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A in demsichdasAlltagslebengrundlegendverändert hat. 1865, faszinierendeEinblickeineinenZeitraumvon etwaeinhundertJahren, Jüngeren gewährendieBilder,beginnendmitder ältestenAufnahmevon Tabakblätter oderdenBesuchderTanzbärenerinnert fühlen.Auchden den erstenMähdrescher,diegeselligenAbende beimAnschnürender So mancherwirdsichbeimBetrachtenderBilder an dieerstenAuto mobile, schaftsleben) erweitertworden. Jugendzeit, Hochzeit,TodundBegräbnissowie Getreidemühlen(Wirt- Die zweiteAufl und Wirtschaftslebenberührt. kanbau, Hausschlachtung,Schule,Kirche,Verkehrswesen, Brandschutz Bilddokumentation entstanden,dieThemenwie Landwirtschaft,Taba- Ortsheimatpfl unveröffentlichte Fotos,dievomArbeitskreisderunter eichsfeldischen Dörfern desUntereichsfeldesvermittelnrund220alte, bislang überwiegend unserer Großelternzuliegen.EinenEindruckvomhistorischen Alltag inden wicklung unsererZeitscheinenWeltenzwischenunseremunddem Leben ISBN 978-3-932752-22-3 ngesichts derSchnellebigkeitundrasantentechnologischenEnt- egerzusammengestelltwurden.Dabeiisteinevielfältige ageistumdieThemenGeburtundKindtaufe, Kindheitund

Historischer Alltag in den Dörfern des Untereichsfeldes Historischer Alltag in den Dörfern des Untereichsfeldes Dieses Buch wurde gefördert von

Calenberg-Grubenhagensche Landschaft Sparkasse Historischer Alltag in den Dörfern des Untereichsfeldes

2. erweiterte Aufl age

Texte von Rolf Adler, Tassilo Bitzan, Marianne Burgstaller, Mario Diederich, Rudolf Diedrich, Andreas Müller, Gerhard Rexhausen, Erich Steffen, Johannes Turi und Maria Hauff

Bearbeitung Maria Hauff und Hans-Reinhard Fricke

Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Ortsheimatpfl egerinnen und -pfl eger im Untereichsfeld

Verlag Mecke Druck, Duderstadt · 2007 © 2007 Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Ortsheimatpfl egerinnen und -pfl eger im Untereichsfeld

Bildnachweis: Die Fotos stammen aus den Bildbeständen der Ortsheimatpfl ege Bernshausen, , Brochthausen, Esplingerode, Fuhrbach, Gerblingerode, , Hilkerode, Immingerode, , Langenhagen, Lindau, Mingerode, Nesselröden, , Renshausen, , Rüdershausen, Seeburg, Seulingen, Westerode, Werxhausen, dem Fotoarchiv im Stadtarchiv der Stadt Duderstadt, dem Nachlaß Aloys Mecke, Duderstadt und privaten Entleihern.

Umschlagentwurf und Karte im Innenteil: Oliver Ziesing, Duderstadt Umschlagfotos: Bodensee, Fuhrbach, Langenhagen, Obernfeld

2. erweiterte Aufl age Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form - durch Foto- kopie, Mikrofi lm oder ein anderes Verfahren - ohne schriftliche Genehmigung der Verfasser reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, ver- vielfältigt oder verbreitet werden.

Herstellung: Mecke Druck und Verlag, 37115 Duderstadt

ISBN 978-3-86944-076-7

Verlag Mecke Druck · Postfach 1420 · 37107 Duderstadt (), Tel. 05527/981922 · Fax 05527/981939, [email protected] www.meckedruck.de/verlag

4 Vorwort Photographisch dokumentierte Vergangenheit stößt derzeit auf ein breites öffentliches Interesse. Nahezu 200 historische Photos zum Alltagsleben im Untereichsfeld wurden 1997, dem Jahr des 1100jährigen Bestehens des Eichsfeldes, im Duderstädter Heimatmuseum präsentiert. Mit dem Entschluß, diese vom Arbeitskreis der untereichsfeldischen Ortsheimatpfl eger konzi- pierte Ausstellung in Buchform festzuhalten, erweitert die Sparkasse Duderstadt die Reihe ihrer Veröffentlichungen erneut um einen Band, der sich heimatgeschichtlich mit dem Untereichsfeld, ihrem Geschäftsgebiet, auseinandersetzt. Gleichzeitig wird ein Teil ortsheimatpfl egerischer Arbeit, das Bemühen um Erhaltung und Archi- vierung historischer Bildquellen, gewürdigt. Die Sparkasse kann mit dieser Publikation, die als Photodokumentation erstmals sämtliche 29 Dörfer des niedersächsischen Untereichsfeldes einbezieht, eine bibliographische Lücke füllen und damit erneut eine wichtige kulturhistorische Arbeit unterstützen. Wir sagen allen Beteiligten unseren herzlichen Dank. Duderstadt, im Oktober 1998 Sparkasse Duderstadt Der Vorstand Dr. Hermann Tallau Manfred Reinke

Vorwort zur 2. Aufl age Die Eichsfelder Vereine treffen sich vom 7. – 9. September 2007 in Tiftlingerode zu ihrer Bundes- tagung. Um zu diesen Tagen eine attraktive und publikumsfreundliche Literatur anbieten zu können, entstand in der AG der Ortsheimatpfl egerinnen und -pfl eger im Untereichsfeld die Idee, den im Jahr 1998 mit großem Interesse der Öffentlichkeit entstandenen Bildband, der schon seit Jahren vergriffen ist, noch einmal aufzulegen und um die Themen: Geburt, Kindheit und Jugendzeit, Hochzeit, Tod, Feierabend und Freizeit sowie Getreidemühlen zu erweitern. Durch das Engagement der Autorin und der Autoren der neuen Textbeiträge sowie der Mithilfe von Bernd Siebert, Bernshausen, und Willi Bode, Gieboldehausen (EDV-Bearbeitung), konnte das Vorhaben verwirklicht werden. Den Ortsheimatpfl egern, die darüber hinaus Fotos beigesteuert haben, gilt unser Dank. Ohne fi nanzielle Beteiligung von Sponsoren, für die wir herzlich danken, wäre dieses Vorhaben nicht durchführbar gewesen. Für die maßgebliche Unterstützung bei der Einwerbung haben wir Bürgermeister Wolfgang Nolte besonders Dank zu sagen. Die seinerzeitige Herausgeberschaft der Sparkasse Duderstadt ist auf unsere Arbeitsgemein- schaft übergegangen. Wir hoffen, dass die 2. Aufl age genauso viel Interesse im Eichsfeld und bei den Eichsfeldfreunden in der Fremde fi ndet wie die 1. Aufl age.

Duderstadt im Juni 2007 Andreas Müller Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Ortsheimatpfl egerinnen und -pfl eger im Untereichsfeld

5 Aufgaben und Ziele der Ortsheimatpfl ege Unsere Dörfer verlieren immer mehr ihre über Jahrhunderte gewachsene ländliche Infrastruk- tur und drohen, zu Schlafstätten zu verkommen. Das Leben fi ndet weitgehend im Hause oder außerhalb des Dorfes (Arbeitsplatz und Freizeit) statt. Veranstaltungen der Dorfgemeinschaften müssen immer mehr mit auswärtigen Großveranstaltungen konkurrieren. Die Alltagsgeschich- te des Dorfes versinkt in Dunkelheit, indem wichtige Dokumente des täglichen Lebens und des Brauchtums untergehen. Die Anonymität nimmt in den Dörfern zu und trägt zur Verstädterung bei. Ortsheimatpfl eger sollen dazu beitragen, dass diese Trends abgeschwächt werden. Heimat- pfl ege sieht ihre Aufgabe u. a. darin, Spezifi sches im Dorf zu erhalten, für denkmalgeschützte Objekte bei Dorfgemeinschaften und Privateigentümern Verständnis und Besitzerstolz zu wecken und immer wieder das Fenster mit dem interessanten Blick in die Vergangenheit zu öffnen. Die Ortsheimatpfl egerinnen und -pfl eger werden im Untereichsfeld als ehrenamtlich Tätige von den Städten und Gemeinden für die Dauer der Legislaturperiode des Rates ernannt bzw. bestätigt. In allen Ortsteilen der Stadt Duderstadt und fast allen ländlichen Gemeinden des Unter eichs- feldes sind Ortsheimatpfl eger tätig. Sie kommen aus allen Berufen. Inzwischen dominieren erfreulicherweise wieder die Lehrer. Auch der Anteil der Frauen ist gestiegen. Es wird allgemein anerkannt, dass Heimatpfl ege nicht ohne eine weitestgehende Einbindung ehrenamtlicher Mitarbeit erfolgreich betrieben werden kann. Ein Aufgabenkatalog ist nicht vorgeschrieben, so dass jeder Ortsheimatpfl eger selbst entschei- den kann, wo er seine Schwerpunkte legt. Das hat zur Folge, dass viel vom Engagement, von den Möglichkeiten und auch den Vorlieben des jeweiligen Heimatpfl egers abhängt. Die Stadt Duderstadt hat 1985 in Anlehnung an Empfehlungen der Kreisheimatpfl ege „Anregungen und Hinweise für die Tätigkeit der Ortsheimatpfl eger” herausgegeben. Darin beschreibt sie die Aufgabe wie folgt: Der Ortsheimatpfl eger unterstützt die Bemühungen der Gemeinde, des Landkreises und des Landes auf dem Gebiet der Heimatpfl ege sowie der Bau- und Bodendenkmalpfl ege. Unter dem Begriff der Hei- matpfl ege wird die Erhaltung der Heimat in ihrer natürlichen und geschichtlich gewachsenen Eigenart und die Stärkung des Heimatbewußtseins verstanden. Konkret handelt es sich hier um die Erhaltung des Dorfbildes, Bewahrung vor der Zerstörung volkskundlicher Objekte (Hausrat, bäuerliches und handwerkliches Gerät, Trachten usw.), Si- cherstellung des örtlichen Schriftgutes (Vereinsarchive, Dokumente aus Privathaushalten, einschließlich historischer Fotos), fotografische und filmische Dokumentation heimatge- schichtlicher Objekte, Aufzeichnung der plattdeutschen Sprache auf Tonträger, Aufzeichnung besonderer Lebenswege und Erlebnisberichte sowie Initiativen einschließlich Beratung in der Bau- und Bodendenk mal pfl ege. Eine enge Zusammenarbeit mit Archiven, Museen, Archäologen und Denkmalschützern in den Behörden ist selbstverständlich. Ortsheimatpfl eger referieren über die Geschichte ihres Ortes in Seniorenkreisen, Vereinen und Schulen und binden damit gleichzeitig die Bürger in die Ge- schichtsforschung ein. Fotoausstellungen fi nden reges Interesse. Ortsheimatpfl eger arbeiten einvernehmlich mit den Gemeinderäten bzw. Ortsräten zusammen und sehen ihre Arbeit als eine warnende, beratende und unterstützende Tätigkeit an.

Andreas Müller Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Ortsheimatpfl egerinnen und -pfl eger im Untereichsfeld

6 Verzeichnis der Ortsheimatpfl egerinnen und -pfl eger im Untereichsfeld

Bernshausen Siebert, Bernd Oberdorfstr. 4 37136 Seeburg Bilshausen Landschulz, Klaus Friedensstr. 5 37434 Bilshausen Bodensee Henniges, Friedrich Waldweg 22 37434 Bodensee Breitenberg Pahl, Burkhard Breitenberger Str. 5 37115 Duderstadt Brochthausen Sommer, Richard Brochthäuser Str. 63 37115 Duderstadt Desingerode Schulzig, Reinhard Desingeröder Str. 34 37115 Duderstadt Esplingerode Schulzig, Reinhard Desingeröder Str. 34 37115 Duderstadt Fuhrbach Ballhausen, Walter Fuhrbacher Str.80 37115 Duderstadt Gieboldehausen Rexhausen, Gerhard Birkenweg 16 37434 Gieboldehausen Hilkerode Dittmer, Peter Wiesenstr. 1 37115 Duderstadt Immingerode Klingebiel, Bernd Baseuber 10 37115 Duderstadt Langenhagen Ballhausen, Wilhelm Auf dem Stieg 7 37115 Duderstadt Mingerode Müller, Andreas Stadtweg 15 37115 Duderstadt Nesselröden Engelke, Josef Im Hinterdorf 22 37115 Duderstadt Obernfeld Ehbrecht, Alois Stadtweg 7 37434 Obernfeld Renshausen Becker, Thomas Kressenanger 3 37434 Krebeck-Renshausen Rhumspringe Adler, Rolf Tulpenstraße 7 37434 Rhumspringe Rüdershausen Reinecke, Rita Schulstr. 16 37434 Rüdershausen Seeburg Burgstaller, Marianne Eichsfeldstr. 40 37136 Seeburg Seulingen Turi, Hans Winkelstraße 3 37136 Seulingen Tiftlingerode Diederich, Mario Salmketalstr. 47 37115 Duderstadt Werxhausen Bodmann, Josef Teichstr. 33 37115 Duderstadt Pump, Rüdiger Bergstr. 2 37434 Wollbrandshausen Koch, Bodo Stumpfebiel 2 37434 Wollershausen Duderstadt Pfeiffer, Herbert Marktstr. 91 37115 Duderstadt

Stand Juli 2007

7 Sonntagsausfl ügler beim Rudern auf dem Seeburger See. Ansichtskarte des Verlags Aloys Mecke, um 1920.

Storchennest in Bilshausen, Sandweg 60, um 1940.

8 Zum Geleit Im Jahr 1997 hat die Arbeitsgemeinschaft der Ortsheimatpfl egerinnen und Ortsheimatpfl eger des Untereichsfeldes eine Fotoausstellung erarbeitet, die mit Unterstützung der Sparkasse Duderstadt im Duderstädter Heimatmuseum gezeigt wurde. Unter dem Titel „Der historische Alltag im Untereichsfeld” war diese Ausstellung einer der kulturellen Beiträge anläßlich des 1100jährigen Jubiläums des Eichsfeldes in diesem Jahr. Der thematische Schwerpunkt lag auf der Präsentation dörfl icher Motive, nachdem historische Ansichten der Stadt Duderstadt bereits im Rahmen der 3. Niedersächsischen Landesausstellung „Natur im Städtebau” 1994 im Alten Rathaus und im Stadtarchiv gezeigt wurden. Aus nahezu 200 historischen Aufnahmen - überwiegend aus den über Jahre hinweg angelegten Sammlungsbeständen einzelner Ortsheimatpfl eger - entstand ein fotografi scher Streifzug durch das ländliche Leben im Zeitraum von 1865 bis ca. 1975, der die Bereiche Wirtschaftsleben, Landwirtschaft, Tabakanbau und Zigarrenfabrikation, Hausschlachtung, schulisches und kirchliches Leben, Wasserversorgung, Verkehrswesen und Brandschutz berührte. Der dokumentarische Wert der historischen Fotos, aber auch das große Interessse, das den alten Bildern entgegengebracht wurde und wird, ließ es lohnend erscheinen, diesem Material in Form eines Buches eine dauerhaftere Geltung und Verfügbarkeit zu verleihen und bewegte den Vorstand der Sparkasse Duderstadt zu einer entsprechenden Initiative. Da grundlegende Bearbeitungen von Aspekten untereichsfeldischer Geschichte und Kulturge- schichte in einer ganzen Reihe wissenschaftlicher Publikationen bereits vertreten sind, sollten die Bilder in diesem Buch eindeutig im Vordergrund stehen. Die textlichen, den einzelnen Bild- gruppen vorangestellten Beiträge sind daher lediglich als kurze Einführungen in die jeweilige Thematik gedacht. Dabei entsprechen die teilweise von Ort zu Ort differierenden mundartlichen Bezeichnungen sowie die Beschreibungen brauchtümlicher Gepfl ogenheiten der Herkunft bzw. dem Erfahrungsschatz des jeweiligen Autors. Die einzelnen Bildunterschriften enthalten Hintergrundinformationen zum dargestellten Motiv und geben Aufschluß über Herkunft und Datierung der Aufnahmen, soweit möglich. Mit der Sparkasse Duderstadt als Herausgeber konnte damit ein Fotoband publiziert werden, der erstmals alle ländlichen Gemeinden und Ortsteile des niedersächsischen Untereichsfeldes einschließt und der zudem eines der Betätigungsfelder heimatpfl egerischer Arbeit dokumen- tiert, nämlich das Bemühen um Erhalt und Darstellung kulturhistorischer Quellen. Unser Dank gilt allen an der Bildbeschaffung beteiligten Ortsheimatpfl egern, insbesondere den Autoren aus diesem Kreis, darüber hinaus dem Verleger Helmut Mecke, dem Stadtarchiv Duderstadt und allen privaten Entleihern für Überlassung ihres Fotomaterials sowie allen Informanten, deren Wissen in die Ausarbeitung der Bildunterschriften eingefl ossen ist. Maria Hauff M. A. (Redaktion)

Zur 2. Aufl age Für die 2. Aufl age wurde auf Initiative von Andreas Müller die unverändert übernommene 1. Auf- lage (S. 10 - 150, 191) um sechs Kapitel mit ca. 60 historischen Fotos erweitert. Neben der Ergänzung des Themenbereiches Wirtschaftsleben (Mühlen) wurde ein Schwerunkt auf die besonderen Ereignisse im Lebenszyklus gelegt. Die für die 1. Aufl age benannten Prinzipien zum Verhältnis von einführenden Texten und Bildteilen waren die Richtschnur für diese Aufl age. Unser Dank gilt allen „Beiträgern“, die durch Beschaffung, Auswahl und Beschreibung der Bilder sowie als Autoren der einführenden Texte diese erweiterte Aufl age ermöglicht haben. Hans-Reinhard Fricke, M. A. (Redaktion)

9 Wie es im Dorf so zugeht Szenen aus dem dörfl ichen Leben

Der ländlich-dörfl iche Alltag unserer Großel- Feste und Feiern fügten sich dem ländlichen tern mag der jungen Generation unserer Tage Leben ein und wurden vom Ablauf des Kir- ungewohnt und fremdartig erscheinen. Bei chenjahres bestimmt. Neben den hohen Fe- älteren Dorfbewohnern dagegen wird bei Be- sten galt die Bauernhochzeit als großes Er- trachten der Bilder manches in der Kindheit eignis. Auch sie lief nach althergebrachtem Erlebte wieder lebendig werden. Brauchtum ab, vom Hochzeitsbitten durch Da sind die alten Dorfstraßen, eher Wege als Braut- und Bräutigamsdiener bis zum feier- wirkliche Straßen, nur in den Sommermo- lichen Hochzeitszug zur Brautmesse in der naten fest genug und leicht für die schweren Kirche. Pferdefuhrwerke befahrbar. Da sind die Ufer An Sonntagen und Festen zog man den „Sonn- des Baches, wenig gepfl egt, und das seichte tagsstaat” an, die Eichsfelder trugen noch in Gewässer, ein Tummelplatz für Gänse, Enten den 1920er Jahren ihre Trachten. und anderes Kleinvieh. Im Spätherbst sah Eine Bereicherung erfuhr das dörfl iche Leben man dort zuweilen Bauersfrauen, die ihre durch die seit dem vorigen Jahrhundert be- Getreide- und Kartoffelsäcke wuschen. stehenden Vereine. Sie bereicherten das Le- Die Fassaden der Fachwerkhäuser waren ben nicht nur durch ihre vereinsgebun de nen weniger farbenreich und ansehnlich als Aktivitäten, nein, beinahe alle pfl egten das heute, da den Dörfl ern vielfach die für den Theaterspiel in einer Zeit, in der selten eine Anstrich nötigen fi nanziellen Mittel fehlten. Wanderbühne und noch kein Wanderkino das Manche Häuser trugen auf dem Dachfi rst ein Dorf aufsuchten, und unternahmen Fahrten Storchennest, und Taubenschläge boten den und Wanderungen in die nähere und fernere ungezählten graublauen Hausvögeln Unter- Umgebung. schlupf. Von Zeit zu Zeit erschien im Dorfe eine fremd- Bauern und „kleine Leute” waren in vielem artig gekleidete Gestalt mit einem oder zwei Selbstversorger. Dazu gehörte, kurz nach der Bären an der Kette, der Bärenleier, der seine Obsternte, das Muskochen - in unserer Mund- Tiere zum Tam burin mit seltsamem Singsang art „Mäusen” - in großen Kesseln mit alther- tanzen ließ. gebrachten Geräten. Das Mus, ein begehrter Bilder, die an „Preußens Gloria” erinnern, fi n- Brotaufstrich für die lange Winterzeit, wurde den sich in vielen Häusern: die Musterung, die nach genauen Rezepten bereitet und in gro- militärische Dienstzeit und der Auszug in den ßen irdenen Gefäßen, den bekannten brau- Krieg. nen Mustöpfen (Mauspötte) aufbewahrt. Als sprichwörtlich reich galt geradezu, wer Manche Dörfer haben ihre Besonderheiten. mehrmals „mäu sen” konnte. So bewahrt Hilkerode mit dem Tierrat der Kreteröder Erbschaft die Erinnerung an eine Viele Arbeiten lasteten auf dem Rücken der uralte Flurgenossenschaft. Der Tierrat ist die Frau, und sogar die Kinder hatten ihren fe- alljährliche Zehrung (Mahlzeit) der „Herren sten Arbeitsbereich: Arbeiten in Haus und Erben” zur Fastnachtszeit. In großen bunten Hof, Holzhacken, Füttern des Kleinviehs und Tüchern, den Pucken, wird die Zehrung zum Hüten der Gänse, eine Aufgabe, die vor allem Hause des Erntevogts getragen. den Mädchen vorbehalten blieb. Rudolf Diedrich

10 Gerblingerode, um 1895. Das in den 1960er Jahren umgebaute Haus Feldmann in der heutigen Brückenstraße besaß zur Zeit der Aufnahme noch zwei Schiebefenster im oberen Stockwerk. Die Sandsteinblöcke vor dem Haus gehörten zur Einfassung der Fülle, die auf dem Gelände der heutigen Tischlerei Müller entsprang und in Richtung Duderstadt in den Mühlbach mündete.

11 Langenhagen, 30er/40er Jahre. An diesem Platz in der Langenhäger Straße, am Aufgang zum Stieg, spielten die Dorfjungen gern Fußball. Ein Teil der Häuser ist inzwischen wegen Baufälligkeit abgerissen worden. Der Brunnen funktioniert noch. Wenn Wasserleitungen zugefroren waren, hat man daraus Wasser für das Vieh geholt.

Gerblingerode, 1938. Die Teistungenburger Straße (B 247) wurde als Hauptstraße des Ortes um 1886 angelegt. Der vorherige Hauptverkehrsweg, die Heiligenstädter Straße, verlief über die heu- tige Brückenstraße und war recht sumpfi g. An der linken Straßenseite liegt die Gastwirtschaft Nolte, rechts fl ießt die Fülle in einem offenen, durch Sandsteinpfeiler abgegrenzten Graben.

12 Krebeck, um 1910. Das Straßenbild zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde bestimmt durch Rin- nen oder offene Gräben zwischen Bürgersteig und Straße, die Regen und Abwässer aufnahmen. Die Straßen waren noch unbefestigt und wiesen die Spurrinnen der Fuhrwerke auf.

13 Immingerode, 1940. Eine Frau und Kinder im Sonntagsstaat beleben diese Dorfszene. Die zum Pferdeberg führende Straße ist noch ungepfl astert.

Gerblingerode, 50er/60erJahre. Der Anfang der 60er Jahre zugeschüttete Mühlengraben führte am Gasthaus „Zum Krug” (später Landwirt Trutwig) vorbei, auf dessen Tanzsaal man hier blickt (rechts). Am „Krug” wurden die Pferde der Fuhrleute und durchziehenden Militärs getränkt und ausgespannt. Auf der gegenüberliegenden Seite, jenseits des sumpfi gen Weges nach Teistungen, liegt die „Franzosenwiese”, so genannt nach einem ehemaligen Lagerplatz napoleonischer Truppen.

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