sagt, das ist ein sehr kluger Mann, von dem er viel lernen kann. Da sind viele Jungens. Sie sprechen über Kunst …. und was weiss ich…“ Vater: „Na, da haben wir’s ja! Da steckt er ja bereits mitten drin in den Krei- sen. Aus diesen Kreisen kommen ja die Verbrecher.“ Mutter: „Ach, sind das alles Verbrecher … rede doch keinen Unsinn.“ Vater: „Aber es stand doch in der Zeitung vor ein paar Tagen. So ein neun- zehnjähriger Lümmel hat eine Frau umgebracht, um ihr ganze 18,50 Mark zu stehlen. Mit einem Schraubenschlüssel hat er ihr auf den Kopf geschla- gen. Und dieser Bengel kam aus homosexuellen Kreisen.“ Mutter: „Ja, ich hab’s auch gelesen.“ Vater: „Na also!“

An dieser Stelle fällt der Begriff „homosexuell“128 zum zweiten Mal, jetzt in Verbin- dung mit Kriminalität. Gerda, die bezeichnenderweise während der ganzen Szene mit einem Schlüssel spielt, liefert dabei den entscheidenden Hinweis auf diesen anschei- nend dubiosen Doktor Boris Winkler.129 Vater Teichmann und Onkel Max brechen auf, um Klaus zu suchen. Die folgende Einstellung führt uns direkt in Winklers Haus. Hier sehen wir, wie Boris Winkler mit disharmonischer elektronischer Musik und erotischen Ringkämpfen fast nackter Jünglinge Klaus zu beeindrucken versucht.130 Durch die Parallelisierung der Handlungsstränge können wir ausserdem verfolgen, wie es Vater TeichmannArbeitskopie und Onkel Max bei ihrer Suche nach Klaus ergeht.131 Man- freds Mutter, eine Witwe, will zuerst die Adresse von Winkler nicht bekannt geben; erst nach der Androhung, die Polizei zu kontaktieren, rückt sie damit heraus. Ihr Mann sei Tänzer an der Staatsoper in Dresden gewesen, und dass ihr Sohn nun auch so eine Art habe, damit hätte sie sich abgefunden. „Na ja, na ja, Schicksal“, antwortet Onkel Max darauf. In „Anders als du und ich“ hingegen wurde folgende handlungs- antreibende Bemerkung des Onkels nachträglich eingefügt:

„Damit dürfen Sie sich aber nicht abfinden, Frau Glatz. Fürchten Sie nicht, ihre Mutterpflichten zu versäumen? … hm – verzeihen Sie wenn ich mich da so einmische aber – Sie haben sich da etwas zurechtgedacht von dem lieben guten Herrn Winkler – ich sage Ihnen, so sind diese Art Menschen nicht – Wenn Sie nicht rechtzeitig einschreiten, dann werden Sie das vielleicht noch ’mal bitter bereuen, Frau Glatz…“

Auch die Äusserung von Frau Glatz, Herr Winkler sei der einzige, der ihrem Sohn helfe, wurde hier weggelassen. Dann wechselt in beiden Filmfassungen der Schau-

37

4512falk.indd 37 19.05.2008 17:11:25 Uhr platz und wir verfolgen, wie Boris und Klaus sich im Reden über abstrakte Malerei näher kommen (Bild 4 und 5). Schon bei ihrer ersten Begegnung weckte Boris Winkler die Neugier an seiner Person, indem er sich für die von Klaus gemalten Bilder interessiert:

„Manfred hat mir erzählt, dass Sie malen – sehr gute Bilder sogar, ich würde gerne mal was von Ihnen sehen – können Sie nicht mal zu mir kommen?“

Auch Gerdas erste Charakterisierung Winklers bezieht sich auf seinen Beruf als Kunsthändler, was für Vater Teichmann der Anlass ist, Schlimmes zu vermuten. Während Onkel Max, der, so Gerda, gerne Frauen betatsche132, mit dem „moder- nen Quatsch“ von Klaus nichts anfangen kann, erfährt Klaus von Boris Winkler Verständnis für seine künstlerischen Ambitionen. Auch Manfred wird als künst- lerisch begabt gezeigt. Mit Boris Winklers Hilfe hat er ein Gedicht in der Zeitung veröffentlicht; später liest er Klaus aus seiner Novelle vor. Auch als Vater Teichmann Winkler besucht, betont der Kunsthändler, er würde Klaus eine gewisse geistige Spannung, eine künstlerische Erziehung geben, die sehr oft auch die Vorbereitung für eine Karriere sei. Offensichtlich wird also im „Dritten Geschlecht“ zwischen der künstlerischen und der sexuellen Veranlagung eine Beziehung suggeriert. Unterbrechen wir an dieser Stelle kurz den Fluss der Filmgeschichte, um uns diesen Aspekt genauer anzusehen. Dazu kehren wir zum „Frankfurter Institut für Sexualforschung“ zurück, das im Vorspann des Films genannt wird. Der Sexual- forscher Hans Giese war es, der für „Das Dritte Geschlecht“ die wissenschaftliche Beratung übernahm.133 Giese publizierte ausführlich zum Thema der Homosexua- lität. In seiner 1958 publizierten Studie mit dem Titel „Der homosexuelle Mann“ lesen wir folgendes:

„Es scheint, dass der Wunsch nach dem Vatersein, insbesondere dort, wo er unerfüllt bleibt, mit der in der Literatur immer wieder beschriebenen Tatsache desArbeitskopie teilweise abnorm überhöhten ästhetischen Lebensstils des hs. Mannes zusammenhängt.“134

Diesen Hang zur Ästhetisierung deutet Giese als Flucht vor der Realität. Deshalb würden viele Homosexuelle nach „ästhetischen Ersatzgütern“ greifen; sie würden zum Beispiel Kunstgegenstände sammeln oder sehr häufig Lichtspieltheater besu- chen, um auf diese Weise „Bilder der Wirklichkeit“ erfahren zu können.135 Ausser- dem entwickle der homosexuelle Verführer oft pädagogische Tendenzen. Er habe den Wunsch, seinen Kulturbesitz auf den Jungen zu übertragen. Um die Möglich- keiten des Zusammenseins zu vermehren und zu vertiefen, nehme er schliesslich den Jungen nach Hause.

„Nicht nur hart an der Grenze des sexuellen Vollzugs, sondern diese unbe- denklich überschreitend bis zur Auslösung des eigenen Orgasmus entfaltet sich hier die massiv-sexuelle Handlung unmittelbar neben höchster Kulti- vierung ästhetischer Erlebnisse, die – anders als sonst in hs. Bindungen – als ‚Vaterpflicht‘ angenommen werden.“136

38

4512falk.indd 38 19.05.2008 17:11:26 Uhr Solche Verführungen können nach Giese auch für „normale Männer“ gefährlich sein. Denn diese würden in „homosexueller Richtung gestört werden“ und könn- ten in der Folge beispielsweise an Erektionsstörungen leiden.137 Auch wenn also im Film Klaus – ganz im Gegensatz zu Manfred, der seine Veranlagung wohl auch geerbt hat – trotz seiner künstlerischen und intellektuellen Begabung als „richtiger Kerl“ erscheint, der sich für seinen Freund prügelt, im Turnen eine Eins hat und auch nicht zögert, aus dem Fenster zu klettern, ist er gefährdet. Denn die „aus- gesprochene Suggestibilität des Jugendlichen unter 21 Jahren erleichtert die Ver- führungsabsicht“.138 Und gerade der „normale Mann“ mache den richtigen „Reiz“ des Verführungsabenteuers aus.139 Giese stellt hier zwar fest, dass die Kriminalisie- rung von Homosexualität oft eine sinnvolle Behandlung verhindere; die psycho- therapeutische Behandlung junger Homosexueller stellt er aber nicht in Frage:

„Grundsätzlich gilt ferner, dass es sinnlos ist, einen homosexuellen Mann über 40 Jahren psychotherapieren zu wollen (und zwar mit der Absicht einer Umstimmung), dass es zweifelhaft ist, wenn man den Versuch unternimmt bei einem Mann über 30 Jahren, und dass es unverantwortlich ist, wenn man es bei einem jungen Mann über 20 Jahren unterlässt.“140

Wie wir sehen, greift der Film durch die Person von Giese immer wieder auf „sexu- alwissenschaftliches Expertenwissen“ zurück und integriert dieses als Legitimati- onsressource in die Filmhandlung. Im Film selbst treten auch zwei Experten auf. So meint der Psychologe Schmidt zu Mutter Teichmann, am Anfang könne man „diese Dinge noch mit leichter Hand korrigieren, später weitet sich das zu Kom- plexen aus“. Der Junge stehe also noch am Anfang der Gefahr. Allerdings müsse man ihn aus den Kreisen herauslotsen, in die er da hineingerutscht ist:

„Es beginnt mit dieser Art Menschen mit geistigen Interessen, die nach und nach zu schweren Verwicklungen führen können. Diese Leute berufen sich oft auf die Antike Arbeitskopie– platonische Knabenliebe!“ Es könne nun ein Augenblick im Leben eintreten, wo der Junge für „die normale Welt verloren ist“. Schmidt, der den Begriff „Homosexualität“ immer sorgfältig meidet, rät schliesslich der Mutter, ihrem Sohn die Hemmungen zu nehmen, um so der Natur zu ihrem Recht zu verhelfen; Homosexualität ist demnach – in der Argumentationslogik von Schmidt – widernatürlich. Das sei gewissermassen ein homöopathischer Rat.141 Auch der Hausarzt und Geheimrat, den die Mutter Teich- mann alleine aufsucht und der den Begriff „homosexuell“ ebenfalls nicht benutzt, schlägt in die gleiche Kerbe. Mit medizinischen Mitteln sei da nicht mehr zu hel- fen, das müsse die Natur selber machen. Und die Natur sei in diesem Falle eine Frau. „Wenn ich einen Sohn hätte, ich wüsste, was ich täte.“142

39

4512falk.indd 39 19.05.2008 17:11:26 Uhr 3.5. Homosexualität als Krankheit – und die richtige Medizin dagegen

Schon zu Beginn des Films wird Homosexualität mit Krankheit in Verbindung gebracht; Manfred liegt bei Klaus’ erstem Besuch krank im Bett (Bild 1). Als Klaus später gegenüber seiner Mutter seinen Besuch bei Manfred – ausgerechnet an Mutters Geburtstagsessen – mit den Worten rechtfertigt „er ist krank, Kleines, ich musste“, antwortet diese: „Dein Vater behauptet, du bist auch krank.“

Klaus: „Ich bin doch ganz gesund. Ich habe im Turnen ’ne Eins.“ Mutter Teichmann: „Angesteckt von ihm.“ Klaus: „Von Manfred? Wie kommst du denn darauf?“ Mutter Teichmann: „Dein Vater ist drauf gekommen.“ Klaus: „Verstehe ich nicht.“ Mutter Teichmann: „Dann lass dir’s von ihm erklären. Er wartet auf dich.“ Klaus: „Ooch!“ Klaus verlässt die Küche. Gerda: „Wieso ist’n der krank?“ Mutter Teichmann: „Du …“ Die Gestik der Mutter signalisiert Sprach- und Ratlosigkeit.

Auch das Hausmädchen Gerda, das hier mit ihrer weissen Küchenschürze medi- zinische Assoziationen weckt, begreift nicht, weshalb Klaus krank sein soll.143 Doch für Klaus besteht noch Hoffnung: Ermuntert von Mutter Teichmann wird die „Medizin Gerda“ – die mit ihrer hellen Oberbekleidung (Bild 7)144 und ihrer Liebe für romantische Klaviermusik mit der Figur von Boris Winkler scharf kon- trastiert – Klaus schliesslich zu seiner „eigentlichen Natur“ zurückführen. Die entscheidende Liebesszene findet sprechenderweise im Garten statt. Dass Gerda kurz vor der „Liebesszene“ fliehend aus dem Fenster steigt, sich dann weinend auf den Rasen wirft, ist bemerkenswert. Bekommt hier Gerda Angst vor ihrem eigenen Mut?Arbeitskopie Oder wird ihr klar, dass sie in dieser Angelegenheit sozusagen als „Medizin“ fungieren soll und dass sie Klaus schliesslich wieder vergessen wird, wie Gerda im Gespräch mit Klaus mehrmals anklingen lässt? Jedenfalls chan- giert die Liebesszene zwischen Verführung und Vergewaltigung. Der Wende- punkt wird allerdings bereits vorher angekündigt. Die Eltern verreisten, Klaus und Gerda sind alleine zu Hause. Klaus sitzt vor dem Spiegel und versucht, sich zu porträtieren (Bild 8):

Gerda: „Sollst du das sein?“ Klaus: „Mmh“ Gerda: „Sieht dir ja gar nicht ähnlich.“ Klaus: „Es kommt auch nicht auf die Ähnlichkeit an.“ Gerda: „Na, auf was denn sonst?“ Klaus: „Auf das Wesen, auf’s Innere!“ Gerda: „Da möchte ich nicht von dir gezeichnet werden!“ Klaus: „Warum nicht?“ Gerda: „Dann kommt sicher was Furchtbares bei raus…“

40

4512falk.indd 40 19.05.2008 17:11:27 Uhr Klaus: „Glaub ich gar nicht. Ich würde nur deine Augen zeichnen. – Und den Mund! Mach mal auf.“ Gerda lacht. Klaus: „Lach doch nicht so dumm! Dein ganzes Gesicht ist Auge.“

In diesem Moment, als sich Klaus von seinem eigenen Spiegelbild zu lösen beginnt und stattdessen die Schönheit von Gerda entdeckt, klingelt Manfred an der Tür. Er möchte, wie verabredet, bei Teichmanns übernachten. Manfred wird aber von Gerda energisch abgewiesen. Sie zieht sich nun in ihr Zimmer zurück, legt eine Schallplatte mit Klaviermusik auf und beginnt mit der Abendtoilette. Es dauert nicht lange, bis Klaus an der Türe klopft.

Klaus: „Ich wollt’ dich zeichnen. Ich hab’s aus dem Kopf versucht, aber es geht nicht.“ Gerda: „So?“ Gerda deutet auf ihren Morgenmantel. Klaus: „Ist doch ganz wurscht, was du anhast, den Kopf will ich zeichnen.“ Gerda: „So, das ist wurscht! Na, wenn’s wurscht ist.“

Doch Gerda lässt sich von dieser Äusserung nicht entmutigen und lenkt geschickt Klaus’ Aufmerksamkeit auf ihren Körper. Und es funktioniert; Klaus entdeckt im Prozess des Zeichnens nach und nach Gerdas Schönheit. Er könne nun sogar rich- tig zeichnen, stellt Gerda fest:

Gerda: „Hab ich so grosse Augen?“ Klaus blickt tief in Gerdas Gesicht. Gerda: „Warum guckst du mich denn so an?“ Klaus: „Na, wenn ich dich zeichne.“ Gerd: „Guckt man dann gleich soo an?“ Klaus: „Gerda …“ Das Brausen des Windes,Arbeitskopie der bei Gerdas erstem Entkleiden ganz plötzlich aufkam, wird immer heftiger, die Stimme von Klaus bebt. Da Klaus in diesen Umständen nicht zeichnen kann, soll sich Gerda ankleiden. Hinter einem Paravent schlüpft sie aus dem Morgenrock und zieht sich ihre Strümpfe über. Klaus allerdings kann Gerda im Spiegel beobachten (Bild 9).145 Zuerst wendet er den Blick fast erschro- cken ab, schaut dann aber mit gebanntem Gesichtsausdruck immer direkter und länger hin, bis er sich nicht mehr halten kann und der Film die uns bereits bekannte Wende zur Gartenszene nimmt. Wichtig ist für uns, dass Klaus zuerst sich im Spiegel betrachtet; später dann erblickt er Gerdas Körper vermittelt über den Spiegel. Hans Giese bringt Homosexualität an mehreren Stellen mit narzisstischen Erlebnissen in Verbindung:

„Die Fesselung des Narzissten an den im Spiegel erscheinenden eigenen Leib, der als schön erlebt wird (besonders in der Zeit des eigenen Heranreifens), führt konsequent, d.h. nach einer ihr inneren Logik, zum Verbleiben in der Sphäre des Homosexuellen.“146

41

4512falk.indd 41 19.05.2008 17:11:27 Uhr Da ausserdem, so Giese, der Körper des gleichgeschlechtlichen Partners wie das Spiegelbild des eigenen Leibes erscheine, könne im Körper des Anderen nichts Fremdes entdeckt werden, weshalb der homosexuelle Mann häufig seine Partner wechsle, „weil dieser ihm rasch nichts mehr zu ‚bieten‘ vermag.“147 Diese Inkon- stanz der Partnerverhältnisse werde, so Hans Giese, durch die gesellschaftlichen Hindernisse verstärkt, die dem homosexuellen Mann auferlegt würden. Auch diese Äusserung von Giese passt zum Sachverhalt, dass sich Boris Winkler nicht mit Manfred zufrieden gibt, sondern offenbar ständig auf der Suche nach „Frisch- fleisch“ ist.

„Da fällt zunächst auf, dass der homosexuelle Mann in der Regel Schwierig- keiten hat, eine homosexuelle Geschlechtsbeziehung einzugehen, die sinnvoll ist, das heisst, die alle jene Eigentümlichkeiten, die wir besprochen haben, enthält. Seine Partnerverhältnisse sind meistens ungefestigt, wenig stabil und, wie es scheint, in einer der typisch heterosexuellen Beziehung wesens- widrigen Weise auf den sexuellen Triebvollzug selbst eingestellt.“148

Da Hans Giese in den deutschen Debatten um „Anders als du und ich“ eine wich- tige Funktion einnimmt, werde ich auf Gieses sexualwissenschaftliche Theorien und auf sein von Ambivalenzen geprägtes Wirken später nochmals eingehen; des- halb werde ich ihn im nun Folgenden nur kurz erwähnen.

3.6. (De-)Konstruktion von Homosexualität: Sexualwissenschaften und Queer Theory Im Film lassen sich Hinweise darauf finden, dass Homosexualität sowohl als „angeboren“ wie auch als „ansteckend“ gedacht wird. Nach Hans Giese besteht einerseits eine „konstitutionelle Bereitschaft“ zur Homosexualität. Andererseits können aber Arbeitskopieauch Lebensumstände ein Auslöser sein, wie beispielsweise die über- fordernde Mutter, „die dem Sohn ungewollt keine andere als nur eine homosexuelle Entwicklung offen lässt.“149 Es ist wohl kein Zufall, dass die Mutter von Manfred Witwe ist. Bei Manfred trifft demnach in der Argumentationslogik des Films die angeborene Anlage – der Vater war Tänzer – auf die Homosexualität verstärkende Lebensumstände; Manfreds homosexuelle Entwicklung erscheint unausweichlich. „Schicksal“, äussert sich Onkel Max dazu. Und zu den Transvestiten meint er: „Aber auch die Schatten sind in der Natur, nicht?“ Für Klaus hingegen sieht die Situation offensichtlich anders aus. Im Nachspann des Films wird Sigmund Freud genannt: „Seit Sigmund Freud wissen wir, dass sexuelles Verlangen von Geburt an besteht.“ Um aufzeigen zu können, auf welche sexualwissenschaftliche Diskurse der Film in ex- oder impliziter Weise zurückgreift, folgen an dieser Stelle einige Erläuterungen zur Formierung der Homosexualität durch sexualwissenschaftliche Denkstile. Freud ging vom Konzept einer anlagebedingten Bisexualität aller Menschen aus; er erklärte homosexuelles Verhalten als vorübergehende Erscheinungsform. Nach Freuds Theorie durchlaufen alle Menschen eine homosexuelle Phase: Zuerst

42

4512falk.indd 42 19.05.2008 17:11:27 Uhr liebe sich das Neugeborene selbst, dann die Mutter, später den Vater und schliess- lich eine Person des anderen Geschlechts. Homosexuelle würden also auf einer bestimmten Entwicklungsstufe stehen bleiben, was, so Freud, zu Krankheiten füh- ren könne. Gleichzeitig betrachtete er Homosexualität aber auch als Ergebnis einer übertriebenen Mutterbindung zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr. In der Auf- fassung von Freud gab es aber keine getrennte Natur der Homosexuellen.150 Hin- gegen vertrat Magnus Hirschfeld die Meinung der angeborenen Homosexualität, weshalb es zwischen ihm und Freud 1911 zum Bruch kam.151 Der Ausdruck „das dritte Geschlecht“, welcher im Titel unseres Films steht, erlangte unter Hirsch- feld Berühmtheit; der Ursprung dieser Bezeichnung wird allerdings auf verschie- dene Quellen zurückgeführt.152 Im Film selbst taucht der Ausdruck „das dritte Geschlecht“ zum ersten Mal auf, als Mutter Teichmann das Lexikon unter diesem Stichwort konsultiert. Gleichzeitig erklingt dabei jene disharmonische elektro- nische Musik, welche mit Boris Winkler und der homosexuellen Gefährdung von Klaus assoziiert wird.153 Hirschfeld verfolgte das Ziel, Homosexuelle als sexuelle Zwischenstufe zu etablieren, damit diese als besonders geartete Gruppe von Menschen anerkannt würden.154 Unter „sexuellen Zwischenstufen“ verstand er auch Hermaphrodite, Androgyne und Transvestiten.155 1896 erschien unter dem Pseudonym „Dr.med. Th. Ramien“ Hirschfelds erstes Buch, in dem er die Homosexualität als „einen tief verwurzelten konstitutionellen Naturtrieb“ bezeichnete.156 Hirschfeld hatte sich zeitlebens dafür eingesetzt, dass Homosexualität als natürlich und angeboren angesehen werde.157 1897 hatte er die erste Interessensvertretung Homosexueller in Deutschland geschaffen. Das „Wissenschaftlich-humanitäre Komitee“ strebte vor allem die Abschaffung des Strafparagraphen 175 an. 1919 gründete Hirschfeld das berühmte Institut für Sexualwissenschaften in . Bei seiner Einteilung in „sexuelle Zwischenstufen“ ging Hirschfeld davon aus, dass sich Männer und Frauen in allen geistigen und körperlichen Belangen nur graduell unterscheiden. Normalerweise blieben nur „Rudimente der konträ- ren Merkmale“ übrig,Arbeitskopie aber vom „Vollmann“ bis zur „Vollfrau“ führe eine ununter- brochene Kette von Abstufungen und Mischungen der andersgeschlechtlichen Merkmale; als charakteristisch hervortretende Gruppen bezeichnete Hirschfeld dabei die Hermaphroditen und Homosexuellen.158 Von dieser Vorstellung geprägt ist im Film beispielsweise die Frage des Kommissars an Gerda, ob sie mit Frau Teichmann „über die feminine Veranlagung ihres Sohnes gesprochen“ habe. Auch der Titel der Filmfassung „Anders als du und ich“ steht in einem Zusammenhang zu Hirschfeld. 1919 drehte der Regisseur Richard Oswald einen der ersten Filme, der in eman- zipatorischer Absicht offen Homosexualität thematisierte: Im Schlusstableau die- ses Films streicht eine Hand den Paragraphen 175 mit kräftigen Strichen durch. Der Film erwies sich als ein ausgesprochener Kassenschlager159, allerdings wurde er 1920 von der wieder eingeführten Zensur komplett verboten.160 In diesem Film mit dem Titel „Anders als die Andern“ hält Hirschfeld einen wissenschaftlichen Vortrag über das „Dritte Geschlecht“. Er stellt dabei die zeit- genössische Rechtssprechung vom Standpunkt der gegenwärtigen Medizin in Frage.161 Weiter zieht Hirschfeld in seinem Vortrag durch eine Anspielung auf die

43

4512falk.indd 43 19.05.2008 17:11:28 Uhr Dreyfus-Affäre eine Parallele zwischen Antisemitismus und Homophobie.162 Anti- semitische Filmkritiker wiesen in ihren Artikeln gerne darauf hin, dass sowohl Hirschfeld als auch Oswald jüdischer Abstammung seien und betonten, dass vor allem „rassefremde Besucher“ oder „Judenjungens“ den Film genossen, denn sie, die Juden, seien anders als die anderen. In diesen antisemitischen Kritiken wurde den Juden eine sozusagen „polymorphe Perversität“ zugeschrieben.163 Während ein Titel wie „Anders als die Andern“ offen lässt, wer als „normal“ zu betrachten ist, da offensichtlich – je nach Perspektive – alle anders sind, wodurch auch die herrschende Norm in Frage gestellt wird, ging diese Denormalisierungsstrategie beim Titel „Anders als du und ich“ verloren. Hier wird der Ausdruck anders ein- deutig pejorativ gebraucht.164 1920 überfallen faschistische Studenten Hirschfeld in München und verletzen ihn schwer; in der Folge erklärt Hitler in mehreren öffentlichen Reden Hirschfeld zum Inbegriff des verabscheuungswürdigen Juden und zum Feind der deutschen Volksgenossen.165 Im Mai 1933 zerstören die Nationalsozialisten das Institut für Sexualwissenschaften in Berlin. Einige Tage später verbrennen sie Hirschfelds Bücher. Hirschfeld emigriert nach Frankreich; später bricht er zu einer Weltreise auf. Hirschfeld sah in wissenschaftlichen Studien zur Homosexualität den Schlüs- sel für das Erreichen gesellschaftlicher Anerkennung: „Per scientiam ad justiciam“ lautete sein Motto.166 Sexualwissenschaftliche Diskurse wirkten sich allerdings nicht nur emanzi- patorisch auf das Leben von Homosexuellen aus. Dass sexualwissenschaftliches „Wissen“ sehr oft auch zu diskriminierenden Zwecken produziert wurde, haben vor allem psychiatriegeschichtliche Untersuchungen gezeigt:

„Schwulengeschichte ist und war immer auch ein Stück Psychiatrie- geschichte.“167

Auch sexualwissenschaftliche Diskurse können also nicht als geschlossene, homo- gene SystemeArbeitskopie verstanden werden. Die Öffnung der Medien für das Thema der Homosexualität ist beispielsweise nicht zuletzt auf die Kinsey-Reporte von 1948 und 1953 zurückzuführen, welche homosexuelles Verhalten von einer bestimm- ten Gruppe von Menschen lösten und so „den Homosexuellen“ gewissermassen auch dekonstruierten.168 Denn Kinsey machte deutlich, dass homosexuelle Erleb- nisse unter Männern viel verbreiteter waren, als man angenommen hatte, weshalb er eine trennscharfe Unterscheidung von Homosexuellen und Hetereosexuellen ablehnte und sich deshalb geweigert haben soll, den Begriff „der Homosexuellen“ zu gebrauchen.169 Die Ansicht, dass „sexuelle Identität“ als variabel und nicht als ein für allemal gegeben betrachtet werden kann, bildet heute eine Grundlage von „Queer Theory“. Diese zielt auf eine Destabilisierung des Binarismus von Hetero- und Homo- sexualität; „quer zur gängigen Norm, nicht stromlinienförmig, aber auch nicht in hundertprozentiger Opposition befangen, von der man doch weiss, dass diese nur ein Umkehrbild des Kritisierten produziert“.170 Teresa de Lauretis prägte diese Bezeichnung anfangs der 1990er Jahre.171 „Queer“ ist im Englischen ein sehr star- kes Schimpfwort, der Begriff wird aber heute – ähnlich wie der deutsche Ausdruck

44

4512falk.indd 44 19.05.2008 17:11:28 Uhr „schwul“ – auch als positiv konnotierte Selbstbezeichnung verwendet.172 Kritiker der deutschen Begriffsverwendung von „queer“ empfinden diese als Etiketten- schwindel und verharmlosend, da im Deutschen die englische Konnotation von „queer“ als Waffenwort vergessen werde. Die BefürworterInnen betonen hingegen die fruchtbaren Aspekte dieser Begriffsbildung, die es ihrer Meinung nach erlauben, von verschiedenen Punkten aus Achsen der Solidarität herzustellen. Der Begriff könne sich zudem gegen jede Identitätskonstruktion mit klaren Grenzziehungen und Ausschlüssen richten, weshalb er sich beispielsweise auch für antirassistische Zwecke verwenden liesse, denn er betone die Differenz in der Differenz.173 Wäh- rend also die schwule und lesbisch-feministische Forschung und Bewegungspolitik seit den 70er Jahren weitgehend auf der Annahme basiert habe, dass Emanzipation von der offensiven Sichtbarkeit einer eigenen sexuellen und gewissermassen oppo- sitionellen Identität abhinge, betrachte „Queer Theory“ Homosexualität nicht als natürliches Wesensmerkmal174 einer gesellschaftlichen Minderheit, wie sie jederzeit und überall in der Menschheitsgeschichte anzutreffen sei:

„Vielmehr bezeichne sie ein Identitätskonzept, das erst in der westlichen Moderne und im Zusammenspiel verschiedenster Faktoren habe entstehen können: Je nach Erklärungsansatz werden dabei die juristische Verfolgung, die medizinische bzw. psychiatrische Pathologisierung, die gesellschaftliche Tabuisierung oder auch die Ausbildung spezifischer Beziehungs- und Solida- ritätsformen, eigener Subkulturen sowie politischer Interessensvereinigungen als wesentliche Momente für die Entstehung des bzw. der Homosexuellen als Typus hervorgehoben. Zudem wird darauf verwiesen, dass Homosexualität nur innerhalb der Matrix der modernen Zwei-Geschlechter-Ordnung denk- bar sei und dass weibliche und männliche Homosexualität darin auch völlig verschiedenen Bedingungen unterliegen.“175

Identität müsse deshalb als ein stets provisorisch bleibendes Moment innerhalb eines nie abgeschlossenenArbeitskopie Prozesses gedacht werden, in dem sich ein „Ich“ in der Abgrenzung von einem „Anderen“ erzeuge. Ulrich Beck bezeichnet es als Denk- fehler der Moderne, dass Identität als Entweder-Oder gedacht werde, das kein Drittes zulasse:

„Die Möglichkeit ambivalenter Identität, im Mischen mit Vielheit, mit Fremdheit, Eigenes zu erringen und zu errichten, bleibt fast vollständig aus dem Blick.“176

Judith Butler wiederum insistiert in „Körper von Gewicht“ auf „Differenz“: Iden- titäten sollen nur vorläufig gestiftet werden, um so auch die Kategorien „Frauen“ oder „Queer“ als Ort der dauernden politischen Auseinandersetzung öffnen zu können. Butler möchte bei ihren Überlegungen der Frage nachgehen, wie konsti- tutive Ausschlüsse weniger dauerhaft, mehr dynamisch gemacht werden können:

„Dass der Begriff [Frauen] fragwürdig ist, bedeutet nicht, dass wir ihn nicht gebrauchen dürfen, aber die Notwendigkeit, ihn zu verwenden, bedeutet

45

4512falk.indd 45 19.05.2008 17:11:28 Uhr auch wiederum nicht, dass wir nicht andauernd die Ausschlüsse befragen müssen, mit denen er vorgeht, und wir haben dies genau deshalb zu tun, damit wir lernen, wie die Kontingenz des politisch Signifikanten in einer Kultur demokratischer Auseinandersetzung zu leben ist.“177

Dass es nie eine vollständige Inklusion geben könne, sei „eine Funktion der Kom- plexität und Geschichtlichkeit eines sozialen Feldes, das niemals durch irgendeine gegebene Beschreibung zusammengefasst werden kann und das aus demokrati- schen Gründen auch nie jemals zusammengefasst werden sollte.“178 Denn derartig inkludierende Beschreibungen würden, so Butler, unbeabsichtigt neue Ausschlüsse produzieren. Für das Denken von „Identitäten“ haben sich Ansätze der „Queer Theory“, wie sie auch von Judith Butler formuliert worden sind, als sehr fruchtbar erwiesen. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass die These von der „angeborenen und biologisch konstituierten Homosexualität“ bei der Entkriminalisierung von Homosexualität als ein sehr starkes Argument betrachtet wurde. Diese sexualwissenschaftliche Katego- risierung war zwar einerseits Grundlage für diskriminierende Stigmatisierungen, sie bot aber andererseits auch die Möglichkeit, homosexuelle Identitäten aufzubauen. Dadurch konnten „Homosexuelle“ als Gruppe für ihre Rechte einstehen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts galt Homosexualität als schwere Sünde, die aber an sich von jedermann begangen werden konnte. Homosexuelle wurden bis dahin, so die Foucaultsche These, nicht als eigene Personengruppe, ausgestattet mit einem eigenen Persönlichkeitsbild, kategorisiert.179 Allerdings gerät die Behauptung, die „Diskur- sivierung der Sexualität“ sei als typisches Produkt der Frühmoderne anzusehen, unter Einbezug mediävistischer Forschungsresultate ins Wanken.180 Auch bleibt die Frage bestehen, ob eine „homosexuelle Person“ nicht auch in einer Gesellschaft vor- kommen kann, die keine spezifische Kategorisierung dafür kennt.

„Die Essentialisten gehen von einer biologisch bedingten, mehr oder weniger stabilen, transhistorischenArbeitskopie schwulen Identität aus. Die Konstruktivisten hin- gegen zweifeln eine solche Vorstellung an und bestehen auf der Historizität aller Sexualität.“181

Diese Debatte führt schliesslich in den „Universalienstreit“ zurück, wo die Realität von Kategorien als Problem erörtert wurde. Myriam Spörri stellt gerade in Bezug auf die Kategorisierung einen gewichtigen Unterschied zwischen der Diagnose von Homosexualität und Hermaphrodismus fest:

„Homosexuelle Identitäten wurden von der Sexualwissenschaft mitkonstru- iert, während die Kategorie des Hermaphroditen wieder zum Verschwinden gebracht wurde und damit auch keine hermaphroditischen Identitäten ent- standen.“182

Hermaphrodismus wurde also von der Wissenschaft als „Pseudo-Hermaphro- dismus“ definiert; Hermaphroditen wurden als entweder männlich oder weiblich

46

4512falk.indd 46 19.05.2008 17:11:28 Uhr kategorisiert. Durch die erfolgte Geschlechtsdiagnose sollte so Mehrdeutigkeit auf Eindeutigkeit reduziert werden:

„Die Diagnose wurde zur Grenzziehung, die das prekäre Verhältnis zwischen den Geschlechtern stabilisierte.“183

Spörri versucht in ihrem Artikel auch zu erklären, weshalb der Hermaphrodit mit dem sprechenden Pseudonym „N.O. Body“ in seiner Autobiographie wohl auf den Regenbogeneffekt als Symbol des „uneindeutigen Geschlechts“ zurückgreift:

„Bedeutungsvoll vermischt sich in dieser ersten Szene das ansonsten klar von- einander getrennte binäre Paar: Der Himmel ist zwar noch immer grau, der Regen mit seinen Tropfen auf den Strassen präsent, doch gleichzeitig bringen einige Sonnenstrahlen die Tropfen zum Glänzen. Die Dichotomie wird hier aufgehoben, indem die dichotomen Elemente vermengt werden; das Thema des Buches – das unreine, vermischte Geschlecht – wird angekündigt.“184

3.7. Visuelle und metaphorische Strategien zur Darstellung von Homosexualität Es ist wohl auch kein Zufall, dass Manfreds Novelle den Titel „Der Regenbo- gen“ trägt. Der Regenbogen besitzt heute in verschiedenen sozialen Bewegungen eine wichtige symbolische Funktion. Durch die breite Farbschattierung soll die Vielfalt von Lebensformen repräsentiert werden; gleichzeitig wird Zusammen- gehörigkeit postuliert. Die Wahl dieses Symbols steht wohl auch in einer histo- rischen Tradition: Im Alten Testament steht der Regenbogen für die Versöhnung der Menschen mit Gott, in China für eine Verknüpfung von Yin und Yang. Das dazugehörende Filmbild zeigt allerdings keinen romantischen Regenbogen, son- dern eine SchlammpfützeArbeitskopie bei Nacht. Dazu hört man Manfred, der Klaus aus der besagten Novelle vorliest. Wie wir gesehen haben, stellte sexualwissenschaft- liches „Wissen“ für die Produktion des Films eine Inspirationsquelle dar, um sich mittels bestimmter Codierungen über ein Verhalten verständigen zu können, das im Film nur selten in direkte Worte gekleidet wird. Wenden wir uns also jetzt nochmals der Frage zu, wie im „Dritten Geschlecht“ über Homosexualität gesprochen und mit welchen visuellen Markierungen Homosexualität dargestellt wird. Als Boris Winkler ganz zu Beginn des Films im Gericht als Zeuge aufgeru- fen wird, bezeichnet ihn niemand, auch nicht der Richter, als homosexuell. Doch seine körperliche Aufdringlichkeit wird durch den provozierten Zusammenstoss mit Manfred sofort deutlich, und seine Sonnenbrille, die er selbst im dunklen Gerichtssaal nicht abnimmt, signalisiert uns, dass er offenbar etwas zu verber- gen hat. Die Sprache „dieser Bilder“185 setzt uns sofort ins Bild; wenn auch in bemerkenswerter Weise im Film auf eine homosexuell stigmatisierende Gestik bei Winkler verzichtet wird. Auch wird Winklers „Anders-Sein“ – im Gegensatz zum bleichen, weichen und glanzäugigen Manfred – nicht in gleicher Weise in seinen attraktiv wirkenden Körper eingeschrieben.

47

4512falk.indd 47 19.05.2008 17:11:29 Uhr Nicht alle eingesetzten filmischen Zeichen sind gleichermassen evident; nicht alle springen mit gleicher Leichtigkeit ins Zuschauerauge. Einige, wie der Zaun, wirken wohl eher unterschwellig. Der Zaun schützt das eigene Haus, das Private; gleichzeitig grenzt er das Fremde aus. Mir fiel erst bei mehrmaliger Betrachtung des Films auf, dass sich Manfred sehr häufig ausserhalb des Gartenzauns aufhält. Er weigert sich auch beim Tanzabend, den Garten zu betreten (Bild 2). „Dann komme ich nicht mehr weg“, begründet er seine Weigerung. Auch Klaus wird am Anfang des Films ausserhalb des Zaunes gezeigt, beispielsweise kurz bevor er mit seinem Motorroller zu Manfred braust (Bild 3). „Och, diesen Manfred, den könnt’ ich durch den Wolf drehen“, kommentiert die aufgebrachte Gerda das Weggehen von Klaus. Der Paravent schliesslich, hinter dem sich Gerda auszieht, erinnert an einen Zaun. Klaus wird ihn „erfolgreich übersteigen“. Die Gefahr ist gebannt, nun können Klaus und Gerda auf dem Weg zu einem Ausflug gemeinsam aus dem Gar- ten treten. Manfred, der draussen steht, beobachtet allerdings, wie Klaus im Garten Gerda küsst. Als das Paar weg ist, klettert Manfred über Teichmanns Gartenzaun. Er benutzt nicht das Tor, welches die Durchlässigkeit der Grenze zwischen Strasse und „häuslicher Harmonie“, Öffentlichem und Privatem reguliert, er hält sich also nicht an die üblichen Regeln des Grenzverkehrs (Bild 10). Manfred späht in Gerdas Zimmer, sieht Klaus’ naturalistische Zeichnung von Gerda (Bild 11), das zerzauste Bett und die Jacke von Klaus (Bild 12) – Manfred wird alles klar. Dass das naturalistische Zeichnen für die heterosexuelle Orientie- rung und das abstrakte Malen für die Geschlechtsverwirrung steht, wird im Film recht bald deutlich; der Symbolcharakter der Zeichnung verweist zudem auf den (vollzogenen) Geschlechtsverkehr.186 Auf ein ähnlich schillerndes Spiel zwischen impliziten und expliziten Bedeutun- gen stossen wir auch in jener Einstellung, als Achim, der „Klavierspieler“ von Boris Winkler, der diesen später erpressen wird, vom Kommissar befragt wird:

Achim: „Herr Doktor Boris Winkler hat mir Klavierunterricht geben lassen, weil er will,Arbeitskopie dass ich bei ihm zu Hause das Elektron spiele. Wissen Sie, was ’n Elektron ist?“ Kommissar: „Nee.“ Achim: „Sehen Sie, da werden durch ’nen gewissen elektrischen Erreger – wissen Sie was ’n Erreger ist?“ Kommissar: „Ja, das weiss ich!“ Achim: „Durch diesen Erreger werden also die Membranen der Lautsprecher in Schwingungen gesetzt – über Drähte geht das … wissen Sie…“ Kommissar: „Ich will von Ihnen gar keinen Anschauungsunterricht über ein komisch vibrierendes Instrument, das sie da haben …“ Achim: „Hören sie mal! – Wie versteh ich das?“ Kommissar: „Warum lachen Sie denn immer so?“

Durch dieses Sprechen, das sowohl wörtlich wie auch metaphorisch verstanden werden kann, macht Achim mit wissendem Lächeln und klebriger Stimme dem Kommissar deutlich, dass er mehr zu berichten hätte, als er im Moment explizit ausspricht. Achim signalisiert seine Bereitschaft, auch in nichtmetaphorischer

48

4512falk.indd 48 19.05.2008 17:11:29 Uhr Weise über „vibrierende Instrumente“ und „Orchideen“ im Hause Winkler zu berichten; allerdings nur, wenn die Bedingungen stimmen. „Ich leiste jeden Eid“, meint Achim grinsend. Noch aber hat er keine Aussage getätigt, die gegen Winkler direkt verwendet werden könnte. Als der Kommissar Achim fragt, ob sich ihm Herr Doktor Boris „in nicht misszuverstehender Weise“ genähert habe, kommt er ihm in aufdringlicher Weise sehr nahe (Bild 13). Der Verdacht, dass es auch bei der Polizei in dieser Hinsicht „korrupte Beamte“ geben könnte, wird durch die Parallelmontage der Handlungsstränge Achim/Kom- missar und Manfred/Boris Winkler verstärkt, auch wenn der Kommissar nach eigenen Angaben eine Tochter hat. Ausserdem verhält sich der gleiche Kommissar zu Gerda sehr viel strenger; in „Anders als du und ich“ wurde allerdings Gerdas Verhör leicht gekürzt. Hier fehlt die Aussage des Kommissars, der – von hinten gefilmt und mit einem Bleistift auf Gerda zeigend – drohend meint:

„Unzucht, mein Fräulein, ich kann es ihnen nicht ersparen, ist der juristische Ausdruck.“ (Bild 14)

Ganz im Gegensatz zu seinem Verhalten gegenüber Achim boykottiert der Kom- missar bei Gerda mehrmals eine metaphorische Sprechweise. Lakonisch meint er:

„Na ja, ist ja wohl auch näher liegend, dass eine Frau zu einer anderen Frau sagen würde: Mein Sohn ist homosexuell gefährdet, bring ihn mal ein biss- chen auf die richtige Bahn.“

Als der Staatsanwalt Werner Teichmanns Anzeige gegen Winkler „wegen homo- sexueller Verführung Jugendlicher“ erhält, ist ihm Winklers Name „noch irgend- wie im Ohr“. Winklers Name sei bei der Verhaftung des Jugendlichen Petersen gefallen, wird dem Staatsanwalt mitgeteilt: „Wir haben ihn aber seinerzeit nicht vernommen.“ Auch die Äusserung Boris Winklers, „wir haben bei der Polizei gute Freunde“, erhärtet diesenArbeitskopie Verdacht. In „Anders als du und ich“ wurde diese Äus- serung gestrichen; die ganze kurze Szene, die Winkler im Kreise seiner interna- tionalen Freunde zeigt, wird weggelassen. Winklers französischer Freund Gustave stellt da fest: „Il est très intéressant pour moi de constater que la situation n’a pas changé en Allemagne.“ Er fordert deshalb Boris Winkler auf, mit ihm nach Paris oder Rom zu gehen, da seien die Paragraphen nicht so lächerlich: „Haha, diese Preussen, die machen alles so gründlich“, setzt Gustave seufzend hinzu. In „Anders als du und ich“ hingegen wird Winkler kurz vor seiner Abreise nach Rom verhaftet. „Wir wissen mehr, als sie denken“, droht hier der Kommissar. Auch die Strafe für Christa Teichmann fällt in dieser Fassung mit der (nachsynchronisierten) Aner- kennung einer Bewährungsfrist milder aus. Und der Staatsanwalt äussert sich hier gegenüber Vater Teichmann in ganz anderen Worten. So betont er im „Dritten Geschlecht“, dass gewisse Lokale erlaubt seien und von der Polizei überwacht würden; schliesslich brauche die Gesellschaft Ventile, durch die sich gewisse Neigungen in kontrollierbarer Form ausleben liessen. In „Anders als du und ich“ hingegen fehlt diese Äusserung; dafür versichert der Staatsanwalt hier Herrn Teichmann, dass Boris Winkler überwacht werde, und da Triebmen-

49

4512falk.indd 49 19.05.2008 17:11:29 Uhr schen meist unvorsichtig seien, werde auch Winkler eines Tages in die Falle gehen. Der Schlussdialog hingegen bleibt bei beiden Fassungen der gleiche. Wir befinden uns wieder im Gericht. Frau Teichmann hat soeben ihren Schuldspruch erfahren:

Mutter Teichmann: „Da wirst du schuldig – und du weisst es nicht.“ Vater Teichmann: „Sieh dir die Kinder an.“ Mutter Teichmann zu Klaus: „Komm’ mal her.“ Klaus: „Mami, verzeih mir!“ Mutter Teichmann: „Ist ja gut…! Es ist ja alles gut.“ Feste Umarmung zwischen Mutter Teichmann und Klaus.

Das Opfer, das die Mutter erbracht hat, stellt den Familienfrieden wieder her. Doch auch Gerda erscheint in der Argumentation des Richters als Opfer:

„Das Gericht bezweifelt nicht, dass Klaus Teichmann durch seine Freund- schaften und zeitweiligen Neigungen homosexuell sehr stark gefährdet war. Es geht aber nicht an, eine erkannte Unordnung durch eine andere zu bekämpfen, die Gefährdung eines Menschen durch die Gefährdung eines anderen aufheben zu wollen.“

An dieser Stelle fällt der Begriff „homosexuell“ also zum fünften und letzten Mal. In seiner Rede spricht der Richter auf das Vergehen der Kuppelei an. Gerda, so der Richter, hätte die Grenzen der Sitten und des Anstandes nicht so weit übertre- ten, wenn sie nicht von der Angeklagten dazu ermutigt worden wäre. Die Mutter muss deshalb, so der Richter, wegen Kuppelei nach Paragraph 181, Absatz zwei, verurteilt werden. Da ihr Sohn jetzt aber eine Frau liebt, erträgt die erleichterte Mutter ihr Los tapfer. Arbeitskopie

50

4512falk.indd 50 19.05.2008 17:11:30 Uhr 4. Diskursverschränkungen

4.1. Juden und Homosexuelle als Grenzverwischer

„Wir schauen mit den eigenen Augen, aber wir sehen mit den Augen des Kollektivs.“187

Um unser Argumentationsgeflecht hier weiterspinnen zu können, sollten wir uns an dieser Stelle nochmals das Porträt vergegenwärtigen, das im Film von Boris Winklers Person gezeichnet wird. Der Kunsthändler Winkler erscheint als raf- finiert, kultiviert und intellektuell; er trägt auch im Sommer Handschuhe, ist aus- gestattet mit feinen Manieren. An dieser Stelle könnte dargestellt werden, wie der Begriff des Intellektuellen in Zusammenhang mit dem Dreyfus-Prozess etabliert und in der Folge immer wieder mit dem „zersetzenden jüdischen Geist“ in Zusam- menhang gebracht wurde.188 Winkler ist zudem ein Stadtmensch, der sich gerne in dunklen Räumen aufhält. Er besitzt offenbar viel Geld. Sein materieller Reichtum zeigt sich beispielsweise im edlen Wagen, mit dem er Klaus von der Schule abholen möchte. Zuhause hat er einen Butler mit dem französischen Namen Maurice. Die französischen Ausdrücke, die Joseph Oppenheimer wiederum gerne verwendet, passen ausserdem zu seinem weiblich-eleganten Äusseren; gleichzeitig verweist das Französische auf seine absolutistischen Gelüste, für die der Versailler Hof wohl ein Vorbild darstellt. Zudem wurden sowohl Juden – so beispielsweise auch Süss Oppenheimer – wie auch Homosexuelle einerseits als „verweiblicht“ und schwächlich, andererseits als „sexuell unersättlich“ gezeigt; das Attribut des „Fran- zösischen“ verweist dabei auf eine effeminierte Raffinesse.189 Winklers Sexualität ist überbordend; er macht auch vor 16-jährigen keinen Halt. Es erstaunt nicht, dass Winklers erstes zugewiesenes Attribut im Film ein schnittiger Wagen ist, stehen Autos doch oft als ArbeitskopieZeichen für männliche Potenz. Einer der Jungen, mit denen Boris Winkler in Kontakt steht, Manfred, ist zu Beginn des Films krank. Manfred erscheint auch im weiteren Verlauf als schwächlich. Eine kraftlose Konstitution, ungesunde Blässe, schlechte Körperhaltung, schlaffe Gesichtszüge und Hakennase galten in der antisemitischen Propaganda als Stigmata des jüdischen Körpers.190 Es könnte ausserdem gezeigt werden, wie sowohl Juden als auch Homosexuelle mit Krankheiten wie Pest und Syphilis in Verbindung gebracht worden sind.191 Auch der Vorwurf, das Handeln der Juden sei auf Rachegelüste und auf erlittene Kränkung zurückzuführen, gehört ins antisemitische Repertoire; Boris Winkler verspürt einen starken Drang nach Rache.192 Beiden Gruppierungen wurde ferner immer wieder vorgeworfen, sie würden über ihre Verbindungen, ihre internationalen Netzwerke und ihre Protégés auf Gesellschaft, Kunst und Politik Einfluss nehmen und einen eigentlichen „Staat im Staate“ aufbauen.193 Boris Winklers Interesse an der Kultur ist eng mit sexuellen Gelüsten verwoben, was besonders in der Ringszene zum Ausdruck kommt. Kon- krete Musik, moderne Lyrik und abstrakte Malerei gefallen ihm. Boris Winkler hat zahlreiche ausländische Freunde (Gustave, Francesco, William) und seine

51

4512falk.indd 51 19.05.2008 17:11:30 Uhr Verbindungen reichen, so Manfred, in jede Redaktion. Durch diese Vernetzung kann Winkler erfolgreich im kulturellen Leben Einfluss nehmen; er protegiert seine Jünglinge und hilft ihnen, ihre Karriere aufzubauen. Damit verwischt er die Grenze zwischen Privat- und Geschäftsleben. In dieser Zusammentragung fällt in eindrücklicher Weise auf, wie hier ein antisemitisch konnotiertes Begriffsnetz auf- gespannt wird, um damit Homosexualität und homosexuelles Verhalten zu cha- rakterisieren.194 „Der ‚effeminierte‘ oder ‚weibische Jude‘ war um die Jahrhundertwende ein gängiger Topos in Literatur und Wissenschaft. […] Man hielt ihn für feige, passiv, besonders anfällig für Nervosität und Hysterie, er galt als ängstlich, gefühlsbetont, rastlos, ja sogar seine Sprechweise sei feminin.“195 Sowohl Juden wie auch Homo- sexuelle wurden zudem nicht nur als effeminiert imaginiert, ihnen wurde vielmehr die Sicherheit jeder geschlechtlichen Identität abgestritten:

„Der Jude repräsentierte somit nicht das polare Gegenüber, sondern das polymorphe, diffuse Andere“,196 die „Ambivalenz als Existenz“197.

„Verweiblichung“ wurde dabei als Symptom für „Dekadenz“ und „Entartung“ auf- gefasst und als Zeichen für ihre innere Abweichung vom gesunden Volkskörper gelesen. Denn je gesünder ein Mensch sei, umso entschiedener sei er Mann oder Weib.198 Die Verwischung der Geschlechtergegensätze habe deshalb sozusagen als evolutionärer Rückschritt zu gelten, da der Geschlechtergegensatz mit steigender Entwicklung und Gesittung immer schärfer hervortrete, meinte beispielsweise der bekannte Sexualwissenschaftler Iwan Bloch:

„Ihn [den Geschlechtsunterschied] beseitigen, hiesse die ganze Entwicklung rückgängig machen.“199

Als Ursache für „geschlechtspathologische Auswirkungen“ wurde unter anderem die „Verstädterung“Arbeitskopie gesehen, wie Susanne Omran treffend formuliert: „Der krankmachende Druck der Anpassung an die städtischen Lebensbedin- gungen nivelliert scheinbar festgefügte Differenzen, die als entscheidende Kriterien gesellschaftlicher Ordnung dienen. Insbesondere die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind in dieser Weise von den grossstädtischen Bedingungen betroffen: Die Stadt gilt als der westliche Schauplatz moderner Irritationen des Geschlechtsverhältnisses.“200

Besonders die Juden wurden wiederum mit dem Typus des Städters identifiziert. Die jüdische Assimilation wurde als ein Vorgang von Urbanisierung beschrieben, welcher zu pathologischen Auswirkungen führe; insbesondere wurde dabei auf das weiblich konnotierte Krankheitsbild der Nervosität rekurriert, welches wiederum auch auf Homosexuelle projiziert wurde.201 Sowohl Juden wie Homosexuelle standen für ein Nichtrespektieren von ein- deutigen Grenzen. Sie erschienen als „Grenzverwischer“, wie Otto Weininger die Juden zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezeichnet.202 Weininger, der für seinen

52

4512falk.indd 52 19.05.2008 17:11:31 Uhr „antisemitischen Selbsthass“ und für seinen Antifeminismus eine berüchtigte Berühmtheit erlangte, meinte, der Jude komme über seine Ambiguität nie hinaus. Alles Ganze sei ihm fremd; innerliche Vieldeutigkeit sei das absolut Jüdische. Auch repräsentiere der Jude den Gegenpol des Aristokraten, wolle dieser doch die Gren- zen zwischen den Menschen strengstens wahren. Darum sei der Jude der geborene Kommunist, weil er auch alle Standesgrenzen verwischen wolle. Der Antisemit hingegen bekämpfe erfolgreich das weiblich-jüdische Element in sich selbst.203 Weiningers Aussage „Es ist ein Zustand vor dem Sein, ein ewiges Irren draussen vor dem Tore der Realität“204 erinnert an Manfreds „Draussen-Stehen“ vor dem Zaun. Winklers Vorname Boris verweist auf eine östliche Abstammung und weckt auf diese Weise Assoziationen zum Kommunismus. Erinnert sei an den Ungarn-Auf- stand von 1956, dessen Folgen zur Produktionszeit des Films noch sehr präsent waren. Dass Winkler zugleich als reicher Profiteur des Systems inszeniert wird, verweist auf das typische Paradoxe antisemitischer Diskurse. Zudem macht auch diese Charakterisierung deutlich, dass Winkler nicht fassbar wird; er verschiebt nicht gesellschaftliche Grenzen, sondern verwischt sie. Boris Winkler und seine Freunde sind Kosmopoliten; sie respektieren keine territo- rialen Grenzen und können ihren Wohnsitz mit Leichtigkeit verschieben. Sie kennen keine eigentliche „Bodenhaftung“; nationale Loyalitäten scheinen unwichtig. „Wir haben nur internationale Nummern. Für uns gibt’s keine Grenzen“, werden Vater Teichmann und Onkel Max im Transvestitenlokal unterrichtet. Hier lässt sich auf die Legende des „Ewigen Juden“ hinweisen und die symbolische Funktion erläutern, welche dem „Juif errant“ im Zusammenhang mit Migrationsprozessen und mit der Überschreitung von territorialen Grenzen zugeschrieben wird.205 Der Jude Ahasver habe, so die Legende, dem kreuztragenden Jesus angeblich die Rast vor seinem Hause verwehrt und müsse seither zur Strafe durch die Welt ziehen, ohne im Tod Erlösung zu finden. Auch Oppenheimer wiederum erscheint in „Jud Süss“ als Kosmopolit, der überall in der Welt heimisch ist; gerade seine Reisetätigkeit beeindruckt Dorothea. Als Oppenheimer – ausArbeitskopie dem Frankfurter Ghetto kommend – zusammen mit Doro- thea in der Kutsche nach Stuttgart einfährt, wird er vom Wachsoldaten misstrau- isch beäugt. Schliesslich darf er passieren; „die anschaulich ins Bild gesetzte ‚jüdische Penetration‘ der ‚arischen Lebenswelt‘, abgeschirmt durch die Stadtmauer, nimmt am Stadttor ihren Anfang.“206 Der Hofjude kennt keinen Respekt vor territorialen Grenzen; beständig arbeitet er daran, den Herzog zur Aufhebung der Judensperre zu bewegen. Dies wird ihm schliesslich gelingen. Als das zerlumpte jüdische Volk Stuttgart wie eine Schar von Heuschrecken überfällt, erscheint eine anachronistisch anmutende Barriere im Bild.207 Sie ist hochgezogen und kann offensichtlich ihre Funktion nicht mehr erfüllen; die Völker beginnen sich unweigerlich zu vermischen. Ähnlich wie das Motiv des Zauns im „Dritten Geschlecht“, wird in „Jud Süss“ diese Barriere mehrmals gezeigt. Beides, Zaun und Barriere, werden als Demarkationslinien zwischen der normalen bür- gerlichen Welt und dem auszugrenzenden Fremden mehrmals effektvoll in Szene gesetzt. Gleichzeitig stossen wir sowohl im Hause des Boris Winkler (Bild 16) wie auch im Palast des Süss Oppenheimer auf massive Türen, welche ihre Bleibe von der Aussenwelt auf wirksame Weise abgrenzen sollen.

53

4512falk.indd 53 19.05.2008 17:11:31 Uhr All dies verdeutlicht, dass im Film „Jud Süss“ durch „ein komplexes differen- ziertes Wechselspiel von Schauspielkunst, Lichtregie, Kameraarbeit und Bild- Ton-Montage“ eine antisemitische Wirkung erzielt wird.208 Das Motiv der Grenz- verletzung erhält in beiden Filmen eine zentrale dramaturgische Funktion. Der Grenzverwischervorwurf lässt sich in den bearbeiteten Filmen an visuellen wie metaphorischen Bildern festmachen. Juden wie auch Homosexuelle stehen für die Verkörperung von Ambiguität. Da Krisen oft als ein Zusammenbrechen von Grenzen, die das Vertraute einhegen, interpretiert werden, kann nach dieser Argu- mentationslogik den Juden oder den Homosexuellen die Verantwortung dafür zugeschoben werden.209 Funktional orientierte Erklärungsansätze zeigen, wie eine Verunsicherung individueller oder kollektiver Identitäten – ausgelöst durch Modernisierungsprozesse – zu Antisemitismus führen kann. Allerdings muss hierbei beachtet werden, dass nicht gesellschaftliche Krisen an sich, sondern erst bestimmte Kriseninterpretationen antisemitischen Argumentationsmustern Auf- trieb verschaffen.210 So wurde beispielsweise in der antisemitischen Rhetorik der „jüdische Einfluss“ mit der Unterminierung des traditionellen Beziehungsmusters zwischen den beiden Geschlechtern gleichgesetzt, „das für die bürgerliche Gesell- schaft in ihrer nationalen Verfassung konstitutiv schien.“211 Auch die obsessive Beschäftigung der Sexualwissenschaft mit den GrenzgängerInnen der Geschlechter wird in der Historiographie als Antwort auf eine damals diagnostizierte Krise der Geschlechterordnung gelesen.212 Ähnlich geartete Ängste wurden, wie wir gesehen haben, auch mit der Figur oder „dem Prinzip des Juden“ verknüpft.213 Als Fazit lässt sich vorerst festhalten, dass der „Grenzverwischer“ als Kollektiv- symbol fungiert.214 Dieses Kollektivsymbol verschränkt antisemitische und homo- phobe Diskurse und erzeugt dadurch Evidenz, wobei ich auf diesen Sachverhalt im Fazit nochmals zurückkomme. Die Thematik der „Entarteten Kunst“ und des „Kranken Sehens“ gehört auch in diesen Komplex.

4.2. EntarteteArbeitskopie Kunst als krankes Sehen In den vorhergehenden Ausführungen habe ich gezeigt, dass sowohl Homosexu- elle als auch Juden immer wieder in einen Zusammenhang mit Grenzziehungspro- zessen gestellt worden sind. Wie die Verschränkung zwischen antisemitischen und homophoben Diskursen jeweils konkret zustande gebracht wurde, möchte ich an dieser Stelle exemplarisch an einem weiteren Beispiel aufzeigen. Im „Dritten Geschlecht“ steht, wie wir bereits gesehen haben, das naturalisti- sche Zeichnen als Code für die heterosexuelle Orientierung, die abstrakte Malerei für die homosexuelle Geschlechtsverwirrung, die dekadente Sexualität. Da „die Juden“ mit der Ablösung des konkreten Tauschhandels durch die abstrakte kapita- listische Geldwirtschaft in Verbindung gebracht wurden, haftete man ihnen gerne die „Assoziation des Abstrakten“ an.215 Christina von Braun vertrat in ihrem Vor- trag an der Tagung „Joseph Oppenheimer, genannt ‚Jud Süss‘: Zur Wirkungsmacht einer ‚ikonischen Figur‘“, die These, dass die christliche Gesellschaft Prozesse, auf die sie angewiesen war, selber aber nicht ausführen wollte – wie beispielsweise „Abstraktionsschübe“ – den Juden zur Ausführung „überliess“.216 Im Nationalso-

54

4512falk.indd 54 19.05.2008 17:11:31 Uhr zialismus schliesslich wurde abstrakte Kunst als „entartet, dekadent und jüdisch- zersetzend“ diffamiert. Alfred Rosenberg beispielsweise, der 1934 von Hitler zum „Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und welt- anschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“ ernannt wurde217, warf der abstrakten Kunst vor, vieldeutig zu sein; Kunst solle aber nur kontrollierbare Inter- pretationen zulassen.218 Wie im Dritten Reich über den Vorwurf der „Entarteten Kunst“ ein diskriminierendes Begriffssystem entworfen wurde, das gleichzeitig sowohl Juden, Homosexuelle wie auch Bolschewisten diskreditierte, kann im Fol- genden anhand eines konkreten Textes exemplarisch gezeigt werden. Im März 1937 erschien im „Schwarzen Korps“, der Zeitung der SS, ein unge- zeichneter Artikel mit dem Titel „Homosexualität und Kunst“.219 Der Artikel möchte zeigen, wie ein neuer nationalsozialistischer Kunstbegriff die letzte Fessel der Unfreiheit der Kunst sprengen kann, indem er den Begriff der Individuali- tät überwindet. Gleich zu Beginn des Artikels wird festgestellt, es bedürfe wohl keines Beweises, dass die „Homosexualität im deutschen Kunstleben des vergan- genen Jahrzehntes eine bedeutende Rolle gespielt“ habe. Dieses „Vordringen der Homosexuellen auf dem Gebiet der Kunst und des Kunstschaffens“ könne aber getrost zum Kapitel Judenfrage gerechnet werden. Denn mit der jüdischen Macht- ergreifung auf dem Gebiet der deutschen Kultur gehe auch die Propaganda für den Homosexuellen einher. Beide, Juden wie Homosexuelle, stünden dabei für das Asoziale. Der Homosexuelle sei ausgeschlossen von den ewigen Lebensgesetzen. Ihm fehle „das schöpferische Erlebnis rein biologischer Natur“. Daher sei es kein Zufall, dass das l‘art-pour-l‘art-Prinzip220 und seine ganze Ästhetik Domäne der Homosexuellen war. Auch nicht zufällig sei es, dass der „Entartete“ in der Welt- anschauung jüdischer Lebensvernichtung, im Bolschewismus, lande. Menschen, die nicht fähig seien, sich in den Rahmen der Naturgesetze einzupassen, dürften nicht über die Kunst in den Lebensraum des Volkes eindringen:

„Sie werden den gleichen Entartungsprozess bewirken wie die Produkte der jüdischen Kunstbolschewisten,Arbeitskopie deren Werte formal wie thematisch die gege- benen Elemente der Zersetzung sind.“

So sei es der intellektuelle Individualismus gewesen, welcher der Homosexualität die besten Zutreiberdienste geleistet habe. Denn von dem Recht auf ungehemmte Individualität sei der Weg zum Recht des „Anderssein“ nicht weit. Dieser intellek- tuelle Individualismus habe zu einem verwerflichen Kunstbegriff geführt:

„Das Anderssein im Rassischen wie auch in der Geschlechtsveranlagung wurde die Basis des Künstlerischen; es genügte der scharfe Geruch des zonenfremden Tieres, um die Schaulust der Masse im Bestiarium jüdisch- bolschewistischer Kunstproduktion anzulocken.“

Das Anderssein habe sich so mit dem Begriff des Künstlerischen verbunden, dass schliesslich der Kunstbegriff selbst aufgehoben wurde. Denn primitive Jahrmarkts­ instinkte wurden auch in der Kunst entfesselt; nun mussten sich die Attraktionen auch hier überschlagen, um den Umsatz zu halten. Diese Kunst stand ausserhalb

55

4512falk.indd 55 19.05.2008 17:11:32 Uhr jedes völkischen Empfindens: „Damit wird das Gemeinschaftsfeindliche, also das Asoziale, zum Prototyp! Die Bolschewisierung der Begriffe lief über das ‚dritte Geschlecht‘“, schlussfolgert schliesslich der Schreiber. Der Künstlermensch figu- riert in diesen Ausführungen als Inbegriff individualistischer Spezialisierungen; ihm wird der positiv konnotierte „kollektive Mensch“ dichotomisch gegenüberge- stellt. Interessant erscheint mir, dass Juden und Homosexuellen gleichzeitig ein zuviel wie auch ein zuwenig an Natur vorgeworfen wurde. Einerseits wird den Homo- sexuellen, Juden und Bolschewisten vorgeworfen, sie stünden ausserhalb der Natur. Andererseits werden sie in einen direkten Zusammenhang mit Tieren und dem Entfachen von Instinkten gebracht.221 Über ein bestimmtes Verständnis vom Verhältnis zwischen „Kunst und Natur“ werden also Homosexuelle, Juden und Bolschewisten sehr eng miteinander und mit den Begriffen der „Asozialität“, „Ent- artung“ und „Zersetzung“ verknüpft. Auch die Vermännlichung der Frau gehöre in dieses Kapitel:

„Wenn wir uns nun einmal vergegenwärtigen, wie fremd der veranlagungs- mässige Homosexuelle der Frau gegenübersteht, deren Wesen von Natur aus er nicht versteht, so erhellt sich uns das Auftauchen eines Frauentyps und seine Ausprägung sofort. Nicht nur die ‚Lesbierin‘ entsprach dem homosexuellen Geschmack, sondern darüber hinaus alle jene weiblichen Wesen, die grundsätzlich zur Erfüllung wahrhaft fraulichen Lebens unge- eignet sind.“

Die Politik des Gesunden verlange unnachsichtig die Ausmerzung aller Elemente, die die Gemeinschaft stören. Der Artikel endet mit folgenden Worten:

„Diese Grundgesetzlichkeit lässt heute kein Gebiet mehr aus. Auch die Kunst nicht!“ Arbeitskopie In diesem Artikel werden die „Juden-“ die „Frauen-“ und die „Homosexuellen- frage“ in einem Zusammenhang neben- und miteinander hergestellt.222 Der antise- mitische, der antifeministische und der homophobe Diskurs sind hier wechsel- seitig konstitutiv, da gerade durch die Verschränkung dieser Diskurse Evidenz erzeugt wird. „Neue“ Formen von Ausgrenzungen funktionieren wohl deshalb „so gut“, weil sie auf bereits vertraute Elemente zurückgreifen. Denn unter bestimmten Bedingungen können Diskurse osmotisch interagieren und gerade dadurch ihre Plausibilität steigern, wie Jakob Tanner ausführt:

„Ungeachtet ihrer Verankerung in unterschiedlichen soziokulturellen Milieus und abgesehen von der Tatsache, dass sie von politisch miteinander rivalisie- renden Trägergruppen portiert und propagiert werden, zehren sie eben doch vielfach vom Fundus ein- und ausschliessender Metaphern.“223

Tanner führt in seinem Aufsatz weiter aus, dass das Feindbild des Juden als Brücke funktionieren kann, um beispielsweise in bestimmten Momenten zwischen Kon-

56

4512falk.indd 56 19.05.2008 17:11:32 Uhr servativen und Liberalen – und ihren in vielen Punkten inkompatiblen Auffas- sungen von Staatlichkeit – ein interdiskursives Bindeglied zu etablieren. Ähnlich argumentiert auch Eva-Maria Ziege:

„Im Signifikanten des Juden werden also ideologische Gegensätze und Tren- nungen scheinbar aufgehoben, und paradoxerweise wird dieser Effekt gerade durch die Anbindung an solche Diskurse gesteigert, die nicht völkisch oder sogar antivölkisch sind, also in der Überschneidung mit sozialrevolutionären ‚linken‘ Befreiungsdiskursen von politischen und/oder religiösen Bewegun- gen (Volksherrschaft, Frauenbefreiung, Jugendbewegung).“224

Auch Tanner betont diesen Aspekt und hält dabei fest, dass Antisemitismus, Sozial­ darwinismus und Rassismus zwar einerseits Ausdruck von morbiden Untergangs- ängsten und reaktionären Degenerationsbefürchtungen waren. Gleichzeitig aber „flossen sie auch in die Sehnsucht nach gesellschaftlichem Fortschritt ein und konnten in die Fluchtperspektive sozialistischer Perfektionsideologien integriert werden.“225 Philipp Sarasin wiederum hält fest, dass die Nationalsozialisten es geschafft hätten, den Juden zum Signifikanten dessen zu machen, was Deutsch- land mangle. Dieser leere Signifikant habe allerdings mit konkreten Menschen jüdischen Glaubens nichts zu tun:

„Hegemonie bedeutet mit anderen Worten, dass irgendein partikularer Sig- nifikant nicht nur weitgehend von allem konkreten Inhalt gereinigt wird, sondern auch von seiner marginalen Position als Schlagwort bei den diversen antisemitischen Gruppen in den Status eines Hauptsignifikanten der Gesell- schaft aufsteigt.“226

Sarasin bringt dabei die „Signifikanten“ mit Identitätsbildungsprozessen in Ver- bindung: Arbeitskopie „Weil die Sprache als dem einzigen Medium [sic] der Artikulation von Iden- tität polysemisch ist und buchstäblicher Sinn unmöglich bleibt, ist jede Iden- tität und damit jede community als imagination bruchstückhaft und offen für Veränderungen.“227

Der Versuch, Identitäten zu fixieren, bestehe deshalb darin, durch bestimmte privilegierte Signifikanten dieses Gleiten zum Stoppen zu bringen. Die Mitglie- der einer Gruppe mögen je relativ verschieden sein, im Verhältnis zu einer feind- lichen Gruppe erfahren sie sich aber als „gleich“; das Verhältnis zum Aussen absorbiert alle internen Differenzen. 228 Diskriminierende Diskurse produzieren auf diese Weise scharfe Grenzen zwischen gesellschaftlichen Gruppierungen. Zugleich erinnern gesellschaftliche Minderheiten die Mehrheit an die Kon- tingenz der selbstgesetzten Grenzen, was zu Irritationen des eigenen Selbstver- ständnisses führen kann.

57

4512falk.indd 57 19.05.2008 17:11:33 Uhr 4.3. Die Inszenierung des penetrierenden und des heilen- den Blicks

„Sein Auge krampft sich um das Objekt wie ein wildgewordener Muskel, eine Hand, die sich nicht öffnen will, ein hungriger Schlund, dessen Peristaltik sich konvulsivisch bewegt, um sein Opfer hineinzuschlingen.“229

Aufgrund der starken ideologischen Aufladung des Kunstbegriffes während des Nationalsozialismus erstaunt es nicht, dass in den Nachkriegsgesellschaften das Akzeptieren der künstlerischen Moderne auch einen symbolischen Charakter besass und oft als ein erster Schritt zu neuen Formen von Lebensvorstellungen verstanden wurde; sie codierte auch gesellschaftliche Zugehörigkeiten.230 Onkel Max kommentiert ein abstrakt gemaltes Bild von Klaus, das – wie wir gesehen haben – dessen sexuelle Orientierung symbolisiert, mit den Worten:

„Bei den Bildern weiss man doch von allen Seiten nicht, was – was es ist!“

Im Nationalsozialismus werden die Juden und die Homosexuellen dafür ver- antwortlich gemacht, dass der künstlerische Anspruch auf „realistische Nach- ahmung“ der Aussenwelt aufgegeben und der Illusionseffekt von Bildern zerstört wird, wobei dadurch die medialen Bedingungen von Bildlichkeit in der Kunst selbst reflektiert werden. Die Juden sind es, welche die Referenz auf ein Aussen verweigern, eine ungebrochene Repräsentation verunmöglichen, indem sie auf Relativität und Medialität aufmerksam machen.231 Ähnliche Argumentations- muster lassen sich wohl auch in anderen Bereichen beobachten, beispielsweise im Vorwurf der „jüdischen Physik“. Interessanterweise wird der Vorwurf der „verwei- gerten Repräsentation“ in ähnlicher Form auch gegenüber Schwarzen artikuliert, so wenn Robert Koch beispielsweise davor warnt, dass scheinbar gesunde Einge- borene EuropäerArbeitskopie anstecken.232 Die Körper der Schwarzen zeigten, so Koch, kein Zeichen der Krankheit an ihrer Oberfläche. Koch beklagt sozusagen das Auflösen stabiler Zeichenverhältnisse. Diese Befunde sollten wir, wenn wir nun nochmals zum Film zurückkehren, im Auge behalten. Klaus’ Art des Zeichnens zeigt uns, wie er die Welt und seinen Platz darin sieht. Auch der Fremd- und Selbstspiegelung wird im Film eine wichtige Funktion zuge- schrieben. Offensichtlich sind im „Dritten Geschlecht“ verschiedene Formen des Sehens von zentraler Bedeutung. So ist beispielsweise Boris Winklers Schaulust im „Dritten Geschlecht“ sehr ausgeprägt; er will seinen Blick unbemerkt schweifen lassen. In der Öffentlichkeit versteckt er seinen Blick gerne hinter einer Sonnen- brille. Winkler möchte offensichtlich seinen Blick nicht kontrollieren lassen; er muss vom Richter gezwungen werden, die Brille abzunehmen.233 Im Privaten hin- gegen setzt Winkler seinen hypnotisierenden Blick zu Verführungszwecken ein. Winkler verspricht dem Jungen, dieser werde bei ihm noch mehr Überraschendes zu sehen bekommen. Auch möchte er Klaus zu einem anderen Sehen verleiten; Klaus solle zeichnen, was sein „inneres Auge“ sehe. Winklers Auge ist gefrässig234; es scheint Klaus geradezu visuell penetrieren zu wollen. Durch eine bestimmte

58

4512falk.indd 58 19.05.2008 17:11:33 Uhr Lichtführung – von unten gespenstisch ausgeleuchtet – erhält Boris Winkler in diesen Augenblicken schon fast diabolische Züge; eine stärker hochgezogene Braue bewirkt zudem einen leicht asymmetrischen Gesichtsausdruck. Winkler erscheint – von unten gefilmt – als bedrohlich, fast übermächtig (Bild 6). Durch diese Nah- aufnahme geht Distanz verloren; das Publikum hat – wie Klaus – nicht mehr den Überblick über die Situation. Der Eindruck des Unwohlseins wird dabei durch die disharmonische Musik potenziert. Wie hypnotisiert kann Klaus seine Augen nicht mehr von Boris Winkler lassen. Die angeschrägte Kameraperspektive signalisiert eine emotionale Schieflage und verdeutlicht die Gefährdung von Klaus durch Boris Winkler. Auch Manfreds Blickführung verrät im Film viel. Er spioniert Klaus nach; er will sehen, was ihn nichts angeht. Beim Gartenfest beobachtet er heimlich, wie Klaus mit seiner Cousine Renate schäkert. „Ich werde sie umbringen! Scheiss- weiber!!“, kommentiert er mit eisigem Blick das Gesehene.235 Später wirft er Klaus vor, schon ein Blick könne genug sein. „Ich habe gesehen, wie du ihr an die Beine gegriffen hast. Und dann, wie du mit ihr getanzt hast“, sagt er mit bedrückter und beleidigter Stimme. Manfred wird später in Gerdas Zimmer äugen und dabei das endgültige Indiz erspähen, die naturalistische Zeichnung. Als Manfred am nächs- ten Tag hinten auf Klaus’ Roller sitzt, bezeichnet er Gerda als „blöde Kuh mit den Glubschaugen“. Klaus lässt nun Manfred absteigen und fährt alleine weiter; er rollt jetzt auf der rechten Bahn und nichts kann ihn mehr auf Abwege bringen. Viel- mehr wird sich Klaus auch in Zukunft an Gerdas grossen Augen erfreuen: „Dein ganzes Gesicht ist Auge“, hatte er ihr beim Porträtieren gesagt. Auch wenn Gerda im Film nicht als sexuell unerfahren erscheint, steht sie dennoch für den reinen und heilenden, Boris Winkler hingegen für den korrumpierten und korrumpie- renden Blick. Auch in „Jud Süss“ nimmt der Blick, wie wir gleich sehen werden, eine wichtige filmische Funktion ein. Arbeitskopie

59

4512falk.indd 59 19.05.2008 17:11:33 Uhr Arbeitskopie

60

4512falk.indd 60 19.05.2008 17:11:33 Uhr 5. „Das Dritte Geschlecht“ und „Jud Süss“: Ein vergleichendes Sehen

5.1. Figurenkonstellation, Evidenzproduktion und Argumentationsführung

„Die Skizze hat eine Richtung, aber kein Ende“236

Es wäre ein spannendes Unterfangen, die Macharten von „Jud Süss“ und „Das Dritte Geschlecht“ einem systematischen Vergleich zu unterziehen. Es böte genug Stoff für eine eigenständige Untersuchung, die ich im vorgegebenen Rahmen aber nicht leisten kann. Um den Diskussionen über das „Dritte Geschlecht“ folgen zu können, scheint es mir nötig, auf Gemeinsames und Eigenes in der Figurenkonstellation, der Evidenzproduktion und der Argumentationsführung hinzuweisen. Wo ich es für das Verstehen der Funktionsweise von „Jud Süss“ als fruchtbar erachte, werde ich auch den Film mit Kontexten vernetzen. Dass die Produktionsbedingungen, der Rezeptionskontext wie auch die Auswirkungen der beiden Filme jeweils ganz andere waren, soll an dieser Stelle nochmals ausdrücklich betont werden. Am 13. Dezember 1737 wurde Josef Süss Oppenheimer, der Finanzberater des damals bereits verstorbenen Herzogs Karl Alexander von Württemberg, durch ein württembergisches Gericht zum Tode durch den Strang verurteilt.

„Nachdem bereits verschiedene Bemerkungen zu dem aufsehenerregenden Fall in seinem Werk verstreut hatte, erschien 1827 mit Wilhelm Hauffs Novelle ‚Jud Süss‘ die erste literarische Verarbeitung des Stoffs. Die grössteArbeitskopie Rolle spielte der ein Jahrhundert danach von Lion Feucht- wanger verfasste gleichnamige Roman. Er wurde international bekannt und diente dem 1934 unter der Regie von Lothar Mendes produzierten Film ‚Jew Suess‘ mit Conrad Veidt in der Hauptrolle als Vorlage. Nun wurden auch die Nazis, insbesondere , auf den Stoff aufmerksam. Da man unmöglich den Roman eines 1933 emigrierten jüdischen Autors als Vorlage für eine eigene Verfilmung benutzen konnte, musste ein eigenes Drehbuch erstellt werden. Nach einem ersten Entwurf von Ludwig Metzger übernahm Eberhard Wolfgang Möller die Dialogregie. Die endgültige Fassung des Dreh- buchs für den im Auftrag des Reichspropagandaministeriums zu drehenden Hetzfilm stammte allerdings von Veit Harlan, dem Regisseur, der in den 30er Jahren die wohl steilste Karriere in Deutschland gemacht hat.“237

„Jud Süss“ erhebt bereits im Vorspann den Anspruch auf die Darstellung einer his- torischen Wahrheit: „Die im Film geschilderten Ereignisse beruhen auf geschicht- lichen Tatsachen“. „Jud Süss“ zeigt aber, wie die Nationalsozialisten die Juden sahen und nicht, wie Joseph Süss Oppenheimer lebte.238

61

4512falk.indd 61 19.05.2008 17:11:34 Uhr Linda Schulte-Sasse legt dar, wie in „Jud Süss“ antisemitische Ideen und kano- nisierte literarische Paradigmen zusammenkommen. Die nationalsozialistische Propaganda borgte sich Geschichten und Konfigurationen aus einer Literaturtra- dition, die einstmals für emanzipatorische Forderungen stand. Denn in der typi- schen bürgerlichen Tragödie entsteht die Tragik dadurch, dass der Aristokrat eine bürgerliche Frau verführen will. „Jud Süss“ modifizierte diese Stossrichtung: Die Kritik richtet sich auf das rassische statt auf das soziale Andere. Damit knüpft der Film „Jud Süss“ erfolgreich an Geschichten an, die der Zuschauer bereits kennt.239 Auch konnte die NS-Kulturproduktion an ein literarisches Kontinuum antise- mitisch gezeichneter Figuren anknüpfen:

„Des romanciers aussi différents que Walter Scott, Honoré de Balzac, Charles Dickens, Nikolaï Gogol et Fedor Dostoïevski ont effectivement tracé des por- traits de personnages juifs caricaturaux et antipathiques.“240

Das Thema des Films wird durch die abwechselnd erklingende Stimme eines Sabbatsängers und die ersten Takte eines deutschen Volksliedes angekündigt. Misstönend überlagert dabei das „jüdische Motiv“ das Lied „Alle Gedanken, die ich hab’ …“, welches im Film für die reine Liebe zwischen Dorothea und Faber steht. Diese musikalische Kontrastierung wird immer wieder verwendet und erinnert uns an das Gegenüberstellen von Winklers elektronischer und Gerdas Klaviermusik.241 Auch die Personenkonstellation ist ähnlich. Im „Dritten Geschlecht“ treten Christa Teichmann und Boris Winkler als Gegenspieler auf. Winkler bringt Klaus’ Mutter ins Gefängnis. Der Film lenkt die Sympathien des Publikums auf die Mut- ter.242 Vater Teichmann hat die Position desjenigen inne, der den Verhältnissen „in die Augen schaut“ und sich nicht davon abbringen lässt, seine Meinung auf schroffe Weise kundzutun. In „Jud Süss“ tritt der Landschaftskonsulent Sturm – Dorotheas Vater – ruhig, aber bestimmt auf. Er nimmt als Sympathieträger eine ähnliche Position ein wieArbeitskopie Christa Teichmann. Sturm muss seinen erzürnten Schwiegersohn Faber immer wieder „bremsen“. Dafür ist Faber derjenige, der als erster den Juden in Süss Oppenheimer erkennt und sich nicht „scheut“, das auf grobe Art sofort auszusprechen.

5.2. Über Frauenopfer und Rachegelüste

Als Herr Teichmann auf dem Polizeiposten von der Anklage wegen Kuppelei erfährt, zeichnet sich auf der gegenüberliegenden Wand mehrmals der Schatten eines Fensterkreuzes ab.243 Als später der Verteidiger nachbohrt, weshalb Herr Teichmanns Gemahlin nicht mitgekommen ist, erscheint im Hintergrund wieder ein Schattenkreuz, das schliesslich auch bei der Schuldspruchverkündung auftau- chen wird (Bild 18). Dieses Hintergrundmotiv finden wir ebenfalls in jener Ein- stellung, als Klaus Gerda – die das Schmuckstück von Mutter Teichmann gerade abgelehnt hat – beim Abwaschen belästigt (Bild 17). Im „Dritten Geschlecht“ wer- den das Opfer der Mutter und der von Gerda erbrachte Liebesdienst Klaus retten;

62

4512falk.indd 62 19.05.2008 17:11:34 Uhr das Schattenkreuz taucht im Film mehrmals auf und erinnert an die erbrachten „Opfer“ der Frauen. Ähnlich wirkt das Hintergrundmotiv eines Schattennetzes, welches bei der Erpressung von Boris durch Achim an der Wand erscheint und ein mögliches „Einfangen“ des Doktor Winklers suggeriert (Bild 15). Das den Wende- punkt erzwingende Opfer in „Jud Süss“ ist teurer, wird aber ebenfalls vorwiegend von einer Frau bezahlt. Denn es ist das Ins-Wasser-Steigen der vergewaltigten Dorothea, das dem Aufstand endgültig zum Durchbruch verhilft. Als Faber seine tote Frau auf den Stufen vor dem Palast Oppenheimer mit den Worten „Der Jude hat sie auf dem Gewissen“ niederlegt, ertönen aus der Menge wilde Schreie: „Der Jude muss weg!“ Die Menschen stürzen sich auf das Portal und brechen es gewalt- sam auf. In den beiden Filmen „Jud Süss“ und „Das Dritte Geschlecht“ sind es also die Frauenopfer, welche die Rettung ermöglichen.244 Zugleich ist es aber die poli- tisch naive Dorothea, welche den Juden Süss Oppenheimer in ihrer Kutsche nach Stuttgart bringt. Und auch die Mutter Fiebelkorn erkennt im Gegensatz zu ihrem Mann nicht die Gefahr, die Süss Oppenheimer für ihre Töchter bedeutet. Gerda schliesslich wird im „Dritten Geschlecht“ stets nur mit Hausarbeiten beschäftigt gezeigt. Sigrid Weigel hat die hierzu gut passende Hypothese formuliert, dass die Juden „die negativen Aspekte der Modernisierung zu verkörpern haben (vgl. die Geld- und Kapitalismusthematik), während die Frauen eher die verlorenen (und idealisierten) Aspekte verkörpern (vgl. das Motiv der Einheit, des Natürlichen).“245 Während zudem gerade antifeministische Positionen oft auf einem idealisierten Frauen- und Mutterbild gründen, existieren wohl keine rassistischen oder antise- mitischen Diskurse, welche das attackierte Objekt in einer solchen Weise glorifi- zieren.246 Dorotheas Todesopfer steht ausserdem in einer längeren literarischen Tra- dition. Denn seit etwa 1800 taucht in der abendländischen Literatur eine Fülle von Frauengestalten auf, die durch ihren Tod dem Geliebten oder der Mensch- heit die Erlösung bringen. Christina von Braun vertritt nun die These, dass diese Frauenleichen eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Darstellungen des christlichen HeilandsArbeitskopie aufweisen: Der Prozess der Verweltlichung werde als eine Verweiblichung des christlichen Opfertodes vollzogen. Damit erklärt von Braun auch den seltsamen Wandel des Frauenbildes, der sich nach der Aufklärung voll- zogen habe:

„Galt der Frauenkörper einst als Ort der Niederlassung der Sünde und der sexuellen Zügellosigkeit, so wird ihm nunmehr eine Passivität und Sittsam- keit zugewiesen, ja sogar ein mangelnder Geschlechtstrieb unterstellt, der seine ‚Reinheit‘ betont – eine Reinheit, die ihn würdig erscheinen lässt, die Rolle des Opfers zu übernehmen.“247

Mit der Säkularisierung trete also an die Stelle der Kreuzigungsmetapher – hier Sinnbild für die Schuld der Juden – die „Rassenschande“. Genau darin liegt, meint Christina von Braun, der eigentliche Schlüssel zur Bedeutung der Sexualbilder im rassistischen Antisemitismus: Aus dem religiös argumentierenden Judenhass sei sozusagen durch den Rückgriff auf weibliche Sexualität der rassische Antisemitis- mus entstanden.

63

4512falk.indd 63 19.05.2008 17:11:35 Uhr 5.3. „Legitimationsressourcen“ diskriminierender Argumentationsmuster

„Der Rassenantisemitismus erklärte die ‚Judenfrage‘ als Religionsfrage für erledigt und hob sie zur Rassenfrage.“248

Er bediente sich dabei jedoch eines ganzen Emblems älterer antijüdischer Diskurse. Die Biologisierung von Ausgrenzungsmechanismen kann zwar als Erscheinung der Moderne betrachtet werden.249 Hingegen wäre es problematisch, eine scharfe Trennung zwischen christlichem Antijudaismus und biologisch-rassisch moti- vierten Feindseligkeiten gegenüber Juden beziehungsweise als jüdisch definierten Personen zu postulieren, kam es doch immer wieder zur Verschränkung zwischen kirchlichem Antijudaismus und sozialdarwinistisch geprägtem Antisemitismus. Philipp Sarasin argumentiert, dass auch Darwins theoretische Biologie sich in viel- fältiger Weise auf historisch konkrete Ausrottungsvorgänge bezog, weshalb sich die Frage stelle, „ob denn tatsächlich der auf Darwin referierende ‚biologische‘ Ras- sismus vom ‚traditionellen‘ Rassenhass und von einem auch in der Moderne über- bordenden rassistischen Imaginären sich analytisch trennen“ lasse. 250 Produktiv erscheint mir deshalb die Forderung von Klaus Holz: Um die Diskontinuitätsthese zwischen traditionellem und modernem Antisemitismus begründen zu können, müsse gezeigt werden, dass letzterer andere Funktionen wahrgenommen habe.251 Moderner Antisemitismus ist somit sowohl Teil eines Kontinuums als auch etwas Neues.252 Hans-Walther Schmuhl meinte hierzu, dass durch eine rassische Über- formung gesellschaftlicher Bruchlinien Gruppengrenzen in sozialen Systemen undurchlässiger werden:

„Solange die Juden primär als religiöse Gruppe galten, war für sie die Taufe das ‚Entreebillet zur europäischen Kultur‘ (Heinrich Heine), in dem Masse jedoch, wie sie als ‚Rasse‘ betrachtet und behandelt wurden, grenzte man auch die getauftenArbeitskopie Juden wieder aus der Gesellschaft aus.“253 Denn es war gerade die erfolgreiche Assimilation vieler Juden, die eine „effizientere Diskriminierungsstrategie“ nötig machte:

„Obgleich die ‚Wirtsvölker‘ – und gerade das deutsche – die Juden uner- müdlich dazu antrieben, sich der Gesellschaft ihres Gastlandes anzupassen (mit ‚Assimilation‘ war nie etwas anderes gemeint), wuchs der Hass gegen die Juden gerade mit dessen allmählicher Assimilation. Hierin liegt der ent- scheidende Unterschied zum Rassismus und zur Xenophobie, die sich gegen andere Völker oder andere Minoritäten richteten. Es scheint beinahe so, als werde die ‚jüdische Rasse‘ nicht aus Gründen ihrer Andersartigkeit, sondern aus solchen ihrer Ununterscheidbarkeit gehasst.“254

Wenn wir nun zu „Jud Süss“ zurückkehren, stellen wir fest, dass im Film selbst der Übergang zwischen „traditionell-christlicher“ und „rassisch-biologischer“ Argu- mentation fliessend ist. So beruft sich der Landschaftskonsulent Sturm, Dorotheas

64

4512falk.indd 64 19.05.2008 17:11:35 Uhr Vater, bei der „Rechtssprechung“ auf die Tradition des alten Reichskriminalgeset- zes, welches die Vermengung eines Juden mit einer Christin mit dem Tode bestrafe; Süss Oppenheimer wird also, in anderen Worten, wegen Rassenschande gehängt. An früherer Stelle zitiert indes Dorotheas Vater vor dem Herzog ein antijüdisches Luther-Zitat:

„Darum wisse, du lieber Christ, dass du nebst dem Teufel keinen giftigeren Feind hast denn einen rechten Juden. Ich will dir meinen treuen Rat geben, erstlich dass man ihre Synagogen und Schulen mit Feuer anstecke, zum anderen, dass man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein und Talmudisten, darin solche Abgötterei und Lug gelehrt wird, zum dritten, dass man ihnen den Wucher verbiete, zum vierten –“ (der Herzog schreit dazwischen).

Während im „Dritten Geschlecht“ vor allem der sexualwissenschaftliche Diskurs als Glaubwürdigkeitsstrategie eingesetzt wird, soll in „Jud Süss“ unter anderem der Geschichtsbezug argumentative Legitimation verschaffen. Beide Filme verfolgen zudem mit dem Einbezug „echter Darsteller“ einen ähnlichen Authentizitäts- effekt.255 Auch die Gerichtsverhandlung nimmt in beiden Filmen eine wichtige Funktion ein; dabei sollen jeweils die positiven Figuren als frei von Rachegelüsten erscheinen. Dass Frau Teichmann angeklagt ist, hat sie Boris Winkler zu verdanken. Gegenüber Klaus äusserte sich dieser über Herrn Teichmann folgendermassen:

„Er wollte mich fertigmachen, und jetzt mache ich ihn eben fertig. Tut mir leid.“

Anders reagiert Frau Teichmann, als sie von der Anzeige gegen Winkler erfuhr. Sie fordert ihren Mann auf, die Klage zurückzuziehen. „Man soll MenschenArbeitskopie auch nicht hetzen. Möchtest du gehetzt werden?“ Auch Dorotheas Vater betont, bevor er auf das Reichskriminalgesetz verweist, Auge um Auge, das sei nicht „unsere Art“. Süss Oppenheimer hingegen offenbart Dorothea, kurz bevor er sie vergewaltigt, „Auge um Auge, Zahn um Zahn! Bedank’ Sie sich bei Ihrem Vater!“ Wie im „Dritten Geschlecht“ wird ausserdem auch in „Jud Süss“ dekadente Sexualität mit Kunst in einen engen Zusammenhang gebracht. So kann das Interesse des Herzogs am höfischen Ballett auf sexuelle Gelüste zurückgeführt werden, und es ist der Jude, der ihm das Ausleben dieser Triebe – unter dem Deckmantel von Kunst und Kultur – ermöglicht. Besonders eindrücklich wird dieser Sachverhalt in jener Einstellung, wo Süss Oppenheimer einen Beutel voll Goldmünzen auf dem Tisch ausleert, die sich in einer optischen Überblendung in Ballerinas verwandeln. Später lässt der Herzog eine Tänzerin zu sich rufen, küsst sie und führt sie fort. Frauen werden hier also durch jüdische Finanzen zu – wie Geld – zirkulierender, austauschbarer Materie.256 Hier spielt der Film auf subtile Weise mit Vorwürfen, die nicht nur in der antisemitischen Bewegung Anklang fanden. So kleidete bei- spielsweise die proletarisch-sozialistische Frauenbewegung ihren antikapitalisti-

65

4512falk.indd 65 19.05.2008 17:11:35 Uhr schen Vorwurf, die rücksichtslose Maximierung des individuellen Gewinns habe dazu geführt, dass Dinge – wie beispielsweise die weibliche Sexualität – gehandelt würden, die aus moralischen Gründen keine Warenform annehmen sollten, in den antijüdisch codierten „Schachervorwurf“. Die proletarische Frauenbewegung, welche übereinstimmend mit der sozialistischen Parteitagsresolution die antise- mitische Bewegung als fehlgeleitete Reaktion vom Abstieg bedrohter mittelstän- discher und kleinbäuerlicher Schichten betrachtete, griff bei ihrer Kritik an der kapitalistischen Herrschaft zuweilen auf judenfeindliche Metaphern zurück:

„Weder wurde das in ihre eigene Kapitalismuskritik eingelassene antijüdische Symbolsystem als solches erkannt und kritikabel, noch die reale Bedeutung des Antisemitismus für die politisch-ideologische Formierung des gegneri- schen Lagers wahrgenommen und bekämpft.“257

Es zeigt sich hier deutlich, dass sich zuweilen auch oppositionelle Gruppierun- gen in ihrem Denken und Sprechen nicht einfach bestimmten hegemonialen Diskursen entziehen können, selbst wenn sie diese in anderer Form aufnehmen und sie für ihre Ziele einsetzen wollen. Doch ein sehr wesentlicher Unterschied zur antisemitischen Bewegung bestand darin, dass die proletarische Frauenbe- wegung keine Personifizierung betrieb und in ihren Publikationen weder ein- zelne jüdische Individuen noch jüdische Gruppierungen diffamierte. Auch in Karl Marx’ Schrift zur „Judenfrage“ gibt dieser vor, in metaphorischer Weise von den Juden zu sprechen. Der Umstand aber, dass Marx gerade auf den Juden als Symbol für den Kapitalismus rekurriert, kann nicht einfach als harmloses pädagogisches Unterfangen verstanden werden, das keinerlei Wirkung zeige auf das Leben konkret existierender Juden.258 Denn Metaphern strukturieren den Untersuchungsgegenstand; sie legen in ihm bestimmte Erkenntnisbahnen fest.259 Durch die Metaphernwahl kommt es zu einer Selektion positiver Analogien und dadurch können sich bestimmte Forschungsrichtungen etablieren. Aus- serdem ist derArbeitskopie Unterschied zwischen dem wörtlichen und dem metaphorischen Sprechen nicht immer so stabil, wie es meist den Anschein macht: Metaphern können auch wörtlich gelesen werden.260 Gerade auch aus seiner der Diskurs­ analyse sich verpflichtenden Position halte ich die Feststellung von Hans-Gerd Henke für kurzsichtig, durch die gewählte Metaphorik schade Marx nicht dem real-historischen Juden, sein Vorgehen nütze aber der marxistischen Theorie, indem damit dem Leser etwas Neues (Marxens Theorie) über etwas Bekanntes vermittelt werde (den „Juden“). Henke scheint hier auf merkwürdige Weise blind zu sein gegenüber Wechselwirkungen zwischen sprachlichen und politischen Machtverhältnissen.261 Kommen wir an dieser Stelle auf unseren Film zurück, so können wir fest- halten, dass auch in „Jud Süss“ sprachliche Diffamierungsstrategien auf sehr mar- kante Art und Weise eingesetzt werden. Die Ghettojuden sprechen kein richtiges Deutsch, und selbst Süss Oppenheimer fällt am Schluss des Films in diese Sprech- art zurück; seine Kultiviertheit erweist sich als oberflächlich und kurzlebig. Eine „korrumpierte“ Art des Sprechens der Juden wurde von Richard Wagner in einen Zusammenhang mit kreativen Prozessen der Kunstproduktion gebracht.262 In sei-

66

4512falk.indd 66 19.05.2008 17:11:36 Uhr ner Schrift zur „Judenfrage in der Musik“ stellte er eine „Verjüdung“ der moder- nen Kunst und insbesondere der Musik fest. Trotz der Unfähigkeit des Juden, sich künstlerisch mitzuteilen, habe es dieser geschafft, in der Musik zur Beherrschung des öffentlichen Geschmacks zu gelangen. Der Jude aber spreche die Sprache der Nation, in der er lebt, nur als Ausländer:

„Als durchaus fremdartig und unangenehm fällt unserem Ohr zunächst ein zischender, schrillender, summsender und mucksender Lautausdruck der jüdischen Sprechweise auf.“263

Da es aber unmöglich sei, in einer fremden Sprache zu dichten, könne der Jude – wie ein Papagei – nur nachsprechend und nachkünstelnd tätig sein. Der Jude ver- möge es nicht, wirkliche Kunstwerke zu schaffen, da er zur künstlerischen Kund- gebung seiner Gefühle unfähig sei. Denn es dränge ihn nicht, etwas Bestimmtes, Notwendiges und Wirkliches auszusprechen, weshalb dem Juden nicht das Was seines Sprechens wichtig sei, sondern nur das Wie. Um die Aufmerksamkeit des Publikums trotz Inhaltslosigkeit fesseln zu können, müsse folglich der jüdische Musiker durch den Wechsel der äusserlichen Ausdrucksweise beständig neue Rei- zungen produzieren. Der jüdische Komponist aber, so Wagner, der Kunstwerke schaffen wolle, dies aber nicht zu leisten vermöge, schreibe Opern für Paris und lasse sie in der übrigen Welt aufführen: „heutzutage das sicherste Mittel, ohne Künstler zu sein, doch Kunstruhm zu erwerben.“264 Wagner wirft den Juden also vor, sich nur um die Form, nicht aber um den Inhalt von Kunst zu kümmern; aus- serdem würden jüdische Künstler mit billigen Effekthaschereien arbeiten. Bestän- dig klingt in Wagners Ausführungen der Vorwurf an, der Jude würde nur l’art pour l’art produzieren; ein Vorwurf, dem wir bereits im „Schwarzen Korps“ begegneten; da richtete er sich auch gegen die Homosexuellen. Die Schilderung schliesslich, die Wagner von „der Grimasse des gottesdienstlichen Gesanges der Juden liefert“, würde sich auch zur Beschreibung der „Synagogenszene“ in „Jud Süss“ vortrefflich eignen: Arbeitskopie „Wer ist nicht von der widerwärtigsten Empfindung, gemischt von Grauen und Lächerlichkeit, ergriffen worden beim Anhören jenes sinn- und geist- verwirrenden Gegurgels, Gejodels und Geplappers, das keine absichtliche Karikatur widerlicher zu entstellen vermag?“265

Es kann hier nicht darum gehen, zwischen Wagners Ausführungen zum Charakter „jüdischer Kunst“, dem Kunstbegriff der Nationalsozialisten und ihrer NS-Ver- nichtungspolitik eine gerade Linie ziehen zu wollen. Gleichzeitig kann aber auch nicht bestritten werden, dass für die Nationalsozialisten Wagners Begriffsetzungen offensichtlich einen attraktiven Fundus antisemitischer Argumente darstellte. Wie direkt Wagners Schrift „Das Judentum in der Musik“ als Inspirationsquelle für die Produktion von „Jud Süss“ einfloss, vermag ich allerdings nicht zu beurteilen.266 Wie Boris Winkler, der mit Kunst zwar handelt, selber aber keine herstellt, wird auch Süss Oppenheimer dem Herzog zwar „Tanzkunst“ vermitteln, selber aber nichts Kreatives produzieren.

67

4512falk.indd 67 19.05.2008 17:11:36 Uhr 5.4. Die jüdische Agentur des Sehens

Wie im „Dritten Geschlecht“ nimmt auch in „Jud Süss“ die Beherrschung des visuellen Raumes eine wichtige symbolische Funktion ein. Der Jude, welcher die Schau- und Fleischeslust seines Herzogs kontrolliert, hat den Herrscher offensicht- lich fest im Griff und kann nun nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Er arrangiert und befriedigt nicht nur den lüsternen Blick des Fürsten, sondern besitzt auch die Interpretationsmacht über die Bedeutung des Gesehenen. Dies zeigt sich deutlich an jener Stelle, wo der Herzog auf Rat von Süss Oppenheimer den Rabbi Löw aufsucht, um von den Sternen zu erfahren, ob er das Ausschalten der Landstände wagen soll. Unter Anleitung von Süss Oppenheimer wird Rabbi Löw den Herzog geschickt zu seinem Leitspruch „Attempto“ führen. Subtil ist diese „jüdische Wahrheitsstrategie“, wird doch der Herzog im Glauben gelassen, seine eigenen Augen hätten die Sprache der Sterne geschaut. Der verstorbene Film- wissenschafter Karsten Witte hat diesen Befund mit den Worten umschrieben, in „Jud Süss“ werde das Jüdische als „Agentur des Sehens“ konnotiert.267 Süss Oppen- heimer und Levi sehen, was für sie nicht bestimmt ist: Durch ein barockes Guck- loch – den offenen Schlund eines Maskenornaments – verfolgen sie insgeheim den Herzog im politischen Gespräch. Schliesslich wird die jüdische Agentur des Sehens ertappt und dinghaft gemacht:

„Die Reinheit siegt über die Maske, das seherische Schauen über das sinn- liche Erblicken.“268

Als Süss Oppenheimer wie ein gefangener Vogel im Käfig gehängt wird, ist er den Blicken des ganzen württembergischen Volkes ausgesetzt und wird so endlich selbst zum Schau-Objekt. In „Jud Süss“ steht die Macht also auf der Seite jener Figuren, welche die Blicke zu kontrollieren vermögen. Laura Mulvey hat nun gezeigt, dass in der Geschichte des Films oft die Lust des „Angeschaut werden“ weiblich codiert, während die LustArbeitskopie am aktiven Blicken als männliche Eigenschaft präsentiert wird: „In a world ordered by sexual imbalance, pleasure in looking has been split between active/male and passive/female. The determining male gaze projects its fantasy onto the female figure, which is styled accordingly. In their tradi- tional exhibitionist role women are simultaneously looked at and displayed, with their appearance coded for strong visual and erotic impact so that they can be said to connote to-be-looked-at-ness.“269

Der Mann führt den Blick, er will die Frau zum Schau-Objekt seines Blickes machen. Linda Schulte-Sasse wendet nun Mulveys Befund auf „Jud Süss“ an und zeigt dabei, dass Süss Oppenheimer die anderen Männer Stuttgarts in eine „weiblich besetzte Stellung“ verweist, da er diese mit seinem Blick zu unterwerfen vermag. Erst ganz am Schluss des Films werden diese Positionen gekehrt; die württembergischen Männer erscheinen jetzt wieder als richtige, als blickführende Männer.270

68

4512falk.indd 68 19.05.2008 17:11:36 Uhr 5.5. Subjektstatus und Interpretationsvariationen

Linda Schulte-Sasse macht auf einen weiteren beachtenswerten Aspekt von „Jud Süss“ aufmerksam: Süss Oppenheimer hat offensichtlich keinen einzelnen Gegenspieler, der ihm ebenbürtig ist; nur als Gruppe vereint können die Einwohner von Stuttgart diesen besiegen.271 Schulte-Sasse greift nun, um diesen Sachverhalt interpretieren zu können, auf den von Jürgen Link geprägten Begriff desSubjektstatus zurück. Link unterscheidet zwischen Feindbildern mit und ohne Subjektstatus. Nur Feinde mit Subjektstatus werden als echte Gegenspieler betrachtet:

„Nur mit ihnen kann so gespielt werden, dass sie selber dabei verantwort- lich mitspielen können: je nach Lage Fussball, Schach oder Krieg. Einzelne oder Gruppen dagegen, die symbolisch dem aussersystemischen Chaos zugeordnet sind, sind symbolisch nicht Partner, und nicht einmal Gegner, sie scheiden als Mitspieler von vornherein aus, stehen ausserhalb der Spielregeln, die symbolisch nur für Systeme gelten.“272

Werden nun Juden beispielsweise als Würmer oder Ratten gezeigt, wie etwa im NS-Propagandafilm „Der Ewige Jude“, so werde ihnen kein Subjektstatus zuge- sprochen. Süss Oppenheimer hingegen braucht Subjektstatus, um als echte Gefahr zu erscheinen; zuweilen scheint er den arischen Gegenspielern sogar überlegen zu sein. Aus diesem Grunde wird Süss Oppenheimer auch als attraktive Person gezeichnet, seine raffinierte Tarnung ermöglicht es ihm, ins Innere der Macht vor- zustossen, um von da aus gegen das arische Volk zu agieren. Süss Oppenheimer ist gefährlich, weil seine Gefährlichkeit nicht auf den ersten Blick erkannt werden kann. Er ist der Fremde, der nicht immer fremd erscheint und sich deshalb beim Herzog einschleichen kann.273 Das macht ihn – im Gegensatz zu den anderen jüdi- schen Figuren, die nur lächerlich erscheinen – zu einer ambivalenten Figur. Schulte-Sasse folgt nun einer von Derrida inspirierten Sicht, wenn sie den Erfolg dieses propagandistischenArbeitskopie Spielfilms genau in den Brüchen seiner faschistischen Botschaft verortet.274 Genau jene Aspekte, welche „Jud Süss“ als Spielfilm zum Funktionieren brächten, so Schulte-Sasse, könnten die intendierte antisemitische Botschaft unterminieren. Ich meine allerdings, dass auch hier der damalige Rezep- tionskontext im Auge behalten werden sollte: Für welche deutschen Zuschauer war es während des Krieges tatsächlich möglich, „Jud Süss“ anders als antisemitisch zu verstehen?275 Ausserdem ist es ja gerade die Strategie des Films, Süss Oppenheimer andere antisemitische Aspekte zuzuschreiben als den jüdischen Nebenfiguren, die übrigens alle von Werner Krauss gespielt wurden, um so die prinzipielle Gleich- artigkeit aller Juden zu betonen:

„Gegenüber Süss, dem Assimilierten und Europäisierten, zeigte das Bild des Sekretärs Lewi das abstossende, nicht assimilierte Gegenstück in seinem Naturzustand.“276

Dennoch lassen sich meiner Meinung nach die Befunde von Linda Schulte-Sasse in fruchtbarer Weise auch auf die Funktionsweise und das Konstruktionsprinzip des

69

4512falk.indd 69 19.05.2008 17:11:37 Uhr „Dritten Geschlechts“ übertragen. Denn Boris Winkler wird hier als attraktive Per- son gezeigt und genau in dieser Zuschreibung von Subjektstatus, das heisst Hand- lungsfähigkeit, liegt meiner Meinung nach der Umstand begründet, dass auch in den letzten Jahren die Filmkritiken zum „Dritten Geschlecht“ verschieden aus- fielen. Im Ausstellungskatalog des Schwulenmuseums Berlin, der aus Anlass von 100 Jahren Schwulenbewegung 1997 publiziert wurde, schreibt Manfred Herzer, selbst in der zensierten Fassung „Anders als du und ich“ enthalte der Film „noch immer zahlreiche Szenen mit schwulenfreundlicher Tendenz, wie sie in europäi- schen oder amerikanischen Filmen erst in den siebziger Jahren möglich waren“.277

„Eine Ausnahmestellung unter den Spielfilmen der Nachkriegszeit, die die Männerliebe thematisieren, nimmt Anders als du und ich ein, der 1957 von dem einstigen Naziregisseur Veit Harlan unter der Mitwirkung des ebenfalls seinerzeit der NSDAP angehörenden Sexualforscher Hans Giese in Westberlin hergestellt wurde. Entgegen der landläufigen Ansicht, dass Anders als du und ich ein übles Machtwerk zur Diffamierung der Homosexuellen sei, soll hier betont werden, dass in dem Film erstmals in der Geschichte des Kinos ein schwuler Mann gezeigt wird (der von dem grossartigen Schauspieler Friedrich Joloff verkörperte Kunsthändler Boris), der sich erfolgreich gegen Verfolgung wehrt. Es gelingt ihm nicht nur, sich der Verhaftung durch Flucht nach Italien zu entziehen, er erreicht darüber hinaus, dass die Mutter des jungen Mannes, den er verführt hat, wegen sogenannter Kuppelei zu einem Jahr Gefängnis ver- urteilt wird. Diese Mutter hatte ihren Sohn von der Homosexualität gerettet, indem sie diesen gegen Bezahlung mit dem Dienstmädchen verkuppelte, was damals in der Bundesrepublik als Verbrechen galt. Leider wurde diese Fassung des Films nur in Österreich und in der Schweiz gezeigt. In Westdeutschland erzwang die Zensurbehörde, dass einige allzu schwulenfreundliche Stellen geändert wurden. Statt der gelungenen Flucht nach Italien gibt es jetzt die Ver- haftung auf dem Bahnhof Zoo. Eine Szene, in der schwule Freunde von Boris, die offensichtlichArbeitskopie aus Frankreich kommen und das deutsche Schwulenstraf- recht als unmenschlich kritisieren, wurde weggeschnitten.“278

Diese Äusserung Herzers stützt meine These, dass hier aufgrund der Zuschreibung von Subjektstatus, also von Handlungsfähigkeit, Boris Winklers Figur als attraktiv und positiv erlebt wird. Diskriminierende Bedeutungskonstruktionen des Films treten in dieser Interpretation offenbar in den Hintergrund. Herzer argumentiert, die Zensurbehörde habe schwulenfreundliche Stellen gestrichen.279 In Zusammenhang mit Herzers Urteil erscheint mir allerdings auch folgende Feststellung von Knut Hickethier anregend:

„Ist das Ende so, dass der Zuschauer alle Konflikte im Film gelöst findet, ist dieser tendenziell auch mit der Welt versöhnt. Der Film stellt damit auch keine Fragen, die in der Realität des Zuschauers zu beantworten sind. Die geschlossene Form schliesst den Film gegenüber dem Zuschauer ab, die offene verlangt ihm eine weitere Beschäftigung mit dem ungelösten Konflikt bzw. Problem ab.“280

70

4512falk.indd 70 19.05.2008 17:11:37 Uhr Im Falle der Filme „Das Dritte Geschlecht“ und „Anders als du und ich“ verfügt die erste Variante über einen deutlich offeneren Schluss. Im Ausstellungskatalog von 1988 zu „Schwule in Basel“ wird festgehalten, dass im „Dritten Geschlecht“ wie in „Jud Süss“ eine Minderheit zur dämonisierten Gefahr für das „Volk“ gemacht werde, dieser Sachverhalt aber Ende der 50er Jahre in Basel als nicht diskussionswürdig erachtet worden sei.281 Auch der Regisseur Rosa von Praunheim, der für seine Filme zur Homosexualität Kultstatus erlangte, bezeichnete am 10. November 2003 in einer Podiumsdiskussion des lesbisch-schwulen Berner Filmfestivals QUEERSICHT Veit Harlans „Anders als du und ich“ als schrecklich:

„Und der hat, finde ich, einen schrecklichen Film gemacht. […] ich kann mich erinnern, dass ich mit meinen Eltern das gesehen hab und viele von uns sind geprägt von Filmen, die schwul-lesbische Themen eben sehr negativ, oder parodistisch oder als Witz oder was weiss ich gebracht haben.“282

Kritisch ist auch der Eintrag im lesbisch-schwulen Filmlexikon „Out im Kino“:

„Dass die deutsche Presse weitgehend einhellig mit Entrüstung reagierte, mag zu einem grossen Teil in der grundlegenden Ablehnung der Person Harlans gelegen haben. Aber auch die Version seines Films, die in den Kinos schliesslich gezeigt wurde, muss man immer noch als schwulenfeindliches Machtwerk voll faschistoider Elemente aburteilen.“283

In diesem Zusammenhang erhellend ist auch folgende Bemerkung, die sich in der Einleitung von „Out im Kino“ befindet:

„Was vor einigen Jahrzehnten noch sensationell war und für Schwule und Lesben zumindest die Möglichkeit bot, ihresgleichen auf der Leinwand zu sehen, kann heute mit klarem Blick als homophob enttarnt werden. Die Mei- nungen darüber, wasArbeitskopie lediglich eine noch so bittere Wirklichkeit abbildet und dem, was eine schwulen- und/oder lesbenfeindliche Darstellung ist (oft unter Benutzung abgegriffener und überstrapazierter Klischees) gehen natürlich auseinander. Nicht jeder schwule Mörder kennzeichnet ein homophobes Machtwerk, aber auch nicht jedes glückliche Lesbenpaar zeugt, bei genaue- rem Hinsehen, vom Fehlen einer homophoben Darstellung.“284

Auch Helmut Korte stellt fest, dass im Extremfall derselbe Film in einer anderen geschichtlichen Phase, vor einem anders disponierten Publikum zu einem Film mit deutlich verschiedenen Botschaften werden kann:

„ursprünglich vorhandene politische Bezüge beispielsweise [sind] in einer späteren Phase unwirksam […] (da nicht aktuell) oder Nebensächlichkeiten [erhalten] plötzlich ungeahnte Bedeutung“.285

Sind bestimmte Kontexte nicht mehr in gleicher Weise präsent, werden inten- dierte Diskriminierungsdiskurse in der Folge oft nicht in ihrer Wirkungsabsicht

71

4512falk.indd 71 19.05.2008 17:11:37 Uhr erkannt. Wichtig erscheint mir allerdings auch folgende Feststellung von Wolf- gang Theis:

„Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass nicht das einzelne diffamierende Bild die Unterdrückung der Homosexualität fortschreibt. In ihm offenbart sich nur das kleinere Übel. Das wirkliche Übel, das die Tabuierung am Leben hält, ist die gerade im Kino permanente Propagierung des ‚Normalen‘, des heterosexuellen Blicks auf die Welt, der die Existenz des Schwulen nur als Marginalie zulässt.“286

Denn dass Männer und Frauen zueinander gehörten, so meint auch Christina Nord, werde in der alltäglichen Bildzirkulation unablässig bestätigt:

„Indem die Bilder, mit denen wir es Tag für Tag zu tun haben, heterosexuell eingefärbt sind, schaffen sie die Legitimation für eine Lebensform und tragen zugleich dazu bei, diese Lebensform als einzig gültige in die Zukunft fort- zutragen.“287

Weil Teilhabe an der gesellschaftlichen „Bildzirkulation“ entscheidend sei, hätten Schwule und Lesben in den 70er Jahren begonnen, „der Nichtrepräsentanz etwas entgegenzuhalten: das Konzept der Sichtbarmachung und der Sichtbarkeit.“288 Diese Politik der Sichtbarkeit bestehe „sowohl in der Korrektur von ‚falschen‘ Bil- dern (Klischees, Stereotypen, Karikaturen usw.) als auch in der Produktion von ‚richtigen‘ Bildern“.289 Aber auf dem Weg von der „Community“ in eine breitere Öffentlichkeit könne die Kontrolle über die zu diesem Zwecke produzierten Bilder immer wieder verloren gehen. Im Fazit werde ich versuchen, den Zusammenhang zwischen Bildern und Identitätsbildung, Visualität und Identität, Sag- und Sicht- barkeiten einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Arbeitskopie

72

4512falk.indd 72 19.05.2008 17:11:38 Uhr 6. Der Regisseur von „Jud Süss“ und sein Film „Das Dritte Geschlecht“ stehen zur Debatte

6.1. Wer erzählte für wen – und mit welcher Wirkung – welche Geschichte? Nachdem ich in den vorhergehenden Kapiteln dargelegt habe, welche Filmmo- mente sich für meine Fragestellung und die sich daraus entwickelnden Vernet- zungsprozesse besonders ergiebig erwiesen, möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass der Film „Das Dritte Geschlecht“ offensichtlich für verschiedene Akteure unterschiedliche Bedeutungen besitzt. Denn die Haltung, mit der eine Zuschaue- rin an den Film tritt, prägt auch ihre Lesart des Films. Auch kann sie sich – je nach Situation mehr oder weniger selbständig – entscheiden, den Film mit mehreren Sinnkonstruktionen auszustatten oder diesen nur in eine Richtung auszulegen. Ich möchte in den folgenden Ausführungen deshalb weniger nach Einstimmigkeiten suchen, sondern vielmehr Unterschiede in den verschiedenen Wahrnehmungs- konstruktionen der beteiligten Akteure möglichst klar und scharf herausarbeiten. Ausserdem möchte ich der Frage nachgehen, mittels welcher Argumentationsfigu- ren die Akteure versuchen, ihre Interpretation der Situation zu etablieren. Doch auch diese Rekonstruktion von Kommunikationsprozessen bleibt unvollständig: Um nicht im Meer der Quellen zu ertrinken, bin ich zur Auswahl gezwungen. Die Fähigkeit der Menschen, Dinge zu übersehen, ist praktisch unbegrenzt.290 Doch habe ich mich bemüht, „unpassend erscheinende“ Äusserungen nicht einfach ver- schwinden zu lassen; denn gerade diese müssen „schlüssig darauf hin interpretiert werden, ob sie mit derArbeitskopie bisherigen Interpretation kompatibel sind oder diese viel- leicht widerlegen.“291

6.2. Veit Harlans Verteidigungsstrategie des apolitischen Kunstbegriffes Christa Teichmann zu ihrem Verteidiger: „Nein, Herr Doktor, da können alle Gerichte der Welt kommen. Das fühlt man, ob man schuldig ist. Ich meine, wenn man das nicht mehr fühlt, wonach soll man sich überhaupt noch richten.“

Veit Harlan war meines Wissens der einzige Künstler, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg für seine „künstlerischen Taten“ wegen Verbrechen gegen die Mensch- lichkeit vor Gericht verantworten musste.292 Das Schwurgericht sprach Harlan am 23. April 1949 allerdings frei, da die „unmenschliche Folgewirkung des

73

4512falk.indd 73 19.05.2008 17:11:38 Uhr Filmes nicht mit Sicherheit erwiesen“ sei. Auf Revision des Staatsanwaltes Kramer wurde dieses Urteil aber vom Obersten Gerichtshof für die britische Zone in Köln aufgehoben und zur Hauptverhandlung zurückgewiesen. Beim anschliessenden Prozess unter dem Vorsitz von Dr. Tyrolf wurde einerseits festgehalten, dass „Jud Süss“ „durchaus geeignet war, der Massenbeeinflussung mit den Mitteln der nazis- tischen Propaganda zu dienen“, andererseits wurde jedoch auch festgestellt, dass Harlan sich gegen die Übernahme der Regie gewehrt hatte. Zwar habe Harlan mit der Herstellung des Films den Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlich- keit erfüllt, dem Regisseur wurde aber zugebilligt, dabei im Notstand gehandelt zu haben. Harlan wurde schliesslich am 29. April 1950 vom Hamburger Schwurgericht freigesprochen. Es wäre ein spannendes Unterfangen, die juristischen Begründun- gen um die Schuld und Verantwortung des Starregisseurs des Dritten Reiches aus einer diskursanalytischen Perspektive zu rekonstruieren und sich dabei auch die Positionen der beteiligten Akteure genauer anzusehen:

„Es dauert noch eine ganze Zeit, bis in der Öffentlichkeit bekannt wird, dass Walter Tyrolf nicht nur NSDAP-Mitglied war, sondern auch Staatsanwalt des Sondergerichts Hamburg. Er hatte während des Krieges mitunter auch in leichten Diebstahlsfällen für die Todesstrafe plädiert. Von den von ihm geforderten Todesurteilen waren mindestens zwanzig ausgesprochen und vollstreckt worden. Bereits wenige Monate nach Kriegsende hatte er von den Briten die für die Fortsetzung seiner juristischen Karriere erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung erhalten. Ein gegen Tyrolf wegen seiner NS-Vergangenheit eingeleitetes Ermittlungsverfahren wird 1959 einge- stellt.“293

Veit Harlan wiederholte bei seiner Verteidigung mehrmals, von Goebbels zur Pro- duktion des Films gezwungen geworden zu sein; andererseits bestritt er, einen anti- semitischen Film gedreht zu haben. In seiner Autobiographie, die 1966 erschien, zwei Jahre nachArbeitskopie Harlans Tod, schreibt er: „Wer die verschiedenen Völker, die auf der Erde verstreut sind, in ihren Eigenarten liebt, der konnte durch die Darstellung von Werner Krauss oder von Marian niemals antisemitische Empfindungen bekommen. Er war im Gegenteil froh, zu sehen, auf welch vortreffliche Weise die Juden echt gespielt wurden. So hat es mich z.B. sehr interessiert, den jüdischen Gottesdienst in dem Film zu sehen, der in seiner Echtheit eine grosse Wirkung auf mich aus- übte. Wer aber Antisemit war und sein wollte, konnte seinen Antisemitismus in dieser Darstellung bestätigt finden.“294

Harlans argumentative Strategie ist es, Kunst und Politik als sich ausschliessende Gegensätze zu präsentieren.295 So schreibt Harlan am 12. Dezember 1947 in einem Brief an Lion Feuchtwanger, „Jud Süss“ sei durch die beteiligten Schauspieler in einer Zeit der kulturlosen und hasserfüllten Aufträge im Vordergrund eine künst- lerische und keine politische Tat geworden. Dies würden alle anständigen Men- schen bestätigen, die den Film gesehen hätten.

74

4512falk.indd 74 19.05.2008 17:11:38 Uhr „Er [der Film] konnte aber gar nicht künstlerisch werden, wenn er antise- mitisch gewesen wäre.“296

Nach Harlans Argumentation muss also, was künstlerisch gut gemacht ist, poli- tisch schuldlos sein. Ähnlich äussert sich Harlan am 24. Juli 1948 in einem Brief an den Rabbiner Joachim Prinz:

„Angeklagt wird der Film ‚Jud Süss‘. Der Vorwurf bedeutet: Ein Hetzfilm, der das Judentum verleumdet und damit zum Pogrom aufrief. Die Antwort meiner Verteidiger wird lauten: Keine Hetze, sondern Darstellung des jüdi- schen Problems mit künstlerischen Mitteln, kein verzerrtes Bild, sondern Aussprache des Wesentlichen, des Menschlichen.“297

Worin dieses „jüdische Problem“ allerdings bestehe, wird in dieser verklausulie- renden Sprache nicht offen ausgesprochen. Und das Argument, die Darstellung der jüdischen Personen in „Jud Süss“ sei nicht auf diffamierende Absichten, son- dern auf eine künstlerische Wiedergabe von tatsächlich vorhandenen Problemen zurückzuführen, erinnert stark an Goebbels Weisung, antisemitische Filme sollten nicht als antijüdisch bezeichnet werden, da „diese Filme nicht aus irgendwelchen tendenziösen Überlegungen so oder so gefärbt wurden, sondern die historischen Tatsachen so wiedergeben, wie sie eben waren“.298 Auch die Drohung, mit diesem Prozess würden Gegensätze erneut heraufbeschworen, die im Interesse des Frie- dens besser überbrückt würden, wird Harlan in diesem Brief stets auf einer laten- ten Ebene ansiedeln. Direkt hingegen ist die Antwort von Joachim Prinz:

„Was das Unheil betrifft, das dem jüdischen Volke aus dem Prozess entstehen könnte – lassen Sie das unsere Sorge sein. Wir haben viele Sorgen. Wir kön- nen noch eine zusätzliche ertragen.“ Auf Harlans ArgumentArbeitskopie der „politisch unschuldigen Kunst“ erwiderte Prinz fol- gendermassen:

„Ich habe mit Menschen gesprochen, die zum Beispiel in Krakau 1945 die Wirkungen ihres Filmes selber mit eigenen Augen gesehen und später am eigenen Körper gespürt haben. Auch pervertierte Kunst kann vollkommen sein. Und wenn – wie man mir sagt – Ihr Film ein künstlerisches Ereignis ist, so ist es ihm mit allen Mitteln Ihrer grossen Kunst gelungen, den Menschen an einem ‚historischen‘ Beispiel (welche historischen Quellen dem Film zugrunde lagen, ist eine andere Frage) zu zeigen, dass des Juden einzige Lust ist: Macht, Geldgier, Schändung und abgrundtiefe Gemeinheit.“299

In Anbetracht dessen, was im Laufe dieser Arbeit über die stigmatisierende und diskriminierende Wirkungsabsicht des nationalsozialistischen Kunstbegriffes – gerade in Bezug auf Juden und Homosexuelle – entwickelt wurde, erstaunt es, in welch unbekümmerter Weise Harlan hier auf das Argument der unpolitischen Kunst zurückgreift. Denn die Aufgabe von Goebbels’ Kulturpolitik bestand im

75

4512falk.indd 75 19.05.2008 17:11:39 Uhr Dritten Reich auch darin, das Ansehen Deutschlands als Kulturnation im Ausland zu erhalten:

„Die Meinung des Auslandes war für Goebbels deshalb wichtig, weil er im kulturellen Austausch eine Möglichkeit sah, für das nationalsozialistische Regime als Förderer der Künste zu werben und so die politische und kul- turelle Isolation Deutschlands bis zu einem gewissen Punkt hin zu durch- brechen.“300

In seinem 1929 erschienenen Roman „Michael“ war Goebbels – der bis zum Ein- tritt in die NSDAP versuchte, eine Schriftstellerlaufbahn einzuschlagen – zum Schluss gekommen, dass Kunst und Politik in ihrem Wesen gleich seien und sich von einem Wunsch nach Gestaltung ableiteten.301 Goebbels Hauptvorwurf gegen die „entartete Kunst“ bezog sich auf deren „Intellektualismus und Individualis- mus“: Diese Künstler hätten sich durch die abstrakte Kunst vom Volk als dem Nährboden „eines gesunden Empfindens“ abgesondert302; alles Vorwürfe, denen wir im „Schwarzen Korps“ bereits begegneten. Hitler hingegen war für Goebbels der Mann, der Politik als Kunst betreibe und so beide Bereiche zu verbinden ver- stünde.303 Hitler selbst, bekanntlich ebenfalls ein gescheiterter Künstler, wollte im Drit- ten Reich eine neue kulturelle Blüte von höchstem Rang hervorrufen. In Hitlers „Monologen im Führerhauptquartier 1941–1944“ ist 1941 zu lesen:

„Wenn ich mein Werk bewerten will, so muss ich herausstellen als erstes: dass es mir gelungen ist, dem Rasse-Gedanken als der Grundlage des Lebens gegen eine Welt von Unverstand zum Sieg verholfen zu haben, als zweites: dass ich die Kultur zur tragenden Kraft der deutschen Herrschaft mache. Die Macht, welche wir jetzt gewonnen haben, wird in meinen Augen gerechtfer- tigt nur dadurch, dass wir in der Errichtung kultureller Wunderwerke den Sinn und ZweckArbeitskopie und die Aufgabe unseres Daseins sehen.“304 Erstaunen mag an dieser Aussage Hitlers, dass hier als eigentliches Endziel der nationalsozialistischen Politik etwas formuliert wird, was auch als „Kunst der Kunst wegen“ bezeichnet werden könnte; „die Errichtung kultureller Wunder- werke“ wird hier als Selbst- und Endzweck deklariert.305 Den Juden warf Hitler in kulturpolitischem Zusammenhang vor, durch eine bewusst verfälschende Wiedergabe deutsche Kultur lächerlich zu machen, um so eine Identifikation des deutschen Volkes mit den Werten seiner Kultur zu ver- unmöglichen. Denn Hitler sah im Verlust der kulturellen Identität eine der wich- tigsten Ursachen für die moralische Zerrüttung und für den politischen Zerfall Deutschlands, da mittels einer bestimmten Art von Kunst die Macht jüdischer und bolschewistischer Kreise stabilisiert würde.306 Auch bei diesen Überlegun- gen liess sich Hitler offenbar von Richard Wagner inspirieren. Wagner sah die Verwirklichung der Revolution im Aufheben der Politik durch die Kunst und hielt die Juden, weil sie nicht zu echter Kunst fähig seien, auch zur Revolution unfähig.307

76

4512falk.indd 76 19.05.2008 17:11:39 Uhr Veit Harlan versuchte, feste und undurchdringbare Grenzen zwischen Politik und Kulturproduktion zu postulieren. Offensichtlich erschien ihm die Strategie anziehend, durch ein argumentatives Etablieren von Kunst und Politik als dicho- tome Pole unangenehme Konsequenzen des eigenen Handelns zu vermeiden. Doch trotz des juristischen Freispruchs wird dies Veit Harlan nicht ganz gelingen, denn obwohl er weiterhin Filme produzieren kann, steht er in einem gewissen Sinne gleichzeitig auch ausserhalb des gesellschaftlichen Konsens der 50er Jahre:308 „Mein Fall wurde zum Musterfall – zum Schlagwort.“309 Auch wenn Harlan aufgrund seines Verhaltens nicht als Sündenbock für die Untaten anderer betrachtet werden kann, wie er sich darzustellen pflegte, so kann doch der von Harlan gemachten Aussage in einem Punkt zugestimmt werden. Während die Untaten des ihn verurteilenden Richters Tyrolf sehr bald in Ver- gessenheit gerieten, wurde Harlan aufgrund seiner Sichtbarkeit, die er auch nach Kriegsende aus eigenem Antrieb und in provokanter Weise Aufrecht erhielt, gewis- sermassen auch zu einem negativen Symbol; in Harlan wurde der Antisemitismus auch symbolisch bekämpft.310

„Die Stärke des Symbols, gesellschaftlich gesehen, liegt wesentlich in seiner Integrationskraft, seinem Solidarisierungs- und Mobilisierungseffekt, seinem Rufcharakter, seiner sinn- und identitätsstiftenden Wirkung. Es analysiert nicht, sondern es synthetisiert.“311

Shulamit Volkov entwickelte das Konzept vom „Antisemitismus als kultureller Code“.312 Demzufolge fungiert Antisemitismus als Kürzel für ein ganzes System von Ideen; darin werde die allgemeine Ablehnung moderner Emanzipationsbewe- gungen artikuliert. Antisemitismus wurde so im Kaiserreich „zum verdichteten Symbol einer bestimmten Weltanschauung, die sich durch extremen Nationalis- mus, Militarismus, die Sehnsucht nach einer verklärten vormodernen Welt sowie Antifeminismus, Antisozialismus und Demokratiefeindlichkeit auszeichnete“.313 Auch wenn weitere UntersuchungenArbeitskopie zeigten, dass auch Emanzipationsbewegun- gen nicht frei von antisemitischen Denkmustern waren, dass also eine dichotome Gegenüberstellung zweier Denk- und Lebenskulturen nicht in dieser Form vor- handen ist, ermöglicht diese Lesart von Antisemitismus als Code dennoch interes- sante Analysen. Im Anschluss daran wäre zu fragen, ob auch die anti-antisemitischen Protest- kundgebungen als Code, als Symbol zu lesen sind für Sachverhalte, die Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre noch nicht offen thematisiert werden konnten, so beispielsweise als Kritik an homophoben Diskursen. Konkrete Belege für eine sol- che Sichtweise habe ich allerdings nicht finden können. Fest steht jedenfalls, dass Veit Harlan nach dem Krieg mittels eines apolitischen Kunstbegriffes versuchte, Schuld von sich zu weisen, dabei immer noch auf antisemitische Argumentations- muster zurückgriff und schliesslich weniger ein Bedauern über sein Handeln wäh- rend des Dritten Reiches als über seine in Ungnade gefallene Person äusserte, wie aus diesen Briefen und seiner Autobiographie hervorgeht. Veit Harlan stellte sich auch keiner öffentlichen Reflexion darüber, auf welche Weise Kunst, Gesellschaft und Politik miteinander verzahnt sind.

77

4512falk.indd 77 19.05.2008 17:11:39 Uhr 6.3. Der prüfende Blick der FSK und seine Folgen

Am 5. August 1957 prüft ein Arbeitsausschuss der deutschen „Freiwilligen Selbst- kontrolle der Filmwirtschaft“ den Film „Das Dritte Geschlecht“ in erster Instanz.314 Der Ausschuss, der im Film eine Glorifizierung der Homosexualität erblickt, ist der Meinung, dass der Film in der vorliegenden Fassung nicht freigegeben wer- den kann.315 In der attraktiven Schilderung des Milieus von Dr. Winkler müsse eine grosse Gefahr erblickt werden, wird im Protokoll festgehalten. Denn diese Zwielichtigkeit sei vor allem für „halbfertige Menschen“ nicht erkennbar. Als belei- digend wird zudem empfunden, dass Homosexuelle als künstlerisch Interessierte gezeigt werden „mit der Kombination des Modernen, wogegen Vater Teichmann und seine Welt als Spiessbürger hingestellt würden“. In der offiziellen Begründung, die am 8. August 1957 für die Antragsteller verfasst wird, heisst es, diese Einseitig- keit der Milieuzeichnung ergebe „eine Überbewertung des Kreises der Homosexu- ellen, die als eine Propaganda für sie wirken muss“.316 Die Herausstellung der guten internationalen Beziehungen dieser Kreise wirke in gleicher Richtung. Weiter wird die nächtliche Gartenszene kritisiert, die in der Darstellung „so realistisch auf den erotischen Effekt berechnet“ sei, sodass zweifellos bei der Mehrheit des Publikums eine „sittlich verletzende Wirkung hervorgerufen würde“. Auch jene Bemerkung des Staatsanwaltes, in welcher er Transvestitenlokale als Ventile der Gesellschaft bezeichnet, wird beanstandet:

„So erscheinen in diesem Film die Organe des Staates, Polizei und Justiz, in einem etwas zweifelhaften Licht.“

In der FSK habe zudem bisher immer als Grundsatz gegolten, dass selbst „Andeu- tungen sexueller Perversitäten“ im Film nicht zulässig seien. Auch die offene Schil- derung der „normalen Prostitution“ sei als verbotswidrig angesehen worden. „Das Dritte Geschlecht“ schildere aber das Treiben der homosexuellen Strichjungen, die von Dr. WinklerArbeitskopie ausgehalten werden. Als Ganzes wirke der Film durchaus nicht abschreckend, wird abschliessend in sehr ablehnenden Worten, die zum Teil sogar an NS-Vokabular erinnern, festgehalten:

„Auch muss der Film, da er keine eindeutige Stellungsnahme gegen das Trei- ben der Homosexuellen erkennen lässt und da ihm jeder sittliche Massstab fehlt, sittlich verwirrend und damit entsittlichend auf weite, normal emp- findende Kreise wirken. Nicht nur aus Gründen der Moral, sondern auch aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Volksgesundheit muss der Film, der zur Popularisierung eines perversen sexuellen Verhalten beiträgt, vom Publikum ferngehalten werden.“

Die bisher zitierten Äusserungen beziehen sich auf uns bereits bekanntes Film- material. In der Begründung des Ausschusses taucht allerdings auch eine – in Bezug auf die ursprüngliche Konzeption des Films – sehr interessante Bemer- kung auf:

78

4512falk.indd 78 19.05.2008 17:11:40 Uhr „Neben ihm [Boris Winkler] erscheinen noch einige ähnlich geartete Rand- figuren, wie etwa der ebenfalls homosexuelle Rechtsanwalt, der mit dem Schlagwort ‚Homosexualität ist Schicksal‘ die Homosexuellen quasi legiti- miert und sogar den verantwortungsbewussten Moralisten spielt. Er lehnt es aber ab, Dr. Winkler zu vertreten und erklärt, dass wenn auch der § 175 des Deutschen Strafgesetzbuches abschaffungswürdig sei, man doch das Delikt der Verführung Minderjähriger als strafbar anerkennen müsse.“

Dieser homosexuelle Rechtsanwalt ist auf Verlangen der FSK schliesslich entfernt worden; der Rechtsanwalt ist in der Folge nur mehr Rechtsanwalt und nicht mehr homosexuell. In der im Jahre 2006 produzierten DVD „Anders als du und ich“ ist die ursprüngliche Version im Szenenvergleich einsehbar; in der von mir benutzten Version vom „Dritten Geschlecht“ war diese eigenartigerweise nicht vorhanden. Besonders interessant ist, dass sich vor allem der Sexualforscher Hans Giese für die Figur des homosexuellen Rechtsanwaltes einsetzte. Denn in Gieses Augen sollte der Rechtsanwalt – ganz im Gegensatz zu Boris Winkler – die andere homosexu- elle Daseinsform darstellen:

„Insbesondere wird auch, wenngleich nur in einer Szene, in der Person eines homosexuellen Rechtsanwaltes die Form der verantwortlichen Stellung- nahme zu der sexuellen Abart vorgeführt (wobei die nähere Bestimmung im psychopathologischen Sinne offen bleibt), die den Hintergrund darstellt, vor dem sich das eigentliche Kriminelle und Entsittlichende des Dr. Winkler erst richtig abhebt.“317

Zwar bezeichnet hier Giese auch die Homosexualität des Rechtsanwaltes als „sexu- elle Abart“, gleichzeitig betont er aber, der Figur des Rechtsanwaltes gelänge ein verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Homosexualität. Dass auch das „äusserst heikle Thema der homosexuellen Verführung“ geradezu vortrefflich -dar gestellt werde, sei „ohneArbeitskopie Zweifel der prominenten Regie und den nahezu durchwegs hervorragenden schauspielerischen Leistungen zu verdanken“, führt der Sexual- forscher weiter aus. Giese, der sich hier in keiner Weise von Harlan distanziert, fügt weiter an, dass der Film eine Gegenüberstellung verschiedener homosexueller Milieus bezwecke: Der Rechtsanwalt könne nicht mit dem Masse Winklers gemes- sen werden und Winkler nicht mit den Massen des Transvestitenlokals. Bedenke man aber „die Häufigkeit homosexueller Verführungshandlungen, mit denen man es in der fachärztlichen Sprechstunde zu tun bekommt, dann kann man sich auch dazu bereit finden zu sagen, dass dieses Problem eine Darstellung verdient.“ Schliesslich listet Giese seine Änderungsvorschläge auf. Er kritisiert das Zitieren jener Zeitungsnotiz, in welcher ein Homosexueller als Verbrecher gezeigt wird: „Homosexualität bedeutet nicht gleich homosexuelle Betätigung, auf keinen Fall gleich Mord.“ Auch den Gesang des Transvestiten lehnt er ab, da hier allzu grobe Andeutungen sexueller Perversionen gemacht würden. Geändert werden sollen weiter auch die heterosexuelle Verführungsszene, Anspielungen auf die Interna- tionalität der Homosexuellen, gewisse Äusserungen des Jugendpsychologen und des Hausarztes sowie jene Äusserung von Boris Winkler, in welcher er die Ein-

79

4512falk.indd 79 19.05.2008 17:11:40 Uhr mischung der Polizei ins Privatleben kritisiere, da hier die Polizei in ein schiefes Licht gerückt werde. Im Falle der Berücksichtung dieser Änderungen sei insgesamt zu sagen, dass der Film einen bemerkenswerten Beitrag von künstlerischer Seite zu dieser Problematik darstelle:

„Es ist ein echter Problemfilm, der letzten Endes nüchtern und real unsere nur sehr beschränkten Möglichkeiten gegenüber der Sexualität, gleich ob abnorm oder normgemäss, aufzeigt, und dies durchaus mit Niveau.“

An der Argumentationsführung von Hans Giese lässt sich hier eine diskursive Stra- tegie aufzeigen, welcher dieser Sexualforscher – der selbst homosexuell war und bei seiner Stellensuche darunter litt – nicht nur in Bezug auf den Film „Das Dritte Geschlecht“ vertrat.318 Giese, der auf Gesetzesebene für eine Liberalisierung des § 175 StGB kämpfte, spaltete die Homosexuellen auf in eine Minderheit, die sich an die bürgerliche Gesellschaft anpassen könne, und eine homosexuelle Mehrheit, die dazu nicht fähig sei; damit erstrebte er die Aufwertung einer kleinen Gruppe von Homo- sexuellen gegenüber dem grossen Rest.319 Diese Strategie hat bei der Produktion des Films „Das Dritte Geschlecht“ nicht funktioniert, denn der verantwortungsbewusste homosexuelle Rechtsanwalt wurde schliesslich ganz aus dem Film entfernt, während der homosexuelle Jugendverführer im Film verblieb. Dass es Hans Giese an Argumen- ten fehlte, die geeignet waren, dem öffentlichen Druck auf Homosexuelle entschieden entgegenzutreten, ist wohl kein Zufall. Denn Gieses Homosexualitätsentwürfe wurden paradoxerweise aus Quellen gespeist, „deren antidemokratische Zielsetzung gerade nicht geeignet war, das begriffliche Rüstzeug für die Emanzipation der Homosexuel- len bereitzustellen.“320 So hat Giese, der nach Erreichen der Volljährigkeit 1942 in die NSDAP eingetreten war, in der Nachkriegszeit Psychiater, die während des National- sozialismus sehr einflussreich waren, zu den ersten von ihm organisierten Tagungen eingeladen und ihre Vorträge in seiner „Zeitschrift für Sexualforschung“ veröffent- licht.321 Giese stand unter anderem in engstem Kontakt zu Hans Bürger-Prinz, „der, bis auf eine kurzeArbeitskopie Unterbrechung wegen seiner NS-Vergangenheit, weiterhin Leiter der Psychiatrischen und Nervenklinik der Hamburger Universität geblieben war.“322 Im Dritten Reich hatte Bürger-Prinz unter anderem Kriegsneurotiker an Exekutiv- kommandos der Kriegsgerichte ausgeliefert.323 Durch die berufliche Kooperation näherte sich Giese an die Ansichten von Bürger-Prinz an:

„Es war Hans Giese, der das Bürger-Prinzsche Homosexualitätskonzept aus der NS-Zeit inhaltlich unverändert wieder in die Öffentlichkeit trug.“324

Bürger-Prinz schrieb beispielsweise im Band „Mensch, Geschlecht, Gesellschaft“, der von Giese 1954 veröffentlicht wurde, folgendes:

„Homosexuelle Beziehungen sind sehr häufig völlig unverbindlich bleibende zu wechselnden Partnern, also kennzeichnend für die sexuelle Vereinsamung, die im wesentlichen Ausdruck völliger Autoerotik ist. Der Partner spielt nur als Mitbetätigter, als Vollzugs- bzw. Erleidensobjekt eine Rolle. Das Zentrale bleibt der eigene Lustgewinn, als eine erweiterte Onanie.“325

80

4512falk.indd 80 19.05.2008 17:11:40 Uhr Giese übernahm einerseits dieses Stigma der bindungslosen Homosexuellen, wodurch er diesen eine Mitschuld an der Unterdrückung der Homosexualität zuschob; gleichzeitig aber versuchte er, „verantwortungsbewusste Homosexuelle“ von dieser Gruppe abzuspalten, um so für eine Entkriminalisierung der Homo- sexualität unter Erwachsenen einstehen zu können. Doch mit dieser Strategie war Hans Giese im gleichen Jahr, als der Film „Das Dritte Geschlecht“ produziert wurde, bereits einmal gescheitert. Im Jahre 1957 hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht aufgrund einer Klage darüber zu befinden, ob § 175 inhaltlich nationalsozialistisches Gedanken- gut sei und ob deshalb diese Bestimmungen mit dem Zusammenbruch der natio- nalsozialistischen Herrschaft ihre Geltung verloren habe.326 Damals rügten zwei Beschwerdeführer die Anwendbarkeit dieser Strafrechtsbestimmungen als rassen- ideologisches NS-Recht.327 Tatsächlich waren Homosexuelle im Dritten Reich massiv verfolgt worden; der willkommene Anlass zur Hetze von Homosexuellen bildete damals die so genannte „Röhm-Affäre“:

„Als sich für Hitler im Machtkampf zwischen SS und SA Röhms elitäre Einheit als Problem darstellte, wurde Röhm auf Befehl des Führers ohne Gerichtsver- fahren am 3. Juni 1934 erschossen. […] Formal wurde die Säuberungsaktion mit einem Putschversuch Röhms gegen das Regime begründet.“328

Hitler sprach am 13. Juli 1934 von einer homosexuellen Verschwörung; auch fünf SA-Führer wurden hingerichtet. In der Folge stiegen die Verurteilungen wegen Vergehen nach § 175 rapide an. Die Röhm-Affäre war durch einen Artikel in der sozialdemokratischen „Münchener Post“ im April 1931 ausgelöst worden, in dem Röhm – Stabschef der SA – der Homosexualität bezichtigt wurde. „Die SPD erhoffte sich von der Blossstellung Röhms eine nachhaltige Schwächung und innerparteiliche Spannungen bei den Nationalsozialisten.“329 Kurt Tucholsky hatte sich damals in der WeltbühneArbeitskopie gegen diese Kampagne, die antihomosexuelle Vorur- teile in politisches Kapital gegen die Nazi-Bewegung ummünzte, gewehrt, doch „er blieb ein einsamer Rufer.“330 In der Folge kolportierten emigrierte linke und libe- rale Schriftsteller in antifaschistischer Absicht die homophobe Vorstellung, dass grosse Teile der NS-Führerschaft homosexuell veranlagt seien.331 Die Nationalso- zialisten wiederum wollten durch die Ausgrenzung des Sexuellen aus der männer- bündnischen Organisation das NS-Regime stabilisieren.332 Sie befürchteten, dass männliche Kameradschaft, die für den Zusammenhalt der militärischen Verbände notwendig war, zu Homosexualität degenerieren könnte.333 1935 wurde der Para- graph 175 verschärft. Unsittliche Handlungen bezogen sich nun nicht mehr nur auf so genannte beischlafähnliche Handlungen, sondern auf alle in wollüstiger Absicht erfolgten Formen physischen Kontaktes und sogar auf den Ausdruck von Empfindungen.334 Nach Schätzungen wurden während der nationalsozialistischen Herrschaft circa 45 .000 Männer nach den § 175, 175a RStGB von Zivil- und Mili- tärgerichten zu Gefängnis- oder Zuchthausstrafe verurteilt.335 Die Zahl der damals ins Konzentrationslager eingelieferten männlichen Homosexuellen wird zwischen fünf- und fünfzehntausend geschätzt.336 Im Unterschied zur Judenverfolgung war

81

4512falk.indd 81 19.05.2008 17:11:41 Uhr das Ziel der nationalsozialistischen Machthaber allerdings die Ausrottung der Homosexualität, nicht der Homosexuellen.337 Bei der Gründung der Bundesrepublik wurde der verschärfte Paragraph 175 übernommen:

„Unter den Opfern des Nationalsozialismus haben die Homosexuellen einen besonderen Platz, weil nicht nur die Diskriminierung (wie bei Sinti und Roma) anhielt, weil die Entschädigung (wie bei Opfern der NS-Wehrmachts- justiz, der Euthanasie und Zwangsarbeitern) verweigert wurde, sondern weil ihre Verfolgung nach § 175 Strafgesetzbuch in der Bundesrepublik wie in der DDR bis Ende der 1960er Jahre weiterpraktiziert wurde.“338

1957 wird nun von den Beschwerdeführern argumentiert, § 175 enthalte in so hohem Masse nationalsozialistisches Gedankengut, dass er in einer freien Demo- kratie nicht mehr angewandt werden dürfte. Ausserdem verstosse diese Bestim- mung auch gegen den Grundsatz der gleichen Behandlung der Geschlechter, da nur männliche homosexuelle Beziehungen bestraft würden. Das Bundesverfas- sungsgericht beschliesst deshalb die Anhörung von Sachverständigen zu folgenden Fragen:

„a) Bestehen im Triebleben beim Mann und bei der Frau wesentliche Unter- schiede, die sich auch bei gleichgeschlechtlicher Betätigung auswirken? b) In welcher Richtung stellen männliche Homosexualität einerseits und lesbische Liebe andererseits eine soziale Gefährdung dar? Sind ihre Auswirkungen und Erscheinungsformen in Familie und Gesellschaft verschieden? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang der grosse Frauenüberschuss und die Häufigkeit der gemeinsamen Haushaltsführung zweier oder mehrerer Frauen (Gefahr bösartigen Klatsches und der Erpressung)? c) Besteht ein Unterschied in der Aktivität und Hemmungslosigkeit bei gleichgeschlecht- lichen HandlungenArbeitskopie zwischen Männern einerseits und zwischen Frauen andererseits, so dass damit der Grad der Verbreitung solcher Handlungen und die Gefahr zur Verführung insbesondere Jugendlicher hierzu verschie- den ist? Tritt die männliche Homosexualität im Gegensatz zur lesbischen Liebe stärker in der Öffentlichkeit in Erscheinung? Gibt es eine Prostitution der männlichen Homosexuellen und der Lesbierinnen?“339

Bemerkenswert ist, wie hier bereits in der Formulierung der Fragestellung die erwar- tete Antwort vorhanden ist, wird doch männliche Homosexualität der lesbischen Liebe gegenübergestellt. Auch Hans Giese wird als Sexualforscher aufgefordert, zu diesen Fragen ein Gutachten zu verfassen. Giese, der homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen entkriminalisieren will, führt aus, dass solange das homosexu- elle Verhalten sich im Rahmen von Einzelbeziehungen oder Dauerbeziehungen mit dem gleichen Partner innerhalb der eigenen vier Wände halte, er eine soziale Gefähr- dung nicht sehen könne; Beziehungen dieser Art seien vielmehr geeignet, soziale Gefährdung zu verhüten. „Erst mit dem Umschlagen zur Perversion werde das homosexuelle Verhalten des Mannes und der Frau sozial gefährdend, weil destruktiv.

82

4512falk.indd 82 19.05.2008 17:11:41 Uhr Symptomatisch hierfür seien Promiskuität, Prostituiertenverkehr, Verführung Min- derjähriger usw.“, zitiert das Gericht das Gutachten von Giese. Da Giese aber zugleich in seinen Ausführungen einen sehr bedeutenden Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Homosexualität ausmacht – der homosexuelle Mann sei „Mann“, die homosexuelle Frau sei „Frau“ – wird in der Folge von den Richtern vor allem Gieses Aussage rezipiert, dass homosexuelle Dauerbeziehungen der homosexuellen Frau leichter gelängen. Denn bei der Frau sei Sexualität und zärtliche Empfindungs- fähigkeit miteinander verschmolzen, während gerade beim homosexuellen Mann beide Komponenten vielfach getrennt blieben. Dass also männliche und weibliche Homosexualität als soziale Phänomene ihrem Wesen nach verschieden seien, werde durch die Sachverständigengutachten bestätigt, weshalb § 175 auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz der Geschlechter verstosse. Denn von einem Verbot der Diffe- renzierung könne nur gesprochen werden, argumentieren die Richter, wenn bei den zu vergleichenden Tatbeständen wesentliche Elemente gemeinsam seien, was aber in der Frage der Homosexualität nicht der Fall wäre.340 Da zudem die Verschärfung des Homosexuellenparagraphen formell ordnungsgemäss zustande gekommen sei, könne § 175 nicht als typisch nationalsozialistisch geprägtes Gesetz verstanden wer- den. Um dieser Argumentation Legitimität zu verleihen, rekurriert das Bundesver- fassungsgericht in einer äusserst bedenklichen positivistischen Weise auf folgenden bundesgerichtlichen Beschluss vom 19. Februar 1957:

„Trotzdem können nicht alle Gesetze, die von der nationalsozialistischen Regierung erlassen worden sind, ohne Prüfung ihres Inhalts und der Frage, ob sie von den Betroffenen noch als geltendes Recht angesehen werden, als rechtsunwirksam behandelt werden. Eine solche Annahme würde über- sehen, dass auch eine ungerechte und von geläuterter Auffassung aus abzu- lehnende Gesetzgebung durch das ihr innewohnende Ordnungselement Geltung gewinnen kann; sie schafft wenigstens Rechtssicherheit und ist des- halb, wenn sie sich innerhalb gewisser äusserster Grenzen hält, einem völ- ligen Rechtschaos Arbeitskopieinnerhalb der Rechtsunterworfenen gegenüber das gerin- gere Übel.“341

Bis zur Reform des Sexualstrafrechts von 1969 blieb § 175 unverändert in Geltung. Obwohl Giese selbst für eine Entkriminalisierung homosexueller Beziehungen unter Erwachsenen eintrat, lieferte er der Justiz Argumente, welche die Bestrafung der männlichen Homosexualität rechtfertigten. Gerade der Umstand, dass sich Giese in seinen Begründungen oft nebulös aus- drückte, konnte wohl einer solchen Auslegung seines Gutachtens Vorschub leisten. Beispielsweise bleibt auch die Absicht des folgenden – von Giese 1962 aufgestellten – Vergleichs zwischen Antisemitismus und Homophobie unklar:

„Der Homosexuelle geniesst den Ruf dessen, der den Bestand der Art gefähr- det. Hier liegen die Ähnlichkeiten zwischen der Verfolgung des Homosexu- ellen und der des Juden; bei letzterem geht es freilich nur um die ‚Rasse‘. Bereits die zurechtstellende Rede gilt als verdächtig, erst recht der Umgang mit solchen Menschen.“342

83

4512falk.indd 83 19.05.2008 17:11:42 Uhr Eine kurz vorher getätigte Aussage von Giese bezeugt, dass sein Denken nicht frei ist von antisemitischen Vorstellungen, auch wenn er diese in scheinbar positiven Worten präsentiert. Giese meint hier, die Vorstellungen der Cliquenbildung von Homosexuellen erinnere an jene, „die in der Vergangenheit dem ‚internationalen Judentum‘ unterstellt worden sind, und dies nur deswegen, weil Juden besonders talentierte Kaufleute sein können.“343 Homosexuelle hätten allerdings, so Giese, keinen Korpsgeist ausgebildet:

„Das Gesagte ist übrigens zu verstehen, wenn man sich wiederum den Pri- märcharakter vor Augen hält, von dem die Rede war. Psychopathen eignen sich nun einmal nicht zur Gruppenbildung.“344

1959 erreichen in der Nachkriegszeit die Verurteilungen wegen Homosexualität einen Höchststand. Insgesamt seien, so Karl-Heinz Steinle, zwischen 1950 und 1965 fast 45.000 Verurteilungen von Homosexuellen erfolgt; in der Weimarer Republik seien im Vergleich dazu knapp 10.000 Personen verurteilt worden. Dass es 1969 schliesslich zur Reform gekommen sei, habe vor allem daran gelegen, dass sich mit der Beteiligung der SPD an der Regierungsverantwortung ab 1966 ein reform- freudiger Kurs in der Bundesrepublik abzeichnete.345 Im Nachkriegsdeutschland wurde auch der Opferstatus von Homosexuellen nicht anerkannt, wodurch selbst ehemalige KZ-Insassen, die wegen Homosexualität verurteilt worden waren, keine Entschädigungen beziehen konnten:

„Durch die gescheiterte Entnazifizierung des NS-Sonderstrafrechts gegen Homosexuelle fehlte eine entscheidende Voraussetzung, um eine individu- elle strafrechtliche Wiedergutmachung auf dem Weg der im selben Zeitraum erlassenen Rehabilitierungsbestimmungen zu erlangen.“346

Fünf Tage nachdem Giese sein Gutachten für die FSK verfasst hat, tagt deren Hauptausschuss,Arbeitskopie denn gegen die Entscheidung des Arbeitsausschusses war Beru- fung eingelegt worden. Im Protokoll des Hauptausschusses vom 22. August 1957 lautet der Tenor immer noch, die Homosexualität komme im Film zu gut weg. Gerade die Massenwirkung des Films müsse in Betrachtung gezogen werden. Ein Mitglied des Hauptausschusses ist der Auffassung, dass in diesem Film ein erster Versuch gesehen werden könne, „die Propaganda für die Homosexualität jetzt nicht mehr in dem bisherigen kleinen publizistischen Bereich ausstrahlen zu lassen, sondern sie auf der Millionen-Zuschauer-Basis des Films zu propagieren. Wenn so etwas auftauche, müsse man ganz besonders vorsichtig sein.“347 In der offiziellen Begründung wird das Ablehnen der Berufung damit begründet, dass der Film das Problem der männlichen Homosexualität in einer Weise behandle, „die als Propaganda für die Homosexuellen wirken müsse, und weiterhin die von der Mutter Teichmann gewünschte Liebesbegegnung zwischen Klaus und Gerda in einer ausschliesslich auf den sexuellen Effekt gerichteten Darstellung zeige und infolgedessen das sittliche Empfinden des normalen Beschauers verletzte.“348 Dass auch heute noch das sittliche Empfinden des Volkes die Homosexualität verurteile, habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 10. Mai 1957 festgestellt.

84

4512falk.indd 84 19.05.2008 17:11:42 Uhr Hier greift der Hauptausschuss also auf jenes bundesverfassungsgerichtliche Rechtsurteil zur Homosexualität zurück, bei welchem Giese als Sexualexperte kon- sultiert worden war. Für die FSK stellte dieser Entscheid also eine Ressource dar, um in der filmischen Darstellung der Homosexualität eine weitere Verschärfung zu verlangen. Der Hauptausschuss fährt in seiner Argumentation anschliessend folgendermassen fort:

„Dass die männliche Homosexualität als sittlich verwerflich und sogar als kriminelles Unrecht angesehen wird, hindert nicht grundsätzlich die Behand- lung der damit zusammenhängenden Probleme. Auch dem Film kann die Erörterung des Problems nicht schlechthin versagt werden, wobei selbstverständlich die Breitenwirkung des Filmes nicht ausser Betracht gelassen werden darf. Aber Sitte und Recht, dessen besondere Seite es gerade ist, dem Menschen zu zeigen, wie er sein soll, fordern eine Behand- lung, die der im Bewusstsein des deutschen Volkes verankerten Auffassung entspricht.“349

Das bedeute aber, dass der Film die Gefahren der Homosexualitäten deutlich machen und von der Homosexualität eindeutig und unmissverständlich abrücken solle. Von alledem sei im Film nichts zu spüren. Homosexualität trete als sexueller Lebensstil in vielerlei Arten auf, im Film sei die Homosexualität aber „ausschliess- lich in die ästhetizistische Haltung mit der angeblichen Suche nach Wissensüber- mittlung, künstlerischer Neigung und Freundschaft eingebaut“. Hier befindet sich der Hauptausschuss in Widerspruch zu den – ihm übrigens bekannten – Aus- führungen des Arbeitsausschusses, wo das Treiben der homosexuellen Strich- jungen heftig kritisiert worden war. Weiter wird im Hauptausschuss der bereits in erster Instanz gerügte Sachverhalt beanstandet, dass Winkler als ein geistig hoch stehender, künstlerisch interessierter und selbstsicherer Mann mit weitreichenden Beziehungen erscheine, während Vater Teichmann ein Spiesserleben führe. Dass Homosexuelle in WirklichkeitArbeitskopie isoliert seien und der eine den anderen „nicht für ‚voll‘ nähme“, werde hingegen nicht gesagt:

„Homosexuelle Beziehungen sind gerade sehr häufig völlig unverbindliche bleibende Zuneigungen zu wechselnden Partnern. Der Partner spielt nur als mittätiges Vollzugs- oder Erleidensobjekt eine Rolle, während das Entschei- dende der eigene Lustgewinn bleibt.“350

Diese Äusserung ist eine fast identische Wiedergabe jenes Zitates von Bürger- Prinz, dem wir bereits begegneten. Hier lässt sich – wie bereits beim Zurück- greifen der FSK auf den Entscheid des Bundesverfassungsgerichtes – beobach- ten, wie die Legitimation von Marginalisierung und Diskriminierung durch ein gegenseitiges Zurückgreifen diskriminierender Argumentationsmuster hergestellt wird. Anschliessend argumentiert der Hauptausschuss, der Homosexuelle ver- bleibe in der eigenen leiblichen Sphäre; eine Formulierung, die wir wiederum schon bei Gieses Ausführung zu Narzissmus und Homosexualität antrafen. In der Begründung des Hauptausschusses wird weiter die Figur des moralisierenden

85

4512falk.indd 85 19.05.2008 17:11:42 Uhr homosexuellen Rechtsanwaltes kritisiert; bemängelt wird auch der Titel des Films, denn dadurch erscheine Homosexualität als natürliche Veranlagung. Der Begriff des „dritten Geschlechts“ stamme von Magnus Hirschfeld, der bekannt geworden sei „durch die tendenziöse Popularisierung der Homosexualität“.351 Weiter wird die lasche Vernehmung von Achim und das äusserst strenge Verhör von Gerda kritisiert. Beanstandet wird schliesslich auch der Umstand, dass über den wirk- lichen Verbrecher Dr. Winkler kein Gericht tage, während die Mutter Teichmann bestraft werde. Fasse man dies alles zusammen, so könne man sich nur schwer des Gedankens erwehren, dass der Film für die männliche Homosexualität Pro- paganda mache und dass er gegen die Vorschrift des 1§ 75 angehen möchte:

„Ein Film mit solcher Wirkung kann von den Homosexuellen nur begrüsst werden, während alle Bevölkerungskreise, die noch ein Gefühl für Sitte und Recht haben (und das ist der weitaus überwiegende Teil des Volkes), in ihren Empfindungen aufs Schwerste getroffen werden. Diese verletzende Wirkung geht auch aus, wie der Arbeitsausschuss zutreffend dargelegt hat, von dem Verhalten der Mutter Teichmann gegenüber der Haustochter Gerda und deren alsbaldige Hingabe an Klaus, ein Geschehen, das jedes Gefühl für angeborene Scham vermissen lässt. Dem Film diese Wirkung durch irgend- welche Schnitte zu nehmen, hält der Hauptausschuss für unmöglich, da die gesamte plumpe Durchführung des Themas untragbar sei. An dieser Durch- führung vermögen Schnitte, wenn sie vielleicht auch die schlimmsten Ver- gröberungen beseitigen, nichts zu ändern.“352

Doch die Filmverleiher lassen nicht locker. So teilt am 2. Oktober der Rechtsanwalt Horst von Hartlieb der FSK brieflich mit, welche Änderungen am Film unterdessen vorgenommen wurden.353 Der Titel hiesse jetzt „Da wirst du schuldig und du weisst es nicht“. Die Ringkampf- und die Liebesszenen seien gekürzt worden. Die Szene, die Winkler mit ausländischen Freunden zeige und in der über die guten Beziehungen im Ausland undArbeitskopie zur Polizei gesprochen werde, sei ganz gestrichen worden, ebenso jene, in welcher Winkler und der homosexuelle Rechtsanwalt die verschiedenen Arten der Homosexualität erörterten. Neu sei hingegen eine Äusserung des Staats- anwaltes eingefügt worden, in welcher er betone, dass Winkler weiterhin beobachtet werde. Ausserdem zeige nun Onkel Max Manfreds Mutter die Fahrlässigkeit ihres Handelns auf. Der Geheimrat spreche zudem nicht mehr von der Notwendigkeit einer sexuellen Beziehung des Sohnes zu einer Frau, sondern von der echten Liebe zu einer Frau. Und schliesslich werde nun Boris Winkler verhaftet.

„Durch die Verhaftung von Dr. Winkler finden seine Taten ihre Sühne. Staat und Polizei zeigen sich dazu in der Lage, den homosexuellen Verbrecher zu überführen und in Gewahrsam zu nehmen. Dadurch wird jede falsche Gewichtsverlagerung im Hinblick auf die Einstellung des Staates zu den ver- schiedenen in dem Film gezeigten Verbrechen und Vergehen vermieden. Das wird noch unterstrichen durch die Änderung des Verhaltens des Staats- anwalts, der jetzt auch eindeutig auf die Notwendigkeit einer strengen Beob- achtung und weiterer Verfolgung von Dr. Winkler hinweist.“

86

4512falk.indd 86 19.05.2008 17:11:43 Uhr Diese vorgenommenen Kürzungen und Erweiterungen würden so den im Film geschilderten homosexuellen Beziehungen jede attraktive Wirkung nehmen:

„Es liegt schon in der Natur der Sache, dass homosexuelle Beziehungen, die im Film geschildert werden, bei dem Durchschnittsbesucher keine Sympathie erwecken. Das wird nunmehr verstärkt eintreten, nachdem alle Szenen, wel- che positive Eindrücke über die Homosexualität vielleicht hätten vermitteln können, beseitigt worden sind.“

Da Homosexualität und Kuppelei auch in Zeitungsberichten, Romanen und Fort- setzungsserien aufgerollt würden, müsse man sie auch im Film zeigen dürfen, hält der Rechtsanwalt fest. Der in veränderter Fassung eingereichte Film wird am 9. Oktober vom Arbeitsausschuss erneut geprüft. Im Protokoll wird vermerkt, ein Mitglied habe die im Film zum Ausdruck gebrachte Gleichsetzung der Vorliebe für abstrakte Kunst mit homosexuellen Neigungen beanstandet: „Auch im dritten Reich habe es schon die Formulierung der ‚homosexuellen Afterkunst‘ gegeben.“354 Dieser Auffassung habe aber ein anderes Mitglied widersprochen:

„Die Auslegung, er [Klaus] male gegenständlicher, nachdem er seine Liebe zu Gerda entdeckt habe, gehe aus dem Film nicht zwingend hervor. Der von Klaus gezeichnete Mädchenkopf, den der Freund entdeckt, sei ein dramatur- gisches Mittel, die Liebe von Klaus zu dem Mädchen zu verdeutlichen.“355

In der offiziellen Begründung heisst es:

„Erzieherisch bedenklich sei ferner die Gleichsetzung von abstrakter (!) Kunst, elektronischer Musik und Homosexualität einerseits, während auf der anderen Seite die 90% ausmachende ‚Mittelschicht‘ nur aus verständnislosen Spiessbürgern zu bestehenArbeitskopie scheine.“356 Dennoch gibt der Arbeitsausschuss den Film ab 18 Jahren – und unter der Auflage, dass die Liebesszene noch stärker gekürzt werde – frei. Der Arbeitsausschuss sei zur Überzeugung gelangt, „dass der Film ein Problem behandle, das in dieser Form eher junge Menschen über 18 Jahre angehe, ein Problem, das überhaupt in erster Linie von den Eltern zu lösen sei.“357 Das Problem der Homosexualität solle in dieser Ein- dringlichkeit Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren nicht näher gebracht werden:

„Gerade durch Bewusstmachung bei den Jugendlichen vermindere sich die Heilungsmöglichkeit seitens einsichtiger Erwachsener. Es sei ferner erzie- herisch gefährlich, zusammen mit dem Problem die Heilungsmöglichkeit des Vorgriffes auf die geschlechtliche Vereinigung und durch sie sich ent- zündende Liebe anzudeuten.“358

Da der Film erst ab 18 Jahren freigegeben werde, brauche sich der Arbeitsausschuss daher nicht „mit einzelnen Szenen zu befassen, von denen mehrere für Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren sehr bedenklich erschienen.“

87

4512falk.indd 87 19.05.2008 17:11:43 Uhr Diese Freigabe der FSK wird allerdings Protestschreiben provozieren. Das „International Committee for Sexual Equality“359 verfasst am 12. November 1957 einen Brief an die FSK, um gegen die „herabziehende, grob verallgemeinernde und entstellende Tendenz“ des Films „Anders als du und ich“ zu protestieren:

„Wir erachten es ausserdem für sehr bedenklich, in welcher Weise der Mann die Regie eines Filmes über das Problem der Homosexualität ausübte, der während des Dritten Reiches sich an einem ebenso verwerflichen Pauschal- urteil über die Juden mitschuldig gemacht hat, wie es hier über die Homo- sexuellen geschieht.“ 360

Die Antwort folgt nach zehn Tagen und fällt knapp aus:

„Für die deutsche Film-Kontrolle bestand jedenfalls nach ihren Prüfungs- kriterien kein Anlass, diesem Film die Berechtigung zur öffentlichen Vor- führung zu versagen.“361

Im Dezember treffen bei der FSK zahlreiche Protestschreiben von verschiedenen Künstler-Gruppierungen ein. Sie kritisieren in ihren Schreiben die im Film ver- tretene Diffamierung der abstrakten Kunst und ihre Gleichsetzung mit Homo- sexualität. Auf diese Protestbriefe reagiert die FKS am 20. Dezember 1957 mit folgender Erklärung:

„Das in Ihrem Protestschreiben angezogene Motiv ‚Homosexualität – abs- trakte Malerei‘ wird zwar in diesem Film am Rande behandelt, doch glauben wir nicht, dass es dem Filmbesucher in so gravierender Weise veranschaulicht wird, dass er, aus diesem Film entlassen, nun moderne Malerei und Homo- sexualität als gegebene Faktoren miteinander identifiziert.“362 „Anders als duArbeitskopie und ich“ kann also in Deutschland weiterhin aufgeführt werden; in welchen deutschen Städten der Film aufgrund von Unruhen dennoch verboten wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Dies müsste in den entsprechenden Stadt- und Staatsarchiven wohl einzeln recherchiert werden. So bleibt hier abschliessend fest- zuhalten, dass Harlans Film „Jud Süss“ wie auch die Thematik des Antisemitismus im allgemeinen für die FSK zu diesem Zeitpunkt offensichtlich kein Diskussions- thema darstellt. War dies bei früher geprüften Harlan-Filmen der Nachkriegszeit auch der Fall? Auch dieser Frage müsste anhand der bei der FSK gelagerten Unter- lagen zu anderen Harlan-Filmen nachgegangen werden, was ich im Rahmen dieser Arbeit nicht leisten konnte.

6.4. „Das Dritte Geschlecht“ kommt nach Basel

Auf Geheiss der Polizei trifft sich am 3. November 1961 im Cinéma Corso die milizmässig zusammengesetzte Basler Filmkommission zur Visionierung des Films „Das Dritte Geschlecht“.363 Nach der Aufführung wird im Restaurant „Milchhüsli“

88

4512falk.indd 88 19.05.2008 17:11:44 Uhr der Film diskutiert.364 Vor der Behandlung des Filmthemas weist der Vorsitzende und Polizeihauptmann Flisch auf Harlans Film „Jud Süss“ hin, „der nachgewiese- nermassen der Judenverfolgung im Dritten Reich Vorschub geleistet habe.“ Des- halb habe der Schweizerische Lichtspieltheaterverband seinen Mitgliedern emp- fohlen, den Film „Das Dritte Geschlecht“ nicht ins Programm aufzunehmen. Auch der Bundesrat habe sich, ohne aber ein Verbot auszusprechen, in ähnlichem Sinne geäussert. Flisch weist weiter darauf hin, dass der Film in Zürich aufgrund von Demonstrationen aus sicherheits- und ordnungspolitischen Gründen verboten wurde. Nun bekunden die Kommissionsmitglieder der Reihe nach ihr Urteil über den Film.365 Der erste Redner bezeichnet den Film als guten Streifen. Das darin behandelte Thema werde auf natürliche und distanzierte Art wiedergeben; der Filminhalt würde deshalb keine einschränkende Massnahme rechtfertigen.

„Was die andere Frage von Massnahmen inbezug des Regisseurs anbetreffe, darüber müsse das Polizeidepartement in eigener Auffassung entscheiden.“

Anschliessend äussert sich ein „Fräulein“, das den Film im Grossen und Ganzen als gutes Erzeugnis beurteilt; die Homosexualität komme aber nach ihrem Dafürhal- ten im Film etwas zu gut weg.

„Ob der Film auf Grund der Vergangenheit seines Regisseurs Anlass zu Aus- schreitungen geben könnte, vermag die Sprecherin nicht zu beurteilen.“

Ein weiteres „Fräulein“, das im Film einen Beitrag zur Warnung an Eltern und Erzie- her sieht, „der Frage der Verführung durch homosexuelle Elemente alle Aufmerksam- keit zu schenken“, ist sich nicht sicher, „ob der Film von der heranwachsenden Jugend verstanden würde.“ Zur „sicherheitspolitischen Frage“ nimmt sie, so das Protokoll, nicht Stellung. Ein „Herr Doktor“366, der den Streifen als gutes Produkt bezeichnet – die HomosexualitätArbeitskopie komme darin schlecht weg – glaubt die Frage verneinen zu können, dass der Film beziehungsweise die Person des Regisseurs hier Anlass zu Demonstrationen bieten werde: „vermutlich sei auch der Name Harlan inzwischen in Vergessenheit geraten.“ Allerdings erachte er es als möglich, „dass linksgerichtete Elemente die Gelegenheit wahrnehmen könnten. Deswegen den Film zu verbieten, sei nicht am Platz.“ Auch der nächste sich äussernde Herr hält fest, dass die Homo- sexualität schlecht wegkomme und betont, dass „von Sympathie zu dieser Bewegung“ nirgends gesprochen werden könne. Inhaltlich sei der Film also vollständig in Ord- nung. „Heute ein Filmverbot zu beantragen, wäre rechtlich fehl am Platz.“ Falls es jedoch zu Störungen von Ruhe und Ordnung käme, wäre es Pflicht und Aufgabe der Polizei, diese wieder herzustellen. Der folgende Redner unterstützt die Ausführungen des Vorredners. Auch der Pfarrer bezeichnet den Film als gut und ist von seinem Inhalt positiv überrascht. „Im übrigen komme die Homosexualität darin schlecht weg.“ Ein vorsorgliches Filmverbot komme auch nach seinem Dafürhalten nicht in Frage. Als letztes Kommissionsmitglied meldet sich schliesslich eine „Frau Doktor“ zu Wort. Sie bewertet den Film inhaltlich als gut; die Dialoge seien ansprechend und keinesfalls aufdringlich. Ohne Mängel sei der Film aber trotzdem nicht.

89

4512falk.indd 89 19.05.2008 17:11:44 Uhr „Zur Person des Regisseurs sieht sie in der Aufführung seines Filmes ein-en [sic] Affront gegen das Judentum. Wohl könne der Film materiell gesehen nicht verboten werden. Das Polizeidepartement sollte jedoch der andern Frage die nötige Beachtung schenken. Nötigenfalls könnte die israelitische Gemeinschaft beim Departement vorstellig werden und auf ein Verbot drän- gen. Sicher wäre sie dazu berechtigt.“

Nachdem alle Kommissionsmitglieder ihre Meinung geäussert haben, stellt Haupt- mann Flisch zusammenfassend fest, dass der Filminhalt von niemandem bemän- gelt worden sei; dieser Stellungsnahme könne er sich ohne weiteres anschliessen. Einen ganz anderen Aspekt erhalte das Ganze aber mit der Person des Regisseurs:

„Entsprechende Reaktionen seien verständlich und auch bei uns möglich. Wenn es auch wünschbar wäre, den Film von der öffentlichen Vorführung fernzuhalten, bestünden im Moment keine stichhaltigen Gründe zu einem Verbot. Nach dem Anlaufen des Filmes werde es sich zeigen, wie die Öffent- lichkeit auf den Namen Harlan reagieren werde und wie von der Seite der Polizei weitere Massnahmen zu treffen seien. Vorbehältlich der Zustimmung des Herrn Departementsvorstehers werde der Film zur öffentlichen Vorfüh- rung freigegeben.“

Als „Das Dritte Geschlecht“ im Cinéma Corso anläuft, reagiert die Israeliti- sche Gemeinde Basel unverzüglich. Per Expressbrief wird der Kinobesitzer am 12. November 1961 aufgefordert, „Das Dritte Geschlecht“ abzusetzen.367 Es sei ihnen kaum vorstellbar, dass sich heute jemand hergebe, einen Film von jenem Regisseur zu zeigen, der mitgeholfen habe, den Grundstein dazu zu legen, dass 6 Millionen Juden in Europa vernichtet wurden. Die Aufführung dieses Veit-Har- lan-Films werde nicht nur bei den Gemeindemitgliedern, sondern auch bei einem weiteren Publikum Reaktionen hervorrufen, die letztlich auch dem Kinobesitzer nicht gleichgültigArbeitskopie sein dürften: „Wir gestatten uns daher, an Sie die höfliche Aufforderung zu richten, diesen Film nicht seines Inhaltes sondern seines Regisseurs wegen sofort vom Pro- gramm absetzen zu wollen, da wir eine Aufführung von Filmen von Veit Harlan als eine Entehrung der Menschenwürde erachten.“

Eine Kopie dieses Briefes sendet die Israelitische Gemeinde mit einem Begleit- schreiben an den für das Polizeidepartement zuständigen Regierungsrat.368 Setze der Kinobesitzer nicht freiwillig den Film sofort vom Programm ab, wäre die Israe- litische Gemeinde für ein regierungsrätliches Verbot zu ausserordentlichem Dank verpflichtet. Am folgenden Tag ergibt eine telefonische Abklärung des Polizeiwach- mannes Fries allerdings, dass der Kinobesitzer aufgrund von „verdoppelten Ein- nahmen“ den Film nicht aus dem Programm nehmen will.369 Den zwei Vertretern der Israelitischen Gemeinde, die am 14. November in dieser Angelegenheit vor- sprechen, teilt Hauptmann Flisch mit, er zweifle, ob der Ruf des Regisseurs genüge, um ein von der Polizei verfügtes Verbot richterlich zu schützen.370 Ein Verbot aber,

90

4512falk.indd 90 19.05.2008 17:11:44 Uhr das nicht durch alle Instanzen gehalten werden könnte, würde dem Film nur einen propagandistischen Auftrieb verleihen. Mit dieser Auskunft können sich die Ver- treter der Israelitischen Gemeinde nicht zufrieden erklären:

„Sie wiesen noch darauf hin, dass es nicht ausgeschlossen sei, da s [sic] die israelitische Jugend sich auf die Strasse begebe um gegen die weitere Vor- führung des Filmes zu protestieren.“371

Vier Tage später setzen die ersten öffentlichen Demonstrationen gegen „Das Dritte Geschlecht“ ein, die schliesslich – wie wir bereits wissen – am 22. November den Kinobesitzer zur Absetzung des Films veranlassen. Damit allerdings wird sich der Filmverleiher nicht abfinden. Am2 3. November schickt er der Redaktion der Basler National-Zeitung eine Entgegnung auf Burk- hardts Artikel „Ein überflüssiger Film und ein notwendiger Protest“, in welchem Burkhardt unter anderem das Verschweigen des Regisseurs im Vorspann des Films scharf kritisiert hatte: „Herr Burkhardt“, beginnt die Entgegnung, „wenn Sie sich bei der Beurteilung des Films ‚Das Dritte Geschlecht‘ damit begnügen zu sagen, Ihre Berliner Mit- arbeiterin habe diesen Film vor einigen Monaten eingehend gewürdigt. Seine Qua- litäten seien so gering, dass sich eine nochmalige Besprechung erübrige und kein Grund bestehe, ihn in der Schweiz zu zeigen, so hört sich dies an wie ein billiger Witz, dem jegliche Pointe fehlt. Dass gerade Sie das Urteil einer Berliner Mitarbei- terin – einer Frau – als genügend erachten um den Film samt und sonders abzu- lehnen, ist mehr als merkwürdig. Sie haben wohlweislich unterlassen zu sagen, in welchem Berlin die Mitarbeiterin beheimatet und mit welcher Farbe ihre Brille lackiert ist, durch welche sie den Film betrachtet hat.“372 Der Filmverleiher zeigt sich empört darüber, dass Burkhardt sich auf das Urteil einer Frau verlässt. Diese antifeministische Äusserung wird zudem mit einer anti- kommunistischen Argumentation verschränkt. Weiter weist der Filmverleiher auf Harlans NotstandsituationArbeitskopie und auf die damals fehlenden Schweizer Proteste hin: „da waren noch viele andere tapfere Eidgenossen und andere Genossen mäuschen- stille aus Angst sie könnten ihren Brotkorb verlieren oder einestags [sic] sogar an einem Galgen hängen.“ Die National-Zeitung habe damals „einen sauberen Kampf gegen die Nazis geführt“, worüber er sich oft gefreut hätte:

„Ich hoffe, dass Sie als Mitarbeiter dieser Tageszeitung, der Tradition treu bleiben und zu den gestellten Fragen wahrheitsgetreu Stellung nehmen – was Sie ja der Leserschaft schuldig sind. Oder wollen Sie mithelfen die Wahrheit zu verschleiern, wie dies in Zürich, Stätte der bezahlten Strichjungen und der Halbstarken geschehen ist?“

Der Filmverleiher betont hier, dass sein Unmut gegenüber den Nationalsozialis- ten schon während des Tausendjährigen Reiches bestanden hätte. Mittels dieser Argumentation soll eine Verständigungsbasis geschaffen werden, wird doch die National-Zeitung in dieser Hinsicht gelobt und so die Loyalität ihres Mitarbeiters eingefordert. Gleichzeitig werden die Zürcher Protestierenden in die Nähe von

91

4512falk.indd 91 19.05.2008 17:11:45 Uhr bezahlten Strichjungen und Halbstarken gerückt. Burkhardts „verantwortungslose Aufwühlerei“ könne für diesen nachteilige Folgen zeigen, fährt der Filmverleiher fort, wenn im Kino Corso in Basel etwas passieren sollte. Schliesslich endet die Entgegnung mit folgender Bemerkung:

„Allfällige Bedenken wegen Verletzungen semitischer Kreise brauchen Sie nicht zu hegen, weil dieser Film in jüdischen Theatern in Paris und New York seit längerer Zeit mit allerbestem Erfolg vorgeführt wird, worüber Sie sich bestenfalls selbst orientieren wollen. Dort gibt es anscheinend keine Burk- hardt’s, die sich heute noch um Nazis kümmern.“

Wie wir gleich sehen, wird auch der Anwalt des Filmverleihers auf das Argumen- tationsmuster, dass der Film in jüdischen Kinos gezeigt werde, zurückgreifen. Am 25. November meldet sich der Anwalt des Filmverleihers, Dr. Amberg, schriftlich beim Regierungs- und Nationalrat Brechtbühl:

„Obwohl wir ermächtigt wären, vom Kino Corso sofort die weitere Erfüllung des Vertrages zu verlangen, wonach der Film weiterhin gezeigt werden muss, glauben wir, es sei auch Ihnen angenehmer, wenn wir unsere Vollmacht in dieser Angelegenheit so verwenden, dass künftige Demonstrationen bei Wiederaufführung dieses Filmes zum voraus vermieden werden können. In diesem Sinne glauben wir, richtig zu handeln, wenn wir vorläufig für14 Tage keine Aufführungen gestatten. Während dieser Zeit sollte es möglich sein, durch direkten Kontakt die heutigen Gegner zu überzeugen, dass ihre Oppo- sition nicht gerechtfertigt war. Zudem möchten wir Ihre kostbare Zeit auch nicht zu stark in Anspruch nehmen, da auch Sie einige Zeit benötigen, um Ihren einzig richtigen Standpunkt, dass keine Verbotsgründe vorliegen, den Demonstranten zu erläutern.“373 Hier zeigt sichArbeitskopie die Absicht, durch Zeitgewinn eine Beruhigung der Situation zu erreichen; zudem wird auch direkt auf den Regierungsrat Druck ausgeübt. Da noch kein Aufführungsverbot bestünde, würden sie auf Ausführungen rechtlicher Art, „welche in einem Rekurs erhoben würden“, verzichten, fährt der Anwalt fort. Amberg stellt weiter fest, „dass im Grunde genommen niemand gegen den Film als solchen protestiere, sondern nur gegen den Umstand, dass Herr Prof. Veit Har- lan, zur Zeit wohnhaft in Starnberg am See, Bayern, seinerzeit den Film ‚Jud Süss‘ gedreht haben soll.“ Es war Goebbels gewesen, der Harlan den Professoren-Titel verliehen hatte. Es erstaunt deshalb, wie Amberg immer wieder auf diese Bezeich- nung zurückgreift und auch Goebbels mit seinem Doktortitel nennt. Weiter führt der Anwalt aus, dass von den jugendlichen Demonstranten garan- tiert niemand den Film „Jud Süss“ gesehen habe. In der Schweiz sei der Film gemäss einer Behauptung in Basel im früheren Palace und in Zürich in geschlosse- ner Vorführung gezeigt worden, „zu welcher nur Inhaber der braunen Parteikarte zutritt hatten.“ Es sei deshalb in der Schweiz niemand mehr aufzufinden, „welcher diesen Film im Original sah, es sei denn jemand, welcher während des Krieges über [sic] die besten Beziehungen mit den damaligen Grössen des Dritten Reiches

92

4512falk.indd 92 19.05.2008 17:11:45 Uhr gehabt hätte.“ Dass die jungen Demonstranten „Jud Süss“ nicht gesehen haben können, würde ihnen also, argumentiert der Anwalt, die Legitimation des Pro- tests entziehen. Zugleich werden erwachsene Demonstranten als potenzielle Ex- Faschisten gezeigt. Der Anwalt betont, weder Prof. Veit Harlan noch seine Ehefrau seien ihnen persönlich bekannt, ihre Kenntnisse hätten sie nur amtlichen Akten entnommen. Amberg fährt folgendermassen fort:

„Nach unserem Erinnerungsvermögen waren einmal alle sog. guten Deut- schen Nazi, die Einfältigeren aus Überzeugung und die anderen aus reiner Zweckmässigkeit.“

Durch ein Zurückgreifen auf eine Kollektivschuld der gesamten deutschen Bevöl- kerung soll Harlans Schuld relativiert werden. Auch wird Harlans Freispruch durch das Hamburger Schwurgericht aufgeführt:

„Entweder glaubt man, dass das Hamburger-Gericht objektiv ein Urteil fällte, und dann verzichtet man darauf, über Herrn Harlan herzufallen, nur dass etwas läuft im Laden. Im andern Fall wäre es von den Demonstranten ehr- licher gewesen, klipp und klar zu erläutern, die Hamburger-Richter hätten unehrlich geurteilt. In diesem Falle dürfte auf Klage hin das Basler Strafge- richt beurteilen, ob ihre Hamburger-Kollegen ihre Sache richtig gemacht haben und in bejahendem Falle hätten sie eine Strafe wegen Verleumdung und übler Nachrede auszusprechen. Eine bessere Reklame für die Veit-Har- lanfilme hätte es wahrscheinlich kaum gegeben.“

Amberg weist hier auf mögliche rechtliche Massnahmen hin und führt auf diese Weise seine Strategie der impliziten Drohung weiter. Dann beruft sich der Anwalt auf einen Artikel aus der katholischen Filmzeitschrift „Der Filmberater“ von 1959: Arbeitskopie „Redaktor war bis zu seiner Erkrankung Herr Dr. Charles Reinert, geistlichen Standes und Jesuit. Obwohl Sie und ich nicht der Partei angehören, welche auf die Jesuiten hört374, so müssen wir als erwachsene Männer doch zugeben, dass die Jesuiten zu den Geschultesten und Intelligentesten gehören, denen man sicher nichts vormachen kann.“

Zudem sei Herr Dr. Charles Reinert einer der sieben Zensoren des Heiligen Stuh- les, fährt der Anwalt in seiner Argumentation fort:

„Wenn deshalb der Jesuit Charles Reinert auf Grund von seinen Unter- suchungen zur Auffassung kommt, dass Herr Prof. Veit Harlan nie ein Nazi war und dass die Fassung des Filmes ‚Jud Süss‘, wie sie schliesslich zur Vor- führung gelangte, gar nicht ein Film von Veit Harlan war, so wäre es von uns Beiden sicher nicht angebracht, selber noch untersuchen zu wollen, ob der Hamburger-Freispruch richtig war oder nicht. Wir stellen uns auf den Stand- punkt, dass wenn die Jesuiten etwas untersuchen, sie dies richtig machen.“

93

4512falk.indd 93 19.05.2008 17:11:45 Uhr Die Führer der Jungkatholiken, fährt der Anwalt seinen Druckversuch fort, dürf- ten erstaunt sein vernehmen zu müssen, wie die Vertreter des Vatikans Herrn Prof. Veit Harlan seit langer Zeit in Schutz nehmen:

„Es hätte einem politisch geschulten Katholikenführer nicht passieren sollen, dass er gar nicht weiss, welche Stellungsnahme die Jesuiten einnehmen. Wir hoffen nur, dieser Lapsus werde ihm in seiner politischen Laufbahn nicht schaden.“

Schwieriger werde es sein, die jüdischen Jugendorganisationen zu überzeugen, dass sie „am falschen Objekt demonstrieren“. Elia Werczberger sei ihnen nicht bekannt, doch dem Vernehmen nach soll es sich um den Sohn eines Orthodoxen handeln. Was mit dieser Aussage bezweckt wird, führt Amberg nicht explizit aus, doch soll wohl auch mit diesem Verweis auf die „Orthodoxen“ die Legitimation des Protestes in Frage gestellt werden. Zum gleichen Zwecke wird auf einen jüdischen Freund aus Strassburg verwiesen, der diese Demonstrationen als Blödsinn bezeichnet haben soll:

„Ziemlich sicher hat die jüdische Bevölkerung in Strassburg bedeutend mehr gelitten als die Juden in Basel, so lange das Tausendjährige Reich bestand. Trotzdem lief dieser Film unangefochten. Es wurde uns sogar von jüdischer und christlicher Seite empfohlen, rücksichtslos bekannt zu geben, wieviele Juden an diesem Filme Geld verdienten.“

Wenn also die Strassburger Juden nichts gegen die Vorführungen einzuwenden hätten, welche wie die deutschen, englischen oder amerikanischen Juden wegen den Nazi unvergleichlich mehr erleiden mussten als „unsere Mitbürger jüdischer Konfession“, dann wäre es auch in Basel angängig, so Amberg, „das durch nichts begründete Kesseltreiben gegen Herrn Prof. Harlan schleunigst abzubrechen.“ Ausserdem sei bekannt, dass die Erstaufführung des Films „Das Dritte Geschlecht“ in Paris in KinosArbeitskopie stattgefunden habe, welche einer Französin jüdischer Konfession gehörten. Und die Verleihrechte des Films für das ganze Gebiet der USA hätte ein naturalisierter Amerikanerjude deutscher Abstammung übernommen. Da die Juden bekanntlich unter sich ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl hätten, so Amberg, sei es sicher so, dass dieser Herr den Film „zunächst seinen Glaubensge- nossen anbot und nur dort, wo gerade keine jüdischen Kinobesitzer zu seinen Kli- enten zählten, den Film auch nichtjüdischen Theatern in Verleih gab“. Wegen der Internationalität des Filmwesens gäbe es, fährt der Anwalt fort, „überhaupt keine Filme, auch keine deutschen, wo nicht in irgendeiner Form Kapital durch die Tätig- keit der jüdischen Berufsgenossen beteiligt ist.“ Amberg legt für diese Behauptung keine Beweise vor; dies zeigt, wie selbstverständlich sie ihm erscheint. Dass die Juden das internationale Filmwesen vollständig kontrollierten, war in der antisemitischen Propaganda ein sehr oft aufgeführter Topos.375 Der diskriminie- rende Charakter solcher Aussagen liegt nicht in der halben Lüge oder halben Wahr- heit – selbstverständlich gab es jüdische Filmproduzenten und -Verleiher – sondern in der emotionalen Geladenheit, die sich beispielsweise in der Meinung äussert, dass sich Juden in erster Linie Juden loyal verpflichtet fühlten und deshalb auch nur mit

94

4512falk.indd 94 19.05.2008 17:11:46 Uhr Juden Geschäfte treiben wollten, wodurch sie im Stande wären, mit ihren interna- tionalen Verbindungen das ganze Filmwesen zu kontrollieren. Solche Sichtweisen führen dazu, dass Überlappungen in den Merkmalsausprägungen bei Mitgliedern der Eigen- und der Fremdgruppe nicht wahrgenommen werden.376 Sie zeichnen sich weiter dadurch aus, dass sie unabhängig von der eigenen Erfahrung und deshalb auch kaum falsifizierbar sind. Widerspricht die Erfahrung einer diskriminierenden Vorstellung, dann wird dies als Ausnahme begriffen. Dies zeigt sich beispielsweise in der vom Anwalt geäusserten Annahme, Juden würden andere Juden immer bevorzugt behandeln und mit Christen nur dann Geschäfte schliessen, wenn sich keine jüdischen Vertragspartner einfänden. So äussert der Anwalt, obwohl er dafür keine Beweise vorlegen kann, die bereits bekannte Vermutung, es sei sicher so, dass dieser Herr den Film „zunächst seinen Glaubensgenossen anbot“. In dieser Denk­ logik könnten noch so viele Geschäftsverbindungen zwischen „Christen und Juden“ bemerkt werden, immer würden sie als Ausnahmen dargestellt. Solche Sichtweisen weisen eine hohe Resistenz gegen Kritik auf. Damit unterscheiden sie sich von Ver- allgemeinerungen und von jenen Vorurteilen, welche die Wahrnehmung lenken und dadurch das Vorverständnis strukturieren, gleichzeitig jedoch revidierbar bleiben. Auch Rückgriffe auf jüdische Selbstbezichtigungen nahmen als Beweisver- fahren in der antisemitischen Propaganda einen hohen Stellenwert ein.377 Und der Hinweis auf jüdische Freunde sollte jeweils dafür bürgen, dass man selbst frei von antisemitischen Vorstellungen sei. Über die Homosexuellen möchte sich der Anwalt hingegen nicht in eigener Person äussern:

„Ob die Vermutung auf Seite 5 der Beilage 5, dass homosexuelle Kreise in Zürich Drahtzieher der Unruhen waren, können wir nicht beurteilen [sic]. Auf jeden Fall kommen im Film die Homosexuellen gar nicht gut weg.“

Diese Beilage 5 war das Schreiben jenes Anwaltes, der 1960 den gleichen Film- verleiher gegenüber dem Stadtrat von Zürich vertreten hatte, um gegen das Film- verbot von 1959 zu rekurrieren.Arbeitskopie Darin wird argumentiert, dass ein Filmverbot ein schlechtes Beispiel abgeben würde. Denn wenn zu gegebener Zeit ein anderer Film mit antihomosexuellen Themen zur Vorführung gelangen „und durch ein Aufgebot von Strichjungen etc. Demonstrationen vor dem fraglichen Kino erfolgen wür- den“, hätte dies als Resultat, „dass in Verbeugung vor den Störenfrieden in kurzen Hosen ein Aufführungsverbot erlassen würde.“378 In der Anlage befindet sich auch der bereits genannte Artikel aus dem Filmberater. Verfasst hatte ihn Dr. Charles Reinert. Reinert hatte als Leiter des Filmbüros des Schweizerischen Katholischen Volksvereins 1941 dieses katholische Publikationsorgan begründet.379 Auch war er Konsultor der päpstlichen Filmkommission. In seinem Artikel mit dem Titel „War und ist Veit Harlan Antisemit?“, der im Mai 1959 publiziert wurde, stellte Reinert als erstes fest, dass er Harlan nicht persönlich kenne:

„Es liegt uns absolut fern, uns in eine Kontroverse einzulassen. Wir kennen Veit Harlan persönlich nicht, wir haben ihn nie gesehen, nie mit ihm korres- pondiert oder telephoniert; es geht uns hier tatsächlich nicht um eine Person, sondern um eine Sache.“

95

4512falk.indd 95 19.05.2008 17:11:46 Uhr Allerdings kannte Reinert wohl dessen Ehefrau Kristina Söderbaum, die zu dieser Zeit in der katholischen Kirche einen Halt entdeckte.380 Am 22. Mai 1959 bedankt sich Söderbaum schriftlich bei Charles Reinert für den Artikel aus dem Filmbera- ter. Sie schreibt:

„Dankbar denke ich an den interessanten Nachmittag in der Grünwalder Sportschule zurück.“381

Ob dieses Treffen vor dem Verfassen des Artikels stattfand, scheint aus zeitlichen Gründen plausibel, kann aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden.382 Veit Har- lan selbst wird sich, wie wir bald sehen werden, bei Charles Reinert für dessen Artikel bedanken. Bevor Reinert seine Argumentation im Filmberater darlegt, möchte er klarstellen, dass man ihn nicht des Antisemitismus zeihen soll:

„Jede Verfolgung von Menschen, nur weil sie einer Rasse, einer Religion angehören oder eine bestimmte Hautfarbe tragen, ist uns im tiefsten Herzen zuwider. Judenverfolgung des Nationalsozialismus im besondern erachten wir als verabscheuungswürdig und verbrecherisch.“

Reinert hält weiter fest, dass er nachfolgende Tatsachen über Veit Harlan einem Bericht eines angesehenen Zürcher Rechtsanwaltes entnehme, welcher die diesbe- züglichen Gerichtsakten des Hamburger Landgerichtes verwertet habe. Folgende Tatsachen, schreibt Reinert, stünden unumstösslich fest. Erstens sei Harlan seiner Lebtage nie Nazi gewesen:

„Er war nie Mitglied der NSDAP oder irgend einer Neben- oder Untergruppe davon, sondern politisch ein gänzlich desinteressierter, einseitig künstlerisch orientierter Mann.“ Reinert übernimmtArbeitskopie also kritiklos Harlans eigene Verteidigungsstrategie des unpo- litischen Künstlers, der für die politische Wirkung seiner Werke nicht verantwort- lich gemacht werden kann. Anschliessend werden jüdische Freunde von Harlan aufgeführt; auch das ist eine klassische Verteidigungsstrategie gegenüber Vorwür- fen des Antisemitismus. Harlan habe in vielen Fällen Juden auch aktiv geholfen; das Urteil nenne eine Menge von Einzelfällen und Zeugen. Auch wird betont, dass Harlan in erster Ehe mit einer Jüdin, Dora Gerson, verheiratet war. Diese Schau- spielerin hatte während des Krieges versucht, mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in die Schweiz zu gelangen, sie kam da aber nie an. In Frankreich wurde die Familie kurz vor der Grenze verhaftet und in ein Internierungslager gesperrt. Von dort erfolgte die Deportation in das besetzte Polen. 1943 wurde die Familie in Auschwitz ermordet. Frank Noack schreibt dazu:

„Sie [Dora Gerson] soll sich nach ihrer Internierung in Frankreich noch einmal hilfesuchend an Harlan gewandt haben, allerdings sind hierüber nur ungenaue mündliche Aussagen überliefert.“383

96

4512falk.indd 96 19.05.2008 17:11:46 Uhr Schliesslich wird in einem dritten und letzten Punkt festgehalten, dass Harlan nur mit Widerwillen den Film „Jud Süss“ drehte. Ausserdem sei der Film von Goebbels neu bearbeitet worden, „sodass die Fassung, die schliesslich zur Vor- führung gelangte, gar nicht der Film von Veit Harlan ist.“ Diese Argumentation des Jesuitenpaters wird von Benjamin Sagalowitz, dem Pressechef der Jüdischen Nachrichten, nicht akzeptiert. In seiner ausführlichen Entgegnung, die Sagalowitz im Filmberater veröffent- lichen möchte, schreibt er unter anderem, es werde Harlan gar nicht vorgeworfen, „dass er ein Nazi war oder der NSDAP angehört hat, sondern vielmehr, dass er sich aus eigennützigen Motiven den Machthabern des ‚Dritten Reiches‘ zur Verfügung gestellt und ihnen im Film ‚Jud Süss‘ bewusst ein Instrument zur Judenverfolgung geliefert hat.“384 Auch das Hamburger Schwurgericht habe in seinem freisprechen- den Urteil vom 23. April 1949 festgestellt, dass Harlan kein überzeugter National- sozialist und Antisemit gewesen sei, aber aus Gründen der Zweckmässigkeit Wert darauf gelegt habe, mit der Partei gut zu stehen und als ein Anhänger der neuen Machthaber zu erscheinen. Die Fragestellung „War und ist Veit Harlan Antisemit?“ treffe deshalb nicht den Kern der Sache. Im gleichen Urteil werde ausserdem fest- gestellt, dass Harlan zunächst versuchte, den ihm von Goebbels erteilten Auftrag abzulehnen, wobei er die plumpe Form des Drehbuchs beanstandet habe. Goebbels hätte dem beigepflichtet und Harlan die Aufgabe erteilt, das Drehbuch nach eige- ner Auffassung umzugestalten. Das Schwurgericht sei zum Ergebnis gekommen, der eigentliche Filmurheber sei Goebbels gewesen, im Vordergrund seiner Helfer sei aber Harlan als Mitautor des Drehbuchs und Spielleiter gestanden:

„Der endgültige Text des Filmes ‚Jud Süss‘ stamme im wesentlichen, mit Ausnahme einiger Goebbel’scher Änderungen, besonders der Schlusszene, von Harlan. Dieser habe ‚Inhalt und Form‘ des Hetzfilms entscheidend mit- bestimmt und ihm durch seine Kunst zum erfolgreichen An- und Ablauf im Sinne der JudenverfolgungArbeitskopie verholfen.“385 Sagalowitz führt aus, das Hamburger Schwurgericht habe Harlans Freispruch schliesslich damit begründet, dass die Schutzbehauptung Harlans, er habe im Not- stand gehandelt, nicht widerlegt werden könne. Doch selbst wenn Veit Harlan strafrechtlich nicht fassbar sei, wäre er von der sittlichen Verantwortung noch keineswegs befreit. Charles Reinert weigert sich jedoch, die Entgegnung von Saga- lowitz im Filmberater zu veröffentlichen:

„Ich muss Sie leider enttäuschen; denn es ist in keiner Weise meine Absicht, mich noch länger mit dem Fall Veit Harlan abzugeben und eine Entgegnung auf einen Artikel, den ich heute noch als recht und stichhaltig anerkenne, erscheinen zu lassen.“386

Harlan selbst bedankt sich herzlich beim Jesuitenpater für dessen Artikel. In seinem Dankesbrief vom 21. Mai 1959 ist zu lesen, eine so klare und unmissverständliche Äusserung habe in der Öffentlichkeit bisher noch niemand geschrieben:

97

4512falk.indd 97 19.05.2008 17:11:46 Uhr „es sei denn gleich nach dem Prozesse, wo nach Bekanntwerden des Urteils natürlich alle vernünftigen Leute glaubten, dass es mit dem Kampf gegen mich endgültig vorbei sei.“387

Er hoffe sehr, dass die von Reinert getane Äusserung dort Eingang fände, „wo in der Schweiz vom Staat her eine Änderung der Haltung gegen mich empfohlen wer- den könnte.“ Harlan beklagt sich darüber, dass auch in der Schweiz Zeitungen in beleidigendster Form Verleumdungen über ihn verbreitet hätten.

„In Deutschland habe ich die Erfahrung gemacht, dass jeder Journalist und jeder Kollege, der gegen mich aufgetreten ist, – Vorteile davon hatte. Die Menschen sind nicht so, dass sie solche billige Vorteile verachten. Man kann seinen eigenen guten Charakter nicht einfacher zur Schau stellen, als seinen Abscheu gegen einen anderen schlechten Charakter in massive Worte zu kleiden. Das kostet nichts – und bringt viel ein.“

Harlan selbst greift hier auf die Strategie des verdeckten Gegenangriffes zurück, um so die Glaubwürdigkeit der Gegner in Frage zu stellen. Doch weder die Argu- mentation des Anwaltes noch die angefügten Beilagen vermögen es, weitere Vor- führungen des Films „Das Dritte Geschlecht“ zu erwirken. Am 4. Dezember 1961 verkündet das Polizeidepartement von Basel-Stadt, dass der Film aus sicherheits- und verkehrspolizeilichen Gründen verboten wurde.388 Drei Tage vorher hatte Hauptmann Flisch in einem internen Bericht des Polizei-Inspektorates vermerkt, es bestehe kein Anlass, auf die verschiedenen Ausführungen des Anwaltes ein- zutreten, da diese derart problematisch seien, dass auf jedes Argument auch ein entsprechendes Gegenargument aufgeführt werden könne:

„Es wurde schon festgestellt, dass gegen den Film ‚Das Dritte Geschlecht‘ selbst keine Einwände erhoben werden können, dass aber, wie die Demons- trationen gegenArbeitskopie dessen Aufführung im Corso-Kino – die sich übrigens nicht gegen den Film, sondern gegen den Produzenten Veit Harlan richten – zei- gen, bei einer Neuaufnahme in das Programm mit Demonstrationen in noch grösserem Ausmasse gerechnet werden muss. Dies ergibt sich eindeutig aus der Stellungsnahme sämtlicher Tageszeitungen.“389

Bemerkenswert ist, wie die Tageszeitungen an prominenter Stelle genannt werden. Im nächsten Kapitel soll deshalb die mediale Öffentlichkeit in Bezug auf die Auf- führung des Films „Das Dritte Geschlecht“ einer genaueren Betrachtung unterzo- gen werden.

98

4512falk.indd 98 19.05.2008 17:11:47 Uhr 6.5. Die Artikulation diskriminierender Diskurse in der medialen Öffentlichkeit

Vergegenwärtigen wir uns hier nochmals kurz den Anfang der Basler Proteste: Die Bombendrohung gegen das Kino Corso wurde an jenem Tage ausgesprochen, als die National-Zeitung berichtet hatte, es laufe im Cinéma Corso der deutsche Film „Das Ditte Geschlecht“. Demonstrationsaufrufe wurden in der Folge in verschiede- nen Basler Zeitungen veröffentlicht, was eine breite Bekanntmachung des Protestes ermöglichte. Und die Protestversammlungen erzeugten wiederum massenmediale Aufmerksamkeit:

„Medien bilden in der Politik Synchronisationsinstanzen. Sie vermitteln die einzelnen und speziell geführten Diskussionen in den verschiedenen gesell- schaftlichen Gruppierungen auf einem allgemeinen Niveau miteinander, mar- kieren erreichte Positionen, machen Richtungsvorgaben und vermitteln den jeweiligen gesellschaftlichen Diskussionsstand an die einzelnen Individuen.“390

Es ist jedoch nicht nur die Vermittlerfunktion der Presse, welche derart heftige Proteste produziert. Auch die Medialität des Kinos mit der daraus resultierenden simultanen Kollektivrezeption eines kulturellen Produktes haben die Bedingungen geschaffen, den Protesten öffentliche Sichtbarkeit und damit massenmediale Auf- merksamkeit zu verleihen. „Öffentlichkeit“ darf dabei jedoch nicht monolithisch gedacht werden; vielmehr sollten wir von einer Vielzahl medial definierter Öffentlichkeiten ausgehen. Dabei werden mediale Öffentlichkeiten als partielle Kommunikationsräume verstanden, die nicht von allen Bürgerinnen und Bürgern in gleicher Weise genutzt werden. Öffentlichkeiten können sich zudem ausweiten oder überlagern. Ausserdem wer- den diese Kommunikationsräume durch die Bedingungen des jeweiligen Mediums strukturiert.391 Ein Beispiel für die in verschiedenen Kommunikationsräumen anders sich gestaltenden ArtikulationsmöglichkeitenArbeitskopie finden wir gerade in der Diskussion um den „Fall Harlan“. So könnte, wie mir scheint, die Vermutung geäussert werden, dass antisemiti- sche Gesinnungen in Bezug auf den „Fall Harlan“ Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre in den zusammengestellten Artikeln392 selten offen artikuliert wurden. Hingegen erinnert sich Itta Shedletzky, die 1962 als junge Jüdin vor dem Kino Stauffacher demonstrierte, an heftige antisemitische Anpöbeleien.393 Je nachdem, welche „Quellen“ herangezogen werden, ergeben sich in Bezug auf die „öffentliche Artikulation“ antisemitischer Äusserungen unterschiedliche Befunde. Auch sind beispielsweise in Medien kleinerer Reichweite – wie beispielsweise in Briefen – antisemitische Argumentationsmuster in sehr deutlicher Form sichtbar. Heiko Buschke gelangt in seiner Dissertation zu „Deutsche Presse, Rechtsextremismus und nationalsozialistische Vergangenheit in der Ära Adenauer“ in Bezug auf West- deutschland zu einem ähnlichen Befund:

„Antisemitische Einstellungen waren nach 1945 offiziell tabu, dennoch exis- tierten sie in den Köpfen vieler Menschen weiter.“394

99

4512falk.indd 99 19.05.2008 17:11:47 Uhr Ähnlich argumentiert auch Frank Stern:

„Die Tabuisierung des Antisemitismus in der Besatzungszeit unmittelbar nach dem Mai 1945 hatte diesen aus der Politik weitestgehend verbannt, philosemitische Haltungen entwickelten sich, die den neuen demokratischen Charakter des neuen, anderen Deutschland symbolisieren sollten. Antise- mitische Haltungen hingegen fanden allenfalls im halb-öffentlichen und privaten Bereich Ausdruck und Resonanz; der Antisemitismus wurde sozu- sagen privatisiert.“395

Georg Kreis hingegen stellt mit Blick auf die Schweiz fest, dass auch im Jahre 1945 gewisse Zeitungen erstaunlich unverfrorene antisemitische Äusserungen ver- breiteten.396 Es gäbe sogar Gründe anzunehmen, meint Kreis, dass in der Schweiz „antisemitische Regungen vor 1945 stärker eingeschränkt waren als nach 1945, weil sie während der NS-Zeit mit ihrem Antisemitismus nicht in die Nähe der nationalsozialistischen Ideologie geraten wollten und diese Gefahr nach 1945 als hinfällig erachtet wurde.“397 Diese These müsste allerdings in vergleichender Per- spektive konkret belegt werden. Jedenfalls wird nach Georg Kreis die „Vorstellung, dass die Nachrichten über ‚Auschwitz‘ so etwas wie eine Antisemitismus-Blockade bewirkt haben könnten“, für die Schweiz und die unmittelbare Nachkriegszeit nicht bestätigt.398 „‚Auschwitz‘, dafür waren die Deutschen verantwortlich, von denen man sich auch aus nationalen Gründen distanzierte.“399 Auch nach Inkrafttreten der Antirassismus-Strafnorm werden in der Schweiz weiterhin antisemitische Ressentiments auch öffentlich – beispielsweise an der Basler Fasnacht – artikuliert. Festgehalten werden solche Vorfälle in der jährlich erscheinenden Chronologie „Rassistische Vorfälle in der Schweiz“, die von Hans Stutz bearbeitet und von der „Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz“ und der „Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus“ herausgegeben wird. Besonders virulent wurden antisemitische Äusserungen in den Auseinandersetzungen um die so genanntenArbeitskopie nachrichtenlosen Vermögen und die Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges.400 Da diskriminierende Diskurse in sehr starkem Umfang von Massenmedien verbreitet werden, wäre es eine eigene Untersuchung wert, die Berichterstattung zum Film „Das Dritte Geschlecht“ systematisch auszuwerten und dabei auch den Umstand im Auge zu behalten, wie der Protest gegen die Harlan-Filme im Laufe der Zeit von welcher Zeitung wie bewertet wurde. Verliefen die Debatten eher in Richtung Konsens oder Polarisierung der Medienlandschaft? Wie verlaufen in medialen Debatten um den Film „Das Dritte Geschlecht“ in Bezug auf Homo- sexualität und Homophobie die Grenzen dessen, worüber man spricht – oder lie- ber schweigt? Eine solche systematische Untersuchung kann ich im Rahmen dieser Arbeit nicht leisten. Ich formuliere deshalb in diesem Kapitel einige Überlegungen, die zum Dialog anregen wollen und die nicht als in quantitativer Hinsicht abge- stützte Forschungsresultate zu begreifen sind. Auch muss ich einräumen, dass ich in diesem Kapitel stärker auf die Darstellung von homophoben Artikulationen fokussiere, was allerdings – wie bereits angedeutet wurde – auch mit den Quellen- beständen zu tun hat.

100

4512falk.indd 100 19.05.2008 17:11:48 Uhr Das „Aktionskomitee gegen die Aufführung von Harlan-Filmen“ trug dazu bei, dass in den Medien eine Ablehnung gegenüber dem Regisseur von „Jud Süss“ artikuliert wurde. Über die Proteste äusserten sich allerdings nicht alle Zeitungen wohlwollend und auch das Filmverbot wurde nicht überall als berechtigt angese- hen. Artikel, die den Regisseur explizit in Schutz nahmen, waren hingegen ver- gleichsweise selten. In der Deutschschweiz sticht vor allem die Zürcher Woche mit einer protest- kritischen und harlanfreundlichen Haltung hervor. So titelt diese Zeitung am 18. April 1962 „Nazi-Methoden gegen Nazi-Harlan“; ein Argument, dass auch während der deutschen Entnazifizierung vorgebracht wurde.401 Der Artikel beginnt mit folgenden Worten:

„Als die Menge sah, dass ich den Kinoeingang doch erreichte, bildete sich sofort ein Sprechchor, der mich als ‚Nazi, Nazi‘ bezeichnete. Mit zornesrotem Gesicht schrie mir eine ‚antifaschistische‘ aufgepeitschte Jung-Sozialistin von etwa 16 Jahren, die sich unter dem Kinoeingang herumtrieb, das Schimpf- wort ins Gesicht und fuchtelte wild mit den Fäusten.“402

Die gleiche Zeitung nimmt in einem Artikel vom 11. Mai 1962 den Regisseur von „Jud Süss“ mit folgenden Worten in Schutz:

„Die grosse Zahl der Einzelbeispiele, glaubwürdig bekundet von einer Reihe von unter dem nazistischen Regime am schwersten verfolgten und unter- drückten Personen, ergibt von Harlan nicht das Bild eines Antisemiten und nicht das Bild eines überzeugten Nationalsozialisten, sondern zeigt, dass er kein Verfechter der politischen und rassischen Thesen des sogenannten ‚Dritten Reiches‘ war.“403

Der Verfasser dieses Artikels übernimmt hier, wie in Bezug auf andere Personen bereits an früherer StelleArbeitskopie gezeigt worden ist, kritiklos Harlans eigene Verteidi- gungsstrategie einer Trennung von Kunst und Politik. Die gleiche Zeitung hatte Harlan bereits 1958 verteidigt; damals wurde die falsche Behauptung aufgestellt, „Das Dritte Geschlecht“ werde auch nach Israel verkauft.404 Über das Thema „Homosexualität“ wollen sich die meisten Schweizer Zeitun- gen oder Zeitschriften nicht äussern; Homophobie wird zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz nicht öffentlich thematisiert. Die National-Zeitung schreibt beispiels- weise am 17. März 1959:

„Es geht gar nicht darum, ob der das Problem der Homosexuellen behan- delnde, seit wenigen Tagen laufende Veit Harlan-Film „Das dritte Geschlecht“ gut oder schlecht ist. Es geht darum, ob Menschen, die sich an führender Stelle in den Dienst der Propagierung des Rassenhasses gestellt haben, heute in der Schweiz durch ihre Filme die öffentliche Meinung beeinflussen dürfen. Es ist eine Frage des Taktes und der Pietät gegenüber den Millionen unter dem Einfluss nationalsozialistischer Pogromstimmung hingerichteter Juden, ob dieser Regisseur in der Schweiz seine Filme soll zeigen dürfen.“

101

4512falk.indd 101 19.05.2008 17:11:48 Uhr Diese Formulierung wird in ähnlicher Form auch in vielen anderen Zeitungsarti- keln auftauchen. So heisst es in einem Artikel der NZZ vom1 6. März 1959:

„Wir möchten uns zum neuen Harlan-Film, der das Homosexuellenproblem behandelt, gar nicht äussern; ob er thematisch interessant und politisch ein- wandfrei ist, steht im Augenblick gar nicht zur Diskussion. Es geht einzig darum, einzusehen, dass gewisse Kreise, denen der Name Harlan Anlass zu leidenschaftlichem Protest ist, dazu menschlich das Recht haben.“

Auch im besagten Artikel des Filmberaters wird das Thema des Films „Das Dritte Geschlecht“ nicht zur Sprache gebracht. Im reformierten Pendant des Filmberaters verläuft die Diskussion hingegen anders. In der Zeitschrift „Film und Radio“, die vom Schweizerischen Protestantischen Film- und Radioverband herausgegeben wurde, wird unter dem Kürzel „fh“ für die Ausgabe vom 4. April 1959 folgende Filmkritik verfasst:405

„Ein verwerflicher Film. Schon der Titel ist eine Anmassung. Es gibt kein drittes Geschlecht, das Anspruch darauf hätte, neben dem ersten und zwei- ten genannt zu werden; was der Film darunter versteht, ist eine degenerative Verirrung, eine krankhafte Fehlentwicklung, deren Betroffene in ärztliche Behandlung event. Schutzaufsicht gehören. Darüber einen romanhaften Film zu drehen, ist schon an sich geschmacklos. Geschieht es aber noch mit einer Erzählung, die jeder sittlichen Ausrichtung entbehrt, dann ist die Ent- gleisung bei einem so heiklen Thema vollständig. Ein Gymnasiast ist in den Bann eines homosexuellen Mannes geraten, worauf er von seiner besorgten Mutter ‚auf ärztlichen Rat hin‘ mit einem von ihr betreuten Flüchtlingsmäd- chen zusammengebracht wird. Der widernatürliche Verführer entkommt ins Ausland, bringt jedoch die Mutter aus Eifersucht wegen Kuppelei vor Gericht, wo sie denn auch prompt verurteilt wird. Die Mutter wird also bestraft, wäh- rend der gefährlicheArbeitskopie Jugendverbrecher ungestraft entfliehen und sein gefähr- liches Treiben fortsetzen kann. Damit erweist sich der Film als Frucht einer völlig desorientierten und schmierigen Haltlosigkeit, die nicht nur billige Publikums-Sensationen verwendet, sondern die Zulässigkeit homosexueller Betätigung in kaum verhüllter Weise zur Diskussion stellen möchte.“406

Dass Harlan ein ziemlich gewandter Regisseur sei, mache das Machwerk gefähr- lich, denn der Film sei nicht sogleich als Kitsch zu erkennen. Auch die Mitwirkung einstiger Namen von Rang wie Paula Wessely und Hilde Körber mache den Film gefährlich: „Es tut einem die Seele weh, sie in dieser Gesellschaft zu sehen.“ In der ganzen Kritik wird dem Film in sehr scharfen Worten ein Mangel an Homo- phobie vorgeworfen. Homosexualität sei eine „degenerative Verirrung“ und es müsse erwogen werden, ob Homosexuelle nicht in Schutzaufsicht gehörten. Der Autor zeigt sich empört darüber, dass einer krankhaften Fehlentwicklung in einem romanhaften Film Sichtbarkeit verliehen werde; ähnlich wie in den Stellungsnah- men der FSK wird bereits in der filmischen Darstellung eine Befürwortung der Homosexualität gesehen. Da eine Filmkritik aus dem Evangelischen Film-Beob-

102

4512falk.indd 102 19.05.2008 17:11:48 Uhr achter von 1957 sehr ähnlich klingt, stellt sich die Frage, ob sich der Verfasser an dieser deutschen Vorlage orientierte. Da wird bemerkt, es mache den Anschein, dass hier „der von den Betroffenen ersehnten liberalen Diskussion um solche Ver- irrungen als einer Vorbereitung für eine etwaige Gesetzesänderung in tendenziö- ser Weise das Wort geredet“ werde. Die harsche Filmkritik endet mit folgenden Worten:

„Eine Anzahl tüchtiger Schauspieler, voran Paula Wessely, in dieser zwielich- tigen Geschichte agieren zu sehen, halten wir für beschämend. – Tendenziö- ser Spielfilm über die Homosexualität. Diese Darstellung eines aktuellen Pro- blems ist nicht nur indiskutabel, sondern irreführend und höchst gefährlich. Wir lehnen den Film entschieden ab.“407

Inwiefern der verschiedene Gesetzesstatus in Bezug auf die Kriminalisierung homo- sexueller Beziehungen die Diskussionen in der Schweiz und in Deutschland um den Film „Das Dritte Geschlecht“ prägte, ist schwierig abzuwägen. Denn die Basler Zensurkommission hatte bei der Visionierung des Films „Das Dritte Geschlecht“ eine andere Filmversion vor sich als der Arbeitsausschuss der FSK bei seinem ersten Zusammenkommen – der homosexuelle Rechtsanwalt war für die Basler Aufführung bereits entfernt worden. Es könnte allerdings die Vermutung geäussert werden, dass in der Schweiz – aufgrund der bereits erfolgten Entkriminalisierung – die filmische Darstellung von Homosexualität weniger als ein Plädoyer für eine Legalisierung und damit einhergehend weniger als eine Legitimierung homo- sexueller Beziehungen gesehen wurde. Eine Ausnahme bildet die Kritik in „Film und Radio“, die sich allerdings – wie es den Anschein macht – stark an dem in Westdeutschland erschienenen Artikel orientiert. Fest steht hingegen, dass in den bisher rekonstruierten Kommunikationsprozessen Homophobie nirgends explizit an den Pranger gestellt wird. Die Schweizer Homosexuellenzeitschrift „Der Kreis“ berichtete in der ersten Ausgabe von 1958 über die in Deutschland erfolgten Auf- führungen des Films Arbeitskopie„Das Dritte Geschlecht“: „Erfreulich bleibt die Tatsache, dass der Film von der wesentlichen Presse Deutschlands abgelehnt wurde.“408

Sicher trage „die unsinnige Verkoppelung von moderner Musik und Malerei mit Homosexualität sehr zur Ablehnung des Filmes bei“.409 Aus den Zeitungsberich- ten sei aber auch zu schliessen, „dass die Ablehnung nicht a priori gegen das Thema der homoerotischen Neigung“ gehe. Zeitgenössische Stellungsnahmen von homosexuellen Gruppierungen, welche die Aufführungen in der Schweiz öffentlich kommentieren, habe ich keine gefunden. Trotz rechtlicher Entkri- minalisierung bestand Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre auch in der Schweiz ein öffentlicher Konsens darüber, dass Homosexualität als negativ und gefährlich zu bewerten sei. Vor dem Inkrafttreten des Schweizerischen Strafgesetzbuches wurde homosexu- elles Verhalten in der Schweiz von Kanton zu Kanton anders behandelt. Bis 1942 waren homosexuelle Handlungen in den meisten Deutschschweizer Kantonen mit

103

4512falk.indd 103 19.05.2008 17:11:48 Uhr Freiheitsstrafen, „zum Teil bis zu 8 Jahren, belegt, und Rückfälle wurden oft in geschlossene Anstalten eingewiesen.“410 In Basel-Stadt wurde mit der Revision des Strafgesetzbuches 1919 die Strafbarkeit homosexueller Beziehungen aufgehoben. Unterschiede in der Behandlung heterosexueller und homosexueller Beziehungen bestanden nach dem Gesetz von 1919 aber weiterhin, nämlich durch das höhere Schutzalter von 20 Jahren und durch das ausschliessliche Verbot der homosexu- ellen Prostitution.411 Am 1. Januar 1942 trat nach fast 50 Jahren Vorbereitungszeit das schweizerische Strafgesetzbuch in Kraft und löste damit die verschiedenen kantonalen Strafrechte ab:

„Das neue Gesetz entstand wie auch Zivilgesetzbuch und Obligationenrecht im Zuge der allgemeinen Tendenz zur Vereinheitlichung des Rechts. 1893 legte Carl Stoos im Auftrag des Eidg. Justizdepartements einen Vorent- wurf für ein gesamtschweizerisches Strafrecht vor. 1898 stimmte das Volk einer Verfassungsbestimmung für ein eidgenössisches Strafrecht zu. 1918 lag der Entwurf des Bundesrates vor. 1929 und 1931 erfolgte die Beratung in National- und Ständerat. 1938 wurde das Gesetz vom Volk eher knapp angenommen (rund 358’000 Ja gegen 321’000 Nein). Hohe Wellen im Par- lament schlugen die Debatten über die Todesstrafe, die Abtreibung und die Sittengesetzgebung. Bei letzterer war es insbesondere die Diskussion der Homosexualität, welche die Gemüter erhitzte. Im Frühjahr 1929 wurde zwei Tage lang über diesen einzigen Artikel beraten.“412

Mit der Einführung des schweizerischen Strafgesetzbuches war allerdings die Homosexualität noch keineswegs gleichgestellt, was unter anderem Auswirkungen zeigte in der unterschiedlichen Festlegung des Schutzalters und dem Verbot der gleichgeschlechtlichen Prostitution, während die hetereosexuelle seit 1942 erlaubt war.413 Homosexuelle wurden zudem weiterhin Opfer von polizeilichen Razzien und Überwachungen; das Bild des Homosexuellen als Landesverräter war in kalt- kriegerischenArbeitskopie Zeiten kein Einzelfall.414 Die Einführung eines eidgenössischen Partnerschaftsgesetzes hat die rechtliche Absicherung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in gewissen Bereichen ermöglicht. Gleichgeschlechtliche Paare werden im Erbrecht, im Sozialversiche- rungsrecht, in der beruflichen Vorsorge sowie im Steuerrecht Ehepaaren gleich- gestellt. Die Adoption eines Kindes und die Anwendung von fortpflanzungs- medizinischen Verfahren werden hingegen ausgeschlossen.415 Nicht alle Parteien befürworteten dieses Partnerschaftsgesetz, das 2005 vom Schweizer Stimmvolk angenommen wurde. In den Nationalratsdiskussionen zum Partnerschaftsgesetz vom 2. Dezember 2003 meinte beispielsweise EDU-Nationalrat Christian Waber, gleichgeschlechtliche Lebensformen würden schon lange nicht mehr diskriminiert, vielmehr sei das Gegenteil der Fall:

„Keine andere Minderheit fordert mit einem starken weltweiten Netzwerk ihre so genannten Rechte, das mit einer Vehemenz, die oftmals an Frechheit grenzt. An Schulen und in der Öffentlichkeit wird das Schwulsein als schön verkauft und als normal deklariert.“

104

4512falk.indd 104 19.05.2008 17:11:49 Uhr Einer diskriminierten Gruppierung wird hier also zum Vorwurf gemacht, dass es ihr gelingt, effiziente Strukturen auf die Beine zu stellen. In dieser Arbeit ist bereits gezeigt worden, dass auch den Juden „internationale Netzwerke“ und – daraus folgend – „nationale Illoyalität“ immer wieder zum Vorwurf gemacht wurden. Die Metaphorik des Netzes ist auch beim Film „Das Dritte Geschlecht“ negativ geprägt. Eine positive Konnotation, wie sie später von Deleuze und Guattari mit dem Begriff des Rhizoms postuliert wird416, ist nicht intendiert, was unter anderem an jenem Schattennetz sichtbar wird, welches das „Ins-Netz-gehen“ des Dr. Wink- lers ankündigt. Beachtenswert erscheint mir, dass die filmische Übertragung antisemitischer Argumentationsmuster auf Homosexuelle in den Schweizer Debatten um „Das Dritte Geschlecht“ kaum thematisiert wurde. Doch eine Interpretation dieses Schweigens erweist sich als sehr komplex. Dabei müsste auch berücksichtigt wer- den, dass sich in den Diskussionen um „Das Dritte Geschlecht“ auch Personen äusserten, die den Film nicht gesehen hatten und deshalb die Verschränkung der Diskurse nicht aus eigener Wahrnehmung kennen konnten. Auch mochte sich in Bezug auf die Evidenz dieser Verschränkung zwischen der Produktionszeit und der Vorführung des Films einiges verändert haben. Insgesamt sind also mehrere Gründe des Schweigens denkbar; auf diesen Aspekt komme ich deshalb im Kapi- tel 7.3. nochmals zu sprechen. In Westdeutschland wurde Homophobie ebenfalls sehr selten öffentlich kriti- siert; in Anbetracht der damaligen Kriminalisierung männlicher Homosexualität erstaunt dieser Befund nicht. Doch wurde in Deutschland – wie wir anhand der Protestschreiben an die FSK gesehen haben – die Gleichsetzung von Homosexua- lität und abstrakter Kunst intensiver debattiert. Die zeitgenössische Kritik stiess sich allerdings mehr an der im Film ausgedrückten Haltung zur modernen Kunst als an der Tatsache, dass hier Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung dis- kreditiert wurden. „So wandte sich dieArbeitskopie Kritik nicht gegen eine Gleichsetzung von Homosexua- lität und ‚Entartung‘, sondern gegen die Gleichsetzung von moderner Kunst und Homosexualität.“417

Besonders kritisch äussert sich Enno Patalas über den Film „Anders als du und ich“. In der Ausgabe der Zeitschrift „Filmkritik“ vom 12/57 schreibt er, Harlan sei ein unbewusster Nazi; nicht die Parteimitgliedschaft, sondern die Verwandtschaft im Geist habe Harlan zum Starregisseur des Dritten Reiches werden lassen. „Das Phänomen der Homosexualität wäre als eine nicht unwichtige Erscheinung unseres Lebens gewiss eine ernsthafte filmische Behandlung wert“, bemerkt Patalas weiter. Doch für Harlan sei dies nur ein Vorwand, um das Leben als eine Auseinanderset- zung des Normalen mit dem Abnormalen zu interpretieren:

„‚Normal‘ ist die primitive, nicht reflektierte und nicht sublimierte Emotion, ist vor allem der Geschlechtsakt; er bringt den homoerotisch gefährdeten Pri- maner Klaus nicht nur sexuell auf den richtigen Weg, sondern heilt ihn auch von seinen künstlerischen ‚Perversionen‘: fortan malt er nicht mehr abstrakt,

105

4512falk.indd 105 19.05.2008 17:11:49 Uhr sondern ‚richtig‘, und die Untermalungsmusik – elektronisch in den ‚Homo‘- Szenen – huldigt gemässigt romantischer Chopin-Nachfolge. Zahlreich sind die verräterischen Untertöne: wie Landesverrat mutet der Internationalismus der Homosexuellen an, gestattet er ihnen doch, sich dem Zugriff des guten deutschen Paragraphen 175 durch die Ausreise nach Rom, Paris und anderen Stätten welscher Lotterei zu entziehen. Wirklich drängt sich hier der Ver- dacht auf, ob dieser Ästhet und Sittenstrolch, dieser intellektuelle Kosmopolit ‚Dr. Winkler‘ nicht vielleicht auch Jude ist: damit wäre die Charakteristik des nazistischen Volksfeindes komplett. Dass das destruktive Element eigentlich ins KZ gehört, da ihm mit legalen Mitteln anscheinend nicht beizukommen ist, darf man sowieso vermuten. Veit Harlan Opus ist geschlossen und unteil- bar. Eine gerade Linie führt von der frühen Halbe-Adaption ‚Jugend‘ über ‚Jud Süss‘ und ‚Der grosse König‘ zu ‚Hanna Amon‘ und ‚Anders als du und ich‘: die Linie präfaschistischer Geistfeindschaft.“418

Auffallend an dieser Filmkritik ist, dass hier sozusagen die „Übertragung von Ste- reotypen“ artikuliert wird; dies konnte ich sonst nirgendwo beobachten. Allerdings wird dabei die beobachtete Übertragung von antisemitisch konnotierten Klischees auf Homosexuelle nicht als Prozess beschrieben; vielmehr wird die Frage auf- geworfen, ob Winkler nicht ein Jude sei. Bemerkenswert ist weiter, dass diese Film- kritik in den Zeitungsartikelsammlungen der Basler Polizei, der JUNA oder in den Zeitungsausschnittsammlungen des Sozialarchivs offenbar nicht vorhanden ist. Die Zeitschrift „Filmkritik“ war 1957 gegründet worden. Deren Redaktoren verstanden ihre Arbeit als Gesellschaftskritik. Filmkritiker sollten versuchen, den Blick der Kinogänger zu schärfen:

„Im Künstlerischen: für ästhetische Strukturen und Bauformen … im Gesell- schaftlichen: für soziale und politische Leitbilder, in denen, bewusst oder unbewusst,Arbeitskopie der Geist der Zeit sich ausspricht und sich selbst bestätigt.“419 Denn die feuilletonistische Filmkritik habe ebenso vor dem bedeutenden Kunst- werk versagt wie vor dem kommerziellen Produkt der Lebenslüge:

„Vom Kunstwerk ist sie nicht imstande auszusagen, worin denn eigentlich sein Kunstcharakter besteht. Und die Lebenslüge durchschaut sie nicht, weil sie es für unnötig hält, den Film an der konkreten (soziologisch und öko- nomisch zu begreifenden) Wirklichkeit zu reflektieren.“420

Und genau dieses Verständnis mag Patalas’ Seh- und Hörsinn für Zwischentöne geschärft haben, die von anderen vielleicht nicht wahrgenommen wurden. Denn die Redaktoren von Filmkritik möchten – in Anlehnung an Siegfried Kracauer – die in Durchschnittsfilmen versteckten Ideologien enthüllen. Mittels eines diag- nostischen Verfahrens wollte Kracauer aus den filmischen Texten jene Mentalitä- ten herausfiltern, die „das Tun der Akteure auf dem Parkett der Zeitgeschichte“421 mitbestimmen:

106

4512falk.indd 106 19.05.2008 17:11:49 Uhr „Kurzum, der Filmkritiker von Rang ist nur als Gesellschaftskritiker denk- bar. Seine Mission ist: die in den Durchschnittsfilmen versteckten sozialen Einstellungen und Ideologien zu enthüllen und durch diese Enthüllungen den Einfluss der Filme selber überall dort, wo es nottut, zu brechen.“422

Hier wird die intendierte Wirkung von „Durchschnittsfilmen“ aus einer ideologie- kritischen Position heraus reflektiert und kritisiert. Kracauer ging davon aus, dass eine Hegemonie im Ökonomischen auch zu einer Vormachtstellung im Kulturel- len führe:

„Die Gesellschaft ist viel zu mächtig, um andere Bildstreifen als die ihr geneh- men zu gestatten. Der Film muss sie spiegeln, ob er will oder nicht.“423

Doch das Verhältnis und die Interaktion zwischen Fiktion, Kulturproduktion und der politischen Verfasstheit einer Gesellschaft kann, wie wir im Fazit sehen wer- den, auch anders gesehen und beschrieben werden.

Arbeitskopie

107

4512falk.indd 107 19.05.2008 17:11:50 Uhr Arbeitskopie

108

4512falk.indd 108 19.05.2008 17:11:50 Uhr 7. Fazit

7.1. Evidenzeffekte

Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Evidenzerzeugung und ein mögli- cherweise spezifisches Überzeugungspotenzial von Filmen zu sehen sind.424 Kann in Filmen die Bewegung der Bilder und das Audiovisuelle – das simultane Zusam- menwirken von Bild und Ton – die in dieser Arbeit analysierte Diskursverschrän- kung in besonders effizienter Weise als evident erscheinen lassen, wobei Evidenz jeweils erzeugt, aber nicht begründet wird? Es gilt diese Frage genauer zu fassen. Wie sind die Mechanismen des Zusam- menwirkens konkret zu begreifen? Welche Ansätze lassen die Verschränkung von Sehen und Wissen in Prozessen der Evidentwerdung präziser verstehen? Es gilt also zu überlegen, wie im Film, hier im Speziellen im Spielfilm, die Bilder zu ihrer Evidenz gelangen. Dabei muss beachtet werden, auf welche Weise sich medienspe- zifische Bedingungen auf Evidenzeffekte auswirken: Ist Evidenz eine immanente Eigenschaft der Bilder oder handelt es sich dabei vielmehr um eine Zuschreibung, um einen Wahrnehmungseffekt? Daran schliesst sich die Frage an, inwieweit Evi- denzerzeugung an bereits bestehende Wissenskontexte gebunden ist. Diese Fragen lassen sich wiederum auf die Evidentwerdung des „Grenzverwischers“ beziehen. Der „Grenzverwischervorwurf“ liesse sich dann als ein Axiom fassen, welches selbst nicht bewiesen wird, das aber als Kollektivsymbol diskriminierenden Dis- kursen Evidenz verschafft. Bei der Evidentwerdung des Grenzverwischers ist jedenfalls, wie ich in den vorhergehenden Kapiteln gezeigt habe, ein enges Zusammenwirken diskursiv produzierter und visuell erzeugter Wissensbestände zu beobachten. Wie im Kapi- tel 4.3. ausgeführt wurde, erzeugen Diskursverschränkungen zudem Selbstrefe- renz und damit auch Arbeitskopieetwas, was auch als diskursiv hergestellte Evidenz bezeichnet werden könnte.

7.2. Emotionale Räume: Visualität und Identität

Welche Interaktionen ergeben sich zwischen Menschen, Medien und Institutionen, wenn sich im Prozess der gesellschaftspolitischen Meinungsbildung Machtverhält- nisse verschieben? Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen in der Herstellung von Marginalisierung und Dis- kriminierung? In welchem Zusammenhang stehen Bilder und Identitätsbildung, Visualität und Identität, Sag- und Sichtbarkeit? Ändern sich die Bilder im Kopf, wenn sich gesellschaftliche Machtverhältnisse ändern – oder ändern veränderte „Bilder“ die gesellschaftlichen Verhältnisse? Wo werden Diskriminierungen eher aufgehoben, im Bereich des genuin Politischen oder des Kulturellen? Diese Frage ist durch die dichotome Gegenüberstellung von Kultur und Politik auf unfrucht- bare Weise formuliert. Ergiebiger ist, konkret danach zu fragen, wie Bilder, die

109

4512falk.indd 109 19.05.2008 17:11:50 Uhr Gefühle von (Un-)Zugehörigkeit produzieren, den Alltag unauffällig durchdrin- gen.425 Die folgenden Ausführungen sind dazu provisorische Überlegungen; sie fordern die Ergänzung und verweisen auf kommende Aufgaben. Denn über die visuelle Durchwirkung (politischer) Identitätsbildung wissen wir nicht viel. Es gibt erst wenige Zugänge, die uns dabei helfen, das Verhältnis zwischen Kulturproduk- tion und gesellschaftspolitischer Identitätsbildung besser zu verstehen.426 Es gälte zu untersuchen, wie politische Gemeinschaften über bestimmte Arten der Visualisierung imaginiert und damit auch konstruiert werden. Doch das Nach- denken über das „politische Sehen“ beziehungsweise das „Politische sehen“ erweist sich als schwierig. Ich blicke deshalb in einem ersten Schritt zurück und vergegen- wärtige mir das in dieser Arbeit zu dieser Frage bereits zusammengetragene Mate- rial, um dann darauf aufbauend weitere Gedankenarbeit leisten zu können. Zu Beginn dieser Arbeit wurde festgehalten, dass Filme Normalitätsvorstel- lungen und Wahrnehmungsprinzipien vermitteln. Filme können als Vermittlungs- instanz zwischen gesellschaftlichen Strukturen und Individuum angesehen wer- den: Wie andere Medien wirken sie als Agenturen der Gesellschaft, mit denen sich die Gesellschaft als Gesellschaft selbst erhält. Filme sind ein Mittel zur Identitäts- bildung, denn was als vertraut oder fremd empfunden wird, ist häufig ein Ergebnis der Medien; Filme etablieren oder zerstören emotionale Räume.427 In den Filmen „Jud Süss“ und „Das Dritte Geschlecht“ steht die Kontrolle des Blickes für die Kontrolle der Situation; die Beherrschung des visuellen Raumes nimmt, wie wir gesehen haben, eine wichtige symbolische Funktion ein. Später habe ich in meiner Untersuchung festgehalten, dass die Medialität des Kinos mit der daraus resultierenden simultanen Kollektivrezeption eines kulturellen Pro- duktes die Möglichkeit schuf, dem Protest öffentliche Sichtbarkeit zu verleihen. Weiter wurde aufgeführt, dass Harlan auch aufgrund seiner provokanten öffent- lichen Sichtbarkeit zum Symbol dieses Protestes werden konnte; in ihm wurde der Antisemitismus auch symbolisch bekämpft. Denn Sichtbarkeit ist auch eine Falle; sie ermöglicht Kontrolle, wie Foucault in „Überwachen und Strafen“ zeigt.428 Fou- cault stützt sichArbeitskopie bei diesen Ausführungen auf den Gefängnisentwurf des 18. Jahr- hunderts, der von Jeremy Bentham angefertigt worden war. In dieser vorgestellten Raumanlage, einem Panoptikum, sind einzelne Zellen so um einen Turm im Halb- kreis angeordnet, dass alle Gefangenen von einem Ort gleichzeitig beobachtet wer- den können, ohne dass der Gefangene den Beobachter selber sieht: „Er wird gese- hen, ohne selber zu sehen; er ist Objekt einer Information, niemals Subjekt einer Kommunikation.“429 Allerdings kann in dieser Anlage auch der Wächter über- wacht werden. Denn er arbeitet in einem Glaspalast, in welchem die Ausübung der Macht von der gesamten Gesellschaft durchschaubar ist.430 Nur der Besucher soll in diesem Entwurf von einem zentralen Punkt aus alles überblicken können; er nimmt den Platz des souveränen Blicks ein. Doch Foucault hält fest: „Wir sind nicht auf der Bühne und nicht auf den Rängen. Sondern eingeschlossen in das Räderwerk der panoptischen Maschine, das wir selber in Gang halten – jeder ein Rädchen.“431 Sichtbarkeit prägt das eigene Verhalten, weshalb Visualität und Identität in einem engen Verhältnis zueinander stehen. Beachtenswert ist bei Prozessen der Identitätsbildung die Dialektik zwischen Fremd- und Selbstzuschreibung.432 Es

110

4512falk.indd 110 19.05.2008 17:11:50 Uhr fällt auf, dass diskriminierende Diskurse gerne auch auf bereits vorhandene Selbst- bilder anknüpfen. So meint Hans-Walter Schmuhl, das antisemitische Feindbild des „verweiblichten Juden“ habe insofern einen empfindlichen Nerv getroffen, als es in manchen Zügen an ein älteres jüdisches Selbstbild anknüpfte:

„In der jüdischen Tradition besass nämlich körperliche Stärke keinen kul- turellen Wert. Am männlichen Körper – für den weiblichen galten andere Selbst- und Fremdstereotypen – war nach jüdischer Tradition der Kopf die Hauptsache, weil geistige Stärke das Hauptmerkmal jüdischer Männlichkeit war.“433

Eine Strategie im Umgang mit diskriminierenden und diffamierenden Bildern ist es, diese Bilder von sich weg- und einer anderen Gruppierung zuzuweisen, wie Klaus Hödl ausführt:

„Der effeminierte, verweiblichte – und darum von den bürgerlichen Männ- lichkeitsstandards abweichende – Jude wurde von den Zionisten allein im Ostjudentum zu verankern versucht. Ihm wurde dabei der sogenannte ‚Mus- keljude‘ als Vorbild gegenübergestellt, an das der Shtetljude angepasst und wodurch er nicht nur körperlich, sondern, was aufgrund der Verbindung von Körper und Seele möglich war, auch moralisch regeneriert werden sollte.“434

Ein sehr ähnlicher Umgang mit dem Vorwurf der Effeminierung zeigte sich auch in Teilen der Homosexuellenbewegung:

„Unter diesem Gesichtspunkt gab es dann auch Bemühungen, den Homo- sexuellen den Makel des ‚Abartigen‘ und ‚Verweiblichten‘ zu nehmen und sie statt dessen als Ausdruck der Männlichkeit darzustellen, auf die – wie unter Verweis auf das ‚alte‘ Griechenland festgehalten wurde – selbst eine Armee nicht verzichten könne.Arbeitskopie Der Herausgeber der deutschen Homosexuellenzeit- schrift ‚Der Eigene‘, Adolf Brand, meinte sogar, Homosexuelle verkörperten die ‚Blüte der Männlichkeit‘, und diese Ansicht manifestierte sich darin, dass sein Blatt die nationalistische Rechte unterstützte.“435

Auch der Typ des „Clone“, der zuerst in der amerikanischen Schwulenbewegung auftrat, wollte durch entsprechende (Leder-) Kleidung die eigene Männlichkeit betonen. Damit sollte gleichzeitig die Gemachtheit der Konzepte von Männlich- keit aufgedeckt und die eigene sexuelle Orientierung öffentlich sichtbar werden.436 Offensichtlich gibt es verschiedene Formen des Sehens und der Sichtbarkeit. Denn Sichtbarkeit wiederum war und ist ein wichtiges Ziel vieler homosexueller Grup- pierungen:

„Schwule Präsenz fehlt heute fast überall. Schwule bleiben weitgehend unsichtbar in den Medien, in der Politik, in Film, Theater und Literatur, auf öffentlichen Strassen und Plätzen, in allen Schulbüchern, in der Werbung, an Familienfesten und Hochzeiten. Erst wenn schwule Paare ebenso selbst-

111

4512falk.indd 111 19.05.2008 17:11:51 Uhr verständlich wie heterosexuelle den Alltag von uns allen prägen, kann von einem Ende der Diskriminierung gesprochen werden. Denn Integration in die Gesellschaft in einem guten Sinn heisst immer auch Sichtbarkeit.“437

In die gleiche Richtung zielt auch die folgende Äusserung:

„In order to be able to build a political community, gay men and lesbians felt the need to consolidate a unified and visible identity. Strategies of conscio- usness-raising and coming out helped them to stimulate personal awareness and political action. Film was an excellent medium to lend visibility to gays and lesbians.“438

„Sichtbarkeit von unten“ soll also „eine zuvor vermisste Präsenz im gesellschaft- lich-medialen Diskurs verschaffen“.439 Und tatsächlich „war es in Deutschland ein Film, der 1970 zur Gründung zahlreicher Aktionsgruppen und zu einer ersten Coming-Out-Bewegung führte: Rosa von Praunheims Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“.440 Der Mut homosexueller Men- schen zur öffentlichen Sichtbarkeit bewirkte damit auch im Sagbaren positive Ver- änderungen, wobei allerdings die Voraussetzungen für homosexuelle Männer und Frauen in Bezug auf öffentliche Sichtbarkeit anders aussehen:

„Zwar entgingen Lesben der massiven Verfolgung, zugleich aber entging ihnen auch die Möglichkeit, sich im Kampf gegen das offene Verbot als gesellschaftliche Gruppe zu formieren – wie dies bei schwulen Männern der Fall war. Das bedeutet, dass die Voraussetzungen für Sichtbarkeit und Schwule anders ausfallen als für Lesben. Während jene Bilder entwickeln müssen, die sich in Abgrenzung – oder auch im Rückgriff – zu der durch die Stigmatisierung bereits hergestellten Sichtbarkeit verhalten, müssen diese die Bilder gleichsam aus dem Nichts heraus ableiten – aus der dunklen Zone ‚der UndenkbarkeitArbeitskopie und der Unaussprechlichkeit‘.“441 Ansätze der „Queer Theory“ relativieren heute die Annahme einer nur positiv kon- notierten Sichtbarkeit. Doch Sichtbarkeit muss nicht gezwungenermassen zu einer Negierung von Differenzen und zu einer Essentialisierung von Identitäten führen: Denn „Differenzen zwischen und unter queeren historischen Subjekten [wird] proportional in dem Grad sichtbar, in dem verschiedene schwule und lesbische Individuen, Communities und Organisationen an diesen jährlichen Gedenkver- anstaltungen teilnehmen. Und je mehr diese Differenzen sichtbar werden, desto deutlicher können Schwule und Lesben zeigen, dass wir genauso wie Heterosexu- elle sind.“442 Diese Aussage erinnert an den Titel von Richard Oswalds Film „Anders als die Andern“, in welchem Magnus Hirschfeld als Experte auftrat. Der homosexuelle Hauptdarsteller war hier ein Geigenvirtuose. Drei Jahre vorher hatte sich im ersten Film mit homoerotischem Inhalt „Vingarne“ ebenfalls ein Künstler, diesmal ein Maler, in einen jungen Mann verliebt.443 Künstlerisch veranlagt ist im Film „Das Dritte Geschlecht“ auch Klaus; Boris Winkler wiederum handelt mit Kunst. Auch

112

4512falk.indd 112 19.05.2008 17:11:51 Uhr in „Fresa y chocolate“ (Kuba 1993) ist die homosexuelle Hauptperson ein Kunst- händler, welcher verbotene Bücher liest und sich mit Produkten aus der ganzen weiten Welt umgibt. Anhand einer solchen Filmauswahl könnte wiederum der Dialektik zwischen Selbst- und Fremdbildern nachgegangen werden. Auf das Bild des homosexuellen Künstlers wird beispielsweise, wie wir gesehen haben, nicht nur in diskriminierenden Diskursen zurückgegriffen. „Identität“ kann zudem nicht einfach als ein frei gewählter Selbstschöpfungsakt gesehen werden. Men- schen sind meist darauf angewiesen, dass ihre Identitäten auch von den anderen anerkannt werden; „Identität“ ist reziprok. Sie umfasst das Bewusstsein eigener Kontinuität444, wobei allerdings auch die Idee einer so verstandenen Identität zeit- gebunden ist. Identität ist narrativ; sie wird durch eine implizite Konstruktion einer Lebens-Geschichte erschaffen.445 Identität dient der Innenstabilisierung; nach aussen erzeugt sie Berechenbarkeit.446 Doch Identitäten sollten nicht als etwas Statisches und Monolithisches begriffen werden, sondern als „immer schon etwas im Fluss der Zeit Befindliches, Veränder- liches, Prozesshaftes“.447 Durch Identitätsarbeit können negativ gewertete Ausdrü- cke positiv umgedeutet werden:

„Um eine homosexuelle Identität anzunehmen, muss sich das Individuum in der (zuerst einmal von aussen wahrgenommenen) sozialen Kategorie ‚homo- sexuell‘ plazieren, Homosexualität also in sein Selbstkonzept aufnehmen. Das Zusammentreffen mit anderen selbstdefinierten Homosexuellen und deren Berichten oder Beschreibungen (Richard Troiden nennt sie accounts) ändern die oft negativen Bedeutungen der Kategorie ‚homosexuell‘, die ein Individuum von der Gesellschaft übernommen hat. Homosexualität wird nun neu definiert und positiv besetzt.“448

Gerade öffentliche Sichtbarkeit ermöglicht eine Neubewertung negativ besetzter Kategorien. Und wohl aus diesem Grunde werden „homosexuelle Veranstaltun- gen“ immer wieder kritisiert.Arbeitskopie449

7.3. Über die Dialektik von In- und Exklusionen

Was bringt eine Gesellschaft dazu, ihre Grenzziehungen und Marginalisie- rungen neu zu durchdenken?

Im Laufe dieser Arbeit konnte ich zeigen, wie die Legitimation von Marginalisierung durch ein gegenseitiges Zurückgreifen diskriminierender Argumentationsmuster hergestellt wird. Reziproke Prozesse nehmen bei der Rechtfertigung von Diskri- minierungsprozessen offenbar eine wichtige Funktion ein. Marginalisierungsme- chanismen kommen demnach gerade durch das Zusammenwirken verschiedener gesellschaftlicher Bereiche wie Jurisprudenz, medizinischer Wissenschaft und Kul- turproduktion zustande. Das erschwert die Suche nach einer Antwort auf die Frage, in welchen gesellschaftlichen Bereichen sich Diskriminierungen zuerst auflösen lassen. Dieses Problem muss anhand konkreter Fallbeispiele im Einzelnen erörtert

113

4512falk.indd 113 19.05.2008 17:11:51 Uhr werden; vielleicht ist die Frage in dieser Form aber auch auf unfruchtbare Weise formuliert. Auch die Unterteilung in verschiedene gesellschaftliche Teilsysteme ist letztlich ein Produkt diskursiver Aushandlungen. Das Kulturelle muss politisch und das Politische kulturell gedacht werden; Kultur ist überall, sie liegt gewissermassen quer zu den systematischen Differenzierungsprozessen. Ausserdem kann Kultur gleichzeitig nach „innen“ integrativ und nach „aussen“ ausgrenzend funktionieren.450 Kultur stellt somit gesellschaftliche Differenzierungen her. Durch die Ausgrenzung bestimmter Gruppierungen wird dem inkludierten Individuum, so meine ich, eine doppelte Botschaft des Trostes und der Drohung vermittelt. Da in historischer Sicht zudem eine Inklusion oft anderwärtige Exklusionen mit sich brachte, ein Abbruch von Grenzen an einem Ort zur Konstruktion von Gren- zen an einem anderen führte, kann oft ein dialektischer Prozess von In- und Exklu- sionen beobachtet werden. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die Entkriminalisierung homosexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen in der Schweiz zu einem Zeitpunkt – 1942 – in Kraft tritt, als für die jüdischen Flücht- linge die Grenzen geschlossen werden. In Zeiten, wo eine „nationale Bedrohung“ wahrgenommen wird, ist eine Integration gegen innen wohl auch zu Zwecken der (symbolischen) Stabilisierung einer Gesellschaft gedacht, wenngleich gerade das Beispiel der Schweiz zeigt, dass Zugeständnisse bestimmter Rechte an diskrimi- nierte Gruppierungen oft nicht einfach aus freiem Entschluss der so genannten „Mehrheit“, sondern unter Druck zustande kommen. So wurden der männlichen Schweizer Bevölkerung jüdischen Glaubens die politischen Rechte erst nach fran- zösischen Sanktionsdrohungen zugestanden.451 Auch soll, meinen manche Autoren, die Systemkonkurrenz zwischen Kapita- lismus und Kommunismus im Kalten Krieg die Integration von Schwarzen und Frauen in der amerikanischen Gesellschaft gefördert haben.452 John Krige hält fest, der Sputnik-Schock habe mancherorts zum Bewusstsein geführt, dass angesichts der hohen Wissenschaftlerinnenquote in der Sowjetunion auch die Karrieremög- lichkeiten für amerikanische Wissenschaftlerinnen verbessert werden müssten; einige MitgliederArbeitskopie des NATO Science Committee hätten sich allerdings geweigert, sich die Wissenschaftsprogramme in Bezug auf Gender-Fragen von der UdSSR vor- geben zu lassen. Auch das systematische Vorgehen der Sowjets in ihrer deutschen Besatzungszone in allem, was Frauen und „Frauenfragen“ betraf, zeigte, dass auf Seiten der Amerikaner Handlungsbedarf bestand: „Und das nicht nur, um mit den Sowjets auf dem Gebiet der Frauenpolitik gleichzuziehen, sondern auch, um den potentiellen kommunistischen Einfluss auf die Frauen und ihre Organisationen im Westen einzudämmen.“453 Inwieweit allerdings Diskurs- und Handlungsebene (die allerdings nicht antagonistisch begriffen werden sollten) sich in diesem Zusam- menhang aufeinander beziehen lassen, wäre im Konkreten zu untersuchen. Wäre die Schweiz aussenpolitisch bedeutender, hätte wohl nach 1945 auch in Bezug auf die Frauenstimmrechtsfrage ein grösserer internationaler Druck geherrscht, was unter Umständen die Einführung des Frauenstimmrechts beschleunigt hätte.454 In den Vereinigten Staaten wiederum war es die propagandistisch genutzte Kritik der Sowjetunion an der amerikanischen Rassentrennung, welche zur Abschaffung dieses Systems beitrug.455 Denn die Sowjets liessen keine Gelegenheit aus, Amerikas dürftige Bilanz in Fragen der Rassenbeziehung anzuprangern. Auf-

114

4512falk.indd 114 19.05.2008 17:11:52 Uhr grund des amerikanischen Rassenproblems zweifelten auch viele Europäer daran, ob Amerika tatsächlich in der Lage sei, das propagierte Demokratieverständnis zu praktizieren. Um diese Zweifel zu zerstreuen, förderten amerikanische Kultur- programme Auftritte schwarzer amerikanischer Künstlerinnen und Künstler in Europa.456 Die Auseinandersetzung um die Integration der High School in Little Rock, Arkansas, im Herbst 1957 macht allerdings deutlich, dass die Überwindung der Rassentrennung nur sehr langsam und unter grossem Druck vonstatten ging. Die ein- und ausschliessende Wirkung des Kalten Krieges auf In- und Exklusi- onsprozesse weist mehrere Facetten auf. Für die Schweiz bot der Kalte Krieg eine Möglichkeit, aufgrund ihres strategischen Nutzens die nach Kriegsende bestehende politische Isolierung zu durchbrechen.457 In dieser Situation konnten die Debatten um das Verhalten der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges fast vollständig vom Tisch gewischt werden. 1957, im Produktionsjahr des Films „Das Dritte Geschlecht“, erschien in der Schweiz Carl Ludwigs Flüchtlingsbericht.458 Und als „Das Dritte Geschlecht“ 1961 in Basel gezeigt wurde, fand in Jerusalem der Prozess gegen Adolf Eichmann statt. Doch die Schweizer Flüchtlingspolitik zwischen 1933 und 1945 und der Umstand, „dass in der Schweiz der NS-Zeit ebenfalls ein akzentuierter Antisemitismus am Werk war“459, wurde erst in den 1990er Jahren unter massivem äusseren Druck zu einem zentralen innenpolitischen Thema (exemplarisch dazu Keller, Stefan: Grünin- gers Fall. Zürich 1993). Die Konfrontation zwischen den Supermächten brachte in Deutschland die Entnazifizierung, und damit gesellschaftliche Wandlungsprozesse, zum Stillstand.460 Doch als „Anders als du und ich“ in Deutschland anlief, erhielt die Diskussion um den „Fall Harlan“ neue Aktualität. Denn 1958 entschied das deut- sche Bundesverfassungsgericht, dass Lüths Boykott-Aufruf gegen die Harlan-Filme mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Während hier das Bundesverfassungsgericht als Motor für gesellschaftliche Transformationsprozesse fungierte, war dies beim bereits erwähnten Entscheid von 1957 zum Paragraph 175 nicht der Fall. Dies wie- derum zeigt, dass auch „gesellschaftliche Teilsysteme“ nicht einfach homogen und als Ganzes eine HaltungArbeitskopie des Fortschritts oder der Restauration propagieren und vorantreiben, sondern dass die dabei vertretene Haltung von Fall zu Fall stark vari- ieren kann. Das Schweizer Bundesgericht, das früher die Einführung des Frauen- stimmrechts via Verfassungsinterpretation abgelehnt hatte, erzwang 1991 die poli- tische Inklusion der Frauen im Kanton Appenzell-Innerrhoden.461 Doch schliesst dieser Befund wiederum nicht aus, dass bestimmte gesellschaftliche Systeme – viel- leicht auch aufgrund von professionell bedingten Eigendynamiken – in stärkerem Masse als andere Gesellschaftsbereiche gewisse politische Tendenzen ausbilden. Dadurch kann es zu „innergesellschaftlichen Gegenläufigkeiten“ kommen. Konkrete Untersuchungen müssten aufzeigen, inwiefern dadurch die These, dass Marginalisierungsmechanismen gerade durch das Zusammenwirken verschiedener gesellschaftlicher Bereiche zustande kommen, relativiert wird. In der BRD wiederum übernahm in den 60er Jahren die Justiz in den deutschen Auseinandersetzungen um den Holocaust eine wichtige Funktion, auch wenn nach dem Krieg eine Entnazifizie- rung der Justizbehörden nicht wirklich zustande kam. Eine verstärkte Fahndungs- aktivität, die zu einer systematischeren Verfolgung von NS-Verbrechen führen wird, setzte 1958 mit dem „Ulmer Einsatzgruppenprozess“ ein:

115

4512falk.indd 115 19.05.2008 17:11:52 Uhr „Auslöser des Verfahrens sind nicht etwa eigene Ermittlungen der Staats- anwaltschaft. Vielmehr wird das Verfahren durch die Dreistigkeit eines Angeklagten geradezu provoziert. Dieser Angeklagte war im Jahre 1941 Polizeidirektor in Memel und wirkte bei der Tötung von über 500 jüdischen Opfern mit. Der Angeklagte tauchte 1945 unter. Mitte der fünfziger Jahre ist er wieder da und klagt auf Wiedereinstellung in den Staatsdienst. Der Polizist will wieder Staatsaufgaben erfüllen. Er ist offenbar zuversichtlich, wegen der ‚alten Sachen‘ werde ihm jetzt nichts mehr passieren. Aber wie es manchmal so kommt – die Presse berichtet über den Prozess, und so erinnert sich ein Leser daran, dass der Kläger im Juni 1941 an Massentötungen beteiligt war. Der Kläger wird zum Angeklagten. Er wird 1956 verhaftet und 1958 wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.“462

Der Auschwitzprozess von 1963–1965, der durch die Hartnäckigkeit des hessischen Generalstaatsanwaltes Fritz Bauer zustande kam, markierte in dieser Hinsicht nicht erst den Wendepunkt, sondern war „im Grunde schon die erste Frucht einer Veränderung des vergangenheitspolitischen Klimas.“463 Damit begann in der bun- desdeutschen Gesellschaft die öffentliche Beschäftigung mit den im Nationalsozia- lismus verübten Massenmorden. Auch eine bundesweite antisemitische Schmier- welle, die zum Jahreswechsel 1959–1960 stattfand, soll in der BRD zu „einer bis dahin beispiellosen Mobilisierung gegen den Antisemitismus“464 geführt haben. Werner Bergmann fordert deshalb eine Überprüfung der verbreiteten These, „dass es zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus erst in der 68er Studentenrevolution gekommen sei.“465 Doch könnte umgekehrt auch argu- mentiert werden, dass die „Inkubationszeit der Proteste von 1968“ offenbar bereits während der zweiten Hälfte der 1950er Jahre einsetze. So meinte beispielsweise auch Christian Semler, einer der deutschen SDS-Hauptakteure während der 68er Studentenrevolte und späterer Vorsitzender der maoistischen Kommunistischen Partei Deutschlands „ich bin eigentlich ein 58er“.466 Das Ende Arbeitskopiedes Alten und der Anfang des Neuen fliessen selbst bei kulturellen Revolutionen ineinander über. Wenn allerdings fest steht, dass diese Protestkul- tur letztlich das Geschäft der Modernisierung betrieb: („sie war damit nicht etwa störend und disfunktional, sondern erfüllte damit eine Wegbereiterfunktion für den notwendigen gesellschaftlichen Umbau“467), müsste sich im Anschluss daran fragen lassen, an welchen Parametern sich das „Moderne“ messen lässt. „Kul- turelle Foren“ können jedenfalls öffentliche Diskussionen generieren, in denen sich politische Meinungen ausbilden, zirkulieren und gegeneinander antreten.468 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre vermehrt Filme über „Homosexualität“ oder homosexuell erscheinende Menschen gedreht werden, so beispielsweise „Tea and Sympathy“ (USA 1956), der in der deutschen Filmfassung den Titel „Anders als die Anderen“ trägt, „Mädchen in Uniform“ (BRD 1958) oder „Victim“ (GB 1961). Zum letztgenannten Streifen meint das lesbisch-schwule Filmlexikon, er sei nach „Anders als die Anderen“ von 1919 der erste kommerzielle Spielfilm, der ein Schwulen-Thema behandelt und dabei für Toleranz gegenüber Homosexuellen plädiert.469 Dass hier der homo- beziehungsweise eventuell bisexuelle Hauptdarsteller als attraktiver und sympathi-

116

4512falk.indd 116 19.05.2008 17:11:52 Uhr scher Mann gezeigt wird, ist tatsächlich auffallend. Der Regisseur Basil Dearden wurde dafür in England angefeindet. In den Vereinigten Staaten hat die Zensur- behörde erwogen, den Film ganz zu verbieten. Die stillschweigende Billigung der Homosexualität sei anstössig, meinte damals das Time Magazin. Mit „Andorra“ von Max Frisch (1961) oder „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth (1963) entste- hen Anfang der 60er Jahre auch Theaterstücke, die Judenverfolgungen und Antise- mitismus thematisieren. Filme, die sich mit dem Holocaust befassen, werden ab Mitte der 70er Jahre produziert.470 1947 wird in „Crossfire“ (Edward Dmytryk) und „Gentleman’s Agreement“ (Elia Kazan) Antisemitismus explizit zum Thema zweier amerikanischer Film-Produktionen. „Gentleman’s Agreement“ gewann 1947 drei Oscars, unter anderem auch die Auszeichnung für den besten Film. Interessant ist für uns weiter der Umstand, dass in „Crossfire“ im Vergleich zur Buchvorlage des Films („The Brick Foxhole“ von Richard Brook) aus dem homosexuellen Opfer ein Jude gemacht wurde. In meiner Untersuchung habe ich gezeigt, wie diskriminierende Diskurse eine Verschränkung zwischen Antisemitismus und Homophobie herstellen, was in ihrer Wirkung auf eine nicht explizit gemachte Analogie hinausläuft. Dass in emanzipatorischer Absicht Analogien zwischen der Unterdrückung marginalisier- ter Bevölkerungsgruppen gezogen werden, hängt zwar sicherlich damit zusam- men, sollte aber mit dem in meiner Arbeit untersuchten Sachverhalt nicht voreilig gleichgesetzt werden. Denn das unreflektierte Postulieren von Analogien kann sich als problematisch erweisen.471 Dies zu erläutern, böte wohl genug Stoff für eine weitere Studie. An dieser Stelle kann ich das nicht leisten. Erst angedacht sind auch die folgenden Gedanken.

7.4. Rück- und Ausblick

Um eine Erinnerungspolitik des Ausgeschlossenen betreiben zu können, habe ich bestimmte historischeArbeitskopie Momente genauer betrachtet, in denen Zugehörigkeit verhandelt wird. Denn ich interessiere mich für die Rekonstruktion von Grenz- ziehungsdebatten, für ein- und ausschliessende Diskurse in ihrem Widerstreit. Ausgehend von einer als vielleicht peripher qualifizierten Angelegenheit war diese Arbeit ein Versuch, aus unwesentlich Erscheinendem mir politisch Wichtiges zu erschliessen. Einige Gedanken habe ich dabei eingekocht, andere habe ich ver- dampfen lassen. In meiner Untersuchung näherte ich mich dem Zentrum meiner Überlegungen in konzentrischen Kreisen. Es ging mir weniger darum, lineare Kausalitäten oder direkte Abhängigkeitsverhältnisse zu postulieren, als diskursive Konstellationen zu skizzieren. Anhand der Veit Harlan-Filme „Jud Süss“ (1940) und „Das Dritte Geschlecht“ (1957) habe ich gezeigt, wie über das Kollektivsymbol des „Grenzverwischers“ eine Verschränkung zwischen antisemitischen und homophoben Diskursen hergestellt wird. Bemerkenswert ist, dass in der Schweiz die genannte Diskursverschränkung in den Debatten um „Das Dritte Geschlecht“ nicht thematisiert wurde. Es drängen sich mehrere Fragen auf. Handelte es sich um ein einstimmiges oder polyphones

117

4512falk.indd 117 19.05.2008 17:11:53 Uhr Schweigen? Wurde die Verschränkung nicht diskutiert, weil sie augenscheinlich war und folglich nicht bewusst wahrgenommen wurde; handelt es sich also sozu- sagen um ein Nicht-Erkennen trotz Sichtbarkeit? Ich vermute, dass diese Fragen nicht in allgemeiner Form zu beantworten sind. Vielmehr glaube ich, dass für ver- schiedene Menschen die Verschränkung in verschiedenen Graden von Plausibilität vorhanden war. Aufgrund des Nichtthematisierens in den schriftlich überlieferten Quellen könnte hier mit Oral-History-Ansätzen weitergearbeitet werden. Es sollte hierbei allerdings auch beachtet werden, dass der Vorgang des Vergleichens zuwei- len selbst Sichtbarkeiten zu erzeugen vermag; die Zeitgenossen indes hatten die beiden Filme nicht so vor Augen, wie es mir möglich war. Zu stellen ist hier die Frage nach jenen Voraussetzungen, die dafür konstitutiv sind, dass der Vorwurf des Grenzverwischens an Kraft gewinnt. Damit dieses Sym- bol – das zwischen Bild und Begriff oszilliert – Sinn schafft, muss zugleich das Bild einer linearen, fixen und für die gesellschaftliche Ordnung notwendigen Grenze bestehen. Allerdings wird diese Grenze auch als prekär, das heisst als gefährdet und verletzlich, gesehen. Grenzverwischung kann demnach als negativ konnotiertes Pendant zu einer als positiv gefassten Grenzverschiebung, Grenzüberschreitung oder Entgrenzung begriffen werden. Der Grenzverwischer gilt gewissermassen als Spieler, der sich nicht an vereinbarte Regeln hält; er bezieht nicht eine konträre Position, die sich argumentativ widerlegen liesse, sondern ist als das konturlose, polymorphe und grenzüberschreitende Andere schlecht (an-) greifbar. Gerade aber diese Eigenschaften machen die Attraktivität des Grenzverwischers aus. Es ist Süss Oppenheimers „Kosmopolitismus“, welcher Dorothea bei ihrer ersten Begegnung ins Träumen bringt. Weiter vermute ich, dass über das Kol- lektivsymbol des Grenzverwischers nicht nur Antisemitismus und Homophobie, sondern grundsätzlich diskriminierende Diskurse verschränkt werden können, wodurch diese ihre stigmatisierende Wirksamkeit entfalten. Zeigen liesse sich dies beispielsweise am Harlan-Film „Die goldene Stadt“ (1942) und der darin erfolg- ten Darstellung der „slawischen Bevölkerung“. Vetter Toni beispielsweise möchte über eine HeiratArbeitskopie mit seiner Cousine Anna den Hof des Bauern Jobst ergattern. Das Leben eines Bauern hingegen möchte er nicht führen. Vielmehr will er sich es auf dem Lande gut gehen lassen und weiterhin seinen städtischen Lebensgewohnhei- ten frönen. Auch Toni will also Grenzen verwischen, im Speziellen jene zwischen Stadt und Land. Es liesse sich also in vergleichender Perspektive untersuchen, mit welchen fil- mischen Mitteln in Harlans Filmen jeweils Parallelen und Gegensätzlichkeiten der verschiedenen Grenzverletzerfiguren herauspräpariert werden.472 Eine verletzte Grenze lässt sich unter günstigen Umständen schnell reparieren; bei der verwisch- ten Grenze wird ein „Korrekturversuch“ komplizierter. Die verwischte Grenze ver- unmöglicht zudem eine einfache Identifizierung des Feindes; er ist nicht einfach jener, der jenseits der Grenze steht. Dabei sollte auch darauf geachtet werden, wie Harlan den Unterschied markiert zwischen legitimem Grenzaufheber und dem als illegitim charakterisierten Grenzverwischer. Beispielsweise wird das aufgebrachte „Volk“, das im Film „Jud Süss“ gewaltsam das Portal der jüdischen Residenz auf- stösst, als der legitime und legitimierte Grenzaufheber inszeniert. In diesem Moment formiert sich die Masse; sie bündelt ihre Kräfte und erlangt so jene Hand-

118

4512falk.indd 118 19.05.2008 17:11:53 Uhr lungsmacht, die sie auf gewalttätige Weise zum Sturz des Juden einsetzen wird. Ein so verstandener Begriff von „Volkssouveränität“ geht von ganz bestimmten bild- haften und begrifflichen Voraussetzungen aus. Finden Souveränitätskonzeptionen, wie sie in dieser Zeit in der politischen Theorie entwickelt werden, so auch Eingang in den Film? Auch an dieser Stelle gilt es weiterzudenken. Dabei muss beachtet werden, dass in „Jud Süss“ der Jude nicht nur als Grenzverwischer, sondern zuwei- len auch als illegitimer Grenzsetzer gezeigt wird. Beispielsweise dann, wenn er den „natürlichen Wirtschaftskreislauf“ durch ein Errichten von „Handelsschranken“ und das Einfordern von Weggeld auf gewaltsame Art unterbricht. Auch hier wird ein Schlagbaum ins Bild gesetzt; wie damals, als das jüdische Volk diese Barriere bei seinem Eindringen nach Stuttgart „sprengte“.

Arbeitskopie

119

4512falk.indd 119 19.05.2008 17:11:53 Uhr Arbeitskopie

120

4512falk.indd 120 19.05.2008 17:11:53 Uhr 8. Zusammenfassung

Im Dritten Reich drehte der Regisseur Veit Harlan den antisemitischen Hetzfilm „Jud Süss“. Nach dem Krieg musste sich Harlan für seine „künstlerische Tat“ wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht verantworten. Aus „Mangel an Beweisen“ wurde der Regisseur 1950 – allerdings unter sehr umstrittenen Umstän- den – freigesprochen. Harlan konnte in der Folge seine Regietätigkeit fortsetzen. Ende der 50er Jahre produzierte er den Film „Das Dritte Geschlecht“. Juden wie Homosexuelle treffen in beiden Filmen ähnliche Vorwürfe: Weltumspannende Netzwerke, nationale Illoyalität, ein Destabilisieren der Geschlechterpolarität. Aus heutiger Perspektive fällt in eindrücklicher Weise auf, wie hier ein antisemitisch konnotiertes Begriffsnetz aufgespannt wird, um damit Homosexualität und homo- sexuelles Verhalten zu charakterisieren. Diese diskriminierenden Vorstellungen lassen sich dabei auf ein bestimmtes Symbol zurückführen, jenes des Grenzverwi- schers. Eine verletzte Grenze lässt sich unter günstigen Umständen schnell repa- rieren; bei der verwischten Grenze wird ein „Korrekturversuch“ komplizierter. Die verwischte Grenze verunmöglicht zudem eine einfache Identifizierung des Feindes; er ist nicht einfach jener, der jenseits der Grenze steht. Grenzverwischung kann als negativ konnotiertes Pendant zu einer als positiv gefassten Grenzver- schiebung, Grenzüberschreitung oder Entgrenzung begriffen werden. Allerdings muss beachtet werden, dass in „Jud Süss“ der Jude nicht nur als Grenzverwischer, sondern zuweilen auch als illegitimer Grenzsetzer gezeigt wird. Beispielsweise dann, wenn er den „natürlichen Wirtschafskreislauf“ durch ein Errichten von „Handelsschranken“ und das Einfordern von Weggeld auf gewaltsame Art unter- bricht. Auch Manfred, der homosexuelle Junge, hält sich nicht an die üblichen Regeln des Grenzverkehrs: Er benutzt nicht das Tor, welches die Durchlässigkeit der Grenze zwischen Strasse und „häuslicher Harmonie“, Öffentlichem und Pri- vatem reguliert, sondernArbeitskopie steigt über den Gartenzaun. Bei der Evidentwerdung des Grenzverwischers ist ein enges Zusammenwirken diskursiv produzierter und visu- ell erzeugter Wissensbestände zu beobachten. Auch das naturalistische Zeichnen steht dabei als Code für die heterosexuelle Orientierung, die abstrakte Malerei für die „homosexuelle Geschlechtsverwirrung“. Bereits im Dritten Reich war über den Vorwurf der „Entarteten Kunst“ ein diskriminierendes Begriffssystem entworfen worden, das sowohl Juden wie auch Homosexuelle diskreditierte. Diese wurden dafür verantwortlich gemacht, dass der künstlerische Anspruch auf „realistische Nachahmung“ der Aussenwelt aufgegeben und der Illusionseffekt von Bildern zerstört wurde. Sie waren es, welche die Referenz auf ein Aussen verweigern und damit eine ungebrochene Repräsentation verunmöglichten. Nach dieser „Argu- mentationslogik“ gefährden Juden und Homosexuelle auch die „konventionellen“ Grenzen des Bildes. Doch nicht nur die Filme selbst sind als Quelle aufschlussreich. Aufgrund der öffentlichen Sichtbarkeit, die Harlan auch nach Kriegsende aufrechterhält, wird er zum Auslöser heftiger Proteste. 1962 geht in einem Zürcher Kino gar eine Bombe hoch. Anhand von meist unveröffentlichtem Archivmaterial rekonstruiere ich die

121

4512falk.indd 121 19.05.2008 17:11:54 Uhr diskursiven Auseinandersetzungen, welche dieser Film in verschiedenen gesell- schaftlichen Bereichen ausgelöst hat. Als Verteidigungsstrategie versucht Veit Har- lan, feste und undurchdringbare Grenzen zwischen Politik und Kulturproduktion zu postulieren. Nachdem ich Harlans Strategie des apolitischen Kunstbegriffes dar- gestellt habe, zeichne ich den prüfenden Blick der deutschen Freiwilligen Selbst- kontrolle der Filmwirtschaft auf „Das Dritte Geschlecht“ nach. Weiter rekonstruiere ich, wie sich in Basel zwischen den Behörden, dem Filmverleiher, der Israelitischen Gemeinde und einem katholischen Filmfunktionär Kommunikationsprozesse ent- wickeln. Wer erzählte für wen – und mit welcher Wirkung – welche Geschichte? Bemerkenswert ist, dass in der Schweiz die genannte Diskursverschränkung in den Debatten um den Film „Das Dritte Geschlecht“ nicht thematisiert wurde. Handelte es sich hier um ein Nicht-Erkennen trotz Sichtbarkeit; beruhte das Schweigen auf tatsächlich Ungesehenem und deshalb nicht Gesagtem – oder auf Gesehenem und damit bewusst Verschwiegenem?

Arbeitskopie

122

4512falk.indd 122 19.05.2008 17:11:54 Uhr Anmerkungen

1 Ich habe meine Studie inzwischen leicht überarbeitet. Die Arbeit wurde unter meinem damaligen Namen Francesca Hoechner eingereicht. 2 Inhaberin der Filmrechte war 2004 die „Technische Systeme Consult GmbH“. Nicht zur Ver- fügung stand mir die in der Edition filmmuseum im Jahre 2006 produzierte DVD „Anders als du und ich“; der hier vorhandene Szenenvergleich zum Film „Das Dritte Geschlecht“ hätte mir die Arbeit erleichtert. Die Standbilder für diese Publikation wurden mit dieser DVD hergestellt. 3 So lautet das Urteil eines Arbeitsausschusses der deutschen „Freiwilligen Selbstkontrolle der Film- wirtschaft“, der am 5. August 1957 den Film in erster Instanz prüfte. 4 Zum Begriff des Grenzverwischers siehe Weininger, Otto: Geschlecht und Charakter. Eine prinzi- pielle Untersuchung. München 1997 (Erstauflage 1903), hier vor allem S. 417. Genauere Ausfüh- rungen dazu folgen im Kapitel 4.1. Zum Kollektivsymbol siehe Link, Jürgen: Texte, Netze, Fluten, Charaktere, Rhizome. Noch sieht das Kollektivsymbol des 21. Jahrhunderts ziemlich alt aus. In: kultuRRevolution Nr. 41/42 August 2001 S. 8–16; weiteres dazu im Kapitel 4.3. 5 Zu den Fragestellungen, die sich aus einer diskursanalytischen Perspektive ergeben, siehe bei- spielsweise Keller, Reiner: Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschafterInnen. Opladen 2004. 6 Der Begriff der Stereotypisierung ist nicht unproblematisch; Ausführungen dazu finden sich im Kapitel 2.1. 7 Siehe beispielsweise Mayer, Hans: Aussenseiter. am Main 1975, Gilman, Sander L.: Freud, Race and Gender. Princeton 1993 und Mosse, George: Das Bild des Mannes. Zur Kon- struktion der modernen Männlichkeit. Frankfurt am Main 1997 sowie Hödl, Klaus: Der Umgang mit dem „Anderen“. Juden, Frauen, Fremde, … Wien u.a. 1996. 8 Boyarin, Daniel; Itzkowitz, Daniel; Pellegrini, Ann: Srange Bedfellows: An Introduction. In: Die- selben (Hrsg.): Queer Theory and the Jewish Question. Colombia 2003 S. 1–18, hier S. 4. 9 Siehe dazu Espagne, Michel: Transferanalyse statt Vergleich. Interkulturalität in der sächsischen Regionalgeschichte. In: Kaelbe, Hartmut; Schriewer, Jürgen (Hrsg.): Vergleich und Transfer. Kom- paratistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt und New York 2003 S. 419–438, hier S. 423 und S. 437. 10 Trüeb, Kuno: „Das dritte Geschlecht“ in Basel. In: Derselbe; Stephan Miescher (Hrsg.): Männer- geschichten. Schwule in Basel seit 1930. Basel 1988 S. 172–178. Christian Philipp Müller hat sich 1992 in seiner Münchner Ausstellung „Vergessene Zukunft/Forgotten Future“ auf künstlerische Weise mit diesem FilmArbeitskopie auseinandergesetzt. 11 Hilzinger, Christian. Institutionalisierte Bildzerstörung: die Basler Filmkommission und die Erwachsenenzensur in den 1950er Jahren: Organisation, Funktion und Praxis. Unpublizierte Lizentiatsarbeit. Basel 1994. 12 Siehe dazu die kurze Erwähnung dieser Aktionen in Roschewski, Heinz: Auf dem Weg zu einem neuen jüdischen Selbstbewusstsein? Geschichte der Juden in der Schweiz 1945–1994. Hrsg.: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund. Basel und Frankfurt am Main 1994 S. 57–58. 13 Benz, Wolfgang: Bilder vom Juden. Studien zum alltäglichen Antisemitismus. Bremen 2001, hier S. 22. 14 Mannes, Stefan: Antisemitismus im nationalsozialistischen Film. Jud Süss und Der Ewige Jude. Köln 1999 hier S. 19. Ob Süss Oppenheimer dem Herrscher behilflich war, Württemberg nach absolutistischem Vorbild zu „modernisieren“ oder ob Karl Alexander und sein Hofjude die beste- henden Herrschaftsverhältnisse einfach missverstanden, es sich also beim Absolutismus-Vorwurf um eine Projektion des 19. Jahrhunderts handelt, ist in der Forschung heute noch umstritten. 15 Mannes 1999 hier S. 111. 16 Mannes 1999 S. 23. 17 Nicht mehr berücksichtigt werden konnte die Arbeit von Anne von der Heiden: Der Jude als Medium. „Jud Süss“. Zürich 2005. 18 Knopp, Daniel: NS-Filmpropaganda. Wunschbild und Feindbild in Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ und Veit Harlans „Jud Süss“. Marburg 2004, hier S. 76.

123

4512falk.indd 123 19.05.2008 17:11:54 Uhr 19 Knopp 2004 S. 78. 20 Arns, Adolf: Fatale Korrespondenzen. Die Jud-Süss-Filme von Lothar Mendes und Veit Harlan im Vergleich. In: Kugelmann, Cilly; Backhaus, Fritz (Hrsg.): Jüdische Figuren in Film und Karikatur. Sigmaringen 1996 S. 97–134, hier S. 124. 21 Diese Schlussszene von „Jud Süss“ wurde von Goebbels überarbeitet. Ein sehr sorgfältig erstelltes Filmprotokoll findet sich bei Hollstein, Dorothea: Antisemitische Filmpropaganda. Die Darstel- lung des Juden im nationalsozialistischen Spielfilm. München 1971 S. 270–315. 22 Singer, Claude: Le Juif Süss et la Propagande Nazie. L’Histoire confisqueée. Paris 2003, hier S. 278– 279. 23 „Im Oktober 1941 begann die planmässige Deportation von Juden, Roma und Sinti aus dem Reichs- gebiet; gleichzeitig wurde nun Juden die Auswanderung verboten; den sich ausserhalb des Landes aufhaltenden deutschen Juden wurde im November 1941 die Staatsangehörigkeit entzogen, und ihr Vermögen konfisziert. Im Dezember kam es in Chelmo zu den ersten Massenmorden mit Giftgas; im Januar 1942 wurde an der Wannseekonferenz in Berlin die ‚Endlösung der Judenfrage‘ koor- diniert. Ende März 1942 begann die Deportation aus Frankreich nach Polen, Anfang Juli vereinbarten französische und deutsche Behörden die Deportation aller nichtfranzösischen Juden.“ Die Schweiz wird ihre restriktive Flüchtlingspolitik erst ab Spätherbst 1943 lockern; neben Schweden scheint die Schweiz das einzige Land gewesen zu sein, das in der Flüchtlingspolitik offen ein im Sinne des Nationalsozialismus definiertes rassistisches Selektionskriterium anwandte. Das Zitat stammt aus den Forschungsergebnissen der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (Hrsg.): Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg. Schlussbericht. Zürich 2002, hier S. 115 wie auch S. 118 und S. 171. Einschlägig ist auch Picard, Jacques: Die Schweiz und die Juden 1933–1945. Schweizerischer Antisemitismus, jüdische Abwehr und internationale Migrations- und Flüchtlingspolitik. Zürich 1994 sowie Kury, Patrick: Über Fremde reden. Überfremdungsdiskurs und Ausgrenzung in der Schweiz 1900–1945. Zürich 2003. Zum katholischen Antisemitismus in der Schweiz siehe Altermatt, Urs: Katholizismus und Antisemitismus. Mentalitäten, Kontinuitäten, Ambivalenzen. Zur Kulturgeschichte der Schweiz 1918–1945. Frauenfeld u.a. 1999. In erschreckender Weise eindrücklich ist Stutz, Hans: Der Judenmord in Payerne. Zürich 2000. Für die Zeit bis 1930 siehe Kamis-Müller, Aron: Antisemitismus in der Schweiz 1900–1930. Zürich 1990. In jener Zeit, in der die Schweizer Flüchtlingspolitik am restriktivsten war, vom November 1942 bis Februar 1944, blendete die Schweizer Wochenschau das Thema vollständig aus. Dazu Schärer, Thomas: Flüchtlinge und Integrierte in der Schweizer Filmwochenschau 1940–1945. In: Vinzenz Hediger u.a. [Hrsg.]: Home stories. Neue Studien zu Film und Kino in der Schweiz. Schüren 2001 S. 171–185, hier S. 175. Ob allerdings ein direkter Zusammenhang zwischen der „Endlösung“ und der Produktion von „Jud Süss“ besteht, ist umstritten. Siehe dazu auch Stahr, Gerhard: Volksgemeinschaft vor der Leinwand? Der nationalsozialistische Film und sein Publikum. Berlin 2001 hier vor allem S. 158–161. 24 Mannes 1999 S. 114. Dazu auch Matthäus, Jürgen: Die „Judenfrage“ als Schulungsthema von SS und Polizei.Arbeitskopie In: Derselbe u.a. (Hrsg.): Ausbildungsziel Judenmord? „Weltanschauliche Erziehung“ von SS, Polizei und Waffen-SS im Rahmen der „Endlösung“. Frankfurt am Main 2003 S. 35–86, hier vor allem S. 65. 25 Die Terra war eine deutsche Filmgesellschaft mit Sitz in Berlin, die Anfang der 30er Jahre von der Zürcher Unternehmerfamilie Scotoni aufgekauft wurde und bald zu einem der bedeutend- sten Filmkonzerne des Dritten Reichs aufstieg: „Die Chancen der reorganisierten Terra, im deut- schen Filmwesen wirtschaftlich erfolgreich zu bestehen, waren dank NS-Machtübernahme und Emigration gestiegen: Die Konkurrenz war geschwächt, die Terra-Film AG aber offensichtlich gewillt, durch Aufgreifen von Themen, die dem neuen Regime entgegenkamen, Kapital aus der veränderten politischen Situation zu schlagen.“ Es war die mittlerweile staatseigene Terra-Film- kunst, welche 1940 den Film „Jud Süss“ realisierte. Siehe dazu Schwarz, Marcel: Auf den Spuren der Terra. In: Kramer, Thomas; Siegrist, Dominik (Hrsg.): Terra. Ein Schweizer Filmkonzern im Dritten Reich. Zürich 1991 S. 7–10, hier S. 7 und Kramer, Thomas: Scotonis, Max Iklé und die Terra-Film AG. In: Ebenda S. 11–54, hier S. 25 sowie Siegrist, Dominik: Von Tell zu Hitler: Die Filme der Terra. In: Ebenda S. 55–94, hier S. 59. 26 Zitiert nach Kraushaar, Wolfgang: Der Kampf gegen den „Jud-Süss“-Regisseur Veit Harlan. „Ein Meilenstein in der Grundrechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts“ In: Mittelweg 36. Zeit- schrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung 6/95 S. 4–44, hier S. 8. 27 Prodolliet, Ernst: Der NS-Film in der Schweiz im Urteil der Presse 1933–1945. Zürich 1998, hier S. 136.

124

4512falk.indd 124 19.05.2008 17:11:55 Uhr 28 Haver, Gianni: Eidgenössische Zensurpolitik 1913–1945. In: Vinzenz Hediger u.a. [Hrsg.]: Home stories. Neue Studien zu Film und Kino in der Schweiz. Schüren 2001 S. 265–276, hier S. 265. 29 Haver 2001 S. 272. 30 Haver 2001 S. 274. 31 Douin, Jean-Luc: Dictionnaire de la Censure auf Cinéma. Images interdites. Paris 1998, hier S. 413. 32 Moeschler, Olivier: La censure cinématographique fédérale en Suisse, 1939 à 1945. In: Vinzenz Hediger u.a. [Hrsg.]: Home stories. Neue Studien zu Film und Kino in der Schweiz. Schüren 2001 S. 277–287, hier S. 283. 33 Moeschler 2001 S. 283. 34 Zensurverfügung 11199 BAr Bestand E 4450 Archiv-Nr. 5823. 35 Siehe dazu auch Aeppli, Felix: Schweizer Film 1929–1964. Die Schweiz als Ritual. Zürich 1981, hier S. 119. 36 Brief von Werner Sautter an den Chef des Rechtsdienstes der Abteilung Presse und Funkspruch im Armeestab. BAr Bestand E 4450 Archiv-Nr. 5823. 37 Protokoll über die Sitzung der Rekurskommission vom 2. April 1941, BAr Bestand E 4450 Archiv- Nr. 5823. 38 „Lion Feuchtwangers Roman Jud Süss wurde 1925 mit seiner Veröffentlichung ein Welterfolg. Darin zeichnete er das Bild eines zwischen Assimilation und Emanzipation hin- und hergerisse- nen jüdischen Intellektuellen. In Anlehnung an diesem [sic] Roman erschien die erste Verfilmung von Jud Süss 1934 in England. Jew Suess, unter der Regie von Lothar Mendes mit Conrad Veidt in der Titelrolle, war als eine Warnung der Weltöffentlichkeit vor dem deutschen Antisemitismus gedacht, geriet jedoch bald in Vergessenheit.“ Mannes 1999 S. 27. Claude Singer stellt fest, dass in der Filmfassung von „Jew Suess“ einige Juden als fremde, wenig sympathische Personen gezeigt würden, die zum Teil für ihre Verfolgung selber verantwortlich seien. Zur Figur des Juden Oppen- heimer meint er: „Dans le film anglais, il apparaît certes comme un homme sympathique mais aussi comme un être faible, incapable de résister à ses pulsions pour l’alcool, le jeu et les femmes.“ Singer, Claude: Le Juif Süss et la Propagande Nazie. L’Histoire confisqueée. Paris 2003, hier S. 87. Ich selbst habe den Film nicht gesehen und kann deshalb kein eigenes Urteil darüber äussern. Fest steht, dass Feuchtwanger selbst antisemitische Vorstellungen in seinem Text zitiert. So wird auf diese Weise unter anderem das Ringen um ein jüdisches Selbstverständnis zwischen Eigen- und Fremdzuschreibung dargestellt. Interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang auch folgende Äusserung: „Friedman weist dem englischen ‚Jew Süss‘ im Zusammenhang mit der Ent- stehung des nazistischen ‚Jud Süss‘ die zentrale inspirierende Funktion zu, im Doppelsinn des französischen Begriffs ‚prétexte‘ als Vorwand (‚prétexte) und zeitlich vorhergehenden Filmtext (‚pré-texte‘) zugleich.“ Siehe Arns 1996 S. 98. 39 Ob der englische Film „Jew Suess“ tatsächlich verboten wurde, und falls dies der Fall war, welche Gründe dazu führten,Arbeitskopie müssten weitere Recherchen klären. 40 Es handelt sich hier um die Abschrift des Memorandums. Siehe BAr Bestand E 4450 Archiv- Nr. 5823. 41 Dass die Schweizer Zensurpolitik im Dritten Reich scharf beobachtet wurde, zeigt auch ein Auf- satz von Fritz Hippler, in welchem unter anderem auch das Verbot von „Jud Süss“ kritisiert wird. Hippler, Fritz: Die Filmzensur der Neutralen. In: Derselbe: Betrachtungen zum Filmschaffen. Berlin 1943. 5. neubearbeitete und erweiterte Auflage S. 132–143, hier besonders S. 135. Hippler war 1939 von Goebbels zum Chef der Filmabteilung ernannt worden. 42 Brief des EDA an die Abteilung Presse und Funkspruch im Armeestab vom 7. Juni 1941, BAr Bestand E 4450 Archiv-Nr. 5823. 43 Brief des Armeestabes Abteilung Presse und Funkspruch an das EDA vom 10. Juni 1941, BAr Bestand E 4450 Archiv-Nr. 5823. 44 Ebenda. 45 BAr Bestand E 4450 Archiv-Nr. 5823. 46 Prodoillet S. 137. 47 Hans Stutz schrieb am 8. März 2002, dieser Verein von Schweizer Holocaust-Leugnern sei im März 2002 vom Bezirksgericht Fribourg aufgelöst worden. Dass der Verein trotz gerichtlicher Auflösung aber weiterhin aktiv sei, zeigt Stutz in einer Notiz vom 6. Januar 2004. Siehe dazu die Artikel und Notizen von Hans Stutz unter www.hans-stutz.ch wie auch der Eintrag in Stutz, Hans: Rassistische Vorfälle in der Schweiz: Eine Chronologie und eine Einschätzung. Herausgegeben

125

4512falk.indd 125 19.05.2008 17:11:55 Uhr von der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz; Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Zürich 2003 S. 45. Die Homepage von „Vérité et Justice“ ist unter www.verite-justice.com immer noch aufgeschalten (20. April 2004). Zu den Schweizer Holocaust-Leugnern siehe auch der Arti- kel von Stutz, Hans: Auschwitz-Leugner in der Schweiz. In: Streit um Geschichte, Antisemitismus, Rassismus. Widerspruch. Beiträge zur sozialistischen Politik. 32/1996 S. 23–28. 48 Kraushaar 1995 S. 9. 49 „Verbrechen gegen die Menschheit können weder mit nationalstaatlichem Recht legitimiert noch nationalstaatlich verhandelt und abgeurteilt werden.“ Beck, Ulrich; Levy, Daniel; Sznaider, Natan: Erinnerung und Vergebung in der Zweiten Moderne. In: Beck, Ulrich; Lau, Christian (Hrsg.): Ent- grenzung erzwingt Entscheidung: Was ist neu an der Theorie reflexiver Modernisierung? Frankfurt am Main 2004 S. 440–468, hier S. 453. Der im Original englische Begriff „Crime against humanity“ wird im Deutschen sowohl mit „Verbrechen gegen die Menschheit“ wie auch mit der eigentlich inkorrekten Übersetzung „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wiedergegeben. 50 Kraushaar 1995 S. 15. 51 Kraushaar 1995 S. 20. Siehe dazu auch Haumann, Heiko: Fussball, Veit Harlan und die Volkspolizei 1953. Ein Fall von Hooliganismus im Elztal? In: Watzkla, Volker (Hrsg.): „s’ Eige zeige“. Jahrbuch des Landkreises Emmendigen für Kultur und Geschichte. Emmendingen 2002 S. 111–116. 52 Eppe, Heinrich: Jugendprotest gegen Aufführungen von Veit Harlan-Filmen. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Jugendpolitik in der Nachkriegszeit. Zeitzeugen – Forschungsberichte – Dokumente. Mate- rialien zur Historischen Jugendforschung. Weinheim und München 1993 S. 67–74, hier S. 68. 53 Die Gründung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes als Dachverband der jüdischen Gemeinden erfolgte 1904, unter anderem auch als Reaktion auf die angenommene Initiative für ein Schächtverbot. Nach 1945 kam dem SIG – als eine der wenigen erhaltenen jüdischen Strukturen – vor allem wohl auch im deutschsprachigen Raum eine wichtige Rolle zu. Siehe dazu Funk, Michael; Gast, Uriel; Keller, Zsolt: Eine kleine Geschichte des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (1904–2004). In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 23–55 wie auch Erlanger, Simon: Eine kurze Geschichte der jüdischen Presse in der Schweiz. Ebenda S. 86–95. 54 Die Unterlagen der JUNA zu den Harlan-Filmen befinden sich im Archiv für Zeitgeschichte in Zürich. Diese Bestände wurden noch nicht mit einer Signatur versehen. Hier AfZ Harlan Schachtel- Nr. 1, Dossier Korrespondenz mit Einzelpersonen 1951/1952. 55 AfZ Harlan Schachtel-Nr. 1, Dossier Aktionskomitee gegen die Aufführung von Harlan-Filmen (E. Lanz). 56 Protokoll der zweiten Sitzung des „Aktionskomitee gegen die Aufführung von Harlan-Filmen“ vom 8. Februar 1952. AfZ Harlan Schachtel-Nr. 1, Dossier Aktionskomitee gegen die Aufführung von Harlan-Filmen (E. Lanz). 57 Ebenda. 58 Die Verbotsbegründung,Arbeitskopie die sich über die Unterlagen der Zürcher Behörden rekonstruieren lassen müssten, wie auch eine Analyse der Mobilisierungsmechanismen der Harlan-Gegner, böten genü- gend Stoff für eine weitere Lizentiatsarbeit; leider kann ich darauf nicht weiter eingehen. 59 AfZ Harlan-Schachtel Nr. 1 Dossier Korrespondenz mit Einzelpersonen 1951/1952. 60 Auch zu dieser Aktion, die für ein weltweites Medieninteresse sorgte, sind im AfZ spannende Unterlagen vorhanden, so unter anderem auch Briefe von Veit Harlan an die JUNA, die sich in der Harlan Schachtel-Nr. 1, Dossier Aktion 1954, Korrespondenz mit Einzelpersonen A–Z, 1954/1955 befinden. 61 Siehe dazu beispielsweise die Dossiers in der Zürcher Dokumentationsstelle der cinématèque suisse. 62 Dieser Hinweis befindet sich auch im Protokoll der zweiten Sitzung des „Aktionskomitee gegen die Aufführung von Harlan-Filmen“. Siehe dazu auch Leiser, Erwin: „Deutschland, erwache!“ Pro- paganda im Film des Dritten Reiches. Reinbek 1978 (erweiterte Neuauflage von 1968), hier S. 120. Material zur Aufführung von Entsagung ist auch in der Harlan-Schachtel Nr. 2, Dossier Veit Harlan PA 1940–1950 enthalten. 63 Siehe dazu die Ausführungen zur Filmdiskussion im Nationalrat in der Frühjahrssession 1952 im Magazin Schweizer Film Nr. 8 Mai 1952 S. 3, ebenda. 64 Film-Magazin Nr. 14 1952 AfZ Harlan-Schachtel Nr. 2, Dossier zu Broschüren. 65 Sondernummer Film-Magazin Nr. 17 vom 3. September 1958. In: AfZ Harlan-Schachtel Nr. 3 PA 1957–1958.

126

4512falk.indd 126 19.05.2008 17:11:56 Uhr 66 Söderbaum ist der Nachname von Harlans dritter Ehefrau Kristina. 67 AfZ Harlan-Schachtel Nr. 1, Korrespondenz mit Institutionen, Tageszeitungen u. Zeitschriften, A–I 1950–1952. 68 Aktennotiz von Benjamin Sagalowitz in Sachen Veit Harlan vom 30. März 1954, AfZ Harlan- Schachtel Nr. 1, Aktion 1954, Aktennotizen von B. Sagalowitz 1954/55. 69 Siehe im Folgenden der Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich von der Sitzung vom 31. Oktober 1963. AfZ Harlan-Schachtel Nr. 1, Dossier Harlan Aktion 1960– 1963: Korrespondenzen, Aktennotizen und Pressenotizen 1960–1963. 70 Tages-Anzeiger vom 18. April 1962, Sozialarchiv in Zürich Bestand ZA 17.4. 71 Die Beiträge können im Bundesarchiv visioniert werden. Die Signatur lautet J 2.225 (–) 1996/68 Band: 1253. Da der Eintrag in der Datenbank von Memoriav nicht eindeutig ist, könnte es sich beim Beitrag vom 15. April auch um einen Bericht der Wochenschau handeln. 72 Tagesschau-Bericht vom 18. April 1962. Ebenda. Im Oktober 1963 wird der Film schliesslich nochmals zugelassen, dann aber wohl wieder verboten; jedenfalls habe ich keine Dokumente gesichtet, die von einer weiteren Auseinandersetzung zeugen würden. 73 Die genannten Akten und die zitierten Zeitungsartikel befinden sich im Staatsarchiv des Kan- tons Basel-Stadt und sind einsehbar unter PD-Reg 2 17.04.03. (Filmkommission) und PD-Reg 4 11.06.01 (Polizeiinspektorat/Kinowesen). Viele Unterlagen sind in beiden Beständen vorhanden. 74 Zu den Verbotsumständen in Frankreich und Belgien siehe der Eintrag „Sentiers de la gloire“ in Douin 1998, hier S. 402. 75 Hilzinger, Christian: Kampf dem Ungeheuer Film. Die Geschichte der Filmzensur in Basel. In: Magazin der Basler Zeitung 25. März 2000 Nr. 12 S. 1–5, hier S. 5. 76 Diese Korrespondenz befindet sich im Schweizerischen Bundesarchiv im Bestand E 2001 1958/60 und 1961/63. 77 Diese Stellungsnahme des Bundesrates vom 19. März 1959 antwortet auf die Kleine Anfrage von Nationalrat Huber über die Veit-Harlan-Filme. Siehe dazu beispielsweise die NZZ 19. März 1959. 78 Hilzinger 2000 S. 5. Ich habe allerdings in den genannten Beständen des Bundesarchivs keine Hinweise dazu gefunden. 79 Hilzinger 2000 S. 5. 80 Winter, Rainer: Cultural Studies. In: Flick, Uwe; Von Kardorff, Ernst; Steinke, Ines: Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg 2000 S. 204–212, hier S. 208. 81 Siehe dazu Sarasin, Philipp: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. Frankfurt am Main 2003. Der kritische Impetus der Diskursanalyse, wie sie von Foucault entwickelt worden ist, meint dazu auch Achim Landwehr, „besteht darin, zu zeigen, wie Wahrheiten jeweils historisch her- vorgebracht und innerhalb von politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Zusammenhängen wirksam wurden. Diese Analysearbeit, die historische und for- schungspraktische Selbstverständlichkeiten zur Disposition stellt, impliziert eine dauerhafte Haltung der Kritik gegenüberArbeitskopie aktuellen Formen des Wissens, der Wahrheit, des Handelns und Sprechens.“ Landwehr, Achim: Geschichte des Sagbaren. Einführung in die Historische Diskurs­ analyse. Tübingen 2001, hier S. 172. 82 Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses. Inauguralvorlesung am Collège de France 2. Dezember 1970. Frankfurt am Main u.a. 1977, hier S. 7. 83 Link, Jürgen: Auf Entdeckungsreise durch Diskurse und Interdiskurse. In: kultuRRevolution Nr. 47 Juni 2004 S. 86–93, hier 87. Siehe auch Jäger, Siegfried: Kritische Diskursanalyse. Eine Ein- führung. Duisburg 1999. 84 Ebenda. 85 Ebenda. 86 Siehe dazu Imhof, Michael: Stereotypen und Diskursanalyse. Anregungen zu einem Forschungs- konzept kulturwissenschaftlicher Stereotypenforschung. In: Hahn, Hans Henning (Hrsg.:): Ste- reotyp, Identität und Geschichte. Die Funktion von Stereotypen in gesellschaftlichen Diskursen. Oldenburger Beiträge zur Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas. Frankfurt am Main u.a. 2002 S. 57–52, hier S. 63. 87 Siehe dazu Osten, Ulrich: NS-Filme im Kontext sehen! „Staatspolitisch besonders wertvolle“ Filme der Jahre 1934–1938. München 1998, hier S. 23. 88 Siehe dazu Terkessidis, Mark: Psychologie des Rassismus. Opladen 1998. 89 Schade, Sigrid: Vom Wunsch der Kunstgeschichte, Leitwissenschaft zu sein. Pirouetten im soge- nannten ‚Pictorial Turn‘. In: Möntmann, Nina; Richter, Dorothee (Hrsg.): Die Visualität der

127

4512falk.indd 127 19.05.2008 17:11:56 Uhr Theorie vs. Die Theorie des Visuellen. Eine Anthologie zur Funktion von Text und Bild in der zeitgenössischen Kultur. Frankfurt am Main 2004 S. 31–43, hier S. 38. 90 Foucault, Michel: Worte und Bilder. In: Defert, Daniel; Ewald, François (Hrsg.): Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits. Band I 1954–1969. Frankfurt am Main 2001 S. 794–797. 91 Waldenfels, Bernhard: Michel Foucault: Ordnung in Diskursen. In: Derselbe und Ewald, François (Hrsg.): Spiele der Wahrheit. Michel Foucaults Denken. Frankfurt am Main 1991 S. 277–297, hier S. 291. 92 Ebenda S. 795. 93 Collenberg-Plotinkow, Bernadette: Die Funktion der Kunst im Zeitalter der Bilder. In: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 50/1 2005 S. 139–153, hier S. 144. 94 Siehe Foucault, Michel: Dies ist keine Pfeife. Mit zwei Briefen und vier Zeichnungen von René Magritte. München 1997. Dazu auch Deleuze 1987 hier vor allem S. 92. 95 Deleuze, Gilles: Foucault. Frankfurt am Main 1987, hier S. 71. 96 Jäger 1999 S. 132. 97 Göttlich, Udo; Winter, Rainer: Politik des Vergnügens. Zur Diskussion der Populärkultur in den Cultural Studies. Köln 2000 S. 7–19, hier S. 14. 98 Kracauer, Siegfried: Das Ornament der Masse. Frankfurt am Main 1977, hier S. 50. 99 Ferro, Marc: Gibt es eine filmische Sicht der Geschichte? In: Rother, Rainer (Hrsg.): Bilder schrei- ben Geschichte: Der Historiker im Kino. Berlin 1991 S. 17–36, hier S. 22. 100 Hickethier, Knut: Einführung in die Medienwissenschaft. Stuttgart und Weimar 2003, hier S. 228, S. 218–239. 101 Ebenda S. 134. 102 Einschlägig ist hierzu auch Maasen, Sabine, Mayerhauser, Torsten, Renggli, Cornelia (Hrsg.): Bil- der als Diskurse – Bilddiskurse. Weilerswist 2006 sowie Paul, Gerhard (Hrsg.): Visual History. Ein Studienbuch. Göttingen 2006. 103 Nolzen, Armin: „Hier sieht man den Juden, wie er wirklich ist.“ Die Rezeption des Filmes „Jud Süss“ in der deutschen Bevölkerung, 1940–1941. In: Abtract zur Tagung „Joseph Oppenheimer, genannt ‚Jud Süss‘: Zur Wirkungsmacht einer ‚ikonischen Figur‘“ S. 10–11, hier S. 11. 104 Ebenda. Siehe dazu auch Kleinhans, Bernd: Ein Volk, ein Reich, ein Kino. Lichtspiel in der brau- nen Provinz. Köln 2003, hier insbesondere S. 196. 105 Lohmeier, Anke-Marie: Ambivalenz als Programm. Veit Harlans Film „Jud Süss“. Abstract zur Tagung „Joseph Oppenheimer, genannt ‚Jud Süss‘: Zur Wirkungsmacht einer ‚ikonischen Figur‘“ S. 8–9. hier S. 9. Inzwischen wurde der Tagungsband publiziert. Siehe dazu Przyrembel, Alexan- dra; Schönert, Jörg (Hrsg.): „Jud Süss“. Hofjude, literarische Figur, antisemitisches Zerrbild. Frank- furt am Main 2006. 106 Russo, Vito: Die schwule Traumfabrik. Homosexualität im Film. Berlin 1990 (Erstausgabe auf Englisch 1981), hier S. 255. 107 Zitat aus RobertArbeitskopie Epsteins und Jeffrey Friedmans Film „The Celluloid Closet. Gefangen in der Traumfabrik. Ein Streifzug durch die schwullesbische Filmgeschichte Hollywoods“, der auf der Buchvorlage von Vito Russo beruht. USA 1995, deutsche Synchronfassung Frankfurt am Main 1997. 108 Kaes, Anton: Filmgeschichte als Kulturgeschichte. In: Jung, Uli; Schatzberg, Walter: Filmkultur zur Zeit der Weimarer Republik. München u.a. 1992 S. 54–64, hier S. 57–62. 109 Korte, Helmut: Historische Wahrnehmung und Wirkung von Filmen. Ein Arbeitsmodell. In: Hickethier, Knut; Müller, Ego; Rother, Rainer (Hrsg.): Der Film in der Geschichte: Dokumenta- tion der GFF-Tagung. Berlin 1997 S. 154–166, hier S. 26. 110 Prümm, Karl: Filmkritik als Medientransfer. Grundprobleme des Schreibens über Filme. In: Derselbe und Grob, Norbert (Hrsg.): Die Macht der Filmkritik. Positionen und Kontroversen. München 1990 S. 9–24, hier S. 11. 111 Auf die Abgrenzungsproblematik zwischen christlichem Antijudaismus und biologisch-rassisch argumentierendem Antisemitismus gehe ich im Kapitel 5.3. genauer ein. Einen sehr hilfreichen Überblick zur Thematik, insbesondere in Bezug auf antisemitische Äusserungen von Intellektu- ellen, bietet Haumann, Heiko: „Wir waren alle ein klein wenig antisemitisch.“ Ein Versuch über historische Massstäbe zur Beurteilung von Judengegnerschaft an den Beispielen Karl von Rot- teck und Jacob Burckhardt. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. Vol. 55 2005 Nummer 2 S. 196–214. 112 Ziege 2002 S. 27.

128

4512falk.indd 128 19.05.2008 17:11:57 Uhr 113 Berger Waldenegg, Georg Christoph: Antisemitismus: „Eine gefährliche Vokabel?“ Diagnose eines Wortes. Wien, Köln und Weimar 2003, hier S. 113. Dazu auch Zimmermann, Mosche: Aufkom- men und Diskreditierung des Begriffs Antisemitismus. In: Büttner, Ursula (Hrsg.): Das Unrechts- regime. Internationale Forschung über den Nationalsozialismus. Hamburg 1986 S. 49–58. 114 Benz 2001 S. 129. 115 Benz 2001 S. 141. 116 Benz 2001 S. 139. 117 Ebenda. 118 Siehe der Eintrag in der online Enzyklopädie für „gay, lesbian, bisexual, transgender und queer culture“ unter www.glbtq.com/social-sciences/homophobia.html (10. Juni 2004). Auch K.T. Smith benutzt in einem Aufsatz von 1971 dieses Wort. 119 „Heterosexismus“ bezeichnet die unhinterfragte Normalität der heterosexuellen Lebensform. 120 Telefonische Auskunft der Duden-Redaktion vom14 . Juli 2004. 121 Eintrag „homophob“ im Duden: Das grosse Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden. Mannheim u.a. 1999 (3. neubearbeitete und erweiterte Auflage) S. 1862. 122 Siehe dazu Tin, Louis-Georges: Dictionnaire de L‘Homophobie. Paris 2003, hier S. XI Intro- duction. 123 Ausführungen zum Begriff „Homosexualität“ finden sich im Kapitel 3.4. 124 Die Liste der zu erläuternden Begriffe liesse sich beliebig erweitern; um nicht in einen unend- lichen Regress zu verfallen, belasse ich es bei dieser Auswahl. Wo ich es als nötig erachte, werde ich darauf aufbauend im Laufe meiner Arbeit diese Grundbegriffe ergänzen und präzisieren. 125 Felix Lützkendorf, der das Drehbuch nach einer Idee von Robert Pilchowski verfasste, hatte bereits während des Dritten Reiches auf diesem Gebiet gearbeitet. Zusammen mit Eduard von Borsody schrieb er damals beispielsweise das Drehbuch für den Film „Wunschkonzert“. Dieser Streifen wurde 1940 in Berlin uraufgeführt. 126 Wobei natürlich auch zu berücksichtigen ist, dass die Produktion eines Farbfilmes teurer gewesen wäre. 127 Die Dialogliste, welche mir die FSK zur Verfügung stellte, trägt den Titel „Da wirst du schuldig, und du weisst es nicht“. Sie entspricht bis auf kleine Details den Dialogen in „Anders als du und ich“. Die Textstellen, die von der Fassung „Das Dritte Geschlecht“ abweichen, wurden überklebt und neu beschriftet oder, wie am Schluss der Liste, ganz ausgewechselt. Beim Zitieren der Film- dialoge richte ich mich nach dieser Dialogliste. An jenen Stellen, wo die gesprochene Fassung davon abweicht, werde ich es verdeutlichen. 128 Es ist nicht nebensächlich, in welchen Begriffen Menschen denken. Der Begriff „Homosexuali- tät“ wurde im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vom deutsch-ungarischen Schriftsteller Karl Maria Benkert geprägt, gebräuchlich wurde diese Bezeichnung aber erst seit Beginn des 20. Jahr- hunderts. „Durch den Einfluss der aufkommenden Sexualwissenschaft in Deutschland um 1900 wurde dieser terminusArbeitskopie technicus auch in anderen Sprachen zunächst von Sexualwissenschaft- lern verwendet und ist dann in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen.“ Skinner, Jody: Bezeichnungen für das Homosexuelle im Deutschen. Eine lexikologische Analyse und eine lexikographische Aufgabe. Dissertation eingereicht an der Universität Koblenz-Landau. Koblenz und Landau 1999 Band I S. 100. Damit verdrängte dieser Begriff die Bezeichnung der „konträren Sexualempfindung“ und Carl Heinrich Ulrichs 1( 825–1895) „Uranismus“. Der älteste aller grie- chischen Götter, Uranos, zeugte seine Tochter Urania ohne Mithilfe einer Frau; Ulrichs wollte also die symbolische Zeugungskraft des Mannes bezeichnen, als er die „Homosexualität“ „Ura- nismus“ nannte (Skinner II S. 324). Die Bezeichnung „Konträre Sexualempfindung“ wiederum wurde 1869 von dem Berliner Psychiater Carl Westphal geprägt (Skinner II S. 193). Vereinzelt stösst man auch in gegenwartssprachlichen Wörterbüchern auf den Begriff der „Inversion“, also der „Umkehrung des Geschlechtstriebs“. Kritisiert wird an diesem Begriff die Nähe zwischen den Begriffen „Inversion“ und „Perversion“; beide Begriffe stammen vom lateinischen „vertere“ ab und bedeuten zunächst „Umlenkung“, fordern also zur Korrektur auf (Skinner II S. 175). Magnus Hirschfeld kritisierte die Bezeichnung „Homosexualität“, da dieser Ausdruck eine Bastardbildung aus dem gr. homos=gleich und lat. Sexus=Geschlecht sei. In der Umgangssprache wird „homo“ allerdings oft nicht auf das „gleiche“, sondern auf das lateinische Wort für Mann bezogen (Skin- ner I S. 90). An der Bezeichnung „homosexuell“ wird auch die zu starke Betonung des „Sexuellen“ kritisiert (Skinner II S. 161). Zu den Begriffen „das dritte Geschlecht“, „schwul“ und „queer“ siehe Kapitel 3.6.

129

4512falk.indd 129 19.05.2008 17:11:57 Uhr 129 Die Schlüsselgewalt steht symbolisch oft auch für das Verfügen von „Herrschaftspositionen“ innerhalb des Haushaltes. Gerdas Position verhält sich dazu ambivalent. 130 Die elektronische Musik produzierte Oskar Sala, der auf diesem Gebiet als Pionier bezeichnet werden kann. Unter anderem vertonte Sala 1962 die Vogelstimmen in Alfred Hitchcocks „The Birds“. Während des Dritten Reiches war er bei der Vertonung des deutschen Tric-Films „Armer Hansi“ (1943) beteiligt. 131 Im Film wird diese parallelisierende Montage, die auf das Zusammentreffen der verschiedenen Parteien neugierig machen soll, sehr oft verwendet. 132 Mutter Teichmann verharmlost Gerdas Klage über solche sexuellen Belästigungen mit den Wor- ten: „Die meisten [Männer] tun das nun einmal so.“ 133 Herzer, Manfred: Un Chant d‘Amour: Literatur, Theater Film. In: Goodbye to Berlin? 100 Jahre Schwulenbewegung. Eine Ausstellung des Schwulen Museums und der Akademie der Künste. Berlin 1997 S. 258–262, hier S. 261 und 262. Dazu auch Trüeb 1988 hier S. 172. Giese wirkte spä- ter auch in Oswalt Kolles Aufklärungsfilmen mit, in denen er teilweise sogar selber auftrat. Siehe dazu Zeh, Barbara: Der Sexualforscher Hans Giese – Leben und Werk. Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe Universität. Frankfurt am Main 1988, hier S. 119. 134 Giese, Hans: Der homosexuelle Mann in der Welt. Stuttgart 1958, hier S. 207. Giese vertritt auch ein sehr traditionelles Frauenbild. Nach Giese gehört im Prinzip das Mutterwerden zu jeder Frau; dies trage auch zur Stabilisierung ihrer leibseelischen Gesundheit bei. „Die Haltung der Mutter zum Kind oder zum Wunsch nach dem Kind scheint ein Wesensmerkmal des Weiblichen schlechthin widerzuspiegeln, das zu jeder Zeit an jedem Ort gültig ist, ein Umsorgen und Ver- haftetbleiben am Umkreis des Herdes und Heimes.“ Giese, Hans: Der Wunsch nach dem Kinde. In: Giese, H.; Willy, A. (Hrsg.): Mensch, Geschlecht, Gesellschaft. Das Geschlechtsleben unserer Zeit gemeinverständlich dargestellt. Paris 1954 S. 445–450, hier S. 449. 135 Giese 1958, hier S. 207 und 208. 136 Giese 1958, hier S. 209. 137 Giese 1958, hier S. 78. 138 Giese 1958, hier S. 74. 139 Giese 1958, hier S. 73. 140 Giese, Hans: Der homosexuelle Mann. In: Giese 1954 S. 868–873, hier S. 872. 141 Unklar bleibt, auf welches Prinzip der Homöopathie sich Schmidt hier bezieht. Je nachdem, ob hier die Bekämpfung des Ähnlichen durch das Ähnliche oder das Potenzieren eines Heilmittels über das Prinzip der Verdünnung gemeint ist, erscheint die Übertragung dieses Ratschlages auf das „Naturheilmittel Frau“ in einem anderen Licht. 142 In „Anders als du und ich“ fällt der Ratschlag weniger deutlich aus. Der Geheimrat stellt hier fest, nur die echte Liebe zu einer Frau könne da wirklich etwas helfen; Mutter Teichmann wird also nicht in gleichArbeitskopie direkter Weise zum Handeln aufgefordert. 143 Gerda, die zu Beginn des Filmes aufgrund der Abwesenheit von Klaus den Braten nochmals in den Ofen schiebt, verhindert also sozusagen, dass auch Klaus ein „ungebackenes Brötchen“ wird. 144 Es ist kein Zufall, dass Gerda im Garten barfuss beim Wäscheaufhängen gezeigt wird, während sich Boris Winkler meistens in dunklen Räumen aufhält. Denn die Kodierung der Frau als „Natur“ besitzt eine lange Tradition: „aufgrund seiner angeblichen Naturnähe wird das in der androzen- trischen Kultursymbolik marginalisierte Weibliche entweder als extrem niedrig- oder extrem hochstehend, selten aber, wie das Männliche, als allgemein-menschlich eingestuft. Als Mittlerin mit der Aufgabe, Natur in Kultur zu überführen, partizipiert die Frau (indem sie z.B. ihre Kinder im Sinne der anerkannten Weltordnung sozialisiert) am Projekt der Kultivierung, das auf eine Überwindung des Naturzustandes abzielt.“ Eintrag zu Liminalität (Zwischenstellung der Frau am Übergang von Natur zur Kultur) in: Knoll, Renate: Metzler Lexikon Gender Studies/Geschlechter- forschung. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Stuttgart 2002. 145 Im „Dritten Geschlecht“ ist deutlich mehr nackte Haut zu sehen als in der Filmfassung „Anders als du und ich“. 146 Giese, Hans; Hansen, Jürg; Wilfried Rasch (Hrsg.): Psychiatrische Beiträge zur modernen Kunst. Stuttgart 1967, hier S. 16. Gerdas zufriedener Blick in den Spiegel beim Verrichten der Abend- toilette erscheint dagegen als normal: „Spiegel, Zurechtputzen und Schminken, kritisches oder wohlgefälliges Sichbetrachten usw. gehören in das Ritual der Schönheitspflege hinein, das der Frau selbstverständlich zusteht, infolgedessen eine von vornherein eingeordnete und einzuordnende

130

4512falk.indd 130 19.05.2008 17:11:58 Uhr Rolle spielt.“ Giese, Hans: Abnormes und perverses Verhalten. In: Derselbe (Hrsg.): Psychopatho- logie der Sexualität. Stuttgart 1962 S. 310–470, hier S. 315. 147 Giese, Hans: Der homosexuelle Mann. In: Giese 1954 S. 868–873, hier S. 896. 148 Giese 1954 S. 868–873, hier S. 869. 149 Siehe Giese 1954 S. 868–873, hier S. 871. 150 Gilman, Sander L.: Freud, Race and Gender. Princeton 1993, hier S. 135. Dazu auch Trechsel, Rolf: Die Medizinalisierung der Homosexualität. In: Trüeb und Miescher 1988 S. 204–206, hier S. 205 sowie auch Dannecker, Martin: Zur Konstitution des Homosexuellen. In: Gooss, Ulrich; Gschwind, Herbert (Hrsg.): Homosexualität & Gesundheit. Berlin 1989 S. 113–127, hier S. 121. 151 Herzer, Manfred; Steakley, James: Nachwort. In: Hirschfeld, Magnus: Von einst bis jetzt. Geschichte einer homosexuellen Bewegung 1897–1922. Berlin 1986 (Erstmals 1922/23), hier S. 208. Siehe auch Hirschfeld, Magnus: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes. Nachdruck der Erst- auflage von1 914. Berlin und New York 1984. 152 Skinner 1999 II S. 88. 153 Später wird Mutter Teichmann ihren Mann fragen, wie er das „dritte Geschlecht“ verstehe. Es stellt sich heraus, dass auch Vater Teichmann in dieser Frage das Lexikon konsultiert hat; er möchte das aber offenbar zu diesem Zeitpunkt nicht zu einem Diskussionsthema machen. Beachtenswert ist, dass beide Ehepartner also zuerst auf ein Lexikon als Informationsmedium zurückgreifen. 154 Dannecker 1989 S. 120. 155 Skinner 1999 II S. 90. 156 Baumgardt, Manfred: Die Homosexuellen-Bewegung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. In: Eldorado. Homosexuelle Frauen und Männer in Berlin 1850–1950. Geschichte, Alltag und Kultur. Berlin 1984 S. 17–27, hier S. 17. 157 Hirschfeld wollte zwar in seinen Publikationen der Homosexualität einen natürlichen Status zusprechen, er scheitere allerdings immer wieder bei der Normalisierung von Homosexualität. Dazu Spörri, Myriam: N.O. Body, Magnus Hirschfeld und die Diagnose des Geschlechts: Her- maphrodismus um 1900. In: L’Homme. Zeitschrift für Feministische Wissenschaft. 14. Jg. Heft 2 2003 S. 244–261, hier S. 251. 158 Baumgardt 1984 S. 18. 159 Steakley, James: Film und Zensur in der Weimarer Republik: Der Fall Anders als die Andern. In: Capri. Zeitschrift für schwule Geschichte. Nr. 21 Marz 1996 S. 33, hier S. 14. Da die Nummern 1 bis 30 der Zeitschrift Capri auf CD-ROM erhältlich sind, beziehen sich die von mir gemachten Seitenaufgaben auf die pdf-Version des Artikels. 160 Theis, Wolfgang: Anders als die Andern. Geschichte eines Filmskandals. In: Eldorado. Homosexu- elle Frauen und Männer in Berlin 1850–1950. Geschichte, Alltag und Kultur. Berlin 1984 S. 28– 30, sowie derselbe: Verdrängung und Travestie. Das vage Bild der Homosexualität im deutschen Film (1917–1957). In: Eldorado 1984 S. 102–113. Dazu auch Schock, Axel; Kay, Manuela: Out im Kino. Das lesbisch-schwuleArbeitskopie Filmlexikon. Berlin 2003, hier S. 35 und Weber, Matthias; Burgmair, Wolfgang: „Anders als die Andern“. Kraepelins Gutachten über Hirschfelds Aufklärungsfilm. Ein Beitrag zur Psychiatriegeschichte der Weimarer Republik. In: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte Band 81 1997 S. 1–20. 161 Dieser Vortrag ist heute nur in schriftlicher Fassung vorhanden, da nur Fragmente der ursprüng- lichen Filmfassung überliefert sind. 162 Steakley S. 8. 163 Steakley 1996 S. 17–20. Auf diesen Aspekt gehe ich in Kapitel 4.2. genauer ein. Hier soll die Anmerkung genügen, dass Freud das Konzept der „polymorph perversen Sexualität“ des Kindes beziehungsweise seiner konstitutionellen Bisexualität prägte. Siehe dazu Dannecker 1989 S. 123. 164 Skinner 1999 Band II S. 27. Bemerkenswert ist der Umstand, dass der jüdische Schriftsteller Kurt Guggenheim 1930 einen Text mit dem Titel „Anders als die andern. Bemerkungen zur jüdischen Frage“ publizierte. Dieser Artikel, der sich antisemitischen Vorstellungen nicht entziehen konnte, erschien im Schweizer Spiegel Nr. 4 im Januar 1930. „Für Guggenheim selbst überraschend, wurde der Artikel in tonangebenden jüdischen Kreisen als völlig unzumutbar empfunden.“ Linsmayer, Charles: Juden und Judentum im Schweizer Literatur- und Theaterschaffen. In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 179–208, hier S. 188. Weshalb nicht alle Juden mit Ablehnung antise- mitischer Stereotypisierungen reagierten, erklärt Monica Rüthers folgendermassen: „Als Teil des bürgerlichen Diskurses waren die Judenbilder schliesslich Teil der Kultur, der man sich zurech-

131

4512falk.indd 131 19.05.2008 17:11:58 Uhr nete.“ Rüthers, Monica: Der Jude wird weibisch – und wo bleibt die Jüdin? Jewish Studies – Gen- der Studies – Body History. In: Traverse. Zeitschrift für Geschichte. Bilder des Anderen. 1996/1 S. 136–145 hier S. 140. 165 Herzer und Steakley S. 211. 166 Herrn, Rainer: Sexualwissenschaft und –politik bei Magnus Hirschfeld. In: Burkhard, Jellonek; Lautmann, Rüdiger (Hrsg.): Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle. Verdrängt und ungesühnt. Paderborn u.a. 2002 S. 317–328, hier S. 319. Kurz dazu auch Trüeb, Kuno: Die ersten homosexuellen Vereine in Basel. In: Derselbe 1988 S. 18–41, hier S. 31. 167 Friedli, Sigi: Psychiatrie und Homosexualität. In: Trüeb und Miescher 1988 S. 207–212, hier S. 207. Dazu auch Schlatter, Christoph: „Merkwürdigerweise bekam ich Neigung zu Burschen.“ Selbstbilder und Fremdbilder homosexueller Männer in Schaffhausen1 867 bis 1970. Zürich 2002 sowie derselbe: „Mit den Homos sei das Geld leichter zu verdienen.“ Männerprostitution im nachkriegszeitlichen Schaffhausen. In: Integration und Ausschluss. Zeitschrift des Schweizeri- schen Bundesarchives. Studien und Quellen 29 2003 S. 335–36.“ It was not until the emergence of the gay liberation movement in the 1970s the American Psychiatric Association (APA) removed homosexuality from its nomenclatur of disorders.“ Miller, Neil: Out of the Past. Gay and Lesbian History from 1869 to the Present. New York 1995, hier S. 256. 168 Steinle, Karl-Heinz: Homophobiles Deutschland – West und Ost. In: Goodbye to Berlin? 100 Jahre Schwulenbewegung. Eine Ausstellung des Schwulen Museums und der Akademie der Künste. Berlin 1997 S. 195–209, hier S. 198. Dazu auch Portmann, Roger: Konzepte männlicher Homo- sexualität in der Schweiz 1932–1967 im Spiegel der Zeitschriften „Freundschaftsbanner“, „Men- schenrecht“ und „Der Kreis“. Unpublizierte Lizentiatsarbeit eingereicht an der Philosophischen Fakultät I der Universität Zürich. Mai 2000, hier S. 140. Die deutsche Übersetzung des Bandes zum männlichen Sexualverhalten von Kinsey erschien nach Portmann erst 1955. 169 Dannecker 1989 S. 121. 170 Bergermann, Ulrike: Das Bildnis der Gertrude Stein. Picassos Portrait im Blick der Queer Theory. In: Härle, Gerhard u.a. (Hrsg.): Ikonen des Begehrens. Bildsprache der männlichen und weibli- chen Homosexualität in Literatur und Kunst. Stuttgart 1997 S. 121–150, hier S. 121. 171 Krass, Andreas: Queer Studies – Eine Einführung. In: Derselbe: Queer Denken. Gegen die Ord- nung der Sexualität (Queer Studies). Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2003 S. 7–30, hier S. 18. 172 Skinner II S. 266. 173 Diese Positionen, die in einem bestimmten Diskussionszusammenhang entwickelt wurden und die ich aus diesem Grunde nicht einzelnen Personen zuschreiben möchte, wurden am 26. April 2004 in einer Basler Podiumsdiskussion zum Thema „Kommt Queer einer homosexuellen Identität in die Quere?“ zur Sprache gebracht. Neben dem Publikum haben Antke Engel, Kathrin Küchler, Andreas Niederhäuser und Patrik Schedler daran teilgenommen; die Moderation übernahm Prof. Dr. AndreaArbeitskopie Maihofer. 174 Dies schliesst nicht aus, dass es gleichgeschlechtliches Sexualverhalten nicht zu „allen“ Zeiten gab, was aber wiederum nichts aussagt über die damalige diskursive Strukturierung dieses Erfahrungs- feldes. 175 Aufgrund der prägnant knappen Formulierungen zitiere ich hier eine Rezension. Heidel, Ulf über Jagose, Annamarie: Queer Theory. Eine Einführung. Berlin 2001. In: Invertito. Jahrbuch für Geschichte der Homosexualitäten. Denunziert, verfolgt, ermordet: Homosexuelle Männer und Frauen in der NS-Zeit. 4. Jahrgang 2002 S. 178–181. 176 Beck, Ulrich: Wie aus Nachbarn Juden werden. Zur politischen Konstruktion des Fremden in der reflexiven Moderne. In: Miller, Max; Soeffner, Hans-Georg (Hrsg.): Modernität und Barbarei. Soziologische Zeitdiagnose am Ende des 20. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1996 S. 318–343, hier S. 328. 177 Butler, Judith: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Berlin 1995, hier S. 303. 178 Butler 1995 S. 301–302. 179 Foucault, Michel: Sexualität und Wahrheit. Band 1: Der Wille zum Wissen. Frankfurt am Main 1977 S. 58. 180 Siehe dazu Hergemöller, Bernd-Ulrich: Einführung in die Historiographie der Homosexualitäten. Tübingen 1999, hier S. 36. 181 Portmann hier S. 211 sowie S. 45 und S. 47.

132

4512falk.indd 132 19.05.2008 17:11:58 Uhr 182 Spörri 2003 S. 253. 183 Spörri 2003 S. 252. 184 Spörri 2003 S. 254. 185 Vielleicht wäre es hier sogar angebrachter, von „bildlichen Zeichen“ statt von Bildern in weitem Sinne zu sprechen. 186 Das Zusammendenken von Kulturproduktion und Sexualität wurde besonders von Freud initiiert. Nach Freud liegt die Wurzel jeglicher schöpferischer und geistiger Tätigkeit im Triebverzicht, das heisst in der Triebumwandlung von sexueller Lust in geistige Betätigung. Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur. Wien 1930, siehe zur Sublimation insbesondere S. 30 und 31. 187 Fleck, Ludwig: Schauen, sehen, wissen. In: Derselbe: Erfahrung und Tatsache. Gesammelte Aufsätze. Frankfurt am Main 1983 S. 147–174, hier S. 157. Dieser Aufsatz wurde erstmals 1947 veröffentlicht. 188 „Das Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus ist nun zu Ende“, drohte Goebbels in seiner Rede zur Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. Siehe dazu „Das war nur ein Vorspiel …“. Bücherverbrennung Deutschland 1933: Voraussetzungen und Folgen. Ausstellung der Akademie der Künste vom 8. Mai bis 3. Juli 1983. Berlin und Wien 1983, hier S. 197. 189 Der Begriff „Süsser“ als Bezeichnung für einen Homosexuellen kann zurück ins1 8. Jahrhundert ver- folgt werden. Siehe dazu Skinner 1999 II S. 316. im Film bezieht sich „Süss“ ausser auf die Namens- gebung wohl auch auf die süssliche, einschleichende Art des Juden. 190 Schmuhl, Hans-Walter: „Rassen“ als soziale Konstrukte. In: Jureit, Ulrike (Hrsg.): Politische Kollek- tive. Die Konstruktion nationaler, rassischer und ethnischer Gemeinschaften. Münster 2001 S. 163– 181, hier S. 168. 191 Hirschfeld, Magnus: Von einst bis jetzt. Geschichte einer homosexuellen Bewegung 1897–1922. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Manfred Herzer und James Steakley. Ber- lin 1986. Erstauflage 1922/23, hier S. 125. Hödl 1997, hier S. 86–90. 192 Siehe dazu exemplarisch: „Viel grösser als der Hass des Arbeiters gegen den Unternehmer, des Bauers gegen den Grossgrundbesitzer ist der Hass des Juden gegen den germanischen Edelmann. Denn dieser Hass stammt nicht wie jener aus der einfachen Unterdrückung, der immerhin noch die Möglichkeit hat umzuschlagen und Versöhnung zu werden: der Judenhass stammt aus abgewiesener Liebe, und der ist unauslöschlich. Schlüssel zum europäischen Schicksal.“ Blüher, Hans: In Medias Res. Grundbemerkungen zum Menschen. Jena 1919, hier S. 17 und 18. 193 Gredig, Daniel: Dekadent und gefährlich. Eine Untersuchung zur Struktur von Stereotypen gegen- über Randgruppen. Weinheim 1994, hier S. 97. 194 Dass Vater Teichmann ein Bankdirektor ist und also einen Beruf ausübt, der ebenfalls ins antise- mitische Stereotypenrepertoir gehört, vermag diese Anhäufung von Charakteristika kaum abzu- schwächen. 195 Leiskau, Katja; Daniela Geppert: „Alte Thaler, Junge Weiber sind die besten Zeitvertreiber. In: Gold, Helmut; Heuberger, Georg (Hrsg.): Abgestempelt: judenfeindliche Postkarten. Heidelberg 1999 S. 205–214, hier S. 206.Arbeitskopie 196 Hergemöller, Bernd-Ulrich: Fragmente, Widersprüche, Perspektiven. In: Invertito. Jahrbuch für Geschichte der Homosexualität. Homosexualitäten in der Weimarer Republik 1919–1933. 2. Jahr- gang 2000 S. 58–84, hier S. 50. Hergemöller bezieht sich an dieser Stelle auf die Juden. Auch der Feminismus wurde übrigens als „Unterform einer ganz allgemeinen, es auf Verwischung der Gegen- sätze absehenden Kulturanschauung der Moderne“ begriffen. Man könne, so die Worte des Antife- ministen und Antisemiten Blüher, diese Kulturanschauung etwas treffen, aber keineswegs erschöp- fend darstellen mit den Begriffen Liberalismus, Sozialismus, Humanität, Pazifismus, Aufklärertum. Blüher, Hans: Frauenbewegung und Antifeminismus. Lauenburg und Elbe 1921, hier S. 2. 197 Beck, Ulrich: Wie aus Nachbarn Juden werden. Zur politischen Konstruktion des Fremden in der reflexiven Moderne. In: Miller, Max; Soeffner, Hans-Georg (Hrsg.): Modernität und Barbarei. Soziologische Zeitdiagnose am Ende des 20. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1996 S. 318–343, hier S. 328. 198 Siehe dazu auch Moebius, Paul Julius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. Halle 1904 (6. Auflage). 199 Bloch, Iwan: Das Sexualleben unserer Zeit in seinen Beziehungen zur modernen Kultur. Berlin 1919. (Erstauflage 1906), hier S. 58. 200 Omran, Susanne: Frauenbewegung und „Judenfrage“. Diskurse um Rasse und Geschlecht nach 1900. Frankfurt und New York 2000, hier S. 97. Positiv formuliert würde dies heissen, dass die Urba- nisierung „Experimentierfelder für Neues“ schaffe. Dazu Portmann 2000 S. 212.

133

4512falk.indd 133 19.05.2008 17:11:59 Uhr 201 Interessant ist, dass eine scharfe Grenze zwischen den Geschlechtern als evolutionärer Fort- schritt gewertet wird. Es ist ein häufig anzutreffendes Deutungsmuster, die Entwicklung zu einer linearen Grenze als evolutionäre Leistung zu sehen; verwiesen sei hier beispielsweise auf Luhmanns systemtheoretische Ausführungen. Da Darwin selbst die Meinung vertrat, dass sich Merkmale in einem evolutionären Kontinuum entwickeln, ist dies meiner Meinung nach bemerkenswert. 202 Weininger S. 417. 203 Weininger, der dem „jüdischen Prinzip“ einen „grösseren Teil an Weiblichkeit“ zuschreibt, postuliert einerseits ein Mischverhältnis der Geschlechter, das heisst eine kontinuierliche Geschlechterdifferenz; dadurch erscheint Homosexualität nicht als Anomalie, sondern als Zwi- schenstufe. Gleichzeitig etabliert er aber das Weibliche und das Männliche als absolute Alteritä- ten. Siehe dazu Link, Jürgen: Versuch über den Nominalismus. Wie Normalität produziert wird. Bonn 1998, hier S. 373 wie auch Schmuhl 2001 S. 169. 204 Weininger 1997 S. 435. 205 Hödl, Klaus: Die Pathologisierung des jüdischen Körpers. Antisemitismus, Geschlecht und Medizin im Fin de Siècle. Wien 1997, hier S. 141. 206 Arns, Alfons: Fluchtpunkt Antisemitismus. Die Organisation des Raumes in Otto Huntes Ent- würfen zu Jud Süss. In: Hoffmann, Hilmar; Schobert, Walter (Hrsg.): Otto Hunte. Architekt für den Film. Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 1996 S. 82–103, hier S. 100. 207 Dazu auch Singer 2003 S. 150. 208 Siehe auch Arns 1996 S. 93. 209 Holz, Klaus: Nationaler Antisemitismus. Wissenssoziologie einer Weltanschauung. Ham- burg 2001, hier S. 103. 210 Holz 2001 S. 56. 211 Tanner, Jakob: Diskurse der Diskriminierung. Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Ras- sismus in den schweizerischen Bildungseliten. In: Michael Graetz; Aram Mattioli (Hrsg.): Kri- senwahrnehmung und Fin de siècle. Jüdische und katholische Bildungseliten in Deutschland und der Schweiz. Zürich 1997 S. 323–340, hier S. 331. 212 Spörri 2003 S. 245. 213 Von Braun, Christina: Antisemitische Stereotype und Sexualphantasien. In: Jüdisches Museum der Stadt Wien (Hrsg.): Die Macht der Bilder. Antisemitische Vorurteile und Mythen. Wien 1995 S. 180–191, hier S. 182. Christina von Braun möchte zeigen, dass das Feindbild des Juden eng mit christlichen Glaubenszweifeln zusammenhängt: „Man könnte sagen, dass das Blut für viele Christen also vor allem die Funktion hat, die ‚reale‘ Präsenz des Herrn zu beweisen. Damit wird aber auch begreiflich, weshalb ausgerechnet das Blut eine derartig zentrale Rolle in der Bilder- welt des Antisemitismus spielt: Vom Blut – oder genauer: vom Glauben an die Wirklichkeit des Blutes – hängtArbeitskopie der Glaube an die Menschwerdung Gottes ab. In diesem Blut offenbart sich für den Christen der Gottesbeweis und mit ihm auch der Glaube an die Erlösung.“ Da Jesus aber die Aufhebung aller Zweifel erbracht habe, fungiere nun der Jude als die Verkörperung des christlichen Zweifels. Siehe dazu Von Braun, Christina: Viertes Bild: „Blut und Blutschande“. Zur Bedeutung des Blutes in der antisemitischen Denkwelt. In: Schoeps, Julius H.; Schlör, Joa- chim: Antisemitismus. Vorurteile und Mythen. München 1995 S. 80–95, hier S. 83 und 84. 214 Kollektivsymbole sind Bestandteile des Interdiskurses. Der Interdiskurs wiederum bezeichnet das Allgemeinverständliche: „Unter ‚interdiskursiven‘ Komplexen, Formen, Verfahren und Kate- gorien sollen alle jene verstanden werden, die mehreren Spezialdiskursen gemeinsam sind.“ Der Interdiskurs wird also massgeblich durch Kollektivsymbole organisiert und strukturiert. Siehe Link 2001 S. 8–16. Es sei dieses „übergreifende“, „Brücken schlagende“ Wissen, das die Aufspaltung in spezialistische Teil-Subjektivitäten kompensiere und das Wissen subjektiv appli- zierbar erhalte. Es wäre eine Untersuchung wert, inwiefern sich der Begriff des Kollektivsymbols von der Bezeichnung des „leeren Signifikanten“ unterscheidet, die von Chantal Mouffe und Ernesto Laclau geprägt wurde. 215 Siehe dazu beispielsweise Marx, Karl: Zur Judenfrage. Berlin 1919 (Erstauflage 1844). Es kur- sierte aber auch die gegenteilige Vorstellung, Juden seien zum abstrakten Denken unfähig. Para- doxe Positionen treten in antisemitischen Diskursen häufig auf. Siehe dazu Silberner, Edmund: Sozialisten zur Judenfrage: ein Beitrag zur Geschichte des Sozialismus von Anfang des 19. Jahr- hunderts bis 1914. Berlin 1962 hier S. 60.

134

4512falk.indd 134 19.05.2008 17:11:59 Uhr 216 Diese Konferenz fand vom 8. bis zum 10. Juli 2004 in Hamburg statt. Der Tagungsband ist inzwischen publiziert worden. Przyrembel, Alexandra; Schönert, Jörg (Hrsg.): „Jud Süss“. Hof- jude, literarische Figur, antisemitisches Zerrbild. Frankfurt am Main 2006. 217 Mathieu, Thomas: Kunstauffassung und Kulturpolitik im Nationalsozialismus. Eingereichte Dis- sertation an der Universität Kiel. Saarbrücken 1997 S. 212. 218 Mathieu 1997 S. 181. 219 Homosexualität und Kunst. In: D’ Alquen, Gunter: Auf Hieb und Stich. Stimmen zur Zeit am Wege einer deutschen Zeitung. Berlin 1937, hier S. 268–275. In dieser Publikation, die der Chef- redaktor des „Schwarzen Korps“ veröffentlichte, wurden Zeitungsartikel des „Schwarzen Korps“ in Buchform präsentiert. Das „Schwarze Korps“ erschien seit 1935. Mit einer Auflagenstärke von 500.000 bis 750.000 Exemplaren zwischen 1939 und 1944 wurde sie zur zweitgrössten politischen Wochenzeitung des Reiches. Siehe dazu Zeck, Mario: Das Schwarze Korps. Geschichte und Gestalt des Organs der Reichsführung SS. Tübingen 2002. 220 Zur Geschichte des l’art pour l’art-Gedankens siehe Luckscheiter, Roman: L’art pour l’art. Der Beginn der moderneren Kunstdebatte in französischen Quellen der Jahre 1818 bis 1847. Biele- feld 2003. 221 Folgende dazu einschlägige Studie wurde nach dem Verfassen meiner Arbeit publiziert und konnte deshalb leider nicht mehr explizit berücksichtigt werden: Paul, Jobst: Das [Tier]-Kon- strukt und die Geburt des Rassismus. Zur kulturellen Gegenwart eines vernichtenden Arguments. Münster 2004. 222 Susanne Omran hat gezeigt, wie sowohl die „Frauenfrage“ als auch die „Judenfrage“ ihre Konturen in einem gemeinsamen Zusammenhang gewinnen. Siehe Omran 2000, hier S. 15. 223 Tanner 1997 hier S. 324. 224 Ziege, Eva-Maria: Mythische Kohärenz. Diskursanalyse des völkischen Antisemitismus. Kon- stanz 2002, hier S. 249. 225 Tanner 1997 S. 325. 226 Sarasin, Philipp: Die Wirklichkeit der Fiktion. Zum Konzept der „imagined communities“. In: Derselbe: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. Frankfurt am Main 2003 S. 150–177, hier S. 171. 227 Sarasin 2003 S. 168. 228 Sarasin, Philipp: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. In: Derselbe 1997 S. 10–60, hier 48. 229 Mattenklott, Gert: Das gefrässige Auge oder Ikonophagie. In: Der übersinnliche Leib. Beiträge zur Metaphysik des Körpers. Reinbek bei Hamburg 1982, hier S. 79. 230 Hickethier, Knut: Protestkultur und alternative Lebensformen. In: Faulstich, Werner: Die Kultur der 60er Jahre. München 2003 S. 11–30, hier S. 14. So hat beispielsweise Serge Guilbaut gezeigt, auf welchem Wege die abstrakte Kunst in den Vereinigten Staaten Anerkennung fand. Er hat dargelegt, weshalb künstlerische Werke, denen die Mittelklasse lange grösstenteils ablehnend gegenüberstand und Arbeitskopiedie als egalitär und europäisch galten, nach dem Krieg als zentrale Werte für die Konstruktion von nordamerikanischer Identität angesehen werden konnten. So hätte gerade die faschistische Ablehnung moderner Kunst ihre Verteidigung in der amerikanischen Presse bewirkt. Ausserdem wären – angesichts der neuen Mittelklasse – Amerikaner mit einem etwas höheren sozialen Status darauf bedacht gewesen, die kulturelle Distanz zu wahren, weshalb sie jetzt, nach der Entwertung vormals distinkter Zeichen, ihren Blick gerne auch auf „gewagtere Kunst“ richteten: „Während die Mittelklasse bemüht war, eine Art von Malerei in ihr Vokabular zu integrieren, die ehemals im Besitz der Wohlhabenden war, setzten sich diese von der Mittelklasse ab und kauften zunächst zögerlich 1( 943–1945), dann aber mit immer grösserer Überzeugung (nach 1946) abstrakt-expressionistische Kunst.“ Schliesslich sollte im Kalten Krieg der abstrakte Expressionismus als Zeichen für Freiheit stehen, als Unterschied zwischen einer „freien“ und einer dem sozialistischen Realismus verpflichteten totalitären Gesellschaft. Guilbaut schreibt eine span- nende Geschichte der Neubewertung kultureller Zeichen; er erklärt weniger, weshalb Künstler zu Beginn des 20. Jahrhunderts abstrakt zu zeichnen begannen, sondern interessiert sich für die Gründe, weshalb der Abstrakte Expressionismus in der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft solchen Erfolg haben konnte. Siehe Guilbaut, Serge: Wie New York die Idee der Modernen Kunst gestohlen hat. Abstrakter Expressionismus, Freiheit und Kalter Krieg. Dresden und Basel 1997 (Erstauflage 1983), das Zitat stammt von S. 124. Allerdings sahen die Rezeptionsbedingungen für abstrakte Kunst im Nachkriegsdeutschland anders aus. Siehe dazu Grasskamp, Walter: Die unbewältigte Moderne: „Entartete Kunst“ und documenta I. Verfemung und Entschärfung. In:

135

4512falk.indd 135 19.05.2008 17:12:00 Uhr Museum der Gegenwart – Kunst in öffentlichen Sammlungen bis1 937. Ausstellungskatalog Kunst- sammlung Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 1987 S. 13–24. Dazu auch Wyss, Beat: Welche Moral kommt nach dem Fressen? Von Picassos Grussadresse an Stalin bis zum Sieg der Popkultur – amerikanische Kulturpolitik und die Intellektuellen in Westeuropa. In: Figurationen: Ästhetik des Politischen. 3. Jahrgang 2002/Heft 2. S. 91–99. 231 Dazu auch Nancy, Jean-Luc: Am Grund der Bilder. Zürich-Berlin 2006, hier vor allem S. 72. 232 Diesen Hinweis verdanke ich Stephan Besser, der an der Konferenz „Invisible Enemies: The Cul- tural Meaning of Infection and the Politics of ‚Plague‘“ (Zürich 21. bis 24. September 2005) diesen Sachverhalt in seinem Vortrag ausführte. 233 Auch Hans Giese ging davon aus, dass die Gesellschaft ein Sich-nicht-Zeigen des homosexuel- len Mannes verursache. Giese, Hans: Der homosexuelle Mann. In: Giese 1954 S. 868–873, hier S. 870. 234 Dieser Ausdruck stammt von Gert Mattenklott. Siehe dazu Mattenklott 1982. 235 In der Dialogliste lautet der Ausspruch von Manfred allerdings: „Ich könnte sie umbringen!“ und nicht „Ich werde sie umbringen.“ In beiden Fällen wird der homosexuell veranlagte und effemi- nierte Manfred als Frauenhasser gezeichnet, in der gesprochenen Version wird diese Wirkung aber noch verschärft. 236 Frisch, Max: Tagebuch 1946–1949. Zürich 1975, hier S. 116. 237 Kraushaar 1995 S. 6. 238 Auf die Umstände seiner Verurteilung und deren Rezeption kann ich allerdings an dieser Stelle nicht eingehen. Ich verweise deshalb auf Gerber, Barbara: Jud Süss. Aufstieg und Fall im frühen 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Historischen Antisemitismus- und Rezeptionsforschung. Ham- burg 1990 sowie auf Haasis, Hellmut G.: Joseph Süss Oppenheimer genannt Jud Süss. Finanzier, Freidenker, Justizopfer. Reinbek bei Hamburg 1998. 239 Schulte-Sasse, Linda: Entertaining the Third Reich. Illusions of Wholeness in Nazi Cinema. Duke 1996, hier vor allem 38–52. 240 Singer 2003 S. 282. 241 In „Jud Süss“ wird diese Wirkung noch durch Überblendungen verstärkt, die jeweils die jüdische Infiltration der württembergischen Gesellschaft suggerieren sollen. Siehe dazu Ferro, Marc: Les fondus chaînés du Juif Süss. In: Derselbe: Cinéma et Histoire. Paris 1993 S. 159–161. 242 Buchloh 2002. S. 202. 243 Dieses filmische Motiv des Schattenkreuzes findet sich beispielsweise auch in „La Passion de Jeanne d’Arc“ von Carl Theodor Dreyer (1928). 244 Wobei es sich allerdings um unterschiedliche Formen von Rettung handelt; auch fällt der Opfer- preis unterschiedlich hoch aus. 245 Weigel, Sigrid: Frauen und Juden in Konstellationen der Modernisierung – Vorstellungen und Verkörperungen der «internen Anderen“. Ein Forschungsprogramm. In: Stephan, Inge; Schilling, Sabine; Weigel,Arbeitskopie Sigrid: Jüdische Kultur und Weiblichkeit in der Moderne. Böhlau Köln u.a. 1994 S. 333–351, hier S. 344. 246 Frumer, Bernard; Merchant, Jennifer: The emancipation of women and of the jews; parallels in anti-semitic and anti-feminist discourse. In: History of European Ideas. Special Issue Volume 19 (1994) S. 723–731, hier S. 723. Zum Antifeminismus in „Jud Süss“ siehe beispielsweise Garçon, François: Cinéma et Histoire: Les trois discours du Juif Süss. In: Annales: Economie, Sociétés, Civilisations. Nummer 4 1979 S. 694–720. 247 Von Braun, Christina: Antisemitische Stereotype und Sexualphantasien. In: Jüdisches Museum der Stadt Wien (Hrsg.): Die Macht der Bilder. Antisemitische Vorurteile und Mythen. Wien 1995 S. 180–191, hier S. 184. 248 Schmuhl 2001 S. 168. 249 Planert, Ute: Reaktionäre Modernisten? Zum Verhältnis von Antisemitismus und Antifeminis- mus in der völkischen Bewegung. In: Benz, Wolfgang: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 11. Frankfurt am Main und New York 2002 S. 31–51, hier S. 50. 250 Sarasin, Philipp: Zweierlei Rassismus? Die Selektion des Fremden als Problem in Michel Foucaults Verbindung von Biopolitik und Rassismus. In: Stingelin, Martin (Hrsg.): Biopolitik und Rassis- mus. Frankfurt am Main 2003 S. 55–79. 251 Holz 2001 S. 59. 252 Katz, Jakob: The Preparatory Stage of the Modern Antisemitic Movement (1873–1879). In: Almog, Shmuel (Hrsg.): Through Ages. Oxford u.a. 1988 S. 279–289, hier S. 279.

136

4512falk.indd 136 19.05.2008 17:12:00 Uhr 253 Schmuhl 2001 S. 175. 254 Von Braun, Christina: Und der Feind ist Fleisch geworden. Der rassische Antisemitismus. In: Von Braun, Christina; Heid, Ludger: Der ewige Judenhass. Philo Verlagsgesellschaft Berlin und Wien 2000 S. 149–213, hier S. 207. 255 So rekrutierte die SS in Prag Juden für die „Synagogenszene“ des „Jud Süss“. Dazu Tegel, Susan: „The Demonic Effect“: Veit Harlan’s Use of Jewish Extras in Jud Süss (1940). In: Holocaust and Genocide Studies. Volume 14, Number 1, Spring 2000 S. 215–241. Und Friedrich Joloff, der Dar- steller von Boris Winkler, galt als homosexuell. Siehe dazu Noack, Frank: Veit Harlan. „Des Teu- fels Regisseur“. München 2000, hier S. 356. Der Berliner Filmkritiker Noack stellt zwar sehr viel interessantes Material zu Veit Harlan zusammen, seine saloppe Art des Argumentierens erscheint allerdings an mehreren Stellen als undifferenziert und bisweilen als widersprüchlich. 256 Siehe Schulte-Sasse 1996 S. 74. 257 Brauckmann, Stephanie: „Die kapitalistische Gesellschaft schachert mit Allem und Jedem“. Die proletarisch-sozialistische Frauenbewegung im Kaiserreich und der Antisemitismus. In: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte. Mai 2003 Heft 43 S. 6–13, hier S. 12. 258 Siehe beispielsweise bei folgender Äusserung von Marx: „Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.“ Marx, Karl: Zur Judenfrage. Berlin 1919 (Erstauflage 1844), hier S. 42. 259 Siehe dazu auch Maasen, Sabine: Wissenssoziologie. Bielefeld 1999 S. 54–58. 260 Stepan, Nancy Leys: Race and Gender: The Role of Analogy in Science. In: Goldberg, Theo (Hrsg.): Anatomy of Racism. Minneapolis und London 1994 S. 38–57 (Artikels erstmals 1986 publiziert in Isis 77), hier S. 52. 261 Henke, Hans-Gerd: Der „Jude“ als Kollektivsymbol in der deutschen Sozialdemokratie. 1994, hier S. 45. 262 Siehe dazu auch Fischer, Jens Malte: Richard Wagners „Das Judentum in der Musik“. Entstehung – Kontext – Wirkung. In: Borchmeyer, Dieter; Maayani, Ami; Vill, Susanne (Hrsg.): Richard Wagner und die Juden. Stuttgart und Weimar 2000 S. 35–54 und Bermbach, Udo: Das ästhetische Motiv in Wagners Antisemitismus. In: Borchmeyer, Dieter; Maayani, Ami; Vill, Susanne (Hrsg.): Richard Wagner und die Juden. Stuttgart und Weimar 2000 S. 55–78. 263 Wagner, Richard: Das Judentum in der Musik. In: Kneif, Tibor (Hrsg.): Richard Wagner. Die Kunst und die Revolution. Das Judentum in der Musik. Was ist deutsch? München 1975 S. 51–78 (Erstauflage 1850). 264 Wagner 1975 hier S. 73. 265 Wagner 1975 hier S. 65. 266 Zu Hitlers Wagner-Rezeption siehe beispielsweise Backes, Klaus: Hitler und die bildenden Künste. Kulturverständnis und Kulturpolitik im Dritten Reich. Köln 1988 S. 43–48. 267 Witte 1993 S. 156. 268 Witte 1993 S. 156. Arbeitskopie 269 Mulvey, Laura: Visual Pleasure and Narrative Cinema. In: Dieselbe: Visual and other Pleasures. Indiana University Press Bloomington and Indianapolis 1989 S. 14–26, hier S. 19. 270 Schulte-Sasse 1996 S. 25. Dazu auch Mihal Friedman, Régine: Männlicher Blick und weibliche Reaktion. Veit Harlans Jud Süss (1940). In: Frauen und Film. Nummer 41 1986 S. 50–64. 271 Schulte-Sasse 1996 S. 81 272 Link, Jürgen: „Der irre Saadam setzt seinen Krummdolch an meine Gurgel!“ Fanatiker, Fun- damentalisten, Irre und Traffikanten – Das neue Feindbild Süd. In: Jäger, Siegfried: Text- und Dis- kursanalyse. Eine Anleitung zur Analyse politischer Texte. Duisburg 1991 S. 73–91, hier S. 79. 273 Allerdings verrät sich „Jud Süss“ in seiner Aufregung; seine Gestik wirkt dann besonders aus- geprägt. Anders wirkt Boris Winkler, der interessanterweise nicht mittels einer stereotypisieren- den Gestik charakterisiert wird. 274 Schulte-Sasse 1996 S. 81. 275 Da ausserdem Mehrdeutigkeiten bei allen kulturellen Produkten auftreten, sollte meiner Meinung nach dieser Befund nicht als Entschuldigung der an der Filmproduktion beteiligten Personen gelesen werden. 276 Mihal Friedman 1986 S. 53. 277 Herzer, Manfred: Un Chant d’Amour: Literatur, Theater, Film. In: Goodbye to Berlin? 100 Jahre Schwulenbewegung. Eine Ausstellung des Schwulen Museums und der Akademie der Künste. Berlin 1997 S. 258–262, hier S. 261 und 262.

137

4512falk.indd 137 19.05.2008 17:12:01 Uhr 278 Ebenda. 279 Ähnlich argumentierte übrigens auch Veit Harlan in seiner Autobiographie: „Dann machte ich noch einige ‚Filmchen‘. Am liebsten von diesen letzten törichten Filmen ist mir noch der Film ‚Das drittte Geschlecht‘. So, wie ich ihn gedreht hatte, wurde dieser Film allerdings von der Freiwilligen Selbstkontrolle verboten. Dort wurde behauptet, dass er sich gegen den Paragra- phen 175 wende und dass er zur Aufführung nur zugelassen werden könne, wenn entscheidende Änderungen vorgenommen werden würden. Nicht nur, dass der Homosexuelle am Schluss ver- haftet werden musste, was in der ersten Fassung nicht geschah, sondern auch alle Szenen, in denen Homosexuelle sympathisch waren und gerecht handelten, mussten rücksichtslos entfernt werden.“ Harlan, Veit: Im Schatten meiner Filme. Gütersloh 1966, hier S. 244. 280 Hickethier, Knut: Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart und Weimar 1996 (2. Auflage) S. 120. 281 Trüeb S. 176. 282 Ich danke Gunnar Gilgen für das mir zur Verfügung gestellte Transkript der Podiumsdiskus- sion. 283 Schock, Axel; Kay, Manuela: Out im Kino. Das lesbisch-schwule Filmlexikon. Berlin 2003, hier S. 36. 284 Ebenda S. 12. 285 Korte, Helmut: Historische Wahrnehmung und Wirkung von Filmen. Ein Arbeitsmodell. In: Hickethier, Knut; Müller, Ego; Rother, Rainer (Hrsg.): Der Film in der Geschichte: Dokumenta- tion der GFF-Tagung. Berlin 1997 S. 154–166, hier S. 155. 286 Theis 1984 S. 113. 287 Nord, Christina: Gegen feste Zeichen. Sichtbarkeit und Sichtbarmachung jenseits der hete- rosexuellen Anordnung. In: Holert, Tom: Imagineering. Visuelle Kultur und Sichtbarkeit. Köln 2000 S. 155–170, hier S. 156. 288 Ebenda. 289 Ebenda S. 155. 290 Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung. In: Mersch, Dieter: Zeichen über Zeichen. Texte zur Semiotik von Pierce bis Eco und Derrida. München 1997 S. 248–258, hier S. 255. 291 Wohlrab-Sahr, Monika: Objektive Hermeneutik. In: Bohnsack, Ralf; Marotzki, Winfried; Meuser, Michael: Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung. Opladen 2003 S. 123–128, hier S. 125. 292 Eine Abschrift der Urteilsbegründung befindet sich in Staatsarchiv Basel PD-Reg 4, 11.06.01. 293 Kraushaar 1995 S. 16. 294 Harlan 1966 S. 118. 295 Siehe dazu auch Liebert, Frank: Vom Karrierestreben zum „Nötigungsstand“. „Jud Süss“, Veit Harlan und die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft (1945–50). In: Henne, Thomas; Riedlinger, Arne (Hrsg): Das Lüth-Urteil in (rechts-) historischer Sicht. Die Konflikte um Veit Harlan und die GrundrechtsjudikaturArbeitskopie des Bundesverfassungsgerichts. Im Erscheinen. 296 Diese Briefkorrespondenzen finden sich in Pardo, Herbert; Schiffner, Siegfried (Hrsg.): Jud Süss. Historisches und juristisches Material zum Fall Veit Harlan. Hamburg 1949, hier S. 66. 297 Ebenda S. 68. 298 Zitiert nach Kreimeier, Klaus: Antisemitismus im nationalsozialistischen Film. In: Kugelmann, Cilly; Backhaus, Fritz (Hrsg.): Jüdische Figuren in Film und Karikatur. Sigmaringen 1996 S. 135–157, hier S. 137. 299 Pardo und Schiffner 1949 S. 70. 300 Mathieu 1997 S. 296. 301 Mathieu 1997 S. 121. 302 Mathieu 1997 S. 97. 303 Mathieu 1997 S. 84. 304 Hitler, Adolf: Monologe im Führer-Hauptquartier 1941–1944. (Hier 21./22.10.1941, nachts). Herausgegeben von Werner Jochmann. München 1980 S. 101. 305 Benjamin thematisierte dies bereits 1936 in seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“. 306 Mathieu 1997 S. 36. 307 Siehe dazu Bermbach 2000 S. 67. 308 Diesen Umstand betonte an der bereits mehrfach genannten Tagung zu „Jud Süss“ auch Thomas Henne in seinem Referat.

138

4512falk.indd 138 19.05.2008 17:12:01 Uhr 309 Harlan 1966 S. 5. 310 Siehe dazu auch Zielinski, Siegfried: Veit Harlan. Analysen und Materialien zur Auseinander- setzung mit einem Film-Regisseur des deutschen Faschismus. Frankfurt am Main 1981, hier S. 82. 311 Künzli, Arnold: Die Funktion des Symbols in der Politik. In: Benedetti, C.; Rauchfleisch, U. (Hrsg.): Welt der Symbole. Göttingen 1988 S. 234–246, hier S. 235. 312 Siehe dazu beispielsweise Volkov, Shulamit: Antisemitismus als kultureller Code. München 2000 (1. Auflage 1990). 313 Braukmann 2003 hier S. 6. 314 Die FSK wurde nach dem Vorbild des nordamerikanischen „Production Code“ konzipiert. Im Unterschied zur amerikanischen Handhabe wurden als Prüfungskriterien Rahmenbedingun- gen formuliert und keine einzelnen Details zum Zwecke der Filmprüfung festgelegt. Die FSK nahm 1949 in Wiesbaden ihre Tätigkeit auf. Es war das erklärte Ziel der filmwirtschaftlichen Verbände, staatliche Reglementierung überflüssig zu machen, zudem sollte eine Zersplitterung in regionale Einzelverfahren ausgeschlossen werden. Das Gremium, das im Sommer 1949 zum ersten Mal zusammentrat, bestand aus Vertretern und Vertreterinnen der Filmwirtschaft, der Länder, der Katholischen Jugend Bayerns und der Kirchen. Am 28. September 1949 übertru- gen die Alliierten Militärbehörden ihre Kontrollbefugnis auf die nun auch formell etablierte „Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“. In Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes ist ein Verbot der staatlichen Vorzensur von Filmen gesetzlich verankert. Zwar stellt die Prüfung durch die FSK eine freiwillige Selbstverpflichtung seitens der Wirtschaft dar, doch ist es sehr schwierig, einen nicht freigegebenen Film in Kinos zu platzieren, denn dem entsprechenden Kino würden Boykotte der Filmverleiher drohen. Auch Verlor die FSK mit der Verkündung des Jugendschutzgesetzes ihren Charakter als reine Selbstkontrollinstanz. Denn ab 1952, nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, war die Einhaltung der FSK-Freigaben durch die Kinos nicht allein der verbandsinternen Disziplin überlassen, sondern wurde nun durch die kommuna- len Behörden überprüft. Die Juristin Johanna Noltenius hatte in ihrer 1958 veröffentlichten Promotionsschrift einen Zensurvorwurf erhoben. „Aber bisher kam es nie zu einer gericht- lichen Überprüfung dieser Frage, da keine der an der FSK beteiligten Parteien das Konstrukt der Selbstkontrolle gefährden wollte.“ Gottberg, Joachim: Die FSK wird 50. In: tv diskurs. Mit Intimitäten fing es an … Vor 50 Jahren prüfte die FSK ihren ersten Film. Baden-Baden 1999 S. 34–45, hier S. 38. Dazu auch Stephan Buchloh: „Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich.“ Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas. Frankfurt am Main und New York 2002. Eine Selbstdarstellung zur Geschichte der FSK findet sich auf www.spio. de/3FRAMES/FSK_GE.HTM (27. April 2004). 315 Protokoll des Arbeitsausschusses vom 5. August 1957. Die Prüfungsnummer des Filmes lautet 149559. Die im folgenden Kapitel zitierten Protokolle, Begründungen und Korrespondenzen befinden sich alle, fallsArbeitskopie nicht anders vermerkt, bei der FSK in Wiesbaden. 316 Nichtzulassungsbegründung der FSK vom 8. August 1957. 317 Gutachten von Hans Giese an die FSK vom 17. August 1957. 318 Zeh, Barbara: Hans Giese und die Sexualforschung der 50er Jahre. In: Gooss, Ulrich; Gschwind, Herbert (Hrsg.): Homosexualität & Gesundheit. Berlin 1989 S. 99–112, hier S. 102. 319 Von Rönn, Peter: Die Homosexualitätsentwürfe von Hans Giese und der lange Schatten von Hans Bürger-Prinz. In: Zeitschrift für Sexualforschung Jahrgang 13, Heft 4, Dezember 2000 S. 277–310, hier S. 277 und S. 301. 320 Von Rönn 2000 S. 277. 321 Zeh 1989 S. 102. 322 Von Rönn 2000 S. 294. 323 Roth, Karl Heinz: Grosshungern und Gehorchen. In: Derselbe; Ebbinghaus, Angelika; Kaupen- Haas, Heidrun (Hrsg.): Heilen und Vernichten im Mustergau Hamburg. Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik im Dritten Reich. Hamburg 1984 S. 109–135, hier S. 133. 324 Von Rönn 2000 S. 294. 325 Bürger-Prinz, Hans: Gedanken zum Problem der Homosexualität. In: Giese, H.; Willy, A. (Hrsg.): Mensch, Geschlecht, Gesellschaft. Das Geschlechtsleben unserer Zeit gemeinverständlich dar- gestellt. Paris 1954 S. 874–883, hier S. 876. 326 Siehe dazu Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts (Hrsg.): Entscheidungen des Bundesver- fassungsgerichts. Tübingen 1957.

139

4512falk.indd 139 19.05.2008 17:12:02 Uhr 327 Dazu auch Risse, Jörg: Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität. Baden-Baden 1998, hier S. 349. 328 Sommer, Kai: Die Strafbarkeit der Homosexualität von der Kaiserzeit bis zum Nationalsozialis- mus: eine Analyse der Strafbestände im Strafgesetzbuch und in den Reformentwürfen (1871– 1945). Berlin u.a. 1998, hier S. 318. 329 Sommer 1998 S. 316, 317. Es darf allerdings auch nicht vergessen werden, dass sich gerade die Sozialdemokratie in der Weimarer Republik für eine Entkriminalisierung der Homosexualität eingesetzt hatte. 330 Grumbach, Detlef: Einleitung. In: Derselbe (Hrsg.): Die Linke und das Laster. Schwule Emanzipa- tion und linke Vorurteile. Hamburg 1995 S. 7–16, hier S. 9. Tucholsky, selbst jüdischer Herkunft, äusserte sich in dieser Zeit sehr kritisch über die in Deutschland verfolgten Juden. Siehe dazu Benz 2001 S. 70–85. 331 Zinn, Alexander: Die soziale Konstruktion des homosexuellen Nationalsozialisten. Zur Genese und Etablierung eines Stereotyps. Frankfurt am Main 1997. Das Klischee der lesbischen oder homosexuellen Nationalsozialisten findet man beispielsweise auch in Rosselinis Nachkriegspro- duktionen „Roma Città aperta“ und „Germania anno zero“. Dieser Diffamierungsdiskurs war offensichtlich so erfolgreich, dass er zum Teil auch auf homosexuelle Betroffene übergriff und von diesen in der Folge nicht kritisch überprüft wurde. 332 Ebenda S. 10. 333 Oosterhuis, Harry: Medizin, Männerbund und die Homosexuellenverfolgung. In: Burkhard, Jel- lonek; Lautmann, Rüdiger (Hrsg.): Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle. Verdrängt und ungesühnt. Paderborn u.a. 2002 S. 119–126, hier S. 125. 334 Oosterhuis 2002 S. 121. 335 Micheler, Stefan; Müller, K. Jürgen; Pretzel, Andreas: Die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit und ihre Kontinuität. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Grossstädten Ber- lin, Hamburg und Köln. In: Invertito. Jahrbuch für Geschichte der Homosexualitäten. Denunziert, verfolgt, ermordet: Homosexuelle Männer und Frauen in der NS-Zeit. 4. Jahrgang 2002 S. 8–51, hier S. 8. 336 Oosterhuis 2002 S. 120. 337 Micheler u.a. 2002 S. 9. 338 Benz, Wolfgang: Im Schatten des Holocaust: Späte Wahrnehmung nichtjüdischer Opfer und der Platz der Homosexuellen in der Erinnerung. In: Burkhard, Jellonek; Lautmann, Rüdiger (Hrsg.): Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle. Verdrängt und ungesühnt. Paderborn u.a. 2002 S. 27–40, hier S. 27. 339 Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts (Hrsg.): Entscheidungen des Bundesverfassungs- gerichts. Tübingen 957 S. 398. 340 Ebenda S. 422 und 425. 341 Ebenda S. 414Arbeitskopie, 415. 342 Giese, Hans: Das homosexuelle Syndrom. In: Derselbe und Gebsattel (Hrsg.): Psychopathologie der Sexualität. Stuttgart 1962 S. 377–420, hier S. 417. 343 Ebenda S. 416. 344 Ebenda. 345 Steinle 1997 S. 196. 346 Micheler 2002 S. 40. 347 Protokoll des Hauptausschusses vom 22. August 1957. 348 Begründung des Hauptausschusses der FSK vom 22. August 1957 der Zurückweisung der Beru- fung gegen den Entscheid des Arbeitsausschusses vom 5. August 1957. 349 Ebenda. 350 Ebenda. 351 Begründung des Hauptausschusses der FSK. 352 Ebenda. 353 Siehe im Folgenden den Brief des Rechtsanwaltes Horst von Hartlieb an die FSK vom 2. Okto- ber 1957. 354 Protokoll der Prüfungssitzung des Arbeitsausschusses vom 9. Oktober 1957. 355 Ebenda. 356 Begründung des Arbeitsausschusses der FSK vom 9. Oktober 1957 (Jugendprotokoll). 357 Ebenda.

140

4512falk.indd 140 19.05.2008 17:12:02 Uhr 358 Ebenda. 359 Das „International Committee for Sexual Equality“ war 1951 mit Sitz in Amsterdam gegründet worden, um gegen Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung zu kämpfen; heute gilt diese Organisation als Vorläuferin der 1978 gegründeten „International Lesbian and Gay Associa- tion“. 360 Brief des ICSE vom 12. November 1957 an die FSK und die deutsche Presse. 361 Antwort vom 22. November 1957 auf das Schreiben „von ICSE vom 12. d.M.“. 362 Antwort der FSK vom 20. Dezember 1957. 363 Im Prinzip war die Filmkommission nur für die Jugendzensur zuständig, sie konnte aber auch für die Erwachsenenzensur hinzugezogen werden beziehungsweise selber eine Erwachsenenzensur beantragen. Siehe dazu Hilzinger 1994, hier S. 52. Zur frühen Filmzensur in Basel siehe Meier- Kern, Paul: Verbrecherschule oder Kulturfaktor? Kino und Film in Basel 1896–1916. Basel 1992. 364 Protokoll der Sitzung der Filmkommission vom 3. November 1961, das auf den 10. November 1961 datiert. Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt PD-Reg 4 11.06.01 (Polizeidepartement/Kinowesen). 365 Siehe dazu auch Trüeb 1988 S. 172–178 und Hilzinger 1994 Anhang II S. 164–169. 366 Mit Ausnahme des Pfarrers verfügen hier alle männlichen Mitglieder der Kommission über einen Doktortitel. 367 Brief der Israelitischen Gemeinde Basel vom 12. November 1961 an den Kinobesitzer. Einsehbar im Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt unter PD-Reg 2. 17.04.03 (Filmkommission). Ein Teil dieser Unterlagen wird im Aussendepot aufbewahrt. 368 Brief der „Israelitische Gemeinde Basel“ vom 12. November 1961 an das Polizeidepartement. Ebenda. 369 Aktennotiz von Wachmann Fries vom 13. November 1961. Ebenda. 370 Aktennotiz von Wachmann Fries vom 14. November 1961. Ebenda. 371 Ebenda. 372 Brief des Filmverleihers an die Redaktion der National-Zeitung vom 23. November 1961. Ebenda. 373 Brief des Anwaltes Dr. Amberg an den Herrn Regierungsrat Fritz Brechtbühl vom 25. Novem- ber 1961. Ebenda. 374 In der Schweizer Bundesverfassung von 1848 befand sich ein Jesuitenverbot, das erst 1973 durch eine Volksabstimmung aufgehoben wurde. 375 In der mit Kenntnis von Henry Ford verfassten antisemitischen Schrift „Der internationale Jude“, die 1922 auf deutsch erschien, kann man beispielsweise folgendes lesen: „Sieht man, wie Millionen Menschen sich tagsüber und abends durch die Eingänge des Kinos drängen, eine endlose Reihe in jedem Winkel des Landes, so drängt sich die Frage auf, wer sie dorthin zieht, wer auf ihren Geist und Gemüt in den verdunkelten Räumen einwirkt und in Wirklichkeit jene ungeheure Summe von Gefühlen und Gedanken leitet, die durch die Suggestion der Lichtspiele erzeugt werden. Die Antwort ist: Das Filmwesen der Vereinigten Staaten und Kanadas steht unter der ausschliesslich finanziellen und geistigenArbeitskopie Kontrolle der jüdischen Fabrikanten der öffentlichen Meinung.“ Ford, Henry: Der internationale Jude. 1922, hier S. 54. Das Buch wurde auch in der Schweiz „lebhaft verkauft“. Siehe Kamis-Müller 1990 S. 138. 376 Siehe dazu der Eintrag unter „Stereotyp“ im Historischen Wörterbuch der Philosophie. Basel 1998 S. 135–139, hier S. 138. 377 Omran 2000 S. 159. 378 Schreiben von Dr. Schmid-Steiner an den Stadtrat von Zürich vom 14. April 1960 einsehbar unter PD-Reg 4 11.06.01. 379 Siehe dazu den Eintrag zu Reinert, Charles von Stefan Bamberger im Historischen Lexikon der Schweiz. Der Eintrag ist online zugängig unter www.dhs.ch/externe/protect/deutsch.html (26. Mai 2004). 380 In ihrer Autobiographie berichtet Kristina Söderbaum von einer Privataudienz mit Papst Pius XII Anfang der 60er Jahre: „Von unserer Ferieninsel Capri aus war es Veit gelungen, über einen befreundeten Pater eine Privataudienz bei ihm zu bekommen.“ Söderbau, Kristina: Nichts bleibt immer so. Erinnerungen. München 1992 (überarbeitete Auflage), hier S. 30. 381 Der Brief befindet sich in der Zürcher Dokumentationsstelle der Cinématèque Suisse. 382 Auch scheinen sich der Filmverleiher und Charles Reinert gut gekannt zu haben, findet sich doch in den Unterlagen der Zürcher Dokumentationsstelle der Cinématèque Suisse auch eine Notiz des Filmverleihers an den Jesuitenpriester, die mit den Worten „Mon cher Charles“ beginnt. 383 Noack 2000 S. 191.

141

4512falk.indd 141 19.05.2008 17:12:02 Uhr 384 Diese Entgegnung findet sich im AfZ in der Harlan-Schachtel Nr. 2. In der hier vorhandenen Fassung fehlt noch das Datum, nach Charles Reinerts Antwort soll das Schreiben von Sagalowitz auf den 2. November 1959 datieren. 385 Ebenda. 386 Antwort von Dr. Ch. Reinert an Herrn Dr.B. Sagalowitz vom 7. November 1959. 387 Brief von Veit Harlan an den Pater Charles Reinert vom 21. Mai 1959. Auch dieser Brief befindet sich in der Zürcher Dokumentationsstelle der Cinématèque Suisse. 388 Schreiben des Polizeidepartements an die Herren Dr. Amberg & Co. vom 4. Dezember 1961. Ein- sehbar im Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt unter PD-Reg 2. 17.04.03. 389 Bericht des Polizei-Inspektorates vom 1. Dezember 1961. Ob der Polizeihauptmann Flisch auf- grund einer direkten Anweisung durch den Regierungsrat Brechtbühl diese Haltung vertrat, ver- mag ich nicht zu sagen. Der Sozialdemokrat Brechtbühl war 1935 im Alter von 39 Jahren in den Regierungsrat gewählt worden, dem er bis zu seinem Tode im Jahre 1963 als Vorsteher des Polizei- departements angehörte. Während des Zweiten Weltkrieges prägte er die kantonale Flüchtlings- politik entscheidend: „Er forderte nicht nur seine Untergebenen auf, menschlicher zu agieren, sondern tolerierte auch unzählige jüdische Flüchtlinge, die er nach den Berner Weisungen hätte ausweisen müssen. Dabei scheute er die Konfrontation mit den Landesbehörden nicht und blieb auch seinem Standpunkt treu, als der Druck des EJPD sehr gross wurde. […] Trotzdem ist die Politik von Fritz Brechtbühl nicht ohne Widersprüche. Auch in Basel wurden Flüchtlinge aus- gewiesen. Wie viele dieser Flüchtlinge deswegen umgekommen sind, wird sich wohl nie klären lassen.“ Wacker, Jean-Claude: Humaner als Bern! Schweizer und Basler Asylpraxis gegenüber den jüdischen Flüchtlingen von 1933 bis 1943 im Vergleich. Basel 1992 S. 205–206 sowie S. 80. 390 Hickethier, Knut: Der Politische Blick im Dispositiv Fernsehen. Der Unterhaltungswert der Politik in der medialen Republik. In: Weisbrod, Bernd: Die Politik der Öffentlichkeit – die Öffentlich- keit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik. Göttingen 2003 S. 79–96, hier S. 84. 391 Ebenda S. 207. 392 Mehrere Stellen legten Zeitungsartikelsammlungen zu diesen Protesten an, so unter anderen die Basler Behörden, der SIG wie auch die sozialdemokratische Partei des Kantons Zürich. 393 Ich traf Itta Shedletzky an der bereits mehrfach erwähnten „Jud Süss“-Tagung in Hamburg. Am 14. Juli 2005 führten wir ein mehrstündiges Gespräch über die Zürcher Proteste gegen den Film „Das Dritte Geschlecht“. 394 Buschke, Heiko: Deutsche Presse, Rechtsextremismus und nationalsozialistische Vergangenheit in der Ära Adenauer. Frankfurt am Main und New York 2003, hier S. 374. 395 Stern, Frank: Von der Bühne auf die Strasse. Der schwierige Umgang mit dem deutschen Antise- mitismus in der politischen Kultur 1945 bis 1990 – Eine Skizze. In: Wolfgang, Benz: Jahrbuch für Antisemitismusforschung. 1992 S. 42–76, hier S. 44. 396 Kreis, Georg:Arbeitskopie Öffentlicher Antisemitismus in der Schweiz nach 1945. In: Mattioli, Aram (Hrsg): Antisemitismus in der Schweiz 1848–1960. Zürich 1998 S. 555–576, hier S. 571. 397 Kreis 2004 S. 431. 398 Kreis, Georg: Antisemitismus in der Schweiz nach 1945. In: Tuor-Kurth, Christina (Hrsg.): Neuer Antisemitismus – alte Vorurteile? Stuttgart u.a. 2001 S. 53–63, hier S. 56. 399 Kreis, Georg: Judenfeindschaft in der Schweiz. In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 423–445, hier S. 431. 400 Siehe dazu auch Gisler, Andreas: „Die Juden sind unser Unglück.“ Briefe an Sigi Feigel 1997–98. Zürich 1999. 401 Siehe dazu Herbert, Ulrich: NS-Eliten in der Bundesrepublik. In: Loth, Wilfried; Rusinek, Bernd A. (Hrsg.): Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Frankfurt am Main und New York 1998 S. 93–116, hier vor allem S. 101. 402 Höltschi, Peter: „Nazi-Methoden gegen Nazi-Harlan“. In: Zürcher Woche vom 18. April 1962 Nr 16. Dieser Artikel findet sich im Sozialarchiv in der Zeitungsausschnitt-Sammlung unter der Signatur ZA 17.4. 403 Veit Harlan vor Gericht. Goebbels verteilt schreiend Hauptrollen. In: Zürcher Woche vom 11. Mai 1962 Nr. 19, hier S. 13. Ebenda. 404 Neuer Wirbel um Veit Harlan. Ein neuer Film des „Jud Süss“-Regisseurs löst neue Diskussionen aus. In: Zürcher Woche vom 28. August 1958. In: AfZ Harlan-Schachtel Nr. 3 PA 1957–1958.

142

4512falk.indd 142 19.05.2008 17:12:03 Uhr 405 Das Kürzel steht wohl für den Redaktor Fritz Hochstrasser. 406 „Das Dritte Geschlecht“. In: „Film und Radio“. Unabhängige illustrierte Halbmonatszeitschrift für Film und Radio. Ausgabe vom 4. April 1959. Der Artikel ist im AfZ in der Harlan-Schachtel Nr. 3 einsehbar. 407 Evangelischer Film-Beobachter Nr. 38 19. September 1957 S. 441. 408 Rolf alias Meier, Karl: Wovon man in Deutschland spricht. „Anders als du und ich.“ In: Der Kreis Nr. 1 1958 S. 7–8. Diese Zeitschrift kann im Sozialarchiv eingesehen werden. 409 Ebenda. 410 Trechsel, Rolf: Die Kastration Schwuler in der Schweiz. In: Trüeb und Miescher 1988 S. 213–216, hier S. 213. 411 Panache, Carlo M.: Die Rechtslage in Basel vor 1942. In: Ebenda S. 186–188, hier S. 187. 412 Schüle, Hannes: Die Entstehung des Schwulen-Artikels im StGB von 1942. In: Ebenda S. 189–193, hier S. 189. 413 Berner, Hans: Rückzug in die Verdunkelung. Ebenda S. 59–59. 414 Miescher, Stephan: Polizeiliche Razzien im Park. In: Trüeb und Miescher 1988 S. 66–73 sowie Hoechner, Francesca: Zivilverteidigung – ein Normenbuch für die Schweiz. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. Aus der Ära des Kalten Krieges. Nr. 54 2004 S. 188–203. Zur Homo- sexuellenverfolgung unter McCarthy siehe Miller, Neil: Out of the Past. Gay and Lesbian History from 1869 to the Present. New York 1995, hier vor allem S. 254–264. 415 Siehe dazu die Informationen auf www.parlament.ch/E/homepage/ed-berichte-verwaltung/se-sr- ss-2004.pdf (14. Mai 2004). 416 Deleuze, Gilles; Guattari, Félix: Rhizom. Berlin 1977. 417 Buchloh 2002 S. 203. 418 Patalas, Enno: „Anders als du und ich“. In: Filmkritik. Aktuelle Informationen für Film- freunde 12/57 S. 191. 419 Anstelle eines Programms. In: Filmkritik. 1. Jahrgang Januar 1957 S. 1–2. 420 Ebenda. 421 Koch, Getrud: Kracauer zu Einführung. Hamburg 1996 S. 100. 422 Kracauer, Siegfried: Über die Aufgabe des Filmkritikers. In: Derselbe: Kino. Essays, Studien, Glos- sen zum Film. Frankfurt am Main 1979 (2. Auflage) S. 9–11. Dieser Essay wurde 1932 verfasst. 423 Kracauer, Siegfried: Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino. In: Derselbe: Das Ornament der Masse. Suhrkamp Frankfurt am Main 1977 S. 279–294, hier S. 280 (Der Aufsatz wurde erstmals 1927 unter dem Titel „Film und Gesellschaft“ veröffentlicht.) 424 Die rhetorische Lehre von der evidentia, welche Evidenz als rhetorische Operation begreift, als eine Anschaulichkeit, die über das Medium der Sprache hergestellt wird, erfährt im Lauf der Zeit einen Bedeutungswandel, und so weist heute der Begriff der Evidenz je nach Sprache und Kontext sehr verschiedene Dimensionen auf. Siehe dazu allgemeine Ausführungen im Kapitel 2.1. und 5.1. Arbeitskopie 425 Benedict Anderson schreibt dazu: „Indem der Zeitungsleser beobachtet, wie exakte Duplikate seiner Zeitung in der U-Bahn, beim Friseur, in seiner Nachbarschaft konsumiert werden, erhält er ununterbrochen die Gewissheit, dass die vorgestellte Welt sichtbar im Alltagsleben verwurzelt ist. Wie bei Noli me tangere sickert die Fiktion leise und stetig in die Wirklichkeit ein und erzeugt dabei jenes bemerkenswerte Vertrauen in eine anonyme Gemeinschaft, welches das untrügli- che Kennzeichen moderner Nationen ist.“ Anderson, Benedict: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Frankfurt am Main und New York 1996 (erstmals 1983 publiziert), hier S. 41. 426 Zu nennen ist hier der Ansatz der visual studies, der sich vor allem im nordamerikanischen Raum etabliert hat. 427 Dazu Stern, Frank: Durch Clios Brille: Kino als zeit- und kulturgeschichtliche Herausforderung. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 16/2005/1 S. 59–87. 428 Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main 1976, hier S. 257. 429 Ebenda S. 257. 430 Ebenda S. 266. 431 Ebenda S. 279. 432 Rüthers S. 144. 433 Schmuhl 2001, hier S. 168.

143

4512falk.indd 143 19.05.2008 17:12:03 Uhr 434 Hödl, Klaus: Das „Weibliche“ im Ostjuden. In: Derselbe: Der Umgang mit dem „Anderen“. Juden, Frauen, Fremde, … Wien u.a. 1996 S. 79–102, hier S. 92. 435 Hödl, Klaus: Die Pathologisierung des jüdischen Körpers. Antisemitismus, Geschlecht und Medi- zin im Fin de Siècle. Wien 1997, hier S. 222. 436 Siehe dazu Richard, Birgit: Metrosexual. Schwule Crossovers in den Mainstream. In: Der Homo- erotische Blick. Kunstforum International. Bd. 154, April-Mai 2001 S. 152–165, hier S. 153. 437 Trüb, Kuno; Miescher, Stephan: Einleitung. In: Männergeschichten 1988 S. 10–13, hier S. 13. 438 Smelik, Anneke: Gay and lesbian criticism. In: Hill, John; Church Gibson, Pamela (Hrsg.): Film Studies – Critical Approaches. Oxford University Press 2000 S. 133–145, hier S. 142. 439 Holert, Tom: Bildfähigkeiten. Visuelle Kultur, Repräsentationskritik und Politik der Sichtbarkeit. In: Derselbe: Imagineering. Visuelle Kultur und Sichtbarkeit. Köln S. 14–33, hier S. 20. 440 Nord 2000 S. 156. 441 Ebenda S. 166. 442 Bravmann, Scott: Queere Fiktionen von Stonewall. In: Krass, Andreas: Queer Denken. Gegen die Ordnung der Sexualität (Queer Studies). Frankfurt am Main 2003 S. 240–276, hier S. 269. 443 Schock und Kay 2003 S. 366. 444 Dreyfus, Madeleine: Jüdische Identitäten in der Schweiz. In: Schweizerischer Israelitischer Gemein- debund (Hrsg): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 363–376, hier S. 363. 445 Carr, David: Die Realität der Geschichte. In: Müller, Klaus E.; Rüsen, Jörn (Hrsg.): Historische Sinnbildung. Problemstellungen, Zeitkonzepte, Wahrnehmungshorizonte, Darstellungsstrategien. Hamburg 1997 S. 307–327, hier S. 313. 446 Simanowski, Roberto: Einleitung: Zum Problem kultureller Grenzziehung. In: Derselbe; Turk, Horst; Schultze Brigitte (Hrsg.): Kulturelle Grenzziehungen im Spiegel der Literatur: Nationalis- mus, Regionalismus und Fundamentalismus. Göttingen 1998 S. 8–62, hier S. 15. 447 Wodak, Ruth u.a.: Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt am Main 1998 448 Portmann 2000 S. 57. 449 Max Frenkel beispielsweise, der lange Zeit Kolumnen für die Neue Zürcher Zeitung schrieb und nach seiner Pensionierung für die NZZ am Sonntag jeweils eine Kolumne verfasste, meint: „Pro- blematisch wird die Emanzipation [der Homosexuellen], wo sie diese Lebensform öffentlich als Rollenmodell zelebriert, wie das etwa an den Christopher’s-Day-Strassenparaden getan wird, um so Pubertierende zu beeinflussen. Milde Formen des Sadismus, des Masochismus, des Exhibitio- nismus und so weiter sind ebenso ‚natürliche‘ Ausdrucksformen der Sexualität. Hier verhindert jedoch der Jugendschutz mit seinen Altersgrenzen die Öffentlichkeit. Wieso nur hier und nicht auch dort? Die Frage ist offensichtlich politisch nicht korrekt.“ Frenkel geht ausserdem vom bereits bekannten Verführungsmodell Jugendlicher zur Homosexualität aus; gleichzeitig platziert er Homosexualität in die Nähe von Begriffen wie Masochismus und Sadismus, ohne allerdings auch hier eine direkteArbeitskopie Verbindung ausdrücklich zu postulieren. Den kirchlichen Ehe-Schluss unter Homosexuellen bezeichnet Frenkel im vorangehenden Abschnitt als „Nachäffen eines Ritus“; allerdings könnten auch homosexuelle Beziehungen legalisiert werden, „sofern man davon aus- geht, dass auch Homosexuellenbeziehungen auf Dauer angelegt sind“, was der Autor dem Tonfall nach aber mit einem Fragezeichen versieht. Frenkel, Max: Äxgüsi. Das ABC des politisch unkorrekten Schweizers. Zürich 2004, hier S. 30. 450 Böhme, Hartmut: Vom Cultus zur Kultur(wissenschaft). Zur historischen Semantik des Kultur- begriffs. In: Glaser, Renate; Luserke, Mathias (Hrsg.): Literaturwissenschaft – Kulturwissenschaft. Positionen, Themen, Perspektiven. Opladen 1996 S. 48–69, hier S. 61. 451 Siehe dazu Mattmüller, Markus: Die Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts als gesamteuropäi- scher Vorgang. In: Junker, Beat; Gilg, Peter (Hrsg.): Geschichte und politische Wissenschaft: Fest- schrift für Erich Gruner zum 60. Geburtstag. Bern 1975 S. 213–236. Dazu auch Mattioli, Aram: Die Schweiz und die jüdische Emanzipation 1798–1874. In: Derselbe (Hrsg): Antisemitismus in der Schweiz 1848–1960. Zürich 1998 S. 61–82 und Krauthammer, Pascal: Die rechtliche und gesellschaftliche Stellung der Juden in der Schweiz. In: Schweizerischer Israelitischer Gemeinde- bund (Hrsg): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 101– 119. 452 Krige, John: NATO and the strengthening of Western Science in the Post-Sputnik-Era. In: Minerva 38/2000 S. 81–108, hier S. 92 und 104. Die Seitenangaben richten sich nach dem online- Ausdruck des Artikels.

144

4512falk.indd 144 19.05.2008 17:12:04 Uhr 453 Schissler, Hanna: Zwischen Häuslichkeit und Erwerbstätigkeit. Frauen in den USA und Deutsch- land. In: Junker, Detlev u.a. (Hrsg): Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges 1945–1990. Ein Handbuch. Band I. Stuttgart und München 2001 S. 846–857, hier S. 848. 454 Allerdings haben in der Schweiz mehrere Faktoren die sehr späte Einführung des Frauenstimm- rechts bewirkt. Erklärungen können demnach auf verschiedenen Ebenen gesucht und gefunden werden. Siehe dazu Voegeli, Yvonne: Zwischen Hausrat und Rathaus: Auseinandersetzungen um die politische Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz 1945–1971. Zürich 1997 und Hardmeier, Sibylle: Frühe Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz (1890–1930): Argumente, Strategien, Netzwerke und Gegenbewegung. Zürich 1997. 455 Dudziak, Mary L.: Cold War. Civil Rights. Race and the Image of American Democracy. Princeton 2000. 456 Saunders, Frances Stonor: Wer die Zeche zahlt: Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg. Ber- lin 2001, hier S. 31 und 279. Diese amerikanische Kulturpolitik zielte vor allem darauf, die nicht- kommunistische europäische Linke für eine sowjetfeindliche Haltung zu gewinnen. 457 Suter, Andreas: Neutralität. Prinzip, Praxis und Geschichtsbewusstsein. In: Eine kleine Geschichte der Schweiz. Frankfurt am Main 1998 S. 133–188, hier S. 185. 458 Carl Ludwig hatte sich allerdings 1915 selbst in antisemitischer Weise über jüdische Kinobesitzer geäussert. Siehe dazu Meier-Kern 1993, hier S. 73. 459 Kreis, Georg: Judenfeindschaft in der Schweiz. In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 423–445, hier S. 433. 460 So wurden sogar Kriegsverbrecher vom CIA aus Nachkriegsdeutschland herausgeschleust, um so von deren Fachwissen im Bereiche der Spionageabwehr zu profitieren. Siehe dazu Johnson, Loch K. und Freyberg, Annette: Die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste. In: Junker 2001 Band II S. 268–278, hier S. 273. 461 Siehe dazu die Darstellung der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (Hrsg.): Frauen Macht Geschichte: Frauen- und gleichstellungspolitische Ereignisse in der Schweiz 1848–1998. Bern 1999 Kapitel 1.2., 2.1 und 3.1. Im Bereich der „direktdemokratischen“ Einbürgerung kann heute – zumindest in gewissen Aspekten – ein ähnlicher Prozess beobachtet werden. 462 Werle, Gerhard; Wandres, Thomas: Auschwitz vor Gericht. Völkermord und bundesdeutsche Strafjustiz. München 1995, hier S. 17. 463 Frei, Norbert: Der Frankfurter Auschwitz-Prozess und die deutsche Zeitgeschichtsforschung. In: Auschwitz: Geschichte, Rezeption und Wirkung. Jahrbuch 1996 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Frankfurt am Main und New York 1996 S. 123–138, hier S. 124. 464 Bergmann, Werner: Aus der Geschichte lernen? Konflikte über Antisemitismus in der Bundes- republik Deutschland (1949–2000). In: Tuor-Kurth, Christina (Hrsg.): Neuer Antisemitismus – alte Vorurteile? Stuttgart u.a. 2001 S. 11–32, hier vor allem S. 18. 465 Ebenda. Arbeitskopie 466 Cohn-Bendit, Daniel (Hrg.): Wir haben sie so geliebt, die Revolution, Frankfurt am Main 1987, hier S. 108. 467 Hickethier 2003 (b) S. 29. 468 Marchart, Oliver: Für eine radikal-demokratische Kulturpolitik/Politikkultur. Warum und wie Kultur neu legitimiert werden muss. In: IG Kultur Österreich (Hg.): Klimawechsel: Für eine neue Politik kultureller Differenz. Wien 1999, hier S. 13. 469 Siehe im Folgenden Schock und Kay 2003 S. 332. 470 Siehe dazu Kugelmann, Cilly: Lang ist der Weg. Eine jüdische-deutsche Film-Kooperation. In: Auschwitz: Geschichte, Rezeption und Wirkung. Jahrbuch 1996 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Frankfurt am Main und New York 1996 S. 353–370, hier insbesondere S. 354. 471 „So, for example, if we say sexism is like racism, we may go on to analyze sexism in great depth without necessarily giving much attention to racism except insofar as it sets up our analysis of sexism.“ Jakobsen, Janet R.: Queers are like Jews, arent’ they? Analogy and Alliance In: Boyarin, Daniel; Itzkowitz, Daniel; Pellegrini, Ann (Hrsg): Queer Theory and the Jewish Question. Colom- bia 2003 S. 64–89, hier S. 67. 472 Dazu Horn, Eva; Kaufmann, Stefan; Bröckling, Ulrich: Einleitung. In: Dieselben (Hrsg.): Grenz- verletzer. Von Schmugglern, Spionen und anderen subversiven Gestalten. Berlin 2002, hier S. 10.

145

4512falk.indd 145 19.05.2008 17:12:04 Uhr Arbeitskopie

146

4512falk.indd 146 19.05.2008 17:12:04 Uhr Bibliografie

Altermatt, Urs: Katholizismus und Antisemitismus. Mentalitäten, Kontinuitäten, Ambivalenzen. Zur Kulturgeschichte der Schweiz 1918–1945. Frauenfeld u.a. 1999. Anderson, Benedict: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Frankfurt am Main und New York 1996 (erstmals 1983 publiziert). Aeppli, Felix: Schweizer Film 1929–1964. Die Schweiz als Ritual. Zürich 1981. Arns, Adolf: Fatale Korrespondenzen. Die Jud-Süss-Filme von Lothar Mendes und Veit Harlan im Vergleich. In: In: Kugelmann, Cilly; Backhaus, Fritz (Hrsg.): Jüdische Figuren in Film und Karikatur. Sigmaringen 1996 S. 97–134. Arns, Alfons: Fluchtpunkt Antisemitismus. Die Organisation des Raumes in Otto Huntes Entwürfen zu Jud Süss. In: Hoffmann, Hilmar; Schobert, Walter (Hrsg.): Otto Hunte. Architekt für den Film. Schriftenreihe des Deutschen Filmmuse- ums Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 1996 S. 82–103. Auslander, Leora: Erfahrung, Reflexion, Geschichtsarbeit. Oder: Was es heissen könnte, gebrauchsfähige Geschichte zu schreiben. In: Historische Anthropolo- gie: Kultur, Gesellschaft, Alltag. 1995 Ausgabe Nr. 3 S. 222–241. Backes, Klaus: Hitler und die bildenden Künste. Kulturverständnis und Kultur- politik im Dritten Reich. Köln 1988. Baumgardt, Manfred: Die Homosexuellen-Bewegung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. In: Eldorado. Homosexuelle Frauen und Männer in Berlin 1850– 1950. Geschichte, Alltag und Kultur. Berlin 1984 S. 17–27. Beck, Ulrich: Wie aus Nachbarn Juden werden. Zur politischen Konstruktion des Fremden in der reflexiven Moderne. In: Miller, Max; Soeffner, Hans-Georg (Hrsg.): Modernität und Barbarei. Soziologische Zeitdiagnose am Ende des 20. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1996 S. 318–343. Beck, Ulrich; Levy, Daniel; Sznaider, Natan: Erinnerung und Vergebung in der Zweiten Moderne.Arbeitskopie In: Beck, Ulrich; Lau, Christian (Hrsg.): Entgrenzung erzwingt Entscheidung: Was ist neu an der Theorie reflexiver Modernisierung? Frankfurt am Main 2004 S. 440–468. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzier- barkeit. Frankfurt am Main 1963 (Benjamin verfasste diesen Aufsatz 1935/36 im Pariser Exil). Benjamin, Walter: Über den Begriff der Geschichte. In: Tiedemann, Rolf; Schwep- penhäuser, Hermann (Hrsg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. 7 Bände. Frankfurt am Main 1974–1989 I.2, S. 691–704. Benz, Wolfgang: Im Schatten des Holocaust: Späte Wahrnehmung nichtjüdischer Opfer und der Platz der Homosexuellen in der Erinnerung. In: Burkhard, Jel- lonek; Lautmann, Rüdiger (Hrsg.): Nationalsozialistischer Terror gegen Homo- sexuelle. Verdrängt und ungesühnt. Paderborn u.a. 2002 S. 27–40. Benz, Wolfgang: Bilder vom Juden. Studien zum alltäglichen Antisemitismus. Bre- men 2001. Berger Waldenegg, Georg Christoph: Antisemitismus: „Eine gefährliche Vokabel?“ Diagnose eines Wortes. Wien, Köln und Weimar 2003.

147

4512falk.indd 147 19.05.2008 17:12:05 Uhr Bergermann, Ulrike: Das Bildnis der Gertrude Stein. Picassos Portrait im Blick der Queer Theory. In: Härle, Gerhard u.a. (Hrsg.): Ikonen des Begehrens. Bildsprache der männlichen und weiblichen Homosexualität in Literatur und Kunst. Stutt- gart 1997 S. 121–150. Bergmann, Werner: Aus der Geschichte lernen? Konflikte über Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland (1949–2000). In: Tuor-Kurth, Christina (Hrsg.): Neuer Antisemitismus – alte Vorurteile? Stuttgart u.a. 2001 S. 11–32. Bermbach, Udo: Das ästhetische Motiv in Wagners Antisemitismus. In: Borchmeyer, Dieter; Maayani, Ami; Vill, Susanne (Hrsg.): Richard Wagner und die Juden. Stuttgart und Weimar 2000 S. 55–78. Bircher, Urs: Max Frisch 1911–1955. Vom langsamen Wachsen eines Zorns. Zürich 1997. Bloch, Iwan: Das Sexualleben unserer Zeit in seinen Beziehungen zur modernen Kultur. Berlin 1919. (Erstauflage 1906). Blüher, Hans: In Medias Res. Grundbemerkungen zum Menschen. Jena 1919. Blüher, Hans: Frauenbewegung und Antifeminismus. Lauenburg und Elbe 1921. Böhler, Michael: „Auch hierzulande reden wir vom Heute, als stünde kein Ges- tern dahinter.“ Literarischer Umgang mit der Vergangenheit des Zweiten Welt- krieges in der Schweiz. In: Tanner, Jakob; Weigel, Sigrid (Hrsg.): Gedächtnis, Geld und Gesetz: Vom Umgang mit der Vergangenheit des Zweiten Weltkrieges. Zürich 2002 S. 145–178. Böhme, Hartmut: Vom Cultus zur Kultur(wissenschaft). Zur historischen Semantik des Kulturbegriffs. In: Glaser, Renate; Luserke, Mathias (Hrsg.): Literaturwissenschaft – Kulturwissenschaft. Positionen, Themen, Perspektiven. Opladen 1996 S. 48–69. Boyarin, Daniel; Itzkowitz, Daniel; Pellegrini, Ann: Strange Bedfellows: An Intro- duction. In: Dieselben (Hrsg.): Queer Theory and the Jewish Question. Colom- bia 2003 S. 1–18. Brauckmann, Stephanie: „Die kapitalistische Gesellschaft schachert mit Allem und Jedem“. Die proletarisch-sozialistische Frauenbewegung im Kaiserreich und der Antisemitismus.Arbeitskopie In: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte. Mai 2003 Heft 43 S. 6–13. Bretscher-Spindler, Katharina: Vom heissen zum Kalten Krieg: Vorgeschichte und Geschichte der Schweiz im Kalten Krieg 1943–1968. Zürich 1997. Buchloh, Stephan: „Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich.“ Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas. Frankfurt am Main und New York 2002. Bürger-Prinz, Hans: Gedanken zum Problem der Homosexualität. In: Giese, H.; Willy, A. (Hrsg.): Mensch, Geschlecht, Gesellschaft. Das Geschlechtsleben unse- rer Zeit gemeinverständlich dargestellt. Paris 1954 S. 874–883. Buschke, Heiko: Deutsche Presse, Rechtsextremismus und nationalsozialistische Vergangenheit in der Ära Adenauer. Frankfurt am Main und New York 2003. Butler, Judith: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Ber- lin 1995. Carr, David: Die Realität der Geschichte. In: Müller, Klaus E.; Rüsen, Jörn (Hrsg.): Historische Sinnbildung. Problemstellungen, Zeitkonzepte, Wahrnehmungshori- zonte, Darstellungsstrategien. Hamburg 1997 S. 307–327.

148

4512falk.indd 148 19.05.2008 17:12:05 Uhr Cohn-Bendit, Daniel (Hrg.): Wir haben sie so geliebt, die Revolution. Frankfurt am Main 1987. Collenberg-Plotinkow, Bernadette: Die Funktion der Kunst im Zeitalter der Bil- der. In: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 50/1 2005 S. 139–153. D’Alquen, Gunter: Auf Hieb und Stich. Stimmen zur Zeit am Wege einer deut- schen Zeitung. Berlin 1937 Dannecker, Martin: Zur Konstitution des Homosexuellen. In: Gooss, Ulrich; Gschwind, Herbert (Hrsg.): Homosexualität & Gesundheit. Berlin 1989 S. 113–127. Deleuze, Gilles: Foucault. Frankfurt am Main 1987. Deleuze, Gilles; Guattari, Félix: Rhizom. Berlin 1977. Douin, Jean-Luc: Dictionnaire de la Censure auf Cinéma. Images interdites. Paris 1998. Dreyfus, Madeleine: Jüdische Identitäten in der Schweiz. In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 363–376. Eppe, Heinrich: Jugendprotest gegen Aufführungen von Veit Harlan-Filmen. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Jugendpolitik in der Nachkriegszeit. Zeitzeugen – Forschungsberichte – Dokumente. Materialien zur Historischen Jugendfor- schung. Weinheim und München 1993 S. 67–74. Erlanger, Simon: Eine kurze Geschichte der jüdischen Presse in der Schweiz. In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg.): 100 Jahre Schweizeri- scher Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 86–95. Espagne, Michel: Transferanalyse statt Vergleich. Interkulturalität in der säch- sischen Regionalgeschichte. In: Kaelbe, Hartmut; Schriewer, Jürgen (Hrsg.): Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kul- turwissenschaften. Frankfurt und New York 2003 S. 419–438. Ferro, Marc: Les fondus chaînés du Juif Süss. In: Derselbe: Cinéma et Histoire. Paris 1993 S. 159–Arbeitskopie161. Fischer, Jens Malte: Richard Wagners „Das Judentum in der Musik“. Entstehung – Kontext – Wirkung. In: Borchmeyer, Dieter; Maayani, Ami; Vill, Susanne (Hrsg.): Richard Wagner und die Juden. Stuttgart und Weimar 2000 S. 35– 54. Fleck, Ludwig: Schauen, sehen, wissen. In: Derselbe: Erfahrung und Tatsache. Gesammelte Aufsätze. Frankfurt am Main 1983 S. 147–174. Ford, Henry: Der internationale Jude. Leipzig 1922 (7. Auflage). Foucault, Michel: Worte und Bilder. In: Defert, Daniel; Ewald, François (Hrsg.): Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits. Band I 1954–1969. Frankfurt am Main 2001 S. 794–797. Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses. Inauguralvorlesung am Collège de France 2. Dezember 1970. Frankfurt am Main u.a. 1977. Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frank- furt am Main 1976. Foucault, Michel: Sexualität und Wahrheit. Band 1: Der Wille zum Wissen. Frankfurt am Main 1977.

149

4512falk.indd 149 19.05.2008 17:12:05 Uhr Foucault, Michel: Dies ist keine Pfeife. Mit zwei Briefen und vier Zeichnungen von René Magritte. München 1997. Frei Berthoud, Annette: Fakten, Mythen, Erinnerungen. Die unterschiedliche Wahrnehmung und Beurteilung von Aktivdienst und Fraueneinsatz. In: Sarasin, Philipp; Wecker, Regina (Hrsg.): Raubgold, Reduit, Flüchtlinge. Zur Geschichte der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Zürich 1998 S. 105–119. Frei, Norbert: Der Frankfurter Auschwitz-Prozess und die deutsche Zeitgeschichts- forschung. In: Auschwitz: Geschichte, Rezeption und Wirkung. Jahrbuch 1996 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Frankfurt am Main und New York 1996 S. 123–138. Frenkel, Max: Äxgüsi. Das ABC des politisch unkorrekten Schweizers. Zürich 2004. Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur. Wien 1930. Friedli, Sigi: Psychiatrie und Homosexualität. In: Kuno Trüeb; Stephan Miescher (Hrsg.): Männergeschichten. Schwule in Basel seit 1930. Basel 1988 S. 207–212. Frisch, Max: Tagebuch 1946–1949. Zürich 1975. Frumer, Bernard; Merchant, Jennifer: The emancipation of women and of the jews; parallels in anti-semitic and anti-feminist discourse. In: History of European Ideas. Special Issue Volume 19 (1994) S. 723–731. Funk, Michael; Gast, Uriel; Keller, Zsolt: Eine kleine Geschichte des Schweize- rischen Israelitischen Gemeindebundes (1904 -2004). In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 23–55. Garçon, François: Cinéma et Histoire: Les Trois Discours Du Juif Süss. In: Anna- les. Economie, Sociétés, Civilisations. Extrait du numéro 4, Juillet-Août 1979 S. 694–720. Gerber, Barbara: Jud Süss. Aufstieg und Fall im frühen 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Historischen Antisemitismus- und Rezeptionsforschung. Hamburg 1990. Giese, Hans: Der Wunsch nach dem Kinde. In: Giese, H.; Willy, A. (Hrsg.): Mensch, Geschlecht,Arbeitskopie Gesellschaft. Das Geschlechtsleben unserer Zeit gemeinverständ- lich dargestellt. Paris 1954 S. 445–450. Giese, Hans: Der homosexuelle Mann. In: Giese, H.; Willy, A. (Hrsg.): Mensch, Geschlecht, Gesellschaft. Das Geschlechtsleben unserer Zeit gemeinverständ- lich dargestellt. Paris 1954 S. 868–873, hier S. 872. Giese, Hans: Der homosexuelle Mann in der Welt. Stuttgart 1958. Giese, Hans: Abnormes und perverses Verhalten. In: Derselbe (Hrsg.): Psycho- pathologie der Sexualität. Stuttgart 1962 S. 310–470. Giese, Hans: Das homosexuelle Syndrom. In: Derselbe und Gebsattel (Hrsg.): Psy- chopathologie der Sexualität. Stuttgart 1962 S. 377–420. Giese, Hans; Hansen, Jürg; Wilfried Rasch (Hrsg.): Psychiatrische Beiträge zur modernen Kunst. Stuttgart 1967. Gilman, Sander L.: Freud, Race and Gender. Princeton 1993. Gisler, Andreas: „Die Juden sind unser Unglück.“ Briefe an Sigi Feigel 1997–98. Zürich 1999. Gold, Helmut; Heuberger, Georg; Klein, Peter: Vorwort. In: Gold, Helmut; Heuber- ger, Georg (Hrsg.): Abgestempelt: judenfeindliche Postkarten. Auf der Grundlage

150

4512falk.indd 150 19.05.2008 17:12:06 Uhr der Sammlung Wolfgang Haney. Kataloge der Museumsstiftung Post und Tele- kommunkation Bd. 4 Heidelberg 1999. Gold, Helmut: Stimmungsbilder. Die Postkarte als Medium des (frühen) Antisemitis- mus. In: Gold, Helmut; Heuberger, Georg (Hrsg.): Abgestempelt: judenfeindliche Postkarten. Auf der Grundlage der Sammlung Wolfgang Haney. Kataloge der Museumsstiftung Post und Telekommunikation Bd. 4 Heidelberg 1999 S. 13–19. Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung. In: Mersch, Dieter: Zeichen über Zeichen. Texte zur Semiotik von Pierce bis Eco und Derrida. München 1997 S. 248–258. Görling, Reinhold: Unbestimmtheitszonen. Für eine Kulturwissenschaft des21 . Jahr- hunderts. In: kuluRRevolution Nr. 45/46 Mai 2003 S. 32–38. Gottberg, Joachim: Die FSK wird 50. In: tv diskurs. Mit Intimitäten fing es an… Vor 50 Jahren prüfte die FSK ihren ersten Film. Baden-Baden 1999 S. 34–45. Göttlich, Udo; Winter, Rainer: Politik des Vergnügens. Zur Diskussion der Populär- kultur in den Cultural Studies. Köln 200 7–19. Grasskamp, Walter: Die unbewältigte Moderne: „Entartete Kunst“ und documenta I. Verfemung und Entschärfung. In: Museum der Gegenwart – Kunst in öffent- lichen Sammlungen bis 1937. Ausstellungskatalog Kunstsammlung Nordrhein- Westfalen. Düsseldorf 1987 S. 13–24. Gredig, Daniel: Dekadent und gefährlich. Eine Untersuchung zur Struktur von Ste- reotypen gegenüber Randgruppen. Weinheim 1994. Grumbach, Detlef: Einleitung. In: Derselbe (Hrsg.): Die Linke und das Laster. Schwule Emanzipation und linke Vorurteile. Hamburg 19995 S. 7–16. Guilbaut, Serge: Wie New York die Idee der Modernen Kunst gestohlen hat. Abstrak- ter Expressionismus, Freiheit und Kalter Krieg. Dresden und Basel 1997 (Erst- auflage 1983). Haasis, Hellmut G.: Joseph Süss Oppenheimer genannt Jud Süss. Finanzier, Freiden- ker, Justizopfer. Reinbek bei Hamburg 1998. Hardmeier, Sibylle: Frühe Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz (1890–1930): Argumente, Strategien,Arbeitskopie Netzwerke und Gegenbewegung. Zürich 1997. Harlan, Veit: Im Schatten meiner Filme. Gütersloh 1966. Haumann, Heiko: Fussball, Veit Harlan und die Volkspolizei 1953. Ein Fall von Hooliganismus im Elztal? In: Watzkla, Volker (Hrsg.): „s’ Eige zeige“. Jahrbuch des Landkreises Emmendigen für Kultur und Geschichte. Emmendingen 2002 S. 111–116. Haumann, Heiko: „Wir waren alle ein klein wenig antisemitisch.“ Ein Versuch über historische Massstäbe zur Beurteilung von Judengegnerschaft an den Bei- spielen Karl von Rotteck und Jacob Burckhardt. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. Vol. 55 2005 Nummer 2 S. 196–214. Haver, Gianni: Eidgenössische Zensurpolitik 1913–1945. In: Vinzenz Hediger u.a. [Hrsg.]: Home stories. Neue Studien zu Film und Kino in der Schweiz. Schü- ren 2001 S. 265–276. Heidel, Ulf über Jagose, Annamarie: Queer Theory. Eine Einführung. Berlin 2001. In: Invertito. Jahrbuch für Geschichte der Homosexualitäten. Denunziert, ver- folgt, ermordet: Homosexuelle Männer und Frauen in der NS-Zeit. 4. Jahr- gang 2002 S. 178–181.

151

4512falk.indd 151 19.05.2008 17:12:06 Uhr Henke, Hans-Gerd: Der „Jude“ als Kollektivsymbol in der deutschen Sozialdemo- kratie. Mainz 1994. Herbert, Ulrich: NS-Eliten in der Bundesrepublik. In: Loth, Wilfried; Rusinek, Bernd-A. (Hrsg.): Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nach- kriegsgesellschaft. Frankfurt am Main und New York 1998 S. 93–116. Hergemöller, Bernd-Ulrich: Einführung in die Historiographie der Homosexuali- täten. Tübingen 1999. Hergemöller, Bernd Ulrich: Fragmente, Widersprüche, Perspektiven. In: Invertito. Jahrbuch für Geschichte der Homosexualität. Homosexualitäten in der Weima- rer Republik 1919–1933. 2. Jahrgang 2000 S. 58–84. Herrn, Rainer: Sexualwissenschaft und –politik bei Magnus Hirschfeld. In: Burk- hard, Jellonek; Lautmann, Rüdiger (Hrsg.): Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle. Verdrängt und ungesühnt. Paderborn u.a. 2002 S. 317–328. Herzer, Manfred; Steakley, James: Nachwort. In: Hirschfeld, Magnus: Von einst bis jetzt. Geschichte einer homosexuellen Bewegung 1897–1922. Berlin 1986 (Erst- mals 1922/23). Herzer, Manfred: Un Chant d’Amour: Literatur, Theater Film. In: Goodbye to Ber- lin? 100 Jahre Schwulenbewegung. Eine Ausstellung des Schwulen Museums und der Akademie der Künste. Berlin 1997 S. 258–262. Hickethier, Knut: Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart und Weimar 1996 (2. Auf- lage). Hickethier, Knut: Einführung in die Medienwissenschaft. Stuttgart und Wei- mar 2003 (a). Hickethier, Knut: Protestkultur und alternative Lebensformen. In: Faulstich, Wer- ner: Die Kultur der 60er Jahre. München 2003 S. 11–30 (b). Hickethier, Knut: Der Politische Blick im Dispositiv Fernsehen. Der Unterhaltungs- wert der Politik in der medialen Republik. In: Weisbrod, Bernd: Die Politik der Öffentlichkeit – die Öffentlichkeit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik. Göttingen 2003 S. 79–96 (c). Hilzinger, Christian.Arbeitskopie Institutionalisierte Bildzerstörung: die Basler Filmkommis- sion und die Erwachsenenzensur in den 1950er Jahren: Organisation, Funktion und Praxis. Unpublizierte Lizentiatsarbeit. Basel 1994. Hilzinger, Christian: Kampf dem Ungeheuer Film. Die Geschichte der Filmzensur in Basel. In: Magazin der Basler Zeitung 25. März 2000 Nr. 12 S. 1–5. Hippler, Fritz: Die Filmzensur der Neutralen. In: Derselbe: Betrachtungen zum Filmschaffen. Berlin 1943. 5. neubearbeitete und erweiterte Auflage S. 132– 143. Hirschfeld, Magnus: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes. Nachdruck der Erstauflage von 1914. Berlin und New York 1984. Hirschfeld, Magnus: Von einst bis jetzt. Geschichte einer homosexuellen Bewe- gung 1897–1922. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Man- fred Herzer und James Steakley. Berlin 1986. Erstauflage 1922/23. Hitler, Adolf: Monologe im Führer-Hauptquartier 1941–1944. (Hier 21./22.10.1941, nachts). Herausgegeben von Werner Jochmann. München 1980. Hödl, Klaus: Das „Weibliche“ im Ostjuden. In: Derselbe: Der Umgang mit dem „Anderen“. Juden, Frauen, Fremde, … Wien u.a. 1996 S. 79–102.

152

4512falk.indd 152 19.05.2008 17:12:06 Uhr Hödl, Klaus: Die Pathologisierung des jüdischen Körpers. Antisemitismus, Geschlecht und Medizin im Fin de Siècle. Wien 1997. Hoechner, Francesca: Zivilverteidigung – ein Normenbuch für die Schweiz. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. Aus der Ära des Kalten Krieges. Nr. 54 2004 S. 188–203. Holert, Tom: Bildfähigkeiten. Visuelle Kultur, Repräsentationskritik und Politik der Sichtbarkeit. In: Derselbe: Imagineering. Visuelle Kultur und Sichtbarkeit. Köln S. 14–33. Hollstein, Dorothea: Antisemitische Filmpropaganda. Die Darstellung des Juden im nationalsozialistischen Spielfilm. München-Pullach und Berlin 1971. Holz, Klaus: Nationaler Antisemitismus. Wissenssoziologie einer Weltanschau- ung. Hamburg 2001. Horn, Eva; Kaufmann, Stefan; Bröckling, Ulrich: Einleitung. In: Dieselben (Hrsg.): Grenzverletzer. Von Schmugglern, Spionen und anderen subversiven Gestalten. Berlin 2002. Imhof, Michael: „Einen besseren als Stöcker finden wir nicht.“ Diskursanaly- tische Studien zur christlich-sozialen Agitation im deutschen Kaiserreich. Oldenburg 1996. Imhof, Michael: Stereotypen und Diskursanalyse. Anregungen zu einem For- schungskonzept kulturwissenschaftlicher Stereotypenforschung. In: Hahn, Hans Henning (Hrsg.): Stereotyp, Identität und Geschichte. Die Funktion von Stereotypen in gesellschaftlichen Diskursen. Oldenburger Beiträge zur Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas. Frankfurt am Main u.a. 2002 S. 52–57. Jäger, Siegfried: Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Duisburg 1999. Jakobsen, Janet R.: Queers are like Jews, arent’ they? Analogy and Alliance. In: Boyarin, Daniel; Itzkowitz, Daniel; Pellegrini, Ann (Hrsg.): Queer Theory and the Jewish Question. Colombia 2003 S. 64–89. Jaun, Rudolf: Weder Frauen-Hauswehr noch Frauen-Stimmrecht – Zum Zusam- menhang von Geschlecht, Stimmrecht und Wehrpflicht in der Schweiz. In: Frauen und Staat:Arbeitskopie Berichte des Schweizerischen Historikertages in Bern, Oktober 1996, Itinera 20 1998 S. 125–137. Johnson, Loch K. und Freyberg, Annette: Die Zusammenarbeit der Nachrichten- dienste. In: Junker, Detlev u.a. (Hrsg): Die USA und Deutschland im Zeit- alter des Kalten Krieges 1945–1990. Ein Handbuch. Band II. Stuttgart und München 2001 S. 268–278. Jüdisches Museum der Stadt Wien (Hrsg.): Die Macht der Bilder. Antisemitische Vorurteile und Mythen. Wien 1995. Kaes, Anton: Filmgeschichte als Kulturgeschichte. In: Jung, Uli; Schatzberg, Wal- ter: Filmkultur zur Zeit der Weimarer Republik. München u.a. 1992 S. 54– 64. Kamis-Müller, Aron: Antisemitismus in der Schweiz 1900–1930. Zürich 1990. Katz, Jakob: The Preparatory Stage of the Modern Antisemitic Movement (1873– 1879). In: Almog, Shmuel (Hrsg.): Antisemitism Through Ages. Oxford u.a. 1988 S. 279–289. Keller, Reiner: Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschafterInnen. Opladen 2004.

153

4512falk.indd 153 19.05.2008 17:12:07 Uhr Keller, Stefan: Grüningers Fall. Zürich 1993. Kleinhans, Bernd: Ein Volk, ein Reich, ein Kino. Lichtspiel in der braunen Provinz. Köln 2003. Knoll, Renate: Metzler Lexikon Gender Studies/Geschlechterforschung. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Stuttgart 2002. Knopp, Daniel: NS-Filmpropaganda. Wunschbild und Feindbild in Leni Riefen- stahls „Triumph des Willens“ und Veit Harlans „Jud Süss“. Marburg 2004. Koch, Getrud: Kracauer zu Einführung. Hamburg 1996. Korte, Helmut: Historische Wahrnehmung und Wirkung von Filmen. Ein Arbeits- modell. In: Hickethier, Knut; Müller, Ego; Rother, Rainer (Hrsg.): Der Film in der Geschichte: Dokumentation der GFF-Tagung. Berlin 1997 S. 154–166. Kracauer, Siegfried: Das Ornament der Masse. In: Derselbe: Dasselbe. Frankfurt am Main 1977 S. 50–63. Kracauer, Siegfried: Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino. In: Derselbe: Das Ornament der Masse. Frankfurt am Main 1977 S. 279–294 (Der Aufsatz wurde erstmals 1927 unter dem Titel „Film und Gesellschaft“ veröffentlicht). Kracauer, Siegfried: Über die Aufgabe des Filmkritikers. In: Derselbe: Kino. Essays, Studien, Glossen zum Film. Frankfurt am Main 1979 (2. Auflage) S. 9–11. Die- ser Essay wurde erstmals 1932 veröffentlicht. Kramer, Thomas: Scotonis, Max Iklé und die Terra-Film AG. In: Kramer, Thomas; Siegrist, Dominik (Hrsg.): Terra. Ein Schweizer Filmkonzern im Dritten Reich. Zürich 1991 S. S. 11–54. Krass, Andreas: Queer Studies – Eine Einführung. In: Derselbe: Queer Denken. Gegen die Ordnung der Sexualität (Queer Studies). Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2003 S. 7–30. Kraushaar, Wolfgang: Der Kampf gegen den „Jud-Süss“-Regisseur Veit Harlan. „Ein Meilenstein in der Grundrechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts“ In: Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung 6/95 S. 4–44. Krauthammer,Arbeitskopie Pascal: Die rechtliche und gesellschaftliche Stellung der Juden in der Schweiz. In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg.): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 101–119. Kreimeier, Klaus: Antisemitismus im nationalsozialistischen Film. In: Kugelmann, Cilly; Backhaus, Fritz (Hrsg.): Jüdische Figuren in Film und Karikatur. Sigma- ringen 996 S. 135–157. Kreis, Georg: Öffentlicher Antisemitismus in der Schweiz nach 1945. In: Mattioli, Aram (Hrsg): Antisemitismus in der Schweiz 1848–1960. Zürich 1998 S. 555– 576. Kreis, Georg: Antisemitismus in der Schweiz nach 1945. In: Tuor-Kurth, Christina (Hrsg.): Neuer Antisemitismus – alte Vorurteile? Stuttgart u.a. 2001 S. 53–63. Kreis, Georg: Judenfeindschaft in der Schweiz. In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg.): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeinde- bund (SIG). Zürich 2004 S. 423–445. Kugelmann, Cilly: Lang ist der Weg. Eine jüdische-deutsche Film-Kooperation. In: Auschwitz: Geschichte, Rezeption und Wirkung. Jahrbuch 1996 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Frankfurt am Main und New York 1996 S. 353–370.

154

4512falk.indd 154 19.05.2008 17:12:07 Uhr Künzli, Arnold: Die Funktion des Symbols in der Politik. In: Benedetti, C.; Rauch- fleisch, U. (Hrsg.): Welt der Symbole. Göttingen 1988 S. 234–246. Kury, Patrick: Über Fremde reden. Überfremdungsdiskurs und Ausgrenzung in der Schweiz 1900–1945. Zürich 2003. Landwehr, Achim: Geschichte des Sagbaren. Einführung in die Historische Dis- kursanalyse. Tübingen 2001. Leiskau, Katja; Daniela Geppert: „Alte Thaler, Junge Weiber sind die besten Zeit- vertreiber. In: Gold, Helmut; Heuberger, Georg (Hrsg.): Abgestempelt: juden- feindliche Postkarten. Heidelberg 1999 S. 205–214. Liebert, Frank: Vom Karrierestreben zum „Nötigungsstand“. „Jud Süss“, Veit Har- lan und die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft (1945–50). In: Henne, Tho- mas; Riedlinger, Arne (Hrsg): Das Lüth-Urteil in (rechts-) historischer Sicht. Die Konflikte um Veit Harlan und die Grundrechtsjudikatur des Bundesver- fassungsgerichts. Im Erscheinen. Link, Jürgen: „Der irre Saadam setzt seinen Krummdolch an meine Gurgel!“ Fana- tiker, Fundamentalisten, Irre und Traffikanten – Das neue Feindbild Süd. In: Jäger, Siegfried: Text- und Diskursanalyse. Eine Anleitung zur Analyse politi- scher Texte. Duisburg 1991 S. 73–91. Link, Jürgen: Versuch über den Nominalismus. Wie Normalität produziert wird. Bonn 1998. Link, Jürgen: Texte, Netze, Fluten, Charaktere, Rhizome. Noch sieht das Kollektiv- symbol des 21. Jahrhunderts ziemlich alt aus. In: kuluRRevolution Nr. 41/42 August 2001 S. 8–16. Linsmayer, Charles: Juden und Judentum im Schweizer Literatur- und Theater- schaffen. In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg): 100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG). Zürich 2004 S. 179–208. Luckscheiter, Roman: L’art pour l’art. Der Beginn der modernen Kunstdebatte in französischen Quellen der Jahre 1818 bis 1847. Bielefeld 2003. Maasen, Sabine: Wissenssoziologie. Bielefeld 1999. Maasen, Sabine, Mayerhauser,Arbeitskopie Torsten, Renggli, Cornelia (Hrsg.): Bilder als Dis- kurse – Bilddiskurse. Weilerswist 2006. Mannes, Stefan: Antisemitismus im nationalsozialistischen Film. Jud Süss und Der Ewige Jude. Köln 1999 Marx, Karl: Zur Judenfrage. Berlin 1919 (Erstauflage 1844). Mathieu, Thomas: Kunstauffassung und Kulturpolitik im Nationalsozialismus. Eingereichte Dissertation an der Universität Kiel. Saarbrücken 1997. Mattioli, Aram: Die Schweiz und die jüdische Emanzipation 1798–1874. In: Derselbe (Hrsg.): Antisemitismus in der Schweiz 1848–1960. Zürich 1998 S. 61–82. Mattenklott, Gert: Das gefrässige Auge oder Ikonophagie. In: Der übersinnliche Leib. Beiträge zur Metaphysik des Körpers. Reinbek bei Hamburg 1982. Matthäus, Jürgen: Die „Judenfrage“ als Schulungsthema von SS und Polizei. In: Derselbe u.a. (Hrsg.): Ausbildungsziel Judenmord? „Weltanschauliche Erzie- hung“ von SS, Polizei und Waffen-SS im Rahmen der „Endlösung“. Frankfurt am Main 2003 S. 35–86. Mattmüller, Markus: Die Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts als gesamt- europäischer Vorgang. In: Junker, Beat; Gilg, Peter (Hrsg.): Geschichte und

155

4512falk.indd 155 19.05.2008 17:12:07 Uhr politische Wissenschaft: Festschrift für Erich Gruner zum 60. Geburtstag. Bern 1975 S. 213–236. Mayer, Hans: Aussenseiter. Frankfurt am Main 1975. Meier-Kern, Paul: Verbrecherschule oder Kulturfaktor? Kino und Film in Basel 1896– 1916. Basel 1992. Mihal Friedman, Régine: Männlicher Blick und weibliche Reaktion. Veit Harlans Jud Süss (1940). In: Frauen und Film. Nummer 41 1986 S. 50–64. Micheler, Stefan; Müller, K. Jürgen; Pretzel, Andreas: Die Verfolgung homosexuel- ler Männer in der NS-Zeit und ihre Kontinuität. Gemeinsamkeiten und Unter- schiede in den Grossstädten Berlin, Hamburg und Köln. In: Invertito. Jahrbuch für Geschichte der Homosexualitäten. Denunziert, verfolgt, ermordet: Homo- sexuelle Männer und Frauen in der NS-Zeit. 4. Jahrgang 2002 S. 8–51. Miescher, Stephan: Polizeiliche Razzien im Park. In: Trüeb und Miescher 1988 S. 66– 73. Miller, Neil: Out of the Past. Gay and Lesbian History from 1869 to the Present. New York 1995. Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts (Hrsg.): Entscheidungen des Bundesver- fassungsgerichts. Tübingen 1957 S. 422 und 425. Moebius, Paul Julius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. Halle 1904 (6. Auflage). Moeschler, Olivier: La censure cinématographique fédérale en Suisse, 1939 à 1945. In: Vinzenz Hediger u.a. [Hrsg.]: Home stories. Neue Studien zu Film und Kino in der Schweiz. Schüren 2001 S. 277–287. Mooser, Josef: Die „Geistige Landesverteidigung“ in den 1930er Jahren. Profile und Kontexte eines vielschichtigen Phänomens der schweizerischen politischen Kul- tur in der Zwischenkriegszeit. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 47 (1997), Nr. 4. S. 685–708. Mosse, George: Das Bild des Mannes. Zur Konstruktion der modernen Männlich- keit. Frankfurt am Main 1997. Müller, Bernd:Arbeitskopie Stereotypen und historisches Lernen. In: Hahn, Hans Henning (Hrsg.): Stereotyp, Identität und Geschichte. Die Funktion von Stereotypen in gesellschaftlichen Diskursen. Oldenburger Beiträge zur Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas. Frankfurt am Main u.a. 2002 S. 155–174. Mulvey, Laura: Visual Pleasure and Narrative Cinema. In: Dieselbe: Visual and other Pleasures. Indiana University Press Bloomington and Indianapolis 1989 S. 14–26. Nancy, Jean-Luc: Am Grund der Bilder. Zürich-Berlin 2006. Nassehi, Armin: Geschlossenheit und Offenheit. Studien zur Theorie der modernen Gesellschaft. Frankfurt am Main 2003. Noack, Frank: Veit Harlan. „Des Teufels Regisseur“. München 2000. Nolzen, Armin: „Hier sieht man den Juden, wie er wirklich ist.“ Die Rezeption des Filmes „Jud Süss“ in der deutschen Bevölkerung, 1940–1941. In: Abstract zur Tagung „Joseph Oppenheimer, genannt ‚Jud Süss‘: Zur Wirkungsmacht einer ‚ikonischen Figur‘“ S. 10–11. Nord, Christina: Gegen feste Zeichen. Sichtbarkeit und Sichtbarmachung jenseits der heterosexuellen Anordnung. In: Holert, Tom: Imagineering. Visuelle Kultur und Sichtbarkeit. Köln 2000 S. 155–170.

156

4512falk.indd 156 19.05.2008 17:12:08 Uhr Omran, Susanne: Frauenbewegung und „Judenfrage“. Diskurse um Rasse und Geschlecht nach 1900. Frankfurt und New York 2000. Oosterhuis, Harry: Medizin, Männerbund und die Homosexuellenverfolgung. In: Burkhard, Jellonek; Lautmann, Rüdiger (Hrsg.): Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle. Verdrängt und ungesühnt. Paderborn u.a. 2002 S. 119– 126. Panache, Carlo M.: Die Rechtslage in Basel vor 1942. In: Trüeb und Miescher 1988 S. 186–188. Pardo, Herbert; Schiffner, Siegfried (Hrsg.): Jud Süss. Historisches und juristisches Material zum Fall Veit Harlan. Hamburg 1949. Paul, Gerhard (Hrsg.): Visual History. Ein Studienbuch. Göttingen 2006. Paul, Jobst: Das [Tier]-Konstrukt und die Geburt des Rassismus. Zur kulturellen Gegenwart eines vernichtenden Arguments. Münster 2004. Picard, Jacques: Die Schweiz und die Juden 1933–1945. Schweizerischer Antise- mitismus, jüdische Abwehr und internationale Migrations- und Flüchtlings- politik. Zürich 1994. Planert. Ute: Reaktionäre Modernisten? Zum Verhältnis von Antisemitismus und Antifeminismus in der völkischen Bewegung. In: Benz, Wolfgang: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 11. Frankfurt am Main und New York 2002 S. 31– 51. Prodolliet, Ernst: Der NS-Film in der Schweiz im Urteil der Presse 1933–1945. Zürich 1998. Prümm, Karl: Filmkritik als Medientransfer. Grundprobleme des Schreibens über Filme. In: Derselbe und Grob, Norbert (Hrsg.): Die Macht der Filmkritik. Posi- tionen und Kontroversen. München 1990 S. 9–24. Przyrembel, Alexandra; Schönert, Jörg (Hrsg.): „Jud Süss“. Hofjude, literarische Figur, antisemitisches Zerrbild. Frankfurt am Main 2006. Reese-Schäfer, Walter: Richard Rorty. Frankfurt am Main 1991. Richard, Birgit: Metrosexual. Schwule Crossovers in den Mainstream. In: Der Homo- erotische Blick. KunstforumArbeitskopie International. Bd. 154, April–Mai 2001 S. 152–165. Risse, Jörg: Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität Baden- Baden 1998. Rorty, Richard: Kontingenz, Ironie und Solidarität. Suhrkamp Frankfurt am Main 1992. Roschewski, Heinz: Auf dem Weg zu einem neuen jüdischen Selbstbewusstsein? Geschichte der Juden in der Schweiz 1945–1994. Hrsg.: Schweizerischer Israeli- tischer Gemeindebund. Basel und Frankfurt am Main 1994. Roth, Karl Heinz: Grosshungern und Gehorchen. In: Derselbe; Ebbinghaus, Angelika; Kaupen-Haas, Heidrun (Hrsg.): Heilen und Vernichten im Muster- gau Hamburg. Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik im Dritten Reich. Ham- burg 1984 S. 109–135. Rüthers, Monica: Der Jude wird weibisch – und wo bleibt die Jüdin? Jewish Studies – Gender Studies – Body History. In: Travere. Zeitschrift für Geschichte. Bilder des Anderen. 1996/1 S. 136–145. Sarasin, Philipp: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. Frankfurt am Main 2003.

157

4512falk.indd 157 19.05.2008 17:12:08 Uhr Sarasin, Philipp: Zweierlei Rassismus? Die Selektion des Fremden als Problem in Michel Foucaults Verbindung von Biopolitik und Rassismus. In: Stingelin, Martin (Hrsg.): Biopolitik und Rassismus. Frankfurt am Main 2003 S. 55–79. Saunders, Frances Stonor: Wer die Zeche zahlt: Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg. Berlin 2001. Schärer, Thomas: Flüchtlinge und Integrierte in der Schweizer Filmwochenschau 1940–1945. In: Vinzenz Hediger u.a. [Hrsg.]: Home stories. Neue Studien zu Film und Kino in der Schweiz. Schüren 2001 S. 171–185. Schissler, Hanna: Zwischen Häuslichkeit und Erwerbstätigkeit. Frauen in den USA und Deutschland. In: Junker, Detlev u.a. (Hrsg): Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges 1945–1990. Ein Handbuch. Band I. Stuttgart und München 2001 S. 846–857. Schlatter, Christoph: „Merkwürdigerweise bekam ich Neigung zu Burschen.“ Selbst- bilder und Fremdbilder homosexueller Männer in Schaffhausen 1867 bis 1970. Zürich 2002. Schlatter, Christoph: „Mit den Homos sei das Geld leichter zu verdienen.“ Männer- prostitution im nachkriegszeitlichen Schaffhausen. In: Integration und Aus- schluss. Zeitschrift des Schweizerischen Bundesarchives. Studien und Quellen 29 2003 S. 335–36. Schmuhl, Hans-Walter: „Rassen“ als soziale Konstrukte. In: Jureit, Ulrike (Hrsg.): Politische Kollektive. Die Konstruktion nationaler, rassischer und ethnischer Gemeinschaften. Münster 2001 S. 163–181. Schock, Axel; Kay, Manuela: Out im Kino. Das lesbisch-schwule Filmlexikon. Ber- lin 2003. Schüle, Hannes: Die Entstehung des Schwulen-Artikels im StGB von 1942. In: Trüeb und Mischer 1988 S. 189–193. Silberner, Edmund: Sozialisten zur Judenfrage: ein Beitrag zur Geschichte des Sozia- lismus von Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1914. Berlin 1962. Skinner, Jody: Bezeichnungen für das Homosexuelle im Deutschen. Eine lexikologi- sche AnalyseArbeitskopie und eine lexikographische Aufgabe. Dissertation eingereicht an der Universität Koblenz-Landau. Koblenz und Landau 1999 Band I und Band II. Schulte-Sasse, Linda: Entertaining the Third Reich. Illusions of Wholeness in Nazi Cinema. Duke 1996. Somerville, Siobhan: Scientific Racism and the Emergence of the Homosexual Body. In: Journal of the History of Sexuality Vol. 5 Nr. 1 Juli 1994 S. 243–266. Schwarz, Marcel: Auf den Spuren der Terra. In: Kramer, Thomas; Siegrist, Dominik (Hrsg.): Terra. Ein Schweizer Filmkonzern im Dritten Reich. Zürich 1991 S. 7– 10. Siegrist, Dominik: Von Tell zu Hitler: Die Filme der Terra. In: Kramer, Thomas; Siegrist, Dominik (Hrsg.): Terra. Ein Schweizer Filmkonzern im Dritten Reich. Zürich 1991 S. 55–94. Singer, Claude: Le Juif Süss et la Propagande Nazie. L’Histoire confisquée. Paris 2003. Smelik, Anneke: Gay and lesbian criticism. In: Hill, John; Church Gibson, Pamela (Hrsg.): Film Studies – Critical Approaches. Oxford University Press 2000 S. 133– 145.

158

4512falk.indd 158 19.05.2008 17:12:08 Uhr Söderbaum, Kristina: Nichts bleibt immer so. Erinnerungen. München 1992 (überarbeitete Auflage). Sommer, Kai: Die Strafbarkeit der Homosexualität von der Kaiserzeit bis zum Nationalsozialismus: eine Analyse der Strafbestände im Strafgesetzbuch und in den Reformentwürfen (1871–1945). Berlin u.a. 1998. Spörri, Myriam: N.O. Body, Magnus Hirschfeld und die Diagnose des Geschlechts: Hermaphrodismus um 1900. In: L’Homme. Zeitschrift für Feministische Wis- senschaft. 14. Jg. Heft 2 2003 S. 244–261. Stahr, Gerhard: Volksgemeinschaft vor der Leinwand? Der nationalsozialistische Film und sein Publikum. Berlin 2001. Stämpfli, Regula: Kriegswirtschaft, Militär und Geschlecht. Der Reduitentscheid in geschlechtergeschichtlicher Perspektive. In: Traverse 1/99, S. 118–130. Steinle, Karl-Heinz: Homophobiles Deutschland – West und Ost. In: Goodbye to Berlin? 100 Jahre Schwulenbewegung. Eine Ausstellung des Schwulen Muse- ums und der Akademie der Künste. Berlin 1997 S. 195–209. Stepan, Nancy Leys: Race and Gender: The Role of Analogy in Science. In: Gold- berg, Theo (Hrsg.): Anatomy of Racism. Minneapolis und London 1994 S. 38– 57 (Artikels erstmals 1986 publiziert in Isis 77). Stern, Frank: Von der Bühne auf die Strasse. Der schwierige Umgang mit dem deutschen Antisemitismus in der politischen Kultur 1945 bis 1990 – Eine Skizze. In: Wolfgang, Benz: Jahrbuch für Antisemitismusforschung. 1992 S. 42–76. Stern, Frank: Durch Clios Brille: Kino als zeit- und kulturgeschichtliche Herausforderung. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaf- ten 16/2005/1 S. 59–87. Stutz, Hans: Auschwitz-Leugner in der Schweiz. In: Streit um Geschichte, Antisemitismus, Rassismus. Widerspruch. Beiträge zur sozialistischen Poli- tik. 32/1996 S. 23–28. Stutz, Hans: Der Judenmord in Payerne. Zürich 2000. Stutz, Hans: RassistischeArbeitskopie Vorfälle in der Schweiz: Eine Chronologie und eine Ein- schätzung. Herausgegeben von der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz; Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Zürich 2003. Suter, Andreas: Neutralität. Prinzip, Praxis und Geschichtsbewusstsein. In: Eine kleine Geschichte der Schweiz. Frankfurt am Main 1998 S. 133–188. Tanner, Jakob: Diskurse der Diskriminierung. Antisemitismus, Sozialdarwinis- mus und Rassismus in den schweizerischen Bildungseliten. In: Michael Gra- etz; Aram Mattioli (Hrsg.): Krisenwahrnehmung und Fin de siècle. Jüdische und katholische Bildungseliten in Deutschland und der Schweiz. Zürich 1997 S. 323–340. Tegel, Susan: „The Demonic Efect“: Veit Harlan’s Use of Jewish Extras in Jud Süss (1940). In: Holocaust and Genocide Studies. Volume 14, Number 1, Spring 2000 S. 215–241. Terkessidis, Mark: Psychologie des Rassismus. Opladen 1998. Theis, Wolfgang: Anders als die Andern. Geschichte eines Filmskandals. In: Eldo- rado. Homosexuelle Frauen und Männer in Berlin 1850–1950. Geschichte, Alltag und Kultur. Berlin 1984 S. 28–30.

159

4512falk.indd 159 19.05.2008 17:12:09 Uhr Theis, Wolfgang: Verdrängung und Travestie. Das vage Bild der Homosexualität im deutschen Film (1917–1957). In: Eldorado 1984 S. 102–113. Tin, Louis-Georges: Dictionnaire de L’Homophobie. Paris 2003. Trechsel, Rolf: Die Medizinalisierung der Homosexualität. In: Trüeb und Mie- scher 1988 S. 204–206. Trechsel, Rolf: Die Kastration Schwuler in der Schweiz. In: Trüeb und Miescher 1988 S. 213–216. Trüeb, Kuno: „Das dritte Geschlecht“ in Basel. In: Kuno Trüeb; Stephan Miescher (Hrsg.): Männergeschichten. Schwule in Basel seit 1930. Basel 1988 S. 172–178. Trüeb, Kuno: Die ersten homosexuellen Vereine in Basel. In: Derselbe 1988 S. 18– 41. Unabhängige Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (Hrsg.): Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg. Schlussbericht. Zürich 2002. Voegeli, Yvonne: Zwischen Hausrat und Rathaus: Auseinandersetzungen um die poli- tische Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz 1945–1971. Zürich 1997. Volkov, Shulamit: Antisemitismus als kultureller Code. München 2000 (1. Auf- lage 1990). Von Braun, Christina: Viertes Bild: „Blut und Blutschande“. Zur Bedeutung des Blutes in der antisemitischen Denkwelt. In: Schoeps, Julius H.; Schlör, Joachim: Antisemitismus. Vorurteile und Mythen. München 1995 S. 80–95. Von Braun; Christina: Antisemitische Stereotype und Sexualphantasien. In: Jüdisches Museum der Stadt Wien (Hrsg.): Die Macht der Bilder. Antisemitische Vorurteile und Mythen. Wien 1995 S. 180–191. Von Braun, Christina: Und der Feind ist Fleisch geworden. Der rassische Antise- mitismus. In: Von Braun, Christina; Heid, Ludger: Der ewige Judenhass. Berlin und Wien 2000 S. 149–213. Von der Heiden, Anne: Der Jude als Medium. „Jud Süss“. Zürich 2005. Von Rönn, Peter: Die Homosexualitätsentwürfe von Hans Giese und der lange Schatten von Hans Bürger-Prinz. In: Zeitschrift für Sexualforschung Jahrgang 13, Heft 4, DezemberArbeitskopie 2000 S. 277–310. Wacker, Jean-Claude: Humaner als Bern! Schweizer und Basler Asylpraxis gegen- über den jüdischen Flüchtlingen von 1933 bis 1943 im Vergleich. Basel 1992. Wagner, Richard: Das Judentum in der Musik. In: Kneif, Tibor (Hrsg.): Richard Wag- ner. Die Kunst und die Revolution. Das Judentum in der Musik. Was ist deutsch? München 1975 S. 51–78 (Erstauflage 1850). Waldenfels, Bernhard: Michel Foucault: Ordnung in Diskursen. In: Derselbe und Ewald, François (Hrsg.): Spiele der Wahrheit. Michel Foucaults Denken. Frank- furt am Main 1991 S. 277–297. Weber, Matthias; Burgmair, Wolfgang: „Anders als die Andern“. Kraepelins Gutach- ten über Hirschfelds Aufklärungsfilm. Ein Beitrag zur Psychiatriegeschichte der Weimarer Republik. In: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte Band 81 1997 S. 1–20. Wecker, Regina: Staatsbürgerrechte, Mutterschaft und Grundrechte. In: Schweizeri- sche Zeitschrift für Geschichte Vol. 46 Nr. 3 (1996) S. 383–410. Werle, Gerhard; Wandres, Thomas: Auschwitz vor Gericht. Völkermord und bun- desdeutsche Strafjustiz. München 1995.

160

4512falk.indd 160 19.05.2008 17:12:09 Uhr Weigel, Sigrid: Frauen und Juden in Konstellationen der Modernisierung – Vor- stellungen und Verkörperungen der „internen Anderen“. Ein Forschungspro- gramm. In: Stephan, Inge; Schilling, Sabine; Weigel, Sigrid: Jüdische Kultur und Weiblichkeit in der Moderne. Böhlau Köln u.a. 1994 S. 333–351. Weininger, Otto: Geschlecht und Charakter. Eine prinzipielle Untersuchung. Mün- chen 1997 (Erstauflage 1903). Winter, Rainer: Cultural Studies. In: Flick, Uwe; Von Kardorff, Ernst; Steinke, Ines: Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg 2000 S. 204–212. Witte, Karsten: Film im Nationalsozialismus. In: Jacobsen, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Geschichte des deutschen Films. Stuttgart und Weimar 1993 S. 119–170. Wodak, Ruth u.a.: Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt am Main 1998. Wohlrab-Sahr, Monika: Objektive Hermeneutik. In: Bohnsack, Ralf; Marotzki, Winfried; Meuser, Michael: Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung. Opla- den 2003 S. 123–128. Wyss, Beat: Welche Moral kommt nach dem Fressen? Von Picassos Grussadresse an Stalin bis zum Sieg der Popkultur – amerikanische Kulturpolitik und die Intellektuellen in Westeuropa. In: Figurationen: Ästhetik des Politischen. 3. Jahrgang 2002/Heft 2. S. 91–99. Zeck, Mario: Das Schwarze Korps. Geschichte und Gestalt des Organs der Reichs- führung SS. Tübingen 2002. Zeh, Barbara: Der Sexualforscher Hans Giese – Leben und Werk. Inauguraldis- sertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie im Fach- bereich Gesellschaftswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe Univer- sität. Frankfurt am Main 1988. Zeh, Barbara: Hans Giese und die Sexualforschung der 50er Jahre. In: Gooss, Ulrich; Gschwind, Herbert (Hrsg.): Homosexualität & Gesundheit. Berlin 1989. Ziege, Eva-Maria: Mythische Kohärenz. Diskursanalyse des völkischen Antise- mitismus. Konstanz 2002. Zielinski, Siegfried: Arbeitskopie Veit Harlan. Analysen und Materialien zur Auseinander- setzung mit einem Film-Regisseur des deutschen Faschismus. Frankfurt am Main 1981. Zimmermann, Mosche: Aufkommen und Diskreditierung des Begriffs Antise- mitismus. In: Büttner, Ursula (Hrsg.): Das Unrechtsregime. Internationale For- schung über den Nationalsozialismus. Hamburg 1986 S. 49–58. Zinn, Alexander: Die soziale Konstruktion des homosexuellen Nationalsozialisten. Zur Genese und Etablierung eines Stereotyps. Frankfurt am Main 1997.

161

4512falk.indd 161 19.05.2008 17:12:09 Uhr Arbeitskopie

162

4512falk.indd 162 19.05.2008 17:12:09 Uhr Filmografie

Das Dritte Geschlecht

Andere Verleihtitel: Anders als du und ich (§ 175)/Le troisième sexe/Processo a porte chiuse/El tercer sex/Inte som du och/Oskuld/The Third Sex/Bewildered youth

Produktion: Acra-Filmproduktion GmbH Westberlin Produzent: Gero Wecker Produktionsleitung: Helmuth Volmer Aufnahmeleitung: Herbert Junghans und Fritz W. Schlüter Erstverleih: Constantin-Filmverleih GmbH München Drehzeit: 8. Mai 1957 bis 3. Juni 1957 Format: 35 mm, s/w Uraufführungen: 29. August 1957 in Wien und 31. Oktober 1957 in Stuttgart

Regie: Veit Harlan Regieassistenz: Frank Winterstein Buch: Felix Lützkendorf, nach einer Idee von Robert Pilchowski Fachwissenschaftliche Beratung: Institut für Sexualforschung, Frankfurt am Main (Hans Giese) Script: Katharina Scheu Kamera: Kurt Grigoleit Kamera-Führung: Klaus von Lettow-Vorbeck Musik: Erwin Halletz Elektronische Musik: Oskar Sala Lieder: Weil ich eine schwache Frau bin … Musik: (?)/Text: (?) Gesang: Marcel Andrée Arbeitskopie Bau: Gabriel Pellon und Hans Auffenberg Requisite: Helmut Künecke und Horst Griese Schnitt: Walter Wischniewsky Ton: Hans Endrulat und Oskar Haarbrandt Kostüme: Trude Ulrich Garderobe: Willy Grossmann und Charlotte Jungmann Maske: Ludwig Ziegler und Blanche Klink Fotos: Michael Marszalek, Brigitte Dittner Aufgenommen im ARCA-Filmstudio in Berlin Aussenaufnahmen in Westberlin (Bahnhof Zoologischer Garten u. a.) Laufzeit bei Fernsehprojektion der mir vorliegenden Filmfassungen: 91‘30‘‘ und 86‘22‘‘

Darstellerinnen und Darsteller: Christa Teichmann – Paula Wessely Dir. Werner Teichmann – Paul Dahlke

163

4512falk.indd 163 19.05.2008 17:12:10 Uhr Klaus Teichmann – Christian Wolff Gerda Böttcher – Ingrid Stenn Max Mertens – Hans Nielsen Dr. Boris Winkler – Friedrich Joloff Frau Glatz – Hilde Körber Manfred Glatz – Günter Theil Verteidig. Dr. Schwarz – Herbert Hübner Staatsanwalt – Siegfried Schürenberg Gerichtspräsident – Otto Graf Kommissar – Paul Esser Dr. Schmidt – Kurt Vespermann Jugendpsychologe – Hans Schumm Ferner: Heinz Lingen, Susanne Paschen und Peter Nijinskij

Jud Süss

Andere Verleihtitel: El Judio Suss/Le juif Süss/Suss l’ebreo/Zidov Süss/Jew Suss

Produktion: Terra-Filmkunst GmbH Berlin Produktionsleitung: Otto Lehmann Aufnahmeleitung: Conny Carstennsen, Herbert Sennewald und Kurt Moos Erstverleih: Terra-Filmverleih GmbH Berlin Drehzeit: 15. März 1940 bis Ende Juni 1940 Format: 35 mm, s/w

Regie: Veit Harlan Regieassistenz: Wolfgang Schleif und Alfred Braun Buch: Veit Harlan und Eberhard Wolfgang Möller nach einer Vorlage von Ludwig Metzger Arbeitskopie Kamera: Bruno Mondi Musik: Wolfgang Zeller Choreografie: Sabine Ress Bau: Otto Hunte und Karl Vollbrecht Schnitt: Friedrich Karl von Puttkamer und Wolfgang Schleif Ton: Gustav Bellers Kostüme: Ludwig Hornsteiner Kostüm-Ausführung: Theaterkunst GmbH und Kostümhaus Verch Berlin Fotos: Erich Kilian und Karl Ewald Gestaltung des Titelvorspanns: Trickatelier Radius Aufgenommen in der Ufa-Stadt Babelsberg und im Barrandow-Atelier Prag (Syna- gogen-Szenen) Aussenaufnahmen in Warschau, Lublin und im Aussengelände des Barrandow- Ateliers in Prag Laufzeit bei Fernsehprojektion: 93‘27‘‘ (1940) und 92‘38‘‘ (1943)

164

4512falk.indd 164 19.05.2008 17:12:10 Uhr Prädikate: staatspolitisch besonders wertvoll, künstlerisch besonders wertvoll, Jugendwert

Darstellerinnen und Darsteller: Jud Süss Oppenheimer – Ferdinand Marian Dorothea Sturm – Kristina Söderbaum Herzog Karl Alexander von Württemberg – Heinrich George Rabbi Loew, Sekretär Levy und weitere Juden – Werner Krauss Landschaftskonsulent Sturm – Eugen Klöpfer Obrist Röder – Albert Florath Aktuarius Faber – Malte Jaeger Von Remchingen, Kämmerer des Herzogs – Theodor Loos Herzogin von Württemberg – Hilde von Stoltz Oppenheimers Mätrese Luziana – Else Elster Herr Fiebelkorn – Walter Werner Frau Fiebelkorn – Charlotte Schultz Minchen Fiebelkorn – Anny Seitz Friederike Fiebelkorn – Ilse Buhl Konsistorialrat – Jacob Tiedtke Frau des Konsistorialrats – Erna Morena Schmied Hans Bogner – Emil Hess Frau Bogner – Käte Jöken-König Primaballerina – Ursula Deinert Meister der Schmiedezunft – Erich Dunskus Vorsitzender des Gerichts – Otto Henning Hausmädchen bei Sturm – Hannelore Benzinger Ferner: Franz Arzdorf, Louis Brody, Annette Bach, Fred Becker, Reinhold Bernt, Walter Tarrach, Wilhelm Egger-Sell, Willi Kayser-Heil, Fritz Petermann, Oskar Höcker, Carl Iban, Horst Lommer, Paul Mederow, Hans Meyer-Hanno, Helmuth Passarge, Josef Peterhans,Arbeitskopie Wolfgang Staudte, Max Vierlinger, Hans Waschatko, Heinrich Schroth

165

4512falk.indd 165 19.05.2008 17:12:10 Uhr Arbeitskopie

4512falk.indd 166 19.05.2008 17:12:10 Uhr Schriften des Centrums für jüdische Studien

Petra Ernst (Hrsg.) Karl Emil Franzos Schriftsteller zwischen den Kulturen Band 12 / 152 Seiten, € 19.90/sfr 35.90, ISBN 978-3-7065-4397-2

Michaela Raggam-Blesch Zwischen Ost und West Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien Band 10 / 304 Seiten, € 36.90/sfr 61.90, ISBN 978-3-7065-4307-1

Klaus Hödl Wiener Juden – jüdische Wiener Identität, Gedächtnis und Performanz im 19. Jahrhundert Band 9 / 198 Seiten, € 22.90/sfr 40.10, ISBN 978-3-7065-4215-9

Gerald Lamprecht Fremd in der eigenen Stadt Die moderne jüdische Gemeinde von Graz vor dem Ersten Weltkrieg Band 8 / 318 Seiten, zahlreicheArbeitskopie s/w-Abbildungen, € 32.90/sfr 57.10, ISBN 978-3-7065-4202-9 Klaus Hödl (Hrsg.) Der ‚virtuelle Jude‘ Konstruktionen des Jüdischen Band 7 / 158 Seiten, € 21.90/sfr 39.50, ISBN 978-3-7065-1994-6

Klaus Hödl (Hrsg.) Historisches Bewusstsein im jüdischen Kontext Strategien – Aspekte – Diskurse Band 6 / 278 Seiten, € 34.90/sfr 58.90, ISBN 978-3-7065-1929-8

Gerald Lamprecht (Hrsg.) Jüdisches Leben in der Steiermark Marginalisierung – Auslöschung – Annäherung Band 5 / 294 Seiten, € 32.90/sfr 57.10, ISBN 978-3-7065-1794-2

4512falk.indd 167 19.05.2008 17:12:10 Uhr