Nr. 623 Juni 2008 Siwan 5768 Erscheinungsort Wien Verlagspostamt 1010 P.b.b eGZ2.- 03Z034854 W Die DVR 0112305 € 2.- OFFIZIELLESDie GEMEINDEGEMEINDE ORGAN DER ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE WIEN magazin

INHALT &

AUS DER IKG Anläßlich des 10. Todestages Jüdische Friedhöfe 6 SCHWERPUNKT 08/38 unseres geliebten Ehemannes und Vaters Entschädigungsfonds 6 L. JOSEPH HEID DR. RICHARD BUGAJER S.A. Die Evian Konferenz 1938 30-35 geben wir JÜDISCHE WELT am Samstag, 21. Juni 2008, SPEZIAL - Der Fall TAMARA HUBER-HUBER Shabbat Paraschat-Schlach, Mohammed al-Dura Hilfe und Hoffnung 36-38 nach dem Gottesdienst, KATRIN SACHSE Panorama 39 einen Kiddusch im Gemeindezentrum. Mohammed al-Dura lebt! 7-10 MIRIAM FRIED DANNY SEAMAN Entkommen - Afrikanische Dazu laden wir seine Freunde und For camera only 11 Flüchlinge in 40-43 Bekannten herzlichst ein.

POLITIK Am Sonntag, 22. Juni 2008, KULTUR IN- UND AUSLAND treffen wir einander um 12.00 Uhr am Grab, Darabos in Israel - PETER WEINBERGER Zentralfriedhof IV.Tor. Überall & nirgendwo 44 Das Thema Iran 12 Dr. Hava Bugajer Michael Gury Bugajer MICHAELA LEHNER Lueger-Ring-Umbennenung 13 Ein schönes Attentat 45 MARTA S. HALPERT MICHAELA LEHNER LEBENSGESCHICHTEN GEHÖRLOSER Tschechien: Antisemitismus Die Vielfalt der Stimmen JUDEN UND JÜDINNEN GESUCHT vor und nach 1968 14-18 Ausstellung im Essl Museum 46 Die Geschichte der Gebärdensprachgemeinschaft Studie: Antisemitismus Hohe Auszeichnung während des na ti o nalsozialistischen Regimes ist ein weiter auf dem Vormarsch 19 für Mary Steinhauser 47 wichtiger Teil der Geschichte Ös terreichs. Darü ber gibt es aller- dings bis jetzt kaum Literatur und For schungs tätig keit. Das Israels humanitäre Hilfe Forschungsprojekt „Gehörlose Men schen während des Natio nal- nach China 20 Titelbild: so zialismus in Österreich” (Mai 2008 - April 2009) wird bis jetzt Der Wiedehopf - nicht bekannte Informationen über die von Euthanasie, Zwangssteri - Bahrainische Jüdin als Nationalvogel Israels lisa ti on (GzVeN) und Dis kri mi nierungen betroffene gehörlose Botschafterin in die USA 20 Minderheit erarbeiten und aufbereiten. Vor allem sollen Zeu gIn- ©Michal Fattal/Flash90 nen dieser Zeit be fragt werden und ihre Le bensgeschichten doku- Jüdisches Bahrain: Ein Der Wiedehopf (hebräisch: Du - mentiert werden. Auch und besonders die Le benswege ge hör loser Leben zwischen Kulturen 21 chifat) wurde in einem halbjähri- Jüdinnen und Juden sollen dokumentiert werden. gen Wettbewerb zum Na tio nal - Wenn Sie von einem Menschen (in Ihrer Familie) wissen, der/die OSZE: Neues Antisemi- vogel Israels gewählt.Der Wie - gehörlos war/ist...Wenn Sie Informationen zur ehem. Israeli ti schen tismus-Unterrichtsmaterial 22 de hopf ernährt sich hauptsächlich Taubstummenanstalt in Wien haben...Wenn Sie Infor ma tionen zu den ehem. jüdischen/zionistischen Gehörlosen ver ei nen haben... Polen: Verfolgung von von Insekten und ist vor allem in ... kontaktieren Sie bitte das Forscherinnenteam von SS-Brigade-Mitgliedern 23 warmen Gebieten, spärlich be - wachsenen Gebieten oder lichten Dr. Verena Krausneker: E-Mail: [email protected] Universität Wien, Institut für Sprachwissenschaft, ISRAEL Kiefernwäldern vor. Am Mittel- 1090 Wien, Berggasse 11, Fon & Fax: 01/218 97 00. meer ist er in Olivenheinen und Israelisch-syrische kargen Landschaften anzutreffen. Das Forschungsprojekt ist gefördert durch den Zukunftsfonds der Repu- Beziehungen 24 blik Österreich und den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer Er wird in den Speise vor schrif ten des Nationalsozialismus 61% der Israelis wollen (Leviticus und Deuteronomium) Olmerts Abdankung 25 im Alten Testament erwähnt. Peres, der die Ergebnisse der PLENARSITZUNGEN 2008 Donnerstag, 03. Juli Täglich Wahl bekannt gab, sagte: „Israel WIRTSCHAFT braucht heute mehr den je die grü- Donnerstag, 31. Juli aktualisiert! REINHARD ENGEL nen Landschaften, die frische Luft „Vielleich der Anfang und die schönen vielfarbigen Dienstag, 02. September www. ikg-wien.at des Durchbruchs“ 26-27 Vögel, die hierher kommen.“ Donnerstag, 25. September news Dienstag, 28. Oktober Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: Israelitische Kultusgemeinde Wien. events GEMEINDE Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen

Die @ und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen Dienstag, 25. November pinwand Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145. Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail [email protected] Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien Donnerstag, 04. Dezember Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Meinung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte überneh- Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelli- men Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Donnerstag, 18. Dezember gence centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus Redaktion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen. (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, u.v.a.

4 Juni 2008/Siwan 5768

AUS DER KULTUSGEMEINDE

Israelitische Kultusgemeinde enttäuscht über das Verhalten der Republik Österreich Jüdische Friedhöfe – Wann folgen den Lippenbekenntnissen Taten?

Im Jänner 2001 wurde eine Verein- Die Kultusgemeinde ist bestürzt und barung in Washington zwischen der betroffen, dass bei so vielen Anlässen Re publik Österreich, den Opferver - in diesem Jahr zwar Gedenkreden ge - tre tern und den Vereinigten Staaten halten werden, man aber „Bedenken“ abgeschlossen. Ein für die österreichi- hat, ein Gesetz zu beschließen, um die schen Kultusgemeinden wesentlicher Pflege jüdischer Gräber in Österreich Punkt war die Verpflichtung, die jü - zu garantieren (wobei zwei Drittel der di schen Friedhöfe in Österreich in - Friedhöfe aufgrund von freiwilligen stand zu setzen und zu pflegen. In Vereinbarungen mit Gemeinden und den letzten 7,5 Jahren ist so gut wie Ländern bereits seit Jahren bestens nichts geschehen. Die Opfervertreter gepflegt werden). haben be reits Beschwerde bei den Vereinigten Staaten geführt und die Die Kultusgemeinde fordert die ös ter- Anwälte mit der Prüfung der reichische Bundesregierung auf, ihrer Wiederaufnahme der Klagen gegen Verpflichtung aus den Washing toner die Republik Österreich beauftragt. Verträgen nachzukommen und end- lich die Initiative zu ergreifen, um das Der Nationalrat hat in seiner Sitzung Problem nach so vielen Jahrzehnten vom 7.5.2008 einen Antrag der Grü - endlich zu lösen, solange noch einige nen in erster Lesung behandelt und an den zuständigen Ausschuss weiterge- wenige Überlebende dies noch erle- leitet. Es ging darum, die bestehende ben können. ge setz liche Verpflichtung der Pflege Dr. Ariel Muzicant Präsident des Bundesverbandes der Israelitischen von Kriegs gräbern auch auf jüdische Kultusgemeinden Österreichs Grä ber auszudehnen (nachdem eini- ge Friedhöfe von den Nazis geschän- Presseaussendung, 8. Mai 2008 det und viele Friedhöfe von den betroffenen Gemeinden „arisiert“ wurden). Dafür gab es vorsichtige ENTSCHÄDIGUNGSFONDS: Zu stim mung der SPÖ, die ÖVP äußerte sich skeptisch, klare Ablehnung kam von der FPÖ, das Frist für Anträge BZÖ begrüßte die Initiative. bis Ende 2009 verlängert Es verursacht bei den Nazi-Opfern und ihren Nachkommen größten Schmer z zur Kenntnis nehmen zu müssen, dass 2008 in Österreich die Gräber Die Frist für die Einbringung von Anträgen auf Na tu ral restitution von ehemaligen Wehrmachts sol daten nach dem Entschädigungs fonds ge setz wird erneut verlängert. und SS-Offizieren gepflegt, die jüdi- schen Gräber, deren Nach kom men Die Abgeordneten einigten sich im Verfassungsaus schuss des Natio - vertrieben und ermordet wurden, nal rats auf Basis eines Antrags der ÖVP mit breiter Mehrheit darauf, auch weiterhin zerstört und dem Anträge generell bis zum 31. De zem ber 2009 zuzulassen. Verfall preisgegeben sind. Damit haben ehemalige Ei gen tü mer bzw. deren Erben noch rund ein- Die IKG begrüßt, dass in Zusammen - einhalb Jahre Zeit, Liegenschaften zurückfordern, die ihnen durch das hang mit dem Währinger Friedhof NS-Regime zwischen 1938 und 1945 entzogen wurden. nunmehr beschlossen wurde, eine Vor - studie zur Erhebung der endgültigen Die Lie gen schaf ten müssen sich im Jänner 2001 entwe der im Eige n tum Sanierungskosten vom Zukunfts fonds des Bundes befunden haben oder im Besitz jener Länder und Gemein- und Nationalfonds zu bezahlen. Dies den gestanden sein, die sich entschlossen haben, auf die im Entschädi- ist aber keinesfalls jene versprochene gungs fonds gesetz verankerte Schiedsinstanz zurückzugreifen. Sollte sich Maßnahme, die zur Instand set zung eine Gemeinde erst sehr spät zu Natu ral restitutionen entscheiden, kann die Antragsfrist individuell um bis zu weiteren zwei Jahren erstreckt und Instandhaltung aller jüdischen wer den. Friedhöfe in Österreich führen soll.

6 Juni 2008/Siwan 5768 SPEZIAL • DER FALL MOHAMMED AL-DURA

Unter Beschuss Jamal al-Dura und sein Sohn Mohammed suchen Schutz hinter einer Betonröhre. Schüsse knallen. Diese Bilder bewegten die Welt. Sie lösten eine Welle der Gewalt aus

Mohammed al-Dura lebt Ein Wissenschaftler will die Welt davon überzeugen, dass sie einer Täuschung aufgesessen ist

Das Finale Das Kind sackt auf die Beine des Vaters. „Der Junge ist tot“, ruft eine Stimme. Angeblich trafen ihn Schüsse in Kopf und Brust. Blut

GAZASTREIFEN – Samstag, 30.9.2000, 14.30 Uhr erkennt man allerdings auf keinem Bild

Juni 2008/Siwan 5768 7 SPEZIAL • DER FALL MOHAMMED AL-DURA

Der Mann hockt hinter einer Beton - Sied lung Netzarim, regte sich vorsich- untersuchen. Wenige Wochen später röh re, im Rücken eine Mauer. Mit tig, fast kleinlaut Zweifel. Der Junge legte der Experte die Ergebnisse der dem Arm drückt er einen Jungen an sei nicht von isrealischen Sol da ten ballistischen Untersuchung vor. Er seine rechte Seite. Er schreit. Die Rufe erschossen worden, hieß es. Jomtov schlussfolgerte, die Posten der israeli- verschluckt ein Lärmgemisch aus auf - Samia, General der israelischen Ar - schen Armee hätten den Jungen nie- geregten Stimmen und Schüssen. Das mee, beauftragte Schahaf, den Fall zu mals treffen können. Kind klammert sich an den Vater, das Gesicht vor Angst verzerrt. Der kleine Körper zittert. Staubwolken verhül- len immer wieder den Blick auf die Szene. „Maat el-walad! Maat el-walad!“ Der Junge ist tot – ruft plötzlich eine Stim- me. Dann fällt das Kind auf die Beine des Vaters. Wenig später sackt auch der schmale Mann zusammen. Er lehnt an der Mauer, sein Kopf kippt auf die Schulter. Der Junge ist tot! Diese Botschaft über- rollte binnen weniger Stunden die ganze Welt. Hunderte Fernsehsta tio- nen zeigten das vom französischen Sender ‘France 2’ verbreitete 55-Se - kunden-Video, auf dem der kleine Pa- läs tinenser Mohammed al-Dura am 30. September 2000 auf dem Schoß sei - nes Vaters stirbt. Zeitungen von Aus - tralien bis Alaska druckten die Fo tos vom Leiden des Kindes – erschossen von israelischen Soldaten an einer Die akribische Suche nach Verdächtigem Straßenkreuzung im Gazastreifen. Um Details zu erkennen, zerlegt Experte Nahum Schahaf jede Sekunde Videofilm in 25 Bilder: Der Junge fällt zu Boden – doch danach wechselt er mehrmals die Position seines Körpers. Er bewegt „Alles gelogen“, behauptet der israeli- Arme und Beine. Der Schuss, der nun noch fällt, schlägt in die Betonwand ein. sche Wissenschaftler Nahum Schahaf. „Das Ereignis war gestellt. Es war insze- niert wie eine Szene in einem Hollywood- Film.“ Der 61-jährige mehrfach preis- gekrönte Physiker hat jahrelang re - EINE LISTE VON BEWEISEN cher chiert und analysiert. Er hat Dut - Der Wissenschaftler zende Filme und Bilder ausgewertet, Nahum Schahaf mit Ballistikern, Pathologen und Ärz- hat mehr als sieben Jahre ten gesprochen, Klinikakten studiert recherchiert und dutzende Beweise und Augenzeugen befragt. Am Ende zusammengetragen seiner Arbeit steht ein Ergebnis, das schockiert, weil – wenn es denn ✦ Die ballistische Untersuchung er gab, dass stimmt, was Schahaf beweisen will – die Kugeln in einem 90-Grad-Winkel in die Welt auf eine Täuschung herein- die Beton wand einschlugen. Der israeli- sche Pos ten befand sich aber 43 Grad gefallen ist.

Nord west. ©David Rabkin

✦ Der angeblich tote Junge änderte noch „Der Junge wurde nicht erschossen. Er Mehrere Schüsse in Kopf und Brust sollen dreimal seine Körper hal tung. Ein letzter ✦ lebt“, sagt Shahaf, und er fügt hinzu, den Jungen getötet haben. Trotz dieser Schuss, der abgefeuert wird, als Moham - schwe ren Verletzungen zeigt sich auf den er sei sich bewusst, dass man diese med bereits am Bo den liegt, trifft die Bildern kein Blut – weder am Körper noch Be hauptung als ungeheuerlich emp- Betonwand oben links. finden mag. „Als Wissenschaftler kann am Beton. ✦ Vater Jamal al-Dura präsentierte später ich den Beweis für meine Aussage zwei- Mindestens ein Dutzend Foto gra fen und sei ne Narben. 1994 wurde er in Israel am ✦ Kameraleute hielten sich am 30. Sep tem ber felsfrei erbringen“, sagt er. rechten Arm operiert. Die Narben stam- 2000 am Tatort auf. Jedoch nur der Paläs ti - men laut Aus sage seines damaligen Arz - Wenige Tage nach dem Zwischenfall nenser Talal Abu Rahma filmte die se Sze ne. an der Kreuzung im besetzten Gaza - tes von diesem Eingriff. streifen, nahe der damals jüdischen

8 Juni 2008/Siwan 5768 SPEZIAL • DER FALL MOHAMMED AL-DURA

Kaum jemand glaubte Schahaf. „Da - Mo hammed al-Dura vergessen. Für Recherchen im Krankenhaus von mals konnte ich viele Fragen nicht sicher die arabische Welt hat das Foto von Gaza. Der Arzt Mohammed al-Tawile beantworten“, sagt er heute. Seine Re - Mohammed, der mit seinem Vater sagte aus, der tote Junge sei „gegen cherchen seien noch nicht abgeschlos- Deckung sucht, die gleiche Bedeu tung Mittag“ eingeliefert worden. Sein sen gewesen. „Ich habe den Fehler wie für die Amerikaner die Fotos von Kollege Juma Saka erinnert sich an gemacht, mich drängen zu lassen.“ der Zerstörung des World Trade Cen - eine Zeit „zwischen elf und zwölf Uhr“. Die Schießerei an der Straßen kreu zung IN SCHUSSLINIE begann allerdings erst „gegen 14.30 Mohammed al-Dura und Uhr“, wie sich ein Vertreter des Roten sein Vater suchten Dec kung hinter einer Beton röhre, na- Kreuzes erinnert. Diese Uhrzeit hat he der Kreu zung. auch Schahaf ermittelt, indem er die Länge der Schatten gemessen und den Sonnenstand ermittelt hat.

PALÄSTINENSER Mohammed al-Dura starb durch Die Schüsse müssen von Schüs se in Brust und Bauch, vermerkt hier abgefeuert worden sein. die Akte. Der Bauch sei 20 Zentimeter Laut Untersuchung schlugen sie im 90-Grad-Winkel ein. weit aufgerissen worden, eine Kugel habe die linke Niere durch schlagen. Die Fotos von der Au top sie bilden einen toten Jungen ab, der älter er- scheint. Nase, Mund und Gesichts- ISRAELISCHE ARMEE form gleichen nicht denen von Mo - Der Wachposten war an hammed. Im Gesicht zeigen sich zwei diesem Tag mit 25 Soldaten besetzt. Der Winkel zur Be - rundliche, blutverkrustete Wunden, tonröhre beträgt 43 Grad. eine über dem linken Auge und eine 30. SEPTEMBER 2000, IM BESETZTEN GAZASTREIFEN BESETZTEN IM 2000, SEPTEMBER 30.

‘Wer erschoss Mohammed al-Dura?‘ Diese Frage stellte die Autorin Esther Shapira in einem Film, den die ARD 2002 ausstrahlte. Danach hagelte es Be leidigungen und Drohungen. Der Film sei das “übelste Machwerk seit Goebbels’ Zeiten“, beschwerten sich Zuschauer.

„Eine Kugel traf Mohammed in die Brust, in der Bauchgegend waren sämtliche Or - gane zerfetzt. Außerdem wurde er an Bein und Hüfte getroffen“, erzählte Jamal al- Dura im Januar 2002 in einem Inter- view. Er werde nie vergessen, wie sich sein Sohn an ihn geklammert ha be. „Ich versuchte, ihn zu schützen, sodass die Kugeln meine Arme trafen und nicht seinen Körper.“ Es tröste, so der Vater, dass die Kinder in palästinensischen Nahum Schahaf, David Rabkin, Fotos: www.seconddraft.org EPA/France2, Schulen ein Lied lernen über seinen ter. Das berührende Bild entfaltete ei ne an der Nasenwurzel. „Wer derart ge - Sohn. ungeheure Macht. Mit ihm flammte trof fen wird, ist sofort tot“, schluss fol- Der zwölfjährige Mohammed wurde eine erneute Welle der Ge walt in Is ra el gert Schahaf. Der Junge hätte „Un - zum Märtyrer. Mehrere arabische auf, die zweite Inti fada. men gen von Blut“ verlieren müssen. Länder druckten Briefmarken mit sei- nem Bild. Schulen, Parks und Straßen Und so etwas soll inszeniert gewesen In seinem Techniklabor zerlegt der Ex - tragen seinen Namen. Osama bin sein? Der Wissenschaftler Schahaf hat perte jede Sekunde Film in 25 Bil der, Laden ließ nach dem 11. September viele Beweise gesammelt, die seine ge- um so Nuancen von Veränderungen verlauten, „Bush in seiner grenzenlosen wagte These belegen sollen. Die viel- zu lesen. Blut sieht man auf keinem Arroganz“ solle nicht das Bild von leicht überzeugendsten basieren auf dieser Bilder – nicht am Körper des

Juni 2008/Siwan 5768 9 SPEZIAL • DER FALL MOHAMMED AL-DURA

IM KAMPF UM DIE WAHRHEIT ZÄHLT JEDES DETAIL 55 Sekunden dauert das Video, das der fran- zösische Fernsehsender France2 ver öffentlicht hat. Das Rohmaterial ist 27 Minuten lang. Der Kameramann be hauptete, 45 Minuten unter Beschuss ge filmt zu haben.

Va ters, der laut palästinensischer Aus - Schieße rei“ überzeugt. Innerhalb seiner trägt sogar das gleiche blau-weiße sage von „acht bis neun Kugeln“ ver- Re gie rung kämpft der Direktor des Hemd und die gleiche Hose wie derje - letzt wurde, und nicht am Kind, das Pres se bü ros dafür, „dass Israel der Welt nige, der am 30. September 2000 an der „drei bis fünf Kugeln“ getötet ha ben. er klärt, dass sie journalistischer Ma ni pu - Betonmauer gestorben sein soll. Die helle Betonwand weist keine la tion aufgesessen ist“. Viele Politi ker Blutflecken auf, auf dem Boden bildet und Funktionäre wollten die An ge le- Als Beweise würde der Wissen schaft - gen heit jedoch ruhen lassen. Ei nen ler solche Dinge niemals gelten lassen. sich keine Lache. My thos kön ne man nicht ändern, er - Beweise hat er bessere. KATRIN SACHSE Etwas Rotes glaubt man nur auf ein klär ten „die se Mutlosen“. Seaman ent - Erstabdruck Focus Nr. 23/2008 oder zwei Standbildern zu erkennen. geg net: „Es ist nie zu spät, die Wahr heit Die Redaktion dankt ‘Focus’ für die Es sieht aus wie ein Tuch, das der Jun - zu er zäh len.“ Abdruckgenehmigung ge in der Hand hält. Am nächsten Tag Hat der TV-Sender ‘France 2’ bezie- – so ein weiteres Foto – liegt das fetzen- Anm. d. Redaktion: hungs weise dessen Kameramann Ta lal ähnliche Etwas am Tatort, zusam men- • Neben ‘Focus’ beschäftigte sich auch das Abu Rahma die Welt genarrt? Um die se geknüllt und blutrot. Echtes Blut wä re ARD-Magazin „ttt - titel, thesen, tem pe ra - Frage wird auch vor französischen mente“ in einer Ausgabe am 25. Mai mit dem inzwischen geronnen und sähe fast Ge richten gestritten. Vor wenigen Ta - Thema „Die Macht der Bilder“ und griff den schwarz aus. gen gewann der israelische „Ak ti - Pro zess zum Fall Mo hammed al-Durah auf. Jemandem, der an eine Verschwö rung vist“ Philippe Karsenty vor dem Be ru - • Siehe auch: http://seconddraft.org/ glauben will, erscheinen solche Feh ler fungs ge richt in Paris. Damit ho ben die streaming/aldurah.wmv in der vermeintlichen Insze nie rung arg Rich ter ein früheres Urteil auf. End - • Eine Recherche ergab, dass österreichische dilettantisch und sorglos. „Die arabi- lich dürfe er sagen, dass ‘France 2‘ ein Medien an einer Be richt erstattung über die se schen Initiatoren haben garantiert niemals ge stelltes Video und gefälschte Nach - be wie sene Medienmani pu lation eindeutig daran gedacht, dass irgendjemand solche richten verbreitet habe, stellte Kar sen- nicht interessiert waren. Es gab keine einzige Details nachprüfen würde“, argumen- ty nach dem Richterspruch fest. Der Meldung zum Gerichtsentscheid. tiert Schahaf. Fern sehsender, der in Be rufung ge - „Mohammed lebt.“ Diesen Satz wie der - hen will, hatte ihn verklagt, weil er holt Schahaf wie ein Mantra. Viel leicht genau diese Ansicht schon immer predigt er seine Ansichten mit zu viel ver breitet hatte. Über Wahr heit und Leidenschaft und in zu hektisch ge spro - Echtheit muss nun das höchste fran- chenen Sätzen. Damit macht er es je nen zösische Ge richt entscheiden. leicht, die seine Ar beit anzweifeln. Bei seinen Recherchen hat Schahaf ei - Als „ein bisschen verrückt“ hat Daniel nen Augenzeugen aufgespürt, der ge - Seaman, Pressesprecher der israelischen sehen haben will, wie Mohammed Regierung, den Wissenschaftler an- und sein Vater nach der Schießerei fangs eingeschätzt. Inzwischen un ter- auf ge standen sind. Einige Tage später Mehrere arabische Länder widmeten Mo hammed stützt er dessen Botschaft (siehe Seite 9). wurde ein Junge fotografiert, der Mo - al-Dura Briefmarken, hier ein Bei spiel aus Tu ne si en. Auch Sea man ist von einer „inszenierten hammed gleicht wie ein Zwilling. Er

10 Juni 2008/Siwan 5768 SPEZIAL • DER FALL MOHAMMED AL-DURA „For camera only“ Pallywood oder die palästinensische Lügenindustrie von Danny Seaman

Ein französisches Gericht hat Phi lippe Israel. Während des zweiten Li ba non - Insofern ist es unbedingt notwendig, Karsenty von Verleumdungs vorwür fen kriegs berichteten internationale Me- die Wahrheit hinter den Mohammad wegen seiner Behauptung, der Be- di en vor Ort von einem „Massaker der al-Dura-Vorgängen ans Licht zu brin- richt des Fernsehsenders ‘France 2’ israelischen Armee in Kfar Kana“, wäh- gen, um dem Phänomen der inszenier - von der Netzarim-Kreuzung im Sep - rend Blogger auf der ganzen Welt ten Medienberichte ein Ende zu set zen tember 2000 sei inszeniert gewesen, schnell und ohne großen Erfolg offen und die natürliche Weise zu untergra- freigesprochen. Das Urteil stellt eine legten, dass der Vorfall tatsächlich ein ben, in der dieses Phänomen von den Er rungenschaft bei der Bemühung Produkt der Hisbollah war. globalen Medien akzeptiert wird, so - dar, die Wahrheit über den Vorfall, der Dies hinderte die internationale Ge- wie die Milde, die sie ihm gegenüber als ‚Muhammad al-Dura-Affäre’ be- meinschaft jedoch nicht daran, Israel an den Tag legen. Diese Toleranz hat kannt geworden ist, herauszufinden. zur Beendigung des Krieges zu drän- manchmal mit politischer Sympathie Dennoch ist dies nur ein erster Schritt gen. Einige Wochen zuvor hatten wir zu tun, meist jedoch mit finanziellem in dem Kampf gegen die internationa- Fotos von einem palästinensischen Profit. Israel muss den globalen Me- le Medienberichterstattung über den Mäd chen am Strand von Gaza gesehen di enniederlassungen klar machen, dass Nahen Osten, die seit vielen Jah ren – später kam ans Licht, dass ein pa- sie Verantwortung für die Berichte ih - parteiisch ist. lästinensischer Fotograf einen Vor fall rer Mitarbeiter tragen und auf der Die Enthüllungen des Betrugs in der nachgestellt hatte, an dem die israeli- Wahrung journalistischer Ethik und al-Dura-Affäre sind das Ergebnis in - sche Armee nicht beteiligt war. Erst akkurater Berichterstattung bestehen ten siver Arbeit des Physikers Nahum kürzlich wurden eine Mutter und ih re müssen, selbst wenn sie mit dem Schahaf. Ihm folgten eine große An zahl vier Kinder in Gaza von Sprengstoff Staat Israel zu tun haben. anständiger Leute aus dem akade mi- ge tötet, den Hamas-Leute bei sich schen und journalistischen Bereich, die trugen; der Vorfall wurde von den Die Einrichtung eines Public-Rela ti ons- die Methoden der palästinensischen Medien sogleich der israelischen Ar - Büros im Büro des Ministerpräsi den- Lü genindustrie bei der Produktion mee angehängt. ten könnte ein wichtiger Faktor in diesem Kampf sein. Um wirklich in von Bildern, die sich über die Medien Die Parteilichkeit gilt nicht nur in Zei- im kollektiven Gedächtnis festsetzen, dem Medienkrieg erfolgreich zu sein, ten des Notfalls. Oftmals sehen wir aufgedeckt haben. Diese wurde von sind ein strukturell-bürokratischer Be richte über irgendeine Art von Leid, dem US-amerikanischen Professor Ri - Wan del und zusätzliche Gelder je doch das Israel den Palästinensern zufügt, chard Landes prägnant als „Pally wood“ nicht genug. Es ist unbedingt notwen- was sofort weltweit die Schlagzeilen bezeichnet. dig, sich das Wesen dieses Kamp fes erobert. In vielen Fällen stellen sich die zu verinnerlichen, den der Staat mit Die al-Dura-Affräre ist das augefällig- Anklagen als falsch heraus, doch ist den Medien führt. Mitarbeiter des Bü - ste und radikalste Phänomen der Me - der Schaden für Israel dann bereits an- ros müssen bereit sein, sich der erfor- d ienmanipulation, die von palästinen- gerichtet. Dies hat mit der Tatsache zu derlichen Anstrengung zu widmen sischen Mitarbeitern internationaler tun, dass ausländische Nachrich ten- und gleichzeitig Zivilcourage zeigen, Medien unternommen wird. Diese agenturen nicht das Minimum von um die Verleumdungen der Palästi - Mit arbeiter inszenieren, produzieren dem tun, was sie tun sollten – Quel len nen ser zu widerlegen und zu vereiteln und bearbeiten Ereignisse und Fotos verifizieren und Informa tio nen über- und die internationalen Medien dazu in dem Versuch, Israel in der Welt zu prüfen. Letztlich schreiben sie Be richte zu zwingen, professionelle Standards diskreditieren. Medien berichte und palästinensischen Reportern zu und zu wahren. Fotos wie die des al-Dura-Vorfalls be - finden stets „glaubwürdige“ Quellen, ein flussen die Weltmeinung und die die die Vorwürfe bestätigen. Darüberhinaus kann und sollte der Re gierungen. Die inszenierten Vorfäl le Staat die Unterstützung privater Pro fis untergraben Israels Möglichkeiten, Dies ließe sich ein- oder möglicher- - wie Karsenty, Shahaf, Landes oder die sich dem Konflikt gemäß zu verhalten weise zweimal entschuldigen. Da die - Journalisten Gérard Huber und Sté pha ne und Ziele im Notfall zu sichern. se Enthüllungen nun aber immer wie- Juffa – suchen, die bereit sind für den der kommen, könnten wir von den guten Ruf des Staates Israel und die Medienmanipulation ist in der Tat zu Ablegern der ausländischen Medien Wahrheit zu kämpfen. einer strategischen Waffe der Araber er warten, strikter zu sein und ange- gegen den Staat Israel geworden. Sie messene professionelle Verfahren wird zum Ausgleich für die militäri- durchzuführen, bevor sie abermals fal- Danny Seaman ist der Direktor des Presse - sche Überlegenheit Israels benutzt und sche Anklagen gegen den Staat Is rael amts der israelischen Regierung (GPO). stärkt die arabische Position gegenüber erheben. Yedioth Ahronot, 29.05.08

Juni 2008/Siwan 5768 11 POLITIK • INLAND

erteidigungsminister Norbert Darabos äußert sich distanziert zu VDara bos hat sich zum Abschluss seines Be suches in Israel distanziert Bedrohungsszenarien durch den Iran zur Frage einer Bedrohung durch ira- nische Atom raketen geäußert. Mit Erster Besuch eines österreichischen Verteidigungsministers dem isra e lischen Verteidi gungs mi nis- in Israel seit mehr als 30 Jahren ter Ehud Barak habe er auch über die- ses The ma gesprochen, das Israel „natürlich mit großer Sorge“ erfülle. „Wir als neutraler Staat sehen das natur- gemäß mit großer Distanz“, erklärte der Minister im In ter view mit der APA. „Wir wollen uns hier auch nicht einmi- © Öster. Bundesheer © Öster. schen. Es ist eine Frage der israelischen Sicherheits- und Ver teidigungspolitik, die ich als österreichischer Verteidigungs- minister nicht kommentieren möchte.“ Auf Geheimdienstberichte angespro- chen, wonach iranische Raketen bis nach Berlin reichen könnten, sagte der Minister: „Aus heutiger Sicht glaube ich, dass diese Raketen nicht bis Österreich rei- chen, aber natürlich ist die Möglichkeit immer gegeben, dass das in Zukunft auch anders sein kann.“ Im übrigen wolle er zu Erkenntnissen von Geheim diens - Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ten nicht öffentlich Stellung nehmen. Verständnis für unsere Position. Es wur de Wir haben in den letzten Jahren 50 Mil- Darabos erneuerte seine Kritik an der mit der UNO-Kommission und mit uns lio nen Euro in israelisches Know-how in - Entscheidung Tschechiens und Po lens, Licht in das Dunkel gebracht. Auch die ves tiert.“ den USA die Installation eines Rake- israelische Seite versicherte, man werde Österreichische Waffenlieferungen tenabwehrsystems zu gestatten. „Ich da für sorgen, dass solche Dinge in Zu - an Israel gebe es nicht. „Nein, wir ver- hal te mit meiner Meinung auch hier nicht kunft nicht mehr vorkommen.“ hinterm Berg. Es geht hier nicht darum, kaufen nicht nach Israel“, sagte Dara - irgendjemanden zu desavouieren. Es geht Auf die Zusatzfrage ob die Israelis bos und fügte hinzu: „Wir haben hier einfach darum, da es sich ja um europäi- Fehler eingestanden hätten, sagte Da - ganz strenge Auflagen, was unsere Neu - sches Gebiet handelt, diese Entschei dun- ra bos, es sei „ein versehentlicher An griff“ tralität betrifft. Da ist das eine sehr heikle gen auch auf europäischer Ebene disku- gewesen. „Das ist auch von der UNO- Geschichte.“ tieren zu dürfen. Das kann man wohl ei - Kommission so festgestellt worden.“ Er Das Gespräch führte Ulrich Sahm/APA nem demokratischen Staat wie Österreich ha be mit dem israelischen Verteidi- gungs minis ter Barak über die militä- nicht absprechen. Mittlerweile hat sich ja Plassnik zu Ahmedinejad: hier auch in der Einschätzung einiges ge - rische Zusam men arbeit beider Län der än dert. Es gibt eine stärkere Koopera ti ons - gesprochen. In die Ausarbeitung ei nes „Mit inakzeptablen Aussagen bereitschaft, auch einen offenen Dialog „Memo ran dum of Understan ding“ sein eigenes Land international innerhalb der EU mit den Tschechen und würden das Wirtschafts- und das Fi - isoliert“ Polen, aber auch mit den umliegenden nanz mi nis terium eingebunden, sagte Dara bos. Darauf sei er „sehr penibel be - Staaten zu führen. Das halte ich für den „Es ist erschütternd, dass es Präsident dacht“. richtigen Weg.“ Österreich habe auf- Ah medinejad neuerlich geschafft hat, mit grund seines Neutralitätsstatus’ schon Auf die Frage nach Waffengeschäften inakzeptablen Aussagen sein eigenes Land vor 40 Jahren eine „historische Rolle“ zwischen beiden Ländern verwies der international zu isolieren. Israel ist ein im Nahen Osten eingenommen, sagte Minister auf das neue Trup pen funk - an erkanntes Mitglied der Staatengemein- der Minister auf eine entsprechende system des Bundesheeres: „Wir sind schaft und der UNO. Sein Existenzrecht Frage. „Wir halten mit beiden Kon flikt - sehr zufrieden mit diesem Produkt. Es darf nicht in Zweifel gezogen werden“, par teien Kontakt, mit der israelischen und gibt ganz strenge Regeln. Die Waffen in - so Außenministerin Ursula Plassnik der palästinensischen Seite, aber auch mit dustrie ist in Österreich nicht dem Ver - zu den jüngsten Äußerungen des ira- der syrischen Seite; mit der libanesischen teidigungsministerium zugelagert, sondern nischen Präsidenten Mahmoud Ah - und ägyptischen Seite etwas schwächer.“ POLITIK wir haben bei jeder Anschaffung ganz medinejad. „Gerade jetzt, wo sich die Er habe mit Barak auch über den 2006 kla re Ausschreibungskriterien zu beachten. international unterstützten Friedens be - im Südlibanon getöteten österreichi- Gerade beim Kommunika tions be reich gibt mühungen im Nahen Osten wieder ver- schen Major Hans-Peter Lang gespro- es immer wieder israelisches Know-how. stärkt haben, sind solche Aussagen be son - chen, bestätigte Darabos. „Barak hat Da gibt es auch keine Berüh rungs ängste. ders fehl am Platz“, so die Ministerin.

12 Juni 2008/Siwan 5768 POLITIK • INLAND

Österreichische Hochschülerschaft Uni Wien: Elise Richter: „Summe des Lebens“ Antisemitismus von den Herausgegeben vom Verband der Akademikerinnen Österreichs, Wien Straßen verbannen WUV-Universitätsverlag 1997 Gewöhnlich werden Jubiläen anders gefeiert! Der Verband der Aka - Für die Umbenennung des demikerinnen Ös ter reichs, 1997 im 75. Vereinsjahr, hat das schriftli che Dr.- Karl- Lueger Rings Wien Vermächtnis seiner Gründe rin, der Romanistin und ersten Do zentin an der Universität Wien, Dr. Elise Richter, veröffentlicht, das in seiner kriti- schen Selbstreflexion nicht an die übliche Praxis von sich selbst feiernden Die ÖH Uni Wien begrüßt die Forde - und lo benden Institutionen anschließt. Das wertvolle Manu skript dieser rung des Nobelpreisträgers Dr. Eric außergewöhnlichen Autobio gra phie, lan ge Zeit in der Handschrif ten samm- Kandel zur Umbenennung des Dr.- lung der Wiener Stadt- und Lan des bibliothek un be achtet ge blieben, wurde von Karl-Lueger-Rings. Seit Jahren enga- Chris ta Wille, Mitarbeiterin der Österreichischen National bi bli othek, und DDr. Elfriede Sturm sorgfältig gieren sich Studierende und die ÖH editiert und mit wichtigen Lebens- und Kar ri e re daten er gänzt. Richter schrieb ihre „Sum me des Lebens“ 1940 als 75-Jährige. Uni Wien für die Benennung nach Völlig verarmt – von den Nationalsozialisten nach den Nürnberger Gesetzen als Jü din um Pen sion Dr.in Elise Richter. „Karl Lueger war und Verdienstmöglichkeiten beraubt – wurde sie im Herbst 1942 nach There sien stadt deportiert, wo bekennender Antisemit, seine Politik ist sie ihre Schwester Helene nur um ein halbes Jahr überlebt hat. Den „Um bruch“, wie sie die Einver- untrennbar mit Hetzkampagnen gegen die lei bung Österreichs durch das nationalsozialistische Deutsch land nennt, beschreibt sie völlig dis- Wiener Jüdinnen und Juden verbunden. tanziert, den Folgen räumt sie in ihrer Lebens bilanz nur periphere Be deutung ein. (Ihre diesbezüg- Die Ehrung dieser Person mit einer Stras - li che Zurückhaltung dürfte wohl darin begründet gewesen sein, dass ihr Manuskript jederzeit in die sen benennung ist eine Schande", äußert Hände der National so zia lis ten geraten hätte können.) sich Fanny Rasul vom ÖH Uni Wien Lebensleid und Lebensfreude sind ihr wie die sprichwörtlichen zwei Seiten einer Medaille und struk- turieren auch den eigenen Lebensablauf. Zum Leid gehören ihre wiederholten schweren Er kran kun - Vorsitzteam. „Die Universität muss ein gen, die rigide, auf völlige Selbstbeherrschung abzielende Erziehung und die „Kämp fe“ der Univer - Ort für emanzipatorische Wissen schaft si tätszeit, wobei sie jedoch gleichzeitig in jeder dieser Behinde run gen und Wid rigkeiten einen zu - und kritische Vergangenheitsbewälti gung sätz lichen Ansporn bzw. eine wesentliche Voraussetzung für ihr Be har rungsvermögen sieht. Erst sein. Die Aufarbeitung des Antisemitis - nach dem Tode ihrer Eltern, durch ihre Erbschaft auch existentiell in die Lage versetzt, verwirklicht die mus kann nicht erst nach dem Anschluss eifrige Schülerin und fleißige Auto didaktin ihren Lebens traum: „Ich genoss das Studium wie ein Gna den- 1938 beginnen. Die Umbenennung wäre geschenk des Himmels. Es war mir mehr als alles an dere auf der Welt. Das Studierendürfen war ja schon ein erreichtes Ziel.“ (S. 43) „Die heutige Zeit wird von unseren Nöten mit Staunen hören. Ja, warum denn in diesem Sinne ein wichtiges Zeichen“ , nicht das Studium erzwingen? Warum nicht durchgehen? Das war eben für uns ganz ausgeschlossen. so Sophie Wollner vom Vorsitzteam. Wohin gehen, wenn es doch nirgends die Möglichkeit einer Ausbildung gab?“ (S. 101) Erst mit 32 Jahren ma - Elise Richter habilierte sich als erste Frau turierte sie, mit 42 hielt sie ihre erste Vorlesung. Richter gründete nicht nur den Akademike rin nen - verband, sondern war auch Mitbegründerin einer Frauenpartei. Dies alles mit einer – wie für etliche an der Universität Wien. 1938 wurde engagierte Bildungsbürgerinnen charakteristischen – eigenartig reservierten Haltung dem Feminis - ihr aufgrund der Rassengesetze die mus gegenüber: „Ich betrat die Universität nicht als Frauen recht le rin. Noch viel weniger dachte ich da- Lehrerlaubnis entzogen. Nachdem sie bei an den Beruf als Versorgung. Für uns Erstlinge war der maßgebende Impuls der Trieb nach Selbst - sich gegen eine Auswanderung wehr- entfaltung, die Sehnsucht, unsere Kräfte in der ihnen genehmen Art zu gebrauchen und der mensch lichen te, wurde sie 1942 ins KZ The re sien - Gemeinschaft auf ihre in ner lich vorgeschriebene Weise nützen zu dürfen, es war die Sehn sucht nach dem stadt deportiert und fiel der Schoah Recht auf hö he re Pflichten, nach dem durch die Berufung vorgezeichneten eigenen Lebensweg.“ (S. 110) zum Opfer. „Die Benennung nach Elise Ihre Tätigkeit als Forscherin und Lehrende blieb im übrigen trotz a. o. Pro fessur bis 1927 unbezahlt! In Rich ter ist ein langjähriges feministisches ei ner antifeministischen und antisemitischen Umgebung trafen zwar auch sie Diskrimi nierun gen, die sie anführt, doppelt, doch setzt sie diesen Zeiter schei nungen wohl auch jene Gesinnung der Frau en- An liegen. Mit ihr würde eine großartige rechtlerinnen vom Schlage gegenüber, die sie am Ende ihres Lebensberichtes mit den Wor ten von Wis senschafterin und Vorreiterin im Ma rie Ebner-Eschenbach zitiert: „Ich bin der Mei nung, dass wir (Frauen) schweigen sollen und nicht Kampf um die Gleichstellung der Frauen durch Geschrei und Geschreibe, sondern durch unser Tun so manchen Irrtum, der über uns im Schwange an der Universität und in der Gesell schaft ist, besiegen.“ (S. 240). Diesem intimen und aufrichtigen Zeugnis einer begeisterten Wissen schaft le rin, gewürdigt", meint Marlies Wilhelm Lehrerin und politisch aktiven Frau kann man nur viele LeserInnen wünschen. ANDREA LAURITSCH vom Vorsitzteam. (Aus der Zeitschrift für Geisteswissenschaften MNEMOSYNE Heft Nr. 23/97)

Aus einer Rede des Bürgermeisters Karl Lueger (in der am 20. Juli 1899 abgehaltenen Ver sammlung des christlich-sozialen Arbeitervereins in Wien): „Hier in unserem Vater- lan de Österreich liegen die Verhältnisse so, daß sich die Juden einen Einfluß erobert haben, der mit über ihre Zahl und Bedeutung hinausgeht. (Zwischenruf: Sehr wahr!) In Wien muß der ar me Handwerker am Samstag Nachmittag betteln gehen, um die Arbeit seiner Hände zu verwerten, betteln muß er beim jüdischen Möbelhändler. (Sehr richtig!) Der Einfluß auf die Massen ist bei uns in den Händen der Juden, der größte Teil der Presse ist in ihren Händen, der weitaus größte Teil des Kapitals und speziell des Großkapitals ist in Judenhänden und die Juden üben hier einen Terrorismus aus, wie er ärger nicht gedacht werden kann. Es handelt sich darum, in Österreich vor allem um die Befreiung des christlichen Volkes aus der Vorherrschaft des Judentums. ... Aller Zwist, auch der bei uns in Österreich herrscht, ist darum durch die Juden entfacht, alle Anfeindungen unserer Partei rühren daher, weil wir der Herrschaft der Juden endlich einmal zu Leibe gerückt sind. Darum sind Juden, Sozi und Deutschnationale jetzt so an der Arbeit, um den verhaßten Mann zu stürzen (Hoch Lueger!) und ihre Fahnen wieder auf dem Rathausturm aufzupflanzen. (Bravo!)“ Aus: Weiningers Nacht, Europa-Verlag, Wien 1989 ©Uni Wien

Juni 2008/Siwan 5768 13 POLITIK • AUSLAND

Prag - Wenzelplatz 1968 © APA/Archiv Antisemitismus vor und nach der Invasion 1968: Latent immer vorhanden

von Marta S. Halpert Phase, wahrlich glückliche Momente. sich in einem Sammelband des Jü di- schen Museums in Prag mit dem Phä- Antijüdische Ausschreitungen – ein - no men des Antisemitismus in der mal mehr und einmal weniger heftig Tschechoslowakei befasst. – waren in Böhmen, Mähren und der Kaum ein Historiker oder Journa - Slowakei, je nach Herrscher und Zu - 1921 lebten laut Volkszählung list kommt bei der Einschätzung des gehörigkeit auf der Tagesordnung: 354.300 Juden in der Tsche chos lo wa - Antisemitismus in der Tschechoslo- Ins besondere in den katholisch-prote- kei, davon 127.000 in den böhmischen wakei im 20. Jahrhundert ohne das stantischen Gegenden kulminierten Ländern. Insgesamt gab es damals in Wort „latent“ aus. Als Synonym da - sie in den vergangenen Jahr hun der ten Böhmen und Mähren 205 jüdische für bietet der Thesaurus „verdeckt, in Ritualmordlegenden und in den Gemeinden. Die Zahl der Gemeinden versteckt, verborgen, unterschwellig, üb lichen Verleumdungen der Hostien- nahm im Verlauf der folgenden zehn schlummernd“ an. Denkt man dabei schändung. Jahre ebenso ab wie die Zahl der Ju den. heute an die EU-Mitgliedsstaaten Die erste antisemitische Welle im 1930 existierten nur mehr 172 jü di sche Tschechien und Slowakei, so könnte 20. Jahrhundert erlebte das Land gleich Gemeinden, die Zahl der jüdischen man mit der Achsel zucken: Schlum - nach seiner Gründung 1918, als es in Bevölkerung sank auf 117.000. Ein mern de Ressentiments sind keine einigen Kleinstädten zu po grom ar ti - Grund für diese Abnahme war die zu- Ein zelerscheinung. Doch hier bedeu- gen Ausschreitungen kam. Diese hat- nehmende Assimilierung der Ju den, tet ein „nur latent“ vorhandener An ti - ten ähnliche Gründe wie in Deutsch - die in Volkszählungen ihren Glauben semitismus schon die gute, die ruhige land, erläutert Blanka Soukupova, die nicht mehr angaben.

14 Juni 2008/Siwan 5768 POLITIK • AUSLAND

Die jüdische Minderheit vor 1938 Der kommunistische Coup wa kei eine Randerscheinung, die sich nur verbal und in der Presse äußerte. „Ich würde sagen, dass die Juden in der „Prag ist voll von Freunden, die nicht Zu tätlichen Angriffen auf Juden oder Zwischenkriegszeit einen unteilbaren Be - mehr leben“, stellte Egon Erwin Kisch standteil der Gesellschaft bildeten“,erklärt dem Boykott jüdischer Geschäfte und Ärzte kam es in den 30er Jahren vor- 1946 nach seiner Rückkehr aus dem Marie Zahradnikova, Mit heraus ge be - Exil bitter fest. „Jede Straßenecke drängt rin des Sammelbandes in Prag. „Ab den erst nur in den deutschen Siedlungs - Tränen in die Augen.“ Den meisten 30er Jahren waren sie allerdings stärkeren gebieten. Dies änderte sich nach dem Überlebenden ging es von 1945 bis antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Münchner Abkommen und der Ent - zum kommunistischen Putsch 1948 Daher war der Grad der Assimilierung ste hung der zweiten Tschechoslo wa - sehr hoch: Viele Schriftsteller, zum Bei spiel, kischen Republik im Oktober 1938: sehr schlecht, weil sich die neue Re- von denen wir heute als jüdische sprechen, Ab diesem Zeitpunkt gehörte der An - gie rung deutlich von der ehemaligen haben sich selbst bereits als Tschechen ti semitismus bereits zum Regie rungs - Masaryk-Benes-Republik unterschied: betrachtet.“ programm. Sie war weniger tolerant, dafür allen Doch neben den assimilierten Ju den existierte auch eine zionistische Be - we gung, deren Einfluss in den 20er Jahren zunahm. Präsident Tomas Ma- sa ryk und später auch Edvard Be nes begrüßten sie wohlwollend. So war die Tschechoslowakei 1920 weltweit das erste Land, in dem bei einer Volks - zählung die jüdische Nationalität - und nicht nur die Religion - angege- ben werden konnte. Rund 30 Prozent der Juden machten von diesem Recht Gebrauch. Die meisten gehörten in Böhmen vor allem der mittleren und höheren Gesellschaftsschicht an und bildeten einen festen Bestandteil der kulturellen und intellektuellen Elite des Landes. In Mähren, der Slo wakei und der Karpatho-Ukraine war das Judentum orthodoxer, die Land ge - Gedenkstätte Theresienstadt: Friedhof gegenüber der kleinen Festung © Wikipedia meinden konservativer und weniger assimiliert. Das brutale Ende Minderheiten gegenüber extrem miss- Die Zwischenkriegszeit wird gerne trauisch. Den befreiten Juden war verklärt dargestellt, weil man dann die Der vernichtende Schlag gegen die man feindlich gesinnt, da sie Zeugen Musikernamen Leo Fall, Hugo Kau der, Juden kam am 15. März 1939 mit dem der tschechischen Kollaboration mit Erich W. Korngold und Rudolf Serkin Einmarsch der Deutschen und der den Deutschen geworden waren. anführen kann. Ebenso die Literaten Okkupation der Tschechoslowakei Ferner war die Bereitschaft nicht sehr im Format eines Franz Kafka, Max durch die NS-Truppen. groß, die arisierten Wohnungen und Brod, Felix Weltsch, Edouard Gold- Bald nach dem Überfall wurden geraubten Wertgegenstände zurück - stücker oder Egon Erwin Kisch. Doch mehr als 200.000 Juden in den Gas - geben. „Nicht selten hörte man in der die vermeintlich gelungene Emanzi - kam mern ermordet, starben bei Er - tschechoslowakischen Bevölkerung den pa tion – und auch die um einen ho hen schießungsaktionen, bei der Deporta - Spruch: So viele Juden sind doch zurück ge- Preis erworbene Assimilation – fand tion oder durch die unmenschlichen kehrt. Wahrscheinlich waren viele L ö cher ein jähes Ende. Und wahrlich, im Ver- Bedingungen in den Ghettos. „Die jü - in den Gaskammern.“, schreibt Reu ven gleich zu dem, was folgte, scheinen di sche Bevölkerung zählte 1935 noch et wa Assor in seinem Buch „Deutsche Ju den jene 20 Jahre zwischen 1918 und 1938 380.000 Personen“, berichtet Chaim in der CSSR“. eine reine Idylle gewesen zu sein. Frank auf Hagalil.com, einer auf jüdi- Aber auch in den Reihen der tsche- Der tschechische Antisemitismus sche Nachrichten konzentrierten Web- choslowakischen Auslandsarmee, die richtete sich zunächst gegen die site. Davon lebten im ungarischen Teil vornehmlich in England und Frank - deutschsprachigen Juden. Anfang der der Slowakei 105.000, in der Slowakei reich tätig war, in der auch viele Ju den 30er Jahre forderten sowohl Tsche - selbst 150.000 und rund 80.000 in Böh- dienten, geriet man sich in die Haare: cho juden als auch Zionisten alle Ju den men und Mähren. Dazu kamen noch Prü geleien mit antisemitischem Hin- im Lande auf, tschechisch zu reden 40.000 Flüchtlinge aus Deutschland ter grund sind überliefert. Jene, die an und sich von der deutschen Tradition und Österreich. Von den tschechischen der Seite der Sowjetunion gekämpft zu distanzieren. Bis 1938/39 war der Juden haben lediglich 35.000 die NS- hatten, kehrten ebenso zurück, wie An tisemitismus in der Tschechos lo- Vernichtungsmaschinerie überlebt. Mit glieder der Benes-Exilregierung.

Juni 2008/Siwan 5768 15 POLITIK • AUSLAND

Der Prozentsatz der jüdischen Intel- Das Interesse der stark von der mächtigster Mann im Staat, sowie drei- lek tuellen unter den Kommunisten UdSSR kontrollierten Partei ging nun zehn Mitangeklagte vor Gericht: Be schul- war relativ hoch. Daher wurden viele dahin, sich diejenigen vom Hals zu digt als ‘trotzkistisch-titoistisch-zionisti- mit hohen Pos ten belohnt, nachdem schaffen, die in westlichen Ländern sche, bürgerlich-nationalistische Verräter die KP die Macht im Februar 1948 exi liert gewesen waren, die sich in und Feinde des tschechoslowakischen übernommen hatte. In der Regierung meh reren Sprachen Informationen Volkes’“. Slánský und seine Mitange- gab es im gleichen Jahr drei jüdische beschaffen konnten, die gelernt hat- klag ten bekannten sich in allen Punk - Staatssekre täre. ten, differenziert zu diskutieren. Bald ten schuldig. Elf von den vierzehn gerieten die sogenannten „Kosmo po - waren Juden und bis auf drei wurden Schauprozeß Slásnky als Trauma liten“ ins Visier von Partei und politi- alle zum Tode verurteilt und im Mor - scher Polizei. gen grauen des 2. Dezember 1952 ge - Den Tod von Egon Erwin Kisch am hängt. Und wie immer in der Geschichte 31. März 1948, also vor rund 60 Jah ren, des nationalen Kommunismus waren „Fast elf Jahre danach, am 14. Mai bezeichnete der tschechische Ger ma - mit dem Wort Kosmopoliten auch, 1963,“ dokumentiert Lendvai, „gab der nist Eduard Goldstücker als „Glück“. wenn nicht sogar in erster Linie, die Oberste Gerichtshof der Tschechoslo wa kei Der Grund dafür: Zurück keh rende Ju den gemeint. Das bezeichnet Gold- bekannt, dass es diese Verschwö rung nie Schriftsteller wie Franz Carl Weiskopf, stücker mit „Glück“, als er sich auf ge geben hatte und, dass die Geständnisse Louis Fürnberg oder eben Kisch muss - den frühen Tod des bereits damals durch Anwendung physischer Gewalt und ten die Tatsache zur Kennt nis nehmen, weltberühmten Schriftstellers und psychologischem Druck erpresst worden dass die deutsche Spra che den Men- Journalisten Egon Erwin Kisch bezog. waren.“ Alle sogenannten „Doku - schen nun als Sprache eines Goebbels „Denn wenn jemand wirklich ein ‚Globe - mente“ für den Schauprozess wurden oder Heydrich in den Oh ren klang trotter’ war“, schrieb er über ihn, „so der vom Innenministerium fabriziert. Die und nicht mehr mit einem positiven Egon Erwin aus der Prager Melant rich- „ Slánský-Verschwörung“ und sieben Kulturbegriff assoziiert wurde. gasse“. Als Altkommunist, Deutsch - wei tere Schauprozesse, in denen mehr böh me, Jude und Weltenbummler als sechzig prominente Politiker und typisch westlichen Zuschnitts verkör- Funktionäre angeklagt waren, wurden perte er alle nur möglichen Ver dachts- als Fälschungen bezeichnet. momente, ebenso wie Goldstücker „Die Slánsky-Affäre war von massen- selbst. Jener Mann, der zwischen 1948 haf ter Entlassung, wenn auch nicht im mer und 1951 der erste Botschafter der Verhaftung, jüdischer Beamter, Journa lis - Tschechoslowakei in Israel gewesen ten und Angesteller in allen Lebens be rei - war, wurde im Zusammenhang mit chen begleitet. Doch sollte man keinen dem sogenannten Slánský-Prozess im Augenblick vergessen, dass das auffallende Jahr 1952 zu einer lebenslänglichen jüdische Übergewicht im Slánsky-Prozeß Gefängnisstrafe verurteilt; erst 1955 absichtlich von den sowjetischen Bera tern konnte er das Gefängnis wieder ver- manipuliert worden war“. Laut Lendvai lassen. handelte es sich bei der Mehrzahl der Paul Lendvai schreibt in seinem verhafteten Funktionäre um Nichtju - Stan dardwerk zu der Nachkriegs si tu a- den, zum Beispiel der gesamten slo- tion der Juden in Osteuropa „Anti se - wakischen Parteiführung mit Gustav mi tismus ohne Juden“ (Euro pa Ver - Husák, dem Chef der slowakischen lag Wien, 1972) ausführlich über „Das Landesregierung, an der Spitze. © EPA/Tomas Novak/gr © EPA/Tomas Gespenst Slánskýs“. Am 31. Juli 1951 gratulierte das tschechoslowakische Das Grab des „Rasenden Reporters“ Egon Er win Waffen für Israel und Antizionismus Kisch auf dem Friedhof in Prag-Stras nice. Die Parteiorgan ‘Rudé Právo’ im Namen des ZK der Kommunistischen Partei Büste auf dem Grab ist begehrtes Die bes gut. Während gleich nach der Staats grün - Bereits 1992 war das erste Exem plar des Kisch- ihrem Generalsekretär Rudolf Sláns ký Kopfes ge stohlen worden. Mit Hilfe internatio- zum 50. Geburtstag und lobte ihn als dung Israels, am 14. Mai 1948, meh re re naler Spen der wur de die Büste des be rühmten „einen unermüdlichen Kämpfer und her- tausend Juden dorthin auswanderten, Au tors wenige Monate später - mit dem bereits vorragenden Führer“ sowie „als den waren die Grenzen in den frühen fünf - 2001 wieder verschwundenen Ent wurf des tsche- eng sten und treuesten Mitarbeiter Präsi - ziger Jahren bereits dicht geschlossen. chischen Bild hauers Zde nek Hosek - er setzt. Der dent Klement Gottwalds.“ Nicht ganz neue Abguss der Büs te, Kos ten punkt rd. 8.000, Nach dem Krieg und der kommu- soll demnächst wie der „aufgesetzt“ werden.€ vier Monate später berichtete das nistischen Machtübernahme wurde glei che Blatt über die Verhaftung zunächst eine freundliche Politik ge- „staats- Slánskýs, weil er sich angeblich gen über Israel eingeschlagen. Die feindliche Tätigkeiten zuschulden kom- „Man muss die Dinge sehen, wie sie Tschechoslowakei war der wichtigste men ließ“. sind,“ schrieb Weiskopf bekümmert an Waffenlieferant für den neuen jüdi- Egon Erwin Kisch. „Die Mög lich keit, „Fast genau ein Jahr später“, schreibt schen Staat, der gegen fünf arabische als deutscher Schriftsteller in der Tsche - Lendvai, „standen Rudolf Slánský, stell- Armeen kämpfte. Auch zahlreiche Pi- chos lowakei zu wirken, ist vorbei.“ ver tretender Ministerpräsident und zweit- loten der israelischen Luftwaffe wur-

16 Juni 2008/Siwan 5768 POLITIK • AUSLAND

Radikale Demonstranten müssen den Kafka Platz verlassen Juden eingetragen haben. Es gibt wie- der jüdische Schulen und koscheres Essen; auch die historisch bedeuten- den Synagogen sind langsam aber schlussendlich restauriert worden. „Wir sind heute relativ optimistisch, was unsere Zukunft betrifft“, sagt Rab - bi ner Karol Efraim Sidon. Und gute Nach richten aus Prag geben ihm Recht: Der Prager Erzbischof und tschechische Primas Kardinal Milos lav Vlk verurteilte 2007 bei einer großen Gedenkkundgebung für die Opfer der Novemberpogrome 1938 jegliche na- © Magnus Bennett/JTA zis tische und antisemitische Haltung den in der CSSR ausgebildet. Diese Der Gottesdienst war zwar er laubt, und Agitation. Als „katholischer Bi- guten Beziehungen wurden nach doch Prag hatte 20 Jahre lang keinen schof“ bekundete er sein tiefes Be dau - einer sowjetischen Kampagne abge- Rabbiner. Außerdem mussten jene ern darüber, dass auch „einige christli- brochen und unter dem Druck des damit rechnen, im Job stark diskri mi - che Völker am Holocaust beteiligt gewesen großen Bruders vom Antisemitismus niert zu werden, die in der Syna go ge sind“, wird der Kardinal in der Kath - zum Antizionismus umfunktioniert. gesehen wurden. So kam es, dass sich press-Wien zitiert. hauptsächlich alte Menschen zu ih rem Wie auch in anderen kommunisti- Dieser klaren Aussage war eine Judentum bekannten, während sich große Kontroverse um den geplanten schen Ostblockstaaten wurden schon die jüngere Generation oft scheute bei 1967 – nach dem Sechstagekrieg - die Aufmarsch Rechtsextremer im jüdi- der Gemeinde zu registrieren, um ih - schen Viertel von Prag am 9. Novem- Beziehungen zu Israel abgebrochen ren Kindern das Leben zu erleichtern. und die Hetzkampagnen gegen Ju - ber 2007 vorausgegangen. „Wir werden den auch noch 1973 anlässlich des Jom Kippur-Krieges wieder verschärft.

Der Prager Frühling 1968

Der Prager Frühling 1968 brachte für die Juden eine kurze Reprise der Ma sa ryk-Zeit, doch nach dessen Nie- der schla gung flohen weitere 6.000 Juden aus dem Land. Unter den Re - form kom munisten im Kreis Dubceks be fand sich auch Frantisek Kriegel, Chef der Nationalen Front, ein jüdi- scher Arzt, der nach der sowjetischen Inva si on in der Tsche chos lo wakei als einzi ger seine Unter schrift unter das Mos kauer Protokoll verweigert hatte. Kriegel versetzte damit all jene ins Unrecht, die behaupteten, etwas an - de res sei gar nicht möglich gewesen. Dem früheren Spanien kämp fer und ZK-Politiker half sein Mut nur wenig: Er wurde aus der Partei ausgeschlos- Memorial an die sen, aber immerhin am Leben gelas- „samtene Revolution“

sen. In den siebziger Jah ren unter- © Wikipedia zeichnete er wie viele jü di sche Intel - Mit der samtenen Revolution des lek tuelle die „Charta 77“. Jahres 1989 änderte sich vieles. auf der Straße stehen und beten und der Frantisek Kriegel wurde schikaniert sogenannten Reichskristallnacht, dem und überwacht, genauso wie die jüdi- Der Prager jüdischen Gemeinde Pogrom vom 9./10. November 1938, und schen Gemeinden in den folgenden gehörten 1992 nur etwa 1.000 Mit glie- ihrer Opfer gedenken. Das ist unsere Ant - Jahrzehnten ständig streng observiert der an. In der Zwischenzeit sind es in wort auf diese ungeheuerliche Pro vo ka - wurden. Bei den Versammlungen war der ganzen Tschechoslowakei 3.000 tion,“ kündigte Wirtschaftspro fes sor immer ein Geheimpolizist anwesend. Personen, die sich schon wieder als Juraj Stern, langjähriges Mitglied der

Juni 2008/Siwan 5768 17 POLITIK • AUSLAND

„Nie wieder“ © Dinah A. Spritzer/JTA Beschwerde gegen B’nai Brith an, als der „braune Marsch klär te Gert Weiss kirchen, ein deutscher durch das jüdische Viertel“ geplant Bundestags ab geordneter und Mit glied „Weltwoche“ vor Schweizer wur de. Doch dann kam alles ganz an - der OSZE. Presserat gescheitert ders: Mehr als tausend nichtjüdische Aber trotz allem werden einige an - Prager Bürger hefteten sich Juden ster- ti semitische Bücher weiter verbreitet, Der Schweizer Presserat hat eine Be- ne auf die Kleidung und verhinderten vor allem ‘’Die Protokolle der Weisen schwerde gegen das Wochenmagazin gemeinsam mit der jüdischen Ge mein- von Zion’’. Auf verschiedenen Buch - „Weltwoche“ abgewiesen. Begründet de das Vordringen der Neonazis in die mes sen wurden zahlreiche Exemplare wurde der Entscheid mit der Fest stel- Nähe der Synagogen. Sie versammel- konfisziert, aber viele Bür ger kritisier- lung, Medien dürften auch „politisch ten sich mit Schildern, auf de nen „Nie ten die Behörden dafür: Sie fühlten sich unkorrekte“ Stimmen zu Wort kom- wieder“ zu lesen war, vor der Prager dadurch in ihrer Mei nungs freiheit ein- men lassen. Zu beurteilen hatte der „Altneuschul“ (älteste Synagogenbau geschränkt. Wei ter hin bedenklich Presserat ein Interview mit dem An- aus dem 13. Jahr hundert) und dem bleibt auch der Zu stand der jüdi- thro pologen Gregory Cochran über die Jüdischen Museum zur Erinnerung an schen Friedhöfe. Schon zu kommuni- Intelligenz ost- und mitteleuropäischer die 77.000 jüdischen Na zi-Opfer in der stischen Zeiten kam es oft zu Ver wüs - Juden. Cochran hatte gesagt, Ju den ehemaligen Tsche chos lowakei. Auch tungen, Grab steine wurden zerstört hätten einen höheren Intelli genz quo - der tschechische Prä sident Vaclav Klaus oder gestohlen und an Steinmetze tienten, aber kein besonders ausge- beteiligte sich an der Demonstration wiederverkauft. Präsi dent Masaryks prägtes räumliches Vorstellungs ver- ge gen die rund 400 Neo-Nazis und Ausspruch, dass Anti semitismus nicht mögen, außerdem litten sie an eigenen Skin heads. „Das ist ein Wendepunkt für Teil einer demokratischen Gesell schaft❚ Erbkrankheiten. Das Interview habe die tschechische Zivilgesellschaft“, er - sein kann, ist noch immer aktuell. Menschen jüdischen Glaubens nicht kollektiv herabgesetzt, statuierte der Presserat. Auch werde mit dem In ter - view nicht Vorurteilen oder sachlich nicht gerechtfertigten Verallgemei ne- rungen Vorschub geleistet. Das Dis- kri minierungsverbot sei nicht im Sinne einer „political correctness“ zu interpretieren, hielt der Presserat fest. Bei dem Anstoß erregenden In ter - view sei die Leserschaft in der Lage, die Person des Interviewten und des- sen Aussagen einzuordnen. Ein laten- tes Diskriminierungspotenzial sei al ler- dings „nicht zu übersehen“, räumte der Presserat ein. Die Ausgrenzung einer Gruppe könne sich unter Um- Nichtjüdische Prager ständen auch aus einer Dif fe ren zie- Bürger mit Juden sternen rung aufgrund „positiver“ Merkmale auf ihrer Kleidung ergeben. APA © Reuters

18 Juni 2008/Siwan 5768 POLITIK • AUSLAND

Antisemitismus weiter auf dem Vormarsch „Bild“: Hisbollah von Susan Cornwel soll auf die

Eine Studie des US-Außenamts brach- nische Präsident Mahmoud Ahma di - EU-Terrorliste te nun zu Tage, dass Antisemi tis mus ne jad, der den Holocaust infrage gesetzt werden und staatlich geförderte Vorur teile stellte, ebenso angeführt, wie Vene zu - gegen Juden und den Staat Israel in e las Prä sident Hugo Chavez, der Is ra el den vergangenen zehn Jahren global „öf fent lich dämonisierte“. Syriens Re - Eine parteiübergreifende Initiative zugenommen haben. gie rung wiederum „dämonisiert die Ju - im EU-Parlament will nach Infor ma - den routinemäßig durch öffentliche State - „Heute, mehr als 60 Jahre nach dem Ho - tionen der „Bild“-Zeitung (11.06) die ments und offizielle Propaganda“, wäh- locaust, ist der Antisemitismus nicht nur libanesische Hisbollah auf die Terror - rend in Weißrussland „staatliche Fir men ein geschichtliches Faktum, sondern ein ungehindert antisemitische Materialien liste der EU setzen. Ein entsprechen- aktuelles Ereignis“, so ein Zitat aus ei- produzieren und vertreiben“ können. der Antrag, der dem Blatt vorliege, nem an den US-Kongress gerichteten sei dem Parlament in Brüssel zur Bericht mit dem Titel „Gegenwärtiger Auch in Saudi Arabien und Ägypten Abstimmung vorgelegt worden. Die Globaler Antisemitismus“. haben staatlich finanzierte Medien Begründung für den Vorschlag: Die antisemitische Inhalte transportiert. In Mit dem Argument, die Ergebnisse Hisbollah sei eine direkte Bedrohung Polen war es wiederum der private, würden ein falsches Bild hinsichtlich der europäischen Sicherheit, sie habe konservativ-katholische Radio sen der der westlichen Länder abgeben, ob - klare Verbindungen zum Terrornetz- Radio Maryja, der sein Programm un - wohl in anderen Staaten und In sti tu- werk Al-Kaida (al-Qaeda) und werde verhohlen antisemitisch unterfütterte. tionen ähnlich Trends zu beobachten vom Iran unterstützt. Diese Feindseligkeit kann schnell zu seien, werden in dem Bericht aller- physischer Gewalt werden, wie am Einige Staaten, unter anderem die dings keine umfassenden Statistiken weltweiten Anstieg antisemitischer USA und Israel, betrachten die His bol- angeführt. Zwi schenfälle im Jahr 2006 während lah schon jetzt als Terrororga ni sa tion. Das Dokument ist dem Andenken an Israels zweitem Libanon-Krieg gegen Zu ihren Zielen gehört die Ver nich- den Republikaner Tom Lantos aus Ka - die Hisbollah zu erkennen war. tung Israels. lifornien gewidmet, dem einzigen Antisemitische Gewalt war beson ders Die radikale Schiitenorganisation Holocaust-Überlebenden im US-Kon - in Frankreich, Deutschland und Groß - Hisbollah (Hizbullah/“Partei Gottes“) gress. Der gebürtige Ungar war erst britannien anzutreffen, doch auch in wurde 1982 im Widerstand gegen kürzlich im Alter von 80 Jahren Argentinien, Australien, Kanada und eine israelische Invasion gegründet. einem Krebsleiden erlegen. Südafrika konnte man einen signifi- Finanziell und ideologisch wird sie Verschiedene US-Botschaften ver- kanten Anstieg an Übergriffen ver - vom Iran und von Syrien unterstützt. zeich neten innerhalb des letzten Jahr- zeich nen. Während die traditionellen In Libanon ist sie eine politische Par - zehnts einen Anstieg an Übergriffen antijüdischen Vorurteile, ein Jahr hun - tei, die seit 1992 auch im Parlament auf jüdische Personen, deren Eigen - derte altes Phänomen, auch weiterhin, vertreten ist. Sie verfügt zugleich tum, Institutionen und religiöse Ein- vor al lem in Europa, Russland und über paramilitärische Einheiten, die rich tungen. der Ukraine, existieren, verbreiten sich insbesondere im Süden des Landes Das Stephen Roth Institut an der Uni - laut dem US-Bericht inzwischen auch un abhängig von der libanesischen versität von listet 593 antise- neue Formen: „Das deutlichste Kenn zei - Staatsgewalt agieren. Zu einer direk- mitische Zwischenfälle im Jahr 2006 chen des neuen Antisemitismus ist die ten Konfrontation zwischen Israel auf, die höchste Zahl seit dem Jahr Kri tik am Zionismus oder der israelischen und der Hisbollah kam es im Liba - 2000. Davon waren insgesamt 277 phy- Politik, die – absichtlich oder nicht – eine non krieg 2006, nachdem die schiiti- sische Übergriffe auf Juden; 105 Syna - Verbreitung der Vorurteile gegen Ju den sche Miliz zwei israelische Soldaten gogen wurden beschädigt. Mehr als nach sich zieht, indem sie Israel und die entführt hatte. Seither versucht die die Hälfte aller Fälle fanden in West - Israelis dämonisiert und Israels vermeint- Hisbollah, auf der innenpolitischen eu ropa statt. liche Fehlleistungen auf seinen jüdischen Bühne des Libanon eine immer maß- Bei einem Übergriff im Februar 2006 Charakter zurückführt.“ geblichere Rolle zu spielen. Dies führ- verlor der junge französische Jude Im Mittleren Osten und moslemischen te zu einem wachsenden Konflikt mit Ilan Halimi sein Leben. Der 23-Jährige Gemeinden in Europa wäre dies längst der anti-syrischen Regierung in Bei rut. wurde nackt, mit Handschellen gefes- gang und gäbe und hätte sich durch Bei Kämpfen mit der Hisbollah wur- selt und von Brandwunden über säht manche Aktivitäten der Ver ein ten Na - den im vergangenen Mai in mehreren außerhalb von Paris aufgefunden und tio nen nun noch weiter verbreitet, so sunnitischen Wohngebieten und im starb bald darauf an seinen schweren der Bericht. Jedes Jahr hätten UN-Ver - Siedlungsgebiet der Drusen 82 Men - Verletzungen. tretungen die Aufgabe, oftmals „sen- schen getötet. Die Armee war auf Be - Auch eine Liste von Beispielen, die sationalisierte Be richte über mutmaßliche fehl ihres Kommandanten, des nun- aufzeigen, wie manche Regierungen Gräueltaten und andere Menschenrechts - mehrigen Präsidenten Michel Slei ma ne, und Staatschefs antisemitisch moti- verletzungen durch Israel“ aufzuklären. nicht eingeschritten. Ein Ende der vierten Hass in ihren Ländern und Solch unablässige Kritik, „beabsichtigt Kri se wurde unter Vermittlung der da rüber hinaus fördern, ist in der US- oder nicht, fördert den Antise mi tismus“. Ara bischen Liga am 21. Mai in Doha Studie enthalten. Darauf wird der ira - Übersetzung: Karin Fasching herbeigeführt. APA

Juni 2008/Siwan 5768 19 POLITIK • AUSLAND Bahrain: Jüdin als Botschafterin in die USA

Bahrain hat als erstes arabisches Land eine jüdische Bürgerin zur Bot schaf te - rin ernannt: Die 43-Jährige Men schen- rechtlerin Houda Ezra Nonoo wird das Insel kö nigreich am Persi schen Golf in den ,USA deren vertreten. zweiter Vorname Ezra denNonoo Hinweis auf ihre jüdische Reli gi - on gibt, versteht sich in erster Linie als Staatsbürgerin von Bahrain. „Ich bin ja nicht wegen meiner Religion gewählt worden“, betonte die Mutter zweier Söhne. Sie war bisher Präsidentin der Sektion Bahrain von „Human Rights Watch“ und seit 2006 Abgeordnete im „Shura-Rat“, der dem König beratend zur Seite steht. Vor ihrem Einstieg in die Politik war sie eine erfolgreiche Ge - schäftsfrau in der Finanz- und Com pu - ter branche. Noono entstammt aus ei ner

© EPA/ Mazen Mahdi © EPA/ Familie, die Anfang des 20. Jahr hun - derts aus dem Irak nach Bahrain kam. Israel sendet humanitäre Hilfe nach China Am Sonntag den 25. Mai startete ein ra tion und United Israel Appeal. Ver tretern der Israel Corporation von israelisches Flugzeug in die chinesi- Diese Hilfe kommt nun hinzu, nach- Außenministerin auf den sche Stadt Chengdu, um 90 Tonnen dem die israelische Botschaft in Be - Weg gebracht: „Israels Bereit schaft zu Medikamente, und medizinische Ge - jing am 22. Mai bereits Hilfsgelder an helfen, wo immer eine Katastrophe ge - rä te, Wasseraufbereitungsanlagen, Ge- das chinesische Rote Kreuz überwie- schieht, ist ein Ausdruck der humanitä- ne ratoren, Zelte, Schlafsäcke und Klei- sen hat und erste Hilfslieferungen ren Seite der Beziehungen Israels mit dung für die Erdbebenopfer zu über- verteilte. den restlichen Staaten in der Welt.“ bringen. Angesichts der Tragödie Am Ben Gurion Flughafen wurde die Sie fügte hinzu, dass die Lieferung wurden in Israel vom Außenminis te- Lieferung in Anwesenheit des chine- nicht nur Hilfsgüter, sondern auch ri um 1,5 Mio. US$ gesammelt, größ- si schen Botschafters in Israel sowie Avi die besten Wünsche des israelischen tenteils gespendet von Israel Corpo - Pozners (United Israel Appeal) und Volkes beinhalte. © Roni Schutzer / FLASH90.

20 Juni 2008/Siwan 5768 POLITIK • AUSLAND

er die einzige Synagoge am Per- Die kleine jüdische Gemeinde von Bahrain: Wsi schen Golf sehen will, sollte nach Bah rain kommen – in das winzi- Ein Leben zwischen den Kulturen ge Wüs ten-Kö nigreich gleich neben Sau di-Ara bi en. Doch wer hier koschere Res taurants, Yeshivas und Jid disch - Manama - Die einzige Synagoge am Per si schen Golf keit er wartet liegt falsch: Nur 36 von Bah rains etwa 700.000 Einwohnern sind Juden. Nicht viel für ein Kon glo - merat von sechs Golfstaaten (Bahrain, Kuwait, Oman, Qatar, Saudi-Arabien und die Verei nig ten Arabischen Emi- rate). Bahrain, der kleinste der 22 Staaten der Arabischen Liga, ist etwas kleiner als New York City und gründet seinen Reichtum auf immense Ölvorkommen. Manama, die Hauptstadt, erlebt man als moderne, vom Verkehr verstopfte Metropole voller Büro ge bäude, Ban - ken und Shoppingcenter. © Larry Luxner/JTA Bankiersfamilie, die brüchige Syna go - ge auf eigene Kosten renovieren. Von außen würde man das Gebäude kaum als Gotteshaus erkennen, sogar Khe - douri hatte Schwierigkeiten, das nicht ausgezeichnete Haus in der Sasa´ah Avenue in einem heruntergekomme- nen Geschäftsbezirk Manamas zu fin- den. Die Synagoge ist immer ge - Das Geschäftsviertel von Manama schlossen – ebenso wie der jüdische Friedhof am Stadtrand. Und dennoch: Die jüdische Bevölke- rung fühlt sich wohl in Bahrain, Dis - kriminierung scheint hier nicht an der Tagesordnung zu sein. Nur nach Israel könne man nicht reisen, berich- Während eine unbekannte Zahl Ju den nach Großbritannien. Dennoch waren tet Nancy Khedouri: „Wir waren nie in sehr wohl in den umliegenden Staa - noch in den 1960ern 200-300 Juden in Israel, haben auch keine Verwandten dort ten arbeitet, ist Bahrain der einzige, in Bahrain ansässig, bis 1967 nach dem und weil wir Pässe aus Bahrain haben dem es je eine jüdische Gemeinschaft Sechs-Tage-Krieg erneut antijüdische können wir nicht nach Israel einreisen.“ gab – und man ist stolz darauf. Un ruhen ausbrachen. Das war das Aber die meisten stört das nicht, man Nancy Khedouri, 31, zählt zu jenen 36 En de des jüdischen Gemeindelebens will sich schließlich an die Gesetze bahrainer Juden und schreibt ein Buch in Bahrain. über die Geschichte ihrer Ge mein de. der Heimat halten. Einst seien es 1.500 Gemeindemit glie - Nancy Khedouri bedauert, dass die Nicht einmal während Israels Krieg der gewesen, erzählt sie, fast alle aus verbleibenden Juden heute kaum noch ge gen die Hisbollah gab es für die Ju - dem Irak eingewandert, be gin nend zusammenkommen. Das letzte jüdi- den von Bahrain Probleme. mit der Familie Yagdar in den 1880ern. sche Begräbnis sei 2001 gewesen und man hätte es nur mit Mühe geschafft, „Wir sind eine kleine Gemeinde, jeder Die Familie erlangte Wohl stand durch einen Minjan zusammenzustellen: kennt uns.“, erklärt Elektronikhändler regen Handel mit Texti li en, andere als „Die Gemeinde stirbt aus, es gibt keinen Rou ben. „Auch wenn man mir alle Reich- Banker. Die Khedouris wiederum sind Rab biner, deshalb müssen alle religiösen tümer dieser Welt anbieten würde, ich Bahrains führender Im porteur von Zeremonien im Ausland abgehalten wer- wür de mein Land nie verlassen. Das hier Tisch- und Bett wäsche. den. Die meisten Juden hier sind außerdem ist meine Heimat.“ Doch dann wird er Im Jahr 1948 änderte sich die Si tu a - Singles – es gibt ja nicht allzu viel Aus - nachdenklich und lenkt ein: „Die Re - tion im Land. Mit der Gründung des wahl und Mischehen zwischen Juden und gie rung sagt nicht zu mir: ‚Du bist ein Staates Israel wurden Proteste laut, es Arabern sind eher selten.“ Ju de, du kannst dies und jenes nicht ma - gab Unruhen, die Synagoge wurde Vor kurzem ließ das inoffizielle Ober - chen.’ Wenn sie das doch eines Tages tun niedergebrannt und ein Großteil der haupt der Gemeinde, Abraham David sollte, dann packe ich meine Sachen und jüdischen Bevölkerung emigrierte Nonoo, Spross einer alteingesessenen gehe.“ Übers.:KF ❚

Juni 2008/Siwan 5768 21 POLITIK • AUSLAND OSZE präsentierte neues Unterrichts- Palästinensische material zum Thema Antisemitismus Menschenrechts- gruppe verurteilt Die Organisation für Sicherheit Die vom Zentrum für Antisemitis - und Zusammenarbeit in Europa hat mus forschung erstellte Lehrerhand- „Ehrenmord“ wiederholt auf die wichtige Rolle von rei chung möchte zu einem gezielten Bil dungsarbeit für die Bekämpfung und selbst gewählten Einsatz der Ma - Das Palästinensische Institut für Men- jeglicher Formen von Intoleranz, ein- terialien anregen schließ lich des Antisemitismus, ver- schenrechte (PCHR) hat den „Ehren- mord“ an einer palästinensischen wiesen. Um dem Anstieg des Antise - Mit dem Unterrichtsmaterial gewin- Frau verurteilt. Die Organisation for- mi tismus seit Beginn des 21. Jahr hun - nen Schüler einen Einblick in das derte nun die Palästinensische Au to- derts entgegenzutreten, werden pä da- The ma Antisemitismus als historisches no miebehörde und die Hamas-Regie- go gische Materialien und Stra te gien Phänomen und erfahren gleichzeitig, rung im Gazastreifen dazu auf, höhere benötigt. wie antisemitische Stereotype aus der Strafen bei einem so genannten Vergangenheit bis heute wirken. Die Das OSZE Büro für Demokratische „Ehrenmord“ einzuführen. Institutionen und Menschenrechte Materialien sind so gestaltet, dass Zudem riefen sie auf, „Ehrenmord“ (ODIHR ) und das Anne Frank House Schu len und Lehrer frei wählen kön- wie jeden anderen Mord zu bestrafen. in Ams terdam haben deshalb in Zu - nen, in welchen Fächern die Bau steine Auch sollten mögliche Täter durch sam men ar beit mit Experten aus sieben eingesetzt werden: sie sind für den Gesetze von ähnlichen Morden abge- Län dern Unterrichtsmaterialien erar- Ge schichtsunterricht geeignet, passen halten werden. Die Menschen rechts - beitet, die sich mit verschiedenen As - aber ebenso gut in den Religions- oder or ganisation betonte des Weiteren pekten des Antisemitismus beschäf ti - Deutschun terricht - oder sind auch ihre Sorge über die „Rückkehr der 'Eh - gen. Die deut sche Ausgabe dieser Ar - interdisziplinär zu verwenden. beitshefte wurde vom Zentrum für renmorde'“ in den palästinensischen An tise mi tis mus forschung in Berlin Das Material bietet Unterrichts bau - Ge bieten. Zudem schrecke „eine Stra fe und dem Fritz Bauer Institut in Frank - steine, die auf den spezifischen Kon - von drei Jahren oder weniger“ die Men - furt entwickelt. text der jeweiligen Staaten eingehen. schen vor solchen Taten nicht ab. So arbeiten Schüler in Deutschland mit Material, das nicht nur deutschspra- In Rafah wurde eine palästinensische Das Unterrichtsmaterial besteht aus chig ist, sondern sich auch speziell auf Frau von ihren Verwandten ermor- drei Teilen und einer Lehrerhand rei- in Deutschland verbreitete Erschei - det, um die „Familienehre aufrechtzuer- chung: nungs formen des Antisemitismus be- halten“. Der Vater der 32-Jährigen, Teil 1 thematisiert jüdische Geschichte zieht. Dies gilt ebenso für die Länder Mo hammed Hussein Al-Nadschar, und Antisemitismus in Europa Kroatien, Dänemark, Litauen, die Nie- wurde von der Polizei verhaftet, be - bis 1945 derlande, Polen und die Ukraine. Das richtet die palästinensische Nach rich- Teil 2 beschäftigt sich mit Antisemitis - ODIHR schließt nicht aus, dass spe- tenagentur Ma´an. Laut Angaben der mus in Europa nach 1945 zielle Unterlagen auch für Österreich Polizei hatte der Vater gestanden, dass Teil 3 behandelt Antisemitismus als entwickelt werden. Familienangehörige die Tochter we - ei ne von vielen Formen der Dis - Mehr Infos unter: http://zfa.kgw.tu-berlin.de/ gen ihres „unmoralisches Verhal tens“ kri minierung von Minderheiten projekte/unter richts materialien.htm erschlagen hätten. inn

Eisernes Kreuz für Judenmord

In der Diskussion um die Wiedereinführung des Eisernen Kreuzes als Ver dienstorden für die Bundeswehr meldet sich der Historiker Dieter Pohl vom Münchner Institut für Zeitgeschichte zu Wort. Er berichtet von neu aus ge werteten Akten, die belegen, dass dieser Orden auch an Verant wort liche für Holocaust-Massaker verliehen wurden. Die begehrte Auszeichnung erhielten demnach unter anderem die SS-Offiziere Rudolf Lange (verantwortlich für den Mord an 60.000 Juden) und Friedrich Jeckeln, der zahllose Mordaktionen in der Ukraine und im Balti kum organisierte, darunter das berüchtigte Massaker von Babij Jar bei Kiew. Auch Jürgen Stroop, der Vernichter des Warschauer Ghettos, wurde für seine Tat mit dem Tapferkeitsorden geehrt. Vom Mythos des Eisernen Kreu zes, schreibt Dieter Pohl, sei in Vernichtungskrieg und Holocaust wenig übrig geblieben. Das Eiserne Kreuz habe in den fünfziger Jahren nur deswegen wieder salonfähig werden können, weil diese Verbrechen nach 1945 verdrängt und vertuscht wurden. DIE ZEIT

22 Juni 2008/Siwan 5768 POLITIK • AUSLAND

Polnische Staatsanwälte Internationaler wollen Mitglieder von Friedens-Index: SS-Brigade verfolgen Israel auf Amtshilfegesuch an deutsche fünftletztem Platz Staatsanwaltschaft geplant - Zusammenarbeit mit Wiesenthal-Zentrum Israel gilt bei Friedensinstituten Das polnische Institut für das natio- wei ter hin als eines der unruhigsten nale Gedächtnis (IPN) will die noch le - benden Mitglieder der SS-Brigade von Län der der Welt. Im zum zweiten Os kar Dirlewanger verfolgen. Die Mal ermittelten Weltfriedens-Index Staats anwälte des IPN würden bei den (GPI) belegt es unter 140 Ländern den Amtskollegen in Deutschland um fünftletzten Platz. Als das friedlichste Rechtshilfe ersuchen, sagte Dariusz Land gilt Island. Ga brel, Leiter der IPN-Kommission für Verbrechen gegen die polnische Der Friedens-Index 2008 wurde am Os kar Dirlewanger Na tion, gegenüber der polnischen Anfang Juni in London vorgestellt. Er Zeitung ‘Rzeczpospolita’. soll herausstreichen, dass Frieden Karrieren als Universitäts pro fes soren nicht nur die Abwesenheit von Krie- Vor wenigen Tagen hatte das Ös - oder Lokalpolitiker gemacht, so der gen, sondern von Gewalt überhaupt ter reichische Rote Kreuz dem Mu se- Leiter des Museums, Jan Olda kows ki. ist. Und er möchte darauf aufmerk- um für den Warschauer Aufstand An den Informationen, die das sam machen, dass nur eine Koopera - Karteikarten mit mehr als 70 Namen Österreichische Rote Kreuz dem ti on friedlicher Gesellschaften eine und Adressen von Mitgliedern der Museum übergab, sind offenbar auch Lösung der globalen Probleme be wir - SS-Brigade Dirlewanger übergeben. nationalistische Kreise in Deutsch - ken kann. Die Veröffentlichung vor Das Museum leitete diese an das IPN land interessiert. Ein Mann, der sich dem G8-Gipfel soll auf die Be deu tung weiter. Die Dirlewanger-Brigade wur - als Journalist der Zeitung ‘Deutsche der Friedenspolitik hinweisen. Der de bei der Niederschlagung des War - Stimme’ ausgegeben habe, habe die Index wurde von der Forschungs ab- schauer Aufstandes 1944 eingesetzt. Karteikarten-Sammlung unbedingt tei lung des britischen Magazins ‘Ec - Sie ging dabei besonders grausam vor. ein sehen wollen, so eine Mitarbeite- onomist’, internationalen Frie densex - Vor allem im Stadtteil Wola erschoss rin des Museums. APA perten, Friedensin sti tu ten und dem sie nach Augenzeu gen be richten tau- Zentrum für Friedens- und Konflikt- sende Frauen und Kinder. Krawattenverbot im Iran for schung der Universität Sydney Das IPN wolle nun erreichen, dass entwickelt. deutsche Staatsanwälte die noch le - Im Iran soll der Import von Kra wat ten ver- Von den Nachbarstaaten Israels boten werden. Wie ein hochrangiger Ver - benden Mitglieder der Division ver- schneidet Jordanien mit Rang 65 am hörten. „Das sind schon sehr alte Men - treter der iranischen Zollbehörden mitge- teilt hat, widersprechen sie dem „Wesen besten ab. Ihm folgen Ägypten (69), schen, deshalb müssen wir uns beeilen“, der iranischen Kultur“; damit müsse es Syrien (75) und der Libanon (132). Die so Gabrel vom IPN. Seine aktive Hilfe nun ein Ende haben. Palästinensische Autonomie ist nicht bei der Verfolgung der mutmaßlichen Der stellvertretende Generaldirek tor der in der Aufstellung enthalten. Hinter Verbrecher bot inzwischen das Si mon- Zoll behörden, Asgar Ha mi di, wurde von dem Libanon finden sich Nordkorea Wiesenthal-Zentrum an. Er sei in stän- der Nachrichten agen tur Fars dahingehend (133), die Zentralafrikanische Repu blik, zitiert, dass schar fe Aktionen ergriffen digem Kontakt mit dem IPN, so der der Tschad und Israel (136). Schlechter Lei ter des Wiesenthal-Zentrums, Efra- wer den müssten, um die Einfuhr von Kra - als der jüdische Staat wurden nur im Zuroff, zur ‘Rzeczpospolita’. Es müs - watten zu stoppen. Afghanistan, der Sudan, Somalia und se nun ein gemeinsamer Ak ti ons plan Krawatten sind im Iran während der Zeit des Shahs in Mode ge kommen. Im Zuge das Schlusslicht Irak bewertet. Am erarbeitet werden. Ziel des IPN und der islamischen Revolution von 1979 wur - Status Israels hat sich seit dem ver- des Wiesenthal-Zentrums ist nicht nur den sie von den Behörden als Zeichen der gangenen Jahr, als der Index erstmals die strafrechtliche Ver folgung der Mit - Wes ternisierung verboten. Seit dem werden veröffentlicht wurde, nichts verändert. glieder der Dirle wan ger-Division. Es sie von Regierungs vertretern und Amts - gehe auch darum, dass sie ihre mög li - trä gern vermieden. Island wurde neu in die Wertung chen Sonderrenten als Kriegs ver sehr te Freiwillige der iranischen Revolutions wäch- auf genommen und schaffte gleich den verlieren, so Zuroff. ter durchkämmen die Straßen mit Sche ren Sprung an die Spitze. Ihm folgen die in den Händen, um notfalls Kra watten ab- neun Länder Dänemark, Norwegen, Nach Informationen des Museums zuschneiden, wenn sie einem begegnen. Neu seeland, Japan, Irland, Portugal, Finn- des Warschauer Aufstandes sind noch Die iranische Polizei hat unterdes be kannt elf Personen derjenigen Mitglieder der gegeben, dass sie die „Sittsamkeits kon- land, Luxemburg und Österreich. Kana da Dirlewanger-Division am Leben, von trollen“ in der Öffentlichkeit verdoppeln ist an 11. Stelle vor der Schweiz, denen es Karteikarten gibt. Die Sol da - will. Yedioth Ahronot, 22.05.08 Schweden, Deutschland und Belgien ten hätten nach dem Krieg zum Teil (15). Die USA belegen den 97. Rang, Russland den 131. Platz. inn

Juni 2008/Siwan 5768 23 POLITIK • ISRAEL

usnahmsweise hielten die israe- Alischen Minister dicht. Was das Einmarsch in den sogenannte „Sicherheitskabinett“ be - sprochen hat, gelangte nicht an die Öf - Gazastreifen? fentlichkeit, sondern nur das The ma: die seit zwei Jahren angedrohte aber niemals vollzogene Großoffensive in von Ulrich W. Sahm den Gazastreifen. Spätestens mit der Entführung des Soldaten Gilad Schalit durch die Ha- mas vor zwei Jahren reagiert Israel mit Säbelrasseln. Denn entführte Solda - ten gelten in Israel mehr als tote Sol - da ten. Der Staat sieht sich gemäß jüdi- scher Tradition in der höchsten Pflicht, das Leben eines jeden Juden zu retten, fast für jeden Preis. Das israelische Mi- litär darf den Soldaten nicht das Ge- fühl vermitteln, Kanonenfutter zu sein. „Er oberung“ von Gaza, nachdem Pre- in Israel, oder gar ein Volltreffer auf Um Kritik aus der Bevölkerung zu mierminister Ariel Scharon doch Is ra el einen Kindergarten rückt den israeli- be gegnen und zu demonstrieren, dass erfolgreich vom „Joch“ der Herr schaft schen Einmarsch näher. Der Rake ten- die Regierung „alles“ für die Be frei - über 1,5 Millionen feindselige Paläs ti - beschuss festigt die Macht der Ha mas, ung von Gilad Schalit tue, bombar- nenser befreit habe. „Es ist leicht, ein- aber durch eine Invasion könnte die dierten Kampfflugzeuge kurz nach der zumarschieren, aber es muss auch der Weg Hamas auch wieder alles verlieren. Entführung das Kraftwerk in Gaza, raus bedacht werden, um nicht im Sumpf Gemischte Gefühle in der palästinen- das etwa 20 Prozent des Stroms im von Gaza zu versinken“, warnen Geg - sischen Bevölkerung verursacht auch übervölkerten Landstreifen liefert. ner einer Invasion mit vielen Toten auf der regelmäßige Beschuss der Grenz - Doch die Zerstörung der Generatoren beiden Seiten und ohne Erfolgs-ga - über gänge. Die Hamas forciert so de - war ein Schuss ins eigene Knie. Die rantie. Außenministerin Zipi Livni ren Schließung und beklagt sich an de- Welt empörte sich, bezichtigte Israel empfiehlt, der „Tahdija“, einer befris- rerseits darüber, dass weder Lebens- der „Kollektivbestrafung“ der un schul- teten „Beruhigung“, eine Chance zu mittel noch Benzin oder Kochgas digen Zivilbevölkerung und schließlich geben, zumal Ägypten bislang erfolg- nach Gaza gelangen. musste Israel für die Reparatur kos ten los einen Waffenstillstand vermittle. aufzukommen. Innenminister Schimon Schitrit sieht eher einen üblen Trick der Hamas: Das Säbelrasseln gegen den vor ge- „Ha mas braucht Ruhe, um sich ungestört nau einem Jahr von der radikal-isla- aufzurüsten und dann um so härter zu - mischen Hamas durch einen Putsch zu schlagen.“ übernommenen Gazastreifen ging © www.hbanim.com weiter. Israel massierte Panzer rund um Gaza, sperrte den Streifen herme- Gilad Shalit tisch ab, verkündete einen Boykott und drohte mit einer Drosselung der Kochgas, Benzin, Strom und Wasser- Über den amerikanischen Ex-Prä si- lie ferungen als Gegenmaßnahme für denten Jimmy Carter schickte die Ha - jeden Raketenangriff auf israelische Kassam- mas ein Lebenszeichen des entführ- Ortschaften, Kibbuzim und sogar auf Einschlag ten Soldaten Schalit, einen Brief an die Grenzübergänge, durch die hun- sei ne Familie. Diese Geste hat in ner - derte Lastwagen humanitäre Hilfs gü - halb der Hamas Unmut ausgelöst. Auf ter nach Gaza transportieren. Internet-Foren der Hamas lassen An - hän ger der Organisation ihre Wut aus, Nachdem Israel mehrere Tote durch Israel ohne jede Gegenleistung etwas die Raketen der Hamas zu beklagen Jede Entscheidung der Regierung, gegeben zu haben. Während der Brief hat te, wächst der Druck auf die Re gie - Nichtstun oder Einmarsch, gilt als ver- in Israel riesige Schlagzeilen machte, rung, mit diesem „unerträglichen“ Zu- fehlt. Die bisherige Methode, be waff - wurde er in den Hamas-eigenen Me di - stand Schluss zu machen. Die Mi nis ter nete Hamas-Kämpfer oder Schüt zen en heruntergespielt und nur versteckt stehen vor einem unlösbaren Dilem- von Kassam-Raketen aus der Luft zu gemeldet. In Israel hingegen wird über ma. Ein Einmarsch könnte das Leben den Zeitpunkt der Übergabe des Brie - jagen und täglich mehrere zu töten, der Hamas-Geisel Schalit gefährden, fes gerätselt. Will die Ha mas so „Frie - hat nicht viel gebracht. was keine israelische Regierung in nen- dens willen“ signalisieren oder Druck politisch rechtfertigen könnte. Linke Verwirrung herrscht auch bei der auf Israel ausüben, jetzt nicht einzu- Is raelis warnen vor einer erneuten Ha mas-Führung. Jeder weitere Tote marschieren?

24 Juni 2008/Siwan 5768 POLITIK • ISRAEL

Nach sechs Jahren: tet. Weiter hieß es in der Mitteilung Hamas bekennt sich der Terrorgruppe: „Unsere Untergrup - pen im Westjordanland befinden sich in zu Anschlägen einem einwandfreien Zustand. Sie sind bereit, den Feind an dem Ort und zu dem Die Hamas hat die Verantwortung für mehrere Zeitpunkt zu treffen, zu dem es ihnen In den ersten beiden Maiwochen Terroranschläge übernommen, die vor sechs Jah- wurden etwa 72 Raketen und 80 ren gegen Israelis verübt wurden. Gleich zeitig richtig erscheint - als Reaktion auf die teilte sie mit, dass ihre Kämpfer im Westjor dan - Verbrechen des Feindes.“ inn Mör sergranaten aus dem Gaza- land jederzeit zu weiteren At ten taten bereit sei en. Strei fen abgefeuert. Seit der Macht - Israelisch- übernahme der Hamas in Gaza sind bis Mitte Mai 1.396 Raketen Laut der Tageszeitung ‘Jediot Aha - und 1.553 Mörser granaten auf is - ro not’ bekannte sich die Hamas zu ei - palästinensischer nem Selbstmordanschlag auf einen Ausschuss gegen raelischem Territorium gelandet. Spiel club in Rischon LeZion vom 8. Außenministerium des Staates Israel, 18.05.08 Mai 2002. Dieser hatte 15 Todesopfer Hetze in Lehrbüchern ge fordert, zahlreiche Menschen wur- den zudem verwundet. Nach Anga- und Medien sollen. Denkbar wäre es jedoch auch, ben der Hamas war der Attentäter ein dass ein Expertenteam gemeinsam jordanischer Staatsbürger namens die Merkmale für die Untersuchung des Lehrmaterials definiert. An - Muhammad Nabil Muammar. Bei den aktuellen israelisch-palästinensischen schließend würde ein gemischtes Team Verhandlungen geht es auch um Hetze in Schul- Auch für den Anschlag in der Al len - die Bücher parallel überprüfen. büchern und Medien. Ein Ausschuss sucht by-Straße vom 19. September 2002 nach Wegen, um derartigen Inhalten ein Ende Taub und Abu Saida teilten zudem übernahm die Hamas nun die Verant - zu setzen. mit, sie hätten begonnen, über mögli- wor tung. Dabei waren fünf Men schen che Beweggründe für Hetze in den getötet worden. Der Attentäter stam- Die Hauptverhandlungen drehen Medien zu sprechen. Der Schwer punkt me aus einer Ortschaft nahe der israe- soll dabei auf den elektronischen Me- sich um Kernfragen wie den Status lischen Siedlung Ariel in Sama ria. dien liegen. Das Komitee möchte sich Je rusalems, die palästinensischen vor allem mit Inhalten beschäftigen, Bekenntnis zu Anschlag auf Flüchtlinge, die Grenzen und Sicher- die zur Gewalt aufrufen, dem Recht größtes Treibstofflager Israels heits vereinbarungen. Die daran be tei - der anderen Seite auf Selbstbestim - ligten Delegationen werden von Is ra - mung Schaden zufügen oder dazu er - Des Weiteren gab die Hamas be - els Außenministerin Zipi Livni und mutigen, das Existenzrecht der ande- kannt, sie habe das versuchte Atten tat dem früheren palästinensischen Pre - ren nicht anzuerkennen. auf das größte Treibstofflager Israels, mier Ahmed Korea angeführt. Zu dem Frühere Gespräche brachten Pi Glilot bei Tel Aviv, geplant. Ter ro - befassen sich mehrere Ko mi tees mit kein Ergebnis risten hatten am 23. Mai 2002 eine weniger zentralen Themen, schreibt Bombe an einem Tanklastwagen ange- die Tageszeitung ‘Ha´aretz’. bracht, der auf das Gelände fahren Bereits nach dem Wye-Abkommen wollte. Sie explodierte, das Fahrzeug Ausschuss für „Kultur des Friedens“ von 1998 hatten Israelis und Paläs ti- brannte völlig nieder. Das Lösch sys - nen ser gemeinsam darüber nachge- tem setzte automatisch ein, so dass Ein Ausschuss ist für „die Kultur des dacht, wie Hetze verhindert werden die Flammen nicht auf die großen Friedens“ zuständig. Die Leitung ha- kann. Die Arbeitsgruppe traf sich pe - Kraftstofflager übergreifen konnten. ben der stellvertretende Rechtsberater ri odisch bis 2003. Laut ‘Ha´aretz’ Dort wurden zu dem Zeitpunkt mehr des israelischen Außenministeriums, brachten die Gespräche jedoch keine als 3.000 Tonnen Treibstoff gelagert. Daniel Taub, und der frühere Fatah- Ergebnisse. Die ersten Leiter waren der Niemand wurde verletzt. Mi nister Sufian Abu Saida. Die Mit glie - mittlerweile verstorbene israelische der haben sich bereits viele Male ge - Journalist Uri Dan und Marwan Ka na fi, Im Juni desselben Jahres explodierte troffen. Sie haben mehrere Vorschläge ein Sprecher von Palästinenserführer zudem bei Lod ein Sprengsatz, der an für mögliche Wege vorbereitet, im Jasser Arafat. Zuletzt wurde das Team einer Bahnlinie deponiert war. Vier Is - Rah men eines endgültigen israelisch- von Reservegeneralmajor Ja´akov raelis erlitten Verletzungen, als sie in palästinensischen Abkommens mit Amid ror und dem palästinensischen einem Nahverkehrszug unterwegs der Hetze umzugehen. Minister Nabil Amar angeführt. waren. Auch hierzu bekannte sich die Infolge der so genannten „Al-Aksa- Hamas ebenso wie zu mehreren In den vergangenen Wochen stellten In tifada“ wurde der Ausschuss zu ei - Schuss angriffen auf Israelis im West- Taub und Abu Saida ihre bisherige ner Bühne für gegenseitige An schul - jor danland. Arbeit den Delegationsleitern Livni und Qrea vor. Sie seien sich einig, dass di gungen zwischen den beiden Sei ten. Verzögerung der Veröffentlichung „aus etwas gegen die Aufhetzung in Lehr - Israel warf den palästinensischen Me - Sicherheitsgründen“ bü chern unternommen werden müs se. dien vor, Menschen zur Gewalt zu er - Nach eigenen Angaben hatte die Ein Vorschlag, der diskutiert wird, mutigen. Die Palästinenser behaupte- Hamas „aus Sicherheitsgründen“ so sieht vor, dass Experten von beiden ten hingegen, Vertreter der israelischen lange mit der Veröffentlichung ge war- Seiten unabhängig die Schulbücher Öffentlichkeit riefen dazu auf, un schul - der jeweils anderen Seite untersuchen dige Palästinenser zu schädigen. inn

Juni 2008/Siwan 5768 25 POLITIK • ISRAEL

Die israelisch-syrischen Beziehungen Syrien und Israel hatten nach acht Jahren, in denen offi ziell Funkstille zwischen ihnen herrschte, Mitte Mai in Istanbul erstmals wieder indirek- te Verhandlungen über einen türkischen Ver mittler geführt. Syriens Bedingung für einen Friedensschluss mit dem jüdischen Staat ist die voll ständige Rückgabe der 1967 besetzten Golanhöhen. Die Ver handlungen haben für Irritationen bei Israels Erzfeind Iran ge sorgt. Präsident Bashar al-Assad betonte jedoch, er werde die Be zie hun gen zu Teheran nicht für den Frieden mit Israel opfern.

November 1947 –Syrien opponiert gegen den Teilungsplan der März 1996 – Israels Premier Shimon Peres setzt die israelisch-syri- UN-General versamm lung, der einen jüdischen und ei- schen Verhandlungen aus, als Assad es unterlässt, eine nen palästinensischen Staat Seite an Seite vor sieht. Serie von durch die Hamas verübte Terror an schlä ge in Jerusalem und Tel Aviv zu verurteilen. Mai 1948 – Die syrische Armee marschiert gemeinsam mit anderen arabischen Militärs im neu errichteten Staat Israel ein. Mai bis Juni 1999 – Ehud Barak, ebenfalls an den syrisch-israeli- schen Gesprächen beteiligt, wird zum israelischen Pre - Juli 1949 – Israel und Syrien unterzeichnen ein Waffen still - mierminister gewählt. Syriens Assad würdigt ihn als standsabkommen, doch es kommt dennoch immer „starken und ehrlichen“ Mann, der Frieden mit Syrien wieder zu Feindseligkeiten. will. 1951-1956– Syrien und andere arabische Staaten unterstützen Juli 1999 – Der ehemalige israelischen Premier Benjamin Ne tan ja - palästinensische Terro ris ten gruppen (Fedayin), die hu gibt zu, während seiner dreijährigen Amts zeit indi- wiederholt israelische Ziele angreifen, mit Finanz sprit- rekten Kontakt mit Assad gehabt zu haben. Aller dings zen und bieten ihnen Unterschlupf. sei keine Einigung erzielt worden, da Israel den von Sy- Juni 1967 – Israel besetzt während des Sechs-Tage-Krieges die rien geforderten voll ständigen Golan-Abzug verweigert syrischen Golan-Höhen. hätte. Oktober 1970 – Hafez Assad erlangt durch einen Putsch die Macht 8. Dezember 1999 – Nach getrennten Treffen zwischen US-Außen- in Syrien. ministerin Madeleine Albright mit Assad und Barak, gibt US-Präsident Bill Clinton die Wiederauf nah me der Oktober 1973 – Syrien scheitert bei dem Versuch, im Zuge des Yom Friedensgespräche zwischen Israel und Syrien bekannt. Kippur-Krieges die Go lan-Höhen zurückzuerobern. Dezember 1999 – Barak und der syrische Außenminister Farouk al- Mai 1974 – Nach Monaten der Kämpfe zwischen Syrien und Israel Sharaa treffen sich zu den hochrangigsten Gesprächen, einigen sich beide Sei ten, unter Vermittlung von US- die die beiden Staaten jemals abgehalten haben. Außenminister Henry Kissinger, auf einen Waffen still- stand. Eine UN-Beobachtungseinheit bezieht Stellung Jänner 2000 – Die durch die USA initiierten Friedensgespräche zwi- in einer Puffer-Zone am Golan. schen Israel und Syrien in West Virginia scheitern auch diesmal am Thema Golan sowie an den Wasser rech ten Dezember 1981 – Trotz fehlender internationaler Anerkennung am Kinneret. annektiert Israel den Golan unilateral. 10. Juni 2000 – Tod von Assad. Sein Sohn Bashar wird zu seinem Oktober 1991 – Bei der von den USA initiierten Nahost-Frie dens - Nachfolger erklärt. konferenz in Madrid schei tern Syrien und Israel an einer Einigung. Februar 2007 – Olmert und der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan legen bei einem Treffen in der Türkei Juli 1992 – Israels Premier Yitzhak Rabin verspricht, Friedens ge- den Grundstein für mit Hilfe der Türkei geführte Ge- spräche mit den benachbar ten arabischen Staaten ein- spräche zwischen Syrien und Israel. zuleiten. 6. September 2007 – Israelische Kampfflugzeuge bombardieren 1993-94 – Die israelisch-syrischen Friedensgespräche kommen ein als atomare Ein rich tung unter Verdacht stehendes beim Thema Golan ins Stocken. US-Außenminister Areal in Syrien. War ren Christopher versucht zu vermitteln. 21. Mai 2008 – Israel und Syrien erklären, indirekte Friedens ge - Juni 1995 – Abgesandte des israelischen und syrischen Militärs spräche unter türkischer Ver mittlung abhalten zu wol- treffen sich in Washington. len. Quelle: JTA; Übersetzung: Karin Fasching Dezember 1995 bis Februar 1996 – Israelische und syrische Dele- ga tion halten eine Reihe von Gesprächen in Wye, Maryland (USA) ab.

26 Juni 2008/Siwan 5768 POLITIK • ISRAEL

Israelis weniger an einem Jahr waren es noch 61%. Das Politik interessiert Vertrauen zum israelischen Präsiden - ten hat seit 2007 von 22 auf 47% zuge- nommen. Bei der Polizei sank die Das Interesse an Politik hat in der israe- Quo te hingegen von 41 auf 33%. Ver - lischen Öffentlichkeit stark nachgelassen. trauen zum Premierminister bekun- Das geht aus dem diesjährigen Demo kra - deten 17% der Teilnehmer. tie-Index hervor, den das Israelische Die Zufriedenheit mit der israeli- Demokratie-Institut an Staatspräsident schen Demokratie stieg in einem Jahr Schimon Peres übergab. von 34 auf 43%. Des Weiteren sind Von den Befragten gaben 60% an, sie 80% der Befragten sehr stolz darauf, interessierten sich für Politik. 43% Israelis zu sein. 83% haben vor, lang- sagten, sie diskutierten mit Freunden fristig im Land zu leben. und Verwandten über das Thema. Im Nach Angaben des IDI zeigt der In - Jahr 2006 waren es noch 73%, berich- dex ein „wachsendes Misstrauen gegen- tet die ‘Jerusalem Post’. über Regierungseinrichtungen und starke Zudem meinten 90% der Teilneh mer, antipolitische Gefühle, verbunden mit Israel sei von Korruption befleckt. Nur einer Aufforderung an den Staat, seine 9 % nahmen wenig Korruption wahr, Funk tionsfähigkeit und seine Stellung als

und 1% hielt das Land für absolut frei Hauptakteur in de politisch-sozial-wirt- © Ohayon/GPO/Flash Avi 90 davon. schaftlichen Arena zu verbessern“. Trauer um Armee genießt am meisten Vertrauen Präsident Peres sagte: „Gewählte Ver- treter müssen erkennen, dass sie mehr der Tommy Lapid Die Armee ist die Einrichtung, der Öffentlichkeit dienen als sich selbst.“ Er die Israelis am meisten vertrauen. rief die jüngere Generation auf, in die Der israelische Journalist und ehe- Von den Befragten tun dies 71%. Das Politik zu gehen und die politische malige Justizminister Josef „Tommy“ Oberste Gericht erhielt hier 49%, vor Sphäre von innen zu reinigen. Lapid ist im Alter von 77 Jahren seinem Krebsleiden erlegen. Der Holo caust- Das „Tami-Stein metz- UMFRAGE: die Frage der israeli - Überlebende gehörte zu den pro mi - Cen ter for Pea ce Re - schen Gefange nen im nen testen Journalisten des Lan des und search“ veröffentlichte 61% der Israelis Libanon. war für seine scharfe Zunge und sei- im Rahmen sei nes denken Olmert Benjamin Netan ja hu nen trockenen Humor be kannt. monatlichen Kriegs- sollte abdanken wur de mit 27% als der und Frie dens index- beste Kandi dat für Lapid wurde 1930 in Jugoslawien Projekts, dass 61% sowohl die pa läs ti - als Kind ungarischer Juden als To - aller Isra elis der Mei - nen sischen als auch mislav Lampel geboren. Als Kind über- nung sind, dass Pre- die syrischen Frie - lebte er in Budapest nur daher den mier mi nister Ehud dens ge spräche gese- Holocaust, da seine Mutter sich und Ol mert, der angeblich hen, da nach folg te ihn vor der Massenerschießung in Geld des amerikani- Außen mi nis terin Zip pi einer Toilette versteckt hatte. Sein Va- schen Geldge bers Mor - Livni mit 17% und ter wurde kurz vor Kriegsende von ris Talansky er halten dann Vertei digungs - den Nazis ermordet. 1948 wanderte haben soll, zu rück tre- mi nis ter Ehud Barak der 18jährige mit seiner Mutter nach ten sollte, selbst bevor mit 8%. 67% der Be - Israel ein. Staats an walt Mena- frag ten waren ge gen Als Journalist machte er sich vor al - chem Mazuz die Ent - die Rückgabe der Go - lem als Kritiker religiösen Zwangs in schei dung trifft, ob lan höhen. Israel einen Namen. 1999 ging er als eine An klage gewähr- Die Durch führung ei- Vorsitzender der säkularistischen Par- leistet wird oder © Olivier Fitoussi /FLASH90 nes Gefange nen aus - tei Shinui in die Politik. Bei den Wah - nicht. 40% der Bevölke rung wa ren tausches hänge davon ab, ob die ent- len 2003 eroberte seine Partei 15 Sitze der Mei nung, dass man alternativ führten Soldaten Regev und Gold - in der , er selbst wurde unter vor gezogene Wah len ansetzen sollte. was ser noch am Leben seien oder nicht. zum Justizminister er - Ei ne solche Umfrage findet mo natlich 46% waren gegen einen Austausch, nannt. Bereits 2004 verließ er aus Pro - statt und 600 israelische Ein woh ner sollten die beiden nicht mehr am Le- test gegen eine Zuwendung von 100 repräsentieren die verschiede nen Sek- ben sein. 80% sprachen sich aber für Mio. Shekel an den ultraorthodoxen toren in der israelischen Ge sellschaft. diesen Austausch aus, wenn man be - Sektor die Koalition und wurde Op - Die Juni-Umfrage beinhaltete den wei sen könnte, dass beide oder zu - positionsführer. 2006 schaffte seine Sta tus Olmerts und seiner Regierung, min dest einer der entführten Solda- Par tei den Einzug in die Knesset nicht die Verhandlungen mit Syrien und ten noch am Leben sei. wieder.

Juni 2008/Siwan 5768 27 WIRTSCHAFT • ISRAEL

„Vielleicht der Anfang DER SHEKEL – die stärkste Währung der Welt?

des Durchbruchs“ Der Neue Israelische Shekel (NIS) kann seit Beginn des Jahres bedeuten- de Zuwachsraten gegenüber beinahe Uriel Lynn, der Präsident der allen großen Weltwährungen verbu- Noch gibt es in Europa eine gute Kon junk- Israelischen Handelskammer, besuchte chen. Gegenüber dem US-Dollar hat tur, aber sie beginnt sich einzutrüben im Juni mit einer Delegation Österreich. . er um 15% zugelegt, etwas mehr noch Für die „Gemeinde“ sprach er mit Man sieht Probleme im Gefolge der Fi- gegenüber dem britischen Pfund und Reinhard Engel nanz krise, auch die Inflation kriecht wieder dem kanadischen Dollar, und ganze hervor. Wie geht es der israelischen Wirt- 24% gegenüber dem südafrikani- schaft vor diesem internationalen Hin ter - schen Rand. Die Gemeinde: Herr Präsident Lynn, der grund? Außenhandel zwischen Israel und Öster- Überraschend gut. Wir haben vier Selbst der solide Euro hat es schwer reich stagniert seit Jahren auf niedrigem Jahre ununterbrochenen Wachstums gegen den Shekel und ist Anfang April Niveau. Immer wieder hat es Versuche hinter uns, mit Wachstumsraten von von 5.74 NIS um 12% auf 5.00 NIS ge geben, ihn zu erhöhen. fünf Prozent. Und die Zahlen des ers - gefallen – die niedrigste Rate seit fünf Lynn: Heuer gibt es allerdings gute ten Quartals 2008, in dem eigentlich Jahren. Seit Anfang des Jahres hat der Nach richten, eine äußerst posititve schon Folgen der Subprime-Krise zu Shekel gegenüber dem Euro um 9% Entwicklung. Im Vorjahr, 2007, gab es sehen sein sollten, waren ausgespro- zugelegt. Quelle: Haaretz, 02.Juni deutliche Steigerungen, sowohl was chen positiv: mit einem Wachstum die Exporte Israels nach Österreich, des Bruttoinlandsprodukts von sechs Prozent und einer starken Export stei- als auch jene Österreichs nach Israel ge rung. Und im Inland, in der israelischen Wirt - betrifft. Die ersteren wuchsen um 26 schaft, wo sehen Sie da Schwachstellen? Pro zent, die zweiten sogar um 37 Pro - Wir haben große Erfolge, was For - zent. Vielleicht ist das der Anfang des Und wo liegen die Probleme? schung und Entwicklung, High-Tech- Durchbruchs. Was den Außenhandel angeht, hat die Produkte und auch Risikokapital starke israelische Wirtschaft zu ei nem angeht. Da liegt Israel beim World Das ist erfreulich, aber die Ausgangs ba sis starken Schekel geführt. Das macht Competitiveness Report des IMD in war doch recht niedrig? den Exporteuren Probleme. Zur Er - Lausanne durchwegs auf Spitzen- klä rung: Die Relation Schekel/Dol lar Ja, wir sind damit noch nicht zufrie- plät zen. Aber wir haben auch ein ge - lag bei 4,5 zu eins, jetzt liegt sie etwa den. Es gäbe noch viele Möglich kei - waltiges Strukturproblem. Ein zu ge - bei 3,2 zu eins. Das haben nicht einmal ten, besonders bei zwei Ländern, die ringer Teil der gesamten Bevölkerung unsere Spitzen-Banker vorausgesehen. wirtschaftlich doch über beträchtliche ist im Arbeitsmarkt eingebunden. Ähnlichkeit verfügen: kleine, gut ent- BOOM UND LAUFENDE PROJEKTE wickelte Ökonomien, die beide sehr exportorientiert sind. Wir werden uns bemühen, unsere Mitglieder in Israel Die gute Entwicklung des österreichisch-israelischen Außenhandels rech- auf geschäftliche Möglichkeiten in net die Wirtschaftskammer in Wien in Euro so: Die Exporte Österreichs Österreich aufmerksam zu machen. sind im Jahr 2007 um 37,4 Prozent auf 207,8 Mio. gestiegen, die Importe Österreichs um 26 Prozent auf 122,7 Mio. Österreich mag ein kleiner Markt sein, Der Handelsdelegierte in Tel Aviv, Christian Lassnig, spricht daher von aber die EU insgesamt ist doch in den einem „großen Erfolgsjahr“. Das geht freilich auf frühere schwache Pha - letzten Jahren für Israel immer wichtiger sen zurück: 2003, als Israel eine schwere Wirtschaftskrise durchlitt, ex - geworden? por tierten die österreichischen Unternehmen gerade einmal Güter um Österreich ist trotz seiner Kleinheit ei - 117 Mio. Euro. „Die seitdem einsetzende Erholung der israelischen Wirtschaft ne sehr erfolgreiche Volkswirtschaft spiegelt sich in den österreichischen Exportzahlen wider“, so Lassnig. und ein interessanter Markt für israe- Besonders erfreulich sei dabei, dass eine ganze Reihe von bereits verein - lische Produkte – wie auch Israel mit barten Projekten in den guten Zahlen 2007 noch gar nicht enthalten ist. seiner Kaufkraft ein guter Markt für So konnten österreichische Unternehmen Zuschläge für Lieferungen am österreichische Erzeugnisse ist. Aber Ausbau der israelischen Bahn erringen. Die Auslieferung von Zug gar ni - was die EU angeht, da gibt es doch tu ren von Siemens Transport Systems hat inzwischen bereits begonnen. Ungleichgewichte – zu den USA: Für Alpine Bau wird an einem israelisch-österreichischen Konsortium für Israel ist die EU die Nummer Eins, was Tun nelstrecken zwischen Tel Aviv und Jerusalem mitarbeiten. Um ge kehrt WIRTSCHAFT die Importe angeht, aber die Num mer konnte etwa die israelische IT-Firma Tadiran eine Ausschreibung für Eins unserer Exporte sind nach wie Kommunikationseinrichtungen für das Österreichische Bundesheer für vor die Vereinigten Staaten. Israel sich entscheiden. müsste mehr nach Europa liefern.

28 Juni 2008/Siwan 5768 WIRTSCHAFT • ISRAEL

Erklären Sie das bitte. Dollar Devisen ein nahmen aus den ture mit der Vienna Insurance Group Nehmen wir Österreich als Vergleich. Dienstleistungen in Israel kommen zusammen. Ös terreich hat acht Millionen Ein woh- nur fünf Mrd. aus dem Touris mus. ner, davon sind 3,9 Mio. berufstätig. Das ist in der Türkei, aber die Vienna In - In Israel leben sieben Millionen Men- Geben sie unseren Lesern Beispiele für su rance Group, die ehemalige Wiener schen, davon sind nur 2,75 Mio. be- die se wirtschaftlichen Verbindungen zwi- Städtische, ist ja vor allem in Mittel ost - rufstätig. Diese Relation müssen wir schen Israel und Österreich jenseits der eu ropa aktiv. Dort investieren auch viele verändern. Wir müssen eine Kultur Warenlieferungen. Israelis. entwickeln, dass mehr Menschen auf Momentan versuchen wir gerade, auf Vor allem in der Immobilien-Branche. den Arbeitsmarkt kommen. unsere Initiative, mit Österreich ein Nach der Öffnung dieser Volkwirt- Ab kommen über Forschungszu sam - schaf ten haben sich gute Gelegen hei- Sie haben vorher von den Zuwächsen bei men arbeit abzuschließen. Wir haben ten ergeben und israelische Investo- den Warenexporten gesprochen. Diese ähnliche Abkommen schon mit ren haben sie wahrgenommen. bilden aber in heutigen Ökonomien nur Deutsch land und Frankreich unter- mehr einen Teil der wirtschaftlichen Tä - zeichnet, aber auch mit kleineren eu - Wien sieht sich gerne als altes und neues tig keiten ab. Daneben gibt es Tourismus, ro päischen Ländern wie Dänemark Zentrum von Mittelosteuropa. Es gibt Dienstleistungen, Kapitalflüsse. und Schweden. Für andere wirtschaft - täg lich drei Flüge von Tel Aviv nach Wien, Das gilt natürlich auch für die Wirt- liche Aktivitäten als bloße Waren ex- ein Teil der Passagiere steigt dann hier schafts beziehungen zwischen Israel porte gebe ich ihnen zwei Beispiele: um und fliegt zu anderen Destina ti o nen und Österreich. Israel ist in den letz- Modu ist ein erst 2007 gegründeter is - in Mittel- und Südosteuropa weiter. Ist ten Jahren zu einer sehr stark auf Ser- ra elischer Hersteller von modularen Wien für israelische Business-Flug gäste vices ausgerichteten Volkswirt schaft Mobil-Telephonen. Modu-Gründer wichtiger als andere Städte der Re gi on? geworden – und viele dieser Services Dov Moran hat 2006 seine vorherige Das kann ich mit Zahlen selbst nicht werden auch exportiert: Das können Firma M-Systems für 1,6 Mrd. Dollar be legen. Aber es gibt sicherlich mehr Bankdienstleistungen sein oder solche an SanDisk verkauft. Für seine Akti vi - Fluggäste hierher als direkt in andere von Versicherungen, Transporte, me di - täten in Mittelosteuropa hat das neu e Städte der Region. Noch sind die Luft - zinische Dienstleistungen, rechtliche Unternehmen Modu Wien als Stand ort fahrtmärkte hier eher stark reguliert, Services oder universitäre Ausbil dun - gewählt. Ein weiteres Bei spiel ist die anders als etwa zwischen Israel und gen. Der Tourismus ist wichtig, aber er große israelische Invest ment-Firma Großbritannien. Aber auch da wird❚ wird oft überschätzt: Von den 24 Mrd. Kadan. Sie arbeitet in einem Joint-ven- die Liberalisierung fortschreiten. WETTBEWERBSFÄHIGKEIT: Israel im internationalen Kämmerer mit Vergleich auf Rang 20 praktischer Erfahrung Im internationalen Vergleich der Wettbe - werbs fähigkeit von 55 Ländern liegt Israel in diesem Jahr auf Platz 20. Damit konn- Uriel Lynn ist Präsident der FICC, der te das Land einen Platz gegenüber dem Fede ration of Is ra eli Chambers of Vorjahr gut machen. Das geht aus dem Com mer ce. Die se Handelskammer ist Jahresbericht des "International Institute der größte Wirt schafts ver band des for Management Development" (IMD) mit Sitz in der Schweiz hervor. Lan des, mit 5000 direkten und 10.000 indirekten Mitgliedern. Es gibt inner- An den ersten drei Plätzen änderte sich halb der Kammer rund 100 Bran - ge genüber dem Vorjahr nichts. Spitzen- chenver bän de für die Interessen von rei ter sind nach wie vor die USA, gefolgt von Sin ga pur und Hongkong. Auf Platz Ex por-teu ren, Industriellen oder Tou- vier kam die Schweiz, sie konnte sich ge - ristikern. FICC bildet die Dach-

genüber 2007 um zwei Plätze verbessern. organisation von sechs regionalen © R. Engel Wie bereits im Vor jahr belegte Deutsch - Kam mern in Tel Aviv, Jerusalem, land Platz 16.Am we nigsten wett be - , Beer Sheva, Eilat und Nazareth. werbs fähig ist - wie auch im vergangenen Jahr - die Volkswirtschaft des Staates Lynn ist ausgebildeter Jurist, mit Ab schlüs sen der Hebrew University Venezuela. Jerusalem und der University of California in Berkley. Er bekleidete ver- schiedene hohe Regierungsämter, so war er etwa Di rektor der Israeli In - Das IMD vergleicht seit 1989 die Wett - bewerbsfähigkeit von 55 Län dern anhand vest ment Authority for North America, Governor of Sta te Revenue – eine von 331 Kriterien. Als Grund lage dienen Art oberster Beamter im Finanzministerium, wo er zahlrei che Steu er - die Bereiche Wirtschafts leis tung, Regie - reform-Schritte initiierte, und auch Generaldirektor im Ministe ri um für rungseffizienz, Bu si ness-Effizi enz und In - Energie und Infrastruktur. Lynn verfügt über praktische Wirt-schaftser- frastruktur. Die Ergebnisse der Stu dien fahrung als Anwalt sowie als Manager und Aufsichtsrat in einer Reihe werden im "IMD World Competitiveness großer Unternehmen. Er saß zwei Perioden als -Abge ord neter in der Yearbook" veröffentlicht. Knesset – von 1984 bis 1992.

Juni 2008/Siwan 5768 29 Schwerpunkt 1938/2008 Die Évian Konferenz 1938

Von L. Joseph Heid

Im Juli 1938 wurde im luxuriösen die österreichische Grenze überquert Beteiligt waren auch einige interna- Hotel „Royal“ im französischen Kur- hatte und Wiens Bevölkerung zur Tat ti o nale jüdische Organisationen wie ort Évian-les-Bains am Ufer des Gen - geschritten war: Das Anschluss po grom das American Joint Distribution Com - fer Sees, der erste Akt im Drama des dauerte mehrere Wochen. Jü di sche mit tee, die Jewish Agency aus Pa lästi- europäischen Judentums aufgeführt: Bür ger wurden von ihren Nach barn na sowie auch – das hatten die deut- Vertreter von 32 Staaten saßen macht- verprügelt, mussten mit Zahn bürsten schen Behörden erlaubt – je eine Dele- und sorglos am Verhandlungs tisch, die Straße reinigen oder ohnmächtig gation der Israelitischen Kultus ge - um ergebnislos über die nackte Exis- die Plünderung ihrer Läden mit anse- meinde Wien (Dr. Joseph Löwen herz, tenz des europäischen Judentums zu hen. Tausende und Aber tau sen de ver - verhandeln. suchten, ins Ausland zu ent kom men. Roosevelts Initiative, der als einziger Die Einberufung der Flüchtlings - nicht vor dem deutschen Diktator zu kon ferenz ging vom amerikanischen kuschen schien, war insofern überra- Prä si denten Franklin D. Roosevelt schend, da er sich zum Eingreifen in aus, der damit öffentlich seine einer Frage machte, in der er praktisch Hoffnung demonstrierte, eine Lösung für das jü dische Flüchtlingsproblem machtlos war, da ihm ja durch sein zu finden. Es sollte um die Frage eigenes äußerst restriktives Einwan - gehen, wie die nach dem „Anschluss“ de rergesetz die Hände gebunden wa - Österreichs an das nationalsozialisti- ren. „Es wäre eine Katastrophe sowohl sche Deutsch land drängende Flucht - für die Emigranten als auch für die demo- bewegung aus Deutschland und kratischen Nationen“, kommentierte Österreich in eine ge ordnete Emig ra - die amerikanische Publizistin Do ro thy tion gelenkt werden könnte. Thompson, „wenn die Aktion des Prä si - den ten lediglich auf Propaganda hin aus - Gerade knapp vier Wochen lag es lie fe und falsche Hoffnungen ge weckt wür- zu rück, dass die deutsche Wehrmacht den“. Aber genau so sollte es kommen.

30 Juni 2008/Siwan 5768 Schwerpunkt 1938/2008

Prof. Heinrich v. Neumann, Berthold Stor fer) und die Reichsvertretung der Ju den in Deutschland. Die Delegatio - nen aus Berlin und Wien, die von Hey d richs Judenexperten zusam men- ge stellt worden war, arbeiteten eng zusammen. Sie hatten für die Konfe - renz ein eingehendes Mem o randum mit Orga ni sationsplänen für die Aus - wan de rung aus Deutschland und Österreich vorbereitet, das den Nazi- Behörden zur Genehmigung hatte vor - gelegt werden müssen. Die Denk- schrift schloss mit den Worten: „In dem Augenblick, da ein Viertel der jüdi- schen Bevölkerung Deutschlands sich nicht mehr selber erhalten kann (...), da Tausende einer dauernden Arbeits lo sig - keit entge gen blicken, da Zehntausende junger und arbeitswilliger Menschen ihre Stelle einge büßt haben und mit ihrer Aus- wanderung die Möglichkeit zum Aufbau einer neuen Existenz (...) suchen, erfüllt uns die Hoff nung, dass die Konferenz in Évian ihr hohes Ziel erreichen und die Gründung einer neuen Existenz für jene Menschen ermöglichen wird, denen die administrativen Maßnahmen fernzu- Bemerkenswert war auch, dass Geschichte die Auswanderung als ihre halten. Blieb das Exil in Übersee. Hein rich Rothmund, Direktor der Schwei zer Fremdenpolizei, Dele gier - Sendung zu be stimmt hat“. Diese Hoff- Der britische, für seine Judenfeind- ter seines Landes war und große nung wurde in Évian auf tragische lich keit bekannte Vertreter, Lord Win - Reden über die liberale Tradition der Weise enttäuscht. ter ton war nicht gerade konstruktiv und flüchtete sich in ausweichende All- Schweiz bei der Aufnahme von poli- schen Flücht lin gen schwang, aber Die Flüchtlinge, die niemand wollte gemeinplätze, dass die Aufgabe „maß- los kompliziert“ sei, „ja unlösbar“, wenn kein Wort darüber verlor, dass er das „Ursprungsland“, womit er das gerade die Ein reise sperre für Wiener Der amerikanische Kon fe renz prä si - Deutsche Reich meinte, zu kei nem Juden mit Deutsch land aushandelte dent hatte die Verhandlungen mit den Bei trag bereit sei, und wenn die Emi - und auch die Ab ma chungen vorberei- Worten eingeleitet, die Zeit sei ge kom- granten, „die aufzunehmen andere Län - tete, die zur Kenn zeichnung deut- men, dass die Regierungen handeln der ersucht werden“, keinerlei Mittel scher Pässe mit einem „J“ für Juden müssten, und zwar sofort. Die meis- zur Selbsterhaltung besäßen. Von kei- führte. Die Schweiz be fürchtete, ihre ten dort vertretenen Regierungen nem dicht bevölkerten Land könne Strategie, den Flücht lin gen allenfalls handelt auch sofort – indem sie den erwartet werden, so der britische Transitland zu sein, aufgeben und ein jüdischen Flüchtlingen die Türen vor Unterhändler, Personen aufzuneh- bestimmtes Kon tingent aufnehmen zu der Nase zuschlugen. Tatsächlich men, die der Mittel zur Erhaltung be - müssen. Auch kein Wort darüber, dass stand das Ergebnis von Évian fest, be- raubt wären, bevor sie einzureisen Genf als Sitz des Völkerbundes vor die Konferenz überhaupt begon- fähig seien. Winterton kam jedoch kein eigentlich als Veran staltungsort vorge- nen hatte. Wort über das englische Palästina- sehen war, jedoch an den Einwänden Wo sollten die Flüchtlinge hin? Die Man dat über die Lippen. Palästina der Schweiz scheiterte, die um ihre Tschechoslowakei war bereits ein war in den ersten Jahren nach der NS- Beziehungen zu Deutsch land fürchte- höchst unsicheres Pflaster geworden, Machtübernahme das wichtigste Auf - ten. Sechs Monate später wurde in Ungarn trieben die berüchtigten nah meland für jüdische Emigranten Rothmund noch deutlicher und „Pfeilkreuzler“ ihr antisemitisches aus Deutschland und seit 1938 aus Ös - schrieb dem Schweizer Gesand ten in Unwesen, Italien war im Begriff, die terreich gewesen. Doch seit den ara bi - den Niederlanden mit frappierender deutschen Rassegesetze zu überneh- schen Unruhen versuchten die Bri ten, Offenheit, wie er und wie man in der men, die Schweiz sperrte ihre Grenze die jüdische Einwanderung zu dros- Schweiz ganz allgemein dachte: „Wir und verkündete, das Boot sei bereits seln und legten rigide Quoten fest. haben nicht seit zwanzig Jahren mit dem voll. Die übrigen westlichen Staaten Die britischen Konferenzteilneh mer Mittel der Fremdenpolizei gegen die versuchten nach Kräften, Flüchtlinge hatten sich ausbedungen, die Paläs ti- Zunahme der Überfremdung und ganz aus Deutschland und Österreich mit na frage aus der Debatte in Évian her- be sonders gegen die Verjudung der Schweiz allen möglichen gesetzlichen und auszuhalten. gekämpft, um uns heute die Emigranten

Juni 2008/Siwan 5768 31 Schwerpunkt 1938/2008

aufzwingen zu lassen“. Kann man seine antijüdischen Ressentiments unmiss- verständlicher ausdrücken? Als Beobachter und einer der 24 Spre cher, die nicht weniger als 39 jüdische und andere Organisationen und Flücht lings-Hilfskomitees reprä- sentie ren, eilte der ehemalige Richter Jacob Teitel am Ende seines Lebens als Vertreter der russischen Juden in Eu - ropa im Juli 1938 von Nizza aus zur Züge in den Tod Flüchtlingskonferenz, um dort, wie er sich ausdrückte, den „Puls“ zu füh- len. Es ging an diesem piekfeinen Kur ort am Genfer See um die immer dringender werdende Frage, wie die Rede, dass von keinem Land erwartet allen Völkern von Nutzen ist“, hob er an, oder verlangt würde, eine größere aber „die Vereinigten Staaten haben uns, Anzahl von Emigranten aufzuneh- wie immer, ein Beispiel der Klugheit und men, als unter den gültigen Ge setzen Weisheit gegeben“. War das Ironie, vorgesehen war, womit sich die USA Chuz pe oder einfach nur politischer mit ihrer die Einwanderung be- Un sinn? Mitte der zwanziger Jahre, schränkenden Quotenzuteilung, die fuhr er in Deichgrafenmetaphorik fort, jährlich aus Deutschland und Öster- hätten sie „durch eine weitsichtige Ge - reich zusammen 27.370 Personen zu - setz gebung die Einwandererflut gestoppt. ließ, zunächst einmal selbst absicher- Wonach trachten sie also? Wie wir, nach ten. Der Delegierte Australiens ver- einer sicheren und ruhigen Eingliede rung stieg sich sogar zu der offen rassisti- der Immigranten, und auch nach der Ver - schen Äußerung, dass man bisher kein teidigung ihres nordischen Erbguts, ihrer Ras sen problem gehabt habe und sich sächsischen Rasse, gegen die Invasion der auch keines künstlich importieren Völker“. wol le. Der Vertreter Neuseelands be - Auch die Sowjetunion verweigerte haup tete, wie andere Staaten auch, die Zuwanderung von Juden, obwohl dass wegen der wirtschaftlichen Pro - sie doch vor der Weltöffentlichkeit bleme keine Flüchtlinge aufgenom- vollmundig die Gründung einer jüdi- men werden könnten und charakteri- sierte die Konferenz als „moderne schen Republik in Birobidschan als Klagemauer“. einzig realistische Lösung der „jüdi- schen Frage“ propagierte. Der peruanische Vertreter schoss Einzig die Dominikanische Repu - Emigration von (jüdischen) Flücht lin- den diplomatischen Vogel ab, als er in un freiwilliger Anlehnung an Theodor blik erklärte sich bereit, Flüchtlinge gen aus Deutschland und Österreich, für die Arbeit in der Landwirtschaft das völkerrechtswidrig inzwischen Mommsen sagte: „Wir wissen, dass der jü dische Einfluss als Hefe und Ferment aufzunehmen, wenn auch aus einem zum „Großdeutschen Reich“ ver- zwei felhaften Motiv heraus. Präsi dent schmol zen war, erleichtert werden Rafael Trujillo, einer der bizarrsten konnte. und blutrünstigsten Diktatoren, die Lippenbekenntnisse Lateinamerika je hervorgebracht hat, verfolgte damit selbst ein rassistisches Ziel, als die aufzunehmenden 100.000 Das wichtigste Ergebnis der zwölf Flüchtlinge dazu herhalten sollten, Ta ge nach der formellen Annexion durch Einheiraten die Haut far be der Ös terreichs - oder wie es euphemi- dominikanischen Bevölkerung „aufzu- stisch hieß „Heimholung ins Reich“ - hellen“. Die Juden sollten die 20.000 initiierten Konferenz, die am 6. Juli haitianischen Arbeitskräfte ersetzen, 1938 be gann, bestand in der Grün - die er ein Jahr zuvor ihrer schwarzen dung eines “Intergovernmental Com - Hautfarbe wegen hatte abschlachten mit tee” un ter Leitung eines “Hoch - lassen. Schließlich waren es gerade kom missars für Flüchtlinge”. Doch ein mal 500 Juden, die in dem Karibik- kamen die Delegierten über Lip pen- staat Aufnahme fanden. bekenntnisse nicht hinaus. Etwas anderes konnte auch nicht erwartet Für die jüdischen Flüchtlinge aus werden, war doch bereits in der Deutsch land erreichte die Konferenz Einladung von der Ver si cherung die keine grundlegenden Verbesserun gen.

32 Juni 2008/Siwan 5768 Schwerpunkt 1938/2008

Ganz im Gegenteil: keines der teilneh- ternde Erfahrung. [...] Ich hatte Lust, auf - menden Länder erklärte sich bereit, zustehen, und sie alle anzuschreien: Wisst seine Einwanderungsbestimmungen ihr denn nicht, dass diese verdamm ten für Juden zu ändern und zusätzlich ‚Zahlen’ menschliche Wesen sind, Men - Flüchtlinge aufzunehmen; was die Na- schen, die den Rest ihres Le bens in Kon - tionalsozialisten als eine Art „Frei- zen trationslagern oder auf der Flucht rund brief“ für ihre Judenpolitik verstanden. um den Erdball verbringen müssen wie Aussätzige, wenn ihr sie nicht aufnehmt? Die akkreditierten Sprecher wurden Damals konnte ich natürlich noch gar in Évian angehört. Es sei ein trauriger nicht wissen, dass den Flücht lingen, die Vorgang gewesen, schreibt der teilneh - niemand wollte, nicht nur Konzen tra - mende deutsch-jüdische Emi grant tionslager, sondern der Tod in Ver nich - Schalom Adler-Rudel vom britischen tungs lagern drohte“. Council for German Jewry, die in Fra - Konjunktivische Wenns und Abers ge kommenden Sprecher hätten an der bestimmten die „Empfehlungen“, mit Tür des Sitzungszimmers gestanden, der die Delegierten auseinandergin- jeder, der hereingekommen sei, hätte gen. Der „Bericht über die Reise nach drei bis vier Minuten Zeit gehabt, um Évian“, verfasst von den Teilnehmern seine Wünsche vorzutragen. Fragen der Is raelitischen Kultusgemeinde an die Sprecher wurden nicht gestellt, Wien bringt das nichtssagende in - um auch die letzte Formulie rung aus bei den ersten wurde noch eine Über- halts leere Kon fe renzergebnis zum der Resolution zu streichen, die von set zung ins Englische oder Fran zö si - Ausdruck: „Es wür de die Unterhand - der deutschen Regierung als Affront sche vorgenommen, für die später lun gen ins Auge fassen, an Stelle des jet- aufgefasst werden konnte. Die Hoff- Kommenden entfiel sogar diese Höf- zigen Auszuges eine geor d nete Emigra - nung, Deutschland, das über die gan - lich keitsbezeugung, und die diversen tion zu setzen, um die Mög lichkeiten ze Konferenz hinweg nicht einmal na - Sprecher sahen sich wieder im Vor - einer ständigen Ansiedlung zu vergrö- ment lich erwähnt wurde - immer war zim mer der Kommission, noch ehe sie ßern“. Mehr leere Worthülsen gin gen nur vom „Herkunftsland“ die Rede - begriffen hatten, dass sie bereits vor nicht. Ein Pressebeobachter traf den zur Mitarbeit an der Lösung des Pro - der Kommission gestanden hatten. Nagel auf dem Kopf, in dem er die blems zu beteiligen und den unfrei- Dabei waren gerade diese Sprecher Ergebnisse treffend als „dünn und un - willigen Emigranten zumindest zu er - nicht nur Personen, die, wie Teitel, aufgeregt, wie das Évianer Mine ral - lau ben, ihre Güter mit sich zu nehmen, das Problem, das verhandelt wurde, wasser“ bezeichnete. scheiterte zwangsläufig an der natio- am besten kannten. Ihr humanitärer nal sozialistischen Logik. Appell von Évian an die freie Welt Noch während der Konferenz war es verhallte unerwidert. Staats se kretär Ernst von Weizsäcker vorbehal ten, in einem Rundschreiben Nur Wenn und Aber an die deutschen Auslandsvertre tun - gen den Stand punkt seines Dienst- herrn klarzulegen: Der Reichs außen - Ein besonderes Paradoxon bildete mi nister lehnte die Zusammenarbeit die Haltung der Zionistischen Weltor - mit anderen interessierten Staaten in ga ni sation, die lediglich Beobachter der deutschen „Judenfrage“ grund- zur Konferenz entsandt hatte. Kein sätzlich ab und erklärte klipp und klar, be kann ter zionistischer Repräsentant es handle sich um ein innerdeutsches war in Évian erschienen. Sie fürchteten Problem, das außer jeder Diskussion offensichtlich, dass es als Resultat der Konferenz zu einer internationalen stehe. Die Juden sollten wohl weg, An erkennung der Einwande rungs be- aber Geld durfte es nicht kosten, ja schränkungen für Juden nach Paläs ti- nicht einmal das Geld dieser Juden na kommen könne, die die Briten ein- selbst, weil es Deutschland einzustek- ken wünschte. Deutschland war dar- geführt hatten, und dass man daher Razzia in der auf aus, den Ju den, die das Land ver- den Flüchtlingsstrom in andere Ge bie - Seitensttengasse te zu leiten versuchen würde. In ih ren ließen, möglichst viel Geld und Besitz Erinnerungen hat Golda Meir über abzupressen. die Konferenz Folgendes festgehalten: „Die Frage, ob Deutschland die Trans fe - „Dazusitzen, in diesem wunderbaren Saal, Die langatmige Schlussresolution rierung (...) erleichtern könne, müsse ver- zuzuhören, wie die Vertreter [...] nach- ver mied jeden Protest an die deut- neint werden, da ein Transfer des von einander aufstanden und erklärten, wie sche Reichs regierung. Man wollte das den Juden (...) angesammelten Kapitals furcht bar gern sie eine größere An zahl Re gime, das das Problem geschaffen Deutschland nicht zugemutet werden Flücht linge aufnehmen würden und wie hat te, das zu lösen die Konferenz zu - könne“. Soweit von Weizsäcker. Die schrecklich leid es ihnen tue, dass sie das sam mengekommen war, nicht verprel- wohl kalkulierte Absicht bestand da - leider nicht tun könnten, war eine er schüt - len. Zehn lange Tage brauchte man, rin, die Opfer so weit zu bringen, dass

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sie bereit waren, alles zu tun, sich von fragte am 7. Juli 1938 die „Libre Bel gi- reit war. „Juden billig abzugeben – wer Grundbesitz, Hab und Gut, Geld, von que“. William Shirer hatte gleich zu will noch mal? Niemand!“, hatte der allem zu trennen, nur um den begehr- Be ginn der Konferenz das sich anbah- „Reichs wart“ am 14. Juli 1938 in un - ten Pass zu erhalten. nende Desaster treffend beschrieben, über bietbarem Zynismus höhnisch als er schrieb: „Ich bezweifle, dass viel ver kündet. Teitels Erwartungen an die Flücht - he rumkommen wird. Die Briten, Fran zo - lings konferenz wurden enttäuscht, sen und Amerikaner scheinen besorgt zu Das Todesurteil die Stimmen der erniedrigten und sein, Hitler nicht zu nahe zu treten. Es ist mü den Menschen wurden nicht mehr eine absurde Situation: Sie wollen den be - Am 24. Oktober 1938 überreichte gehört. Resigniert und desillusioniert schwich tigen, der für die Probleme verant- die französische Regierung im Aus - stellte er fest, dass 32 Staaten den un - wortlich ist“. wär ti gen Amt ein Memorandum, in glücklichen Juden nur ihren Rücken dem geradezu ängstlich der rein zeigten. Die allgemeine Stimmung in den humanitäre Charakter des internatio- west lichen Ländern kam Hitler wie Zehn Tage lang hatten die Dele gier - nalen Hilfs komitees betont wurde: ge rufen. Eine solche Gelegenheit ließ „Keiner der Staaten bestreitet der deut- ten in Évian getagt - mit desaströsem er sich nicht entgehen. Er entschied Er gebnis. „Die Konferenz war ein ekla - schen Re gie rung das uneingeschränkte Recht“, heißt es in diesem Text, „gegen be stimm te Staatsangehörige Maßnahmen zu ergreifen, die allein unter die Aus übung ihrer Souveränität fallen“. Muss te Hit ler diese aus dem Geist der Nichtein mi- schung stammende Erklärung nicht als Hinweis verstehen, dass ihm auch bei der „Endlösung der Judenfrage“ frei es Spiel gelassen wurde? Vier Tage nach der französischen Note vertrieben die deut schen Behörden etwa 18.000 pol - nische Juden, die erste Massen de por - tation Nazi-Deutschlands und der Auf - takt zu dem darauf folgenden No vem- berpogrom. Damit hatte die Ju den- llegales Emigrante-Schiff katastrophe in Europa ihren Aus gang genommen und die europäischen Nach barn schauten tatenlos zu. Spä - tan ter Fehlschlag“, schrieb Hannah sich, einen Kommentar in seine testens jetzt hatte sich ihre Appease- Arendt, „und wirkte sich für die deutschen Schluss rede auf dem Parteitag am 12. ment politik in ihr Gegenteil verkehrt. Juden verhängnisvoll aus“. Wie für alle Sep tember 1938 einzuflechten. „Man Mit der bereitwilligen Aufnahme anderen jüdischen Repräsen tanten beklagt in diesen Demokratien die uner- von Flüchtlingen hätten die Staaten war dies auch für Jacob Teitel, der seit messliche Grausamkeit, mit der sich gleich zeitig ein Zeichen setzen können, 1921 in Berlin an der Spitze des Ver - Deutschland [...] der jüdischen Elemente dass in Nazi-Deutschland Men schen bands rus sischer Juden in Deutsch - zu entledigen versucht.“ Jetzt aber, fuhr aus politischen und rassischen Grün - land stand, eine ernüchternde Erfah - er fort, „da endlich die Klagen übergroß den verfolgt und misshandelt werden. rung. Dies war für ihn um so tragi- werden und die Nation nicht mehr ge willt Im Scheitern der Flüchtlings kon fe - scher, als er am En de all seiner hu ma - ist, sich noch länger von diesen Parasiten renz von Évian drückte sich der poli- nitären Bemühun gen angekommen aussaugen zu lassen, jammert man darü- tische Unwille der beteiligten Staaten war, die in den Jah ren davor so viel ber. Aber nicht, um nun endlich in diesen aus, dem Naziregime ernsthaft entge- Gutes bewirkt hatten. demokratischen Ländern die heuchlerische genzutreten. Die Politik der Be schwich- Frage durch eine hilfreiche Tat zu ersetzen, Mehr als ein ins Leben gerufenes tigung, die sich in der Hal tung der sondern im Gegenteil, um eiskalt zu ver- Flücht lingskomitee, das Möglichkei ten Österreich-Frage und bald danach ge - sichern, dass dort selbstverständlich kein zur Auswanderung und Aufnah me genüber der Tschechos lo wakei nie der - verfolgter Juden aus Deutschland Platz sei! Hilfe also keine. Aber Moral!“ Der Sarkasmus der Nationalso zia- schlug, fand auch in der Flücht - „er kunden“ sollten, war nicht heraus lingsfrage ihren tragischen Widerhall. gekommen. Die Konferenz und ihr lis ten hatte seinen großen Tag. Für sie wurde in Évian „aller Welt vor Augen Die westlichen Demokra tien stellten Haupt thema fanden in der Welt pres - sich selbst ein Armuts zeug nis aus, se ein breites Echo. Die „Gazette de ge führt, dass das Judenproblem keineswegs nur eine von Deutschland provozierte indem sie zu erkennen gaben, dass Lausanne“ vom 11. Juli 1938 meinte: sie so gut wie nichts für die europäi- „Manche Leute glauben, dass sie [die Ju - Streit f rage, sondern dass es ein Problem schen Juden zu unternehmen bereit den] ein zu starke Position für eine derart von aktuellster weltpolitischer Bedeu tung waren. kleine Minderheit besitzen. Daher der Wi- war“. In Nazi-Deutschland hatte sich derstand gegen sie ...“. „Sagte man nicht der Eindruck verstärkt, dass niemand Auf der Flüchtlingskonferenz im vor dem Ersten Weltkrieg, dass ein Zehn tel am Schicksal der Juden sonderlich in - Sommer 1938 war einem Delegierten des Goldes der Welt den Juden gehörte?“ te ressiert und zu möglicher Hilfe be - aufgefallen, dass „Évian“ rückwärts

34 Juni 2008/Siwan 5768 Schwerpunkt 1938/2008

gelesen „naive“, das englische Wort für naiv, ergibt. War es 1938 „naiv“ zu glauben, dass die internationale Staa - ten gemeinschaft Deutschland ernst- haft verurteilt und eine humanitäre Lösung für die Flüchtlinge fand? Teitel selbst bekam die Folgen der Évia ner Konferenz, dass kein Land die jüdischen Flüchtlinge aufnehmen wollte, am eigenen Leib an seinem letzten Wohnort im südfranzösischen Nizza zu spüren. Er erlebte Gott-sei- dank nicht mehr, wie das willfährige Vichy-Regime dazu überging, nicht- französische jüdische Flüchtlinge zu- sammenzutreiben und sie den Deut - schen zur Deportation auszuliefern. Dieses Schicksal blieb dem hochbetag - ten Mann erspart. Die Konferenz von Évian mag nicht mehr als ein bi zarres von der Gestapo organisierte Menschen - Es dauerte bis Dezember 1938 bis es Feuerwerk gewesen sein, Tei tels Le - schmuggel schließlich abgestellt wurde, zu einem Gespräch Rublees in bens leistung steht demgegenüber in füllen sich die Konzentrationslager und Deutsch land kam und Ende 1938 reis- kristallklarem Licht. die Gefängnisse in Deutschland mit un - te Reichsbankpräsident Hjalmar Die Frage der Auswanderung durch schuldigen Menschen, die nichts anderes Schacht im Auftrage Hitlers zu weite- internationale Vereinbarungen zu lö - verbrochen haben, als einer Aufforderung ren Verhandlungen nach London. sen, eine Frage, an der gerade zur Auswanderung nicht entsprechen zu Deutschland erklärte sich bereit, Deutsch land hätte am meisten inter- können“. 150.000 Juden im Alter von 15 bis 45 Jah ren in Jahresraten von 30.000 aus- essiert sein müssen, erwies sich in Auf Anregung Roosevelts war Évian als un tauglicher Versuch. wandern zu lassen; ihre Familien soll- Geor ge Rublee zum Vorsitzenden der ten schnell nachfolgen. Alte und Kran - Deutschland hielt sich abseits und Inter governmental Comittee einge- ke hingegen sollten im Lande bleiben war doch hauptschuldig. setzt worden, der mit den deutschen und „anständig behandelt“ werden. Mit Deutschland könne man nicht Be hör den wegen der Freigabe wenig- Eine der vielen Lügen der Nazis! Es verhandeln, so Adler-Rudel nach der stens eines kleinen Vermögensteiles wurde die Gründung eines Auswan - Konferenz, denn eine andere Ver - von Auswanderern verhandeln woll- de rungsbüros vorgesehen – dies al - handlung als mit dem „Führer“ hätte te. Die Deutschen stimmten solchen lein wurde verwirklicht durch die keinen Sinn, und der sei mit anderen un er wünschten Gesprächen nur zö- „Reichszentrale für jüdische Aus wan - – wichtigeren – Fragen beschäftigt. gerlich und widerstrebend zu. Ernst derung“, das künftige Büro Eich mann, Weiter schreibt Adler-Rudel: „Inzwi - von Weiz säcker notierte am 18. Ok to - von dem aus ein entscheidender Bei - schen schreitet der Raub in Deutschland ber 1938, dass eine Reise Rublees trag zur physischen Vernichtung der fort. Die Not wird größer, die Menschen nach Deutsch land „keinen Wert“ Juden geleistet wurde. habe, da ja nicht einmal feststehe, verzweifelter und die Hilflosigkeit ist kaum Im Sinne der teilnehmenden Staa - wel che Länder be reit seien, deutsche noch zu ertragen. Als wenn der Teufel ten war die Konferenz gleichwohl ein Juden aufzunehmen. Und nicht zu seine Hände im Spiel hätte, (...) haben Er folg. Man hatte der Öffentlichkeit Un recht, wenn auch zy nisch, stellte v. außer den Vereinigten Staaten fast alle gezeigt, dass man etwas für die deut- Weiz säcker fest: „Das Comité habe sich süd amerikanischen Länder jede Einwan - schen Flüchtlinge tun wollte, ohne bisher als steril erwiesen“. Was v. Weiz - derung so gut wie unmöglich gemacht, sich zu irgend etwas zu verpflichten. säcker betreffend Ver hand lun gen und da die Menschen aus Deutschland Nach einem gegenseitigen Schul ter - nicht auswandern können, und auch der unter „keinen Wert“ verstand, formu- klopfen ging man auseinander. Die lierte er unmissverständlich in be - Konferenz schloss mit einem üppigen zeichnender Meta pho rik die Katze aus Schlussbankett. Und einem schönen dem Sack lassend so: „In Deutschland Feuerwerk. würde dann festgestellt, dass wir – aus naheliegenden Grün den – den Juden kei- Als der letzte Konferenzteilnehmer ne Devisen mitgeben würden und damit am 14. Juli 1938 das Hotel Royal ver- wäre der Zweck erreicht, nämlich zu lassen hatte, gehörte das Haus wieder beweisen, dass wie derum deutsche Wi der - den Kranken. Und die Spielernaturen spenstigkeit das Ju denelend verschulde. im Casino übernahmen wie üblich Nur um in Deutsch land einen Sün den - das Kommando. Am Roulettetisch drehte sich die weiße Kugel wie eh Hitler und Mussolini bock zu finden, könne ich die Reise von ❚ Herrn Rublee nicht befürworten“. und je. Nichts hatte sich geändert.

Juni 2008/Siwan 5768 35 JÜDISCHE WELT • INLAND

Hilfe und Hoffnung Anbei einige Berichte und Erinne run gen, die einen guten Einblick in die Aktivi tä ten von „Hilfe und Hoff nung“ des letzten Jahres geben: Mit Dankbarkeit denken wir an Euch Alle, die unsere Hilfsaktions reisen durch Geld- oder Sachspenden, Mit- reisen oder sonstige Unterstützung ermöglicht haben. Voriges Jahr war un- ser Kleinbus insgesamt ca. 30.000 km unterwegs. Nach insgesamt 250.000 km hat der Kleinbus technische De - fekte gezeigt. Anne und Hannu muss - ten während Ihrer Reise im Dezem ber nach Rumänien frieren, da die Hei- zung des Kleinbusses nicht funktio- nierte und es eine Außentemperatur von –15° hatte. Unsere lieben Freunde aus Finnland Maritta und Aarno Latva-Äijö, Leena Hakala, Eila Hyväri und Anja Marjanen haben uns voriges Jahr im Zentrum in der Schüttelstrasse oder in Kärnten Liebe Freunde und Unterstützer, Seit 1990 leistet „Hilfe und Hoff nung“ geholfen. Ebenfalls tatkräftig mitge- auch in Rumänien und der Ukraine tat- holfen hat Elisabeth Baumegger. dieser Newsletter, den Sie gerade zu kräftige Unterstützung für jüdische Lev lesen beginnen, ist aus einem trauri- Gemeinden - dabei blieb stets der gen Anlass entstanden. Meine Eltern, per sönliche Kontakt zu vielen älteren Voriges Jahr fanden verschiedene Be- Eeva und Adalbert Huber-Huber, sind und kranken Mitgliedern im Vor der- geg nungen in unseren Vereins räum - am 18. April 2008 tödlich verunglük- grund. So schrieb Eeva noch vor kur- lich keiten in der Schüttelstraße statt. kt. Sie befanden sich gerade mit einer zem: „Jede Reise ist auch eine Bereiche - Eine von den Interessantesten war mit Hilfslieferung auf dem Weg nach Tir- rung für das eigene Leben. Diese Men - Lev, der mit seiner Familie als 10-jäh- gu Mures in Rumänien, wo sie in der schen in Rumänien, die den Holocaust riges jüdisches Kind aus der damali- jüdischen Gemeinde das Sederfest überlebt haben, die sehr viel während der gen Sowjetunion über Wien in die USA feiern wollten. Ceausescu-Zeit gelitten haben und sich reiste. Voriges Jahr, 17 Jahre später, Noch ist mir dieses schreckliche Er - jetzt kaum Essen mit ihren kleinen Pen - kam er uns besuchen um Details über eig nis nicht wirklich fassbar. Und sionen leisten können, sind trotz allem den noch drängt das Leben mit jedem sehr dankbar, fröhlich, humorvoll. Sie die Reise zu erforschen, er will ein „In dem Buch neuen Tag nach Entscheidungen, die sind lebensbejahend und vertrauen Gott. Buch darüber schreiben. werde ich erzählen, wie die Sowjetunion getroffen und Lösungen, die gesucht Sie sind sehr weise und ich kann immer auf mein Leben gewirkt hat und wie ich werden müssen. Und so war es mir viel von ihnen lernen.“ mich nach der Auswanderung geändert schneller, als ich es mir jemals hätte Diese wunderbare und wichtige denken können, klar – diese traurige habe. Ebenfalls beschäftige ich mich da mit, Aufgabe möchte ich als ihre Tochter Nachricht darf nicht der Endpunkt wie verschiedene Leute, die ich zufällig weiterführen. Dies wäre mir ohne von „Hilfe und Hoffnung“ sein. ge troffen habe, auf mein Leben gewirkt Un terstützung von einigen langjähri- haben. Einige haben eine positive, andere Zuviel Gutes ist in den letzten drei gen Freunden und Helfern meiner dagegen eine negative Wirkung hinterlas- Jahrzehnten von meinen Eltern, ge - Eltern nicht möglich. sen. Manchmal habe ich diese Wir kung mein sam mit vielen gleich gesinnten Als neue Obfrau des Vereins, schrei- sofort erkannt. Zum Beispiel als ich in Helfern, geleistet worden. Schon ab be ich nun diesen Newsletter. Er soll eu rem Zentrum ankam, habe ich eine war- Anfang der 80er bereiste Eeva die einen Einblick in die Arbeit des letz- me Jacke von euch erhalten. Diese Jacke Sow jetunion, um Juden, die in Armut ten Jahres geben, die Menschen hinter hat mein ganzes Leben verändert und ich leben mussten, Lebensmittel, Geld den Geschichten vorstellen und er soll habe es sofort bemerkt. Ich hatte es kalt und und hebräische Literatur zu bringen. auch eine regelmäßige Einladung in dem Moment als ich die Jacke bekom- Zu dieser Zeit, kein ungefährliches Un - wer den, an unserer Arbeit in Zukunft men habe, ist es mir warm geworden. Ihr ter fangen. Später, 1986, eröffneten weiter teilzuhaben. habt mir und meiner Familie Liebe, Un - mei ne Eltern das Hilfszentrum in der ter stützung und Fürsorge gegeben. Vor In diesem Sinne freue ich mich über Schüttelstraße im 2. Wiener Bezirk, 17 Jahren war ich zu euch verletzt und JÜDISCHE WELT JÜDISCHE Rückmeldungen und natürlich über das seither nicht nur Unterkunft und ängstlich gekommen. Ich habe Zeit ge - jede tatkräftige Unterstützung. Lager, sondern auch interkulturelles braucht, das Geschehene auch auf der Ge - Zentrum und Treffpunkt gewesen ist. Tamara Huber-Huber, im Juni 2008 fühlsebene zu verarbeiten“, erzählt Lev.

36 Juni 2008/Siwan 5768 JÜDISCHE WELT • INLAND

Gedenkfeier für Königin Elena al tes jüdisches Gebet, mit dem man am Reiseunterstützen. nach Botosani und Dorohoi Im Dezember fand in der Synagoge Shabbat Könige und Kaiser gesegnet (Anne und Hannu Ylitalo) von Arad eine Gedenkfeier für Köni - hat. Als er König Mihai namentlich gin Elena statt. Berti und Eeva wurden seg nete und ihm den Originaltext Kurz vor Weihnachten starteten wir zu der Feier eingeladen. An der Feier über gab, blieb in der Synagoge kaum mit dem Kleinbus Richtung Rumä ni- nahm der Sohn von Elena König Mihai ein Auge trocken. en. Unsere Reise ging durch Transsyl- I und Königin Anna, die 1947 von den va nien, über die Karpaten. Unser Ziel Zehn Reisen zu 16 Gemeinden in 2007 Kommunisten aus Rumänien ausge- war Botosani und Dorohoi im Nord- trieben wurden, teil. Seit dem leben os ten Rumäniens. Auf dem Weg be - Im Jahr 2007 hat der Verein „Hilfe und sie in der Schweiz. Der Staat Rumä ni - suchten wir kurz Melanie Mehler in Hoffnung“ zehn Reisen nach Rumä - en hat ihnen nun eines der Schlösser Vatra Dornei. Ganz stolz stellte uns nien getätigt. Insgesamt haben wir 16 zurückgegeben. Melanie einen Laptop vor, den sie von Gemeinden besucht, einige von die- Ihrer in Südafrika lebenden Tochter sen auch zweimal. Auf den Reisen erhalten hatte. Nur leider funktio- waren Eeva und Adalbert, Tamara mit nierte der Laptop nicht. Eine Weile einer Freundin, hollän dische Freunde waren wir mit dem Re parieren des sowie Anne und Hannu Ylitalo. Durch Computers beschäftigt und dann die EU-Mitgliedschaft von Rumänien konnte Melanie wieder ins Netz ein- wurden zwar die Zollformalitäten ab - steigen. Mit strahlenden Augen tippte ge baut, aber das Le ben in Rumänien sie sofort einen Gruß an ihre Tochter ist wesentlich teurer ge worden. Durch in Südafrika. unsere Hilfstransporte von Le bens - Am 24. Dezember kamen wir im win- mitteln, Medikamenten und Hy gie ne - ter lichen Botosani an. Warme Winter - artikeln können wir besonders vielen kleider und Schuhe wurden in das alten Juden helfen. Lager der Gemeinde ausgeladen, für die Verteilung an Bedürftige. Danach Jüdisches Kulturzentrum in Oradea König Mihai I (86 Jahre) und Königin Anna fuhren wir gemeinsam mit dem Prä - lauschen der Rumänischen Nationalhymne, sidenten von Botosani Hr. David, so - Vor mehr als zehn Jahren hat Eeva in gesungen von einem Kinderchor. wie dem Präsidenten von Dorohoi Hr. Zusammenarbeit mit der finnischen Iancu einkaufen. Wir konnten für alle Firma ”Media Vision” einen Film Viele rumänische Juden wurden ins Mitglieder der jüdischen Ge mein de ”Bleiben sollen sie - die Synagogen” ge - Transnistra Lager getrieben (befindet Lebensmittel einkaufen – in Botosani dreht. Am Ende des Filmes stellt der sich in Moldawien). In 1941 konnte gibt es 97 und in Dorohoi 31 Perso nen. mittlerweile verstorbene Rabbiner Königin Elena viele Medikamente und Neumann von Timisoara die Frage, Botosani Kleider in dieses Lager liefern. Zehn - ob wohl noch in 10 Jahren jüdisches tau sende Juden wurden dadurch Leben in Rumänien zu finden ist. Botosani befindet sich an der Mol da - gerettet. Heute leben in dem Land einige tau- wischen Grenze im Nordosten Ru mä - Im Jahr 1942 konnte Elena den Trans - sende Juden, ein Großteil von ihnen niens. Die Stadt ist von den Ost kar- port von zehntausenden Juden ins sind alte Leute. Erfreulich ist, dass erst paten umschlossen. Die Einwoh ner- Konzentrationslager verhindern, ob - vor kurzem in Oradea, eine Stadt an zahl beträgt ca. 115.000. Die Stadt ist wohl diese Aktion für sie selbst sehr der Ungarischen Grenze, ein jüdisches bekannt für sein Rheumakranken - gefährlich war. Die Transportbefehle Kulturzentrum feierlich eröffnet wur - haus und die Möbelindustrie. waren schon in Kraft getreten, trotz- de. Das Zentrum bietet Veranstal tun - Botosani bietet viele Möglichkeiten für dem wurden sie storniert. Israel hat gen für alle Altersgruppen. Freunde von Kunst und Kultur. Es Elena als „Gerechte unter den Völkern“ Zu dem Angebot des Zentrums gehö- gibt die Philharmoniker, das Mihai ernannt, und in ihrem Namen wurde ren u.a.: Tora Studium, Hebräisch für Eminescu Theater, das Puppentheater ein Baum in Yad Vashem gepflanzt. Kinder und Erwachsene, Englisch, ”Vasilache”, die Volksmusikgruppe In seiner Ansprache betonte der Fitness, Computer-Raum, Kinder spiel- ”Rapsozii Botosanilor”, ein Ethno gra- Präsident der Gemeinde Arad Ionel raum, ein Seniorenclub und ein kosh e - fisches Museum, die Geburtshäuser Schlesinger - in der Veranstaltung wa - res Cafe. Koordiniert werden die von Nicolae Iorg und Stefan Luchian ren ebenfalls Vertreter von anderen zahlreichen Aktivitäten im Zentrum sowie die Kunstgalerie ”Luchian”. Gemeinden und Kirchen anwesend - von zwei begeisterten, jungen Leuten Sehenswert sind ebenso das histori- dass es für Rumänische Juden eine - Chris und Kati. sche Zentrum, die Große Synagoge, Ehre und Pflicht sei, sich an Elena und Wir freuen uns sehr, dass wir die die Orthodoxe Kathedrale sowie wei- ihre Hilfe zu erinnern. „Aber dies ist Gele genheit hatten, den Kinderspiel- tere große Kirchen. eine Pflicht, die uns eine große Freude ist, raum mit gespendetem Spielzeug Dorohoi und wir werden immer dafür dankbar aus rüsten zu können. In der Küche ist sein“. Von Wien kam der Oberkantor eine Spende aus Finnland eingebaut: Dorohoi befindet sich im äußersten des Stadtempels, Shmuel Barzilai mit. ein Pizzaofen. Ebenfalls konnten wir Nord osten Rumäniens in der Nähe der Er sang hebräische Lieder, sowie ein das Zentrum mit einem Kühlschrank Grenze zu Moldawien und zur Ukra -

Juni 2008/Siwan 5768 37 JÜDISCHE WELT • INLAND

Flüchtlingsdatenbank der i ne. Die Einwohnerzahl beträgt ca. In Kaunas leben ca. 400 Juden, zum 31.000. Dorohoi war früher ein Han - Groß teil alte Leute. In der Zeit der jüdischen Gemeinde delszentrum für Holz und Ag rar pro - Sowjetunion haben Juden ihre Syna - dukte. Händler von den Nachbarlän - go gen an den Staat verloren. Eine von von Shanghai dern kamen auf die lokalen Märkte. ihnen wurde als Fabrik umfunktio- Familien in Gheorgheni niert. Derzeit gehört das Gebäude zu Eine von der israelischen und der chi- einem Casino, aber einige Räum lich - nesischen Regierung unterstützte und Am nächsten Tag besuchten wir drei keiten im 1. Stock hat die jüdische Ge - durch Spenden israelischer Unter neh - Familien in Gheorgheni. Wir brachten meinde gegen Miete zurückbekom - men finanzierte Datenbank soll nun ihnen Lebensmittelpakete und haben men. Unsere Hilfsgüter wurden hier die Schicksale tausender Flüchtlinge, uns ein bisschen ausgetauscht. „Fried - ausgeladen. die während des Zweiten Weltkriegs hofsfamilie“ nennen wir die Familie, Visum zum Leben in Shanghai Aufnahme fanden, doku- da sie neben dem jüdischen Friedhof mentieren. Bis jetzt sind 600 der 30.000 in einem kleinen Haus lebt und den Während des Krie - Namen und Lebensläufe gelistet. Die Friedhof pflegt. Die Mutter dieser ges gab es in Kau - Datenbank befindet sich in einem in Familie freute sich sehr über ihr zwei nas einen japani- der ehemaligen Ohel Moshe Syna go- Monate altes Enkelkind Paula. Drei schen Diplo ma ten, ge eingerichteten Museum. von den fünf Kindern von Erika Sugihara, der den gehen schon in die Schule. Das Leben Juden Visum für Ja pan ausstellte. der Familie von Silvia ist beschattet Japan erlaubte dies zwar nicht, aber er von der Krankheit ihres Sohnes, er ist konnte so mehr als 6.000 Juden retten; HIV-positiv. Vor Jahren wurde er ein Teil von ihnen waren polnische durch eine Bluttransfusion in einem Juden. Nach dem Krieg musste Su gi - Spital angesteckt und muss seit dem hara seinen Dienst im Außen mi nis te - täglich teure Medikamente einnehmen. rium beenden. Aus den Räumlich- Das Jahr 2008 keiten des damaligen ja panischen Neuer Kleinbus Konsu lats ist ein Mu seum geworden: „Visum zum Leben“. Wir erhielten einen fast neu en Klein - Arad bus von einem Be kann ten eines Ver- eins freundes, der von unserem Be - Eeva und Berti waren Ende März in darf erfahren hatte. Arad. Dort brachten sie Hilfsgüter in Kaunas Namen und weitere Informationen das jüdische Altersheim, und kauften von 10.000 ehemaligen Flüchtlingen vor Ort Lebensmittel für zu Hause sind bis dato vorhanden und werden Im Februar haben Eeva und Berti Hilfs- lebende ältere Leute. Im Altersheim der Datenbank sukzessive hinzuge- güter nach Litauen, Kaunas, gebracht. von Arad gibt es derzeit 13 Bewoh ner. fügt. Auf weitere Informationen hofft Für beide war die Reise nach Kaunas Ein pensionierter Arzt besucht regel- man durch die Unterstützung aus der eine große Freude, da diese die erste mäßig zweimal wö chent lich das Al - ganzen Welt, so Shen Xiaoning, der mit dem neuen Kleinbus war. Sie hat- tersheim, bei Bedarf sogar häufiger. stell vertretende Bürgermeister der ten erfahren, dass auch in Kaunas Hil- Jedes Mal beim Einkaufen in Rumä - Stadt. fe not wendig ist, obwohl die Si tu a ti on ni en wundern wir uns: Wie können in Litauen besser ist als in Ru mä ni en. Pen sionisten mit € 90,- Pension le ben, Shanghai war schon vor dem Krieg Die Freude war groß in Kaunas, als wenn Grundnah rungs mit tel un ge- von wichtiger Handelsplatz gewesen, sie mit einem voll beladenen Klein bus fähr die gleichen Preise haben wie bei mit einer gut etablierten jüdischen ankamen. uns in Österreich? Ge meinde, was es zu einem logischen Ziel für viele Flüchtlinge machte. Im Der Vorstand des Vereins „Hilfe und Hoffnung“ Unterschied zu zahlreichen Staaten, wurde im Mai 2008 neu gewählt. Alle Vorstandsmitglieder und Helfer arbeiten die den Verfolgten ihre Unter stüt zung ehrenamtlich. verweigerten, stellte China diesen kei - ne weiteren Hindernisse in den Weg. Tamara Huber-Huber: Obfrau Als viele Regionen Chinas während Dr. Theodor Much: Obfraustellvertreter Anne Ylitalo: Kassier des Krieges durch die Japaner besetzt Barbara Bergh: Schriftführerin wurden, kamen immer mehr Juden Erweiterte Vorstandsmitglieder: nach Shanghai. Allerdings wurde die Eric Kushner, Herbert Jacubetz wachsende jüdische Gemeinde in ein Verein „Hilfe und Hoffnung“ Ghetto im Hongkou-Bezirk zurück ge - Schüttelstrasse 19a/3 drängt. Nach der kommunistischen 1020 Wien Revo lu tion 1949 schrumpfte Shang- [email protected] hais jüdische Gemeinde von Jahr zu Der neue Bus wird das Jahr mehr. Den noch blieben viele erste Mal beladen BLZ: 20111, Konto-Nr.: 08214654 Flücht linge für lange Zeit, bevor sie das Land endgültig verließen.

38 Juni 2008/Siwan 5768 JÜDISCHE WELT • AUSLAND

Panorama Kurznachrichten aus der jüdischen Welt Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.

Visafreiheit ren. Sie kritisiert auch die antisemiti- meinde von Dnepropetrovsk zu rück. Pyotr Stegny, der russische Bot schaf- schen Ansichten anderer Neonazis, die Die finanzielle Unterstützung der Fa - ter in Israel, kündigte auf einem Gerüchte über die so genannte „jüdi- mi lien von Arkady Golda, Mikhail Katz, Wirtschaftsforum in Tel Aviv den Fall sche Weltverschwörung“ aufrecht er - Boris Gelman und Mikhail Redkov hatte der Visapflicht zwischen Russland und halten, denn, so die „Autonomen Na - dies möglich gemacht. Israel für Ende dieses Sommers an. tionalsozialisten für Israel“, wenn die Britisches Judentum immer mehr Das neue System würde die Wirt- Juden wirklich so mächtig wären, haredisch schaft beider Länder sowie den Tou - wären die jüdische Organisationen in ris mus ankurbeln. Deutschland wohl kaum so „feige“. Eine von der Dachorganisation des Sie fordern die Anerkennung der Ein - Die ursprüngliche Einigung war be- britischen Judentums veröffentlichte zigartigkeit des Holocaust und pla- reits am 20. März unterzeichnet wor- Studie zeigt, dass inzwischen ein nen, die israelische Flagge auf zu künf- den und muss noch von der Knesset Drittel aller unter 18jährigen briti- tigen Neonazimärschen zu tragen. ge nehmigt werden, dann kann die schen Juden orthodox sind, was einer Zu den Zweifeln an der Existenz der neue Regelung nach einer Frist von jährlichen Wachstumsrate der haredi- Gruppierung kommt hinzu, dass die se 90 Tagen in Kraft treten. Möglicher - schen Gemeinschaft von 4 % über die nie zuvor eine öffentliche Ver samm - wei se wird Israel auf diese dreimona- letzten 20 Jahre entspricht. Die Demo- lung abgehalten hat. Es wird auch be - tige Wartezeit – unilateral – allerdings graphen David Graham und Daniel hauptet, die Gruppe sei gar nicht so gar nicht bestehen. Mehr als 100.000 Vulkan, die für die Studie verantwort- Russen kamen im vergangenen Jahr radikal, haben doch auch einige ge - mäßigtere Neonazis ihre Zusammen - lich zeichnen, schätzen ihre Zahl auf nach Israel, was es zur beliebtesten 22.800 bis 36.400 Personen. Insgesamt Touristendestination für die Russen ar beit mit den Juden gegen den „Isla - leben etwa 300.000 Juden in Großbri - nach den USA und Frankreich macht. mo-Faschismus“ angeboten. tan nien. Diese sei eine außergewöhn- Auch Israels Botschafterin in Russ - Italienischer Literaturpreis an Appelfeld liche Statistik angesichts der oftmals land, Anna Azari, drückte ihre Über- getätigten Aussage, dass das britische zeugung aus, dass das Abkommen Der israelische Autor Aharon Appelfeld Judentum, wie so viele andere Dias - bis zum Herbst in Kraft treten werde. wurde mit dem Grinzane Cavour po ra-Gemeinden, sich einem stetigen Preis 2008 für seinen Text „Baden heim, Rätsel um Existenz von pro-israelischer Rück gang ausgesetzt sehe, so Gra ham. Neonazigruppe 1939“ ausgezeichnet. Bereits A.B. Ye ho - shua, David Grossman (1994 und 1997 Portman unterstützt Jugenddorf in Ruanda Deutsche Blogger rätseln zur Zeit, ob in der Kategorie fremdsprachige Li te - eine rechte Extremistengruppe, die ra tur), Amos Oz (mediterrane Kul tur, sich selbst als pro-israelisch bezeich- 2007) und Sayed Kashua (neue Au - Die Schauspielerin Natalie Portman net, tatsächlich existiert und ob sie toren, 2004), ein israelischer Ara ber, wird ein von American Joint Distribu- nun rechts- oder linksextrem sei. Die der seine Werke auf Hebrä isch ver- tion Committee finanziertes Jugend- „Au tonomen Nationalsozialisten für fasst, konnten sich vor Appel feld über dorf in Ruanda unterstützen. Dort Israel“ starteten ihren Internetauftritt den erstmals 1982 vergebenen italie- sollen 500 Kinder, deren Eltern wäh- im Mai. Dort wird Israels „2.000 Jahre nischen Literaturpreis freuen. rend des Genozids 1994 ermordet wäh render Kampf ums Überleben“ ge - Zwei Holocaust Torahs für die Ukraine worden waren, ein neues Heim fin- würdigt und behauptet, der berüch- den. Portman wird in einem Werbe - tig te Antisemit Reinhard Heydrich, Zwei aus der Zeit des Holocaust stam- spot zu Gunsten des Jugenddorfs zu Vater der „Endlösung“, sei ein pro- mende Torahrollen aus der Ukraine sehen sein, der auch in der „Oprah zionistischer Nationalist gewesen. und Weißrussland wurden für die Winfrey Show“ ausgestrahlt werden Anlässlich von Israels 60jährigem ukrainische Goldene Rose-Synagoge soll, wie die israelische Tageszeitung Staats jubiläum ruft die deutsche Grup - gestiftet. Die Gemeinden, denen die Ha´aretz berichtet. Dafür hatte die pierung zu einem Ende „des Hasses Torahrollen angehört hatten, waren junge Schauspielerin, die in Filmen ge gen das jüdische Volk“ auf und zur durch den Holocaust ausgelöscht wor- wie „Leon, der Profi“ oder „Star Wars“ Un terstützung der Juden, in „ihr an - den. Nach ihrer Restaurierung in Is ra - zu sehen war, mehrere Tage geheim ge stammtes Heimatland“ zurückzukeh- el kehrten sie nun in die jüdische Ge- in Afrika verbracht.

Juni 2008/Siwan 5768 39 JÜDISCHE WELT • ISRAEL

Entkommen – Afrikanische Flüchtlinge in Israel © Michal Fattal/Flash90.

n einem Dienstagabend, An fang se Möbellage stehen und sitzen 30 oder bereich. Wo wer den sie kommende März, schließe ich mich einer 40 Afrikaner, vor allem junge Männer, Nacht schlafen? Im Keller natürlich, Aklei nen Gruppe von ehrenamtlich tä - in einer Ecke spielen drei Buben Kar - man kann schließlich durchs Wasser ti gen Ärzten an, die eines der Flücht - ten. Manche ergatterten durch die zu den Stockbetten waten, alternative lingshäuser in Süd-Tel Aviv aufsu- Klei dungsspenden feste Schuhe, oder Unter künfte gibt es nicht. chen, in dem Flücht linge aus Darfur, eine Winterjacke, andere müssen, auch In dem dreistöckigen Gebäude, das Eritrea und anderen Krisengebieten bei den nach wie vor winterlichen Tem- allem Anschein nach früher ein Wa - Afrikas Zuflucht gefunden haben. peraturen, mit einfachen Bade schlap - fen und ausgewaschenen T-Shirts vor- renlager oder eine kleine Fabrik war, An der belebten Hauptstraße, die lieb nehmen. leben zurzeit 320 Flüchtlinge. Die die ehemalige Bushauptstation Tel Stockwerke sind nach Geschlechtern Avivs durchquert, zwischen einem Hier riecht es nach zu vielen Men- geteilt. Zwei Etagen sind den Män - Fala fel stand und einem Geschäft für schen auf zu kleinem Raum, Essens- nern, die überwiegen, vorbehalten, Billigst möbel, betreten wir durch eine resten und verbranntem Plastik. Am eine wird von Frauen und kleinen un scheinbare kleine Tür das alte her- frühen Morgen war es im Keller des Kin dern bewohnt. Wir klettern die un tergekommene Gebäude. Neben Gebäu des mit seinen veralteten Lei - schmutzigen abgeschlagenen Stufen dem Eingang liegen Haufen alter tun gen, zu einem Kabelbrand gekom- im unbeleuchteten Stiegenhaus zum men. Die Hausbewohner konnten alle Klei dung, entlang der Wände des lan - Frauenstockwerk empor. gen, notdürftig beleuchteten Gangs unversehrt dem Feuer entkommen, stehen Tische und Stühle, die ihre doch nach den Löscharbeiten der Hier waren offenbar früher einmal bes te Zeit auch schon lange hinter sich Feu er wehr stehen nun die Kellerräu- Büro räume. Rund um einen großen haben, all dies sind Spenden wohlmei- me 10 cm un ter Wasser, deren Bewoh - fen s terlosen Raum befinden sich meh- nender Israelis. Auf und rund um die - ner drängen sich daher im Eingangs- rere kleine Zimmerchen, keines hat

40 Juni 2008/Siwan 5768 JÜDISCHE WELT • ISRAEL

mehr als 10 oder 12 m². In jedem Zim - auch einer der Gründe für den Be- Afrikanern, die sich momentan in Is - mer stehen drei bis vier Stockbetten, such der ehrenamtlich arbeitenden ra el aufhalten. das bisschen Platz dahinter, daneben Ärzte, denn einige Erwachsene, die Im Jahr 1951 wurde die Genfer und darunter ist mit den mühsam zu- sich ebenfalls ansteckten, erwischte es Flüchtlingskonvention unterschrie- sammengeschnürten Habseligkeiten schwerer als das kleine Mädchen. ben, die festlegt, dass jemand als der Bewohnerinnen ausgefüllt. „Das andere Flüchtlingshaus will mo - Flüchtling gilt, der „aus der begründe- Im großen mittleren Raum stehen mentan niemand so gerne besuchen, denn ten Furcht vor Verfolgung aus Gründen die Betten entlang der Wände, ein dort haben wir Fälle von Hautkrätze ent- der Rasse, Religion, Nationalität, Zuge - paar Matratzen sind in einer Ecke deckt“, erklärt mir eine Ärztin, „diese hö rigkeit zu einer bestimmten sozialen aufgeschichtet. Auch hier schlafen Hautkrankheit ist hoch ansteckend und Gruppe oder wegen seiner politischen an scheinend an die 20 Menschen. An nur mühsam wieder los zu werden! Bei Über zeugung sich außerhalb des Landes einer Wand ist ein Fernseher befe- die sen Lebensbedingungen und diesem befindet, dessen Staatsangehörigkeit er stigt, fast tonlos flimmert eine kitschi- äußerst engen Lebensraum verbreitet sich besitzt, und den Schutz dieses Landes ge Telenovela über den Bildschirm. jede Krankheit natürlich in Windeseile. nicht in Anspruch nehmen kann oder Einige Frauen sitzen davor, manche Da sind Windpocken noch ein relativ klei - wegen dieser Befürchtungen nicht in essen Nudeln und Gemüse von nicht nes Übel. Unsere größte Sorge ist, dass Anspruch nehmen will; oder der sich als mehr ganz neuen Plastiktellern, an - sich Tuberkulose ausbreiten könnte. Ver - staatenlos infolge solcher Ereignisse dere unterhalten sich leise. Unser Ein - einzelte Fälle haben wir bisher Gott sei außerhalb des Landes befindet, in welchem treten wird mit einem freundli chen Dank recht schnell entdeckt und sie wer- er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Lächeln registriert, doch dann geht den behandelt.“ und nicht dorthin zurückkehren kann jede Frau wieder ihrer vorherigen Tä - oder wegen der erwähnten Befürch tun - Im Männerstockwerk besuchen die tigkeit nach. Für diese große An zahl gen nicht dorthin zurückkehren will“. Ärzte einen Mann, der von der ägyp- von Menschen ist es hier er staun lich tischen Grenzpolizei am Bein ange- Obwohl der Staat Israel einer der ruhig. schossen wurde, als er die Grenze nach Initiatoren und Verfasser dieser inter- Jedes Stockwerk hat eine Toilette Israel überquerte. Im Spital in Eilat nationalen Konvention war, wurde sie und eine Dusche, somit müssen sich wurde ihm die Kugel aus dem Bein in der israelischen Gesetzgebung bis 320 Personen drei Toiletten und Du- entfernt, doch ob und wie die Wunde heute nicht verankert. Erst 2001 hat schen teilen. Auch die Kochgelegen- verheilt, interessiert die offiziellen Israel eine offizielle Regelung getrof- hei ten sind kleine Kaffeeküchen der Stel len hier nicht. So wie es überhaupt fen, wie mit Asylwerbern zu verfah- ren ist. Trotz dieser Verordnungen ehemaligen Angestellten, die in die- den Anschein hat, dass das „offizielle dauert die Abwicklung eines Asylan - sem Gebäude arbeiteten. Direkt unter Israel“ dem Flüchtlingsphänomen suchens Monate und manchmal so gar dem Fernsehgerät im großen mittleren aus Afrika ziemlich hilflos gegenüber Jahre. Dies führt dazu, dass Flücht lin - Raum hängt eine Liste, in der genau steht. verzeichnet ist, wer wann was zu put- ge, die nach Israel kommen, unter zen hat. Trotzdem wirkt es hier nicht Zurzeit befinden sich nach offiziel- sehr schweren Bedingungen le ben. So lange ihr Status nicht geklärt ist, sauber und ordentlich, denn die Bö den len Schätzungen etwa 5.200 Afrikaner, haben sie keine Krankenversicherung sind alt und abgenützt, unter jedem die um Asyl ansuchten, in Israel. Die oder Arbeitserlaubnis. Bett quellen alte Koffer und notdürftig meisten kommen aus dem Sudan und zusammengeschnürte Packen von Eritrea (siehe Tabelle). Inoffizielle Schät - Der Flüchtlingsstrom an Israels Klei dern hervor, hier drängen sich viel zungen sprechen von cirka 10.000 süd licher Grenze, der in den vergan- zu viele Menschen auf zu engem Raum. Privatsphäre hat hier niemand, auch wer krank ist, kann erst Ruhe finden, wenn alle schlafen gegangen sind. Für die kleinen Kinder, die zwischen ihren Müttern herumtollen, sind wir weiße Besucher eine willkommene Ab wechslung. Ein kleines Mädchen, vier oder fünf Jahre alt, mit vielen geflochtenen Zöpfchen am Kopf, kommt lachend auf uns zu. Ohne Scheu gibt sie die paar Worte He brä - isch, die sie schon aufgeschnappt hat, zum Besten. Ihr hübsches rundes Gesicht ist mit etlichen weißen Punk - ten übersät, unübersehbares Zeichen Notunterkunft der Windpocken-Epidemie, die hier seit ein paar Wochen umgeht. Dies ist

Juni 2008/Siwan 5768 41 JÜDISCHE WELT • ISRAEL

genen Monaten enorm zunahm, be - zuständige Stelle für die Flücht lin ge, wenigstens die Zelte der Frauen und gann bereits 2005, als es in Ägypten zu darunter auch für viele Frauen und Kinder beheizt wurden. Kinder, war. Da die israelische Rechts- gewaltsamen Ausschreitungen gegen In den letzten drei Monaten wur- lage eine zeitlich unbegrenzte In haf- sudanesische Flüchtlinge kam. Sie wa - den jene Flüchtlinge, die aus dem La- tierung auch nicht unterstütze, be gan - ren vor den rassistischen Verfol- ger Kziot entlassen wurden, direkt nen die Soldaten Busladungen voller gungen in Darfur, die bereits fünf Jah - nach Tel Aviv gebracht. Das Militär Flüchtlinge in Beer Sheva auszusetzen. re andauern, und vor dem blutigen informiert eine der Hilfsorganisa tio- Bürgerkrieg im Süden Sudans, der Viele Minister und Knesset-Abge - nen, dass ein Bus unterwegs ist und schon 20 Jahre anhält, nach Ägypten or d nete waren zwar entsetzt, als sie verlässt sich darauf, dass freiwillige geflohen. erfuhren, dass teilweise Kinder, ohne Helfer schon für sie sorgen werden. Diese erste Flüchtlingswelle, die Angehörige, bei Nacht und Nebel in Auch die Regierung verlässt sich voll nach Israel kam, wurde hier mit einer Beer Sheva „abgeladen“ wurden, eine und ganz auf die diversen Organisa- Lösung hatten sie aber auch nicht an - äußerst restriktiven Politik konfron- tionen. zubieten. Es waren vor allem Stu den - tiert, wonach Asylwerber, die Staats - ten der Universität Beer Sheva und Einzig die Stadt Tel Aviv versucht ein bür ger eines feindlichen Landes (wie ein fache Bürger, die den Flücht lin gen wenig mehr zu tun. In den kalten Win - z.B. der Sudan) sind, in Israel keinen mit Essen und Notunter künften zu termonaten wurden in Süd-Tel Aviv Flüchtlingsstatus erhalten können. Hilfe kamen. große Luftschutzkeller in Not un ter - Aufgrund dieser Einstellung wurden künfte für die afrikanischen Flücht - die sudanesischen Flüchtlinge inhaf- Ministerpräsident Olmert sagte im lin ge umgewandelt. Dies ist aller- tiert. Sie saßen Monate und teilweise Oktober 2007, dass 498 Darfur-Flücht- dings eigentlich eine illegale Lösung, jahre lang in Haft, bis eine Klage von linge Asyl in Israel erhalten und alle wie der zuständige Beamte der Stadt - hiesigen Menschenrechtsorga nisatio- anderen in Drittländer weitergeschickt verwaltung mitteilte, denn „was ma - nen beim Höchstgericht ihre Freilas - werden sollten. Bis heute ist nicht chen wir, wenn morgen Krieg ausbricht, sung forderte. Die Richter entschieden klar, wo diese Drittländer sein sollen. und die Luftschutzkeller voller Flüchtlin ge dann, dass die Haft in einen „Hausar - sind? Wo sollen dann die Israelis Zu flucht rest“ in Kibbutzim und anderen länd- suchen?“ Aus diesem Grund plante lichen Siedlungen umgewandelt wer- die Tel Avi ver Stadtverwaltung An - den sollte, wo es möglich ist, ihr Kom- fang März ein Zeltlager am Stadt rand men und Gehen zu kontrollieren. zu errichten. Premierminister Olmert Mit der stetigen Zunahme des untersagte dieses Vorhaben, denn Flücht lingsstroms war dies aber keine dies wür de nur noch mehr Flücht lin ge praktikable Lösung mehr. Am 1. Juli mo tivieren, nach Israel zu kommen. 2007 beschloss die Regierung, dass Jede Zuteilung von Gel dern, um den di ver sen Hilfsorganisa tio nen unter die eine kleine Gruppe von Darfur-Flücht- Arme zu greifen, wird in politischen lingen Asyl erhält und alle anderen Streitereien zwischen den verschiede- nach Ägypten abgeschoben werden nen zuständigen Minis te rien zermürbt. sol len, was auch mit Ägyptens Prä si - dent Mubarak abgesprochen war. Im Das Flüchtlingshaus, das ich be - September wurden dann die ersten 48 suchte und zwei weitere Häuser die- Flüchtlinge tatsächlich nach Ägypten ser Art werden vom African Refugee Zu Winteranfang erhielten dann zurück geschickt. Bald darauf wurde De velopment Center geführt und tatsächlich die ersten Flüchtlinge be kannt, dass diese von der ägypti- durch Spenden erhalten. Diese Orga - ihren Aufenthaltstatus, der auch eine schen Grenzpolizei misshandelt und nisation wurde von Yohannes L. Bayu Arbeitsbewilligung enthielt. Der stän - einige in den Sudan zurückgeschickt und Alice Nägele geleitet. Yohannes dige Druck verschiedener Hilfsor ga - wurden. Seitdem schiebt Israel keine Bayu kam Mitte der 90er-Jahre selbst ni sationen auf die israelische Regie - Flüchtlinge mehr nach Ägypten ab. als Flüchtling aus Äthiopien nach rung führte auch dazu, dass die Flücht - Israel. Er ist Sozialarbeiter und wurde Stattdessen beschloss die israelische linge aus Eritrea ebenfalls eine befri- dort wegen seiner Mit ar beit bei Ärzte Regierung das ehemalige Anhal te la ger ste Arbeitsbewilligung erhielten. ohne Grenzen politisch verfolgt. Nach Kziot, in der Negevwüste, zu reakti- Da dies aber einzelne Ad-hoc-Ent- zehn langen Jahren erhielt er dann vie ren, das während der ersten und scheidungen sind, und die Regierung Asyl in Israel. Alice Nägele ist eine Ju - zweiten Intifada tausend inhaftierte keinen überlegten politischen Plan für ris tin aus Österreich, die ihre Karriere Palästinenser beherbergte. Nun ist es das Flüchtlingsproblem hat, ist die tag- als Mitarbeiterin des Flücht lings - meist die erste Stelle, an der afrikani- tägliche Situation der Asylan su chen - beauftragten der UNO in Wien be- sche Flüchtlinge landen, die vom is ra e- den nach wie vor prekär. So muss ten gann und später bei der UNO in New lischen Militär bei der illegalen Grenz - zum Beispiel die Bewohner des Zelt - York tätig war. Nach Israel kam sie im überschreitung aufgegriffen werden. lagers Kziot den Großteil des vergan- Rahmen eines Austauschprogramms Nach kurzer Zeit war das Lager Kziot genen Winters, der dieses Jahr teil- für Juristen und arbeitete während der aber hoffnungslos überfüllt. Noch weise extrem kalt war, ohne Heizun - letzten zwei Jahre bei der Vor sit zen- dazu machte sich im Militär Un mut gen überstehen. Aus bürokratischen den des israelischen Höchst ge richts darüber breit, dass man die einzig Gründen dauerte es sehr lange, bis Dorit Beinisch.

42 Juni 2008/Siwan 5768 JÜDISCHE WELT • ISRAEL

Diese und andere Organisationen ver suchen so gut es geht zu helfen. Je der Ansatz der Regierung, eine ge - setzlich eindeutig festgelegte Lösung des Flüchtlingsproblems zu finden, geht in koalitionären Kleinkriegen unter. Ein Ende des Flüchtlingsstroms ist auch nicht in Sicht, weil für die ein- zig effektive Lösung, die Errichtung eines elektronisch kontrollierten Grenz zauns zu Ägypten, kein Budget vorhanden oder geplant ist. Als ich das Flüchtlingshaus verließ, atmete ich mit Genuss die frische Luft dieses kühlen Märzabends ein. Doch es war nicht nur der unangenehme Ge ruch im Haus, der mich be drückte, sondern auch der Ge dan ke, dass wir als Volk, das Verfolgung nur zu gut kennt, doch eigentlich Vor bild funk -

© Roni Schutzer/Flash90. tion beim Umgang mit Flücht lingen haben sollten. MIRIAM FRIED

DARFUR SÜD-SUDAN ERITREA ELFENBEINKÜSTE ANDERE

Anzahl ca. 700 ca. 1.800 ca. 2.000 ca. 600 Liberia (83 in Israel) in Israel

Völkermord durch Bürgerkrieg, der (mit Es herrscht eine Nach Beendigung Der Bürgerkrieg ist Mi liz-Verbände (ara - Unter brechun gen) grau same Diktatur. des Bürger-Krieges beendet, die Flücht- Situation bische Stämme), die seit den 50er- Jahren Männer im Alter von ist das Land in der lange werden Israel im Her- von den Macht ha - an dau ert. Haupt - 14 bis 50 werden Aufbauphase. Die wahrscheinlich im kunftsland bern unterstützt wer- grund sind religiöse zum Militär eingezo- UNO legte fest, dass Ju ni verlassen. Zu - den. Afrika nische Span nun gen zwi- gen. Wer aus dem Flüchtlinge in ihr sätz lich gibt es eine Dör fer werden durch schen dem muslimi- Land flieht, wird zum Land zurückkehren Gruppe Kongolesen Brandlegung und schen Norden und Tode verurteilt. können, sie sollten (ein paar Hundert), Morde ausgelöscht. dem christlichen Sü - allerdings die Wah - die schon lange in Is - Viele fliehen in den den, sowie ethnische len, die im Juni 2008 ra el ist. Wegen des Tschad. Konflikte, bei denen stattfinden werden, Bürgerkriegs im Kon - auch afrikanische abwarten, da deren go werden sie zur Stäm me unterdrückt Ausgang zu neuerli - Zeit nicht abge scho - wurden. Zurzeit chen Unruhen führen ben. herrscht zwar relative könnte. Ruhe, doch bleibt die Situation ange- spannt. Der afrikanische Flüchtlingsstrom

450 erhielten ei nen Ohne Status. Der Die Meisten erhalten Wer bis Januar 2007 vorläufigen Auf ent - Situation Plan, sie nach Ägyp- eine temporäre Auf - kam (ca. 200), muss halt, der eine Ar - ten abzuschieben, in Israel ent halts- und Ar - bis Ende 2008 Israel beitserlaubnis und wurde fallen gelas- beits er laubnis für ein verlassen. Bis dahin soziale Rechte nach sen, da dies ihr Le - halbes Jahr. erhielten diese 6 Monaten bietet. ben gefährdet. Flücht linge eine tem- Israel wird diesen Offiziell bemüht sich Status an insge- poräre Aufenthalts- Israel ein Drittland und Arbeits-Erlaub - samt 600 Perso nen für sie in Afrika zu vergeben, 30 Pers o- nis. Wer danach kam, finden. Sie stehen wird abgeschoben, nen, die be reits jetzt hier momentan un ter über dieser Quote auch wenn das Asyl - dem Schutz der verfahren bei man- liegen, bleiben auf UNO. unbestimmte Zeit chen noch läuft. im Lager Kziot.

Juni 2008/Siwan 5768 43 KULTR • KOLUMNE Überall & nirgendwo

Man hört es sehr oft: überall gibt es Antisemitismus, (fast) nirgendwo ist er (vollständig) ausgerottet. Allerdings, was unter Antisemitismus tatsächlich zu verstehen ist, darüber gibt es sehr viele, zumeist „handgestrickte“ Meinungen. Das entsprechende Spektrum erstreckt sich dabei vom „biologischen Antise- mitismus“ bis zu einer selbstgefälligen Umdeutung von Zeitgeschichte. Woche des Even if antisemic attitudes on the Right and in the bas tions of the od establishment and non-Jewish in - Um zumindest den historischen tel li gentsia festered, and antisemitic incidents in daily Kon text von Antisemitismus etwas hebräischen life continued, it looked as though the worst was over, and a tolerable normalcy established. Wei mar, Berlin besser verständlich zu machen, hat and Red Vienna were highpoints in the Jewish parti- Steven Beller im Rahmen der Serie Buches cipation in mo dern thought and culture and this was „Very short introductions“ der Oxford 1 also an era in which many Jews reasserted a more over University Press ein kleines Büch lein Jewish identity, often in association with the Jewish zum besagten Thema ver fasst, das nationalist movement of Zio nism. Israelischer Buchmarkt – S. Beller, Antisemitism, Seite 81 demnächst auch in deutscher Über - setzug bei Reclam erscheinen soll. 5.850 neue Bücher Es ist ganz erstaunlich, was Beller alles auf den knapp 120 Seiten dieses Buch - kleinstformats unterbringen konnte. Der Bogen spannt sich von der nur un voll - im Jahr 2007 ständig beantwortbaren Frage, was denn Antisemitismus eigentlich sei, bis hin zu neuen Formen davon seit 1945, wie etwa die eines afrikanisch-amerikani- Aus Anlass der „Woche des hebräischen schen Antisemitismus im Rahmen der Bürgerrechtsbewegung als „schwar ze“ Buches“, die vom 28. Mai bis zum 7. Juden plötzlich als Teil eines rechtskonservativen (politischen) „weißen“ Esta - Juni stattfand, hat die Jüdi sche Na- blish ments identifizierten. tional- und Universitätsbibliothek Für Österreich, für Wien ist vielleicht am interessantesten, was er bezüglich der Hebräischen Universität Jerusa- der Zwanziger- und Dreißigerjahre und über die „Anschlusszeit“ zu sagen hat. lem ihren neuen Jahresbericht für 2007 Dazu sei Steven Beller im Original zitiert. Nach dem Putschversuch Hitlers (1923) mit dem Ziele „die jüdische Unterdrückung der Deutschen zu beenden“ – vorgelegt. Diesem zufolge sind im un ter den Mitmarschierern befand sich u.a. Winifred Wagner, die Schwieger- vergangenen Jahr 7.860 neue Titel in toch ter Richard Wagners – schien, wie das abgedruckte Zitat (Seite 81) zeigt, Israel erschienen. Gezählt wurden eine der besten Perioden für zentraleuropäische Juden ausgebrochen zu sein. da bei Bücher, Zeitschriften, Kasset ten, Allerdings bereits 1933, vor allem aber nach der Institutionalisierung der Nürn- CDs und DVDs. Im Einzelnen setzt berger Rassengesetze im Jahre 1935, war diese Zeit zumindest in Deutschland sich die Zahl folgendermaßen zusam- wieder vorbei. Zum Anschluss Österreichs – erst unlängst gab es dazu „Ge - men: 5.850 Bücher, 1.500 neue Zeit- denkfeiern“ – stellt Beller, britischer Staatsbürger, in den USA lebend, ge nau das schrif ten und Zeitungen und 510 nicht 2 fest, was nunmehr offensichtlich zeithistorisches Allgemeingut ge wor den ist. gedruckte Titel. Außerdem hat die Na- Nicht besonders schien übrigens im „Anschlussjahr“ auch die Rolle anderer tionalbibliothek 15.000 Ausga ben von Staaten gewesen zu sein, da die Konferenz von Evian im Juli 1938 sehr restrik- Zeitungen und Zeitschriften erhalten, tive Immigrationsquoten für deutsche Juden vorsah, die das Naziregime, nach die in Israel erscheinen. ausgiebiger Filzung, nur zu glücklich gewesen wäre, loszuwerden. Von den fast 6.000 neuen Büchern er - Die Geschichte des Antisemitismus endet allerdings nicht mit dem Holocaust, schienen 4.842 auf Hebräisch. 483 wie Bellers letztes Kapitel zeigt: im Sommer 1947 gab es zum Beispiel antijü- erschienen in englischer, 269 in russi- dische Aktionen in etlichen englischen Städten, im sog. Ostblock 1951-52 den scher und 152 in arabischer Sprache. Slánský Prozess (Tschechoslowakischen Republik) bzw. danach einen zum Daneben wurden 28 Bücher in franzö- Teil als „Antizionismus“ versteckten offiziellen Antisemitismus in Polen. Etwa sischer, 19 in jiddischer, 17 in rumäni- ab den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurde es gebräuchlich, scher, 16 in spanischer und 14 in deut- lokal auftretende Antisemitismen, wie etwa den in Japan, als „neue Formen“ scher Sprache veröffentlicht. des Antisemitismus zu bezeichnen. Was er zum Thema Israel und seine arabi- schen Nachbarn im Kontext von Antisemitismus bzw. Antizionismus zu sagen Der Großteil (85%) der hebräischen hat, sollte am besten selbst erlesen werden. Bücher wurde auch im Original in He - bräisch verfasst, bei den restlichen 15 Steven Bellers „sehr kurze Einführung“ in den Antisemitismus sei all jenen bes - Prozent handelt es sich um Überset- tens empfohlen, die eine Meinung dazu jenseits eines nationalen oder lokalen zungen. Tellerrands äußern möchten. Gegebenenfalls kann auch auf die deutsche EINBERGER Übersetzung im Reclam Verlag gewartet werden. P. W Die Jüdische National- und Univer si-

KULTUR tätsbibliothek erhält laut Gesetzes vor - 1 Steven Beller, Antisemitism – A Very Short Introduction, Oxford University Press, 2007; siehe auch seine früheren schrift zwei Kopien jedes in Israel Bücher wie Vienna and the Jews, 1867 – 1938, Cambridge University Press, 1989, oder A Concise History of Austria, ver öffentlichten Titels. Im Jahr 2007 Cambridge University Press, 2006 2 Gerhard Botz, Nationalsozialismus in Wien – Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung| 1938/39, erhielt sie außerdem 1.382 Magister - Mandelbaum Verlag, 2008 ar beiten und 984 Dissertationen. HUJ

44 Juni 2008/Siwan 5768 KULTUR • LITERATUR

Satire nicht nur über die Grammatik des sein Leben, seine Beziehung und seinen aufgeblättert... Terrors, sondern auch über die vielfälti - Arbeitsplatz. Im Kontrollverlust be steht gen Strategien zu ihrer Abwehr, Ver- die zentrale Parallele mit dem Leben des drän gung und Subversion, die Bedeu - verhinderten, sich zuletzt für das eigene von Michaela Lehner tung der Medien, die Signifikanz der Leben entscheidenden Attentäters Fah - mit freundlicher Unterstützung von IKG-Linz Zeit und Erinnerung durch die alternie- mi Sabih, auserwählt um das offizielle rende Narration zweier Ich-Erzähler, Symbol jüdischer Unverwundbarkeit Eitan Einoch endlich zu ermorden, des- Die Zeit, die bleibt des Israelis Eitan Einoch und des Pa läs - tinensers Fahmi Sabih gestaltet. „Im Y- sen Motivationen und Haß der israeli- Den Bus nehmen, oder doch lieber ein Net berichten sie von zehn israelischen Toten sche Autor bewundernswert objektiv zu Sammeltaxi? Vielleicht am besten gleich und einem Terroristen. Das Ergebnis – 10:1. gestalten vermag, ohne zu werten, oh ne ein Taxi? Besser hinten im Bus Platz Ein schwerer Torverlust für die Juden, um einen simplen Determinismus des Ter - neh men, oder doch im rückwärtigen nicht zu sagen, eine böse Niederlage.“ Die- rors zu postulieren. Eindrücklich, kri- Teil? Den Ausweis immer parat, wie tisch und zugleich humorvoll zeigt der das Misstrauen, die Angst vor allen ser erste schwere Torverlust, direkt ne- ben dem Habima-Theater im Minibus Roman so an seinen beiden dem Po li ti - jun gen, dunkelhäutigen Männern, das schen fast schutzlos ausgelieferten Indi - Handy, um Freunden und Verwandten Nummer Neun setzt für Eitan Einoch ein groteskes Spiel auf Leben und Tod viduen, was politische Literatur in ih rem zu bestätigen, ja, ich lebe noch. „Gut, dass besten Sinne leisten kann, denn empa- in Gang, denn nicht weniger als drei es ab und zu Anschläge gibt, damit wir mal thisch entwickelt Assaf Gavron den ge - Selbstmordattentate wird er, der stoisch wieder ins Gespräch kommen.“ Israeli - sell schaftlichen, kulturellen und famili- bis verzweifelt um Normalität bemühte scher Alltag in Tel Aviv unter dem Sig - ären Kontext, in dem sich die israelische Tel Aviver Yuppie überleben, die nicht num der arabischen Selbstmord at ten - und palästinensische Biographie entfal- nur sein bis auf die letzten sieben Se kun - tate, in den Medien euphemistisch als ten, bringt ihre Perspektiven durch die den durchorganisiertes Leben in ein ab- zweite Intifada bekannt, aus der der is - narrative Montage ihrer differenten Er - gründiges Chaos stürzen, sondern ihn raelische Schriftsteller Assaf Gavron, innerungen einander und dem Leser auf gewachsen in Jerusalem, London zum medial konstruierten nationalen näher als sie in der Realität und auch im und Vancouver, Sänger und Co-Autor Helden eines obsessiven Optimismus Roman jemals kommen – einen Hand - des Computerspiels „Peacemaker“ in auf steigen lassen, bis ihn Schuld gefüh le gra natenwurf weit. seinem nun in deutscher Übersetzung und posttraumatischer Stress, die fatale Assaf Gavron Dynamik des täglichen Terrors und sei ne Ein schönes Attentat. durch Barbara Linner vorliegenden Ro - Übers. v. Barbara Linner. man Ein schönes Attentat eine subtile, mediale Instrumentalisierung letztend- München: Luchterhand 2008 zynische und zugleich zutiefst humane lich die Kontrolle verlieren lassen über

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Limitiertes Platzkontingent; spezielle Buchungsklasse. Die Angebotsbedingungen weichen von Normaltarifen ab. Preise gültig für Abflüge im Zeitraum 01.07.-31.08.2008, inkl. aller Steuern/Gebühren/Kerosinzuschläge (Stand: 10.06.2008). Weitere Informationen bei EL AL unter 01-7007 32400 oder ITC Reisen unter 01-2125460.

Juni 2008/Siwan 5768 45 KULTUR • AUSSTELLUNGEN

Die Vielfalt der Stimmen tischen und kulturellen Lebens Is ra els. Wie der Journalist und Konzept - Zur Ausstellung „Overlapping Voices“ im Essl Museum künst ler Ronen Eidelman, der in Klos- ter neuburg eine Dokumentation seiner von Michaela Lehner jüngsten, von der Stadtver wal tung Tel Aviv geförderten Arbeit über das Manisha-Viertel, präsentiert, in welcher er auf die Rasenflächen des heutigen Charles Clore Parks die Straßenzüge des ehemaligen Vorort Jaffas proji- zierte, um die latente Präsenz der Ver - gangenheit in der Gegenwart und ihre Signifikanz sichtbar zu machen. So distanziert und historisch konsta- tierend Edelmans Arbeit ist, so pessi- mistisch zeigen sich Zoya Cherkasskys und Avdy Ter-Organians abstrakte Skulpturen der Landkarten Israels und der besetzen Gebiete über die Mög lich- keiten der Kunst und künstlerischer Repräsentation politische Prozesse zu beeinflussen oder gar zu generieren, während Yoav Weiss‘ In stallation zum Grenzzaun zwischen Israel und der Westbank die politische Realität mit einer ironischen Utopie konfrontiert. Kunst und Politik. Unter „www.BUYThewall.com“ wird der ohe Holzplatten, in ihrer Mitte ei - Besucher eingeladen Stücke des Grenz - ne sorgfältig geschlossene, mit Zwei KünstlerInnen der aktuellen zauns zu kaufen, sie als Tische oder Rfreiem Auge kaum wahrnehmbare Aus stellung „Overlapping Voices. Stühle in den Alltag zu integrieren. Tür, akribisch bemalt mit Kugel - Israeli and Palestinian Artists“ im schrei ber in grün, blau, schwarz und Museum Essl, mit denen zum einen Die Grenzen des Politischen, rot. Schlingpflanzen, Tiere, Frauen ge - bereits das Spektrum der hier ver- die Grenzen der Kunst. stalten, poetische Phantasiewesen, sammelten Arbeiten und Projekte die in ihrem Stil an die an der Grenze zweiundzwanzig KünstlerInnen is ra - Über Israel selbst, die gegenwärtige vom Realismus zum Surrealismus e lischer und palästinensischer Pro ve - künstlerische Reflexion des kulturell angesiedelten Naturdarstellungen nienz, zum anderen die Problematik Hen ri Rousseaus gemahnen, bedecken divergenten, pluralistischen Lebens in der Präsentation skizziert ist. Erklärte das Objekt „Home“ der ursprünglich Israel erfährt der Besucher in dieser Intention der auf österreichischer Sei te aus der Ukraine stammenden israeli- Auswahl leider sehr wenig, nur in von Karin Schneider und Frie demann schen Künstlerin Masha Zusman. Masha Zusmans Arbeit oder aus den Derschmidt Tal Adler Gegenüber eine Sammlung Plastiken , in Israel von und viel seitigen Fotographien „Tribal New des Palästinensers Osama Zatar, ge - der Sängerin Amal Murkus kuratierten Age“ Eyal Ben-Dovs, die einer span- stal tet aus unterschiedlichen Materi a- Ausstellung war es, die plakativen nenden, gleichsam ethnographischen lien, die der Künstler rund um seinen Polarisierungen und dichotomischen Bestandsaufnahme der israelischen Ge- Herkunftsort Ramallah fand, in der Zuschreibungen der komplexen Si tu - sellschaft gleichen. Ähnlich fokussiert, Mehrzahl von ihnen Köpfe mit ver- a tion im Nahen Osten aufzubrechen und damit begrenzt, gestaltet sich auch sperrten Mündern, verschlossenen Au- durch die Präsentation der vielschich- die Auswahl der palästinensischen gen, die in ihrer Materialität ebenso tigen Stimmen aus den israelischen Perspektive, wobei hier dem aufmerk- wie in ihrer Gestaltung einen subtilen, und palästinensischen Gesellschaften samen Betrachter doch eine wesentli- zugleich humorvollen und ironischen selbst, mediale Verkürzungen und che Differenz nicht entgehen kann: politischen Kommentar zum Alltag einen schematischen Diskurs aufzu- Wäh rend die meisten der israeli schen und dessen tödlicher Be dro hung brechen, Zwischenräume durch viel- KünstlerInnen ein differenzier tes, zu durch seine Ideologisierung liefern. fältige künstlerische Praktiken sicht- Kompromiss und Kritik be reites Bild „Life and Death by the Tongue“ etwa bar zu machen. Damit wird der im des Nahostkonfliktes zeichnen, sie an zeigt einen menschlichen Kopf mit Titel nicht genannte eminent politische NGO-Projekten partizipieren oder ih- Schlüsseln in Mund, Augen und Oh - Anspruch der Ausstellung manifest, re Werke selbst als Teil der politischen ren, im Hinterkopf den Teil einer Gra - denn viele der gezeigten Künstler be - Arbeit entstanden, ist nicht nur ein nate, sein Kiefer aus den Resten eines schäftigen sich in ihren Arbeiten nicht pa lästinensisches zivilgesellschaftli- Fleischwolfs, während „The Pri ce of nur mit den Strukturen der Zivilge - ches Engagement absent, sondern Revo lution“ einen menschlichen Kopf sell schaft, sondern sind auch selbst auch eine differenzierte, ideologiekri- gegen Geld aufwiegt. Aktivisten im gesellschaftlichen, poli- tische Perspektive nur selten, etwa in

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den Arbeiten Osama Zatars oder Ma nar auf den Nahostkonflikt beschränkte Zuabis anzutreffen. Zumal die vertre- Be griff des Politischen und Israels, tenen palästinensischen Künstler alle an dererseits das fast ausschließlich po- israelische Staatsbürger sind. Eine litische Kunstverständnis der Kura tor- Dokumentation dieser Tatsache ist in Innen lesbar, das damit einen weiten der Ausstellung leider nicht präsent, Teil der dynamischen Kunstszene Is - die israelischen Kuratoren Tal Adler ra els ausschließt. und Amal Murkus weisen darauf nur Politisch jedoch tatsächlich problema- im Gespräch hin, ebenso wie auf des- tisch und einseitig wird die Ausstel- sen Ursache. Künstler aus Gaza oder lung in den sie begleitenden Pro jek ten, der Westbank weigerten sich entwe- wie „Parrhesia. Through Language“, der aus politischen Gründen an einer durch geführt unter anderem von der Ausstellung mit israelischen Künst - Organisation Zochrot, die erneut das Bild einer hegemonialen, hebräisch- lern zu partizipieren oder fürchteten ©Bettina Mayr-Siegl ne gative Konsequenzen offizieller sprachigen Kultur Israels in Österreich reproduziert. Ehrenkreuz für Wissenschaft palästinensischer Institutionen oder und Kunst für Mary Steinhauser politscher Organisationen. Wer sich somit über Möglichkeiten Ein Leben im Dienst eines lebendigen Die Verengung der Perspektive auf Is- und Grenzen der Kunst für die Re - Demokratiebewusstseins rael in den Exponaten, die erneute und prä sentation und Intervention in den Mary Steinhauser gehöre zur Gruppe der erklärten Intention der Kura tor - Nahostkonflikt anhand einiger inter- jener Frauen, die den Aufbau einer In nen doch gegenläufige Reduk ti on essanter und vielschichtiger, mancher „neu en Gesellschaft“ nach Nazidikt a - der Präsentation Israels auf den Nah- ästhetisch etwas banaler und wenig tur, Verfolgung und Krieg in Öster- ost kon flikt, erklärt sich wohl auch aus innovativer Arbeiten informieren reich mitgetragen hätten, ihr Engage- dem spezifischen Kontext der österrei- möch te, wird im Essl Museum sicher- ment für Freiheit, Demokratie und chischen ebenso wie der israelischen lich einige neue und unbekannte Stim- Ge rechtigkeit habe wesentlich zur Zi - KuratorInnen, die ihr Schaf fen immer men entdecken. vil isierung unserer Gesellschaft beige- auch als ein politisches verstehen. Tal Über die vielseitige ge genwärtige tragen, so NR-Präsidentin Barbara Adler etwa, Künst ler, Foto graf und Kunstszene Israels, re zen te Tenden zen, Prammer. In einer Feie rstun de im Pa - Co-Kurator der Ausstellung, versteht mögliche nationale Charakteris ti ka lais Epstein wurde Mary Steinhauser sich selbst als sozialer Aktivist, der mit und ihre Einbindung in die internatio- am Vor abend ihres 70. Geburtstag das seinen künstlerischen Projekten wie nale Entwicklung er fährt der Besu cher Österrei chische Eh renkreuz für Wis - zu letzt in „unrecognized“ über die so- leider ebenso wenig, wie über die he te- sen schaft und Kunst überreichte. ziale Situation der Beduinen im Ne gev rogene und multikulturelle, dynami- Ausführlich würdigte Prammer vor versucht in den öffentlichen po liti- sche Gesell schaft Israels sechzig Jahre allem Steinhausers Engage ment in der schen Raum zu intervenieren oder gar nach der Staatsgründung. historischen Aufarbei tung der Shoa. politische Prozesse zu generieren. und verwies in diesem Zusammen- In der Auswahl der präsentierten “Overlapping Voices. Israeli and Pa - hang auf das „Toten buch Theresien- isra e li schen und palästinensischen lesti ni an Artists.“ Bis 26. Oktober im stadt“, das Steinhau ser gemeinsam mit Küns t ler wird damit einerseits der Essl Museum, Klosterneuburg. dem DÖW herausgegeben hat, und auf die Pflege der Shang haier Ghetto- Lis ten, deren Ori ginale Prammer bei ihrem Be such in Israel im Vorjahr der Ge denk stät te Yad Vashem übergeben. Mary Steinhauser, am 21. Mai 1938 in Wien geboren, feierte ihren 1. Ge burts- tag auf einem Schiff, als ihre Familie vor den Nazis nach Shanghai flüchtete. Sie war sieben Jahre alt, als am Ende des Krieges die Tore des Ghettos von Shanghai öffneten. In Wien bildet sie seit Mitte der 70er Jah ren das „Herz der Akt ion kritische Wähler“. Gewinnbringende Bewirtschaftung seit 1959 Hausverwalter Dkfm. Viktor Maier & Dr. Peter Maier Ges.m.b.H. Ankauf und Verkauf von Immobilien jeder Art A-1030 Wien Fasangasse 18 Tel.: 798 44 99 Fax:798 44 99-22 www.hausverwalter.at

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