Gang an Der Hfjs DISSERTATIONS
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DASMussaf MAGAZIN DER HOCHSCHULE FÜR JÜDISCHE STUDIEN HEIDELBERG 1/2012 MUSEOLOGIE: Ein neuer Studien- gang an der HfJS DISSERTATIONS- PROJEKT: Italienische Wissen- schaft des Judentums ANTRITTS- VORLESUNG: Frederek Musall über maimonidisches Denken INHALT 16 20 23 Désirée Martin, Christin Zühlke FOTOS: Das Heidelberger Modell: plurale Strukturen, vielseitige Angebote 3 EDITORIAL 14 LEHRE UND FORSCHUNG 14 Dissertationsprojekt: Francesca Paolin über die italienische 5 TSCHICK TSCHAK: Wissenschaft des Judentums Neues aus der Hochschule auf einen Blick 16 levinas-tagung – ein Bericht von Silvia richter 18 Antrittsvorlesung von Frederek Musall: 6 AUS DER HOCHSCHULE „Es wird anstrengend“ 6 Hochschulreden: Joachim Gauck über Freiheit 20 Ausleihen statt kaufen: Empfehlungen aus der Bibliothek 8 „Für den rest des lebens“: der neue roman von Zeruya Shalev 21 UNSERE ABSOLVENTEN ... auf einen Blick. Auf der großen Deutschlandkarte. 10 STUDIUM 10 Der Ben gurion-lehrstuhl und die europäische Moderne – 22 STUDIERENDENVERTRETUNG ein Bericht von Omar Kamil 12 Museologie: ein neuer Studiengang stellt sich vor 23 VERANSTALTUNGSKALENDER/IMPRESSUM TITELBILD Innenansicht des Hauptraums der Synagoge, der Männerschul, in Schnaittach gegen Osten, © Jüdisches Museum Franken, Fotograf: Dieter Kachelrieß, Nürnberg, 1996 mit Blick auf den Toraschrein EDITORIAL ETWAS ZUR JÜDISCH- THEOLOGISCHEN FAKULTÄT Liebe Leserinnen, liebe Leser, ühlke Z Wie stets könnte dieses Editorial Die Entwicklung der Jahrzehnte seit der Shoa, der Neuan- hristin C sich damit begnügen, die Erfolge, fang nach der Liquidation der jüdischen Bildungseinrichtun- Akzente und Perspektiven unse- gen und der Vertreibung und Ermordung ihrer Angehörigen Judith Weißbach rer Hochschule anzureißen. Die in der Zeit des Nationalsozialismus, verlief in Deutschland mit Désirée Martin, gibt es ja auch diesmal – die fol- auffallenden Ähnlichkeiten zur Situation vor 1933: Während FOTO: genden Seiten sind Beleg. Viel- nach und fraglos auch wegen der Shoa seit dem Ende der FOTOS: leicht wollen Sie, verehrte Leser, 1960er Jahre in der Bundesrepublik das Jüdische in Gestalt aber auch mehr zu einem Thema der Judaistik an den Universitäten Einzug halten und eine erfahren, mit dem Öffentlichkeit anfangs stark philologisch eingegrenzte Nische einnehmen und Politik in den vergangenen konnte, entstand daneben kaum planmäßig, aber stets in Ent- Monaten beschäftigt wurden: dem sprechung der sich wandelnden Bedürfnisse der wiederent- so dringlich vermittelten Projekt der Gründung einer jüdisch- standenen jüdischen Gemeinden eine ganze Reihe von Ein- theologischen Fakultät. richtungen, die einmal mehr für die Vielfalt im Innern stehen: das waren schon 1979 die Hochschule für Jüdische Studien Potsdam, Erfurt, Erlangen ... Heidelberg in Trägerschaft des Zentralrats der Juden in Deutsch- Diese Sache wurde ja zuletzt als Wanderpokal zwischen land, vor einigen Jahren dann das kleine Abraham Geiger Potsdam, Erfurt, Erlangen und womöglich weiteren Orten der Kolleg als liberal ausgerichtetes Rabbinerseminar sowie das Republik durchgereicht. Und es sollte da um die Einlösung Rabbinerseminar zu Berlin und andere mehr. eines unerfüllten Wunsches gehen, den Abraham Geiger und andere in den 1830er und 1840er vorgebracht hatten und der Alter Wein in alten Schläuchen seinerzeit von der preußischen Regierung mehrfach schnöde Keine Frage: eine jüdisch-theologische Fakultät à la Geiger abgewiesen wurde. Soweit ist die Geschichte unbestritten. besteht damit noch nirgendwo. Aber ist die Forderung aus Die Wissenschaft des Judentums schlug damals andere alten Tagen überhaupt noch aktuell und angemessen? Wir Wege ein und versammelte sich außerhalb der Universitä- bezweifeln das. Denn dann stellt sich auch die Frage, ob eine ten, bereits 1854 mit Zacharias Frankel im Jüdisch-Theolo- am Vorbild der kirchlichen Verhältnisse in Deutschland mo- gischen Seminar Fraenckel‘scher Stiftung zu Breslau, dann dellierte Theologisierung dem Fach Jüdische Studien in seiner 1872 durch die Gründung der Hochschule für die Wissen- Breite gut anstünde und – für die Gemeinden noch wichtiger – auch dem jüdischen Leben in Deutschland ange- «DAS HEIDELBERGER MODELL ENTSPRICHT messen ist. Damit aber nicht genug: Die Durchsetzung VOLLAUF DER FORMULIERTEN FORDERUNG eines solchen Projekts, durch wen und wo auch im- mer, könnte im Ergebnis und zum Schaden aller das DES WISSENSCHAFTSRATES.» Tuch zerschneiden, das die sorgsam ausbalancierte Landschaft der zunehmend binnendifferenzierten jü- schaft des Judentums in Berlin, schließlich durch die neo- dischen Gemeinschaft umspannt. orthodoxe Antwort auf diese Gründungen, das Hildesheimer- Im Grunde geht der Ruf nach Einlösung der alten Forde- sche Rabbinerseminar in Berlin 1873. Das waren Institute rung völlig an der Sache vorbei. Und an den Notwendigkei- von unterschiedlicher Ausrichtung, die aber eines gemein- ten. Unsere Hochschule bietet neben den Staatsexamensstu- sam hatten: eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung für diengängen für Jüdische Religionslehre denominationsoffen das Gemeindeamt anzubieten. Daneben entstanden Histori- eine akademische Rahmenausbildung für den Gemeinde- sche Kommissionen und Vereine, Museen und anderes mehr, dienst bis zum Rabbinat, die Rabbinerseminare tun das ihrige alles in allem ein breites Spektrum auf das Jüdische bezoge- bis zur Smicha – mehr braucht es nicht, ja mehr soll auch gar ner Institutionen und Vereinigungen, die manchmal belä- nicht sein. Denn einzig das Heidelberger Modell einer klar chelt und – man denke nur an Gershom Scholems beißende getrennten und zugleich aufeinander stufenden akademi- Kritik – auch bekämpft wurden, die aber den verschiedenen schen und gemeindeorientierten Ausbildung entspricht voll- Strömungen vielfältige Räume boten. auf der 2010 formulierten Forderung des Wissenschaftsrates Mussaf MAGAZIN DER HOCHSCHULE FÜR JÜDISCHE STUDIEN HEIDELBERG | 1/12 3 EDITORIAL nach Sicherstellung der akademischen Unabhängigkeit ge- laut Wissenschaftsrat eine eben nur „relative Erfolgsge- genüber den Bedürfnissen der religiösen Instanzen. Dagegen schichte“ – letztlich das Erbe des landesherrlichen Kirchen- bleibt das Fakultätenmodell der romantischen Gedanken- regiments aus der Zeit des Alten Reichs sind. Hier haben wir welt des 19. Jahrhunderts verhaftet. wirklich einmal einen „deutschen Sonderweg“ im Unter- schied zu den Verhältnissen in Frankreich, den U.S.A. und Wissenschaftsrat: Empfehlungen und Lesungen anderen Ländern vor uns. Und dieses Erbe wurde 1919 allein Man hätte das Wissenschaftsratspapier zur „Weiterentwick- zur Beschwichtigung der republikskeptischen oder -feindli- lung der Theologien und religionsbezogenen Wissenschaf- chen Haltungen der kirchlichen Eliten in der Weimarer Ver- ten“ vom Januar 2010 also gründlich missverstanden, wollte fassung fortgeschrieben. man daraus die Forderung ablesen, alle religionsbezogenen Wissenschaften müssten nun an der Universität aufgehobe- Doppelstrukturen sind doppelte Kosten ne Theologie werden. Zur Erinnerung: das Papier widmet Und so erscheint die Forderung nach einer jüdisch-theologi- sich der Frage nach dem, was die akademischen Fächer für schen Fakultät im Jahr 2012 einmal mehr weder als innova- die Vermittlung von Orientierungswissen über die Theologie tiv noch als zwingend; tatsächlich ist sie ein purer Anachro- hinaus leisten können und insbesondere, wie für die vielfach nismus. Ob es noch angemessen ist, bald hundert Jahre nach größere muslimische Gemeinschaft in Deutschland entspre- dem Abgang der Landesherren in einzelnen Bundesländern chende, bislang aber völlig fehlende Strukturen geschaffen die Pfarramtsausbildung ganz innerhalb der Universitäten werden können. Die Hochschule für Jüdische Studien Hei- angesiedelt zu behalten, mag dahingestellt bleiben. Immerhin delberg gilt dabei als Modell für Pluralität und alternative gibt es für die „gemeinsamen Anliegen“ (res mixtae) inner- Wege und nicht als Bereich, für den erst neue Strukturen halb des geltenden Staatskirchenrechts auch Platz für andere geschaffen werden müssten. Modelle, etwa die akademische Rahmenausbildung an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Geor- «DIE HOCHSCHULE FÜR JÜDISCHE STUDIEN gen in Frankfurt, also in freier Trägerschaft, die die geistliche Formung den beteiligten Bistümern über- HEIDELBERG GILT ALS MODELL FÜR PLURALITÄT lässt, ohne dass jemand die wissenschaftliche Qualifi- UND ALTERNATIVE WEGE IN DEN RELIGIONS- kation der Absolventen in Frage stellte. Samson Ra- BEZOGENEN WISSENSCHAFTEN.» phael Hirsch hat das im letzten seiner „Neunzehn Briefe“ von 1836 für seinen Teil weitsichtig auf den Punkt gebracht: „Dass die Kenntnis des Allgemeinen Im gleichen Zusammenhang hat der Wissenschaftsrat der des Besonderen vorangehen müsse.“ Beim Wissen- eine Bestandsaufnahme des Abraham Geiger-Kollegs als schaftsrat unserer Tage lautet das 2010 dann so: „Theologie nicht-akademische Einrichtung vorgenommen, das ansons- setzt sich im akademischen Diskurs einer methodisch fun- ten auf die Anbindung an die Universität Potsdam verwiesen dierten Kritik aus und bezieht sich zugleich auf den Glauben bleibt. Der Abstand ist klar und so auch festgestellt worden. der eigenen Religionsgemeinschaft […] als dem zweiten zen- Denn derselbe Wissenschaftsrat hat die Hochschule für Jüdi- tralen Bezugspunkt der eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit.“ sche Studien Heidelberg bereits 2009 institutionell akkredi- Am Ende zeigt sich, dass die Forderung nach einer jü- tiert, also in ihrer jetzigen Form und nach Ausweis ihres disch-theologischen Fakultät