Ausg. Nr. 66 • 28. November 2008 Unparteiisches, unabhängiges und kostenloses Magazin speziell für Österreicherinnen und Österreicher in aller Welt in vier verschiedenen pdf- Formaten • http://www.oe-journal.at Österreich hat eine neue Regierung Knapp zwei Monate nach der Wahl haben sich SPÖ und und ÖVP auf die Bildung einer Großen Koalition geeinigt. Das Kabinett Faymann endet im Oktober 2013, da die Legislaturperiode von bisher vier auf fünf Jahre verlängert wurde.

Von Michael Mössmer. Foto: BKA/HBF / Dragan Tatic

Am 2. Dezember 2008 wurde die neue Bundesregierung mit (r.) als neuen Bundeskanzler und Josef Pröll als neuen Vizekanzler und Finanzminister (l.) von Bundespräsident Heinz Fischer in der Präsidentschaftskanzlei angelobt.

och Anfang November sorgte die Kon- nommen werden“, um die Ausweitung der weiterer Arbeitslosigkeit führen. Dennoch be- Njunkturkrise für wesentliche Hemm- öffentlichen Investitionen, die Förderung gab man sich auf die Suche nach einer ge- nisse im Fortgang der Regierungsfindung von Unternehmensinvestitionen und die Ent- meinsamen Linie, auch wenn zu diesem nach der Neuwahl am 28. September 2008, lastung der Arbeitnehmer gewährleisten zu Zeitpunkt an einer schnellen Lösung gezwei- denn alle Verhandlungen wurden von der können – womit in Zeiten des Wirtschafts- felt wurde. Jedenfalls stieg durch die alar- Grundsatzfrage dominiert, ob und wie weit abschwungs die Konjunktur stabilisiert wer- mierenden Wirtschaftsnachrichten und die sich der Staat angesichts der Wirtschaftlage den könne, hielt die ÖVP dagenen, es dürfe düsteren -prognosen der Druck vor allem auf und der drohenden Probleme verschulden keine Schuldenexplosion geben. Überborden- die ÖVP, sich ausschließlich auf die Ver- solle. Während die SPÖ auf dem Standpunkt de Schulden auf dem Rücken unserer Kinder handlungen mit der SPÖ zu konzentrieren. stand, es solle nun „Geld in die Hand ge- dürfe es nicht geben, sie würden auch zu Lesen Sie weiter auf der Seite 3 ¾ ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 2 Die Seite 2

Aus dem Inhalt

Gemeinsam für Österreich 12 War mit großer Freude Kanzler 14 Molterer: Neuwahlentscheidung ist nicht leicht gefallen 15 BMWF-Fachenquete E-Voting 16 Republikausstellung eröffnet 19 »Kulturerbe als Kraftquelle nutzen« 21 Die neue Regierung S 3 Dem Reiche der Natur… S 53 30 Jahre Alpen-Adria 22 Grenzenlose Schweiz 23 Festakt in München 24 54. Österreich-Bibliothek 25 Smear Campaign & Going Bananas 26 ÖW beim Melbourne Cup 28 Derzeit keine Lichtblicke für Österreichs Industrie 30 Leitl: Kreditgewährung an Betriebe bald sicherstellen 31 BMWF-Enquete E-Voting S 16 Wirtschaft kaum mehr gewachsen 32 Egon Schiele-Ausstellung in St. Pölten S 70 Wohn(t)raum Waldviertel 33 Der VW-»Käfer« 34 Vorweihnachtliches Shoppen 35 Matador: 100 Jahre altes Spielzeug 36 Villach hat das innovativste Einkaufszentrum der Welt 40 Christbaum für den Vatikan 41 Eislaufen über den Dächern Wiens 42 wienXtra: kinder.kultur 43 Keine Lichtblicke für die Industrie S 30 Europas größter Schneemann 45 Zauber der Ferne im Wien Museum S 74 »Bewegende« Tramway-Geschichte 46 Zweite Haube für Europa Stüberl 48 »Dialogue of Civilizations« 49 Ehrung für Klaus Maria Brandauer 50 Ehrenpreis an Prof. Paul Lendvai 51 »Dem Reiche der Natur und seiner Erforschung« 53 Apeiron Biologics 61 Intercell in Wien ist »Technology Pioneer 2009« 63 Matador: 100 Jahre altes Spielzeug S 36 »Wien und der Tod« S 77 Steuert der Vollmond biologische Rhythmen? 64 »Patients in Focus 2009« 65 Die hohe Schule des Verkostens 66 Physikstandort Österreich 67 Drei Jahre eb-haus 68 Ein Phantom kehrt zurück 69 Egon Schiele — Das Werden eines Künstlers 70 Markus Schinwald in Bregenz 72 Zauber der Ferne im Wien Museum 74 Ehrenpreis für Prof. Paul Lendvai S 51 »Wien und der Tod« 77 Auch Stille Nächte klingen S 87 »Haydn-Jahr 2009« 84 Impressum: Eigentümer und Verleger: Österreich »Rigoletto« in St. Margarethen 86 Journal Verlag; Postadresse: A-1130 Wien, Dr. Scho- Auch stille Nächte klingen 87 ber-Str. 8/1. Für den Inhalt verantwortlicher Her- ausgeber und Chefredakteur: Michael Mössmer; Lek- Beste Nachwuchsfilme 89 torat: Maria Krapfenbauer. jede Art der Veröffentli- II. MA Filmfestival in Wien 90 chung bei Quellenangabe ausdrücklich erlaubt. Fotos Serie »Österreicher in Hollywood« - S. 1 und 2: BKA/HBF / D. Tatic; BMWF / O. Schal- Diesmal: Erich von Stroheim 91 ler; Bilderbox; Matador; HVB/Franz-Karl Nebua; ÖJ; NÖ Landesmuseum; Wien Museum; ARGE Traunsee: Glöckler vertreiben Stille Nacht Land Salzburg; Fotoclub Ebensee Rauhnacht-Geister 94 Brauchtum am Traunsee S 94

In Zsuammenarbeit mit dem Auslandsösterreicher-Weltbund und »Rot-Weiss-Rot« – http://www.weltbund.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 3 Innenpolitik

¾ Neben der Suche nach Wegen aus der Der gf. ÖVP-Bundesparteiobmann Josef Tage ihre Verhandlungen abschließen wür- Krise fanden also Koalitionsverhandlungen Pröll erklärte, es müsse es eine Einigung auf den. „Es geht ins Finale“, so Faymann, der zwischen SPÖ und ÖVP statt. SPÖ-Vor- die Eckpunkte der zukünftigen Finanzierung davon ausging, daß Ende November „Klar- sitzender Werner Faymann hatte im Anschluß des Landes geben, dann sei er optimistisch, heit darüber herrscht, ob noch eine offene an eine „große Runde“ mit der ÖVP am 30. daß bald eine Entscheidung über eine zu- Frage auszureden ist oder ob wir fertig sind.“ Oktober Optimismus verbreitet. Jeder der künftige Regierung getroffen werden könne. Zum Thema EU meinte Faymann, er Verhandlungsteilnehmer habe das Gefühl, „Die Volkspartei will mit erhöhter Intensität finde es gut, würde es zu einer Formulierung die Beteiligten seien gefordert, rasch, gut verhandeln, davor muß aber erst die Ba- kommen, die eine positive Kontrolle der EU und intensiv zu verhandeln. Alle, die am sisarbeit erledigt werden“, so Pröll weiter. beinhalte. „Sollte ein Nein für von der SPÖ Die ÖVP-Wähler hätten nicht die Volkspar- tei gewählt, „damit bei den Regierungsver- handlungen ein SPÖ-Parteiprogramm her- ausschaut – und umgekehrt genauso“. Das müßten beide respektieren und daher zu Kompromissen kommen, die beide gegen- über ihren Wählern vertreten könnten, be- tonte Pröll.

Zurückhaltung und Annäherung Sollte es keinen Kompromiß in diesen Budgetfragen geben, sei allerdings die ge- meinsame Basis für ein erfolgreiches Arbei- ten nicht da. Für die ÖVP sei klar: „Keine neuen Steuern, sondern eine Steuerreform, die die Menschen entlastet. Es muß alles getan werden, um die Wirtschaft anzukur- beln und Klein- und Mittelbetriebe zu unter- stützen. Immerhin bilden diese für 66 Pro- zent der Arbeitnehmer eine Heimat, indem sie Arbeitsplätze schaffen“, unterstrich Pröll. Neben der Frage der Finanzen stand zu diesem Zeitpunkt auch noch die Frage des Zugangs zu EU-Entscheidungen trennend zwischen den beiden möglichen Koalitio- nären. Zur Erinnerung: Vor der Wahl hatte SPÖ-Vorsitzender die SPÖ angekündigt, Änderungen in EU- ÖVP-Bundesparteiobmann Werner Faymann Josef Pröll (Foto: SPÖ / Zinner) Verträgen, die Österreich massiv beträften, (Foto: ÖVP / Loebell) nicht mehr nur ihm Parlament ratifizieren, Tisch säßen, bemühten sich, wenn auch mit sondern einer Volksbefragung unterziehen geforderte Volksabstimmungen gefordert verschiedenen Zugängen, um ein gemeinsa- zu wollen. Der damalige ÖVP-Obmann und werden, würde ich dies nicht unterschrei- mes Ergebnis. Es werde jetzt ohne Ruhetag Vizekanzler Wilhelm Molterer sah diese Aus- ben“, so Faymann. weiterverhandelt. Faymann: Es werde kei- sage ja als eindeutigen Bruch der Koali- ÖVP-Bundesparteiobmann Josef Pröll nen Tag geben, an dem nicht am Auftrag des tionsvereinbarung mit der SPÖ und löste klang damals, auf die entscheidende Koali- Bundespräsidenten, eine Regierung zu bil- damit die Neuwahl Ende September aus. tionsfrage angesprochen, ein wenig zurück- den, gearbeitet werde. Umso gespannter wartete die Öffentlichkeit haltender. „Man wirde sehen“, erklärte er, Ergebnisse gebe es, so Faymann damals, auf die Klärung speziell dieser Frage, hieß es „es sind schließlich noch einige wesentliche noch keine, er wolle aber auch „keine halb- doch aus der SPÖ, man würde von diesem Fragen ungeklärt – doch das Verhandlungs- fertigen Einigungen präsentieren. Die Be- Standpunkt nicht abrücken. klima ist freundschaftlich“. völkerung soll die Gewissheit haben, bevor Nach einer, so könnte man fast sagen, Für FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz- ein Ergebnis bekanntgeben würde“, sei dies freundschaftlichen Einigung der Noch-Koa- Christian Strache konstatierte, habe sich ein- reiflich überlegt worden. „Wer zu früh ein litionäre SPÖ und ÖVP auf Banken- und mal mehr als glühender Rot-Schwarz-Koali- Endergebnis verlautbart, hat dann alle Hände Konjunkturpakete zur Festigung der heimi- tionär erwiesen. Die SPÖ hänge nach wie voll zu tun, zu erklären, warum es nicht schen Finanzlage sieht es so aus, als wäre vor am Gängelband der ÖVP. Das hätten hält“, so Faymann der Weg frei für die vielzitierte „Koalition auch die Ausflüchte des SPÖ-Obmanns bei Auch zeitliche Limits wolle der SPÖ- neu“. der Frage nach Volksabstimmungen zu EU- Vorsitzende nicht setzen, wobei er natürlich Wie SPÖ-Parteivorsitzender Werner Fay- Themen gezeigt. „Faymann hat auch nicht betonte: „Je früher, desto lieber ist es mir. mann am 8. November im Ö1-Radio „Jour- darüber hinwegtäuschen können, daß die ach Und: Wenn man durchverhandelt, könnte nal zu Gast“ erklärte, habe man sich geei- so großartige Steuerreform nur ein Reförm- wir deutlich vor Weihnachten fertig sein.“ nigt, daß die Arbeitsgruppen der nächsten chen ohne nachhaltige Wirkung sind. Eine

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 4 Innenpolitik echte Steuerreform mit einem Konjunktur- noch kolportierter, später bestätigter Plan Funktion als Infrastrukturminister) – entge- paket muß mit 6 bis 7 Milliarden Euro finan- des Vorstandes der Österreichischen Post AG gen bisherigen Aussagen – die Schließung ziert werden“, stellte Strache klar. Die kom- in die Öffentlichkeit gelangte, bis zu 1000 Fi- von zunächst 24 Postämtern bereits im mende Bundesregierung werde genauso lialen schließen und rund 9000 Mitarbeiter Oktober genehmigt und das bereits ab dem dilettantisch weiterfuhrwerken wie die jetzi- bis zum Jahr 2015 entlassen zu wollen. Der ersten Quartal 2009. Nun wolle Faymann die ge. Zu großen Würfen seien weder Faymann Postmarkt wird sich nämlich in Österreich Schließung von Filialen in genau diesem noch Pröll bereit. „Die beiden Mittelparteien ab 2011 radikal verändern, denn zu diesem Zeitraum per Verordnung verbieten. Fay- werden nach wie vor versuchen, die Repu- Termin verliert die Post das Briefmonopol mann, der zwar die Verordnung erlassen hat, blik unter sich aufzuteilen. Das Duo Fay- und damit die entscheidende Einnahmequel- die der Post für die nächsten sechs Monate mann/Pröll unterscheidet sich in keiner le, aus der heute die Universaldienstleistung diesbezügliche Vorhaben untersagt, wies den Weise von Gusenbauer/Molterer.“ (jeden Tag an jeder Tür) mit deutlich zu ho- Vorwurf, er habe dem zumindest teilweise BZÖ-Generalsekretär Martin Strutz be- hen Personalkosten finanziert wird. Als Fol- zugestimmt, vehement zurück: „Ich werde zeichnete die Koalitionsverhandlungen als ge stehen der Post AG Umsatz- und Men- jeden Manager, der kein besseres Konzept „lediglich eine Schmieren- hat, durch einen besseren er- komödie, bei der die Öster- setzen.“ Das Post-Manage- reicher für dumm verkauft ment soll sich da nicht „raus- werden. In Wirklichkeit geht reden“ und er würde jeden- es SPÖ und ÖVP nur um die falls lieber einen neuen Ma- Absicherung ihrer eigenen nager suchen, als dem Vor- Ämter und Posten und nicht haben, 9000 Menschen zu wirklich um die Sorgen der entlassen, politisch zuzustim- Österreicher. Die rot-schwar- men. ze Einigung über das Budget ÖVP-Chef Josef Pröll ver- bringt vor allem eine Ent- langte vom Post-Management lastung für die Banken, Kran- eine absolute Versorgungs- kenkassen und anderen In- garantie und betonte, daß stitutionen nicht aber für die „vor allem die Versorgung für Menschen“, so Strutz. Was ältere und nicht mobile Men- Faymann präsentierte habe, schen im ländlichen Raum sei nichts anderes als ein gewährleistet bleiben muß“ Sorgte mit Schließungs- und Entlassungsplänen für einige Aufregung Placebo, das die Menschen in in der koalitionären Verhandlungsphase: die Österreichische Post AG und zeigte sich enttäuscht ihrem Zorn über die Miß- darüber, daß das Manage- wirtschaft von Rot und Schwarz beruhigen genverluste ins Haus, die die „Wettbewerbs- ment nur von Post-Standortschließungen und darüber hinwegtäuschen solle, daß das fähigkeit der Österreichischen Post AG ohne und Personalreduktion gesprochen habe. ganze Geld der Österreicher den Banken, der das Setzen von Maßnahmen“ gefährden wür- „Ich bin dagegen, die Köpfe rollen zu lassen, AUA und den von SPÖ und ÖVP in die de, wie sich der Postvorstand dann äußerte. die Köpfe sollen rauchen“, meinte Pröll, der Pleite geführten Krankenkassen zur Verfü- sich besonders darüber verärgert zeigte, daß gung gestellt werde. Diese Zwangsehe sei Post von Pröll sein potentieller Koalitionspartner SPÖ ein reines Machtkonglomerat, wo im Hinter- Nun könnte man meinen, bis zu den „keine klare Linie erkennen läßt“ und sah grund gewichtige Personen aus der Wir- Jahren 2011 bzw. 2015 würde noch einige die Gespräche ernsthaft belastet. „Was in tschaft und aus dem Bankenbereich die Fä- Zeit zur Verfügung stehen, notwendige den letzten Tagen passiert ist, hat das den zögen, ihre Eigeninteressen verfolgten Schritte zu unternehmen, ein nich unwesent- Vertrauen nicht unbedingt gestärkt“, so und Faymann und Pröll dabei lediglich licher Teil der abzubauenden Stellen könnte Pröll, der ankündigte , er würde das auch in Marionetten seien. durch Nicht-Nachbesetzen eingespart wer- seiner nächsten Verhandlung mit Faymann Werner Kogler, stv. Klubobmann sowie den, viele der Postdienstleistungen könnten deutlich ansprechen. Die war in Form eines Budget- und Finanzsprecher der Grünen, durch sogenannte „Postpartner“ erledigt Vier-Augen-Gesprächs für den 16. Novem- meinte, Fantasie und Mut für eine wirkliche werden, die unter Einhaltung besonderer ber auf Wunsch Prölls anstelle einer großen Steuerreform sei durch das ständige „Um- Voraussetzungen auch heute oft zur Kom- Verhandlungsrunde angesetzt. Danach ließ fallen“ der letzten Jahre völlig verloren ge- plettierung der Infrastruktur beitragen. Doch Pröll wissen, er habe die Gespräche bis zum gangen. „Für ein große Reform muß es verliefen die Debatten über dieses durchaus 20. November ausgesetzt und Faymann eine selbstverständlich Eingriffe in die Steuer- wichtige Thema recht hitzig. In vielen der Liste mit zehn Fragen überreicht, „deren struktur und damit Gegenfinanzierungen Meldungen war von dieser Zeitspanne keine Beantwortung dazu beitragen soll, spätere geben. Daß ausgerechnt die vollmundigen Rede, die Öffentlichkeit mußte also vorerst Auseinandersetzungen bzw. Streit in einer – Sozialdemokraten die von ihnen getrommel- den Eindruck haben, die Massenentlassun- möglichen – gemeinsamen Regierung zu te Vermögenzuwachssteuer fallen lassen, ist gen würden unmittelbar bevorstehen und vermeiden“. der erbärmliche Beweis für die Mutlosig- damit Tausende in die Arbeitslosigkeit drän- Tags darauf ließ Faymann dann wissen, keit“, so Kogler. gen. er habe den Fragenkatalog Prölls bereits be- Bis Mitte November schien noch alles Dann berichtete das Wochenmagazin antwortet. In einem Schreiben meinte Fay- halbwegs in Ordnung zu sein. Bis ein damals „profil“, Werner Faymann habe (in seiner mann, daß er die notwendige Basis herge-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 5 Innenpolitik stellt habe und der „sehr geehrte Herr Verhandlungen sind abgeschlossen wir in der Lage sind, eine gemeinsame geschäftsführende Bundesparteivorsitzende“ Doch Faymann und Pröll führten unbeirrt Regierung zu bilden, die sich von den letzten und „liebe Josef“ Pröll nun wieder an den ihre Koalitionsgespräche fort und traten am 20 Monaten unterscheiden soll“, bemerkte Verhandlungstisch zurückkehren würde. am frühen Abend des 23. November, also Faymann. Die neue Regierung solle sich Letzterer hatte dann die rasche Stel- nicht einmal zwei Monate nach der Wahl, durch Teamgeist, gute Zusammenarbeit und lungnahme des SPÖ-Vorsitzenden als Zei- gemeinsam vor die versammelte Presse: Die intensiven Einsatz dafür, daß Österreich von chen des guten Willens gesehen und sich mit Regierungsverhandlungen waren abgeschlos- den Auswirkungen der Finanzkrise erspart diesem und den Verhandlungsteams sozusa- sen, man hatte sich auf die Bildung einer bleibe, auszeichnen. Man habe es sich nicht gen in die Schlußrunde begeben. Und das wa Großen Koalition geeinigt: „Es gibt aus mei- leicht gemacht, so Faymann, vor allem in für Pröll nicht gerade einfach, mußte es ihm ner Sicht nur einen Gewinner: Das ist die Fragen der Konjunkturbelebung, der Verhin- doch gelingen, die Meinungsvielfalt inner- Glaubwürdigkeit in die Politik, daß wir bei- derung der Arbeitslosigkeit und dem Vor- halb seiner eigenen Partei auf eine Linie zu de behaupten können, wenn wir uns das ziehen der Steuerreform, um vor allem jene bringen: Ein Teil seiner Parteifreunde steht Regierungsprogramm ansehen, wir werden zu entlasten, die zwischen 1200 Euro und für die Koalition „neu“ mit der SPÖ, ein Teil nach der Wahl das erfüllen können was wir 4000 Euro verdienen. Aber man wolle auch

Schneller als von viele erwartet einigten sich SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann (li.) und ÖVP-Bundesparteiobmann Josef Pröll auf eine Zusammenarbeit in einer Großen Koalitionsregierung bis Herbst 2013 Foto: ÖVP / Benedikt Loebell wiederum ist massiv dagegen, ein weiterer vor der Wahl versprochen haben“, so SPÖ- Maßnahmen für alle anderen setzen, um die Teil empfahl der Partei sogar, eine Legisla- Vorsitzender Werner Faymann. Eine Regie- Wirtschaft und Beschäftigung anzukurbeln turperiode hindurch sich in der Oppositions- rung sei eine Form der Partnerschaft, die „und um das zu tun, was man sich von einer rolle zu regenerieren. Das wiederum waren zwar nicht die Unterschiede der Parteien Regierung erwartet, nämlich für das Land zu Stichworte für die Opposition: Sowohl FPÖ verleugne, die aber Entschlossenheit zeige, arbeiten“. als auch BZÖ zeigten sich bis zuletzt bereit, im gemeinsamen Weg für Österreich. „Da- Faymann führte aus, daß man Ausgaben Regierungsverantwortung zu übernehmen – her gibt es aus meiner Sicht keine Verlierer, von mehr als fünf Milliarden Euro vereinbart was ja, wegen der Fixierung Faymanns (er sondern als Gewinn etwas, was der Politik habe, um das Wachstums anzukurbeln und hat jede Koalition mit FPÖ und BZÖ kate- dringend nottut – Glaubwürdigkeit bei den international negativen Tendenzen entgegen- gorisch ausgeschlossen) schon aus rein rech- Wählerinnen und Wählern. Daß zwei Par- zuwirken. Diese betreffen die unterschied- nerischen Gründen nur eine Koalition mit teien, die das Beste für das Land wollen, in lichsten Bereiche wie etwa direkte Investi- der ÖVP bedeuten konnte –, die Grünen lies- der Lage sind, konsequent, gemeinsam und tionen, Banken, kleinere und mittlere Un- sen damit aufhorchen, eine SP-geführte engagiert zu arbeiten“, unterstrich Faymann. ternehmen aber auch den Forschungs- und Minderheitsregierung zu unterstützen. Das „Wir haben in sehr intensiven Ver- Bildungsbereich. Wer soviel an Investitionen sei, so die Bundessprecherin der Grünen, Eva handlungen, nachdem ich den Auftrag vom vereinbare, so Faymann, müsse auch über Glawischnig, keine optimale und auf lange Bundespräsidenten zur Bildung einer Bun- Sparmaßnahmen nachdenken, deshalb sei es Zeit stabile, aber dennoch eine gangbare desregierung erhalten habe, keine Zeit ver- nötig, die Vorschläge des Rechnungshofes Lösung gewesen. streichen lassen, um uns klarzuwerden, ob und auch die eigenen Einsparungsvorschläge

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 6 Innenpolitik Foto: SPÖ / Zinner

Das Team der SPÖ (v.l.): Andreas Schieder (Staatssekretär im Finanzministerium), Alois Stöger (Gesundheitsminister), Rudolf Hundstorfer (Sozialminister), Gabriele Heinisch-Hosek (Frauen- und Beamtenministerin), Laura Rudas (SPÖ-Bundesgeschäfts- führerin), Werner Faymann (Bundeskanzler), Günther Kräuter (SPÖ-Bundesgeschäftsführer), (Infrastrukturmini- sterin), Norbert Darabos (Verteidigungsminister), Claudia Schmied (Unterrichtsministerin) und Josef Ostermayer (Staats- sekretär für Medienagenden) genauso konsequent umzusetzen wie die wand“ zwischen der Regierung und der Be- Pröll skizzierte die Ecksteine der neuen geplanten Investitionen. völkerung geben dürfe, man müsse der Bundesregierung: Erstens gelte es die Zum Thema der EU-Volksabstimmung Bevölkerung zeigen, daß man in Zeiten der Wirtschaft – und gerade Klein- und Mittel- bemerkte Faymann, daß man beschlossen Krise zusammenstehe. betriebe – mit Konjunkturpaketen und kon- habe, einander in den Regierungsverhand- „Nach fünf Wochen harter Verhand- junkturbelebenden Maßnahmen zu stärken. lungen nicht zu überfordern. Deshalb habe lungen haben wir einen Boden für fünf Jahre Zweitens gehe es darum, die Menschen zu man festgelegt, daß man einander nicht gute Arbeit gelegt“, so der gf. ÖVP-Bun- entlasten, die täglich hart und fleißig arbei- überstimmen werde, dies gelte nicht nur für desparteiobmann Josef Pröll. „Das gemein- ten. „Daher ist eine der größten Steuerre- den Themenbereich Europa, sondern für alle same Ziel heißt Österreich“, so Pröll, der formen Österreichs ein Signal dafür, die Bereiche. „Würde es zu einer Überstimmung darauf verwies, daß es gerade in diesen Kaufkraft zu stärken. Mit dem Vorziehen der kommen, dann würde dies Neuwahlen aus- schwierigen Zeiten eine Regierung brauche, Steuerreform geben wir den Haushalten lösen“, so Faymann. Seiner Meinung nach „die auf der Höhe der Zeit die richtigen Geld. Zum dritten sei das Familienpaket mit bestehe noch genügend Zeit, die Stand- Antworten geben kann“. Die neue Bundes- 900 Millionen Euro eines der größten Pa- punkte zum Thema Europa zu klären, daß es regierung stehe vor der Bewältigung einer kete, das die Regierung für Kinder und möglich sein werde den Koalitionspartner zu Wirtschaftskrise, wie das Land sie noch Familien in Österreich umsetzen werde. überzeugen. nicht gesehen habe. „Das ist das anspruchs- Außerdem werde es eine Sicherheitsoffen- Verbessern wolle man auch die Abläufe vollste Projekt, das wir gemeinsam anzuge- sive geben, „damit sich die Menschen auch in der Regierung. Man habe vor, die Ko- hen haben.“ Die ÖVP werde sich mit der in Zukunft sicher fühlen können“, so Pröll. ordination auf verschiedenen Ebenen anzu- Verantwortung für die Kernressorts Finan- Es sei wichtig, Geld zu platzieren und den siedeln, so Faymann, aber es werde auch an zen, Wirtschaft und Außenpolitik auf die Menschen, der Wirtschaft und der Kon- ihm und Josef Pröll liegen, für eine gute Zu- Bewältigung dieser großen Krise konzentrie- junkturbelebung zu helfen. „Man darf aber sammenarbeit zu sorgen. Des Weiteren plane ren. „Die Grundlagen sind gelegt, die Arbeit trotzdem gerade in diesem Moment das Prin- man, nicht nur in Wien, sondern auch in den beginnt erst“, betonte Pröll. Es gelte jetzt, zip des ordentlichen Haushaltens nicht über Bundesländern Regierungssitzungen abzu- die Krise zu meistern, die Wirtschaft zu stär- Bord werfen.“ Pröll bezeichnete es als halten, denn man wolle keine Bundesregie- ken und den Menschen zu helfen. „Zu all „große Herausforderung für die Regierung, rung sein, die man nur dadurch kennen lerne, diesen drei großen Bereichen haben wir im diesen Bogen zu spannen“. wenn es einen neuen Streit gebe. Der SPÖ- Regierungsübereinkommen auch die ent- „Die ÖVP will diesen konstruktiven Weg Vorsitzende betonte, daß es keine „Glas- sprechenden Antworten gegeben“, so Pröll. einschlagen, Österreich energisch und ziel-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 7 Innenpolitik Foto: ÖVP / Benedikt Loebell

Das Team der ÖVP (v.l.): Reinhold Lopatka (Staatssekretär im Finanzministerium), Johannes Hahn (Wissenschaftsminister), Claudia Bandion-Ortner (Justizmionisterin), Reinhold Mitterlehner (Wirtschaftsminister), Josef Pröll (Vizekanzler und Finanz- ), (Innenministerin), Michael Spindelegger (Außenminister) Nikolaus Berlakovich (Landwirtschafts- und Umweltminister) und Christine Marek (Staatssekretärin im Wirtschafts-, Familien und Jugendministerium) gerichtet gemeinsam regieren. Es wird auch lition sei im Grunde ja schon vor den Wahlen Ideen und Reformen zum Schaden der Klippen geben, wo es nicht so einfach wer- ausgepackelt gewesen. Nach ein paar Wo- Menschen und des Landes. Rot und Schwarz den wird“, fügte Pröll an, aber ergänzte: chen Theaterdonner seien sich die beiden haben nichts dazugelernt. Die abgewählten „Der Wille ist insgesamt da.“ Das Regie- Busenfreunde Faymann und Pröll nun wie Parteien tun sich gegen den Willen der rungsübereinkommen könne sich im interna- nicht anders zu erwarten in die Arme gefal- Bevölkerung wieder zusammen. In Wahrheit tionalen Wettbewerb jedenfalls sehen lassen. len. geht es SPÖ und ÖVP nur um Machterhalt, In der EU-Frage habe man sich „aufein- Der Stillstand werde damit prolongiert, Posten und Proporz und nicht um die Arbeit ander zubewegt“, so Pröll. „Es gibt ein ge- echte Reformen seien von dieser Truppe für Österreich“, stellte der geschäftsführende meinsames klares Bekenntnis zur Weiterent- nicht zu erwarten, meinte Strache weiter. BZÖ-Obmann Herbert Scheibner in einer wicklung der EU, zu einer starken Stellung Das Duo Faymann-Pröll werde nicht anders ersten Reaktion auf die von Faymann und Österreichs in der EU. Eine starke Teilnah- verfahren als das Duo Gusenbauer-Molterer. Pröll verkündete Koalitionseinigung fest. me ist sicher gestellt. Zum zweiten sei gesi- Die EU-Hörigkeit sei schließlich der verbin- Offenbar sei die Einigung jetzt deshalb so chert, daß es gegen den Willen der ÖVP dende Kitt zwischen SPÖ und ÖVP. Daß im rasch erfolgt, um die ÖVP-Funktionäre am keine Volksabstimmung geben kann. „Das Koalitionspakt die Frage der Volksabstim- Parteitag vor vollendete Tatsachen zu stel- ist ein Weg, den wir gemeinsam gehen kön- mungen über EU-Themen ausgeklammert len. Damit habe man den vielen Funktionä- nen, der auch die Stellung der österreichi- worden sei, zeige überdeutlich, wohin die ren aus den Bundesländern, die massiv ge- schen Entwicklung in Europa entsprechend Reise gehe. Der angebliche „Wandel“ der gen eine rot-schwarze Koalition sind, die sichern kann“, unterstrich Pröll, der festhielt, SPÖ in dieser Frage habe sich damit endgül- Möglichkeit zur Mitbestimmung genom- daß durch die gemeinsam aufgenommen Re- tig als Lug und Trug erwiesen. men. „Nicht die Inhalte und die Lösungs- gierungsarbeit weder Konturen noch Unter- Angesichts dieses politischen Offenba- kompetenz sind für die Koalitionseinigung schiede verwischt werden sollten – die ÖVP rungseids von Rot und Schwarz komme die ausschlaggebend gewesen, sondern die werde ihren Beitrag für Österreich leisten. Arbeit der FPÖ als größter Oppositionspartei Angst vor dem Widerstand der ÖVP-De- nun noch mehr Bedeutung zu. „Wir werden legierten am Parteitag“, so Scheibner. Strache (FPÖ): Koalition der Verlierer dieser Verlierer-Koalition keine ruhige Mi- Scheibner erklärte, daß die Faymann-Pröll „Die Koalition der Verlierer ist jetzt also nute gönnen“, kündigte HC Strache an. Koalition von vornherein zum Scheitern ver- unter Dach und Fach“, kommentierte FPÖ- urteilt sei. „Streit und Stillstand werden auch Bundesparteiobmann HC Strache die Eini- Scheibner (BZÖ): Verliererkoalition diese Große Koalition prägen. Nicht einmal gung von SPÖ und ÖVP. Um eine Überra- „Jetzt ist es fix. In Österreich bildet sich die eigenen Parteifunktionäre wollen die schung handle es sich dabei nicht, die Koa- eine rot-schwarze Verliererkoalition ohne Koalition. Man kann sich daher leicht aus-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 8 Innenpolitik Foto: BKA/HBF / Dragan Tatic Angelobung der neuen Bundesregierung Faymann in den Amtsräumen von Bundespräsident Heinz Fischer in der Hofburg

denken, was die Österreicherinnen und Ös- schienen zu setzen: Statt das Steuersystem und war deshalb nicht in der Lage, das terreicher in den kommenden Monaten er- zu ökologisieren und den Faktor Arbeit end- umfangreiche Urteil auszufertigen. Erst wartet.“ Gerade in einer Zeit der Wirt- lich zu entlasten, stehe eine reine Entlastung wenn das abgeschlossen ist, kann sie zur schaftskrise wäre es notwendig, rasch Maß- der Besserverdienenden ins Haus; statt Ministerin berufen werden. nahmen zu setzen und die Menschen zu ent- Wirtschafts- mit Umweltpolitik zu verknüp- Den vorläufigen parteipolitischen Schluß- lasten beziehungsweise die Kaufkraft zu fen und damit neue Arbeitsplätze in neuen punkt unter die Spannung der letzten Wochen stärken. „Der Mittelstand und die klein- und Branchen zu schaffen, sei das Thema Klima- setzte der ÖVP-Bundesparteitag am 28. No- mittelständischen Unternehmen bleiben bei schutz ausgespart worden. Glawischnig: vember in der oberösterreichischen Bezirks- Rot-Schwarz wieder auf der Strecke. Auch „Diese große Koalition ist nicht nur auf- stadt Wels, wo Josef Pröll mit 89,6 der De- längst überfällige Reformen im Gesundheits- grund des Wahlergebnisses eine Miniaturaus- legiertenstimmen zum Nachfolger von Wil- bereich sowie Einsparungen in der Ver- gabe, auch das Programm ist höchstens ein helm Molterer zum Bundesparteiobmann waltung werden unter der Großen Koalition Programmchen.“ Umso mehr ist die Grüne gewählt wurde. Eine Abstimmung über das nicht kommen“, bedauert der BZÖ-Chef. Klubobfrau entschlossen, mit der neuen Koalitionsübereinkommen war nicht vorge- Stärke der Opposition alles daran zu setzen, sehen, weil der Parteivorstand Pröll schon Glawischnig (Grüne): Lippenbekennt- „den Schlendrian der vergangenen zwei drei Wochen zuvor mit weitreichende Voll- nisse und Absichtserklärungen Jahre zu Ungunsten Österreichs nicht mehr machten ausgestattet und einen Tag nach der „Österreich steckt in einer massiven durchgehen zu lassen. Es kann nicht sein, Einigung mit der SPÖ zugestimmt hatte. Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise, die daß die Bevölkerung wählen mußte, damit Doch Pröll bleibt noch einiges zu tun: Die weltweite Klimakrise wird zudem zur Fi- zwei schrumpfende Altparteien die Posten steirische ÖVP muß noch von den Vorteilen nanzkrise des Landes – milliardenschwere neu verteilen können.“ der neuen Koalition überzeugt werden. Kyoto-Strafzahlungen sind unabwendbar. Ungeachtet dessen trafen der künftige Die Koalition, die SPÖ und ÖVP nun ge- Regierungsteams standen schnell fest Bundeskanzler der Republik Österreich, schlossen haben, verspricht aber keine Lö- Bereits am 24. November standen dann SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann, sein sungen, sondern droht selbst zu einer Krise die beiden Regierungsteams fest. Als einzige Stellvertreter, der künftige Vizekanzler ÖVP- zu werden“, konstatiert Grünen-Chefin Eva Quereinsteigerin übernimmt die Richterin Bundesparteiobmann Josef Pröll und beide Glawischnig. Die Inhalte des Regierungs- Claudia Bandion-Ortner als – wie sie deut- Regierungsteams am 2. November in der Wie- programms – soweit bekannt – seien „mehr lich hervorhebt – Parteifreie das von der ner Hofburg ein und wurden dort von Bun- Lippenbekenntnisse und Absichtserklärun- ÖVP geführte Justizministerium. Nur zu despräsident Heinz Fischer auf die Bundes- gen als wirkungsvolle, zukunftsweisende Angelobung wird sie, die der Öffentlichkeit verfassung angelobt. Damit begann die Ära Maßnahmenpakete“. Einmal mehr verpaßte durch ihre Führung des BAWAG-Prozesses des Kabinetts Faymann, das bis 2013 die Ge- die immer kleiner werdende „große“ Koa- bekann wurde, am 2. Dezember nicht kom- schicke unseres Landes lenken soll. „ lition die Chance, Österreich auf Zukunfts- men können: sie ist an einer Grippe erkrankt http://www.austria.gv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 9 Innenpolitik Bundeskanzler Vizekanzler Werner Faymann Josef Pröll

Werner Faymann, SPÖ-Vorsitzen- Josef Pröll ist neuer Bundespartei- der, ist neuer Bundeskanzler. Er obmann der ÖVP. Er wurde am wurde am 4. Mai 1960 geboren, 14. September 1968 in Stockerau ist mit Martina Ludwig-Faymann geboren. Pröll lebt in Wien. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, seit 20 Jahren verheiratet und hat Flora (5) und Martina (17). einen Sohn und zwei Töchter. Faymann ist im 6. Bezirk aufge- Von 1978 bis 1986 besuchte Pröll wachsen, beide Elternteile waren das Bundesrealgymnasium Holla- immer in der Privatwirtschaft tä- brunn. 1993 schloß er das Stu- tig. Die anfänglichen Lebensver- dium der Agrarökonomie an der hältnisse haben seinen Zugang zur Universität für Bodenkultur Wien Wohnpolitik geprägt. ab. Er besuchte Volksschule und Pröll war Referent der Nieder- Foto: BMLFUW / Bernhard Kern Foto: SPÖ / Johannes Zinner Gymnasium in Wien, letzteres im österreichischen Landes-Land- 15. Bezirk. Die politische Sozialisation von Werner Faymann beginnt wirtschaftskammer und Referent im Österreichischen Bauernbund. in den siebziger Jahren im Gymnasium im 15. Wiener Bezirk. Er ist Er wirkte als Assistent der EU-Abgeordneten Agnes Schierhuber, als dort in der Schülervertretung aktiv, später auch im Wiener Lan- Direktor des Wiener Bauernbundes, als Kabinettschef des Bundes- desschülerbeirat sowie in der Sozialistischen Jugend (SJ). 1981 wird ministers Wilhelm Molterer und als Direktor des Österreichischen er Landesvorsitzender der SJ, er übt diese Funktion bis 1987 aus. Bauernbunds. Vom 28. Februar 2003 bis 2. Dezember 2008 (Bundes- Prägend war für ihn auch das Engagement bei der Aktion „Schüler regierungen Schüssel II und Gusenbauer) war er Landwirtschafts- gegen das AKW“ gegen das Atomkraftwerk in Zwentendorf. und Umweltminister. Er war das jüngste Mitglied der österreichi- Die Universität besucht Faymann berufsbegleitend wie eine Volks- schen Bundesregierung. hochschule und hört Vorlesungen aus Jus und Kunstgeschichte. Als Pröll war Leiter einer ÖVP-Perspektivengruppe, die 2007 Vorschläge jüngstes Mitglied zieht er 1985 in den Wiener Landtag ein und wird für eine Neuausrichtung der Partei ausarbeitete. Nach Verlusten bei Konsulent für die Wiener Zentralsparkasse. der Wahl am 1. Oktober 2006 versuchte die ÖVP eine gesellschafts- Die Mietervereinigung holt ihn im Jahr 1988 in die Geschäfts- politisch liberalere Linie zu finden. Dabei kam es zu Konflikten zwi- führung, er wird Landesvorsitzender der über 100.000 Mitglieder schen dem katholisch-konservativen und dem liberalen Flügel der starken Konsumentenschutzorganisation für Mieter. Partei. Von dort wird er vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl 1994 als Einen Tag nach der Nationalratswahl in Österreich 2008 trat Pröll amtsführender Stadtrat für Wohnbau und Stadterneuerung in die neben Wilhelm Molterer als geschäftsführender Parteiobmann auf. Landesregierung berufen. In seinem Ressort verwaltet er einen Um- Am 28. November 2008 wurde er auf dem Parteitag der ÖVP in Wels satz von 1,5 Milliarden Euro im Jahr. mit 89,6% der Delegiertenstimmen zum neuen Bundesparteivorsitzen- Im Jänner 2007 wird Faymann als Bundesminister für Verkehr, Inno- den gewählt. Wenige Tage zuvor hatte er die Koalitionsverhand- vation und Technologie Mitglied der österreichischen Bundes- lungen mit der SPÖ über eine neuerliche Regierungszusammenarbeit regierung. zum Abschluß gebracht.

Berufliche Tätigkeiten und Funktionen: Berufliche Tätigkeiten und Funktionen:  1985 - 1988: Konsulent der Zentralsparkasse  06/93-03/98 Referent der NÖ Landes- Landwirtschaftskammer  1988: Geschäftsführer und Landesvorsitzender der Wiener  04/98-08/2000 Wirtschaftpolitischer Referent im Österreichi- Mietervereinigung schen Bauernbund  1985 – 1994: Mitglied des Wiener Landtages und Gemeinderates  04/98-08/2000 Assistent der Abgeordneten im EU-Parlament  1994 – 2007 Amtsführender Stadtrat für Wohnen, Wohnbau und Agnes Schierhuber Stadterneuerung, Präsident des Wohnfonds Wien - Fonds für  01/99-08/2000 Direktor des Wiener Bauernbundes Wohnbau und Stadterneuerung (WBSF) und Vizepräsident des  15.08.2000 bis 30.11.2001 Kabinettschef von Bundesminister Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF) Wilhelm Molterer im Bundesministerium für Land- und  seit Jänner 2007: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Technologie  01.12.2001-28.02.2003 Direktor des Österr. Bauernbundes  Juni 2008 - August 2008: geschäftsführender Vorsitzender der  2003 - 2008 Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) Umwelt und Wasserwirtschaft  seit 8. August 2008: Vorsitzender der Sozialdemokratischen  seit 28.11.2008 Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei Partei Österreichs (SPÖ)  seit 23.11.2008 Bundesminister für Finanzen

Aus: http://www.werner-faymann.at Aus: http://de.wikipedia.org/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 10 Innenpolitik Bundesministerinnen und -minister

Gabriele Heinisch-Hosek (SP) Rudolf Hundstorfer (SP) Doris Bures (SP) Frauen- und Beamtenministerin Sozial-, Arbeits- und Konsumenten- Infrastrukturministerin bisher nö. Landesrätin schutzminister, bisher ÖGB-Präsident bisher SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Foto: BKA/Jäger Foto: ÖGB / Christina Häusler Foto: www.peterrigaud.com

Alois Stöger (SP) Norbert Darabos (SP) Claudia Schmied (SP) Gesundheitsminister, bisher Obmann Landesverteidigungsminister, war das Unterrichtsministerin der OÖ. Gebietskrankenkasse auch bisher; auch zuständig für Sport war das auch bisher Foto: BMGFJ Foto: BMLV / HBF Foto: BKA/HBF / Andy Wenzel

Maria Fekter (VP) Claudia Bandion-Ortner Michael Spindelegger (VP) Innenministerin Justizministerin (parteifrei) Außenminister war das auch bisher bisher Richterin am LG Wien bisher Zweiter Nationalratspräsident Foto: ÖVP / Bettina Mayr-Siegl Foto: ÖVP / Benedikt Loebell Foto: ÖVP / Andi Bruckner

Reinhold Mitterlehner (VP) Johannes Hahn (VP) Nikolaus Berlakovich (VP) Wirtschaftsminister; bisher Ministerium für Wissenschaft Landwirtschafts- und Umweltminister Gen.-Sekr. der Wirtschaftsbundes und universitäre Forschung bisher bgld. Landesrat Foto: ÖVP / Bettina Mayr-Siegl Foto: ÖVP / Jürg Christandl Foto: BMLFUW/Ingrid Sontacchi

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 11 Innenpolitik Staatssekretärinnen und -sekretäre

Christine Marek (VP) Josef Ostermayer (SP) Reinhold Lopatka (VP) Andreas Schieder (SP) Ministerium für Wirtschaft, Staatssekretär für Staatssekretär im Finanz- Staatssekretär im Finanz- Familien und Jugend; war Medienagenden; bisher ministerium; bisher ministerium; bisher das auch bisher Kabinettchef im BMVIT Staatssekretär für Sport Beamtenstaatssekretär Foto: ÖVP / Markus Hammer Foto: BKA/HBF / Peter Lechner Foto: ÖVP / Andi Bruckner Foto: SPÖ / Ludwig Schedl

Nicht mehr in der Regierung vertreten sind: Bundeskanzler Alfred Kdolsky, Außenministerin Ursula Plassnik (siehe Seite 16), Frauen- Gusenbauer, Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer, Wirt- ministerin Gudrun Silhavy, Staatssekretär Hans Winkler (Außen- schaftsminister Martin Bartenstein, Justizministerin Maria Berger, ministerium), Staatssekretärin Christa Kranzl (Verkehrsministerium) Sozialminister Erwin Buchinger, Gesundheitsministerin Andrea und Staatssekretär Christoph Matznetter (Finanzministerium)

Fritz Neugebauer zum Zweiten Präsidenten des Nationalrats gewählt

ritz Neugebauer wurde am 3. Dezember Abgeordneter Peter Westenthaler (BZÖ) binden. Er appellierte in diesem Zusammen- Fmit 124 Stimmen von 180 abgegebenen, wiederum setzte in Neugebauer die Erwar- hang an die Koalitionsfraktionen, in dieser davon 162 gültigen Stimmen zum Zweiten tung, einen Verbündeten zu haben, wenn es den Nationalrat selbst betreffenden Frage al- Präsidenten des Nationalrats gewählt. Die um ein Parlament mit Rückgrat, mit Hart- le Parteien einzubinden und die Minder- Wahl war notwendig geworden, da der bis- heitsrechte auszubauen. Diese Bitte richtete herige Zweite Nationalratspräsident Michael er auch an Neugebauer, obwohl er diesen in Spindelegger zum Außenminister ernannt seiner Funktion als Bildungssprecher als wurde. wenig reformfreudig erlebt habe. Die Grü- Von Rednern aller Fraktionen wurde nen hätten sich auch die Nominierung einer Neugebauer im Vorfeld der Wahl ein Ver- Frau erhofft, unterstrich Brosz. trauensvorschuß für sein neues Amt mitge- Vor der Regierungserklärung des neuen geben. So meinte etwa Klubobmann Josef Bundeskanzlers Werner Faymann, erfolgte Cap (SPÖ), er erwarte sich von Neugebauer, zu Beginn der Sitzung die Angelobung von dass sich dieser für den Ausbau der Demo- elf Abgeordneten. Sie folgen Doris Bures, kratie einsetzen werde. Klubobmann Karl- Norbert Darabos, Werner Faymann, Andreas heinz Kopf (ÖVP) nannte Neugebauer einen Fritz Neugebauer (VP) Schieder (alle SPÖ) sowie Maria-Theresia Zweiter Nationalratspräsident engagierten und erfahrenen Abgeordneten, Foto: ÖVP / Bettina Mayr-Siegl Fekter, Johannes Hahn, Reinhold Lopatka, der sich immer für die Interessen der Ar- Christine Marek, Reinhold Mitterlehner, beitnehmerInnen eingesetzt habe. Neuge- näckigkeit und Verantwortungsbewußtsein Josef Pröll und Michael Spindelegger (alle bauer sei konsensfähig und ein Mann mit gehe. Die Situation sei nämlich einzigartig, ÖVP), die in die Bundesregierung gewech- Handschlagqualität. nachdem im Koalitionsübereinkommen fest- selt sind und ihr Mandat zurückgelegt haben. Ebenfalls positiv, aber doch mit einigen gelegt ist, daß sich die beiden Regierungs- Von den an diesem Tag angelobten Mit- kritischen Untertönen fielen die Wortmeldun- fraktionen nicht überstimmen dürfen. Damit gliedern des Nationalrats übernimmt nur Ab- gen der Opposition aus. Klubobmann Heinz- wollten sich die Regierungsparteien aussu- geordneter Johannes Schmuckenschlager Christian Strache (FPÖ) bemerkte, er schät- chen, wie das Parlament zu handeln hat, (ÖVP) zum ersten Mal ein Mandat. Die Ab- ze Neugebauer und anerkenne dessen Lei- stellte Westenthaler fest, weshalb man ein geordneten Christine Muttonen, Johann stungen. Dieser sei eine streitbare Persön- starkes Parlament brauche. Maier, Gabriele Binder-Maier, Sabine Ober- lichkeit, bei der man wisse, woran man sei. Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne) knüpf- hauser (alle SPÖ), Wolfgang Großruck, Jo- Er, Strache, erhoffe sich, daß Neugebauer te daran an und kritisierte, daß SPÖ und chen Pack, Gertrude Aubauer, Norbert Ka- seine zukünftige Aufgabe verantwortungs- ÖVP sogar Vereinbarungen über eine Re- peller und Erwin Rasinger (alle ÖVP), ge- voll und objektiv erfülle und bemüht sei, den form der Geschäftsordnung des Nationalrats hörten bereits in vorangegangenen Gesetz- Parlamentarismus zu stärken. getroffen haben, ohne die Opposition einzu- gebungsperioden dem Hohen Haus an. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 12 Innenpolitik Gemeinsam für Österreich Die Präambel des Regierungsprogramms für die Jahre 2008 bis 2013

ie beiden Koalitionsparteien SPÖ und Europa hat sich in dieser schwierigen Sicherheitsorganen mehr Personal und die DÖVP wollen in der Bundesregierung Situation als starker Schutz für unser Land notwendigen rechtlichen und technischen und den beiden Klubs im Parlament zusam- erwiesen. Mit dem Euro haben wir eine star- Mittel zur Verfügung. Damit Österreich menarbeiten, um Österreich in den nächsten ke und stabile Währung, durch die enge und eines der sichersten Länder der Welt bleibt. fünf Jahren weiter nach vorne zu bringen. gute Zusammenarbeit der Mitgliedsländer Eine Stärkung der Justiz zur Sicherung Die Herausforderungen an die Politik haben wir rasche und richtige Maßnahmen ihrer Unabhängigkeit gewährleistet den sind groß. Zu Beginn der Legislaturperiode setzen können. Rechtsstaat, der eine der tragenden Säulen stehen wir vor wirtschaftlich sehr schweren Deshalb bekennen wir uns uneinge- unserer Republik bildet. Zeiten, die wir gemeinsam mit den Men- schränkt zum Europäischen Einigungswerk. Ein starkes Bundesheer garantiert die schen und der Wirtschaft bewältigen wol- Nur so können wir die Chancen und vielfäl- Sicherheit unserer Souveränität, muß der len. tigen Möglichkeiten, die uns die Euro- Bevölkerung im Katastrophenfall wirkungs- Wir treten für Wachstum und die Siche- päische Union bietet, auch nutzen. Dabei voll zur Seite stehen, solidarisch zu Maß- rung der Arbeitsplätze ein. Mit zwei Kon- werden wir uns dafür einsetzen, daß sich nahmen im Rahmen der Europäischen Si- junkturpaketen und einer Entlastung für alle Europa verstärkt in den Bereichen Wachs- cherheits- und Verteidigungspolitik beitra- Lohn- und EinkommenssteuerzahlerInnen tum, Beschäftigung, Soziales, nachhaltige gen und sich an internationalen Maßnahmen und der Familien werden wir dazu einen Klima- Umwelt- und Verkehrspolitik sowie der Friedenssicherung und Katastrophen- wichtigen Beitrag leisten. Dadurch soll die Konsumentenschutz engagiert. hilfe beteiligen können. Kaufkraft und die Nachfrage belebt werden. Der soziale Zusammenhalt in Österreich Die Grundlage für alle diese Maßnahmen Für die Unternehmen bieten wir Anreize zu wird durch zahlreiche Maßnahmen im bietet ein solider und gesunder Staatshaus- Investitionen, die gerade angesichts der Sozialbereich abgesichert. Die sozialen halt. Deshalb bekennen sich beide Regie- Wirtschaftslage notwendig sind. Der Ausbau Netze – Gesundheitsversorgung, Pensionen rungsparteien zu einem über den Konjunk- einer modernen und zukunftssichernden usw. – werden durch Reformmaßnahmen turzyklus ausgeglichenen Haushalt und den Infrastruktur wird ebenso wie eine nachhal- und eine nachhaltige Finanzierung dauerhaft dafür notwendigen Konsolidierungsmaßnah- tige Umwelt-, Klimaschutz- und Landwirt- auf gesunde Beine gestellt. men. schaftspolitik zur Sicherung der hohen Le- Wir achten bei unseren Maßnahmen auf Wir laden alle Bürgerinnen und Bürger, bensqualität in Österreich forciert. Ausgewogenheit: Den aktiven Beitragszah- die anderen politischen Parteien, die Sozial- Gleichzeitig wollen wir durch massive lern werden keine untragbaren Bürden aufer- partner, Interessensvertretungen und Nicht- Investitionen in Bildung, Wissenschaft und legt, gleichzeitig sollen die Menschen, die Regierungs-Organisationen dazu ein, ge- Forschung die Grundlagen auch für den zu- auf die sozialen Netze angewiesen sind, Si- meinsam mit uns am Erfolg Österreichs zu künftigen Wohlstand unseres Landes absi- cherheit haben. Schließlich wollen wir auch arbeiten. chern und damit unserer Jugend die besten für die Jugend durch diese Ausgewogenheit Startchancen in das Berufsleben bieten. Dies sicherstellen, daß diese Leistungen auch in Gemeinsam arbeiten geht vom verpflichtenden, kostenlosen, letz- der Zukunft zur Verfügung stehen. Die Sozialdemokratische Partei Öster- ten Kindergartenjahr über weitere Reformen Familien sollen durch ein neues einkom- reichs (SPÖ) und die Österreichische im Schulbereich bis hin zur Stärkung der mensabhängiges Kinderbetreuungsgeld und Volkspartei (ÖVP) bilden eine gemeinsame Fachhochschulen und Universitäten. Damit die Stärkung der Väterbeteiligung nach der Bundesregierung mit dem Ziel, in der XXIV. geben wir den jungen Menschen die Chance, Geburt neue Möglichkeiten erhalten, Beruf Gesetzgebungsperiode auf der Grundlage in einer globalisierten und immer enger ver- und Familie besser zu vereinbaren. Die Re- des gemeinsam erarbeiteten Regierungspro- netzten Welt erfolgreich bestehen zu können. gierungsparteien werden gemeinsam mit den gramms in der Bundesregierung, im Parla- Der Erhalt und Ausbau der kulturellen Sozialpartnern einen nationalen Aktionsplan ment und in den Organen der Europäischen Vielfalt und eines offen kulturellen Klimas, für Gleichstellung erarbeiten, um die Er- Union konstruktiv und zielorientiert zusam- die besondere Förderung des zeitgenössi- werbsbeteiligung und die Einkommens- menzuarbeiten. schen Kunstschaffens und der kulturellen entwicklung von Frauen zu verbessern. Das gemeinsam erarbeitete Regierungs- Partizipation sind für die Bundesregierung Da es ohne Sicherheit keine Freiheit gibt, programm ist in der Bundesregierung und im zentrale politische Aufgaben. Unser Ziel ist werden die Koalitionsparteien die politi- Parlament umzusetzen. Dabei werden wich- es dabei, möglichst vielen Menschen die schen Rahmenbedingungen so gestalten, daß tige Entscheidungen in der Bundesregierung Teilhabe an der Wissenschaft- und Infor- die Freiheit des Einzelnen größtmöglich ist. und im Parlament (Nationalrat und Bundes- mationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu Wir möchten den Menschen in möglichst rat) gemeinsam getroffen und gemeinsam in ermöglichen. vielen Bereichen Wahlfreiheit zusichern. der Öffentlichkeit vertreten. Die Koalitionsparteien sehen den Sport Andererseits ist der Staat aber verpflich- Die parlamentarischen Fraktionen der als bedeutende Querschnittsmaterie der Ge- tet alle Möglichkeiten auszuschöpfen, seine Koalitionsparteien und deren Klubobleute sellschaft und als Partner in der Gesund- BürgerInnen vor Kriminalität zu schützen. stimmen parlamentarische Entscheidungen heitsprävention. Dafür stellen wir der Polizei und den im Interesse einer sachlichen Kooperation

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 13 Innenpolitik

zeitgerecht ab und stellen ein gemeinsames Steuerreform 2009 (Auszug) Vorgehen der Koalitionsparteien im Parla- Es wird eine Steuerreform mit Inkrafttreten am 1.1.2009 mit folgenden Eckpunkten ment sicher. Dies gilt auch für Verfahrens- vereinbart: anträge und für Anträge anderer Parla- 1) Lohn- und Einkommenssteuertarif mentsfraktionen (insbesondere auch für Damit erfolgt die Entlastung aller Personen, die Lohn- und Einkommenssteuer bezahlen, Anträge auf Einsetzung von Untersuchungs- insbesondere des Mittelstandes. Daher wird eine Einkommensteuertarifentlastung mit ausschüssen, Fristsetzungsanträge, Zitierung einem Volumen von 2,2 Mrd. Euro von Regierungsmitgliedern) sowie hinsicht- vereinbart: lich der Wahrnehmung der Mitwirkungs-  Die Grenze, ab der für ein Einkommen Steuern bezahlt werden muß, wird von 10.000 rechte des Hauptausschusses bzw. dessen auf 11.000 Euro angehoben. Unterausschuss in EU-Angelegenheiten.  Für den Mittelstand werden die Einkommensteuersätze reduziert bzw die Tarifstufen Die Mitglieder der Bundesregierung er- angehoben. Die neuen Tarifstufen sind: klären sich bereit, in regelmäßigen Abstän- Einkommen Durchschnittssteuersatz Grenzsteuersatz Fälle den den Abgeordneten des anderen Koali- tionspartners die Gelegenheit zu einer Aus- Bis 11.000 € 0 % 0 % 2.700.000 sprache über aktuelle Fragen der gemeinsa- bisher 10.000 € bisher 2.540.000 men Regierungsarbeit zu geben. Die beiden Regierungsparteien suchen Bis 25.000 € 20,44 % 36,50 % 2.400.000 auf Basis des Regierungsprogramms den bisher 25.000 € bisher 23 % bisher 38,33 % bisher 2.580.000 Dialog mit allen im Parlament vertretenen Bis 60.000 € 33,73 % 43,21 % 1.235.000 Parteien. Dazu gehört auch, daß über deren bisher 51.000 € bisher 33,5 % bisher 43,60 % bisher 1.145.000 Vorschläge sachlich und konstruktiv beraten wird und allenfalls – sofern sich beide 50 % 200.000 Regierungsparteien darauf verständigen – bisher 270.000 eine Beschlußfassung erfolgt. Die Koalitionsparteien unterstützen we- Freibetrag für einkommensteuerpflichtige Selbständige der regional noch bundesweit Volksbegehren Die Sechstelbegünstigung gem § 67 EStG ist derzeit nur Lohnsteuerpflichtigen zugänglich. oder Volksbefragungen, die gegen Vorhaben Als Äquivalent für die einkommensteuerpflichtigen Selbständigen wird im Zuge der Steuer- des gemeinsamen Regierungsprogramms reform mit Wirksamkeit ab 2010 der Freibetrag gem. § 10 EStG von derzeit 10 Prozent gerichtet sind. auf 13 Prozent erhöht und für alle betrieblichen Einkunfts- und Gewinnermittlungsarten Beide Koalitionsparteien verpflichten zugänglich gemacht. Im Interesse der kleinen und mittleren Einkommen bei den Selbstän- sich, einen auf die Durchführung einer digen entfällt für Gewinne bis € 30.000 Euro die Investitionsbedingung. Im Gegenzug wird Volks-abstimmung gerichteten parlamentari- die Begünstigung unter anderem für nicht entnommene Gewinne (§ 11a EStG) gestrichen. schen Antrag bzw. ein solches Verlangen von 2) Entlastung für Familien mit Kindern Mitgliedern des Nationalrates oder des  Eine umfassende Entlastung für Familien steht im Vordergrund. Sie leisten einen ent- Bundesrates (Art. 43 und 44 B-VG) nicht scheidenden Beitrag für die Zukunft unserer Gesellschaft. Daher wurde eine gegen den Willen der jeweils anderen Koa- Familiensteuerentlastung mit einem Volumen von 500 Mio. € mit folgenden litionspartei zu stellen oder zu unterstützen. Eckpunkten vereinbart. Die in diesem Vertrag vereinbarte Zu-  Einführung eines Kinderfreibetrags in Höhe von 220 €/Kind für alle Kinder. Ein sammenarbeit zwischen der Sozialdemo- Freibetrag vermindert das zu versteuernde Einkommen. Jene Person, die für ein Kind kratischen Partei Österreichs (SPÖ) und der unterhaltspflichtig ist, darf den Kinderfreibetrag geltend machen: Machen diesen beide Österreichischen Volkspartei (ÖVP) gilt als geltend, steht je Elternteil ein Freibetrag von 60 % zu. beendet, wenn gegen den Willen einer  Erhöhung der Kinderabsetzbeträge (KAB) von 610 € auf 700 € für alle Kinder. Der Koalitionspartei im Plenum oder in den Kinderabsetzbetrag wird monatlich als direkter Transfer ausbezahlt. Ausschüssen des Nationalrates mit Stimmen  Kinderbetreuungskosten (Krippen, Tagesmütter, Kindermädchen, Kindergärten etc.) von Abgeordneten der anderen Koalitions- werden bis zum 10. Lebensjahr des Kindes bis zu 2.300 €/Jahr/Kind absetzbar (ver- partei ein Beschluß gefaßt wird. Gleiches mindert das zu versteuernde Einkommen). Dieser maximale Absetzposten kann wahl- weise von einem Elternteil oder aufgeteilt in Anspruch genommen werden. In gilt, wenn auf Grund der Unterstützung Kooperation mit den Ländern und Gemeinden soll sichergestellt werden, dass deren durch Abgeordnete einer Koalitionspartei Kostengestaltung für Kinderbetreuung in das neue Modell der steuerlichen gegen den Willen der anderen Koalitions- Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten eingepasst wird. Steuerliche Absetzbarkeit partei eine Volksabstimmung durchgeführt wird gebunden an qualitätsvolle Betreuungsangebote. werden muß.  Der Arbeitgeber kann für die Betreuung der Kinder seiner Dienstnehmer/in (bis zum Für diesen Fall und für den Fall, dass eine 10. Lebensjahr des Kindes der Dienstnehmer/in) 500 € /Jahr im Jahr bezahlen, ohne Partei die andere bei Gesetzesbeschlüssen, dass dieser Vorteil beim Dienstnehmer/in versteuert wird. Die Ausgaben des Beschlussfassungen über Volksabstimmun- Arbeitgebers sind Betriebsausgaben. Kinderbetreuungskosten, die aus diesem gen oder sonstigen parlamentarischen Be- Arbeitgeberersatz (z.B. mittels Scheck) bezahlt werden, können nicht als schlüssen überstimmt, verpflichten sich die Kinderbetreuungskosten steuerlich geltend gemacht werden. beiden Koalitionsparteien, gemeinsam einen Neuwahlantrag zu beschließen. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 14 Innenpolitik War mit großer Freude Bundeskanzler

ach fast 18 Jahren, in denen Alfred NGusenbauer dem Parlament in den ver- schiedensten Funktionen zur Verfügung stand, nutze der Bundeskanzler die National- ratssitzung am 25. November, um sich vom Parlament und seinen Abgeordneten zu ver- abschieden. Der Bundeskanzler betonte, daß er sich zu jeder Zeit bemüht habe, eine faire Diskussion im Parlament zu ermöglichen und zeigte sich erfreut, über die Jahre viele Bekanntschaften, auch Freundschaften, mit verschiedenen Abgeordneten geschlossen zu haben. In seiner heutigen letzten Rede im Parlament wünschte Gusenbauer allen Abge- ordneten „persönlich, wie politisch alles Gute. Österreich wird ein starkes, ein demo- kratisches, auf Zusammenarbeit orientiertes Parlament brauchen“. Mit lang anhaltendem Bundeskanzler Alfred Gusenbauer bei der Pressekonferenz nach dem Ministerrat am 26. November 2008 im Bundeskanzleramt. Foto: BKA/HBF / Andy Wenzel Applaus aus allen politischen Lagern verab- schiedeten sich die Abgeordneten vom Den 71. Ministerrat und die gleichzeitig für ihn besonders bedeutende, Weichenstel- scheidenden Bundeskanzler. letzte Sitzung der Bundesregierung unter sei- lung, um den „modernen Herausforderungen Österreich habe Glück gehabt, daß es in ner Führung am 26. November nahm der in moderner Art gerecht werden zu können“. den letzten Jahren großen wirtschaftlichen scheidende Bundeskanzler zum Anlaß, um Die Mindestpensionen, die bedarfsorientier- Erfolg verzeichnen konnte und es gelungen über die vergangenen 22 Monate Bilanz zu te Mindestsicherung, der Sozialversiche- ist, „gemeinsam die Arbeitslosigkeit auf ein ziehen. Den „Start einer Bildungsoffensive“ rungsschutz von freien Dienstnehmern, so- Rekord-Niedrigstniveau zu senken“. Nun wür- nach mehreren Jahren des Bildungsabbaus wie die Legalisierung und Sicherung von den „wirtschaftlich bedeutend schwierigere und das „fester Knüpfen des sozialen Pflege seien hierbei die großen Errungen- Zeiten“ vor Österreich liegen, weil zum er- Netzes“ nannte Gusenbauer als seine großen schaften. Vor allem für die nächsten, wirt- sten Mal seit 1945 wieder eine die gesamte Zielsetzungen als Kanzler. Obwohl in der schaftlich anspruchsvollen Jahre – Gusen- Welt betreffende Krise vorherrsche. Alle Ant- medialen Rezeption der Streit zwischen den bauer nahm hier auf die globale Wirtschafts- worten auf diese Krise seien genährt aus den Koalitionspartner überwogen hätte, würde krise Bezug – sei „das soziale Netz von ent- Erfahrungen der Vergangenheit, die aber kei- die „Substanz der Maßnahmen doch für sich scheidender Bedeutung“. ner der anwesenden Abgeordneten miterlebt sprechen“. Der neuen Bundesregierung hätte. „Niemand hat hier die Weisheit ge- wünschte er, daß „sie die Herausforderungen Bilanz kann sich sehen lassen pachtet“, man könne nur „nach bestem Wis- in guter und professioneller Weise bewährt“. Bis 2010 habe sich die Regierung vorge- sen und Gewissen“ Maßnahmen setzen, die Die Veränderungen im Bildungsbereich, nommen, die Arbeitslosenrate auf unter vier man als richtig erachte, eine breite demokrati- Gusenbauer sprach hier unteren anderem die Prozent zu bekommen. Dies sei schon 2008 sche Diskussion sei dafür die Voraussetzung. kleineren Klassen, die Neue Mittelschule, gelungen. Außerdem habe man im letzten Wichtige Schritte seien bereits gesetzt die Erhöhung der Beihilfen, sowie die Lehre Jahr mit 100.000 neuen Arbeitsplätze, den worden. Gusenbauer nannte hier u.a. die mit Matura an, seinen ihm in seiner Regie- höchsten Beschäftigungsanstieg verzeichnen Konjunkturpakete, das Bankenpaket und das rungszeit ein besonderes Anliegen gewesen. können. Das Demokratiepaket mit der Vorziehen der Steuersenkung. Die wirt- „Ich glaube, daß sich das künftige Kapital Wahlaltersenkung auf 16 Jahre, die Einfüh- schaftlichen Herausforderungen in den näch- unseres Landes in den Klassenzimmern fin- rung eines Asylgerichtshof, die kompetente sten Jahren werden enorme sein, so Gusen- det“, erklärte Gusenbauer. Deshalb brauche Durchführung der EURO 08, die Ratifizie- bauer, weshalb es der „gesamten Anstren- es ein durchlässiges Bildungssystem, das rung des Lissabon-Vertrages und den nicht- gung unseres Landes und unseres Parlamen- mehrer Haltegriffe biete, um möglichst viele ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, all tes“ bedürfe, diese zu bewältigen. Gusen- Kinder zu Matura- und Hochschulreife zu diese Punkte würden eine klare Sprache bauer zollte dem Parlament Respekt dafür, bringen. Mit den umgesetzten Maßnahmen sprechen, so Gusenbauer, „die Bilanz kann daß bei aller persönlichen Polemik, der Re- habe man dafür doch einige Weichen stellen sich sehen lassen“. Er sei „mit großer Freu- spekt vor der Person und die kritische Aus- können. de“ Bundeskanzler gewesen, so Gusenbauer, einandersetzung mit den Argumenten doch Das „anders und fester Knüpfen des sozi- der sich abschließend bei den ausgezeichne- im Vordergrund stünden. alen Netzes“ nannte Gusenbauer als zweite, ten Mitarbeitern seines Hauses bedankte. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 15 Innenpolitik Neuwahlentscheidung ist nicht leicht gefallen

m 21. April 2007 ist Vizekanzler Wil- Ahelm Molterer in Salzburg zum ÖVP- Bundesparteiobmann gewählt worden, am 28. November 2008 übergab er die „Stafette an Josef Pröll“ weiter. Am ÖVP-Bundespar- teitag in Wels erklärte Molterer auch, daß er damit – und mit der Tatsache, daß er der neuen Regierung nicht mehr angehöre – die Verantwortung für den Ausgang der Wahl übernehme. In der vergangenen Legislatur- periode habe es viele Höhen und Tiefen ge- geben. „In der Frage der Sozialpolitik ist eini- ges weitergegangen, es gab eine klare Orien- tierung in der Außenpolitik, wir haben in der Wirtschaftspolitik die Linien bestimmt und auch in der Finanzpolitik jenes Maß, das Foto: ÖVP / Christian Jungwirth Österreich gut tut und an dem auch alle Vizekanzler Wilhelm Molterer übergab in Wels die Geschäfte an Josef Pröll Gebietskörperschaften teilhaben.“ Die Neuwahlentscheidung sei „nicht Persönlichkeit, die Österreich und die ÖVP überzeugte Marktwirtschafter und Demokra- leicht“ gefallen, es sei eine „grundlegende an der Spitze braucht. Er kann es“, so Molte- ten“, so Molterer. Diese klare Orientierung Entscheidung“ gewesen, wenngleich eine rer und sein Appell: „Unterstützt Josef Pröll ist für die ÖVP untrennbar mit Verantwortung „gut überlegte und wohl begründete Entschei- nicht nur heute mit einem klaren, eindeuti- verbunden, soziale Orientierung, untrennbar dung“. Molterer forderte, im Rückblick auf gen und starkem Votum, sondern vor allem mit ökologischer Zukunftsverantwortung. In diese Entscheidung und vor allem auf den auch in seiner täglichen Arbeit in der Partei dieser Zeit der Unsicherheit, wo viele Men- Wahlsonntag, der „ein bitterer Tag für die und in der Bundesregierung.“ Denn diese schen Orientierung suchen, brauche es eine ÖVP“ gewesen sei, nicht der „Geschichts- Arbeit sei die „wahre Bewährungsprobe – Volkspartei mit einer Wertebasis, die vor fälschung“ der SPÖ auf den Leim zu gehen. nicht nur für Josef Pröll, auch für alle in der allem auch der Unsicherheit der Jugend eine Denn, so Molterer weiter: „Die Entschei- Partei und der Gesinnungsgemeinschaft. klare Richtung gibt. Es dürfe keine „gesell- dung war notwendig, weil es in einigen zen- Pröll selbst habe sich unter schwierigen Be- schaftliche Beliebigkeit geben, denn das tralen und wichtigen Fragen keinen Konsens dingungen einen Teil erarbeitet und „jene führt zu Lieblosigkeit“, so Molterer weiter. mit dem Regierungspartner über die Erfül- Plattform geschaffen, die er für den Erfolg Es brauche den Mut zur Veränderung – lung des Regierungsprogramms gegeben braucht“: Mit dem Regierungsprogramm „die Veränderungsbereitschaft und die Wil- hat, weil der Regierungspartner die gemein- und der Mannschaft, und der Verteilung der ligkeit sind ein Gradmesser für die Zukunfts- same Linie verlassen hat, weil SPÖ-Vor- Ressorts. Aber, so Molterer weiter: „Gebt fähigkeit eines Landes, und auch für unsere sitzender Gusenbauer keine Mehrheit in der ihm das Rüstzeug mit.“ Gesinnungsgemeinschaft, unserer ÖVP. Wir eigenen Partei mehr hatte und von Werner „Europa ist keine Last der Verantwor- brauchen die Kraft zum Bewahren, aber Faymann im Amt abgeschossen wurde.“ tung, sondern eine Chance“, so Molterer. auch dieselbe Kraft und den Mut zur Molterer dazu: „Ich übernehme die Ver- „Hätten wir die 2/3-Mehrheit beim Referen- Veränderung. Denn in der richtigen Balance antwortung“, aber es müßten sich alle fra- dum nicht geschafft, hätten wir nicht die zwischen Bewahren und Veränderung liegt gen, welche Lehren aus dem Wahlergebnis glühende Überzeugung von Alois Mock, Er- dieser Mut.“ zu ziehen seien: Dazu gehöre, sich zu fragen, hard Busek und Wolfgang Schüssel gehabt „Die Einigkeit und Gemeinsamkeit unse- ob jeder an der Stelle, wo er Verantwortung und nicht die unbeeindruckbare Persönlich- rer Gemeinschaft darf nicht die Summe ein- trage, „alles gegeben hat, was für den Erfolg keit Ursula Plassniks, dann hätten wir diesen zelner Interessen sein. Die ÖVP muß aus der notwendig ist“, oder ob die jeweilige Inter- Weg nicht so erfolgreich bestanden.“ Kraft der gemeinsamen Idee leben – das essenslage den gemeinsamen Willen zum „In diesen schwierigen Zeiten liegt große muß stärker sein, als einzelner Interessen.“ Erfolg überstrahlt habe. Verantwortung bei uns allen: In einer Zeit, Zur Kraft und Stärke einer ÖVP, wie Pröll sie Er selbst habe Josef Pröll in die Politik wo Karl Marx wieder aus der Mottenkiste führen werde, gehöre auch die Frage, ob sie geholt und ihn als „jungen, dynamischen“ geholt wird, der Neosozialismus wieder die stark genug sei, sich zur Wehr zu setzen, Menschen kennengelernt. „So, wie ich Josef Blüten treibt und der Neo-Protektionismus wenn „jemand versucht, aus unseren Reihen Pröll damals aus voller Überzeugung vorge- da oder dort wieder zum Vorschein kommt, jemanden herauszuschießen. Denn so, wie schlagen habe, so schlägt ihn heute der Bun- braucht es ein sehr klares Bekenntnis zur wir zulassen, wie mit unseren umgegangen desparteivorstand vor. Wählt ihn, er ist jene ökosozialen Marktwirtschaft, da braucht es wird, so wird mit uns umgegangen.“ „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 16 Innenpolitik E-Voting Bei einer Fachenquete des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung wurden Erfahrungen über E-Voting als wichtige Ergänzung für die Demokratie ausgetauscht.

uf Einladung des Wissenschaftsmini- Teil der Demokratie. E-Demokratie sei zwar Form der Demokratie zu wählen ist.“ Der Asteriums beschäftigten sich am 3. De- kein Allheilmittel gegen Demokratiedefizite, Europarat könne aber jenen Staaten, die E- zember internationale Expertinnen aus dem biete aber zusätzliche Möglichkeiten, man- Democracy ein- und umsetzen wollen, Rat- In- und Ausland mit den Chancen neuer che Defizite zu reduzieren. schläge und praktische Vorschläge bzw. Medien für eine verbesserte politische Teil- „Der Europarat kann – als zwischenstaat- Handlungsanleitungen anbieten. Buchsbaum: habekultur. Im Mittelpunkt der Fachenquete liche Organisation – keinem Mitgliedstaat „E-Demokratie ist kein Allheilmittel gegen standen die Themen E-Government und E- vorschreiben“, so Buchsbaum, „ob oder wel- Demokratiedefizite, bietet aber zusätzliche Voting. Wissenschaftsminister Johannes che Elemente der E-Democracy eingeführt Möglichkeiten dafür. E-Democracy ist pri- Hahn betonte, es sei wichtig, die neuen Me- werden sollen. Der Europarat kann auch mär eine Frage der Demokratie, nicht der dien für politische Teilhabe zu nützen. Er nicht festlegen, welche Form der Demokra- Technologie.“ E-Democracy als breites, um- plädierte dafür, das Thema E-Voting rational tie – d.h., welcher Grad an Direktheit und fassendes, einschließendes Konzept könne auf supra- und internationaler, national-staat- licher, regionaler und lokaler Ebene in den Bereichen Legislative, Exekutive und Judi- katur, praktisch auf allen Ebenen eingesetzt werden und bietet BürgerInnen und der De- mokratie zusätzliche Möglichkeiten. E-De- mocracy dient nicht der Veränderung der Demokratie oder des in einem Mitglidesland bestehenden Demokratie-Typs. Als positive Effekte sind Transparenz, Verantwortlichkeit(sgefühl), Beteiligung, En- gagement, Deliberation, Meinungsbildung anzuführen, wenn auch Gefahren durch tech- nischen oder politischen Mißbrauch, unde- mokratische Nutzung oder Einschränkung der IKT-Möglichkeiten und durch eine Frag- mentierung der demokratischen Gemein- Es gehe um ergänzende, nicht um alternative Partizipationsmöglichkeiten … sagte schaft nicht zu unterschätzen sind. Wissenschaftsminister Johannes Hahn bei der Eröffung der Enquete. Die ER-Empfehlungen unterliegen der zu betrachten. Es gehe um ergänzende, nicht Partizipation – die bessere sei, und daher politischen Verpflichtung für Mitgliedstaa- um alternative Partizipationsmöglichkeiten. keinem Mitgliedsstaat vorschreiben, welche ten, sie umzusetzen. Sie wurde zur weltwei- Gerade die Universitäten sollen Beiträge zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung lei- sten, sagte der Wissenschaftsminister. Die renommierte Politikwissenschafterin Pippa Norris (Harvard University) präsen- tierte anschließend die Befunde eines For- schungsprojektes gemeinsam mit dem Wer- teforscher Roland Ingleheart. Es zeigt, daß ein Zusammenhang zwischen Mediennut- zung und insbesondere der Nutzung des In- ternet und liberalen Einstellungen bestehe. Dies gelte etwa für Einstellungen gegenüber der Gleichstellung der Geschlechter wie gegenüber der Demokratie. Thomas Buchsbaum, Vorsitzender der Arbeitsgruppe für elektronische Demokratie des Europarates, berichtete in seinem Refe- rat, aus Sicht des Europarats sei E-Parti- Internationale Expertinnen aus dem In- und Ausland beschäftigten sich mit den

Alle Fotos: BMWF / Oreste Schaller zipation Teil der E-Demokratie und damit Chancen neuer Medien für eine verbesserte politische Teilhabekultur.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 17 Innenpolitik

gabe widerrufen und allenfalls erneut ab- stimmen.“ Im Anschluß diskutierten Fabian Breuer vom European University Institute in Flo- renz, der österreichische Politikwissenschaf- ter Peter Filzmaier und Peter Parycek, der Leiter der Arbeitsgruppe „E-Democracy“ im Bundeskanzleramt, über Möglichkeiten und Herausforderungen elektronischer Demo- kratie. Peter Filzmaier plädierte für eine sachliche Debatte jenseits von Technikwahn und Technikangst. Zu einer sachpolitischen Debatte gehöre es, außer Streit zu stellen, dass Internetwahlen zusätzlich und freiwillig erfolgen sollten, sagte der Politikwissen- schafter in Richtung Hochschülerschaft. Pe- ter Parycek von der Arbeitsgruppe „E- Democracy“ sprach sich dafür aus, die Thomas Buchsbaum: »E-Demokratie ist zwar kein Allheilmittel gegen Demokratie- Thematik genau zu beobachten und zu defizite, bietet aber zusätzliche Möglichkeiten, manche Defizite zu reduzieren.« sehen, wie man mit Veränderungen umgehe. ten Richtschnur für E-Voting-Einsätze, auch ihnen der Vorsitzende das Wort erteilt, Forscher Fabian Breuer präsentierte die Er- außerhalb Europas. Und auch die österrei- selbst an die Versammlung zu wenden fahrungen von Estland („E-Stonia“) mit E- chische interministerielle „AG zu E-Voting“ (Fernteilnahme); Voting und E-Demokratie. Breuer plädierte (2004) akzeptierte sie als Arbeitsgrundlage, österreichische Gesetze und Verordnungen zu E-Voting sind ebenfalls daran orientiert. Die Berichte der österreichischen inter- ministeriellen „AG E-Participation / E- Democracy“ sowie die vom Ministerrat am 2. Juli 2008 angenommenen österreichi- schen „Standards der Öffentlichkeitsbeteili- gung – Empfehlungen für die gute Praxis“ wurden mit Bezug auf die ER-Empfehlung zu E-Demokratie erarbeitet. Eine wesentliche Auswirkung entsteht durch das Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009 – ARÄG 2009 –, das mit 1. August 2009 in Kraft tritt. Im „Vierten Abschnitt“ heißt es unter § 102 (3), daß die „Satzung den Aktionären eine oder mehrere der nach- stehend angeführten Formen der Teilnahme anbieten“ kann: 1. Teilnahme an einer zeitgleich mit der Peter Parycek, Peter Filzmaier, Martin Heidinger und Fabian Breuer bei der Diskussion Hauptversammlung an einem anderen Ort im Inland oder Ausland stattfinden- 3. Abgabe der Stimme auf elektronischem dafür, E-Demokratie nicht als Allheilmittel den Versammlung, die entsprechend den Weg von jedem Ort aus (Fernabstim- anzusehen und auch die Erwartungen an E- Vorschriften für die Hauptversammlung mung; § 126) Voting nicht zu hoch zu hängen. einberufen und durchgeführt wird und für Unter § 126. (1) heißt es dann, die „Satzung Robert Krimmer (E-Voting.CC) präsen- die gesamte Dauer der Hauptversamm- kann den Aktionären ermöglichen, vor der tierte anschließend den aktuellen Stand der lung mit dieser durch eine optische und Hauptversammlung bis zu einem festgesetz- Vorbereitungen für E-Voting bei der ÖH- akustische Zweiweg-Verbindung in Echt- ten Zeitpunkt, vor oder während der Haupt- Wahl 2009. Österreichs Studierende sollen zeit verbunden ist (Satellitenversammlung); versammlung oder auch nur während der im Mai 2009 erstmals die Möglichkeit ha- 2. Teilnahme an der Hauptversammlung Hauptversammlung bis zu jenem Zeitpunkt, ben, ihre Interessenvertretung ergänzend zur während ihrer gesamten Dauer von an dem die persönlich anwesenden Teil- Wahl in der Wahlkabine auch via Internet zu jedem Ort aus mittels einer akustischen nehmer der Hauptversammlung abstimmen, wählen. Dies sei besonders für Austausch-, und allenfalls auch optischen Zweiweg- von jedem beliebigen Ort aus ihre Stimme berufstätige und fernlernende Studierende Verbindung, die es den Aktionären er- auf elektronischem Weg abzugeben. Falls die attraktiv. „ möglicht, in Echtzeit dem Verlauf der Ver- Satzung dies zuläßt, können Aktionäre unter http://www.coe.int/democracy handlungen zu folgen und sich, sofern denselben Voraussetzungen ihre Stimmab- http://www.wahlinfo.aussenministerium.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 18 Innenpolitik Plassnik: »Faymann hat mich nicht überzeugt« „Die zukünftige Bundesregierung“, so die Außenministerin, „muß auf dem Boden Die Außenministerin zog sich aus der Regierung zurück eines klaren europapolitischen Konsenses aue Zeiten kommen auf uns zu. Die stehen – bei Inhalten, aber auch bei der Vor- RFinanzkrise droht zur Wirtschaftskrise gangsweise. Ich habe mich bis heute in den zu werden. Österreich braucht die EU gera- Verhandlungen dafür eingesetzt, daß wir de in der jetzigen Situation mehr denn je. diese Frage nicht verschieben, sondern daß Das erfordert aber andererseits auch einen wir sie jetzt klären und eine gemeinsame klaren und berechenbaren österreichischen Positivlinie zur EU entwickeln. Ich bedaure, Kurs in der Europapolitik. Das heute verein- daß das ,Mondfenster‘ bei der Festlegung des barte Verhandlungsergebnis schafft nicht die neuen Regierungsprogramms nicht genützt notwendige und von mir angestrebte Klar- wurde. Die neue Regierung muß die Hände heit. Es reicht mir nicht. Faymann hat mich frei haben für Beschäftigung, Soziales, nicht überzeugt“, erklärte Außenministerin Wachstum, Umwelt. Es wäre daher klug Ursula Plassnik nach Abschluß der Koali- gewesen, die Möglichkeit populistischer tionsverhandlungen zwischen ÖVP und Störfeuer von Beginn an einzuschränken. SPÖ. Die Außenministerin kündigte gleich- Die SPÖ hätte für fünf Jahre ihre Forderung zeitig an, für die nächste Bundesregierung nach Volksabstimmung auf Eis legen kön- nicht mehr zur Verfügung zu stehen. „Ich nen. Das war zumutbar.“ wünsche der neuen Bundesregierung Erfolg „Nach meiner Einschätzung und europa- in ihrer Arbeit für Österreich und speziell in politischen Erfahrung hätte ein klarer ge- der Europapolitik.“ Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media meinsamer Wille von SPÖ und ÖVP sichtbar Plassnik weiter: „Es geht nicht an, in Ursula Plassnik werden müssen. Den Dissens beim heiklen einem Regierungsprogramm eine wesentli- Thema EU-Volksabstimmungen in einem che und zumutbare Klärung nicht vorzuneh- für mich nicht nachvollziehbar, warum die Formelkompromiß fortzuschreiben, reicht men, dafür aber die Einflugschneise für na- SPÖ die Rückkehr zum bisherigen Staats- mir nicht“, so Plassnik. tionale EU-Volksabstimmungen explizit auf- konsens der bewährten parlamentarischen Die Außenministerin abschließend: „Da zumachen – ja sie sogar im Regierungspro- Vorgangsweise bei der Genehmigung von ich einer Koalitionsbildung nicht im Wege gramm ausdrücklich zu legitimieren. Es ist EU-Verträgen nicht akzeptieren konnte.“ stehen möchte, habe ich dem Parteiobmann angeboten, die Umsetzung des von ihm mit dem SPÖ-Vorsitzenden festgelegten Formel- Swoboda: Neue Chance für EU-Kommunikation kompromisses einer anderen Person in der Funktion des Außenministers anzuvertrauen. er SPÖ-Europaabgeordnete und Vizeprä- Ich ersuche um Respekt dafür, daß ich nach Dsident der SPE-Fraktion im Europäi- bestem Wissen und Gewissen für Österreich schen Parlament, Hannes Swoboda, sieht in solchermaßen handle.“ der zu Europa getroffenen Koalitionsverein- Die Entscheidung von ÖVP-Obmann Jo- barung einen „vernünftigen Kompromiß“. sef Pröll, Michael Spindelegger für das Amt Die Debatte über „momentan nicht relevan- des Außenministers vorzuschlagen, bezeich- te“ Fragen sollte jetzt beendet werden, gelte nete Plassnik als „die richtige Wahl und die es doch auf europäischer Ebene mit der Wir- beste Lösung“. „Spindelegger hat in sich im tschaftskrise und dem Klimawandel große Nationalrat als außenpolitischer Sprecher reale Probleme anzupacken, so Swoboda. der ÖVP und als Zweiter Präsident des Hohen „Die Europäische Union braucht die Mit- Hauses mit seiner Persönlichkeit und seiner wirkung der österreichischen Regierung bei Kompetenz über die Parteigrenzen hinweg der Bewältigung dieser Herausforderungen. Anerkennung und Wertschätzung verschafft. Und eine aktive gemeinsame Politik auf die- Er ist ein erfahrener und ausgewiesener Ken- sen Gebieten wird viele Österreicherinnen und ner der europäischen und internationalen Po- Österreicher mehr von der Sinnhaftigkeit der litik. Während seiner Tätigkeit im Europäi- EU überzeugen als Werbekampagnen“, so Foto: SPÖ Klub schen Parlament und im Europarat hat er ein Swoboda weiter. Große EU-skeptische Teile Hannes Swoboda starkes Netzwerk aufgebaut. Spindelegger der Bevölkerung könnten nun die Gemein- tionale Angelegenheiten“ müsse endlich durch ist ein ruhiger und engagierter Kämpfer für samkeit innerhalb der EU und der Eurozone konkrete Politik Rechnung getragen werden. unser gemeinsames Europa“, so die Ministe- vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise als „Die Neubesetzung an der Spitze des Mi- rin weiter. Plassnik: „Ich übergebe ein wohl- Unterstützung erfahren. Durch die Gemein- nisteriums bietet die Chance, Europa in Ös- bestalltes Haus in gute Hände. Ich wünsche samkeit könne die Krise zwar nicht verhin- terreich besser zu vermitteln. Dabei geht es Michael Spindelegger viel Erfolg und Kraft dert, aber wesentlich abgefedert werden. nicht um die Publikation von Jubelbroschü- bei seiner neuen anspruchsvollen Aufgabe Auch der Umbenennung des Außenamts ren, sondern um eine kritische Auseinander- für Österreich, Europa und die internationa- in „Ministerium für Europäische und Interna- setzung mit der EU-Politik“, so Swoboda. „ le Staatengemeinschaft.“ „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 19 Innenpolitik Republikausstellung im Parlament eröffnet Prammer: Ohne Geschichtswissen kein Demokratiebewusstsein

Eröffnung der Republikausstellung 1918-2008 in der Säulenhalle des Hohen Hauses am Ring. Foto: Mike Ranz

m 12. November 1918 wurde vor dem wesentlichen Kontinuitäten und Brüchen. Gesellschaft und das alltägliche Leben auf- Aösterreichischen Parlament die erste Man kann dabei den schwierigen Weg der gegriffen. Republik ausgerufen. Was liegt also näher, Republik, die zunächst kaum einer als le- Nicht vergessen sollte man im Zusam- 90 Jahre später im Parlament, dem Zentrum bensfähig erachtete, von ihren historischen menhang mit den historischen Jahrestagen der Demokratie, diesem Neubeginn nach der Wurzeln bis zur EU-Integration verfolgen. auf ein Ereignis, das zwar schon viel länger Katastrophe des 1. Weltkriegs sowie der hi- Im Gegensatz zu 1918 bis zum 2. Weltkrieg zurückliegt, das aber einen wesentlichen Eck- storischen Entwicklung in den folgenden ist das Österreichbewußtsein heute fest ver- punkt demokratischer Entwicklungen in Ös- neun Jahrzehnten zu gedenken. Unter dem ankert und wird nicht mehr in Frage gestellt. terreich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahr- Titel „Republik.Ausstellung 1918/2008“, Österreich ist eine gefestigte Demokratie, hunderts darstellt: Im Sommer des Jahres soll im Rahmen einer von Stefan Karner und aktives Mitglied der Europäischen Union 1848 trat der „Constituierende Reichstag“, Lorenz Mikoletzky gestalteten Ausstellung und der internationalen Staatengemein- das erste frei gewählte Parlament Öster- interessierten Besucherinnen und Besuchern schaft, und wird bald wieder im Sicherheits- reichs, in der Winterreitschule der Hofburg die Zeitgeschichte näher gebracht werden. rat der UNO vertreten sein. zusammen. Auch wenn der Reichstag nach Die Ausstellung wurde am 12. November in Nicht nur einschneidende historische Er- Niederschlagung der Revolution aufgelöst Anwesenheit von Bundespräsident Fischer eignisse, etwa die Ausschaltung des National- wurde und die Geburtsstunde des österrei- von Nationalratspräsidentin Barbara Pram- rats 1933, die Machtübernahme der Natio- chischen Parlaments erst mit dem Februar- mer, Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und nalsozialisten 1938 und die Unterzeichnung patent 1861 schlug, konnten die Abgeordne- Vizekanzler Wilhelm Molterer eröffnet. des Staatsvertrags 1955 stehen im Fokus der ten des Reichstags auf Antrag Hans Kudlichs Die zahlreichen gezeigten historischen Ausstellung, es werden auch Themen wie eines der dringlichsten Probleme lösen, Dokumente beleuchten die Entwicklung der Wirtschaft und Technik, Bildung, sozialer nämlich die Befreiung der Bauern aus ihrem Republik Österreich umfassend, mit allen Zusammenhalt, die Stellung der Frau in der Untertänigkeitsverhältnis.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 20 Innenpolitik

Prammer betont die Bedeutung der politischen Bildung Gedenkveranstaltung zum Nationalratspräsidentin Barbara Prammer 70. Jahrestag des Novemberpogroms ging in ihrer Begrüßung auf die Symbolkraft des Parlamentsgebäudes für die historischen »Wiederbetätigungsverbot ist Grundpfeiler der zweiten Entwicklungsstufen der Republik ein, vom Republik und von großer symbolischer Bedeutung« Beschluß des Gesetzes über die Republik Deutsch-Österreich und die Kundgebung vor n der ersten Hälfte des heurigen Gedenk- dem Einzug der Nationalsozialisten in Öster- dem Parlament am 12. November 1918, über Ijahres haben wir Gedenkveranstaltungen reich verankert gewesen. „Manche Österrei- die Einführung des Frauenwahlrechts, die absolviert, die an den März 1938 erinnern cherinnen und Österreicher möchten das Annahme der Bundesverfassung am 1. Ok- sollten. Besonders wichtig ist auch die nicht gerne sehen, aber das ist österreichi- tober 1920, die Ausschaltung der parlamen- Auseinandersetzung mit dem 9. November sche Geschichtsrealität“, unterstrich Pram- tarischen Demokratie im März 1933 und die und den Tagen danach. Die Gewalttätigkei- mer. Sie zitierte den Historiker Saul Fried- Funktion des Parlamentsgebäudes als Gau- ten und Erniedrigungen gegenüber Jüdinnen länder, der von einer Explosion des Sadis- haus des Reichsgaues Wien von 1938 bis und Juden haben jedoch schon lange, bevor mus am 9. November 1938 spricht. 1945. die Wehrmacht die österreichische Grenze „In Wien wurden 42 Synagogen zerstört Explizit unterstrich sie die Notwendig- und in Brand gesetzt, tausende jüdische keit, sich mit der Geschichte auseinanderzu- Geschäfte und Wohnungen wurden geplün- setzen. „Ohne Wissen um Geschichte gibt es dert und beschlagnahmt und über 6000 kein Demokratiebewusstsein und kein Be- Menschen wurden inhaftiert. Von diesen wur- wußtsein für künftiges Handeln“, sagte den 3700 in das Konzentrationslager Maut- Prammer und zitierte den amerikanischen hausen deportiert. Nur wenige haben über- Philosophen und Schriftsteller George San- lebt. Diese Tätigkeiten der Nationalsozia- tayana mit der Feststellung: „Wer sich seiner listen fanden bei vielen Wienern Zustimmung Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu ver- und etliche haben sich auch selbst beteiligt“, dammt, sie zu wiederholen“. Um dem erklärte die Nationalratspräsidentin. Schwinden von politischem Interesse entge- Ein klares Bekenntnis der Republik seien genzuwirken, brauche es daher Geschichts- die Entschädigungszahlungen. „Der National- bewußtsein, wozu die Ausstellung einen fonds hat hier sehr gute Arbeit geleistet. Von Beitrag leiste, es brauche aber auch politi- den 20.600 gestellten Anträgen seien nur sche Bildung und Zivilcourage jedes Ein- noch 300 Fälle unbearbeitet. In absehbarer zelnen. Zeit kann es also zu den Endzahlungen kom- Die parlamentarische Demokratie sei das men“, stellt die Nationalratspräsidentin fest. sensibelste Gebilde aller Regierungsformen, Diese positiven Zeichen einer konstruktiven betonte die Nationalratspräsidentin, deshalb Foto: Carina Ott Aufarbeitung der Geschichte werde jedoch müsse es Ziel jeder politischen Bildung sein, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer durch Zwischenrufe aus dem rechten Lager das Selbstverständnis der Demokratie und gestört. Diese kritisieren das Wiederbetäti- die Anerkennung demokratischer Grundsät- überschritten hatte begonnen“, führte Natio- gungsverbot in Österreich und verlangen ze im Bewußtsein zu verankern. Es müsse nalratspräsidentin Barbara Prammer bei der teilweise dessen Aufhebung. „Das offizielle deutlich gemacht werden, daß Demokratie von ihr initiierten Gedenkveranstaltung im Österreich und die Zivilgesellschaft haben mehr ist als die Summe der in der Verfassung Parlament aus. Anwesend waren auch der hier ein klares Nein als Antwort zu geben“, vorgesehenen Institutionen. Angesichts der Botschafter des Staates Israel, Dan Ashbel, stellte Prammer klar. neuen gesellschaftlichen Entwicklungen und SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder, die Der Präsident der Israelitischen Kultus- neuen Aufgaben auf nationaler und interna- Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtsho- gemeinde, Ariel Muzicant, zeigte sich er- tionaler Ebene dürfe somit der Rückblick fes Brigitte Bierlein, der Präsident der Israe- freut, daß „heute über 100 Veranstaltungen nicht als Schlußstrich unter die vergangenen litischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant in ganz Österreich stattfinden, um dem 90 Jahre gesehen werden, sondern soll vor und sein Generalsekretär Raimund Fasten- Pogrom zu gedenken“. Er sprach National- allem auch Anreiz sein, sich mit dem Wissen bauer. ratspräsidentin Prammer und dem offiziel- um die Vergangenheit Gedanken über die Die Veranstaltung sei in Zusammenarbeit len Österreich seinen Dank aus und forderte, Zukunft unserer Republik zu machen. mit der israelitischen Kultusgemeinde, der daß eine klare Trennlinie gezogen werden Die Eröffnung der Ausstellung anläßlich österreichischen Gesellschaft für Literatur, müsse zwischen der in der Demokratie der Gründung der Republik stellt einen wei- dem Jüdischen Museum Wiens und dem gewährleisteten freien Meinungsäußerung teren Höhepunkt in diesem historischen Dokumentationsarchiv des österreichischen und Wiederbetätigung im Sinne des Rechts- Gedenkjahr dar. Bereits am 12. März dieses Widerstands entstanden, erklärte Prammer. extremismus. Nationalratspräsidentin Pram- Jahres erinnerte das Parlament in einer Themenbezogene literarische Texte wurden mer schloß mit einem Zitat von Jean Paul Gedenksitzung im Historischen Sitzungssaal von Schauspielerinnen und Schauspielern Sartre: „Der Antisemitismus soll nicht zu an den Einmarsch deutscher Truppen auf des Volkstheaters gelesen und Filmaus- jener Kategorie von Gedanken gezählt wer- Befehl Hitlers vor 70 Jahren. „ schnitte gezeigt. den, die das Recht auf freie Meinungsäuße- http://www.republikausstellung.at Der Antisemitismus sei schon lange vor rung schützt.“ „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 21 Österreich und Europa »Das gemeinsame Kulturerbe als Kraftquelle nutzen« Außenministerin Ursula Plassnik und ihr tschechischer Amtskollege Karel Schwarzenberg unterzeichneten in Wien ein Kulturabkommen.

ei Nachbarn mit gemeinsamen kulturel- Blen Wurzeln ist die bewußte Pflege und Weiterentwicklung der Kulturbeziehungen parallel zur politischen und menschlichen Ebene besonders wichtig. Mit diesem Ab- kommen wollen wir unser enges und freund- schaftliches Verhältnis auch in den Zukunfts- themen Bildung, Jugend, Wissenschaft und Kultur weiter intensivieren. Stärkerer kultu- reller Austausch bringt Kenntnis und Ver- ständnis für die Positionen und Haltungen des anderen. Daraus können wir auch Kraft für die Durchsetzung gemeinsamer mitteleu- ropäischer Interessen in Europa schöpfen“, so Außenministerin Ursula Plassnik anläßlich der Unterzeichnung eines Kulturabkommens mit ihrem tschechischen Amtskollegen Karel Schwarzenberg am 21. November in Wien. Das Abkommen löst das bestehende zwi- schen Österreich und der Tschechoslowakei aus dem Jahr 1977 ab und schafft unter ande- rem eine klare rechtliche Basis für das Öster- reichische Gymnasium in Prag und für die Komenskyschule in Wien. „Das neue Ab- kommen gibt uns die Basis, das so vielfälti- ge gemeinsame kulturelle, geschichtliche und wissenschaftliche Erbe verstärkt aufzu- arbeiten und für die gemeinsame europäi- sche Zukunft zu nützen. 40 Jahre nach den Ereignissen des Prager Frühlings 1968 und fast 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 wird das Abkommen konkre- te Impulse für gemeinsame kulturelle Pro- jekte zur Ausschilderung der Überwindung des kommunistischen Unrechtssystems und Außenministerin Ursula Plassnik und Tschechiens Aussenminister Karel Schwarzen- berg im Marmorsaal des Außenministeriums in Wien Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-MEDIA damit zur Wiedervereinigung Europas ge- ben“, so die Außenministerin, die auch auf Tschechien am dichtesten und vielfältigsten. kleinere und mittlere Staaten einen guten die grenzüberschreitende Niederösterreichi- Sie sind sichtbares Zeichen, daß der Eiserne Vorsitz führen können. Die ,KMS‘ sind das sche Landesausstellung 2009 „Österreich – Vorhang, der uns über Jahrzehnte getrennt Rückgrat der Union, wichtige Teilhaber, die Tschechien“ in Raabs, Horn und Telc^ hinwies hat, nunmehr überwunden ist und Europa die EU-Politik gleichberechtigt mitgestalten sowie auf ihre Initiative „Geteilt | Geeint, immer enger zusammenwächst. Deshalb ist und mitverantworten. Schon Slowenien, die 1989-2009: Aufbruch in ein neues Europa“, das Motto des tschechischen EU-Vorsitzes erste Präsidentschaft aus der ,Klasse 2004‘, zu der für Mai 2009 ein internationaler Kon- ,Europa ohne Barrieren‘ besonders gut ge- hat sich bei der Dienstleistung EU-Vorsitz greß geplant ist. „Ziel ist auch das Sicht- wählt“, so Plassnik zum bevorstehenden EU- bewährt und im Krisenmanagement in barmachen von konkreten Beiträgen aus der Vorsitz Tschechiens im ersten Halbjahr 2009. anspruchsvoller Zeit – etwa beim der Koso- jüngeren Geschichte zu unserer zeitgemäßen Plassnik weiter: „Ich bin überzeugt, daß vo-Frage – umsichtig gehandelt. Wir ver- europäischen Identität“, so Plassnik. unser Nachbarland seine europäische Füh- trauen den Qualitäten kleiner und mittlerer „Gerade auf menschlicher Ebene sind die rungsaufgabe gut bewältigen wird. Die Ver- Staaten und werden Tschechien bei seinem Verbindungslinien zwischen Österreich und gangenheit hat gezeigt, daß gerade auch EU-Vorsitz bestmöglich unterstützen.“ „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 22 Österreich und Europa 30 Jahre Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria Burgenländische Sieger bei Weinwettbewerb

Professor Recla wurde für die Errichtung der Projektgruppe Schule/Schulsport, sowie sein Engagement bei den Winter- und Som- mersportwochen der Arbeitsgemeinschaft ausgezeichnet. Die Kommission der Leitenden Beamten beschloß im Juni 2008, übrigens auf Vorschlag des Vorsitzlandes Burgenland, die finanziel- le Förderung von 14 grenzüberschreitenden Projekten aus dem gemeinsamen Budget der Arbeitsgemeinschaft in der Gesamthöhe von rund 87.000 Euro. Zu den unterstützten Vor- haben gehören u.a.: Projekt Dichter und Ly- rik in der Alpen-Adria; 7. Internationales Bildhauersymposion in Maria Saal/Kärnten; Alpen-Adria-Winterjugendspiele im Jänner Foto: Landesmedienservice 2009 in Venetien; Vorbereitung von zwei Landeshauptmann Hans Niessl (li.) übergibt den Vorsitz symbolisch an den Präsidenten der italienischen Region Friaul-Julisch-Venetien, Renzo Tondo. transnationalen Projekten des Ziel 3 Pro- grammes „South-East European Space“ im m Zuge eines Festakts in der Villa Vita in Jahren konnten über 30 Projekte aus den Bereich Verkehr (South-East Transport Axis) IPamhagen übergab Burgenlands Landes- Bereichen Jugend und Sport, Wissenschaft, und Sport als Motor für regionale Innovation hauptmann Hans Niessl den Vorsitz der Ar- Kunst und Kultur, Gesundheit und Erneu- und Wettbewerbsfähigkeit; Weiters wurde beitsgemeinschaft Alpen-Adria an den erbare Energie unterstützt werden. für vier Patronanzprojekte ein Zuschuß von Präsidenten der italienischen Region Friaul- Dann wurden auch die Sieger des ARGE- je 500 Euro gewährt. Julisch-Venetien, Renzo Tondo. Das Bur- Weinwettbewerbes „Taste the Best“ geehrt. Aus den Berichten des Generalsekretärs genland hatte zwei Jahre lang den Vorsitz der Insgesamt 109 Weine aus den Mitgliedsre- Univ.-Doz. Hellwig Valentin ging hervor, internationalen Arbeitsgemeinschaft inne. gionen der Arbeitsgemeinschaft wurden in daß die Arbeitsgemeinschaft in den zurücklie- Am 21. November tagte in der Vila Vita sechs Kategorien eingereicht und von einer genden Monaten rege Aktivitäten entfaltet die Vollversammlung der ARGE Alpen- Fachjury bewertet. Burgenländische Sieger hatte. Besonders hervorgehoben wurde die Adria. Dabei wurde auch eine Resolution gab es allen Kategorien: „Weißwein“ (2. 6. Alpen-Adria-Wintersportwoche in Schlad- zum Klimaschutz verabschiedet. Darin wer- Preis: Leo Sommer, Grüner Veltliner „Berg- ming in der Steiermark und das 10. Alpen- den die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft weingarten“), „Rotwein reinsortig“ (1. Preis: Adria-Schulsportfest in Güssing im Burgen- aufgefordert „alle erforderlichen Schritte zu Scheiblhofer aus Andau, Zweigelt Prädium), land mit hunderten Teilnehmerinnen und setzen, gemeinsame Anstrengungen für den Rotwein Cuvée (3. Preis: Salz-Seewinkler- Teilnehmern. verstärkten Einsatz erneuerbaren Energie- hof aus Illmitz, Pannoterra), Süßweine bis Die ARGE Alpen Adria wurde vor 30 Jah- quellen in ihren Staaten und Regionen zu 25 KMW*) (1. Preis: Wind aus St. Marga- ren als Forum der Regionen in Mitteleuropa fördern“. Gerade im Bereich erneuerbarer rethen, Gewürztraminder-Auslese; 3. Preis: gegründet. Mitglieder sind das Burgenland, Energien gilt das Burgenland bereits jetzt als Weinbauschule Burgenland in Eisenstadt, die Steiermark, Kärnten, Oberösterreich, Vorreiter, so wird heute schon 60 Prozent des Cuvée Auslese), Süßweine über 25 KMW Slowenien, Kroatien, sowie Regionen in burgenländischen Energiebedarfs über er- (1. Preis: Kracher in Illmitz, Scheurebe Italien und Ungarn. In der Zeit des Eisernen neuerbare Energiequellen gedeckt. TBA), Sekt/Schaumweine (3. Preis: Wein- Vorhangs war die Arbeitsgemeinschaft ein Nach dem zweijährigen Vorsitz des bauschule Burgenland in Eisenstadt, Algen- wichtiges Bindeglied zwischen Ost und Burgenlandes geht in diesen Tagen der Vor- do Discere) West. Ziel der Partnerschaft ist die Verstär- sitz an die italienische Region Friaul- Weiters wurde der Alpen-Adria Preis ver- kung der interregionalen Zusammenarbeit Julisch-Venetien über. Landeshauptmann liehen. Landeshauptmann Niessl übergab die und die gemeinsame Behandlung von Fra- Niessl zog eine sehr positive Bilanz der letz- Auszeichnungen feierlich an Ferenc Kékes gen, die im gemeinsamen Interesse der Mit- ten zwei Jahre. Allein in den letzten beiden und Prof. Heinz Recla. Kékes aus Ungarn glieder stehen. Das betrifft unter anderem wurde für seinen Einsatz für die Arbeitsge- internationale Verkehrsverbindungen, Touris- meinschaft geehrt. Er habe mit seiner Struk- mus, Umweltschutz, Energiegewinnung und *) „Grad Klosterneuburger Mostwaage“ steht für den Gehalt an vergärbaren Extraktanteilen im unvergo- turreform die Weichen für die Zukunft der Kulturkontakte. „ renen Most ARGE Alpen-Adria gestellt. Der steirische http://www.alpeadria.org/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 23 Europa Grenzenlose Schweiz Mit Beschluß über die Inkraftsetzung des Schengen-Beitritts der Schweiz fallen mit 12. Dezember 2008 die Grenzen zu unserem westlichen Nachbarn.

er Rat der EU hat am 27. November in DBrüssel den Zeitpunkt für die Inkraft- setzung des Schengen-Besitzstandes defini- tiv auf den 12. Dezember festgesetzt. Damit entspricht die EU den Wünschen des Bun- desrates der Schweiz, die Sicherheits- und Asyl-Zusammenarbeit von Schengen/Dublin noch vor Jahresende aufzunehmen. Einzig die Aufhebung der Personenkontrollen für Flüge innerhalb des Schengener Raumes erfolgt erst mit dem Flugplanwechsel am 29. März 2009. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat in Begleitung von Regierungspräsident Markus Notter, Kanton Zürich, an der Sit- zung des Gemischten-Ausschusses von Schengen in Brüssel teilgenommen, welche am Rande des EU-Rates der Justiz- und Innenminister stattfand. Sie dankte den euro- päischen Partnern, insbesondere dem aktuel- len französischen EU-Vorsitz sowie den vor- angegangenen portugiesischen und sloweni- schen EU-Präsidentschaften als auch der

Europäischen Kommission für die ausge- Foto: http://www.bilderbox.biz zeichnete Unterstützung im Rahmen des Lopes da Mota einen Zusammenarbeitsver- auch wichtige Impulse für noch engere Inkraftsetzungsprozesses. Ebenfalls sicherte trag, um die gemeinsame Bekämpfung der Zusammenarbeit und um unsere Kräfte sinn- die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- internationalen Kriminalität und des Ter- voll zu bündeln.“ und Polizeidepartementes der kommenden rorismus zu verstärken. Der Vertrag regelt Bereits im heurigen Sommer wurde das tschechischen Präsidentschaft die partner- namentlich den Informationsaustausch zwi- EU-Sicherheitsnetz noch dichter, die Schweiz schaftliche Zusammenarbeit der Schweiz zu, schen der Schweiz und Eurojust und ge- wurde in das Schengen-Fahndungssystem damit auch der letzte Schritt zur vollständi- währleistet ein hohes Datenschutzniveau. SIS einbezogen. „Österreich sieht dem Weg- gen Inkraftsetzung von Schengen in der Der Informationsaustausch erfolgt über das fall der Personengrenzkontrollen an den Schweiz durch die Aufhebung der Perso- Bundesamt für Justiz, das als nationale Landgrenzen zu unserem westlichen Nach- nenkontrollen für Schengen-interne Flüge an Kontaktstelle bestimmt wird. Eine weitere barland in wenigen Tagen und auf den Flug- den Flughäfen am 29. März 2009 vollzogen Bestimmung ermöglicht die Entsendung häfen dann Ende März 2009 mit Freude ent- werden kann. eines Verbindungsbeamten zu Eurojust, falls gegen“, ergänzte die Plassnik. „Das engma- In Hinblick auf den Beginn der operatio- sich dies zu einem späteren Zeitpunkt als schige Netz unserer traditionell guten und nellen Zusammenarbeit hatte der Schweizer sinnvoll erweisen sollte. vielfältigen Beziehungen erfährt mit der Rei- Bundesrat an seiner Sitzung vom 26. No- sefreiheit eine zusätzliche Qualität. Die Ein- vember 2008 die letzten erforderlichen Er- Plassnik: Weiteres Zusammenwachsen beziehung des Nicht-EU-Mitglieds Schweiz lasse zur Umsetzung der Assoziierungsab- unserer Nachbarschaft im Westen in den Schengen-Raum ist eine weitere kommen zu Schengen und Dublin in Kraft „Wir arbeiten mit unseren Nachbarn am bedeutende europäische Wegmarke. Grenz- gesetzt – sie sind bereits am 1. März 2008 in gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicher- kontrollen gehören der Vergangenheit an, Kraft getreten. Mit dem erfolgreichen Ab- heit und des Rechts – im Interesse unserer aber die Sicherheit bleibt. Liechtenstein soll schluß des Evaluationsverfahrens wurden Bürger und unserer gemeinsamen Sicher- im nächsten Jahr Schengen-Land werden. die notwendigen Voraussetzungen dafür ge- heit“, erklärte Österreichs Außenministerin Damit wächst unsere Nachbarschaft im We- schaffen, daß der Rat der EU die Inkraft- Ursula Plassnik am 27. November 2008 zum sten noch enger zusammen. Sicherheit in setzung des Schengen/Dublin-Besitzstandes Beschluß der EU-Justiz- und Innenminister Österreich ist ohne unsere europäischen für die Schweiz beschließen konnte. über die Inkraftsetzung des Schengen- Partner schlicht undenkbar geworden. Am Rande des Treffens in Brüssel unter- Beitritts der Schweiz mit 12. Dezember. „Das Gerade hier zeigt sich das handfeste Europa, zeichneten Bundesrätin Eveline Widmer- bringt nicht nur tägliche Erleichterungen für das Europa, das den Bürgerinnen und Bür- Schlumpf und Eurojust-Präsident José Luis Vorarlberger und Tiroler. Es ergeben sich gern greifbare Vorteile bringt.“ „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 24 Österreich und Europa Festakt in München Die Österreichische Bayerische Gesellschaft e.V. München lud zu einem Festakt anläßlich des österreichischen Nationalfeiertags

n den großen Konzertsaal der Musikhoch- Ischule München lud die Österreichische Bayerische Gesellschaft e.V. München ein, um gemeinsam den österreichischen Natio- nalfeiertags zu begehen. Mehr als 500 Gäste waren der Einladung zu einem Konzert von Preisträgern und Hochbegabten der Univer- sität Mozarteum Salzburg gefolgt. Präsident Carl Paul Wieland freute sich in der Be- grüßungsansprache, daß der enge Kontakt zwischen Salzburg und München mittlerwei- le schon zu einer schönen Tradition am Na- tionalfeiertag geworden ist. Die Grußworte der Bayerischen Staatsregierung überbrachte Kultusminister Siegfried Schneider (nach der Regierungsneubildung in Bayern nun- mehr Leiter der Bayerischen Staatskanzlei). Traditionell gab die Österreichische Ge- neralkonsulin für Bayern und Baden Würt- temberg, Senta Wessely-Steiner, einen Über- blick über die wichtigsten Punkte der öster- reichischen Innen- und Außenpolitik der ver- Kultusminister Siegfried Schneider, Generalkonsulin Senta Wessely-Schneider und gangenen zwölf Monate. Sie dankte Präsi- Präsident Carl Paul Wieland mit seiner Gattin Mechthilde dent Wieland und seiner Gattin Mechthilde für deren unermüdlichen Einsatz um das umfangreiche Veranstaltungsangebot, das diese für die Österreichisch-Bayerische Gesellschaft in München anbieten. Die Stars des Abend waren aber die jun- gen Künstler des Mozarteums Salzburg, die die Gäste des Festakts mit ihren Darbie- tungen auf höchstem, musikalischem Niveau begeisterten. Benjamin Herzl (Violine), Va- lerie Schmelter (Klavier), Miranda Liu (Vio- line), Biliana Tzinlikova (Klavier) und Su- sanne von Gutzeit (Violine). Besonders lan- gen Applaus erhielt Miranda Liu, gerade elf Jahre jung und derzeit die jüngste Studentin der Violinklasse von Prof. Roczek am Mo- zarteum Salzburg, die im zarten Alter von zwei Jahren mit der musikalischen Ausbil- dung bei ihrer Mutter (sie ist Pianistin) ihre Karriere begonnen hat. Fotos: Martin Fröhlich von http://www.bayexna.de Das äußerst anspruchsvolle Programm, Präsident Carl Paul Wieland mit den jungen Künstlerinnen des Mozarteums Salzburg, mit Sonaten von Mozart, Brahms, Debussy die mit ihren Darbietungen auf höchstem, musikalischem Niveau begeisterten. und Schubert, sowie einer Polonaise von Wieniawski und einem Scherzo von Liszt, und Prof. Roczek vom Mozarteum Salzburg, Informationen zur Österreichisch-Baye- hatte Prof. Paul Roczek vom Mozarteum zu- die diesen Festakt wieder ermöglicht hatten. rischen Gesellschaft finden Sie unter sammengestellt. Beim anschließenden geselligen Teil des http://www.oebg.de zum Kaiserball unter Präsident Wieland bedankte sich ganz be- Abends ließen sich die Gäste beim traditio- http://www.kaiserball-muenchen.de der sonders bei Prof. Siegfried Mauser, dem nellen Empfang österreichische Weine und Kaiserball 2009 wird am 6. Februar stattfin- Direktor der Musikhochschule München, Gulasch mit Knödel schmecken. den. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 25 Österreich und Europa 54. Österreich-Bibliothek Banja Luka als weiterer Standort im Netzwerk der Österreich-Bibliotheken

ls weiterer Schritt zur Intensivierung Ader kulturellen Beziehungen mit Bos- nien und Herzegowina wurde am 7. Novem- ber in Banja Luka eine Österreich-Biblio- thek an der dortigen Universität eröffnet. Dies ist die insgesamt 54. Österreich-Biblio- thek im Ausland. Durch die Errichtung der Bibliothek in Banja Luka wird nunmehr auch in der zweitgrößten Stadt Bosniens und Herzegowinas sowie dem verwaltungstech- nischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum der Entität Republika Srpska einem gerade im universitären Umfeld bestehenden Bedarf an österreichbezogener Information in den Bereichen Geschichte, Literatur, Kunst, Landeskunde, Recht, Wirtschaft und Politik Foto: BMeiA / Kulturelle Öffentlichkeitsarbeit Rechnung getragen. Andererseits sollen Jasmin Komic, Vizebürgermeister Banja Luka, Emil Brix, Botschafter, Leiter der Kul- durch diesen Schritt die Kulturbeziehungen turpolitischen Sektion des BMeiA, Stanko Stanic, Rektor der Universität Banja Luka, weiter gestärkt werden, dienen doch gerade Anton Kasipovic, RS Minister für Wissenschaft, Bildung und Kultur, Tina Lechner, die Österreich-Bibliotheken als Kultur-, In- ÖK-Lektorin aus Graz an der Universität in Banja Luka, und Jörg Hofreiter, Hono- rarkonsul von Bosnien-Herzegowina in Graz (v.l.) formations- und Medienzentren und als erste Anlaufstelle für die an Österreich und seiner gerade die kulturelle und wissenschaftliche werk über Grenzen hinweg an, das ein viel- Kultur Interessierten. Österreichischen Lek- Kooperation von essentieller Bedeutung. fältiges Publikum anzieht. Damit nehmen torInnen im Ausland kommt vielfach eine Wir bieten mit unseren Österreich-Biblio- die Österreich-Bibliotheken gerade in diesen tragende Rolle beim Aufbau und bei der theken besonders in jenen Städten, in denen Städten beim Aufbau von wissenschaftlichen inhaltlichen Programmlinie von Österreich- Österreich weder durch eine Botschaft noch und künstlerischen Kontakten einen besonde- Bibliotheken im Ausland zu, die im unmit- durch andere offizielle Einrichtungen prä- ren Stellenwert ein.“ Die Eröffnung hatte Bot- telbaren Kontakt zu den Studierenden und sent ist, den Kultur- und Wissenschaftsdia- schafter Emil Brix selbst vorgenommen. „ den wissenschaftlichen Institutionen stehen. log über ein erprobtes und etabliertes Netz- http://www.oesterreich-bibliotheken.at An vielen Standorten von Österreich-Biblio- theken im Ausland sind österreichische Lektoratsstellen eingerichtet. Neben Banja »Teilen der Erinnerung« Luka bestehen in Bosnien-Herzegowina noch weitere Österreich-Bibliotheken in Sa- er bekannte österreichische Schauspie- Luxemburg, das selbst am 10. Mai 1940 rajevo und Tuzla. Dler Fritz Muliar nützte die Gelegenheit durch deutsche Truppen besetzt und deut- Der Leiter der Kulturpolitischen Sektion eines Gastspiels in Luxemburg, um mit scher Militärverwaltung unterstellt wurde, im Bundesministerium für europäische und Schülern über seine Erfahrungen im natio- sah sich während des II. Weltkrieges einer ge- internationale Angelegenheiten, Botschafter nalsozialistischen Österreich, Widerstand zielten Germanisierungspolitik unterworfen. Emil Brix, unterstreicht die kulturelle und gegen Totalitarismus und Rechtsextremis- Zwangsrekrutierungen in die deutsche Wehr- politische Bedeutung der Bibliothekseröff- mus zu diskutieren. Das Schülerfernsehen macht, Deportation luxemburgischer Juden nung in Banja Luka: „Wir wollen beitragen, „Uelzecht-Kanal“ übertrug die Veranstal- sowie ein wiedererstarktes luxemburgisches um auch in diesem serbischsprachigen Ge- tung aus dem Dokumentationszentrum des Nationalbewusstsein kennzeichneten die biet mehr europäische Kontakte zu ermög- luxemburgischen Widerstands. Lage des Landes in jenen Jahren. lichen, um mentale Grenzen abzubauen. Hier Muliar, ab 1942 wegen „Wehrkraftzerset- Die von der Österreichischen Botschaft kommen ein Mal mehr die Zielsetzungen zung“ und Betätigung zur Wiederherstellung in Luxemburg organisierte Veranstaltung von ,CULTURE MATTERS – Austrian Cul- eines freien Österreichs in Einzelhaft, dessen reiht sich in die Aktivitäten Österreichs als tural Relations with the Western Balkans‘, Todesurteil zunächst in eine langjährige Haft- Vorsitz der Task Force for International Co- einem Schwerpunktprogramm des Bundes- strafe und schließlich in „Frontbewährung“ operation on Holocaust Education, Remem- ministeriums für europäische und internatio- in einer Strafeinheit an der Ostfront umge- berance and Research ein. Ziel der Gruppe nale Angelegenheiten zur Intensivierung der wandelt wurde, gab den Schülern als Zeit- von mittlerweile 25 Staaten ist es, möglichst kulturellen Zusammenarbeit mit den Staaten zeuge einen Einblick in die ethische und breite öffentliche Unterstützung für Erzieh- des Balkanraumes, zum Tragen. Für die praktische Herausforderung, die Widerstand ung, Erinnerung und Forschung über den europäische Integration der Balkanstaaten ist gegen ein totalitäres Regime darstellt. Holocaust zu erreichen. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 26 Österreich, Europa und die Welt Smear Campaign & Going Bananas Dialog auf Schiene & A Smile on the Nile – zwei Kunstevents des österreichischen Kulturforums in Kairo

mear Campaign – Dialog auf Schiene“ Sist ein einzigartiges Kunstprojekt, das durch die Zusammenarbeit des österreichi- schenkulturforums/kairo - acf/c, der ägypti- schen Eisenbahnen und des ägyptischen Ver- kehrsministeriums Ende Oktober entstanden ist. Ausgehend vom Leitmotiv des acf/c 2008 „Panta rhei – alles fließt“ und seinen Bemühungen um den Dialog der Kulturen kreierten Sameh Ismail, ägyptischer Kalli- graph, und Thomas Mock, österreichischer Graffitikünstler, ein Kunstprojekt auf einem Waggon der ägyptischen Eisenbahnen. Das acf/c setzt damit einen weiteren Hö- hepunkt seiner Veranstaltungen im öffent- lichen Raum, um gezielt einen möglichst großen Teil der Zivilbevölkerung, d.h. Ein- zelmenschen in den Dialog zwischen den

Kulturen einzubinden und sie direkt anzu- Alle Fotos: Austrian Cultural Forum Cairo sprechen. Der gestaltete Waggon steht dabei Der Dialog zwischen Kulturen fand am Ramses-Bahnhof/Kairo seinen Anfang. aber nicht nur für den Dialog zwischen Kul- turen, sondern auch für die Bewegung und die Schnelligkeit der Wegwerfgesellschaft 1996). Sameh Ismail wurde 1974 in Kairo Vernetzung der Menschen Ägyptens. Er und auch ihre Frustrationen zum Inhalt hat, geboren, studierte Kalligraphie und erhielt wird von tausenden Menschen in den Bahn- sollte eine Fusion der Gegensätze und einen Abschluß an der Universität von Hel- höfen und auf der 800 km langen Strecke Gemeinsamkeiten entstehen. wan in graphischen Design und Animation. Kairo – Assuan tagtäglich bewundert werden Die Arbeit und der Dialog der beiden Sein Streben nach der Weiterentwicklung können. Kunst auf Rädern – eine perma- Künstler brachten aber überraschende Er- und Diversifikation der traditionellen arabi- nente Ausstellung besonders für Menschen, gebnisse. Wie so oft erwiesen sich die ur- schen Kalligraphie sprengte Grenzen und die sonst nicht die Gelegenheit haben sich sprünglichen Vorstellungen und Annahmen mündete in einer eigenständigen Kunstform. mit Kunst zu befassen. der anderen Kunst und Kultur als falsch, Sameh Ismail partizipierte in zahlreichen Ziel des Projektes ist es den Dialog zwi- mussten Konzepte über den Haufen gewor- Ausstellungen in Ägypten. Er arbeitete für schen Kulturen auf Ebene der Zivilbevöl- fen und neu gestaltet werden. Trotz oder private wie auch staatliche Zeitungen, Wer- kerung, genauer zwischen Menschen zu gerade auf Grund dieser Umstände brachten beagenturen (z.B.: TMI Cairo, Strategies) konkretisieren und mit Leben zu erfüllen. Sameh Ismail und Thomas Mock ein umso und engagierte sich auch für Wohltätigkeits- Bei „Smear Campaign“ treten ein ägypti- bemerkenswerteres Werk hervor. projekte. scher und ein österreichischer Künstler, re- „Smear Campaign“ steht unter der Der Wiener Thomas Mock ist ein Künst- präsentativ für ihre jeweilige Kultur und Schirmherrschaft des ägyptischen Verkehrs- ler, der für seine exzentrische Graffitikunst deren Auseinandersetzung mit Schrift – Kal- ministers Mohamed Loufty Mansour. und sein kritisch-radikales Kunstverständnis ligraphie und das Graffiti, zweier auf den Ohne die ausgezeichnete Zusammen- bekannt ist. Er wurde 1977 in Wien geboren ersten Blick eher gegensätzliche Kunst- arbeit mit den ägyptischen Eisenbahnen und und studierte Architektur. Seit 1990 widmet formen, in Dialog miteinander. dem ägyptischen Verkehrsministerium wäre sich Thomas Mock dem Graffiti, das sich Der Titel „Smear Campaign“ steht dabei eine erfolgreiche Durchführung des Pro- durch Bilder und Schriftzüge auszeichnet, konkret für die selbst in Österreich immer jektes nicht möglich gewesen. die auf öffentliche Flächen gesprayt werden. noch bestehenden Vorurteile gegenüber Die Künstler Sameh Ismail und Thomas Aufgrund seiner Experimentierfreudigkeit Graffiti als Schmiererei bzw. generell für die Mock widmen sich in ihrer Kunst der Gestal- durchbricht er Barrieren und Grenzen der Vorurteile gegenüber fremder, weil unbe- tung und Umformung von Schrift, haben je- Graffitikunst und beschäftigt sich intensiv kannter Kunst und Kultur. doch einen völlig unterschiedlichen Ansatz. mit unserer modernen Gesellschaft. Thomas Der Ausgangspunkt des Projekts war: Mit Sameh Ismail ist einer der innovativsten Mock partizipierte in etlichen Kunstausstel- Kalligraphie auf der einen Seite, die im Ara- Kalligraphiekünstler Ägyptens. Kalligraphie lungen im öffentlichen Raum: Wien, Salz- bischen in der Regel die göttlichen, ewigen ist „die Kunst der Schrift eine Form zu burg, Hamburg, Amsterdam, Sao Paolo. Er Werte der Gesellschaft zum Ausdruck bringt, geben, in einer ausdruckstarken, harmoni- arbeitete mit europäischen Unternehmen und und des Graffitis auf der anderen Seite, das schen und kunstvollen Weise“ (Mediavilla staatlichen Organisationen zusammen.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 27 Österreich, Europa und die Welt

Das acf/c dankt den Sponsoren Red Bull, Austrian Airlines, dem Hotel Longchamps, Samir & Aly, dem ägyptischen Kultur- ministerium, den ägyptischen Eisenbahnen und dem ägyptischen Verkehrsministerium für deren großartige Unterstützung und Beteiligung am Dialog. Die offizielle Präsentation unter Anwe- senheit des österreichischen Botschafters Thomas Nader fand am 29. Oktober im Ramses-Bahnhof/Kairo statt.

Going Bananas – A Smile on the Nile er Nil in Ägyptens Hauptstadt Kairo Dwurde zum Schauplatz eines der spek- takulärsten Projekte des österreichischen Kulturforums in Kairo. Tausende aufblasba- re Plastikbananen wurden am 28. November auf dem mitten im Nil liegenden Kairo- Brunnen zu einer Pyramide aufgebaut, um einige Zeit später durch den Wasserdruck der Fontäne in die Luft geschleudert zu werden und sich zu einer außergewöhnlichen und poetischen Reise stromabwärts aufzuma- chen. Das Kulturforum „goes Bananas“, was sinngemäß „es wird verrückt“ heißt. „Going Bananas“, ein vom österreichi- schen Kulturforum Kairo konzipiertes und umgesetztes Projekt, bildete den Höhepunkt und gleichzeitig eindrucksvollen Abschluß der diesjährigen Veranstaltungssaison, die unter dem Leitmotiv „Alles im Fluß“ stand. Kairo und der Nil spiegeln, wie nur weni- ge andere Städte und Flüsse, ein Bild ständi- Das kreative Team des österreichischen Kultuforums in Kairo ger Bewegung und Transformation wider. Sie faszinieren und ziehen Einwohner wie Besucher in ihren Bann. Täglich finden sich die unterschiedlichsten Dinge im Fluß, und treiben im Nil Richtung Meer. „Going Bana- nas“ schenkte dieser alltäglichen Wandlung und Reise für einige Stunden besondere Auf- merksamkeit und provozierte bewußt die alles entscheidende Lebensfrage: „Warum?“. „Going Bananas“ versteht sich aber vor allem als Liebeserklärung an Kairo und den Nil, ihre Faszination und Poesie der Gegen- sätze und die Bevölkerung Kairos mit ihrer großzügigen Gastfreundschaft. Die 2000, ca. 160 cm großen, aufblasba- ren, sonnengelben Plastikbananen haben den Nil farblich, aber auch atmosphärisch verän- dert, und ihm somit ein neues Erscheinungs- bild gegeben. Durch den europaweit einheit- Tausende aufblasbare Plastikbananen wurden am 28. November auf dem mitten lich festgelegten Krümmungswinkel der im Nil liegenden Kairo-Brunnen zu einer Pyramide aufgebaut. Bananen zauberte das Kulturforum Kairo ein sich tausendfach wiederholendes Lächeln auf langt, wurden die Bananen eingesammelt Hauptsponsor der Aktion wurden der Nil den Nil, das vorbei an tausenden Schau- und ägyptischen Kinderheimen geschenkt. und Kairo zu einem der größten Kunstobjek- lustigen, Richtung Mittelmeer geflossen ist. Dank der Unterstützung des Gouverneurs von te der Welt. „ Bei den Staudämmen nördlich Kairos ange- Kairo und der Dole Food Company als http://www.acfc.cc

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 28 Österreich, Europa und die Welt Österreich Werbung und Partner beim Melbourne Cup Wichtigstes Ereignis Australiens wurde zur Bühne für Urlaub in Österreich Alle Fotos: Österreich Werbung Australien

Detail der Inneneinrichtung der Emirates Marquee – Cable Car Bar mit Österreich-Schriftzug und -Schilift

ier Tage Pferderennen? Wer die Bedeu- Österreich war heuer das diesem wichtigsten Lifestyle- und Sportereig- Vtung des Melbourne Cup Carnevals in Thema des Hauptsponsors nis Australiens und der pferdesportbegeister- österreichische Dimensionen übersetzen Hauptsponsor des Melbourne Cup Carne- ten Welt von unschätzbarem PR-Wert“, freut möchte, muß schon mehrere Ereignisse vals ist die Emirates Airline. Jährlich wählt sich Petra Stolba, Geschäftsführerin der addieren. Opernball, Lifeball und Hahnen- das Unternehmen eine ihrer Flugdestinatio- Österreich Werbung und ergänzt: „Die jahre- kammrennen zusammengenommen wäre nen als Motto, um diese im größten und langen Bemühungen der ÖW-Marktmana- wohl die trefflichste Melange, um die Ver- wichtigsten VIP-Zelt, Marquee genannt, gerin in Australien, Astrid Mulholland-Licht, schmelzung von Rennsport, Wirtschaft und während der Rennwoche vorzustellen. In- Österreich für diese Veranstaltung beim Entertainment zu beschreiben. Und doch mitten eines insgesamt 50 Zelte umfassen- Partner Emirates Airline ins Gespräch zu müßte man noch ein wenig nachlegen: den abgegrenzten Bereiches, der ausschließ- bringen, haben sich wirklich ausgezahlt!“ 120.000 Besucher pro Tag, live Übertragun- lich geladenen Gästen vorbehalten ist, thront gen auf allen Fernsehstationen, die Finanz- die Emirates Marquee als mehrstöckiges Wiener Café, Salzburger krise verbannt auf knappe Zeitungsberichte Gebäude, das seine Umgebung an Ausstat- Sonnenterrasse und Innsbrucks berühmteste Häuserzeile angesichts eines Wettvolumens von einer tung und Glamour überstrahlt. Die Ankün- Viertelmilliarde Euro, während das Gesche- digung des Emirates Marquee-Themas wird Authentizität war bei der Ausstattung der hen an der Rennbahn die Titelseiten domi- jedes Jahr mit Spannung erwartet. Schließ- Emirates Marquee oberstes Gebot: „Zwei niert; Celebrities aus der ganzen Welt reisen lich ist sie der Ort, zu dem nur die VIPs aus echte Wiener Kaffeesieder konnten wir prä- zu dem Ereignis nach Australien, das weit dem sonst schon sehr elitären Besucherkreis sentieren, Elna und Edmund Schärf-Trauner. über die Grenzen des Kontinents hinaus Zutritt haben, von wo aus Bildberichte an Wenn Wiener Melange, dann sollte es eine bewegt. Den attraktivsten Auftritt des dies- alle Fernsehstationen geliefert werden und echte sein – und wenn ein Kristallüster, dann jährigen Melbourne Cup, der in den ersten sich Kunst, Wirtschaft und Politik treffen. einer aus Swarovski-Steinen. Sogar das Gu- November-Tagen über die Bühne ging, hatte Nach Paris und Venedig wählten Emirates Air- laschkochen haben wir dem Caterer beige- jedoch Österreich, hatten – genauer gesagt – lines für ihren heurigen VIP-Bereich Öster- bracht“, erzählt die Chefin des ÖW-Büros Wien, Innsbruck und Salzburg! reich aus. „Für Österreich ist die Präsenz bei und Marktleiterin in Australien, Astrid Mul-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 29 Österreich, Europa und die Welt holland-Licht, von den Vorbereitungen. So echt als möglich sollte auch die „Hardware“ sein. „Die Emirates Marquee trug die Fas- sade der berühmten Innsbrucker Häuser am Inn mit der Nordkette im Hintergrund. Im Inneren ging das Wiener Kaffeehaus in eine Bar, gestaltet als rote Gondel, über“, be- schreibt Mulholland-Licht das Interieur. „Den besten Blick auf das Renngeschehen hatte man von der Salzburger Sonnenterrasse.“ Selbstverständlich forderte eine derartige Liebe zum Detail auch ein österreichisches Outfit der Protagonistinnen: Petra Stolba und Astrid Mulholland-Licht trugen stilge- recht Rotes bzw. Rotschwarzes der Wiener Designerinnen Schella Kann. Stolbas Hut wurde von der österreichischen Hutmacherin Sabine Mayer in Melbourne gefertigt.

Das Menü v.l.: Norbert Kettner (Direktor WienTourismus), Astrid Mulholland-Licht (Marktmana- Österreichisch mußte es sein, das Menü. gerin Österreich Werbung Australien), Keith Longstaff (Emirates Airline, Senior Vice President Commercial Operations World Wide), Petra Stolba (Geschäftsführerin ÖW) In der Emirates Marquee 2008 standen Bach- und Michael Duscher (ÖW, Region Manager Fernmärkte) forelle, Kalbswienerschnitzel mit Erdäpfel- salat, Gänseleber, Schwammerlgulasch mit sentieren: Österreichisches Lebensgefühl, Österreich-Bildern und -Berichten voll sind, Semmelknödel, Würstel im Kaisersemmerl das mit der Eleganz der Emirates Marquee wird für die Aktivierung der Marke Urlaub mit Essiggurkerl und Senf, Linzertorte, Sa- hervorragend harmoniert, sollte auch als Ur- in Österreich auf dem australischen Markt chertorte, Marmorgugelhupf, Apfelstrudel, laubspackage konkret buchbar sein. Gemein- von Bedeutung sein. „Für uns sind jene ja sogar Vanillekipferln – und vieles mehr – sam mit einem großen Veranstalter haben wichtig, die das Event auch aus den Medien auf der Speisekarte. Wie man weiß, spielt die wir bei einem Branchen-Event in der Emi- mitverfolgen“, sagt Mulholland-Licht. Am österreichische Küche bei den Urlaubsmo- rates Marquee ,A Journey through Austria‘ Namen eines der Pferderennen läßt sich die tiven eine nicht unmaßgebliche Rolle… vorgestellt, die nach Wien, Salzburg und wahre Bedeutung des Ereignisses ablesen: Innsbruck führen wird“. Eine wichtige Rolle „the race that stops a nation“. Traditioneller Nicht nur PR, sondern touristischer wird dabei die Österreich-Australien Verbin- weise trifft man einander zu Melbourne Nutzen dung durch die Emirates Airline darstellen, Cup-Lunches – im australischen Bundesstaat Daß die Inszenierung von Österreich in von der Mulholland-Licht hofft, sie werde Victoria wird am Tag dieses Rennens immer der Emirates Marquee in PR-Wert kaum bald auf zwei Flüge pro Tag ausgeweitet. ein Feiertag ausgerufen. Wer dennoch arbei- messbar ist, liegt auf der Hand. „Aktivitäten ten muß, fährt Sekt (oder Bier) auf, um sich der Österreich Werbung müssen aber auch Trendsetting gemeinsam mit der Kollegenschaft zum direkten Nutzen für die österreichische Daß die schönste Frau Australiens, Feiern vor dem Fernseher zu versammeln. Tourismuswirtschaft haben“, erläutert Stolba Megan Gale, sich mit Reitpeitsche vor der Telefonieren zu dieser Zeit zwecklos – es und Mulholland-Licht ergänzt: „Den Austra- Johann Strauss-Statue ablichten ließ, daß hebt niemand ab! Mit der Wahrnehmung liern wollten wir ein Dreistädtekonzept prä- Berichte vom Melbourne Cup Carneval von Österreichs zeigt sich Mulholland-Licht zufrieden bis euphorisch: „Es ist gelungen, ein zeitgemäßes, inspirierendes Österreich Bild zu vermitteln. Jetzt gilt es, die positive Stimmung zu nützen und in Reisen nach Österreich umzuwandeln“, schließt Mulhol- land-Licht. Australien lag 2007 mit 115.972 Ankünf- ten und 278.940 Nächtigungen an 4. (An- künfte) bzw. 3. (Nächtigungen) Position in- nerhalb der Fernmärkte. Australische Gäste schätzen die Verquickung historisch gewach- sener Kultur mit intakten Landschaften. In den Städten Salzburg und Innsbruck liegen die Australier in den Top 10-Rankings. In Wien belegen Gäste aus Australien den v.l.: Steve Reynolds (Tempo Holidays), Astrid Mulholland-Licht (ÖW), Petra Stolba beachtlichen 13. Platz. „ (GF ÖW), Silvana Giuliani (Innsbruck Tourismus) und Helga Gerbl (WienTourismus) http://www.austria.info

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 30 Wirtschaft Derzeit keine Lichtblicke für Österreichs Industrie Der Bank Austria EinkaufsManagerIndex fällt im November auf Allzeit-Tief – Neuaufträge bleiben aus, Auftragsbücher immer dünner, Produktionsleistung sinkt

ie österreichische Industrie, die auf- Austria Ökonom Walter Pudschedl. Nach schwächelnden Auftragslage jedoch nicht. Dgrund ihrer hohen Exportausrichtung Angaben der Industriemanager hat sich das Aufgrund der angespannten Nachfragesitua- internationalen Einflüssen besonders stark Neuauftragsvolumen, das sich schon seit tion sind die Erzeuger derzeit noch härterem ausgesetzt ist, zeigt sich von der globalen Jahresbeginn kontinuierlich verringert, im Wettbewerb ausgesetzt und werden in der Konjunkturflaute immer mehr betroffen. Der November drastisch reduziert. Während in Folge auch die Verkaufspreise entsprechend kräftige Rückgang des saisonbereinigten stärker nach unten anpassen müssen. „Der Bank Austria EinkaufsManagerIndex im kräftige Preisverfall bei einigen Rohstoffen November von 43,6 auf nur noch 38,3 Punk- bietet in der derzeitigen Situation den heimi- te verdeutlicht dies eindrucksvoll. Der Indi- schen Industrieunternehmen daher kaum die kator hat nun seinen historischen Tiefstwert Möglichkeit, die gute Ertragslage der ver- erreicht. Doch nicht nur das derzeit niedrige gangenen Perioden zu konservieren. Die Niveau, sondern auch der ungewöhnlich ra- Gewinnspannen werden in den nächsten sante Abwärtstrend der vergangenen Monate Monaten schrumpfen“, erwartet Pudschedl. sticht ins Auge. Die weltweite Wachstums- Aufgrund der Verschärfung der interna- abkühlung hat verstärkt durch die globale tionalen Konjunktureintrübung, vor allem in Finanzkrise zu einer enormen Verunsiche- den wichtigsten europäischen Handelspart- rung der Wirtschaftsakteure geführt, die sich nerstaaten, sind die weiteren Aussichten für temporär in einem besonders defensiven die heimischen Sachgütererzeuger sehr zu- Marktverhalten ausdrückt. „Ungeachtet des- rückhaltend einzuschätzen. „Da sich insbe- sen, dass der vom Vorsichtsmotiv geprägte, sondere die exportorientierte, österreichi- aktuelle Rückgang des Bank Austria Ein- sche Industrie den ungünstigen internationa- kaufsManagerIndex auf Rekordniveau un- len Vorgaben nicht entziehen kann, erwarten verhältnismäßig erscheint, schlittert die hei- wir nach dem Anstieg der Produktions- mische Industrie in eine tiefe Konsolidie- leistung um rund 1 Prozent im laufenden rungsphase und die Bodenfindung zögert Foto: http://www.bilderbox.biz Jahr, für 2009 sogar einen empfindlichen sich, länger als ursprünglich erhofft, hinaus“, den Vormonaten die rückläufige Entwick- Rückgang“, faßt Bruckbauer die weiteren meint der stellvertretende Chefvolkswirt der lung bedingt durch die ungünstigen interna- Aussichten für die heimische Industrie zu- Bank Austria, Stefan Bruckbauer. tionalen Rahmenbedingungen vorrangig von sammen. Erst im Verlauf der zweiten Jah- Gemäß der aktuellen Umfrage schrumpft der nachlassenden Exportauftragslage getra- reshälfte 2009 sind die Chancen auf eine die österreichische Industrieproduktion be- gen worden war, hat sich mittlerweile die langsame Erholung gegeben, wobei die reits seit sechs Monaten. Im November ist Nachfrage im Inland ebenso stark abge- österreichische Industrie aufgrund der hohen der Index für die Produktionsleistung sogar schwächt. Damit erhält die Industrie von Produktivität nach den strukturellen Erneue- um mehr als zehn Prozent gesunken. Auf- keiner Seite mehr unterstützende Impulse, rungen der vergangenen Jahre und den rela- grund dieses stärksten jemals gemessenen was sich bereits im Rückgang der Auftrags- tiv moderaten Lohnabschlüssen sich eine Rückgangs erreicht dieser Teilindikator mit bestände niederschlägt. Die dünneren Auf- gute Ausgangsposition gesichert hat, um 38,2 Punkten ebenfalls einen historischen tragsbücher und der Einbruch des Verhält- möglichst früh von einem globalen Auf- Tiefststand. Nach Einschätzung der Ökono- nisses von Auftragseingängen zu Lagerbe- wärtstrend profitieren zu können. „ men der Bank Austria entscheidet die Ent- ständen, das in der Vergangenheit ein sehr Anmerkung: Werte des EMI über 50,0 wicklung der heimischen Industrie über die aussagekräftiger Indikator für die Abschät- weisen auf ein Wachstum gegenüber dem Schwere und Dauer einer Rezession der ös- zung der Industriekonjunktur war, dämpfen Vormonat hin, Notierungen unter 50,0 signa- terreichischen Wirtschaft. „Die Entwicklung besonders stark die zukünftigen Aussichten. lisieren einen Rückgang. Je weiter die Werte des Bank Austria EinkaufsManagerIndex im Erstmals seit dem Sommer 2003 haben von 50,0 entfernt sind, desto größer sind die November bestätigt unsere Befürchtung, sich im November vor allem aufgrund des Wachstums- bzw. Schrumpfungstendenzen. dass die österreichische Wirtschaft im ersten Rückgangs der Ölpreise als Folge der globa- Diese Aussendung enthält die Originaldaten Halbjahr 2009 in eine Rezession schlittern len Konjunkturverlangsamung die Einkaufs- aus der Monatsumfrage unter Einkaufs- wird“, so Bruckbauer. preise im Vergleich zum Vormonat verrin- leitern der Industrie Österreichs, die von der „Ein wesentliches Indiz für eine länger gert. Der verminderte Kostendruck von der Bank Austria gesponsert und unter der anhaltende Talfahrt der heimischen Sachgü- Inputseite ist zwar willkommen, eine maß- Schirmherrschaft des ÖPWZ seit Oktober tererzeugung ist die dramatische Verschlech- gebliche Verbesserung der Rahmenbedin- 1998 von Markit Economics durchgeführt terung der Auftragslage“, meint Bank gungen ergibt sich dadurch angesichts der wird.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 31 Wirtschaft Leitl: Kreditgewährung an Betriebe bald sicherstellen WKÖ-Präsident urgiert vor Wirtschaftsparlament Ausweitung bei Kredit- und Exportgarantien sowie Investitionsanreize – Lob für Steuersenkung und »Jahressechstel«

a, die Wirtschaft hat ernstzunehmende JProbleme. Aber ich warne davor, sich an den Problemen zu weiden. Vom Schlecht- reden wird nichts besser. Wir müssen uns daher an den möglichen Lösungen orientie- ren“, verwies WKÖ-Präsident Christoph Leitl am 27. November in seiner Rede vor dem Wirtschaftsparlament der WKÖ im Ge- gensatz zu den täglichen Negativmeldungen darauf, daß 2007/2008 insgesamt 100.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden.

Gründerboom ungebrochen Auch die Zahl der Lehrplätze sei auf Foto: WKÖ 131.000 gestiegen und der Gründerboom sei Präsident Christoph Leitl bei seiner Rede vor dem Wirtschaftsparlament der WKÖ ungebrochen: „Heuer werden wieder rund 30.000 neue Betriebe gegründet. Das sind forderlich ist. Dabei wandte er sich gegen Steuerreform 2009 vor allem den „Durch- umgerechnet 150 Arbeitsplätze täglich. Das „reflexhafte Kritik“ an einem Beschäftigungs- bruch beim begünstigten Jahressechstel auch ist ein starkes Zeichen für mehr Optimis- modell, welches Industrie-Präsident Veit für Selbständige ab 2010“. Mit dem Jah- mus.“ Die Prognosen für 2009 seien nicht Sorger vorgestellt hatte. Dieser hat vorge- ressechstel-Freibetrag von 13 Prozent statt erfreulich, so Leitl: „Daher müssen wir jetzt schlagen, daß Betriebe, Arbeitnehmer und der „bürokratischen Totgeburt“ der Begün- darauf reagieren, um doch noch zu befriedi- öffentliche Hand etwas beitragen sollten, um stigung nicht entnommener Gewinne sei ein genden Ergebnissen zu kommen.“ Derzeit Kündigungswellen zu verhindern – das sei Ende der Steuerdiskriminierung für Selb- wisse allerdings niemand, welche Heraus- ein „guter Anstoß“. ständige endlich in Sicht und werde bei den forderungen konkret noch bevorstehen: „Wir kleinen Betrieben eine Substanzbildung in sind wie bei einer Fahrt im Nebel. Daher Investitionsanreize schaffen schwierigen Zeiten ermöglicht. Sehr positiv sollten wir nicht jetzt das gesamte Pulver Bei den Konjunkturmaßnahmen urgierte sei neben der seit langer Zeit verlangten verschießen, sondern uns etwas für neue der WKÖ-Chef eine Schwerpunktsetzung steuerlichen Absetzbarkeit von Betreuungs- Probleme aufheben.“ auf die thermische Sanierung, die Abschaf- kosten auch die mit zwei mal 25 Millionen Leitl verwies darauf, daß die Wirtschafts- fung der Kreditvertragsgebühr sowie einen Euro dotierte Internationalisierungsoffen- kammerorganisation laut einer aktuellen Beteiligungsfreibetrag von 50.000 Euro. Er sive, so Leitl: „Wir werden unsere Außen- Umfrage ein sehr großes Vertrauen in der verwies auf Aussagen von Banken, wonach wirtschaftsaktivitäten ausbauen, wir werden österreichischen Bevölkerung genießt und sich die Kreditgewährung an die Betriebe in versuchen, die Auftragsbücher wieder aufzu- sah die Ursache im Bemühen der Wirtschaft, absehbarerer Zeit wieder normalisieren füllen und wir werden versuchen, uns vom positive Lösungen in den verschiedensten werde: „In wenigen Wochen sollen und müs- kleiner werdenden Kuchen ein größeres Bereichen für das Land und seine Bevöl- sen die Euros von den Banken zu den Klein- Stück abzuschneiden.“ kerung zu erreichen. So würde etwa der Aus- und Mittelbetrieben wieder rollen. Zugleich Nicht zuletzt sei positiv, was nicht im bau und die bessere Bezahlung der Post- müssen wir aber neben Investitionsanreizen Koalitionspakt stehe: keine Wiedereinfüh- partner sowohl die Versorgung der BürgerIn- wie etwa einer degressiven Abschreibung rung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, nen mit Postdiensten als auch die Stärkung auch die Kredit- bzw. Exportgarantien beim keine Vermögenssteuer, keine Erhöhung der der Nahversorgung sicherstellen. aws, der Hoteltreuhand und der Kontroll- Lohnnebenkosten. Schmerzhaft sei aller- bank ausweiten und verbessern. Vordring- dings, daß die notwendigen Strukturrefor- Verhinderung von Kündigungen liches Ziel muß sein, den Finanzkreislauf für men wie etwa eine Verfassungs- und Ver- Der WKÖ-Präsident appellierte auch an die Realwirtschaft sicherzustellen.“ waltungsreform eher unkonkret erwähnt die Politik, gewisse wichtige Dinge wie etwa sind. Leitl bekannte sich aber zu einer Fi- die Sicherung des Wirtschafts- und Arbeits- Selbständige endlich entdiskriminiert nanztransaktionssteuer, damit könne der EU- standortes als nationales Anliegen zu defi- In bezug auf das Regierungsprogramm Haushalt finanziert werden. „ nieren, bei dem ein nationaler Konsens er- begrüßte Leitl neben der vorgezogenen http://www.wko.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 32 Wirtschaft Österreichs Wirtschaft im III. Quartal kaum mehr gewachsen Die heimische Wirtschaft wuchs um Saison- und Arbeitstagseffekte bereinigt gegenüber der Vorperiode real um 0,1% (nach +0,3% im II. Quartal). Gegenüber dem Vorjahr betrug die Zuwachsrate 1,5% (II. Quartal +2,2%).

or dem Hintergrund des internationalen kalpolitik gestützt worden waren. Bei weiter ber bei 60 $. Der preistreibende Einfluß von VAbschwungs verzeichnet vor allem die sinkenden Immobilienpreisen waren die Treibstoffen und Heizöl ließ entsprechend exportgetriebene Sachgütererzeugung einen Wohnbauinvestitionen im III. Quartal erneut nach. Die Inflationsrate war im September deutlichen Rückgang. Während die Kon- rückläufig. Gemäß dem aktuellen WIFO- mit 3,7% dennoch relativ hoch. Im Umfeld junktur auch in der Bauwirtschaft langsam Konjunkturtest dürfte sich der Abschwung in des verstärkten Preisauftriebs und des aktuel- abflaut, kommen weiterhin Impulse aus dem der österreichischen Industrie im Abschluß- len Konjunkturabschwungs einigten sich die Tourismus. Vorlaufindikatoren weisen dar- quartal verstärken. Erstmals seit fünf Jahren Tarifpartner in der Metallindustrie auf eine auf hin, daß sich der Abschwung in der meldeten im Oktober mehr Unternehmen Anhebung der Ist-Löhne um 3,8% (Mindest- Industrie im IV. Quartal verstärken dürfte. einen Rückgang der Produktion als eine löhne +3,9%). Zusätzlich wurden vom Das Wirtschaftswachstum verlor in Ausweitung. Die Kapazitätsauslastung sank Betriebsergebnis abhängige Einmalzahlun- Österreich im Jahresverlauf an Dynamik. Im unter 82% und lag damit um 4 Prozent- gen von 100 € bis 250 € vereinbart. III. Quartal lag die saison- und arbeitstägig punkte unter dem Wert vor eineinhalb Jah- Der Konjunkturabschwung dämpft auch bereinigte Rate gegenüber dem Vorquartal ren. Vor allem die Nachfrageschwäche im die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt. Wäh- bei nur noch +0,1%. Besonders deutlich In- und Ausland belastet die Unternehmen, rend sich der Beschäftigungszuwachs im zeigt sich die Abschwächung in der kon- Finanzierungsprobleme im Zuge der Finanz- Jahresverlauf abschwächte (Oktober +1,9% junkturreagiblen Sachgütererzeugung: Die krise bezeichnen dagegen zurzeit nur rund gegenüber dem Vorjahr, +0,1% gegenüber Wertschöpfung sank gegenüber dem Vor- 1% der befragten Unternehmen als Produk- dem Vorquartal), stieg die saisonbereinigte quartal um 0,7%. Ein ähnlich hoher Rück- tionshindernis. Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vor- gang war zuletzt im Jahr 2001 verzeichnet Die Abwertung des Euro gegenüber dem monat um 0,3%. Im Oktober waren in Öster- worden. Die Bauwirtschaft, welche die nach- Dollar kommt den exportorientierten Unter- reich insgesamt 202.800 Arbeitsuchende lassende Konjunktur im 1. Halbjahr 2008 nehmen entgegen. Zuletzt beruhigte sich zu- vorgemerkt, die Arbeitslosenquote verharrte gestützt hatte, steigerte die Wertschöpfung dem der Erdölpreis. Nach 140 $ im Juli notier- laut österreichischer Berechnungsmethode im Vorquartalsvergleich nur noch geringfü- te ein Barrel der Sorte Brent Anfang Novem- saisonbereinigt bei 5,9%. „ gig (+0,2%). Während die Nachfrage nach Ausrüstungsinvestitionen abnahm, expan- dierten die Ausgaben der privaten Haushalte Zuversicht der Österreicher sinkt stabil (+0,3% gegenüber der Vorperiode). stärker als im übrigen Europa Wegen des Konjunktureinbruchs auf den wichtigsten Absatzmärkten war die Export- ie Finanzmarktkrise hinterläßt ihre Spu- zent dramatisch zurückgegangen. Nur in nachfrage rückläufig (-0,3% gegenüber dem Dren: Stärker als in den meisten anderen Rußland ist das ökonomische Meinungsbaro- Vorquartal). Nachdem einige große europäi- Ländern hat bei den Österreichern der Zu- meter seit dem Frühjahr noch stärker gesun- sche Volkswirtschaften bereits im II. Quartal kunftsoptimismus unter den Ereignissen der ken. geschrumpft waren, verstärkte sich der Ab- vergangenen Monate gelitten. Mehr als zwei Besondere Sorgen bereitet den Menschen schwung in der EU im III. Quartal. Die Drittel aller Österreicher machen sich über hierzulande die Sicherheit der Jobs. Statt 32 Industrieproduktion geht im Euro-Raum seit die jüngsten Entwicklungen in der Finanz- Prozent zuversichtliche Personen, wie im Mai im Vorjahresvergleich zurück, und die welt ernsthafte Sorgen. 54 Prozent rechnen Mai dieses Jahres, weist die Umfrage nur Unsicherheit angesichts der Finanzkrise mit spürbaren Auswirkungen auf ihr persön- noch 13 Prozent Arbeitsplatz-Optimisten aus. dämpft die Konsum- und Investitionsnach- liches Leben. Dies geht aus einer repräsenta- Weit weniger pessimistisch sind die Öster- frage. Im Oktober sank der Vertrauens- tiven Umfrage hervor, die die Allianz Ver- reicher, wenn es um ihren persönlichen Job indikator der Europäischen Kommission auf sicherung mit GfK in mehreren europäischen geht. Lediglich jeder Siebente bangt öster- den niedrigsten Wert seit der Rezession Ländern und den USA durchführen ließ. reichweit um seinen eigenen Arbeitsplatz. 1993. In den USA verringerte sich die reale Österreich – im Mai noch Europameister Generell wird die eigene Lebenssituation Wirtschaftsleistung im III. Quartal gegenü- der Zufriedenheit – stürzte hinsichtlich des weiterhin günstiger bewertet als die Lage der ber dem guten II. Quartal (+0,7) um 0,1%. Urteils über die Gesamtlage der Nation be- Nation. 59 Prozent der Befragten sind per- Vermögensverluste auf den Immobilien- und sonders deutlich ab. Beurteilten vor sechs sönlich durchaus zufrieden, nur 29 Prozent Finanzmärkten drückten die Konsumaus- Monaten 34 Prozent der Österreicher die jedoch mit Österreich im ganzen. Beide gaben der privaten Haushalte, nachdem sie wirtschaftliche Zukunft unseres Landes ro- Werte haben sich seit dem Frühjahr ver- im Vorquartal noch durch die expansive Fis- sig, so ist dieser Wert auf nunmehr 14 Pro- schlechtert. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 33 Wirtschaft Wohn(t)raum Waldviertel Zuzug fördern und Abwanderung bremsen: Mehr als 40 Gemeinden arbeiten an der Stärkung des Waldviertels als Wohn- und Lebensstandort.

n St. Pölten präsentierten Landeshaupt- Imannstellvertreter Ernest Gabmann und Landesrat Wolfgang Sobotka am 27. No- vember das neue Projekt „Wohn(t)raum Waldviertel“. Dieses auch als „Aktion 15“ titulierte Projekt soll helfen, bis zum Jahr 2015 die Abwanderung in der Region um 15 Prozent zu reduzieren sowie einen 15pro- zentigen Zuzug von HauptwohnsitzerInnen zu erreichen. „Durch dieses Schlüsselprojekt soll es zu einer Stärkung der Gemeinden bzw. der Re- gion kommen. Umfangreiche Maßnahmen mit dem Fokus auf die Stärkung des Wald- viertels als Wohn- und Lebensstandort wer- den dabei umgesetzt“, beschrieb Gabmann das neue Vorhaben. Foto: ecoplus „Dieses Projekt soll den Menschen das ecoplus Geschäftsführer Helmut Miernicki, LH-Stv. Ernest Gabmann, LR Wolfgang Sobotka und Johann Müllner, Bürgermeister von Pölla (v.l.) Waldviertel emotionell schmackhaft machen und eine Trendumkehr punkto Abwanderung Imagekampagne für die Region durchge- des Projekts belaufen sich auf 1,7 Millionen bewirken. Es soll eine Motivation sein, ins führt werden. Weiters wird auf die Zusam- Euro, 850.000 Euro stellt das Land zur Ver- Waldviertel zu kommen und dort zu blei- menarbeit mit Projektpartnern, den Einsatz fügung. Für den Rest kommen Gemeinden ben", betonte Sobotka. „Wir fördern einen von Standortbeauftragten und Gemeinde- und private Partner wie etwa „Raiffeisen“ leistbaren und zugleich qualitativen Wohn- lotsen und den Aufbau eines Vertriebs- auf. Durch die Umsetzung erwartet man sich raum für alle Bedürfnisse. Zugleich forcie- systems in Wien gesetzt. Mit dem Verkauf zusätzliche Investitionen in der Höhe von ren wir verstärkt den ökologischen Wohn- bzw. der Vermietung von Immobilien und 100 Millionen Euro sowie eine Stärkung der bau. Dies kommt speziell im Waldviertel Flächen in den Gemeinden will man vor Ort Ertragsanteile. Zudem sollen durch die „Ak- zum Tragen, wo energiesparende Bauformen aktiv werden, heimische Firmen mit energie- tion 15“ 1400 Arbeitsplätze in der Region eine Pionierrolle einnehmen.“ technischem und ökologischem Know-how gesichert bzw. 400 neue geschaffen werden. Die Basis für die Umsetzung des werden bei Bau-, Umbau- und Sanierungs- Das neue Projekt ist Teil zahlreicher „Wohn(t)raums Waldviertel“ bildet einer- maßnahmen eingebunden. „Es geht um den jüngst gesetzter Maßnahmen bzw. eines seits das Ende 2006 formulierte „10-Punkte- konsequenten Ausbau und das Anbieten von Konjunkturpakets zur Stärkung des Wald- Programm“ für das Waldviertel, andererseits Lebens- und Wohnraum in den Dörfern“, so viertels. Dazu gehören auch die gesundheits- eine Machbarkeitsstudie von Wallenberger Sobotka. touristischen Betriebe in Ottenschlag und in & Linhard Regionalberatung. Die Ziele bis Zielgruppe sind neben Zweitwohnsitzern Traunstein, das Buskonzept Waldviertel, die 2015: 15 % weniger Wegzüge, zusätzliche vor allem junge Familien mit Kindern und Landesausstellung 2009 oder auch die Orts- 15 % Zuzug von HauptwohnsitzerInnen, 15 Angehörige der Generation 50+. Die Kosten kernbelebung. „ % zusätzliche ZweitwohnsitzerInnen aus dem Zentralraum, 15 % der Zweitwohnsit- zerInnen werden HauptwohnsitzerInnen. Dosenbier bringt Egger-Umsatz zum Überschäumen Zielgruppen sind vor allem junge Menschen mit Kindern, Personen der Generation 50+ m Gegensatz zum allgemein stagnieren- zent auf 31 Millionen Euro geklettert. Diese und ZweitwohnsitzerInnen. Iden österreichischen Biermarkt kann sich Daten gibt Egger-Geschäftsführer Kurt An dem Projekt sind über 40 Gemeinden die niederösterreichische Privatbrauerei Ziegleder im Gespräch mit dem NÖ Wirt- in den Bezirken Krems, Melk, Zwettl, Fritz Egger GmbH & Co in Unterradlberg schaftspressedienst bekannt. Gmünd, Waidhofen an der Thaya, Horn und mit ihren 60 Mitarbeitern über beachtliche Sorgen bereiten Ziegleder, der 2009 die Hollabrunn beteiligt; Projektträger ist der Absatzzuwächse freuen. Um plus neun Pro- Preise erhöhen muß, die gestiegenen Roh- Verein „Interkomm Waldviertel“. zent auf 470.000 Hektoliter steigerte sich der stoffpreise. So haben sich die Kosten für Primärer Eckpfeiler des Projekts ist die Bierausstoß in den ersten drei Quartalen 2008 Malz, von dem Egger jährlich 12.000 Ton- Inangriffnahme umfassender Marketing- gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vor- nen benötigt, in den letzten zwei Jahren ver- und Werbeaktivitäten; auf Messen oder auch jahres. Im abgelaufenen Geschäftsjahres doppelt. Auch die Preise für Glas und Dosen auf einer eigenen Internetplattform soll eine 2007/08 war der Umsatz bereits um 8,5 Pro- sowie für Energie zogen stark an. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 34 Wirtschaft Der Käfer Österreichisches Nationalgefühl dank deutscher Wertarbeit? – Daß Österreichs BewohnerInnen sich heute als echte ÖsterreicherInnen fühlen, haben sie auch einem deutschen Auto zu verdanken: dem VW-Käfer.

ies ist das erste Ergebnis eines Projektes Ddes Wissenschaftsfonds FWF, das un- tersucht, inwiefern Konsumgüter die Bil- dung der österreichischen Nation beeinflußt haben. Dabei zeigt sich, daß der „Volks- wagen“ in den entscheidenden Jahrzehnten der Nationsbildung zum Identifikations- und Integrationsobjekt der ÖsterreicherInnen wurde. In einem nächsten Schritt wird nun auch der Einfluß von Lebensmitteln auf die- sen Prozess untersucht. Daß der lahmende Autoabsatz in der der- zeitigen Finanzkrise das Nationalgefühl der ÖsterreicherInnen erschüttert, wird wohl kaum Bestätigung finden. Umgekehrt belegt ein Pro- jekt des Instituts für Wirtschafts- und Sozial- geschichte der Universität Wien zum Thema „Produkte und die Konstruktion der österrei- chischen Nation“ nun jedoch, daß die starke Präsenz und Verbreitung einer bestimmten Automarke in den Nachkriegsjahrzehnten we- sentlich den Aufbau eines österreichischen Gemeinschafts-Gefühls unterstützt hat. Diese Leistung hat der deutsche VW- Käfer erbracht. Ein Produkt, das nicht inlän- disch war und am österreichischen Markt auch nicht „austrifiziert“ wurde, z. B. durch Österreich-betonte Werbung. Der Käfer war Foto: VW jedoch das erste Auto, das für die breite Mas- „Volkswagen“, ein erschwingliches Auto aus Autogebrauch der Bevölkerung sowie den se von ÖsterreicherInnen leistbar war und so heimischer Produktion, auf den Markt ge- Fortschritt des Landes und unterstützte so einen Großteil der Bevölkerung in den Pro- bracht. Als Auto, das speziell auch zur maßgeblich den Aufbau des Nationalgefühls. zeß der Motorisierung integrierte. Dadurch Bewältigung der alpinen Landschaft geeig- Gleichzeitig verkörpert er auch die Ambi- ergab sich eine kollektive Identifikation der net sei, sollte dieses Symbolcharakter für die valenz des österreichischen Nationsbil- ÖsterreicherInnen mit „ihrem“ Volkswagen, ganze Nation haben. Das österreichische dungsprozesses. Dieser beruht beim ersten was auch das allgemeine Wir-Gefühl stärkte. Auto schlechthin, der wahre Volkswagen Blick auf einer Distanzierung zu Deutsch- blieb jedoch der Käfer, wie das Projekt auf- land, bei näherer Betrachtung mischt sich Symbol auf vier Rädern zeigt: Während der Steyr Puch 1958, in sei- jedoch eine markante Wertschätzung für „Nach dem Krieg wollte sich Österreich nem besten Jahr kurz nach seinem Markt- Deutsches darunter.“ zu einer modernen Nation nach westlichem eintritt, nur einen Anteil von rund 12 Prozent Im Rahmen des Projektes wurde bisher Vorbild aufrüsten und folgte dabei dem an den Neuzulassungen erreichte, hielt der primär die Bedeutung von Autos untersucht, Vorbild der Konsumnation USA. Dabei galt Käfer lange bei einem Fünftel der Neuzu- deren Erwerbung in der Regel intensive das Auto und insbesondere der PKW als lassungen und schaffte zu seinen besten Kaufüberlegungen vorangehen. In einem Kollektivsymbol des gesellschaftlichen und Zeiten bis zu 27 Prozent. nächsten Schritt stehen nun auch Nahrungs- technischen Fortschritts. Autos der breiten mittel – relativ billige Produkte von alltäg- Bevölkerungsschicht zugänglich zu machen, Deutschland – in oder out? licher Notwendigkeit – im Fokus. So wird avancierte zu einem Beleg dafür, daß man Damit war der VW-Käfer in Österreich uns das FWF-Projekt in Zukunft auch wis- sich auf dem Weg zu einer Mittelschicht- mit Abstand der häufigste PKW und wurde sen lassen, wie Kaffee von Julius Meinl, nation mit gehobener Kaufkraft befand“, so durch seine starke Präsenz auf den Straßen Almdudler oder Fast Food von McDonalds Projektleiter Oliver Kühschelm. zu einem Symbol für Österreich, wie Küh- das nationale Selbstverständnis der Öster- 1957 wurde in Österreich mit dem Steyr schelm erläutert: „Der Käfer wurde zu einem reicherInnen geprägt haben. „ Puch 500, Modell Fiat, auch ein eigener kollektiven Symbol für den gemeinsamen http://www.fwf.ac.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 35 Wirtschaft Vorweihnachtliches Geschenke- Shoppen in der Alpenrepublik Jeder sechste Österreicher ist »Last-Minute«-Käufer

ie es Herr und Frau Österreicher heuer zutage: Männer kommen beim diesjährigen Access Panel mehr Zeit VOR dem eigent- Wmit dem Kauf von Weihnachtsgeschen- Geschenke-Shoppen wohl vermehrt ins lichen Weihnachtsgeschenke-Kauf in das ken halten, geht eine aktuelle Studie von Schwitzen, denn er hält es mit dem Besorgen Nachdenken und Planen investieren, als es Marketagent.com, Österreichs führendem der Aufmerksamkeiten nicht ganz so genau ihre „bessere Hälfte“ zu tun pflegt. Während Online Markt- und Meinungsforschungs- wie sie es tut … Doppelt so viele Männer sie durchschnittlich gute acht Stunden in institut, nach. 500 Österreicher im Alter zwi- („Last-Minute"-Käufer: 21,4%) wie Frauen sorgfältiges Liste-Schreiben, wem sie was zu schen 14 und 59 Jahren, die der Finanzkrise (11,8%) kennen die nervenaufreibende Weihnachten schenken könnte, investiert trotzen und ihre Liebsten auch dieses Weih- Situation, wenn sie am 23. Dezember notge- (Mittelwert: 8,1 Stunden), bringt er es auf nachten mit (mehr oder weniger) kostspieli- gute sechs Stunden reine „Nachdenk-Zeit“ gen Aufmerksamkeiten verwöhnen, wurden (Mittelwert: 6,3 Stunden). Wenig verwun- rund um ihre Weihnachtseinkäufe befragt. derlich also, daß sich 25,4 Prozent der Ergebnis: Jeder Zweite kauft die Präsente Männer im Vergleich zu nur 14,3 Prozent der schon so früh wie nur möglich oder über das Frauen der Spezies „Spontankäufer“ zu- ganze Jahr verteilt, jeder Dritte beginnt in schreiben (Top-2-Box auf einer 5-stufigen der Adventzeit mit dem Weihnachtsshoppen. Skala), die sich durch „einfaches Losgehen Einer von sechs Befragten zählt zu den und spontanes Weihnachtsgeschenke-Kau- „Last-Minute“-Käufern. Das starke Ge- fen“ auszeichnet. schlecht kommt beim diesjährigen Geschen- Wenn es aber um den Einkaufsakt an sich ke-Shoppen vermehrt ins Schwitzen, hält er geht, kann er mit ihr (zeitlich gesehen) mit- es doch mit dem Beschenken nicht ganz so halten: Hier bringen es beide Geschlechter genau, wie sie es tut … auf durchschnittliche sechs Stunden Weih- Was wäre denn die „besinnliche“ Vor- nachtsgeschenke-Marathon vor dem Frohen weihnachtszeit ohne dem traditionellen Ge- Fest (Zeit, die in das Kaufen investiert wird: schenke-Shoppen auf maßlos überfüllten Mittelwert: Männer 5,9 Stunden; Frauen 6,0 Einkaufsstraßen, während aus den Lautspre- Stunden). chern unermüdlich die X-mas-Dauerhits tönen? Gutscheine sind bei 20+-Jährigen Jeden zweiten Österreicher erfüllt der beliebt Blick auf den feuerrot leuchtenden 24. De- „Gutscheine stehen heuer zur Bescherung zember im Kalenderblatt mit Vorfreude, hoch im Kurs“, so Thomas Schwabl, Ge- denn sein Gewissen ist beruhigt: Laut Stu- schäftsführer von Marketagent.com. Zwei dienergebnis kauft die Hälfte der weihnacht- von drei Befragten halten einen Gutschein lichen „Gönner“ in Österreich die Weih- als Weihnachtsgeschenk für eine (zumindest nachtsgeschenke schon so früh wie nur mög- eher) gute Idee (Top-2-Box auf einer 5-stufi- lich (30,5%) bzw. überhaupt über das ganze gen Skala: 66,2%). Jeder Zweite würde so Jahr verteilt (19,2%). Jeder Dritte geht mit Foto: http://www.bilderbox.biz ein Geschenk unter dem Weihnachtsbaum dem Öffnen des ersten Adventkalender- drungen zwischen Entsafter, Socken, Mes- sogar sehr begrüßen (Top-Box: 49,8%). Am Türchens den Weihnachtseinkaufspflichten serset und Rasierer wählen müssen, weil sie meisten würde sich die Gruppe der 40- bis nach (33,9%). Und was ist mit dem Rest? wieder einmal bis kurz vor Weihnachten 59-Jährigen über diese Art von Geschenk Jedem sechsten Österreicher treibt der bloße gewartet haben. Kein Wunder, denn das freuen, während die 14- bis 19jährigen am Gedanke an Heiligabend vermutlich Schweiß- „schwache“ Geschlecht tendiert viel stärker ehesten darauf verzichten könnten. Im perlen auf die Stirn, denn er gehört zur dazu, sich schon bei Temperaturen weit über Schnitt planen die Ösis in diesem Jahr sieben Gruppe der so genannten „Last-Minute“- dem Nullpunkt darüber Gedanken zu Personen zu Weihnachten eine Aufmerksam- Käufer, die die meisten Präsente erst knapp machen, wie sie Familie und Freunde unter keit zukommen zu lassen, wobei Männer vor Weihnachten besorgen (16,4%). dem Christbaum glücklich machen könnte den Kreis der auserwählten Beschenkten („kaufen über das Jahr verteilt“: Frauen tendenziell kleiner halten. Während Frau Ös- Mann läßt sich mehr Zeit 24,9%; Männer 12,9%). terreicher durchschnittlich acht Personen zu mit dem Geschenke-Kauf beschenken plant, wird Herr Österreicher Eine differenzierte Betrachtung des (vor-) Frau tendiert zum »Liste-Schreiben« durchschnittlich sechs Verwandte, Freunde weihnachtlichen Einkaufsverhaltens nach Weiters zeigt sich, daß die weiblichen oder Bekannte mit einem Präsent unter dem Geschlecht bringt interessante Ergebnisse Befragten aus dem Marketagent.com Online Baum überraschen. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 36 Wirtschaft Über 100 Jahre altes Spielzeug Der Matador hat dem Verdrängungswettbewerb von Game-Boy & Co. standgehalten – dank einem Ehepaar aus Niederösterreich, das eigentlich »nur« nachhaltiges Spielzeug für seine Kinder gesucht hat.

Von Michael Mössmer.

as ist denn eigentlich aus dem Matador Wgeworden? Diese Frage haben sich vie- le Menschen – vor allem ältere Semester – schon oft gestellt. Wesentlich war es jedoch, daß sich das Ehepaar Claudia und Michael Tobias mit dem Stellen der Frage nicht zu- friedengab, denn deren Kinder sollten mit diesem natürlichen und kreativen Spielzeug aufwachsen. Michael Tobias ist, wie auch der Schreiber dieser Zeilen, selbst mit Mata- dor aufgewachsen und begann gemeinsam mit seiner Frau zu recherchieren. Schnell stellte sich heraus, daß die Produktion Jahre zuvor eingestellt wurde und die Marken- rechte bei einem gewissen Kurt Falk lagen. Jenem Kurt Falk der – gemeinsam mit Hans Dichand – Eigentümer der „Kronen Zeitung“ war und sich durch den Verkauf seines An- teiles neben dem Wochenmagazin „Die

ganze Woche“ und der Tageszeitung „täglich Alle Fotos: Matador alles“ wohl mit dem Erwerb von Matador Jeder, der mit Matador aufgewachsen ist, fühlt sich mit diesem Bild zurückversetzt auch einen Jugendtraum erfüllt hatte. Kapital war ausreichend vorhanden, also betroffen, sondern Erwachsene, die auf ihren kaufte Falk im Jahr 1978 das Unternehmen Matador als liebgewordenen Zeitvertreib Matador und brachte das beliebte Spielzeug nicht verzichen wollten. Und zweitens woll- wieder auf den Markt. Das Prinzip der Holz- ten Erfinder, die ihre ersten Modelle mit klötze, die mit verschiedenen Accessoires Matador zusammenstellen, bevor die Ent- bestückt zu den waghalsigsten Gebilden würfe so richtig ins Geld gehen, das hoch- zusammengesteckt werden, behielt er bei. Es technische Konstruktionswerkzeug nicht dürften wohl die modernen Konkurrenten missen. Als Beispiel sei hier ein Techniker auf den Gabentischen wie Gameboy u.ä. da- genannt, der einen Matador-Pflug baute, so zu geführt haben, daß Falk einige Bestand- seinem Team die technischen Vorzüge teile durch Kunststoff ersetzte, um ein wenig schmackhaft machen und den Hi-Tec-Pflug Zeitgeist in die Holzbaukästen zu bringen. später zu Serienreife brachte. Jedenfalls war der erfolgreiche Verleger mit der wirtschaftlichen Entwicklung seines Kurt Falk verkaufte die Rechte Hobbies nicht zufrieden und stellte schließ- Also nahmen sich Claudia und Michael lich 1987 die Produktion ein. Tobias ein Herz, vereinbarten einen Termin mit Kurt Falk und erwarben 1997 die Rechte Mit 1987 war alles vorbei an der Marke Matador, deren erstes Patent Damit war es für die unzähligen Matador- bereits am 2. November 1901 von dessen Freunde auf der ganzen Welt vorbei mit dem Erfinder, dem Wiener Bauingenieur Johann Nachbestellen von Erweiterungen, Ersatztei- Korbuly, angemeldet wurde (er war übri- len, Bauanleitungen usw. Nun, könnte man gens, unter anderem, Bauleiter beim Bau der sagen, finden sich Kinder ja recht schnell mit Grazer Schloßbergbahn in den Jahren 1893/ einer Veränderung im Alltag ab, insbesonde- 1894). Die Idee zum Matador ist, im Grunde re dann, wenn es ausreichend anderes genommen, ebenso einfach wie genial. Als Spielzeug gibt. Doch zwei Mal gefehlt, denn Können Sie sich auch erinnern, diesen Korbuly eines Tages die Streitereien seiner erstens waren nicht in erster Linie Kinder Turner einmal gebaut zu haben? Kinder wieder einmal nervten, eines hatte

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 37 Wirtschaft einen Turm aus Bausteinen gebaut, der vom und Verkauf hatte er am Standort Wien bei- meter. „Man bedenke, daß vor allem bei län- anderen gleich wieder umgeworfen wurde, behalten. geren Bauteilen die geringste Ungenauigkeit kam ihm die Idee, die quaderförmigen Teile genügt, daß sie an einem der beiden Enden durch ein Stecksystem zu verbinden. nicht mehr zusammenpassen“, so Tobias, der Die ersten Löcher wurden in die auch noch von anderen Spitzfindigkeiten zu gleichmäßigen Holzklötze gebohrt berichten weiß. An einer Kleinigkeit, und runde Holzstäbchen auf Länge ergänzt Claudia Tobias, wäre das Projekt geschnitten: schon war die gewünschte „Matador neu“ beinahe gescheitert: „In Verbindung geschaffen. Korbulys Kinder die Löcher der Klötze werden soge- waren ebenso begeistert wie deren Freun- nannte Klemmhülsen gesteckt, in dinnen und Freunde, wodurch sich der fin- denen dann die Verbindungsstäb- dige Techniker daran machte, Matador-Bau- chen festen Halt finden. Alle tech- kästen auch einer breiteren Öffentlichkeit nischen Voraussetzungen für die zugänglich zu machen. Vom Gedanken, das eigene Fertigung aller Bestand- Patent einem gewerblichen Spielzeugher- teile bei uns waren geschaffen, steller zu verkaufen, verabschiedete sich bis auf die Klemmhülsen. Korbuly rasch, denn es stellte sich heraus, Also machten wir uns auf die daß weder daran, noch Interesse selbst sei- Suche nach einem geeigneten tens des Handels bestand, derart anspruchs- Hersteller. Schon nach kurzer Zeit standen volles Spielzeug ins Sortiment aufzuneh- wir vor dem Problem, daß es niemanden men. Also entschloß sich Korbuly, selbst in gab, der diese kleinen Blechbestandteile zu die Produktion einzusteigen. Er muß wohl, einem nur halbwegs vernünftigen Preis hätte neben seinen technischen Fähigkeiten, anbieten können. Selbst bei Annahme des auch ein guter Kaufmann gewesen sein, günstigsten Angebotes hätte sich der Preis denn bald wurde die kleine Manufaktur in Absolute Präzisionsarbeit für unseren ersten Baukasten dermaßen der Wiener Bräuhausgasse zu klein und auf „Es ist faszinierend, mit welcher Ge- erhöht, daß wir die Markteinführung hätten zwei Übersiedlungen in jeweils größere nauigkeit zu damaligen Zeiten bereits gear- vergessen können.“ Werkstätten folgte 1915 die sukzessive beitet wurde“, ergänzt Michael Tobias, der Da kam dem rührigen Ehepaar die Idee, Auslagerung der Produktion nach Pfaffstät- weiß, wovon er spricht, geht es doch bei der man könnte doch einmal in der ehemaligen ten, wo Korbuly die ausgebrannte „Preiß- Bohrung der Löcher in die Buchenholzklöt- (Falk‘schen) Matadorfabrik in Traiskirchen mühle“ erworben hatte. Nur Adjustierung ze um Toleranzen von einem 500tel Milli- nachsehen, ob dort vielleicht etwas zu finden

Bauanleitung Nummer 586 erläutert den Bau einer dreiteiligen Feuerwehrleiter und war dem Baukasten Nr. 6 beigepackt

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 38 Wirtschaft wäre, was das entscheidende Problem viel- leicht lösen könnte. Und wirklich: unter einer Vielzahl alter, verstaubter Spezial- maschinen aus der Vor- und Nachkriegszeit wurde eine ausfindig gemacht, mit Hilfe derer über Generationen die Klemmhülsen hergestellt wurden. „Die Maschine hatte die für die Nachkriegszeit so typischen Merk- male, an denen erkennbar war, wie sie – von einem phantasievollen Handwerker – mittels sicherlich gerätefremder Bestandteile am Laufen gehalten wurde. Glücklicherweise hat der ,Bastler‘, er war ein Schmied aus der näheren Umgebung, sich noch an alles erin- nern können und erklärte sich bereit, für uns die Klemmhülsen in Lohnarbeit herzustel- len. Zwischenzeitlich ist er leider verstorben, ,seine‘ alte Maschine läuft nach wie vor in unserem Betrieb in Waidhofen an der Thaya“, so Claudia Tobias. Hat Generationen elektronischen Spielzeugs überlebt: der Kran von Matador Betrieb ab 1894 gemeinsam) nicht freuen, re. Doch das konnte Rudolf Korbuly nicht Schwere Zeiten denn er starb 59jährig im Frühjahr 1919. Die hindern: mit ehemaligen aus der Gefangen- Gut lief es auch für den „Vater“ des Ma- folgenden Jahre waren bestimmt durch wei- schaft heimgekehrten Mitarbeitern versuchte tador, Johann Korbuly. 1906 eröffnete er teren Aufbau, der durch die Einstellung der er mit dürftigsten Mitteln wieder Voraus- sein erstes Detailgeschäft am Wiener Gra- Produktion während des Zweiten Weltkriegs setzungen für eine künftige Produktion zu ben, das gleich im ersten Geschäftsjahr jäh unterbrochen wurde – es wurden nur schaffen. Besonders hilfreich war, daß eine schwarze Zahlen schrieb. Auch die Filialen mehr Sprengkapselschachteln erzeugt. Zu Druckerei durch Zufall noch Vorlagen auf- auf der Mariahilfer, der Nußdorfer Straße Ende des Krieges gingen zwei komplette gehoben hatte, sodaß 1946 wieder der erste und in Berlin freuten sich regen Zuspruchs. Waggonladungen davon ebenso verloren, Matador-Baukasten die Produktion verließ. Sehr lange konnte sich Johann Korbuly an wie die dafür erwartete Bezahlung, die für Bis zum Verkauf an Falk war der Großneffe seinem und am Erfolg seiner beiden Söhne den Wiederaufbau der mittlerweile ausge- des Erfinders, Rudolf Korbuly, im Unterneh- Johann Julius und Rudolf (sie führten den brannten Fabrik sehr hilfreich gewesen wä- men tätig und war für die Entwicklung von Maschinen von Vorrichtungen verantwortlich.

Matador heute Apropos Vorlagen: Die Zahl der in der Druckerei aufgefundenen Druckvorlagen reichte vollkommen aus, um die Standard- Baukästen bzw. deren Inhalte wieder nach- zuempfinden. Als besonders hilfreich stell- ten sich die unzähligen Freunde des Matador auf der ganzen Welt heraus, die der Familie Tobias, seit bekannt wurde, daß sie Matador wiederbelebt hat, die unbezahlbare Recher- che nach historischen Unterlagen in allen möglichen Archiven abgenommen haben. „Man versorgt uns völlig uneigennützig“, so Claudia Tobias, „wir könnten uns das, offen- gestanden, in dem Umfang gar nicht leisten. Es hat aber den Vorteil für viele andere, die dann wiederum bei uns nach einer alten Bauanleitung fragen, die wir dann auch gerne und unbürokratisch zusenden. Nur, wenn jemand eine sogenannte ,Matador-Zeitung‘ bestellt, verrechnen wir eine Art Schutzge- bühr von 5 Euro. Dafür ist darin auf mehre- ren Seiten eine Menge historischer Bauan- leitungen enthalten.“ Und so kommt es, daß Der Matador-Baukasten Klassik 3 mit 410 Teilen, Werkzeug und Bauanleitung sich immer wieder – und das freut die

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 39 Wirtschaft

Familie Tobias – durchaus ältere Menschen litationseinrichtungen, bei der Behandlung Nicht wegzudenken sind, seit Claudia und melden und nach einer Vorlage fragen, die von Legasthenikern und vielen anderen. Michael Tobias den Matador wieder herstel- einst, vor 60, 70 Jahren, zum Bau eines Krans, len, die Baukästen aus den Kindergärten und einer Lokomotive oder eines Ziehbrunnens Rührende Kundenbindung Volksschulen. In letzteren gibt es seit einigen verwendet wurden. Viele dieser älteren Her- Die enge Beziehung zwischen „Herstel- Jahren Wettbewerbe, in denen um die Wette ren verbringen ihre Zeit mit Matador selbst, ler“ und „Anwender“ sei hier noch beson- gebaut werden kann. „Die Prämiierung der viele wieder freuen sich, ihn ihren Enkerln ders hervorgehoben. Es gibt Dutzende von Arbeiten fällt immer wahnsinnig schwer“, schenken zu können. Oft auch schon des- Ordnern, die mit Briefen, Fotos, Schnitt- gesteht Claudia Tobias, die am liebsten allen halb, weil man ihn als Kind – trotz heftigster zeichnungen gefüllt sind von Matador- Teilnehmern Preise aushändigen würde, so Wünsche – nicht bekommen konnte. Aber Freundinen und Freunden, natürlich aus der großartig sind meist die Leistungen. Und das nicht nur Väter und Großväter zieht es zum ganzen Welt, die über ihre Erinnerungen ist Teil des Ziels, das die „neuen“ Matador- Matador, wie die vielen Veranstaltungen zei- schreiben, Jugendfotos aus nahezu allen Inhaber verfolgen: Neben der Erhaltung gen, die vom Ehepaar Tobias und seinem Dekaden des 20. Jahrhunderts schicken, die eines nachhaltigen Kulturgutes – schließlich Team geplant und durchgeführt werden. sie beim Bauen – alleine oder in Gruppen – wächst der Rohstoff vor der Haustür, es wird Auch Mütter und Großmütter finden sich bei zeigen, die Entstehung von Eigenkonstruk- alles im Land gefertigt – sollen Kreativität den vielen Spielefesten ein, wo Kisten mit tionen minutiös beschreiben. Was ja, dank und Teamgeist gefördert werden. Das ma- Matador-Baumaterial zur Verfügung stehen. der konsequenten Numerierung der Bauteile, chen sich auch große Unternehmen zunutze, Weiterer Einsatz findet sich in Bereichen, keiner allzu aufwendigen Beschreibung be- die Teams dazu auffordern, in Seminaren aus wo man den Matador kaum vermuten darf – von der künstlerischen Darstellung Matador-Baukästen Konstruktionsaufgaben würde: in Seniorenwohnheimen, in Rehabi- der Kreation abgesehen. zu lösen. Es geht hier nicht um Qualität oder Aussehen des derart Geschaffenen, sondern um die Fähigkeit, die Gemeinsamkeit über die eigenen Vorstellungen zu stellen. Gefördert wird von Claudia und Michael Tobias aber auch Soziales, wie, um nur ein Beispiel zu nennen, etwa in Form von Fi- nanzierung und Bau des Bühnenbildes für das Kindertheaterprojekt „Don Quijote – Ein Vorspiel“. Kinder und Jugendliche aus dem Integrationshaus Wien und der Musikschule Floridsdorf spielten und musizierten unter der Regie von Manfred Michalke und der musikalischen Leitung von Christoph Cech, die Uraufführung fand im „Dschungel Wien“ statt. Für diesen Einsatz dankte man der Matador Spielwaren GmbH mit einer Anerkennung in der Kategorie I des 8. Kul- tursponsoringpreises „Maecenas Niederöster- reich 2008“. Eine besondere Gemeinsamkeit haben die Mitglieder im kostenlosen „Matador- Club“, in dem man sich gegenseitig austau- schen und sich für einen Newsletter an- melden kann. Es erübrigt sich fast, zu erwäh- nen, daß vom Matador-Hauptsitz aus jede Art von Ersatzteilen in die ganze Welt ver- schickt werden, die man auf der dreisprachi- gen Matador-Homepage auswählen kann. Wenn wir nun hier enden, liegt es nicht daran, daß es nichts mehr zu berichten gäbe, vielmehr mangelt es an weiteren Seiten. Sie haben aber die Möglichkeit, zu bestimmten Terminen das Matador-Werk in Waidhofen an der Thaya zu besichtigen und dort alle noch offenen Fragen zu stellen. Wem das nicht möglich ist oder nicht so lange warten will, der ist eingeladen, die Kontaktmöglich- keiten auf der Homepage zu nutzen. „ Jeder, der mit Matador aufgewachsen ist, fühlt sich mit diesem Bild zurückversetzt http://www.matador.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 40 Wirtschaft Villach hat das innovativste Einkaufszentrum der Welt Foto: Spar European Shopping Centers GmbH

as Villacher Shopping Center ATRIO England und Spanien durch. „Wir sind stolz die Familienerlebniswelt ist selbstverständ- Dwurde am 3. Dezember in Phoenix, und glücklich über die Auszeichnungen. Sie lich mehrsprachig. USA, mit dem „International Design- and beweisen, daß zur Zeit in Österreich die Für die Jury war eine Akzeptanzanalyse Development Award“ ausgezeichnet und ist besten Einkaufszentren der Welt entwickelt bei den Kunden von großer Bedeutung, die damit das innovativste Einkaufszentrum der werden“, erklärte Wild. nachwies, daß diese Idee von der Bevölke- Welt. Der Preis wird jährlich vom internatio- Die internationale Jury des Awards war rung auch angenommen wurde. nalen Branchenverband ICSC (International vor allem von der völkerverbindenen „senza Das Einkaufszentrum weist besondere Council of Shopping Centers) vergeben und confini“-Idee des ATRIO im Drei-Länder- Nachhaltigkeit auf. Das Shopping Center gilt als Weltmeisterschaft für Shopping Eck Österreich, Slowenien und Italien beein- wird über bis zu 70 Meter in die Erde ragen- Center. Das Wiener Q 19 landete in der Ka- druckt, die von der SES geplant und konse- den Bohrpfählen beheizt und gekühlt. Jähr- tegorie „Einkaufszentren unter 15.000 Qua- quent von der Architektur bis zum Flugblatt lich werden so rund 500 Tonnen CO2 einge- dratmeter“ unter den besten Drei. Betreiber umgesetzt wurde. So gibt es im Zentrum des spart. beider Shopping Center, ist SES (Spar Euro- ATRIO einen 3000 Quadratmeter großen Platz Das erfolgreiche ATRIO-Modell wird pean Shopping Center GmbH) mit Hauptsitz als Begegnungsraum nach der Philosophie nunmehr auch bereits in Vöcklabruck umge- in Salzburg. der griechischen Agora. SES setzt in der Ent- setzt, kündigte SES-Geschäftsführer Marcus Im Vorjahr hatte der Salzburger EURO- wicklung von Shopping Centers auf ganz- Wild an. Dort werden derzeit 80 Millionen PARK in zwei Kategorien gewonnen. In der heitliche Ansätze: neben der prämierten öko- Euro in die Errichtung eines ähnlichen Ein- mehr als 30jährigen Geschichte dieses logischen Nachhaltigkeit und der konse- kaufszentrums investiert. Awards ist es das erste Mal, daß ein Land quenten Umsetzung des senza-confini-Ge- Die SES Spar European Shopping Cen- oder ein Betreiber in zwei Folgejahren zwei dankens durch Dreisprachigkeit bei Kom- ters GmbH ist ein Unternehmen der SPAR Sieger stellt. „Das ist so sensationell, als munikation und Betrieb des Centers, steht Österreich-Gruppe und für das Management würden österreichische Filmemacher in zwei auch die soziale Verantwortung an oberster der großflächigen Immobilien des Konzerns Folgejahren den ,Oscar‘ gewinnen“, betonte Stelle. So ist z.B. das ATRIO Villach als be- zuständig. Weiters entwickelt und errichtet dazu der Vorsitzende der SES Geschäftsfüh- sonders familienfreundliches Shopping die SES Shopping-Center im In- und Aus- rung, Marcus Wild. Der internationale Bran- Center in der Region bekannt und bietet in land. Derzeit werden in Österreich, Italien, chenverband ICSC, der den Award verleiht, vielen kleinen Details eine praktische In- Slowenien, Ungarn und Tschechien 19 groß- vertritt mehr als 75.000 Einkaufszentren in frastruktur für Einkaufstouren mit der Fa- flächige Shopping-Center betrieben. Zu den 80 verschiedenen Ländern. milie. Shopping-Centern der SES, die im Juli 2007 Das Kärntner Projekt ATRIO setzte sich Neben einer Kindererlebniswelt für gegründet wurde, gehört unter anderem der in der Kategorie „Neue Projekte“ im Finale Kunden steht den Center-Angestellten ein 2007 als das beste Shopping-Center der Welt gegen Projekte aus USA, Ecuador, Korea, Betriebskindergarten zur Verfügung. Auch gekürte EUROPARK in Salzburg. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 41 Chronik Christbaum für den Vatikan Verabschiedung in Gutenstein – NÖ-LH Erwin Pröll: Lichter des Baumes sollen Kraft, Menschlichkeit und Frieden ausstrahlen

n Gutenstein (Bezirk Wiener Neustadt- ILand) verabschiedete Landeshauptmann Erwin Pröll am 28. November den Christ- baum, den das Bundesland Niederösterreich im heurigen Jahr für den Petersplatz im Vatikan zur Verfügung stellt. „Daß ein Christbaum aus Niederöster- reich heuer den Petersplatz in Rom schmückt, ist ein Signal dafür, daß wir hier- zulande auch in der heutigen Zeit und am Weg in die Zukunft nach christlichen Grund- werten leben und arbeiten“, meinte Pröll. Der Landeshauptmann gab auch seiner Hoff- nung Ausdruck, daß durch diesen Baum das „Licht der Menschlichkeit und des Friedens klarer zum Scheinen“ gebracht werde, als dies momentan allzu oft der Fall sei. Bei dem Baum handelt es sich um eine Fichte mit einer Höhe von 33 Metern und damit um den bislang größten Weihnachts- Foto: NÖ Landespressedienst/Reinberger baum des Vatikan; der bisherige Rekord lag Abt Gregor Henckel Donnersmarck (Stift Heiligenkreuz), Landeshauptmann Erwin bei 31,5 Metern. Der niederösterreichische Pröll und Pfarrer Sigmund Okon von Rohr im Geb. und Schwarzau im Geb. (v.l.) Baum ist 120 Jahre alt, 9 Tonnen schwer und stand im Klostertal bei Gutenstein. den. Der niederösterreichische Christbaum ber) nach Rom an. Neben der Papstaudienz Der Christbaum soll am 13. Dezember wird – geziert mit landestypischem Christ- mit Christbaumübergabe wird dabei auch durch eine niederösterreichische Delegation baumschmuck – während der gesamten eine Stadtbesichtigung geboten. Auch die mit dem St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Weihnachtszeit neben der Krippe im Zen- Teilnahme an einer Abschlussmesse mit Küng und LH Pröll an der Spitze übergeben trum des Petersplatzes stehen. Bischof Küng ist vorgesehen. werden. In diesem Rahmen ist auch eine Anläßlich der Übergabe des Christbau- Der vatikanische Weihnachtsbaum wird Audienz bei Papst Benedikt XVI. geplant. mes an den Vatikan bieten „Moser-Reisen“, dem Papst jedes Jahr von einem anderen Am späten Nachmittag dieses Tages soll der die „NÖN" und „Genon-Travel" eine viertä- Land geschenkt. Aus Österreich hat zuletzt Baum dann auf dem Petersplatz offiziell an gige Busfahrt (11. bis 14. Dezember) und das Bundesland Oberösterreich im Jahr 2005 Repräsentanten des Vatikan übergeben wer- eine dreitägige Flugreise (12. bis 14. Dezem- den vatikanischen Christbaum gespendet. „

Rodingersdorf halfen dem Bauern beim Christbaum für Europaparlament Aussuchen des Baumes. Raith ist mit der kommt aus dem Waldviertel Wahl zufrieden: „Die Kinder haben mich gut beraten. Ein schönes dichtes Nadelkleid hat eit 2. Dezember sorgt ein Christbaum ments, Prof. Hans-Gert Poettering, überge- er, die Farbe ist wunderbar satt grün.“ Saus Rodingersdorf (Bezirk Horn/NÖ) im ben. Die ARGE NÖ Christbaum- und Europaparlament in Brüssel für Weihnachts- Die 16 Jahre alte Nordmanntanne wurde Schmuckreisigproduzenten ist der größte stimmung. Die 3,5 Meter hohe Tanne wurde per Flugzeug von den Austrian Airlines nach Zusammenschluß heimischer Christbaum- von Franz Raith, Obmann ARGE NÖ Christ- Brüssel gebracht und mit traditionellem bauern. Jahrelang in den Baumkulturen ge- baumproduzenten, für die Europaabge- Bauernschmuck aus Stroh und mit roten pflegt, stehen Christbäume direkt von den ordnete Agnes Schierhuber gefällt. Bereits Äpfeln geschmückt. Österreichischen Produzenten für hohe Qua- seit elf Jahren holt Schierhuber den offiziel- „Wir niederösterreichischen Christbaum- lität, Klima- und Umweltschutz sowie hei- len Weihnachtsbaum des Europaparlaments bauern sorgen heuer schon das elfte Jahr im mische Wertschöpfung. Heute kommen über aus Niederösterreich und wird auch heuer EU-Parlament für Weihnachtsatmosphäre“, 85 Prozent der in Österreich aufgestellten die Tanne aus dem Waldviertel im Rahmen freut sich Raith. „Der Baum aus dem Wald- Weihnachtsbäume aus heimischer Produk- ihrer bereits traditionellen Adventfeier an viertel soll unsere Parlamentarier aber auch tion. „ den Präsidenten des Europäischen Parla- an seine Produzenten erinnern.“ Kinder aus http://www.weihnachtsbaum.at/noe/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 42 Chronik Eislaufen über den Dächern Wiens Stimmungsvolle Eröffnung von Schloss Wilhelminenberg on Ice – bis 24. Jänner lädt der Eislaufplatz zum Schlittschuhvergnügen mit Blick über die Stadt

und 700 Gäste schnürten am 30. No- Rvember beim großen Family-Eröff- nungsevent von „Wilhelminenberg on Ice“ im Austria Trend Hotel Schloss Wilhelmi- nenberg ihre Schlittschuhe und ließen sich von der Adventstimmung verzaubern. „Eis frei“ hieß es im Beisein von Bezirksvor- steher Franz Prokop und Eiskunstlauf-Olym- piasiegerin Trixi Schuba (1971), die das Winterparadies hoch über den Dächern Wiens feierlich eröffneten. Gerhard Mes- singer, Geschäftsführer der Verkehrsbüro Hotellerie, und Elisabeth Wimmer, Area Managerin Austria Trend Eventhotels, be- grüßten die Gäste und Schloss Wilhelminen- berg Hoteldirektor Christian Reitbauer lud die Besucher zu einer Pferdekutschenfahrt durch den Schlosspark und einem Gratis- Punsch im Weihnachtsdorf ein. Eingeweiht wurde die auf 300 Quadratmeter vergrößerte Eisfläche von den jungen Eisprinzessinnen vom Cottage Engelmann Verein, die mit schwungvollen Kurven und atemberauben- den Sprüngen beeindruckten. Nicht aufs Glatteis führen ließen sich SK Rapid-Stars Steffen Hofmann, Hannes Eder und Martin Hiden, die beim Eisstock-Wettschießen ihr sportliches Geschick abseits des grünen Ra- sens unter Beweis stellten. In der Wichtlwerk- statt bastelten die kleinsten Gäste Christ- baumanhänger und gestalteten Wunschzettel ans Christkind. In der Backstube des Schlos- ses verzierten große und kleine Schlecker- mäuler Lebkuchen und beim Kinderschmin- ken verwandelten sich die jüngsten Besucher in kleine Weihnachtsengel. Ideal für das Ponyreiten im Schlosspark waren die für die Vorweihnachtszeit milden Temperaturen. Eine Eisdisco sorgte für gute Stimmung und ein großes Feuerwerk bildete den Abschluss eines zauberhaften Wintertages. Foto: Verkehrsbüro / Franz Gruber

Winterzauber mit Panoramablick sen. Für all jene, die keine Eislaufschuhe Täglich wird ein weiteres Fenster, gespickt Bis 24. Jänner 2009 lädt der Eislaufplatz besitzen, gibt es vor Ort einen Verleih. Pfer- mit Überraschungen und exklusiven Preisen, des Austria Trend Hotel Schloss Wilhelmi- dekutschenfahrt und betreutes Weihnachts- geöffnet. Erstmals gibt es vor Ort die Mög- nenberg zum Schlittschuhvergnügen mit Kinderprogramm mit Wichtlwerkstatt, Back- lichkeit zum Christbaumkauf. Zum romanti- Blick über die Stadt. Die Eisfläche wurde stube und Kinderschminken sind jeden schen Adventsbummel lädt das Weihnachts- heuer vergrößert und bietet noch mehr Platz Sonntag von 13-16 Uhr gratis. Neu in die- dorf, wo traditionelle Weihnachtsspezialitä- zum Schlittschuhlaufen und Eisstockschies- sem Jahr ist der Schloss-Adventkalender. ten und Handwerkskunst geboten werden. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 43 Chronik wienXtra: Wo kinder.kultur drauf- steht, ist Freizeitspaß drin! Die neue Broschüre der wienXtra-kinderinfo macht Lust auf kulturelle Abenteuer

ien ist Kultur pur. Sehenswürdigkei- verrät kinder.kultur außerdem, wo sich Wten, Museen, Theater, Konzerte und Kinder in Wien so richtig austoben und aus- vieles mehr machen die Stadt zum Magneten rasten können. für Kunst- und Kultur-LiebhaberInnen. Daß das Alter dabei keine Rolle spielt und gerade Wissen, was läuft auf die jüngsten Kulturfans viele, tolle An- Noch mehr Infos zu Freizeit- und Kinder- gebote warten, beweist die neu aktualisierte kultur-Angeboten warten in der wienXtra- kinder.kultur- Broschüre der wienXtra-kin- kinderinfo. Eine Fülle an Info-Materialien derinfo. Sie enthält über 50 spannende Kul- lädt vor Ort zum Schmökern ein. Die bunte tur-Tipps und wichtige Infos zu speziellen Palette reicht von aktuellen Veranstaltungen Kinderführungen, ermäßigten Eintritten und über Kinderkurse und Ferienprogramme bis familienfreundlichen Aktivitäten in ganz zu kinderfreundlichen Gaststätten oder Wien. Den praktischen Wegbegleiter für alle, Spielplätzen. Gerne steht das Team für per- die mit Kindern unterwegs sind, gibt‘s ab sönliche Fragen und Auskünfte zur Verfüg- sofort gratis in der kinderinfo und unter ung. Zusätzlich finden Interessierte auf http://www.kinderinfowien.at. http://www.kinderinfowien.at auch die be- liebten kinderinfo-Listen, hilfreiche Links, Wien mit Kindern entdecken eine Bildergalerie u.v.m. Ein Blick auf die Seit bereits 7 Jahren sorgt die wienXtra- Homepage lohnt sich in jedem Fall! „ kinderinfo im MuseumsQuartier dafür, daß http://www.wienXtra.at große und kleine WienerInnen in punkto Freizeitgestaltung immer bestens informiert sind. Für die neue Broschüre hat das Team tief in seine Schatzkiste gegriffen und bei den kinderinfo-BesucherInnen nachgefragt. Ganz nach Interesse, Lust und Laune können Familien aus einer Vielzahl an attraktiven Angeboten wählen: von Klassikern wie MUMOK, Schönbrunn oder Stephansdom kultur-Verständnisses geht‘s dabei nicht um bis zu Insider-Tipps wie Globen-Museum, klassische Wissensvermittlung, sondern ums Kaisergruft oder Wiener Straßenbahn-Mu- Mitmachen, Einmischen und Ausprobieren. seum. Eine Entdeckungsreise durch Wien, Von Klimt und Schiele inspiriert malen, Tie- die für Groß und Klein viele Überraschun- re und Pflanzen unterm Mikroskop betrach- gen bereithält. ten oder gemeinsam Filmkulissen bauen – so wird Kultur zum Abenteuer und Kunst zum »Mama, jetzt liebe ich moderne Erlebnis. Kunst« (Carolina, 9 Jahre) Comic-Workshops in der Albertina, Hie- Alle Infos auf einen Blick roglyphen schreiben im Papyrusmuseum, Zusätzlich zu inhaltlichen Beschreibun- Mikrotheater-Vorstellungen im Naturhistori- gen bietet die Broschüre aktuelle Infos zu schen Museum – viele Wiener Kultur-Insti- Programmangeboten, Altersempfehlungen tutionen setzen auf junge Zielgruppen. Sie und Öffnungszeiten. Damit niemand vor ver- bieten spielerische Zugänge in Vermitt- schlossener Tür steht, die Angebote leicht zu lungsprogrammen, die auf Kinder zuge- finden sind und auch dann die Ideen nicht schnitten sind. Mit Rätselrallyes, Kreativ- ausgehen, wenn Zeit und Geld knapp sind. Workshops, interaktiven Stationen oder wis- Menschen mit Behinderung finden in kin- senschaftlichen Experimenten wecken sie der.kultur Infos über barrierefreie Zugänge die Neugierde der jungen BesucherInnen und und spezielle Angebote wie z.B. Führungen motivieren sie, in die Fußstapfen von Künst- mit Gebärdensprach- DolmetscherInnen. lerInnen und WissenschaftlerInnen zu treten. Und damit bei so viel Kultur auch Bewe- Ganz im Sinne eines modernen Kinder- gung & Entspannung nicht zu kurz kommen,

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 44 Chronik

meisterin am 29. November zu einem Aus- Über den Dächern Innsbrucks flug auf die Seegrube. „Aus dieser Höhe Bürgermeisterin Hilde Zach lud Innsbrucks Barmherzige kann man die Stadt in all ihrer Schönheit Schwestern zu einem Ausflug auf die Seegrube sehen“, erklärte sie die Wahl des Zielortes. hr Wirken hat große Bedeutung für die bei den 25 Schwestern der Kongregation der „Auch wenn die Zeiten künftig strenger IBürgerinnen und Bürger Innsbrucks“, Barmherzigen Schwestern. Um diesem Dank werden, dürfen wir dankbar sein, daß wir bedankte sich Bürgermeisterin Hilde Zach Ausdruck zu verleihen, lud die Bürger- nicht im Krieg leben müssen“, erinnerte sie die Schwestern an das Glück, friedliche Zei- ten zu haben. „Ihnen möchte ich von Herzen dafür danken, daß sie Zeit und Mühe inve- stieren, um menschliche Nähe und Wärme in unsere Gesellschaft zu bringen“, sagte Zach. „Denn das ist unbezahlbar.“ Außerdem müsse man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, daß „man nie tiefer fällt, als in Gottes Hand.“ „Ich danke ihnen für diese vorweihnacht- liche Freude“, bedankte sich Generaloberin Schwester Pia Regina Auer für die Einla- dung. „Wir wollen sie im Gebet tragen, denn als Bürgermeisterin ist die Last auf ihren Schultern oft sehr schwer“, sicherte sie Zach die Unterstützung der Barmherzigen Schwe- stern zu. Abschließend durfte sich die Bürger- meisterin über einen kleinen Engel freuen, „denn gleich wie der Engel verweisen auch sie immer wieder auf die Hoffnung, die wir Christine Steinbauer (links) und Bürgermeisterin Hilde Zach (hinten mitte) mit den im Herzen tragen dürfen“, erklärte Oberin Barmherzigen Schwestern über den Dächern Innsbrucks. Foto: Stadt Innsbruck Auer. „

traut – dann den Antrag zur Gründung der Die FF Graz ist beschlossene Sache! FF Graz einbrachte, schnellten die Stimm- Bürgermeister Siegfried Nagl: »Es ist schön, wenn man zettel nur so nach oben: einstimmig ange- als Bürgermeister auf Unterstützung zählen kann!« nommen! Den Gruppenfoto-Termin nach der raz hat wieder eine Freiwillige Feuer- Als Karl Graßberger – der Einsatzdirektor erfolgreichen Abstimmung absolvierten die Gwehr! Bürgermeister Siegfried Nagl lud der Grazer Berufsfeuerwehr ist mit dem Auf- Gründungsmitglieder der Freiwilligen Feuer- am 19. November zur konstituierenden Ver- bau der Freiwilligen Feuerwehr Graz be- wehr bereits in Helm und Brandjacke. „ sammlung in den Gemeinderatssaal im Gra- zer Rathaus. In der Eröffnungsrede bedankte sich der Bürgermeister bei den vielen am Projekt Beteiligten und freute sich über das Engagement der zahlreich anwesenden Gründungsmitglieder: „Es ist schön, wenn man als Bürgermeister auf die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger zählen kann. In Graz gibt es ohnehin schon eine große Anzahl an freiwilligen Helfern in allen Be- reichen. Im Katastrophenfall können nun auch die Mitglieder der Freiwilligen Feuer- wehr qualifizierte Hilfe leisten.“ Die „ober- sten Feuerwehrmänner“ der Steiermark und der Stadt Graz, Landesfeuerwehrkomman- dant Albert Kern und Bezirksfeuerwehrkom- mandant Otto Meisenberger lobten beide die gute Kooperation der Feuerwehrverbände und bekannten sich ausdrücklich zu einer kameradschaftlichen Zusammenarbeit mit Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Graz nach der Konstituierenden Sitzung – der Freiwilligen Feuerwehr. einsatzbereit in Helm und Brandjacke. Foto: Stadt Graz/Fischer

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 45 Chronik Europas größter Schneemann in Galtür Im Skigebiet Galtür im Tiroler Paznaun entsteht der größte Schneemann Europas – 25 Meter Höhe soll der Mega-Schneemann erreichen

in ambitioniertes Projekt starten zwei ESchneekünstler aus der Schweiz und Österreich. Der 29jährige Simon Morgen- thaler aus Madiswil und Stefan Juen aus See, Tirol, beginnen am 6. Dezember 2008 den Bau des größten Schneemanns Europas. Das Besondere dabei: Der Schneemann wird ein Kunstwerk im Design des Galtür-Maskott- chens Siggi. Die beiden Schneekünstler pla- nen das Projekt bis Mitte Dezember fertig zu stellen. Dieses Jahr wird der Schneemann fast doppelt so groß wie bei der Premiere im vergangenen Jahr. Damit kommt der Gal- türer Schneemann auch fast an den Welt- rekord von 29,43 Metern heran. Mit 25 Me- tern Höhe reicht es immerhin zum Titel „Europameister“. Wer mit dabei sein möch- te, kann den beiden Schneekünstlern ab Ni- kolaus zu schauen und vielleicht auch selbst ein bißchen am größten Schneemann Euro- pas mitwirken.

Der größte Schneemann Europas im Silvapark Galtür Seit vergangenem Winter setzt man im österreichischen Galtür auf ein bislang ein- zigartiges Wintersportkonzept: Das gesamte Der Schneemann im vergangenen Jahr war schon 14 Meter groß, dieses Mal soll Skigebiet, der Silvapark, ist in spezielle Be- er fast doppelt so groß sein. Foto: Hansmann PR reiche unterteilt, die jedem Ski- und Snow- boardbegeisterten ermöglichen, Spaß zu mit Hexenhütte, auf Wellenbahnen und Steil- haben, zu lernen oder einfach mal etwas kurven auf Ihre Kosten. Der „Actionpark“ ist Galtür Neues auszuprobieren: Ingesamt sechs Sekto- für Jugendliche gedacht – allerdings bestäti- liegt im Paznaun im Westen Tirols ren haben die Experten aus Galtür erstellt – gen Ausnahmen ja bekanntlich die Regel Skigebiet Silvapark: Unterteilt in die jeder Anspruch soll schließlich bedient wer- und so wird wohl der eine oder andere Jung- sechs Sektoren „Zwergerlwelt für die den. Für jede Könnensstufe ist ein eigener gebliebene sein Können bei Jumps und auf Kleinsten und junge Anfänger“, „Aben- Bereich des Berges vorgesehen, in dem ent- Rails auf die Probe stellen. teuerland für Kinder“, die bereits fort- sprechende Aufgaben bewältigt werden. Der geschrittene Skifahrer sind, „Actionpark besondere Service dabei: Die eigens enga- Heldenreich für Jugendliche und sportliche Erwach- gierten Silvapark-Guides sind dauernd im Komplettiert wird die Erlebnisski-Arena sene“, „Heldenreich“ für sehr gute Ski- Einsatz und geben Tipps und Hinweise für durch das „Heldenreich“ für Off-Piste Erleb- fahrer und Snowboarder, „Pistenpara- alle Lernwilligen. Wer fit genug ist für ein nisse und Variantenfahren sowie dem „Pi- dies“ für Pistenskifahrer, Carver und höheres Level, wagt sich in den nächsten stenparadies“ mit 40 Kilometer Pisten. Nor- Alpinboarder, „High & Nordic“, eine Sektor. Gerade an Kinder und Jugendliche disch wird es in Sektor 06, wo 74 Loipen- Schneelandschaft für Langläufer, Ski- hat man dabei besonders gedacht, denn drei kilometer, Schneeschuhwandern und Win- tourengeher und Schneeschuhwanderer. der sechs Sektoren sind für sie bestimmt: terwanderwege auf dem Programm stehen. Zehn Liftanlagen und Seilbahnen Während die „Zwergerlwelt“ – wo auch der Die einzelnen Sektoren sind übersichtlich Sonstiges: Paragleiten, Drachenfliegen, Siggi-Schneemann stehen wird – den Klein- auf der Karte des Skigebiets zu finden und im Pferdeschlittenfahrten, Eislaufen, sten vorbehalten ist, kommen im „Abenteuer- Skigebiet natürlich ausgeschildert. Jeder soll Eisstockschießen. land“ die etwas Größeren im Märchenwald schließlich wissen, was ihn erwartet. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 46 Chronik Wiens »bewegende« Tramway-Geschichte Privates Investment, Zocker-Mentalität, High risk-Investitionen, verschlafene Innovationen, aber auch färbige Fahrpläne für Analphabeten und schier unlösbare Steigungen auf der Mariahilfer Strasse Richtung Westbahnhof: Wolfgang Kaisers Sachbuch über den »Wiener Straßenverkehr«, erschienen bei GeraMond, hat es in sich und liest sich abwechslungsreich, wie ein so oft zitierter »Krimi«.

usreichend bebildert, aber doch kein Aklassisches Bilderbuch schildert das nicht nur für Straßenbahn-Liebhaber ge- schriebene Werk die vielen Auf und Abs des öffentlichen Verkehrs in Wien. Von seinen innerstädtischen Anfängen mit der Hernalser Linie im Oktober 1865 über die kommunale Gründung der „Gemeinde Wien – Städtische Straßenbahnen (WStB)“ im Jahr 1902 und die erst 1925 umgesetzte Vollelektrifizierung der Wiener Stadtbahn bis zur Eröffnung der U1- Verlängerung bis Leopoldau: Auch wenn die U2-Verlängerung bis „Stadion“ kurz vor der EM im Juni 2008 nicht berücksichtigt wurde, die Richtschnur, daß (Kaiser)Jubiläen, Welt- ausstellungen, aber auch Europameisterschaf- ten in Fußball eine bedeutsame Rolle bei großstädtischen Innovationen und Investitio- nen spielen, bleibt ungebrochen aufrecht. Alle Fotos: Verlag GeraMond Wiens erste Pferde-Straßenbahnen verkehrten bereits in den Jahren 1840 bis »Big Business« mit 1842 – diese »Garnitur« verband den Opernring mit dem Bahnhof Meidling schwierigen Auflagen Enteignungsrechtes für Straßenbahngesell- Wiener Linien durch Streiks erzwungene Am Anfang steht die Tramway. Zuerst schaften jedes im Weg stehendes Haus zu Erleichterung eines Arbeitstages auf „nur“ noch mit Pferden vorne dran, begann die teils horrenden Preisen ablösen. Auch be- 9,5 Stunden plus ein bezahlter Urlaubstag „Wiener Tramwaygesellschaft“ (WT) nach stand noch bis 1894 eine Steuerpflicht für nach sechs Werktagen ein Riesenerfolg im Hernals, dort zu erweitern, wo die Nachfrage Straßenbahnen. Weiteres sozialgeschichtli- Jahr 1906 gewesen ist. Auch die „Erobe- entsprechend war. Wer jetzt sofort an die ches Detail: da ein nicht geringer Teil der rung“ des männlichen Straßenbahner-Bildes Ringlinien denkt, liegt falsch. Es war der Passagiere nicht lesen konnten, wurden 1874 durch Frauen in den beiden Weltkriegen – kaum zu überschätzende Wiener Ausflugs- ein aus heutiger Sicht sehr kompliziert er- nach 1918 mußten die Schaffnerinnen und verkehr, der privaten Investoren gewinn- scheinendes Farbsignale-System zur Orien- weiblichen Kartenkontrolleure jedoch wie- trächtig erschien. Vor dem Ring (1869) kam tierung eingeführt, welches erst 1907 durch der aus dem Beruf aussteigen –, wie auch die also der Prater (1868), auch die Planungen ein Ziffern- und Buchstaben-System abge- Umfunktionierung der Straßenbahnen für für die Weltausstellung 1873 spielten mit löst wurde. Technisch war die Erschließung den Warenverkehr – etwa Milch aus Stam- ersten Linien zwischen Südbahnhof und des innerstädtischen Raumes ebenfalls nicht mersdorf im Ersten Weltkrieg oder als Urania eine gewichtige Rolle, auch wenn der einfach: Alleine die Steigung vom Ring bis Transporteur von Baumaterialien für die Börsenkrach und die damalige Choleraepi- zum Westbahnhof entlang der Mariahilfer- ersten Wiener Gemeindebauten in den demie die Gewinnerwartungen gehörig her- Straße überforderte am Anfang die techni- 1920er Jahren – werden erwähnt. unterschraubten. Bis zur Kommunalisierung schen Möglichkeiten der Tramway-Kon- der Tramway im Jahr 1902 spielte neben der strukteure. Stillstand und Zerstörung WT, vor allem die 1872 als Konkurrenz während des NS-Regimes gegründete NWT („Neue Wiener Tramway- Straßenbahnen als Baustoff- Einen Stillstand, der auch in den damali- gesellschaft“), ebenfalls ein Konsortium pri- Lieferanten für Gemeindebauten gen Wiener Tageszeitungen Thema war, gab vater Investoren, eine entscheidende Rolle Auch wenn Kaiser sich eher der techni- es dann zwischen 1933 und 1945. Im Jahr beim Ausbau einer öffentlichen Infrastruk- schen Entwicklung Wiens widmet, gibt es 1938 stellte das NS-Regime im September tur. Interessantes Detail: Bis 1878 mußten dennoch einige Schlenker in andere Gebiete: den Verkehr von Links- auf Rechtsverkehr die Investoren aufgrund eines fehlenden So etwa kann man nachlesen, daß die bei den um, einige strategisch wichtige Schienenver-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 47 Chronik

Technische Schwierigkeiten, wie mangelnde neue Wägen für neue Schienenbremsen, schienen das Bild von der „alten Tramway“ in der Öffentlichkeit zu bestätigen. So gese- hen war die ab den 1970er Jahren aufkom- mende U-Bahn-Planung auch keine richtige Schützenhilfe für den schienengebundenen öffentlichen Straßenverkehr. Einige Linien- verlängerungen, etwa die Linie 25 nach As- pern (1995) oder die Linie 71 nach Kai- serebersdorf, sind aufzuzählen, einen gehöri- gen Aufschwung in Sache Moderne und Weiterentwicklung war die sukzessive Ein- führung des „ULF“ ab Ende der 1990er Jahre, wie auch der Ausbau der dynamischen Fahrgastinformationen an immer mehr Hal- testellen der Straßenbahnen. Der Ausbau des U-Bahn-Systems, ein Überblick über die Entwicklung der Badner Zwischen 1910 und 1913 gab es drei Doppelstock-Straßenbahn-Triebwagen. Im Bahn, Lesenswertes zum Tarif- und Fahr- Bild: die Version »2545« vor dem Naturhistorischen Museum, die auf der Linie 49 scheinwesen komplettieren dieses höchst verkehrte. Sie konnten sich aber nicht durchsetzen und wurden eingestellt. empfehlenswerte Buch über einen wesent- bindungen, etwa zu Betrieben auf der Sim- Pkw-Verkehr, die Straßenbahn sollte nach lichen Bereich großstädtischer Mobilität. „ meringer Haide, wurden verlegt, ansonsten maßgeblicher Meinung den Gang in den büßte das Tramway-Netz mit den zunehmen- Untergrund antreten, dem Autobus, den es Wolfgang Kaiser den Bombenangriffen immer mehr an Sub- teilweise schon früher gab, wurde der „Wiener Schienennahverkehr. stanz ein. Zu Kriegsende daher auch die Aufstieg in die Premium League des öffent- Straßenbahn-Stadtbahn-U-Bahn“ ernüchternde Bilanz: 10 Prozent des Fuhr- lichen Verkehrs zugedacht. 1958 war es dann Verlag GeraMond, München 2008, parks waren völlig zerstört, 75 Prozent teil- soweit: als „Versuchsstrecke“ wurde die 144 Seiten, ca. 200 Abbildungen, weise, die Gleisanlagen zur Hälfte un- meist als Einzelwagen verkehrende Linie 158 € 28,80; ISBN 3-7654-7363-0 brauchbar. Neben den bekannten Straßen- im Juli auf Autobusverkehr umgestellt. http://www.geramond.de und Platzumbenennungen durch die Sow- jets – aus dem Schwarzenbergplatz wurde der Stalinplatz, aus der Laxenburger Strasse die „Tolbuchinstrasse“, die Reichsbrücke wurde zur „Brücke der Roten Armee“, wie die Floridsdorfer zur „Malinovsky-Brücke“ wurde – kam es aber bald wieder zur Neu- belebung der Wiener Straßenbahn: 1949 konnten wieder 270 Kilometer in Wien be- fahren, am 12. November 1956 konnte das Wiederaufbauprogramm der Straßenbahn abgeschlossen werden.

»Zu langsam, zu alt, zu viel Platz« – Straßenbahn versus Autobus Es war dann vor allem der konstant stei- gende Autoverkehr, der der „Tramway“ auf der Straße Konkurrenz und Probleme berei- tete. Die „autogerechte“ Stadt wurde immer mehr zum „Gassenhauer“, der dem öffent- lichen Verkehr auf die Zehen zu treten be- gann. Die Tramway sei zu langsam, zu ver- altet, nehme anderen zu viel Platz weg: Die Defensivarbeit der Straßenbahn begann. Im „Staatsvertragsjahr“ 1955 bei der ersten Wiener Straßenverkehrsenquete traten die neuen Kräfteverhältnisse dann offen zutage: Mehr und größere Straßen für den Lkw- und Wiener Lokalbahn-Garnitur, wie sie zwischen Wiener Oper und Baden verkehrte

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 48 Gastronomie & Kulinarisches Gault Millau setzt dem Europa Stüberl die zweite Haube auf Mit exquisiten Gaumenfreuden überzeugte der »Koch aus Leidenschaft« Roland Geisberger vom Grand Hotel Europa die Gourmets des Gault Millau.

Chefkoch Roland Geisberger und sein Küchenteam vom Europa Stüberl freuen sich über die zweite Haube.

ie Mischung aus regionalen und saiso- die „Restaurantbibel“ gilt als eines der be- Team die feinsten Kreationen auf die perfekt Dnalen Produkten sowie deren kreative deutendsten Qualitätssiegel, die einem geho- gedeckte Tafel. Nach der auf den Punkt Kombination entlockten den Testern des benen Lokal verliehen werden kann. Roland gegarten, mit Kapern aromatisierten See- Gault Millau zahlreiche positive Kommen- Geisberger zauberte gemeinsam mit seinem zunge, dem Karree des Lammduets, das auf tare“, freut sich Roland Geisberger, Küchen- der Zunge zergeht und der Weinempfehlung, chef des Europa Stüberl im Fünf-Sterne Hotel die sich als „Volltreffer“ erweist, ist die Ent- Europa in Innsbruck. Der „Koch aus Lei- scheidung klar: „Das reicht, um dem Europa denschaft“ sieht diese Auszeichnung gleich- Stüberl zwei Hauben aufzusetzen.“ Hervor- zeitig als Ansporn, das Niveau in Zukunft ragende 15 von 20 Punkten bestätigen die noch weiter zu heben. Geisberger: „Für die Kochkunst, Kreativität und Qualität des nähere Zukunft haben wir uns einen Miche- erfahrenen Küchenchefs. Nach Aufenthalten lin Stern als Ziel vorgenommen.“ Die jahr- in der Schweiz, Holland und Frankreich eta- zehntelange Erfahrung als Chefkoch und das blierte Geisberger die hohe Kochkunst in Heranführen des hauseigenen Nachwuchses Tiroler Top Betrieben wie dem Sporthotel über das ausgeklügelte Lehrlingsprogramm Igls oder dem Top Hotel Hochgurgl. lassen diese ambitionierten Ziele durchaus näher rücken. Internationale Köstlichkeiten in traditionellem Ambiente Mit Jakobsmuscheln zur zweiten Haube Das Grand Hotel Europa besitzt mit dem „Wunderbar marinierte Jakobsmuscheln Europa Stüberl ein Restaurant der Extra- kamen da auf den Tisch, mit Kaviar und klei- klasse, welches längst weit über Innsbrucks nen Orangenstückchen hervorragend abge- Grenzen hinaus Bekanntheit erlangt hat. Das stimmt. Taubenessenz, Hummerbisque und im Tiroler Stil erbaute Restaurant teilt sich in Maiscremesuppe mit jeweils typischem, verschiedene Stuben, welchen allen eine hei- dichtem Geschmack, genau so, wie‘s sein Fotos: Grand Hotel Europa melige und einladende Atmosphäre gemein- Geisberger (re.): Zwei Hauben für eine soll“, schwärmt der Gault Millau in seiner Mischung aus regionalen und saisona- sam ist. „ aktuellen Ausgabe. Die Auszeichnung durch len Produkten sowie deren Kombination http://www.grandhoteleuropa.at/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 49 Personalia »Dialogue of Civilizations« Eine hohe Auszeichnung wurde Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am 10. November in der Wiener Hofburg im Rahmen eines High-Level Meetings vom World Public Forum verliehen.

in repräsentatives Treffen führte sowohl EPolitiker als auch Wissenschaftler und Vertreter internationaler NGOs in Wien zusammen. Der Gipfel wurde vom Präsi- denten des World Public Forum – Dialogue of Civilizations Wladimir I. Yakunin gemein- sam mit dem (damaligen) österreichischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer einberu- fen, um die wichtigsten Probleme der globa- len Entwicklung, einschließlich der Suche nach Auswegen aus der gegenwärtigen wirt- schaftlichen und finanziellen Situation, zu diskutieren. Unter den Teilnehmern befan- den sich, neben den Einladenden, der ehe- malige Staatspräsident von Armenien, Ro- bert Kocharian, der frühere tschechische Ministerpräsident Milos Zeman, der ehema- lige stv. Generalsekretär der UN und Gene- raldirektor der Vereinten Nationen in Genf, Wladimir Petrovsky sowie der General- sekretär a.D. des Europarates und nunmehri- ge Vorsitzende des Internationalen Koordi- nationskomitees des World Public Forum, v.l.: Nicholas Papanicolaou (WPF), BK Alfred Gusenbauer, Vladimir Yakunin (WPF), Walter Schwimmer. Zahlreiche international Jagdish Kapur (WPF) und Oleg Atkov (WPF) Foto: Andrey Artamonon bekannte Wissenschaftler, wie Prof. David Kennedy, Vize-Präsident der Brown Uni- Gusenbauer für seine Bemühungen geehrt, träger des Awards „Dialogue of Civiliza- versity, Prof. Fred Dallmayr von der Notre den Dialog zwischen unterschiedlichen Kul- tions“ sind u.a. König Abdullah der II. von Dame University und Prof. Craig Calhoun turen zu fördern und diesen mit Verständnis, Jordanien, der litauische Präsident Valdas von der New York University nahmen eben- Respekt und Offenheit zu begegnen. Adamkus, sowie UNESCO-Generaldirektor falls am Gipfel teil. Die Verhandlungen wur- Überreicht wurde die hohe Auszeichnung Koitiro Matsuura. den vom Generalsekretär des World Public von Vladimir Yakunin, dem Präsidenten des Forum, dem ehemaligen Kosmonauten Prof. World Public Forums. Yakunin begründete World Public Forum Oleg Atkov und der Direktorin des Wiener die Entscheidung der Jury wie folgt: „Alfred Das World Public Forum wurde 2002 von Büros des World Public Forums, Diana Gusenbauer ist eine Persönlichkeit mit gros- Vladimir Yakunin (Präsident der Russischen Orlova geleitet. sem europäischen und internationalem Po- Eisenbahnen) gemeinsam mit seinen nun- Die Teilnehmer waren sich vor allem an- tential. Sein Denken und seine Erfahrung mehrigen Stellvertretern Jagdish Kapur gesichts der derzeitigen Finanz- und Wirt- tragen dazu bei, ein Europäisches Projekt (Philantrop und ehemaliger Industrieller aus schaftskrise darüber einig, daß alle An- des 21. Jahrhunderts zu etablieren.“ Auch Indien) sowie Nicholas Papanikolaou (Prä- strengungen unternommen werden müssten, die ständige Dialogbereitschaft Gusen- sident der Titan Finance Cooperation, um eine neue, menschlichere Weltordnung bauers, etwa durch das Zusammentreffen mit Griechenland/USA) gegründet. Leiter des in- herbeizuführen, in der die Bedürfnisse der zahlreichen Vertretern öffentlicher Organisa- ternationalen Koordinationskomitees ist Wal- Menschen, auch die spirituellen, Vorrang vor tionen, NGOs, Wissenschaftern und Künst- ter Schwimmer (ehemaliger Generalsekretär den rein materiellen Zielen wie der An- lern unterschiedlicher Provenience, hob des Europarates), Generalsekretär ist der sammlung von Kapital und der Gewinn- Yakunin hervor. Darüber hinaus verwies der Kosmonaut Oleg Atkov. Ziel der internatio- maximierung haben müssen. WPF-Präsident auf das kürzlich stattgefun- nalen und unabhängigen Vereinigung ist es, Im Rahmen dieses High-Level Meetings dene Rhodos-Forum 2008, wo Alfred Gusen- durch nachhaltigen Dialog die weltweite des World Public Forum – Dialogue of Civil- bauer mit seinen Vortrag, in welchem er den Zusammenarbeit sowie gegenseitiges Ver- izations, das im großen Redoutensaal der Dialog der Kulturen in direkten Zusammen- ständnis und Respekt für geistige und kultu- Wiener Hofburg im Beisein von 100 inter- hang mit den größten Problemen für eine relle Werte unterschiedlicher Kulturen und nationalen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, weltweite Entwicklung brachte, für Standing Zivilisationen zu fördern. „ Kultur und Politik stattfand, wurde Alfred Ovations sorgte. Weitere prominente Preis- http://www.wpfdc.at/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 50 Personalia Klaus Maria Brandauer erhielt Goldene Ehrenmedaille

ammerschauspieler Klaus Maria Brand- Klaus Maria Brandauer Der internationale Durchbruch als Film- Kauer, Ehrenmitglied des Burgtheaters, Klaus Maria Brandauer wurde 1943 als schauspieler gelang Klaus Maria Brandauer wurde am 1. Dezember im Wiener Rathaus Klaus Georg Steng in Altaussee geboren. im Jahr 1982 mit seiner Darstellung des von Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath- Sein Theater-Debüt in einer Hauptrolle „Hendrik Höfgen“ in der von István Szabó Pokorny mit der „Bundesmedaille der Bun- feierte er im Jahr 1963 am Landestheater in inszenierten Verfilmung des Klaus Mann- deshauptstadt Wien in Gold“ ausgezeichnet. Tübingen als „Claudio“ in William Shakes- Romans „Mephisto“. Nach überwältigenden Viele Weggefährten und Freunde waren peares „Maß für Maß“. In der Zeit von 1963 Kritiken wurde der Film im Jahr 1982 in der gekommen, um zu gratulieren, darunter Otto bis 1972 folgten weitere Engagements in Kategorie „Bester Ausländischer Film“ mit Schenk, Staatsoperndirektor Ioan Holender, Salzburg, Düsseldorf und München. 1970 dem „Oscar“ bedacht. Er spielte in weiteren Ignaz Kirchner, Rudolf Buczolich, Antonin wirkte er in der letzten Inszenierung Fritz internationalen Filmen, u. a. „Sag niemals Svoboda, Fritz Schindlecker. Kortners (Emilia Galotti) im Theater in der nie“ besetzt, „Oberst Redl“, „Jenseits von Afrika“ mit Meryl Streep und Robert Red- ford ein, „Georg Elser, einer aus Deutsch- land“, „Das Russland Haus“. Während der Sommermonate 2007 spielte Klaus Maria Bandauer Schillers „Wallen- stein“ (Regie: Peter Stein) in einer ehemali- gen Brauerei im Berliner Bezirk Neukölln. Brandauer lehrt am Max-Reinhardt- Seminar in Wien. Seit Juli 2007 ist er mit der Regieassistentin Natalie Krenn verheiratet. Klaus Maria Brandauer erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Grillparzer Ring (1976), den Golden Globe 1985, den Bayerischen Filmpreis (1989), das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steier- mark (1987), das Große Goldene Ehren- zeichen für Verdienste um das Land Wien (1989) und die Martin-Buber-Plakette (2006). 2006 wurde Klaus Maria Brandauer

Foto: Schaub-Walzer zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Alt- Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (re.) überreicht die »Goldene Ehren- aussee ernannt. 2008 wurde er mit dem medaille« der Bundeshauptstadt Wien in Gold an Klaus Maria Brandauer „Berliner Bären“, dem Kulturpreis der „Klaus Maria Brandauer ist ein Welten- Josefstadt mit. Große Erfolge hatte Brand- Berliner Zeitung im Fach Theater für seine bürger, eine große Künstlerpersönlichkeit, auer vor allem während dieser Zeit am Wallenstein-Darstellung ausgezeichnet. Am die auf den Bühnen der Welt zu Hause ist“, Wiener Burgtheater, dessen Ensemble-Mit- 1. November 2008 wurde er zum Ehrenmit- erklärte Mailath. „Das Wiener Theater- glied er auf Lebenszeit im Jahr 1972 wurde. glied des Wiener Burgtheaters ernannt. „ publikum verehrt, schätzt und liebt ihn.“ Mailath erinnerte neben den großen künstle- rischen Erfolgen auch an das gesellschafts- Diamantene Promotion zum 100. Geburtstag politische Engagement Brandauers. s ist ein ganz besonderes Geschenk. überreichte Otto Burkard die „goldene“ Regisseur Peter Stein hielt die Laudatio EGenau an seinem 100. Geburtstag, am Rolle mit dem Doktordiplom. auf seinen „kleinen Bruder“, wie er Brand- 24. November, feierte Em.Univ.-Prof. Otto Otto Burkard, der im Dezember 1933 an auer bezeichnete, und erzählte von seiner Burkard auch das „diamantene“ 75-Jahr- der Uni Graz promovierte, hat nach 1949 Zusammenarbeit mit Brandauer bei der In- Jubiläum seiner Promotion. Der Grazer war eine im deutschen Sprachraum einzigartige szenierung von „Wallenstein“ und lobte 1968/69 Rektor der Karl-Franzens-Universi- universitäre Forschungseinrichtung für das seine Fähigkeit, Atmosphäre zu schaffen, tät Graz, wo er zwischen 1949 und 1978 als Studium der hohen Atmosphäre (Ionosphä- seine Intelligenz, seine Bildung und Aus- Professor für Meteorologie und Geophysik re) geschaffen. Nach dem Start der ersten Erd- bildung und vor allem seine Fähigkeit zur hohes internationales Ansehen genoß. Rek- satelliten erweiterte er unter Verwendung der Selbstkritik: „Sein inneres selbstkritisches tor Alfred Gutschelhofer erneuerte im Rah- von diesen ausgesandten Radiosignalen die Auge begleitet ihn ständig, das macht ihn zu men eines Festaktes im „Meerscheinschlößl“ ursprünglich erdgebundene Ionosphärenfor- einem großartigen Schauspieler.“ den akademischen Grad des Jubilars und schung zur Weltraumforschung. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 51 Personalia Toleranz in Denken und Handeln Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels an Prof. Paul Lendvai vergeben

er diesjährige Ehrenpreis des österrei- Dchischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln wurde am 6. Novem- ber im Wiener Rathaus an Prof. Paul Lend- vai verliehen. Die Jury würdigte ihn als „einen der profundesten Kenner Ost- und Südosteuropas und stetiger Verfechter jour- nalistischer Unabhängigkeit in Österreich. Mit seinem unermüdlichen Plädoyer für ein tolerantes Miteinander in einem vereinten Europa trägt er maßgeblich zur friedlichen Verständigung zwischen den Kulturen bei.“ Nach seiner Begrüßung würdigte Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny den Preisträger als „großen Humanisten und Vertreter des weltoffenen Denkens“, dessen „intellektuel- ler Diskurs die Stadt bis zum heutigen Tag anregt“. Im Anschluß hob Armin Thurnher (von der Stadtzeitung „Falter“) in seiner

Laudatio Prof. Lendvais leidenschaftliche Foto: HVB/Franz-Karl Nebua Auffassung seines Berufs hervor: „Er ver- v.l.: Kulturstradtrat Andreas Mailath-Pokorny, Alexander Potyka (HVB), Prof. Paul sucht, die Informationen möglichst von der Lendvai, Armin Turnherr (»Falter«) und Prof. KR Michael Kernstock (HVB) Quelle zu bekommen, aber er vermischt sich aufbrausend und manchmal ungerecht. In Der mit 7200 Euro dotierte Ehrenpreis nicht mit dieser Quelle. Er bleibt der nüch- kleinen Dingen bin ich also nicht tolerant, in des österreichischen Buchhandels für Tole- terne Beobachter und Berichterstatter. Er großen Dingen hingegen schon. Gegen die ranz in Denken und Handeln ist die höchste hält sogar dort auf Distanz, wo er seine Zu- Verurteilung von Menschen aus rassistischen Auszeichnung des österreichischen Buch- neigung zum Beschriebenen spüren läßt. Er handels. Er wird seit 1990 gemeinsam vom bleibt gerade auch dort nüchtern, wo er ganz Hauptverband des Österreichischen Buch- in der Nähe der Mächtigen ist. Bei seiner handels und dem Fachverband Buch- und professionellen Nähe zu Macht und Mäch- Medienwirtschaft an Autoren verliehen, die tigen beharrt Paul Lendvai auf seiner Rolle sich in ihrem Werk und durch ihr Engage- als Journalist, und das bedeutet, er zieht das ment für Toleranz gegenüber anderssprachi- teilnehmende Beobachten dem beobachten- gen und kulturell anders geprägten Nachbarn den Teilnehmen vor. Gerade weil er seine in herausragender Art und Weise eingesetzt Rolle als Journalist exemplarisch spielt, ist haben und somit einen Beitrag zu einem er also – naturgemäß, möchte man sagen – friedlichen Miteinander in Europa geleistet hierzulande ein Exzentriker geblieben.“ haben. Die Jury, die den diesjährigen Preis- Überreicht wurde der Ehrenpreis durch träger ausgewählt hat, bestand aus Alex- Prof. KR Michael Kernstock (Fachverband ander Potyka, KR Gerald Schantin, Andreas Buch- und Medienwirtschaft der Wirtschafts- Tarbuk, Arno Kleibel, Prof. KR Michael kammer Österreich) und Alexander Potyka Kernstock, Georg Glöckler, Friedrich Hin- (Hauptverband des Österreichischen Buch- terschweiger und Karl Herzberger. handels). „Prof. Lendvai versucht als Publi- Der Preis wurde erstmals 1990 an Milo Dor zist, Publikum und Lesern die Welt zu erklä- vergeben, weitere Preisträger waren Viktor ren, ohne seine eigene Meinung durchsetzen Prof. Paul Lendvai Foto: Ecowin Frankl, Inge Merkel, Kardinal Franz König, zu wollen, sondern sie zum eigenen Denken Gerhard Roth, Simon Wiesenthal, Hugo Por- zu bringen“, so Potyka. oder politischen Gründen bin ich allerdings tisch, H. C. Artmann, Christine Nöstlinger, Prof. Lendvai nahm den Preis mit Freude intolerant. Andererseits habe ich in Öster- Sir Peter Ustinov, Josef Haslinger, Karl-Mar- entgegen: „Der Ehrenpreis ist ein sehr schö- reich auch viele Menschen kennen gelernt, kus Gauß, Ilse Aichinger, Konrad Paul ner Preis, die Liste meiner Vorgänger eine die eine kontroversielle Vergangenheit ha- Liessmann, Erich Hackl, Barbara Frisch- wunderschöne Liste. Die Frage ist, ob man ben. Die Frage ist aber meiner Meinung nach muth, Klaus Wagenbach und Martin Pollack. selber tolerant ist oder von anderen Toleranz nicht, woher jemand kommt, sondern wohin Der 1929 in Budapest geborene österrei- erwartet. Ich bin oft nicht tolerant, sondern er geht.“ chische Publizist Prof. Paul Lendvai prägte

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 52 Personalia als Verfechter journalistischer Unabhängig- keit das Österreich der letzten 50 Jahre maß- 29. Todestag von Friedrich Torberg geblich und gilt als einer der profundesten Analysten und Kenner Ost- und Südost- europas. Seine Erfahrungen und Erinnerun- gen hat er in zahlreichen Publikationen fest- gehalten, zuletzt erschien „Best of Paul Lendvai“ im Ecowin Verlag.

Außenministerin gratuliert „Paul Lendvai ist Journalist im tiefsten und allerbesten Sinn. Die Leser danken es ihm mit dem kostbaren Gut Vertrauen. Sein Anliegen ist es, der Wirklichkeit und ihrer Vielschichtigkeit erkennend und erklärend nahe zu kommen. Getrennt von diesem sach- lichen Teil seiner Arbeit beeindruckt Paul Lendvai immer wieder durch Scharfsinn und

Punktgenauigkeit in der Analyse. Und mit Friedrich Torberg (re.) mit dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky Foto: RK der Wachsamkeit und dem Engagement eines Kämpferherzens“, gratulierte (damals riedrich Torberg wird am 16. September gelangt Torberg im Oktober 1940 nach noch) Außenministerin Ursula Plassnik dem F1908 in Wien als zweites dreier Kinder Hollywood, wo er einen Vertrag bei den gebürtigen Ungarn zur Auszeichnung mit von Alfred und Therese Kantor geboren. Warner Brothers auf ein Jahr erhält. dem „Ehrenpreis des österreichischen Buch- 1921 übersiedelt die Familie nach Prag, wo 1951 kehrt Torberg wieder nach Wien zu- handels“. Torberg das Deutsche Staatsrealgymnasium rück, wo er zunächst als freier Publizist für „Paul Lendvai ist Ungar, Österreicher besucht. Im Juli 1927 scheitert er beim den „Wiener Kurier“ und für den Sender und Europäer. Sein Interesse und seine ersten Versuch, die Matura abzulegen. Selten „Rot-Weiß-Rot“ arbeitet. Im Auftrag des wahrhaft grenzenlose Neugier gelten nicht dürfte ein durchgefallener Maturant aber Kongresses für Kulturelle Freiheit wird er nur der eigenen Heimat. Sie gelten der Welt derart aufsehenerregend vom Scheitern pro- Herausgeber der ab 1954 erscheinenden kul- im Großen und Kleinen und der Frage, was fitiert haben wie Torberg. Denn im Jahr der turpolitischen Zeitschrift „FORVM“, eine sie im Innersten zusammenhält. Er ist über Wiederholung beginnt er mit der Nieder- Funktion, die er bis 1965 bekleidet. Das Pe- die Zeiten hinweg ein scharfsinniger Beob- schrift seines Romans „Der Schüler Gerber riodikum ist bis heute umstritten, da es seine achter und ein geduldiger Erklärer. Mit sei- hat absolviert“ (1930), der zum Bestseller Inhalte ganz in den Dienst des Kalten Kriegs ner Arbeit zeichnet Lendvai unser Land aus wird und noch heute ein Klassiker seines stellte. und macht auf vielfältige Weise immer wie- Genres ist. Noch vor Erscheinen des Ro- Einen nicht erwarteten Bestseller landet der deutlich, wie sehr Österreich in Europa mans, den sein Förderer Max Brod an den Torberg dann jedoch 1975 mit dem Anek- zu Hause ist“, so Plassnik. „ Verlag von Paul Zsolnay vermittelt hat, pub- dotenband „Die Tante Jolesch oder Der liziert er erste literarische Texte im „Prager Untergang des Abendlandes“, ein Erfolg, der Paul Lendvai Tagblatt“ unter dem Pseudonym Torberg, 1978 mit „Die Erben der Tante Jolesch“ so- Best of Paul Lendvai das sich aus den Namensbestandteilen seiner gar noch eine Fortsetzung findet. Etwa einen In seinem neuen Buch unternimmt der Eltern zusammensetzt (die Mutter war eine Monat vor seinem Tod erhiält Torberg den Grandseigneur des politischen Journalismus geborene Berg). Großen Österreichischer Staatspreis für Lite- einen aufregenden journalistischen Streifzug Unter dem NS-Regime werden Torbergs ratur. Weitere seiner Auszeichnungen sind durch die Metropolen und Machtzentralen literarische Werke von den deutschen Zen- u.a. der Preis der Julius Reich-Stiftung dieser Welt: von surbehörden bald auf die „Liste 1 des schäd- (1933), die Richard Meister-Medaille (1974) Washington und lichen und unerwünschten Schrifttums“ ge- und das Ehrenzeichen für Wissenschaft und Moskau bis Buda- setzt. Im Juni 1938 geht Torberg in die Emi- Kunst (1976). pest und Belgrad. gration: Er fliegt von Prag nach Zürich. Die Vor 29 Jahren, am 10. November 1979, Reportagen, Arti- Schweiz muß er am 1. Juni 1939 verlassen, starb Friedrich Torberg im Alter von 71 kel und Vortrags- Torberg geht nach Paris. In Frankreich Jahren an einem Gefäßleiden. Er wurde in texte aus den letz- schließt er sich nach Ausbruch des Krieges einem Ehrengrab der Gemeinde Wien beige- ten Jahren, unge- der tschechischen Exilarmee an, wird jedoch setzt. Den weitaus größten Teil seines wöhnliche Begeg- nicht in Kampfhandlungen verwickelt. Knapp Nachlasses hatte er der Stadt Wien vermacht. nungen, berühren- vor den deutschen Truppen gelingt es Tor- Dieser Briefnachlass, in etwa 100.000 Blatt, de Erinnerungen berg über Spanien nach Portugal zu entkom- wird heute von der Wienbibliothek im Rat- und überraschende Einsichten. men. Dort bekommt er mit Hilfe einer US- haus verwaltet. Einen Teil der Briefe kann 272 Seiten, geb. mit Schutzumschlag, Hilfsorganisation, des Emergency Rescue man in der aktuellen Torberg-Ausstellung im EUR 19,95 (A/D), ISBN: 978-3-902404-66-4 Committee, ein Visum für die USA. Als einer Jüdischen Museum Wien (bis 1. 2. 2009) http://www.ecowin.at/index.php?id=209 von „Ten Outstanding Anti-Nazi Writers“ begutachten. http://www.jmw.at „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 53 »Wien forscht« »Dem Reiche der Natur und seiner Erforschung« So lautet die Widmung, der sich die Wissenschaftler des Naturhistorischen Museums stets uneingeschränkt verschrieben haben. Es ist geprägt von der Sammelleidenschaft bedeutender Monarchen, dem unbeugsamen Forschergeist berühmter Wissenschaftler und der Abenteuerlust forschender Reisender.

aturhistorisches und Kunsthistorisches NMuseum sind das Werk von Gottfried Semper und Carl Hasenauer und zählen zu den kennzeichnendsten Schöpfungen des Historismus in Österreich. Semper, als Theo- retiker wie als Baukünstler der weitaus be- deutendere Kopf, veränderte den stark auf äußere Wirkung und Prunkentfaltung bedach- ten ersten Entwurf Hasenauers vollständig und verwirklichte vor allem in der äußeren Gestaltung der beiden symmetrisch angeleg- ten Museumsbauten seine zentrale Idee: das mit der Umgebung verwachsende Gesamt- kunstwerk, das die räumliche und zeitliche Kontinuität aller Dinge zum Ausdruck brin- gen soll. Dementsprechend sind zur Gestal- tung des Naturhistorischen Museums alle Gattungen der bildenden Kunst – Architek- tur, Plastik, Malerei – herangezogen und Stilelemente aus den vorangegangenen Epo- chen, vor allem der Renaissance, verarbeitet worden. Der 1871 begonnene und 1881 aus- sen fertig gestellte Bau misst rund 170 mal 70 Meter und gliedert sich in zwei große, von Arbeits- und Sammlungsräumen umge- bene Innenhöfe. Er wird von einer bis in 65 Meter Höhe aufragenden Kuppel gekrönt, die eine kolossale Bronzestatue des griechi- schen Sonnengottes Helios trägt – Symbol des allbelebenden Elementes in der Natur. Der reiche figurale Fassadenschmuck illu- striert auf der unteren und mittleren Ebene (Hochparterre und Obergeschoß) in allegori- schen und mythologischen Darstellungen wesentliche Bausteine des Universums und ihre Entdeckung und Beherrschung durch den Menschen, auf der Balustrade den konti- nuierlichen Fortschritt der Welterkenntnis durch große Forscherpersönlichkeiten. Deckengemälde „Der Kreislauf des Lebens“ ner Erdzeitalter (Geologisch-Paläontolo- Eine programmatische Inschrift über dem von Hans Canon den Höhepunkt. gische Abteilung, Säle 6-10) und über die Haupteingang des Gebäudes macht die auch Die innere Struktur des Hauses ist ge- Geschichte des Menschen (Säle 11-15). Das heute noch gültige Bestimmung des Mu- prägt durch die streng systematische Anord- Obergeschoß präsentiert die mannigfaltigen seums deutlich: „Dem Reiche der Natur und nung der einzelnen Abteilungen und Schau- Formen der Tierwelt (Zoologische Abteilun- seiner Erforschung“. sammlungen: Im Hochparterre spannt sich gen, Säle 22-39) sowie die fantastische Welt Dieselbe Grundthematik liegt dem Figu- der Bogen vom Reich der unbelebten Natur der Kleinstorganismen (Mikrotheater, Saal ren- und Bildrepertoire der Kuppelhalle und (Mineralogische Abteilung, Säle 1-5) über 21). Innerhalb der einzelnen Schausamm-

Alle Fotos: Österreichdes Journal Stiegenhauses zugrunde; hier bildet das die Sedimente und Lebensspuren vergange- lungsbereiche sind die Objekte systematisch,

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die ursprünglich mit Urgeschichte und An- Lothringen, 1745-1765), der Gemahl Maria thropologie in einer einzigen Abteilung Theresias, gründete 1748 mit dem Ankauf zusammengefaßt war, ist seit 1927 in der der berühmten Sammlung Johann von Bail- Neuen Burg untergebracht und seit 1946 ein lous ein privates Naturalienkabinett. Es war eigenes Museum. in der Hofburg nach Baillous eigenem wis- senschaftlichem System aufgestellt und wur- Naturwissenschaftliches de zunächst von diesem selbst geleitet. Den Forschen und Sammeln … Schwerpunkt bildeten Mineralien und Fos- …fand in Österreich erst relativ spät Ver- silien sowie Schnecken- und Muschel- ständnis und Förderung. Wohl enthielten die schalen und Korallen. Pflanzen und Tiere Kunst- und Wunderkammern der Habsbur- mit Weichteilen waren damals (v. a. wegen ger auch Naturalien, doch betrachtete man der Präparationsprobleme) als Sammel- sie lange als bloße Kuriositäten, nicht als objekte noch wenig geschätzt. Sie wurden Objekte von wissenschaftlicher Bedeutung. lebend in botanischen Gärten und Menage- Erst Kaiser Franz I. (Franz Stephan von rien gehalten.

Würdig begrüßt ein Löwe die Besucher unter der 65 Meter hohen Kuppel d.h. nach ihrer natürlichen Verwandtschaft oder ihrer erd- bzw. kulturgeschichtlichen Abfolge aufgestellt. Semper starb 1879. Das Museum wurde von Hasenauer vollendet, der bei der Innen- einrichtung weitgehend seine eigenen Pläne verwirklichen konnte. Dennoch ist Sempers Programm noch in vielem zu spüren, etwa in den Wandbildern der Schausäle. Von den be- deutendsten österreichischen Landschafts- malern der Epoche verfertigt, sind sie nicht zusätzlicher Schmuck, sondern geplanter Bestandteil der Architektur und sollen die Wirkung der ausgestellten Objekte weiter- führen. Allerdings ist dieses Konzept inzwi- schen von der Zeit zum Teil überholt wor- den. So bilden die als Illustration ethnologi- scher Exponate gedachten exotischen Dar- stellungen in den Sälen 14 bis 19 heute ein anachronistisches Relikt. Die Völkerkunde, Stiegenhaus mit dem Deckengemälde »Der Kreislauf des Lebens« von Hans Canon

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prinzen Dom Pedro 1817 sandte Kaiser Franz auch namhafte Forscher nach Südamerika. Durch ihre Sammlungstätigkeit erlebte der Zuwachs der Museumsbestände einen glanz- vollen Höhepunkt. So blieb der Zoologe Jo- hann Natterer 18 Jahre in Südamerika und baute eine vorbildlich dokumentierte Kol- lektion naturwissenschaftlicher und völker- kundlicher Objekte für Wien auf. Diese trug wesentlich zum weltweiten Ruf des Mu- seums bei, führte allerdings auch zu einer jahrzehntelangen Platznot. Mit verschiede- nen, nicht immer glücklich gewählten Not- lösungen versuchte man die Raumprobleme vergeblich in den Griff zu bekommen. Wäh- rend der revolutionären Wirren von 1848 wurde die Hofburg durch kaiserliche Trup- pen beschossen und teilweise in Brand ge- setzt. Dabei wurde ein Teil der Sammlungen In der Zoologischen Schausammlung sind, unter anderem, 3200 Vögel … vernichtet, tragischerweise auch viele uner- setzliche Objekte aus dem brasilianischen Nach dem Tod von Franz I. wurde die schaftsdioramen gezeigt, also bereits in öko- Material. Kollektion, in die der Kaiser große Summen logischem Zusammenhang. Daneben stan- In den Jahren nach der Revolution wurde investiert hatte, ins Staatseigentum übertra- den jedoch auch Stopfpräparate von Men- die Sammlung in ein selbständiges zoologi- gen, neu aufgestellt und zweimal wöchent- schen fremder Rassen wie der „hochfürstli- sches, botanisches und mineralogisches lich dem Publikum zugänglich gemacht. che Mohr“ Angelo Soliman, der zu literari- Hofkabinett umgewandelt. Diese Kabinette 1776 berief Maria Theresia, der vor allem scher Berühmtheit gelangte. mit ihren äußerst reichhaltigen Beständen die Erdwissenschaften als Grundlage für Der hervorragende Gelehrte und Orga- boten nicht nur ideale Möglichkeiten zum Bergbau und Industrie am Herzen lagen, den nisator Carl Schreibers, der von 1806 bis Forschen, sie trugen bis zur Etablierung der hervorragenden Mineralogen und Monta- 1851 die Naturaliensammlung leitete, sorgte naturwissenschaftlichen Disziplinen im Uni- nisten Ignaz von Born nach Wien und be- für entscheidende Reformen in allen Be- versitätsbereich um 1870 auch wesentlich zur traute ihn mit dem systematischen Ausbau reichen. Er baute alle Abteilungen zu bedeu- Bildung des wissenschaftlichen Nachwuch- der Sammlung. Born war ein führender Auf- tenden Forschungszentren aus und wurde ses bei. Die Kollektionen wurden durch klärer und Freimaurer, er könnte vielleicht dabei nicht nur von den Museumsbeamten, Tausch und Ankäufe, durch die Sammel- sogar das Vorbild für den Sarastro in sondern auch von einer Reihe oft hochquali- tätigkeit der Forscher sowie durch Legate, Mozarts „Zauberflöte“ abgegeben haben. fizierter, unbesoldeter Volontäre unterstützt. vor allem von wissenschaftlich interessierten Mit ihm brach für „Österreich“ endgültig das Anläßlich der Vermählung seiner Tochter Reisenden, laufend erweitert. Daneben wur- naturwissenschaftlich-technische Zeitalter Leopoldina mit dem brasilianischen Kron- de auch die vom Kaiserhaus großzügig ge- an. Das Naturalienkabinett wurde damals zu einem Mittelpunkt der mineralogischen Forschung in Europa. Der naturliebende Kaiser Franz II. (I.; 1792-1835) erweiterte die Naturaliensamm- lung um ein eigenes Tierkabinett. Den Grundstock dafür bildeten die Jagdtrophäen der Habsburger, die bis auf Kaiser Maximilian II. (1564-1576) zurückgehen, sowie die berühmte Sammlung präparierter einheimischer Wirbeltiere und Insekten des Falkners Joseph Natterer. Nach mehrfachen Umgliederungen folgte 1807 die Gründung eines eigenen Pflanzenkabinetts. Der Kaiser legte dafür mit der Schenkung seines Pri- vatherbars den Grundstock. Die Ausstellungspraxis der Zeit um 1800 war durch ein oft kurioses Nebeneinander wenig wissenschaftlicher und sehr fort- schrittlicher Tendenzen geprägt. Die ausge- stopften Tiere wurden in künstlichen Land- … und 600 Säugetiere zu sehen. Beachtenswert sind die naturnahen Schaukästen.

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zerfallenden Habsburgermonarchie wollte sich ein zeitgemäßes, künstlerisch vollende- tes Denkmal setzen: Ein monumentales Kaiserforum nach antikem Vorbild war geplant, das von der Hofburg bis zu den Hof- stallungen reichen sollte. Verwirklicht wurde davon nur ein Torso: die Neue Burg und der Maria-Theresien-Platz mit Kunsthistori- schem und Naturhistorischem Museum. Die innere Organisation des neuen „K.k. Naturhistorischen Hofmuseums“, das am 10. August 1889 feierlich eröffnet wurde, geht auf den großen Geologen, Neuseeland- forscher und ersten Intendanten des Mu- seums, Ferdinand von Hochstetter, zurück und hat sich in ihrer klaren Systematik bis heute weitgehend erhalten. Die Vermehrung der Bestände und neue Anforderungen an den Forschungs- und Schausammlungsbe- trieb erforderten jedoch neue räumliche und strukturelle Lösungen. So wurde 1990 ein Tiefspeicher angelegt, der sich unter dem Gebäude über vier Ebenen erstreckt und in vollklimatisierten Räumen einen Teil des Sammlungsmaterials aufnimmt. Durch den Dachausbau (1991 bis 1995) wurden weitere Sammlungs-, aber auch zahlreiche neue Arbeitsräume gewonnen. Die Forschung, das Bewahren und Ver- vollständigen der bedeutenden wissenschaft- lichen Sammlungen und die Präsentation ausgewählter Naturobjekte haben bis heute nicht an Aktualität verloren. In einer Zeit immer rascherer Zerstörung unserer Umwelt sind sie wichtiger denn je. So wie die weißen Flecken auf der Landkarte kleiner geworden sind, dringt die Wissenschaft in immer klei- nere Bereiche vor. Längst haben Raster-Elek- tronenmikroskop und Röntgenapparaturen die Handlupe abgelöst. Im Schausamm- lungsbereich haben auch die Besucher Zu- gang zu modernsten optischen Geräten, be- sonders im „Mikrokosmos“ (Saal 21). Auch Die mineralogisch-petrographische Sammlung zählt zu den bedeutendsten der Welt. die Erhaltung der Sammlungen folgt mo- förderte Zusammenarbeit mit der österrei- fung des Festungsgürtels um die Innenstadt dernsten konservatorischen Erkenntnissen. chischen Kriegsmarine sehr wichtig: Be- verfügt. Auf der freiwerdenden Fläche soll- Vor über 100 Jahren wurde das Museum sonders die Weltumsegelung der Fregatte ten entlang einer Prachtstraße neben anderen für die systematische Darstellung – die Viel- „Novara“ (1857-1859), an der zahlreiche repräsentativen öffentlichen Bauten auch falt der Natur geordnet aneinandergereiht – hervorragende Naturforscher teilnahmen, neue Museen entstehen. Bis zur Vollendung geschaffen. Der palastartige Bau, das Zu- verschaffte dem Museum ein überaus rei- dieses Vorhabens war es allerdings noch ein sammenspiel von Einrichtung und Objekten ches neues Sammlungsmaterial. Die wissen- weiter Weg. sowie das historische Ambiente verleihen schaftliche Aufarbeitung sollte Jahrzehnte in Das liberale Bürgertum, das damals einen ihm einen unverwechselbaren Charakter. Anspruch nehmen. steilen politischen und wirtschaftlichen Auch bei der Neugestaltung zahlreicher Diesem wissenschaftlichen Poiniergeist, Aufschwung erlebte, wollte die alten Kabi- Schausäle wurde die systematische Aufstel- der die allgemeine Fortschrittsgläubigkeit in nette durch Forschungs- und Bildungsstätten lung grundsätzlich beibehalten, um dem der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für breite Volksschichten abgelöst wissen Besucher die ungeheure Vielfalt des Lebens widerspiegelt, stand die immer drückender und so seinen eigenen kulturellen Aufstieg vor Augen zu führen. Allerdings wird die werdende Raumnot gegenüber. Zwar hatte deutlich sichtbar machen. Aber auch das Präsentation sukzessive an die museologi- Kaiser Franz Joseph bereits 1857 die Schlei- neoabsolutistische Kaisertum der allmählich schen Anforderungen und Bedürfnisse des

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21. Jahrhunderts angepaßt. Auch werden in- Urvögeln über wagenradgroße Ammoniten, Saurier-Saal teressante Themenschwerpunkte und neue Seelilien und versteinerte Korallenriffe bis Zu den spektakulärsten Objekten zählen: Inhalte in zeitgemäßer didaktischer Form zu den Resten der ersten Blütenpflanzen. das Skelett eines Diplodocus, des längsten präsentiert. „Verabschiedet“ werden die Besucher mit Landwirbeltieres, das jemals gelebt hat, das Im Naturhistorischen Museum arbeiten einem simulierten Meteoriteneinschlag, wie Skelett eines Allosaurus (Raubdinosaurier, heute rund 50 Wissenschaftler. Ihre Arbeit er vermutlich das Ende des Erdmittelalters bis zu 9 m lang) und das Skelett eines Igua- liefert die notwendigen Voraussetzungen im markierte. nodon. Eine versteinerte Riesenschildkröte Kampf gegen globale Probleme, wie die Zer- störung der Artenvielfalt, die Bedrohung emp- findlicher Ökosysteme, Umweltverschmut- zung sowie Seuchen und Krankheiten.

Mineralogisch-Petro- graphische Sammlung Die mineralogisch-petrographische Samm- lung zählt zu den bedeutendsten der Welt. Ihre Bedeutung liegt vor allem in der Reichhaltigkeit an Material aus Vorkommen des ehemaligen Staatsgebietes der österrei- chisch-ungarischen Monarchie und hervor- ragender alpiner Mineralstufen. Kernstück der Schausammlung ist die systematische Mineraliensammlung. Außerdem werden ös- terreichische Mineralien, Bau- und Dekor- steine, Berg- und Hüttenprodukte, eine systematische Gesteinssammlung sowie Edel- und Schmucksteine gezeigt. Besonderheiten: kolumbianische Smaragde, große Nuggets aus Gold und Platin, Diamanten, der größte europäische Edelopal, ein Edeltopas mit 117 kg, u. a. Die Meteoritensammlung ist die älteste und größte ihrer Art. Bedeutendste Objekte: Youndegin-Eisen und die Meteo- riten Knyahinya und Hraschina.

Geologie-Paläontologie Zentrales Thema von Saal 9 ist die Ent- wicklungsgeschichte des Lebens in der Erd- neuzeit, einem Zeitraum von vor 65 Millio- Die mineralogisch-petrographische Sammlung zählt zu den bedeutendsten der Welt. Das Bild unten zeigt den »Elefantensaal« nen Jahren bis zum Beginn der Eiszeit. Eine Fülle von teils exotischen, teils sehr bekann- ten Pflanzen- und Tierfossilien aus dem Wiener Raum vermittelt einen Eindruck vom Leben zur damaligen Zeit. Besondere Objekte: das vollständige Skelett eines 17 Millionen Jahre alten Hauerelefanten (Dino- therium), ein gewaltiges fossiles Palmblatt, ein kleines Messelpferd, das dreizehige Urpferdchen Mesohippus, zahlreiche Bern- steinfossilien, die gewaltigen Gliedmaßen des Krallentiers Chalicotherium sowie das Diorama eines tropischen Korallenriffes vor 16 Millionen Jahren. Saal 8 ist dem Erdmit- telalter gewidmet, dem Zeitalter der Dino- saurier und einer der spannendsten Perioden in der Erdgeschichte. Vielfältig wie die Lebewesen zur damaligen Zeit sind auch die Ausstellungsobjekte: der Bogen spannt sich von echten Saurierskeletten und fossilen

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die in den kalten Wintern als schützende Behausung diente, vermittelt die rauen Lebensumstände unserer Vorfahren. Skelette von Säbelzahnkatze, Riesengür- teltier, Riesenfaultier und einiger Moas ver- anschaulichen Grundmechanismen der Evo- lution: das Wettrüsten zwischen Räuber und Beute, die gegenläufigen Trends zu Riesen- wuchs oder Verzwergung, sowie die mehrfa- che „Erfindung“ von Strategien als Antwort auf ähnliche Umweltbedingungen. Aufgrund des geowissenschaftlichen Backgrounds liegt ein weiterer Schwerpunkt auf Aus- sterben und Geodynamik als oft unterschätz- te Bestandteile des Evolutionsmotors. Neue Computeranimationen erwecken die ausge- storbene Tierwelt zu neuem Leben und ver- anschaulichen astronomische Parameter, die unser Klima steuern. Höhlenmalereien zeigen Höhlenbär, Waldbison, Riesenhirsch und Höhlenlöwe wie Die meist komplexen Zusammenhänge sie der eiszeitliche Mensch als Zeit- und Augenzeuge erlebte. werden bewußt durch überraschende eye- der Gattung Archelon ist mit 4,5 m Länge 700 Millionen Jahren. Besonders hervorge- catcher aufgelockert. Am Ende weiß der Be- die größte Schildkröte, die je gefunden hoben wird das eiszeitliche Klimageschehen sucher, warum die Rote Königin aus Lewis wurde. Weitere Besonderheiten: das Skelett der letzten 1,000.000 Jahre, basierend auf Carroll‘s „Alice hinter den Spiegeln“ ein des Plesiosauriers Trinacromerum, eines modernsten geochemischen Untersuchungen Grundprinzip der Evolution formuliert, daß Mosasauriers, mehrere Dinosauriergelege an Bohrkernen. Welchen Einfluß der „voll der einäugige Riese Polyphem ein Zwerg- aus der Mongolei, mehrere Exemplare des technisierte“ Mensch auf die Umwelt hat, elefant war und was Hannibal und Pieter Fischsauriers Stenopterygius aus Holzmaden wird erst im Spiegel dieser langfristigen Brueghel der Ältere mit der Klimageschichte (Deutschland), ein Flugsaurier und der Klimaentwicklung deutlich. zu schaffen haben. Abguß eines Archeopterix. Die eigentlichen Stars der Ausstellung sind aber die perfekt restaurierten Skelette Urgeschichtliche Schausammlung Eiszeit-Ausstellung von Höhlenbär, Waldbison, Riesenhirsch Präsentiert wird archäologisches Material Der Schwerpunkt des Ausstellungskon- und Höhlenlöwe. von der Altsteinzeit bis zum frühen Mittel- zeptes zeigt den Menschen als integrierten Höhlenmalereien zeigen diese Tiere wie alter. Die ältesten Funde der Sammlung von Bestandteil der Natur. Sei es als Produkt der sie der eiszeitliche Mensch als Zeit- und österreichischem Boden stammen aus der Evolution und ihrer Mechanismen oder als Augenzeuge erlebte. Die aufwendige Rekon- unteren Schicht der Gudenushöhle bei Har- (zu) cleverer Räuber, der seit Jahrtausenden struktion einer typischen Mammutjägerhütte, tenstein im Kremstal (NÖ; 60.000 – 120.000 das Aussterben vieler Organismen verur- sacht oder beschleunigt. Der Mensch wird aber auch im Spiegel der Klimaentwicklung gezeigt. Über Jahr- tausende prägten Klimaschwankungen die Entwicklung der Zivilisation. Spielerisch spannt sich der Bogen von den ersten Hoch- kulturen in Ägypten und Mesopotamien bis zum Ausbruch der Französischen Revolu- tion. Nun scheint es, daß erstmals der Mensch das Klimageschehen beeinflußt. Global Warming und seine Folgen werden thematisiert. Dramatische Wackelbilder ver- deutlichen das Ausmaß der Gletscher- schmelze, während Stereobilder Wärme lie- bende Insekten als Gewinner der Erderwär- mung dreidimensional vorführen. Die moderne Darstellung der Klimaent- wicklung der letzten 700 Millionen Jahre zeigt, dass das Klima nie stabil war. Die Ex- treme reichen vom tropisch-heißen Erdmit- In der Urgeschichtlichen Schausammlung wird archäologisches Material von der telalter bis zur massiven Vergletscherung vor Altsteinzeit bis zum frühen Mittelalter präsentiert.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 59 »Wien forscht«

Jahre alt). Willendorf ist durch seine Venus Vorstellungen hatten sie? Die ausgestellten bensspuren aus einer anderen Zeit beinhal- (ca. 25.000 Jahre alt), die mittlerweile im steinzeitlichen Tierplastiken aus Süddeutsch- ten. Im Dunkel der Höhlen suchten sich die Original ausgestellt ist, zum bekanntesten land werden mit schamanischen Vorstellun- steinzeitlichen Künstler versinterte Flächen, Fundort der Altsteinzeit geworden. gen in Verbindung gebracht. Weiters ist die wie sie oft neben Tropfsteinen zu finden sind Rekonstruktion der Grabausstattung einer und schufen dort Kunstwerke, deren Natur- »Venus von Willendorf – Frau aus Bad Dürrnberg in Deutschland aus nähe uns heute verblüfft. Wisent, Nashörner, Rätsel Steinzeitkunst« der Mittelsteinzeit zu sehen, welches als Mammuts, Pferde, Höhlenlöwen, … sind so Bis 1. Februar 2009 können Sie die Venus Grab einer Schamanin gedeutet wird. Dem detailliert dargestellt, daß die zoologische von Willendorf als Teil der Sonderausstel- gegenübergestellt werden Gewandteile von Bestimmung keine Schwierigkeiten bereitet. lung „Venus von Willendorf – Rätsel Stein- Schamanen und schamanisches Zubehör aus Wie lebensecht und beeindruckend müssen zeitkunst“ bewundern. ethnologischen Sammlungen. diese Darstellungen im Schein flackernder Der erste Teil der Ausstellung widmet sich Steinzeitliche Bestattungsriten vervoll- Herdfeuer gewirkt haben! Sollten sie in kal- den Venusfiguren der Altsteinzeit und dem ständigen die Darstellung der Lebenswelt ten langen Wintern die Tierherden zurück- Fundort Willendorf. Schon vor dem Jahr der der Altsteinzeit. Die Säuglingsbestattungen bringen, um wieder erfolgreich jagen zu kön- Auffindung 1908 war die Gegend um Wil- vom Wachtberg bei Krems liefern ein be- nen und so das Überleben der Gemeinschaft lendorf, einer kleinen Ortschaft in der Wach- sonders bemerkenswertes Beispiel für den zu sichern? Stellen die Tier-Mensch-Wesen au, klassisches Grabungsgebiet der Wissen- Stellenwert, den Kinder in diesen frühen Ge- eiszeitliche Schamanen dar? Oder Tier- schaftler des Naturhi- geister? Ein großer storischen Museums. Saal dieser Ausstel- Alte Grabungsgeräte, lung ist den Felsbil- Transportkisten und dern der Eiszeit ge- Glasplattennegative widmet, der sich für dokumentieren die einige Monate in eine Zeit der Auffindung Tropfsteinhöhle ver- der Venus. wandelt. In dieser aus- Die 25.000 Jahre sergewöhnlichen, alte Venus von Willen- stimmungsvollen dorf ist nicht die älte- Umgebung ist es den ste gefundene Frauen- Besuchern möglich, figur. Eine fragile Sta- die bekanntesten Höh- tuette vom Galgen- lenbilder und Kunst- berg bei Stratzing ist werke wie Reliefs sogar 32.000 Jahre alt. kennen zu lernen. In Ihrer besonderen Arm- der halbdunklen Stille haltung wegen wird beginnt man zu ah- sie liebevoll „Fanny“ nen, was für eine Wir- genannt, nach der be- kung diese Bilder auf rühmten Wiener Tän- unsere Vorfahren ge- Die 25.000 Jahre alte »Venus von Willendorf« ist noch bis 1. Feber 2009 ausgestellt. zerin Fanny Elßler. habt haben müssen Am entgegen gesetzten Ende der Zeitskala sellschaften innehatten. Dem gegenüberge- und lüftet so vielleicht ein Stück weit ihr steht die sehr stilisierte Frauenfigur aus stellt wird die Bestattung von drei Erwach- Geheimnis. Nebra in Deutschland. Sie markiert die senen aus Dolni Vestonice in Südmähren. Einen Schwerpunkt im Schaubereich und Endphase der Frauendarstellungen der Diese Funde ermöglichen spannende Ein- in der Forschung bildet das Material der Altsteinzeit. sichten in das Sozialverhalten unserer Vor- Hallstattkultur (8. - 5. Jahrhundert v. Chr.), In dieser Ausstellung werden erstmals die fahren und ermöglichten die bedeutendsten z.B.: Stier und Prunkwagen aus der Byci- Originale der bedeutendsten Venusfiguren prähistorischen Forschungsergebnisse der skála-Höhle (Saal 13), Gräberfeld von Hall- gemeinsam in Wien präsentiert. Neben der letzten Jahrzehnte. statt und Funde aus dem Salzbergwerk (Saal österreichischen Venus von Willendorf, sind Der dritte Teil der Ausstellung zeigt Bil- 14). Figürliche Darstellungen der sogenann- auch die Venus von Dolni Vestonice in Süd- der von Höhlenmalereien aus dem westeuro- ten „Situlenkunst“ zeigen die Menschen die- mähren, die älteste vollständige Keramik- päischen Raum und bildet einen eindrucks- ser Zeit in ihrer Tracht bei Spiel und Gelage. figur, und die Venus von Moravany aus der vollen Abschluß des Dreigestirns – Tier- Die archäologische Hinterlassenschaft der Slowakei zu sehen. Diese drei Figuren wer- Mensch-Mythos –, das sich gedanklich als Kelten, Germanen, Awaren und Slawen den als die drei bedeutendsten Venusfiguren roter Faden durch die Ausstellung „Venus (Saal 15) leitet in die historische Zeit über. Mitteleuropas betrachtet. von Willendorf - Rätsel Steinzeitkunst“ Der zweite Teil der Ausstellung rückt die zieht. Kindersaal Vorstellungswelt der altsteinzeitlichen Men- Wie geheimnisvoll und überwältigend Im Kindersaal finden regelmäßig allge- schen in den Mittelpunkt. Welche Einstel- muten sie uns an, die Malereien der eiszeit- mein zugängliche Führungen und Projekte lung hatten die Jäger und Sammler zum lichen Jäger und Sammler? Altamira, Chavet, für die jungen und jüngsten Museumsbesu-

Foto: Naturhistorisches Museum Leben und zum Tod? Welche mythischen Lascaux … viele bekannte Namen, die Le- cher statt (Beginn jeden Samstag 14.00 Uhr,

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 60 »Wien forscht« jeden Sonn- und Feiertag 10.00 Uhr und 14.00 Uhr).

»Mikrokosmos« mit Live-Mikrotheater Saal 21 präsentiert inmitten einer von der Wissenschaftsromantik des 19. Jahrhunderts inspirierten Architektur die faszinierende Welt der Mikroskopie mit modernstem tech- nischem Equipment und entführt die Besu- cher in die verborgene Welt des Kleinsten: Faszinierende Mikroorganismen aus einem Wassertropfen oder aus dem Meer werden über Forschungsmikroskope in mehrtau- sendfacher Vergrößerung auf eine Leinwand projiziert und können „live“ und seit neue- stem sogar dreidimensional beobachtet wer- den – eine weltweit einzigartige Möglich- keit! Vorführungen jeden Samstag und Sonn- tag um 13.30 Uhr, 15.00 Uhr und 16.15 Uhr. Dazwischen besteht für die Museumsbesu- cher permanent Gelegenheit, selbst zu mi- kroskopieren und sich – unterstützt durch mo- dernste optische Geräte – auf Entdeckungs- reise durch den Mikrokosmos zu begeben.

Faszinierende Mikroorganismen aus einem Wassertropfen werden über Forschungs- Wirbellose Tiere mikroskope in mehrtausendfacher Vergrößerung auf eine Leinwand projiziert Gezeigt werden wirbellose Tiere mit Ausnahme der Insekten, von überdimensio- zu Gesicht bekommt, in ihrer ungewöhn- ein Herkuleskäfer krabbelt die Wand hoch, nalen Modellen winziger Protozoen (Einzel- lichen Umgebung: Eine Höhle mit den eine überdimensionale Stubenfliege nascht ler) bis zu den Crustaceen (Krebstieren). Zu „Herren der Finsternis“ tut sich vor dem an Kuchenbröseln, hunderte Monarchfalter sehen ist unter anderem eine ungeheure Besucher auf, in einer Wüstenlandschaft rasten sich von ihrer kilometerlangen Reise Vielfalt an Muscheln und Schnecken, müht sich ein Schwarzkäfer, zu Wasser zu aus, Heuschrecken fressen eine ganze Korallen, Würmer und Spinnentiere, das kommen, und in einer Mimikri-Vitrine war- Vitrine kahl und Ameisen bahnen sich ihren Perlboot Nautilus und die Riesenmuschel ten die Spezialisten des Tarnens und Täu- Weg über Schaukästen und Wände. Tridacna. Besonderheiten: künstlerisch her- schens darauf, von scharfsichtigen Besu- vorragende Nachbildungen von Quallen aus chern entdeckt zu werden. Zoologische Schausammlung Glas, alte Wachsdarstellungen menschlicher Mehrere Großdioramen zählen zweifellos Der größte Teil des oberen Stockwerkes Wurmparasiten und zwei kunstvoll gearbei- zu den Highlights im Saal. In der viel be- ist den Wirbeltieren gewidmet. 600 Säugetie- tete Muscheldosen. wunderten Amazonasflußlandschaft sitzen re, 3200 Vögel, 700 Fische und 500 Kriech- Agriasfalter auf echtem Jaguarkot und neh- tiere sind in der Schausammlung zu sehen. Insekten men Nährsalze auf, während ein Trupp Manche davon sind bereits Jahrzehnte alt Die vielfältigste aller Tiergruppen ist im Blattschneiderameisen Blattfragmente und und mittlerweile zu unbezahlbaren Raritäten NHM in einem neu gestalteten Schausaal zu Blütenteile ins Nest schleppt und sich unzäh- geworden: die Reste von Tieren, die heute bewundern. Jahrelang hat sich ein Team von lige Weißlinge und Segelfalter auf dem sehr selten und extrem gefährdet oder sogar Wissenschaftlern, Präparatoren und Modell- feuchten Sand am Flussufer niederlassen, ausgestorben sind. Dazu zählen die Dronte bauern bemüht, moderne Präsentations- um sich zu stärken. Ein paar Meter weiter (seit 1680 ausgestorben) und der Riesenalk technik mit historischem Ambiente zu ver- befindet man sich mitten in einer heimischen (1844 ausgerottet) unter den Vögeln, genau- binden. Zwar blieben die Originalvitrinen Aulandschaft in Gesellschaft einer Sumpf- so wie der Beutelwolf, das Javanashorn und der alten Schausammlung erhalten, modern- schildkröte, die sich gerade genüßlich sonnt, der Große Panda unter den Säugetieren. ste Lichtleitertechnik ermöglicht jedoch erst- neben Wasserläufern, die über die Wasser- Weitere Besonderheiten: der Komoren- mals die Beleuchtung jeder einzelnen Lade, oberfläche zum Ufer laufen, zwischen Libel- Quastenflosser (Latimeria chalumnae), ein ohne die Objekte auszubleichen. Die Besu- len, die auf Beute lauern und Laubfröschen, „lebendes Fossil“ (Fischsammlung), der cher können sich hier über die Systematik die sich im Schilf verstecken. Bandfisch, der mit 5,5 m eine Rekordlänge heute lebender Insekten informieren und Unübersehbar beherrschen Insekten, teil- aufweist, und der Komodowaran, mit 3 m gleichzeitig den Weg der Evolution von den weise in Form riesiger Modelle, alle freien Länge und 135 kg Gewicht die größte leben- Urinsekten bis zu den Schmetterlingen ver- Flächen und den Luftraum: Über den Köp- de Echse (Kriechtiersammlung). „ folgen. fen der Besucher schweben gigantische Bitte vergewissern Sie sich der Öffnungs- und Daneben zeigen Kleindioramen einige Hirschkäfer, ein Mondhornkäfer hat einen Führungszeiten vor Ihrem Besuch! Insekten, die man in der Natur so gut wie nie enormen Kuhfladen in Beschlag genommen, http://www.nhm-wien.ac.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 61 »Wien forscht« Apeiron Biologics Hauptprojekt des Wiener Biotechnologieunternehmens ist die Entwicklung eines breit einsetzbaren Biotherapeutikums.

ie Apeiron Biologics GmbH ist ein DWiener Biotechnologieunternehmen, das von Prof. Josef Penninger, Direktor des Institutes für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissen- schaften (IMBA) gegründet wurde. Die der- zeitigen Projekte von Apeiron basieren auf Forschungsaktivitäten, die Prof. Penninger zumeist noch vor seiner Rückkehr nach Österreich in Kanada durchgeführt hatte. Das Unternehmen, das vor ca. drei Jahren seine Arbeiten zur Entwicklung dieser Pro- jekte begonnen hat, konnte bisher einige Business Angel Finanzierungen mit nationa- len und internationalen Investoren durchfüh- ren und ist zusätzlich durch mehrere För- derprogramme der Stadt Wien, des Bundes und der EU finanziert. Apeiron wird von Hans Loibner geleitet. Er ist seit ca. 30 Jahren im Pharma/Biotech Apeiron-Geschäftsführer Hans Loibner (li.) im Gespräch mit Manfred Schuster, zu- F&E-Management tätig, mit langjähriger ständig für Forschung und Entwicklung Alle Fotos: Apeiron Erfahrung sowohl bei großen Pharmaunter- nehmen (Sandoz/Novartis) als auch als und damit Erträge durch Meilensteinzah- Nephropathie involviert. Ein dereguliertes Gründer einer Biotechnologiefirma (Ige- lungen und spätere umsatzabhängige Zah- RAS spielt auch eine wichtige Rolle bei dem neon). Manfred Schuster (Forschung und lungen („royalties“) zu erwirtschaften. Frei- lebensbedrohenden akuten Lungenversagen, Entwicklung) bringt einschlägige Erfahrun- werdende Kapazitäten können für die Auf- bei Fibrosen, sowie auch bei verschiedenen gen aufgrund seiner früheren Verantwor- nahme neuer Projekte eingesetzt werden. Krebserkrankungen. tungen in F&E bei Novartis und Igeneon . Das Hauptprojekt ist die Entwicklung Apeiron entwickelt eine rekombinante mit. Lukas Kadawy ist für die Finanzen zu- eines breit einsetzbaren Biotherapeutikums: Form dieses humanen Enzyms (rhACE2, ständig und war zuvor bei IBM Österreich Projektname APN01) zur Therapie von im Bereich ibm.com tätig. Humanes rekombinantes »Angiotensin Krankheiten, in denen ein aktiviertes RAS Die Mitarbeiter von Apeiron haben durch Converting Enzyme 2« (rhACE2) eine Rolle spielt. Apeiron konnte in mehre- ihre früheren Tätigkeiten in der Pharma- Natürlich vorkommendes ACE2 ist ein ren Zusammenarbeiten in verschiedenen industrie oder bei Biotechnologie-Firmen wichtiger Bestandteil des Renin Angiotensin Erkrankungsmodellen zeigen, daß eine Be- ebenfalls Branchen-Erfahrung. Das Apeiron- Systems (RAS), das für die Funktion aller handlung mit APN01 ein pathologisch akti- Team besteht derzeit insgesamt aus 12 Per- Organe von Bedeutung ist, und das für seine viertes RAS normalisiert und dabei relevan- sonen zur interaktiven und flexiblen Bear- Rolle in der Blutdruckregulierung bekannt te therapeutische Wirkungen zeigt. Signi- beitung der Projekte. Ein weiterer, den Er- ist. ACE2 ist die wichtigste Komponente zur fikante Effekte einer Therapie mit APN01 fordernissen angepaßter Personalaufbau ist Gegenregulierung, also zur Normalisierung wurden in Modellen von Herzinsuffizienz, vorgesehen. eines aktivierten RAS. In dieser Rolle hat Myocard-Infarkt, diabetischer Nephropa- Die generelle Strategie von Apeiron ist ACE2 eine wichtige Funktion für den Schutz thie, Leberfibrose, pulmonärem arteriellem es, durch Entwicklung von Wirkstoffen bis zur von Organen. Hochdruck sowie bei dem lebensbedrohen- Konzeptverifizierung in Patienten („proof of Ein pathologisch aktiviertes RAS mit den akuten schweren Lungenversagen erar- concept“, Phase I / II klinische Studien) Wert nicht ausreichender Aktivität von ACE2 ist beitet. zu generieren. Die mögliche Wertschöpfung in vielen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Um APN01 klinisch testen zu können, bei Erfolg ist entsprechend groß, wobei die Herzinsuffizienz und anderen kardiovasku- wurde zusammen mit Polymun-Scientific Entwicklungskosten dieser Phasen noch lären Erkrankungen, sowie in diabetischer (Wien) ein industrieller Produktionsprozeß überschaubar sind, besonders im Vergleich entwickelt. Weiters wurde APN01 in mehre- mit jenen in den letzten Stadien der Ent- ren Toxikologiestudien auf mögliche Neben- wicklung. Nach erfolgtem „proof of con- wirkungen untersucht und gezeigt, daß cept“ in Patienten sieht Apeiron vor, Projekte selbst bei hoher Überdosierung keine negati- an pharmazeutische Firmen zu lizenzieren ven Effekte auftreten.

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Apeiron wird daher Anfang 2009 mit kli- nischen Untersuchungen mit APN01 begin- nen, die dazu notwendigen Vorbereitungsar- beiten sind abgeschlossen. Aufgrund der sich andeutenden breiten Einsatzmöglichkeiten von rhACE2 bei verschiedenen schweren Erkrankungen hat dieses Projekt ein sehr großes medizinisches und kommerzielles Potential.

Cbl-b als Target für die Aktivierung des Immunsystems gegen Krebs Das zweite Projekt von Apeiron beruht auf einem innovativen Ansatz zur Aktivie- rung des Immunsystems: Die Aktivierung von T-Lymphozyten ist einer der Haupt- schritte für den Aufbau einer Immunantwort. Dieser Prozeß ist normalerweise gut kontrol- liert, da es wichtig ist, dass T-Zellen nicht auch durch körpereigene Strukturen aktiviert werden, was zu Autoimmunerkrankungen führen würde. Cbl-b (Casitas B cell lympho- Bettina Wagner, Staff Scientist, bei ihrer Forschungsarbeit am Mikroskop ma-b) ist ein Enzym von Immunzellen, das eine wesentliche Rolle für diese Steuerung Immunsystem transient agressiver zu ma- des Immunsystems spielt. Durch For- chen. Es konnte bereits gezeigt werden, dass Einige wirtschaftliche schungsarbeiten von Prof. Penninger und menschliche T-Lymphozyten nach Abschal- Kooperationen anderen konnte gezeigt werden, daß das ten der Expression von Cbl-b (durch ex-vivo Polymun GmbH Fehlen von Cbl-b zu einer substantiellen silencing mit siRNA) deutlich leichter akti- * GMP production APN01 Verstärkung der Agressivität des Immun- viert werden. Als nächster Schritt wird jetzt Covance systems führt, daß dadurch aber Tumoren untersucht, ob solche Lymphozyten Tumo- * Pharmacology and toxicology (als körpereigene Strukturen) wesentlich ren in entsprechenden Modellen bekämpfen studies, APN01 besser bekämpft werden können. So können können. LPT Mäuse, denen das Gen für Cbl-b fehlt, ver- Das wichtigste Ziel in Zusammenarbeit * Pharmacology and toxicology schiedene Tumore spontan ohne sonstige mit „Oncotyrol“ ist es, die Inhibierung von studies, APN01 Therapie abstoßen. Cbl-b in Lymphozyten zwecks Erhöhung der Pharma Brains AG Apeiron arbeitet in Zusammenarbeit mit Reaktivität des Immunsystems zur Bekämp- * Consultancy agreement, CRO for dem K1-Exzellenzzentrum „Oncotyrol“ an fung maligner Zellen an Krebspatienten zu Phase I with APN01 einem Programm zur Inhibierung von Cbl-b untersuchen. „ Dr. Ulrich Granzer in humanen Lymphozyten, um dadurch das http://www.apeiron-biologics.com/ * Consultancy agreement for regulatory topics with APN01

Einige wissenschaftliche Kooperationen Innsbruck Medical University * Acute Lung failure studies, APN01 * Immunomodulation, Cbl-b University of Toronto * Model studies in cardiovascular and kidney diseases, APN01 Northwestern University, Chicago * Model studies in kidney diseases and blood pressure, APN01 University of California, San Diego * Model studies in liver fibrosis, APN01 University Medical Centre Göttingen * Model studies in cardiovascular diseases, APN01 Analyse von Proben auf ACE2-Aktivität

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 63 »Wien forscht« Intercell in Wien ist »Technology Pioneer 2009« Erste Auszeichnung vom World Economic Forum für österr. Unternehmen

er Impfstoffentwickler Intercell AG D(VSE: ICLL) gab am 4. Dezember be- kannt, daß das World Economic Forum (WEF) Intercell zum „Technology Pioneer 2009“ ernannt hat. Das WEF nominierte 34 internationale Unternehmen, die besonders weit reichende und innovative Technologien entwickeln und anwenden. Um als „Tech- nology Pioneer“ ausgewählt zu werden, muß ein Unternehmen an der Entwicklung einer bahnbrechenden Technologieinnovation be- teiligt sein, die das Potential hat, Wirtschaft und Gesellschaft langfristig und nachhaltig positiv zu beeinflussen. Weitere Kriterien sind eine visionäre Führung, die Vorausset- zungen für eine dauerhafte Marktführer- schaft – und schließlich der Nachweis, daß Foto: Intercell sich die Technologie sowohl technisch als Merck & Co., Inc., Wyeth, Sanofi Pasteur, stoff gegen S. aureus (Phase II) sowie vier auch kommerziell bewährt hat. Kyowa Hakko Kirin und dem Statens Serum weitere Produktkandidaten mit Schwerpunkt „Wir fühlen uns sehr geehrt, daß wir den Institut eingesetzt. auf Infektionskrankheiten im präklinischen Titel ,Technology Pioneer 2009‘ erhalten ha- Das führende Produkt von Intercell – ein Entwicklungsstadium. Intercell notiert an der ben“ sagte Gerd Zettlmeissl, CEO der Inter- prophylaktischer Impfstoff gegen die Ja- Wiener Börse unter dem Symbol „ICLL“. cell AG. „Intercell zeichnet sich tatsächlich panische Enzephalitis – befindet sich derzeit durch starken und gelebten Pioniergeist aus – Wien gratuliert wir fokussieren unsere Stärken ganz klar auf „Dazu gratuliere ich Intercell ganz herz- die menschliche Immunologie und entwic- lich. Das ist eine tolle Auszeichnung für die keln neuartige Impfstoffe zum Wohle und jahrelange Entwicklungssarbeit und gleich- Nutzen der Weltbevölkerung.“ zeitig ein Beweis für die Standortqualität des Die Intercell AG ist die erste Firma in Ös- Forschungsstandortes Wien“, sagt Wiens terreich, der – seit Einführung des Pro- Vizebürgermeisterin, Finanz- und Wirt- gramms vor 10 Jahren – der Titel Techno- schaftsstadträtin Renate Brauner und zeigt logy Pioneer vom WEF verliehen wird. sich stolz besonders darüber, daß Intercell ein Musterbeispiel für die erfolgreiche Förder- Die Intercell AG politik der Stadt Wien speziell im Biotech- Die Intercell AG ist ein expandierendes nologiebereich ist. „Diese internationale Aus- Biotech-Unternehmen, das sich auf die Ent- Gerd Zettlmeissl zeichnung zeigt einmal mehr, daß unsere wicklung von modernen prophylaktischen CEO der Intercell AG Strategie, in die Life Sciences zu investieren, Foto: Intercell / Andi Bruckner und therapeutischen Impfstoffen gegen In- absolut richtig ist.“ fektionskrankheiten spezialisiert hat, an de- in Zulassungsprozessen in den USA, Europa, Intercell hat seinen Firmensitz am auch nen hoher medizinischer Bedarf besteht. Australien und Kanada. Die Marktzulassung von der Stadt Wien stetig ausgebauten Cam- Intercell entwickelt Antigene und Adju- für die USA, Europa und Australien wird pus Vienna Biocenter in St. Marx. Insgesamt vantien, die auf eigenen Plattformtechno- noch für 2008 erwartet. arbeiten mittlerweile über 1000 nationale und logien entwickelt werden. Die unterneh- Das breite Produktportfolio der Intercell internationale ForscherInnen sowie 700 Stu- mensinternen Anlagen entsprechen den AG enthält einen Impfstoff gegen Reise- dierende an diesem größten Life- Science- höchsten internationalen regulatorischen diarrhöe (verabreicht über Impfpflaster, Standort des Landes. Der Wiener Impfstoffe- Standards (GMP-Standard) im Bereich der Phase II – Beginn der Phase III für 2009 er- ntwickler konnte in den vergangenen Jahren biotechnologischen Produktion. Diese Tech- wartet), einen Pseudomonas-Impfstoff (Pha- über das ZIT Zentrum für Innovation und nologieplattformen werden aber auch in stra- se II) sowie ein immunstimulierendes Impf- Technologie, die Technologieagentur der tegischen Partnerschaften mit bedeutenden pflaster gegen pandemische Influenza und Stadt Wien, mehrfach gefördert werden. „ globalen Pharmaunternehmen wie Novartis, einen in Partnerschaft entwickelten Impf- http://www.intercell.com

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 64 »Wien forscht« Steuert der Vollmond biologische Rhythmen? Das Mondlicht ist ein natürlicher Zeitgeber für viele im Meer lebende Organismen. Aber wie dieses Zusammenspiel genau funktioniert, ist weitgehend unerforscht.

n einigen Kellern am Campus Vienna IBiocenter scheint seit einigen Wochen der Mond – beziehungsweise eine Gartenlampe vom Baumarkt, die den Mond simuliert. Die Würmer, die sich in Boxen rundherum krin- geln, stört der Unterschied nicht. Sie erholen sich vom Umzug aus Heidelberg. Von dort sind sie mit Kristin Tessmar und Florian Raible an die Max F. Perutz Laboratories gezogen. Kristin Tessmar erforscht am De- partment für Mikrobiologie und Immun- biologie das Paarungsverhalten der im Wasser lebenden Ringelwürmer Platynereis dumerili. Das Besondere an den kleinen Tierchen: Sie nutzen das Mondlicht, um ihre biologischen Rhythmen zu steuern.

Neue Forschungsgruppe Die Arbeitsgruppe behandelt zwei große Forschungsthemen. Einerseits untersucht das junge Team, wie wirbellose Meerestiere ihr Paarungsverhalten mit Hilfe des Mond- lichts synchronisieren. Andererseits er- forscht die Gruppe sensorische Gehirnzellen Foto: http://www.bilderbox.biz von Wirbeltieren, die Hormone ausschütten Komponente könnte also sein, daß es durch- unterschiedlicher Dauer bestrahlt werden, und auch lichtrezeptive Moleküle enthalten. gehend Licht gibt – und weniger, daß das um zu erforschen, ob sich dadurch etwas Hier dient der Zebrafisch als Modellorga- Licht vom Mond kommt. ändert. Würde man herausfinden, daß nur nismus. „Die Lichtsinneszellen, die in bei- bestimmte Lichtqualitäten Zellreaktionen den Projekten – einmal im Wurm und einmal Marine Mondsüchtige auslösen, könnte man diese Erkenntnisse im im Fisch – im Mittelpunkt stehen, sind evo- In der Meereswelt gibt es viele Tiere, die Umweltschutz anwenden, indem in der Nähe lutionär miteinander verwandt, das heißt sie ihr Paarungsverhalten nach dem Mond aus- von Küsten nur Beleuchtung ohne Einfluß sind schon vor mehr als 500 Millionen Jah- richten. Vor allem wenn die Befruchtung auf die Meeresfauna montiert wird. ren entstanden und gehören damit zum älte- außerhalb der Tiere stattfindet, ist es wichtig, sten Repertoire des Gehirns“, erklärt Kristin daß Spermien und Eizellen zur gleichen Zeit Lichtabhängiger Tessmar. im Wasser schwimmen, sonst kann die Fort- 24-Stunden-Rhythmus? pflanzung nicht funktionieren. Tessmars In die Räume neben den Würmern ziehen Bei Vollmond: Licht nonstop Modelltier, der Meeresringelwurm, hat einen demnächst die Zebrafische ein. Auch sie Dem Vollmond hat man schon viele klaren lunaren Rhythmus. besitzen – wie alle anderen Wirbeltiere – magische Auswirkungen zugeschrieben, lichtempfindliche Gehirnzellen wie die Wür- sicher ist: Er steuert die Geschlechtsreife der Neues Labor mer. Die Funktion dieser Zellen ist aber noch Meeresringelwürmer. Ist es die Intensität des Im Labor gibt es zwei Kulturräume, in nicht erforscht. Für die Zebrafische ist zwar Mondlichts, die das Leben auf der Erde denen die ForscherInnen die Lichtzyklen des bisher kein Mondrhythmus beschrieben, beeinflußt? Eher nicht, zeigen mehrere Mondes nachahmen. Die eingangs erwähnte aber wie fast alle Tiere besitzen sie einen Studien. Auch die Wellenlänge des Lichtes Gartenlampe ist nur provisorisch, in Kürze inneren 24-Stunden-Rhythmus. Bei der ist nicht besonders andersartig, denn Mond- wird ein computergesteuertes Licht den Steuerung dieses Rhythmus könnten die licht ist nur von der Sonne reflektiertes Licht. Mond ersetzen. Einige Ringelwürmer befin- Lichtsinneszellen eine Rolle spielen. Dafür Kristin Tessmar sieht den großen Unter- den sich in transparenten Boxen in Regalen, müssen aber erst die lichtrezeptiven Mole- schied darin, daß es während des Vollmon- andere sind in blickdichten Kästen einge- küle genauer untersucht und die Zellen visu- des keine Pause zwischen Sonnenuntergang schlossen, wo sie von speziellen Leuchten alisiert werden. „ und Mondaufgang gibt. Eine wesentliche mit verschiedenen Lichtwellenlängen mit http://www.tuwien.ac.at/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 65 »Wien forscht« »Patients in Focus 2009« Brauner: 2 Millionen Euro für Forschungsprojekte zum Thema Gesundheit

as Modell der Wiener Gesundheitsver- interdisziplinärem und technologieübergrei- Kosten förderbar, die im Zusammenhang mit Dsorgung zählt weltweit zu den besten. fendem Charakter sowie Projekte, die zur dem Schutz der eigenen F&E-Ergebnisse Diesen hohen Standard gilt es angesichts de- Optimierung von Schnittstellen – z.B. zwi- entstehen. mographischer Veränderungen (höhere Le- schen Biotech und IT – beitragen, sind be- benserwartung) und der steigenden Zahl sonders gefragt. Entscheidendes Kriterium Hohe Förderquoten für Unternehmen chronisch kranker Personen in Zukunft auf- ist jedenfalls, daß die Forschungsergebnisse Die Förderquote beträgt 25 Prozent für recht zu erhalten. Die Stadt Wien fördert nun deutliche Verbesserungen und qualitätvolle Großunternehmen, 35 Prozent für mittlere im Rahmen des ZIT-Förderwettbewerbs Produkte, Therapien und Diagnoseverfahren und 45 Prozent für kleine Unternehmen – „Patients in Focus 2009“ Forschungs- und für PatientInnen zur Folge haben. einzelne Projektteile können höher, aber Entwicklungsprojekte (F&E) von Wiener „Forschung leistet einen wichtigen Bei- maximal mit 80 Prozent gefördert werden. Unternehmen, um Vorsorge, Diagnose, The- trag zu unserer Lebensqualität. Das Thema Projekte, deren wissenschaftliche Leitung rapie und Spitalsaufenthalte für PatientInnen Gesundheit hat nicht nur hohe gesellschaftli- nachweislich bei einer Frau liegt, erhalten weiter zu verbessern. Damit soll auch in che, sondern auch wirtschaftspolitische im Fall einer Förderung zusätzlich einen Zukunft eine bestmögliche Gesundheitsver- Bedeutung. Deshalb setzen wir mit dieser Bonus von 10.000 Euro, sofern die maxima- sorgung für die WienerInnen gewährleistet Förderausschreibung gezielt diesen Schwer- le Förderhöhe nicht überschritten wird. Zu- sein. Durchgeführt wird der Förderwett- punkt“, erklärt ZIT-Callmanagerin Manuela sätzlich zu den Fördergeldern gibt es für die bewerb (Call) vom Zentrum für Innovation Schein. drei besten Projekte Preisgelder. 15.000 Euro und Technologie, der Technologieagentur Gefördert werden F&E-bezogene interne für das beste Projekt, 10.000 Euro für das der Stadt Wien. „Die Stadt Wien stellt für und externe Personalkosten. Für kleine und zweitbeste und 5000 Euro für das drittbeste diese Förderausschreibung des ZIT 2 Millio- mittlere Unternehmen sind zusätzlich auch Projekt. „ nen Euro bereit. Wiener Unternehmen schaf- fen durch ihre Forschungsprojekte einen Technologievorsprung und die PatientInnen Deep Search: Politik des Suchens und Findens profitieren von noch höheren Standards im Gesundheitswesen“, sagt Finanz- und Wirt- ie Bewertung von Technologien wurde autor und Publizist Gerald Reischl setzte schaftsstadträtin Vizebürgermeisterin Renate Dbisher instrumentalisiert, um Politik zu nach: „Google besitzt heute dutzende Patente, Brauner zum Start des Förderwettbewerbs. Gunsten von Unternehmensentscheidungen die der Überwachungsindustrie entstammen Die F&E-Anstrengungen steigern außerdem zu verschleiern. Es ist höchste Zeit, zu einem könnten. Die angebliche freie Nutzung zah- die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen Verständnis von Technologien als politische len wir vor allem mit unserer Privatsphäre!“ nachhaltig, so Brauner weiter. Skripten zurück zu finden!“ Ein eindring- Strategische Überlegungen sind somit Das ZIT, ein Unternehmen des Wiener licher Appell von Claire Lobet-Maris, Pro- unausweichlich. „Es bedarf mehr demokrati- Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF), star- fessorin für Computer-Wissenschaften an scher Einbeziehung, um die Regulationsme- tete den Förderwettbewerb „Patients in der Universität Namur, eröffnete den diskur- chanismen und Filterungsregime einzudäm- Focus 2009“ am 3. November. Bis 19. Fe- siven Rahmen der Konferenz „Deep Search“, men“, forderte Joris van Hoboken, Mitar- bruar 2009 (24 Uhr) können Unternehmen die vom World-Information Institute am beiter am „Institute for Information Law“ an ihre innovativen F&E-Projekte online unter 8. November in Wien veranstaltet wurde. der Universität Amsterdam. Sein Kollege http://www.zit.co.at/cockpit einreichen. Vor großem Publikum standen zentrale Richard Rogers rief konkret dazu auf, „den Fragen der Funktion und Bedeutung von Code eigenmächtig zu formen und zu verän- Breites Betätigungsfeld für F&E im Suchmaschinen in der Informationsgesell- dern“, als eine neue Praxis des „Kreativen Gesundheitsbereich schaft zur Debatte. Keynote-Speaker Paul Hackings“. Schließlich, so seine These, Im Rahmen des Förderwettbewerbs wer- Duguid, Professor an der Universität von „sind wir bereits in einer Gesellschaft ange- den F&E-Projekte aus folgenden Bereichen Berkeley, skizzierte gleich zu Beginn einen langt, deren soziale Wirklichkeit anhand gefördert: historischen Bogen, der die bereits Jahrtau- digitaler Verhaltensmuster beurteilt wird“.  Biotechnologie, sende alte Beschäftigung mit Techniken des Neue Perspektiven und Herangehenswei-  Pharmazeutische Entwicklung und Suchens und Findens aufzeigte. sen müssen auch bei der Entwicklung von Produktion, Das besondere Augenmerk galt in Folge Alternativen zur Monokultur der Suchma-  Krankenhausinfrastruktur (inkl. technische vor allem den Risiken der Gegenwart, deren schinen den Ausschlag geben. Konferenz- Infrastruktur wie z.B. IT-Lösungen), sich insbesondere Nutzerinnen und Nutzer Editor Konrad Becker: „Vervielfältigung und  Medizintechnik und von Google kaum bewußt sind. Der Medien- Diversifizierung sind Voraussetzung für dif-  F&E zum Wohle der PatientInnen und Kommunikationsexperte Theo Röhle ferente Betrachtungsweisen, um Pseudo- Entscheidendes Kriterium ist, daß die Um warnte, daß die allseits bekannte Suchma- Communities mit tatsächlicher Multipolari- setzung der F&E-Projekte zu Verbesserun- schine „maßgeblich zur Herausbildung einer tät zu ersetzen!“ „ gen für PatientInnen führt. Projekte mit Disziplinargesellschaft“ beitrage. Der Buch- http://world-information.org/deepsearch

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 66 »Wien forscht« Die hohe Schule des Verkostens Unter dem Motto »Ausbildung zum Wiener Geschmack« bietet die Universität für Bodenkultur Wien spezielle Seminare im Bereich der Lebensmittelsensorik an.

etestet und entwickelt wurde dieses Gneue Weiterbildungsangebot der BOKU im Rahmen eines geförderten Projekts ge- meinsam mit dem Wiener Traditionsbetrieb „Manner“. Über einen Zeitraum von fünf Wochen wurden 40 Mitarbeiter aus allen Unternehmensbereichen zu geschulten Ver- kostern ausgebildet, die nun – zusätzlich zum Team der Qualitätssicherung – für eine sta- bile Produktqualität beim Süßwarenherstel- ler sorgen. Aufgrund des Erfolges wird das Seminar für weitere Lebensmittelproduzen- ten aus dem Raum Wien angeboten. Die genauen Inhalte der Schulung wer- den an die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Unternehmens angepasst und umfassen neben praktischen Übungen auch theoretische Grundlagen. „Die Klärung der Grundbegriffe ist wichtig, um mit Klischees rund um das Thema Sensorik aufzuräumen“, fasst der BOKU-Experte Klaus Dürrschmid zusammen. „Den wenigsten ist bewußt, daß »Blindverkostung« von Mannerschnitten: Die Verantwortlichen der Firma Manner sich Sensorik nicht nur auf das Riechen und zeigten sich mit dem vom ZIT geförderten Projekt äußerst zufrieden. Schmecken bezieht, sondern eine Vielzahl an anderen Sinnen umfaßt, wie z. B. die aku- und sensorisches Erleben besser überein- Die Verantwortlichen der Firma Manner stische, mechanische oder visuelle Wahrneh- stimmen. Die Anwendungsmöglichkeiten zeigen sich mit dem Projekt, das vom Zen- mung.“ Und gerade die sind für die Beur- reichen von einer klareren Gestaltung der trum für Innovation und Technologie (ZIT) teilung von Lebensmitteln enorm wichtig: Information auf der Verpackung bis hin zur gefördert wurde, äußerst zufrieden. „Wäh- Der Konsument erwartet z. B. von einem besseren Anordnung der Elemente einer rend ich bislang für sensorische Analysen im Himbeerjoghurt, daß es eine gewisse Kon- Speise. Rahmen der Qualitätssicherung oder der sistenz hat – und rosa gefärbt ist. Produktentwicklung auf maximal 15 Tester Beim praktischen Teil erlernen die Teil- zurückgreifen konnte, steht mir nun ein Pool nehmerInnen das „Handwerk“ der Sensorik. an 40 gut geschulten Verkostern zur Ver- Dazu zählen Techniken professionellen fügung“, faßt Claudia Elian, Leiterin des Riechens und Schmeckens, Grundregeln für Qualitätsmanagements, den Nutzen für das die Praxis in Sensoriklaboratorien, ebenso Unternehmen zusammen. Die Wertigkeit der wie Prüfmethoden zur Bestimmung der Un- Sensorik habe sich intern verstärkt, und die terschiede bzw. der Ausprägung sensorischer Mitarbeiter nutzten vermehrt die Möglich- Merkmale. Behandelt werden aber auch auf- keit, zur Qualitätssicherung und Weiterent- wändige Methoden wie Dauerakzeptanz wicklung „ihrer“ Produkte beizutragen. Und oder Langeweiletests bei Konsumenten, die nicht zuletzt verfügt Manner nunmehr über eingesetzt werden um festzustellen, ob Pro- professionelle Sensorikkabinen, die optima- dukte ihre anfängliche Beliebtheit auch über le Bedingungen für die laufenden Verkostun- längere Zeit beibehalten. Auf Wunsch kann gen bieten. Als wesentlichen Erfolgsfaktor in das Seminar eine österreichweit einzigar- für das Projekt nennt Elian die enge Zusam- tige Eye-Tracking-Anlage für den Lebens- menarbeit zwischen den beiden Partnern. mittelbereich integriert werden. Diese An- Während die BOKU Wien das Know-how lage erlaubt es, das Blickverhalten von Kon- und die Seminarorganisation einbrachte, sumenten aufzuzeichnen und auszuwerten. definierte Manner die konkreten Anforde-

Damit können die für den Kunden wirklich Foto: BOKU / Department of Food Science and Technology rungen an das Seminar und lieferte einen wichtigen visuellen Elemente erkannt und so Ass.Prof. Klaus Dürrschmid im Sensorik- Teil der Schulungsmaterialien. „ optimiert werden, daß Erwartungshaltung labor an der Universität für Bodenkultur http://www.boku.ac.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 67 Wissenschaft & Technik Substantielle Stärkung des Physikstandortes Österreich In seiner Sitzung am 24. November hat der Wissenschaftsfonds (FWF) erneut einen Spezialforschungsbereich für die Quantenphysik genehmigt.

rst zum zweiten Mal ist es dabei einem „klassischen“ Welt liegt, und wie sich dieser sehr stolz darauf, daß es uns gelungen ist, EForschungsnetzwerk gelungen, auf- Übergang im Detail darstellt. gemeinsam mit unseren Kollegen in Wien, grund des großen wissenschaftlichen Erfol- Zunehmend komplexe Systeme bieten ein so erfolgreiches und tragfähiges Exzel- ges direkt ein entsprechendes Anschlußpro- eine große Vielfalt von neuen Phänomenen lenznetzwerk zwischen Innsbruck und Wien jekt zu erhalten. Die enge Zusammenarbeit und Eigenschaften, die für die Lösung tech- aufzubauen“, so Blatt. Neben der Universität zwischen Bereichen der Physik in Wien und nischer Fragen und Probleme eingesetzt Wien, der TU Wien und der Universität Innsbruck stellt damit einmal mehr die hohe werden können. Zum Beispiel erlaubt die Innsbruck wird der neue SFB auch vom wissenschaftliche Qualität und die Exzellenz Möglichkeit der Kontrolle und Manipulation Institut für Quantenoptik und Quanteninfor- ihrer gemeinsamen Forschung unter Beweis. größerer Register von Quantenobjekten den mation (IQOQI) der Österreichischen Aka- Österreich ist ein internationaler wissen- Bau von Quantencomputern, oder allgemei- demie der Wissenschaften getragen. Das schaftlicher Hotspot im Bereich der Quan- ner, von Quantenapparaten für die verbesser- IQOQI ist ebenfalls ein erfolgreiches Pro- tenphysik. Dies zeigt sich neben vielen erst- te Metrologie und Sensortechnologie. Wäh- dukt der engen und erfolgreichen Zusam- klassigen Publikationen in den wesentlichen menarbeit zwischen Wien und Innsbruck Forschungsmagazinen und den vielen natio- und wird gemeinsam von den Professoren nalen und internationalen Auszeichnungen Peter Zoller, Rudolf Grimm, Hans Briegel der daran beteiligten Wissenschaftler nicht und Rainer Blatt (alle Innsbruck), sowie zuletzt auch darin, daß es immer wieder Anton Zeilinger (Wien) geführt. gelingt, hoch dotierte Forschungsprojekte zu formulieren und auch einzuwerben. Auf- Investition in die Zukunft grund der breiten und erfolgreichen Zusam- Bemerkenswert ist in diesem Zusammen- menarbeit zwischen Forschungsgruppen in hang, daß der SFB F40 „FoQuS“ fast nahtlos Wien und Innsbruck im Bereich der Quan- an den SFB F15 „Kontrolle und Messung tenphysik ist es nun gelungen, den mit knapp von Quantensystemen“ anschließt, in dessen

sieben Millionen Euro ausgestatten SFB F40 Foto: Universität Innsbruck Rahmen ebenfalls in dieser Kooperation ge- „Grundlagen und Anwendungen der Quan- Univ.-Prof. Rainer Blatt forscht wurde. Ein Umstand der erst zum tenphysik (FoQuS)“ zu erhalten. In den zweiten Mal in der Fördergeschichte des kommenden vier Jahren werden die Physiker rend der breite Recheneinsatz von solchen FWF vorkommt. Auch die Fördersumme ist in Wien und Innsbruck nun theoretisch und Maschinen noch recht fern scheint, kann die beachtlich: Mit knapp sieben Millionen Euro experimentell die Grundlagen auf dem Skalierung solcher Systeme mit Hilfe von für die kommenden vier Jahre ist dies einer Gebiet der Quantenoptik und Quanteninfor- einzelnen Quantenbausteinen, die indivi- der höchst dotierten Spezialforschungsbe- mation untersuchen und dabei ein besonde- duell kontrollierbar sind, bereits sehr prakti- reiche. „Ich bin sehr froh und dankbar, dass res Augenmerk auf die Anwendungen der sche Geräte liefern, wie zum Beispiel die so der FWF unsere Forschungsleistungen in der Quantenphysik richten. genannten Quanten-Repeater (Umsetzer), Vergangenheit so honoriert, und das entspre- die notwendig sind, um Quanteninforma- chende Vertrauen in uns setzt, auch in den Konkrete Geräte für die Praxis möglich tionen über weitere Strecken zu übermitteln. kommenden Jahren erfolgreich zu arbeiten. Das Ziel des Forschungsprogramms ist Weitere praktische Anwendungen sind fort- Wir sind uns dieser Verantwortung bewußt die fokussierte und kollaborative Forschung geschrittene Atomuhren oder hochempfind- und werden unseren Anteil dazu beitragen, zu fundamentalen Fragen der Quanteninfor- liche Detektoren, um nur einige zu nennen. Österreich im Bereich der Quantenphysik mation, zur Quantenoptik mit Atomen und Das theoretische Verständnis und die experi- weiterhin ganz oben in der internationalen Photonen sowie zu deren Anwendungen für mentelle Beherrschung von kleinen und Forschungselite anzusiedeln“, erklärt dazu Rechenprobleme, die Kommunikation und mesoskopischen Quantensystemen kann Blatt. Die Einrichtung des neuen SFB ist für die Metrologie. Darüber hinaus ist ein dann verwendet werden, um Systeme zu auch eine entscheidende Investition in die Zu- generelles Ziel des SFBs, die Untersuchun- simulieren, die mit klassischen Rechnern kunft. Betrachtet man nämlich die Zusam- gen mehr und mehr in Richtung der „quan- nicht mehr zu bewältigen sind. mensetzung der einzelnen Teilprojekte, so ist ten-klassischen“ Grenze zu führen. Während das ein sehr ausgewogener Mix zwischen die Gesetze der klassischen Physik das Ver- Wien – Innsbruck: Eine starke Achse bereits arrivierten Wissenschaftlern und der halten großer Systeme bekanntlich beschrei- „Das ist ein Meilenstein für die Österrei- Spitze des wissenschaftlichen Nachwuchses ben, ist es immer noch weitgehend unbe- chische Quantenphysik“, betont der Inns- in Wien und Innsbruck. Der neue SFB F40 kannt und kaum untersucht, wo genau der brucker Experimentalphysiker und Projekts- „FoQuS“ wird bereits am 1. Januar 2009 Übergang der „quantenmechanischen“ zur precher, Univ.-Prof. Rainer Blatt. „Wir sind starten. „

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 68 Wissenschaft & Technik Drei Jahre eb-haus Austria Spezialklinik für die »Schmetterlingskinder« feiert Geburtstag

ie weltweit erste Spezialklinik für Epi- reich der Wundversorgung besonders ausge- präsident der Hilfsorganisation debra-austria Ddermolysis bullosa, das eb-haus Austria bildete Krankenschwestern sind abwech- und Mentor des eb-hauses Austria und Prof. in Salzburg, steht nun seit drei Jahren Be- selnd für die medizinische Versorgung der Jo-David Fine. Die Experten der österreichi- troffenen der schwerwiegenden genetischen „Schmetterlingskinder“ zuständig. So wer- schen Spezialklinik und international aner- Hauterkrankung offen. Die medizinische den Engpässe in Urlaubszeiten oder bei kannte Ärzte haben ihr Know-how in dieses Versorgung der „Schmetterlingskinder“ und Krankenständen vermieden. Die Ambulanz Fachbuch eingebracht, sodaß ein internatio- die Erforschung von Heilungsmöglichkeiten am eb-haus konnte Dank der finanziellen nales Standardwerk zur medizinischen Ver- sind Dank vieler privater Spender und För- Unterstützung vieler Spender und Förderer sorgung der „Schmetterlingskinder“ entste- derer seit drei Jahren kontinuierlich möglich. seit Anfang des Jahres durchgehend besetzt hen konnte. Für die Betroffenen bedeutet das eb-haus Hoffnung auf Linderung und Heilung. Große Schritte Richtung Heilung „Schmetterlingskinder“ haben eine Haut, Das Projekt „Genschere“, bei dem Me- so verletzlich, wie die Flügel eines Schmet- chanismen zur ursächlichen Heilung von terlings. Sie leiden unter der folgenschwe- Epidermolysis bullosa erforscht werden, ren, angeborenen Hauterkrankung Epider- steht im Mittelpunkt der Forschungstätigkeit molysis bullosa (kurz: eb), die schon bei am eb-haus Austria. Mit Hilfe dieser speziel- geringster Belastung Blasen, Wunden und len Form der Gentherapie versuchen die damit Schmerzen am ganzen Körper verur- Forscher, die bei „Schmetterlingskindern“ sacht. Um die medizinische Versorgung für veränderten Gene in Hautzellen zu reparie- Betroffene sicherzustellen und die For- ren, um die Bildung gesunder Zellen zu schung auszubauen, setzte sich die gemein- erreichen. Beispielhaft ist bei zwei Formen nützige Hilfsorganisation debra-austria vor der Erkrankung im vergangenen Jahr ein mehreren Jahren ein Ziel: die Errichtung Durchbruch gelungen: für Epidermolysis einer kleinen Spezialklinik für Patienten in bullosa dystrophicans, einer besonders schwe- Österreich. ren Form von EB, bei der das Kollagen-Gen Mittlerweile hat sich das so genannte eb- betroffen ist, und für Epidermolysis bullosa haus Austria zu einem europäischen Center simplex mit Muskelschwäche, bei der das of Excellence in Versorgung und Forschung werden, über 150 große und kleine Patienten Plektin-Gen betroffen ist. Bisher war bei die- entwickelt. Finanziert wird das einzigartige konnten mit hoher Kompetenz und viel sen Formen aufgrund der Größe des Gens Projekt ausschließlich mit privaten Spenden Einfühlungsvermögen versorgt werden. eine Korrektur praktisch nicht durchführbar. und Förderungen. Praktisch alle heimischen Zusätzlich konnte eine Reihe patienten- Therapien die auf Methoden beruhen, bei Betroffenen, die unter einer schweren Form bezogener klinischer Forschungsprojekte denen Haut mittels Gen-Korrektur „repa- der Erkrankung leiden, wurden in den letz- begonnen werden mit dem Ziel, das tägliche riert“ wird, müssen unter Beachtung beson- ten drei Jahren im eb-haus Austria behandelt Leiden der „Schmetterlingskinder“ merkbar derer Sicherheitsstandards durchgeführt und betreut, von etwa 500 Betroffenen aus zu erleichtern. Von insgesamt 25 Themen werden. Daher hat das Forschungsteam am Österreich waren viele Patienten regelmäßig wurden mit „Kontrakturen und Verwachsun- eb-haus Austria mit dem europaweit führen- im eb-haus zur Behandlung. Darüber hinaus gen“, „Photodynamische Therapie und Haut- den Institut für Regenerative Medizin der konnten auch im vergangenen Jahr wieder krebs“, „Schmerztherapie“, „Juckreizthera- Universität Modena (Leiter: Prof. Michele vermehrt „Schmetterlingskinder“ aus dem pie“ oder „Nahrungsresorption bei EBD“ DeLuca) ein Gemeinschaftsprojekt begon- Ausland betreut werden, wie beispielsweise fünf Projekte intensiv bearbeitet. nen, das gute Aussicht auf EU-Förderung aus Deutschland, Italien – speziell Südti- hat. In Zukunft soll es möglich sein, geschä- rol –, der Schweiz, Kroatien, Serbien, Fachbuch mit österr. Expertise digte Hautzellen in Salzburg zu entnehmen, Bulgarien, Ukraine, der Türkei. Die im eb-haus mittlerweile österreich- diese nach Modena zur Korrektur und Si- weit anerkannte Expertise fand auch Ein- cherheitstestung zu transferieren und an- Bessere Patientenversorgung gang in die internationale Fachliteratur. So schließend wieder an der Universitätshaut- Um die vielen Patienten bestmöglich zu erschien erst vor wenigen Tagen im renom- klinik in Salzburg auf die Haut der Be- versorgen, wurde das ärztliche Team an der mierten Springer-Verlag eine medizinische troffenen zu transplantieren. Damit ist Öster- Klinik aufgestockt. Waren in den vergange- Gesamtübersicht der Behandlungsmöglich- reich Partner in einem internationalen Pro- nen Jahren eine Ärztin und eine Diplom- keiten der Erkrankung der „Schmetterlings- jekt auf höchstem technologischem Niveau krankenschwester in Teilzeitverpflichtungen kinder“ mit dem Titel „Life with Epidermo- und das zum Nutzen aller „Schmetterlings- für die Patienten da, so ist heute ein vierköp- lysis bullosa. Etiology, Diagnosis, Multidis- kinder“. „ figes Team, jeweils halbtags, aktiv. Zwei auf ciplinary Care and Therapy“. Herausgeber Bitte helfen Sie der debra-austria!!! eb spezialisierte Ärztinnen und zwei im Be- sind Univ.-Prof. Helmut Hintner, Ehren- http://www.schmetterlingskinder.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 69 Wissenschaft & Technik Ein Phantom kehrt zurück Die drei Projektträger Land Niederösterreich, Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie und Österreichische Bundesforste initiieren ein außergewöhnliches Artenschutzprojekt für den Habichtskauz.

m Rahmen eines Wiederansiedelungspro- scheibe fungieren“ sagt Landesrat Josef Nachhaltiges Waldmanagement Ijekts wird dem in Österreich ausgestorbe- Plank, Mitinitiator des Projekts. sichert Lebensräume nen Habichtskauz (Strix uralensis) eine „Ziel ist die Gründung neuer Populations- Hohe Lebensraumansprüche machen den zweite Chance gegeben, sich in unseren Wäl- keimzellen durch regelmäßige Freilassung Habichtskauz zur „Flagship Species“ für den dern wieder anzusiedeln. „In den kommen- und ihre Anbindung an die Vorkommen im Artenschutz im Wald. Entsprechend wertvoll den Jahren soll durch Freilassung von Jung- Norden sowie der Schutz geeigneter Lebens- sind konkrete Artenschutzmaßnahmen kom- vögeln im Biosphärenpark Wienerwald (wir räume. Damit schützen wir nicht nur den Ha- biniert mit nachhaltigem Management der werden demnächst darüber berichten), sowie bichtskauz, sondern auch andere gefährdete natürlichen Lebensräume. „Im Sinne der im einzigen Wildnisgebiet Österreichs, am Arten wie das Auerhuhn oder den Weiß- Nachhaltigkeit vereinen wir forstwirtschaft- Dürrenstein, ein neuer Bestand gegründet rückenspecht. Der umweltpädagogische Wert liche Interessen mit den Anforderungen der werden. Das Projekt startet mit Ende des Projekts liegt in der Illustration sensibler Natur und schaffen damit die Grundlagen für November 2008 und läuft bis 2012“, berich- Prozesse des Waldökosystems“ so Plank. Artenschutz und Artenvielfalt“, erklärt tet Niederösterreichs Landesrat Josef Plank. Georg Erlacher, Vorstand für Forstwirtschaft und Naturschutz der Österreichischen Bun- Größte Waldeule Europas desforste. Es war wohl die Ähnlichkeit mit der Ge- „In beiden Freilassungsgebieten stellen fiederzeichnung des Habichts, die dem Ha- wir nicht nur naturnahe Waldgebiete für die bichtskauz seinen Namen gab. Als ehemals Käuze zur Verfügung, sondern auch unser größte Eule unserer Wälder verschwand die langjähriges Know-how in punkto Arten- Art gegen Mitte des 20. Jahrhunderts aus schutz“, erläutert Erlacher das Engagement Österreich. Grund dafür war einerseits das der Bundesforste, die das Projekt auch finan- ungewöhnlich vertraute Verhalten wild le- ziell zu einem maßgeblichen Anteil unter- bender Habichtskäuze gegenüber uns Men- stützen. „Wir leisten damit auch einen Bei- schen und infolgedessen häufige Abschüsse. trag zur internationalen Biodiversitäts-Kon- Andererseits schrumpften gerade in der vention „Countdown 2010“, deren Ziel es ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts die ist, den Verlust an biologischer Vielfalt zu Lebensräume dieses „Urwaldbewohners“. Wissenschaftliche Begleitforschung stoppen und den Schutz von Arten und Le- Durch nachhaltigen Umgang mit dem Als Projektleiter hat das Forschungs- bensräumen zu fördern“, unterstreicht Erla- Wald, Ausweisung von Schutzgebieten und institut für Wildtierkunde und Ökologie cher die europäische Dimension des Projekts. Unterstützung der Artenschutzziele durch die nicht nur die Koordination von Projekt- Jägerschaft verbesserten sich die Lebens- inhalten übernommen, sondern setzt insbe- Starke Partner bedingungen in den letzten Jahrzehnten zu- sondere auf gemeinsamen Dialog aller betei- Die Österreichische Zoo Organisation nehmend. Der Habichtskauz findet dadurch ligten Interessensgruppen. Für die erfolgrei- und der Verein Eulen und Greifvogelschutz jetzt wieder optimale Bedingungen zur che Wiederansiedelung verschollener Arten züchten die Habichtskäuze kostenlos für die Wiederbesiedlung vor. Als besonders viel ist gerade die interdisziplinäre Kooperation Freilassung. Damit leisten sie einen wichti- versprechende Standorte gelten alte Laub- mit Grundeigentümern und Landbewirt- gen Beitrag zum Artenschutz. Forstamt und mischwälder, in denen es besonders viele schaftern eine wichtige Voraussetzung. Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien Kleinsäuger (Mäuse und Bilche) gibt. Weitere Schwerpunkte sind die Zusam- (MA49) unterstützen das Projekt tatkräftig menarbeit mit Zoos und Zuchtstationen mit der Anfertigung zahlreicher Nisthilfen Schlüsselfunktion Niederösterreichs sowie ein fundiertes Monitoring zur laufen- und durch den Bau einer Auswilderungsvo- International besteht großes Interesse an den Kontrolle der freigelassenen Eulen. liere, in der die Vögel auf die Freilassung der Wiederansieldung am Alpennordrand. „Wir markieren die Eulen mit kleinen High- vorbereitet werden. Die beiden Schutz- Die Region ist quasi als Brücke zwischen Tech-Sendern“ sagt Univ. Prof. Walter Ar- gebiets-Verwaltungen im Biosphärenpark vorhandenen Beständen zu sehen. Durch ein nold, Leiter des Forschungsinstituts für Wienerwald und im Wildnisgebiet Dürren- Wiederansiedelungsprojekt in Deutschland Wildtierkunde und Ökologie an der Veteri- stein tragen substantiell zur Abwicklung des konnte man den Kauz im Bayrischen Wald närmedizinischen Universität Wien. „Durch Forschungsprojekts vor Ort bei. wieder heimisch machen. Dieses Vorkom- die Telemetrie können wir die Position der Das Projekt wird mit einem umfangrei- men im Norden Österreichs blieb bisher Tiere jederzeit genau feststellen und so ihren chen Rahmenprogramm mit Ausstellungen, jedoch isoliert. „Niederösterreich soll im Aktionsraum, ihre Aktivität und die Bildung Vorträgen, Foldern und einer eigenen Web- mitteleuropäischen Verbreitungsgebiet künf- erster Brutpaare registrieren“ ergänzt seite begleitet. „

Foto: Österreichische Bundesforste tig wieder als populationsbiologische Dreh- Arnold. http://www.habichtskauz.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 70 Kultur Egon Schiele — Das Werden eines Künstlers Aus den Sammlungen des NÖ Landesmuseums – bis 13. April 2009 Alle Fotos: NÖ Landesmuseum Egon Schiele: Blick über die Donau auf den Bisamberg, 1906; Aquarell / Papier, 17,9 x 25,8 cm

ie Kunstsammlungen des Niederöster- seiner Klosterneuburger Zeit, der ihn veran- Dreichischen Landesmuseums beherber- laßte, sich intensiv mit Farbe auseinanderzu- gen einen besonderen Schatz: 45 Werke Egon setzen; sie unterstützten auch seine Aufnah- Schieles, einem der bedeutendsten Künstler me an die Akademie der bildenden Künste, des 20. Jahrhunderts. Erstmals zeigt nun eine wo er als Jüngster in die Klasse Christian Ausstellung anläßlich seines 90. Todestages Griepenkerl problemlos aufgenommen wur- den Gesamtbestand aus der eigenen Samm- de. lung. Die Schau gibt einen aufschlussreichen Die in der Sammlung befindlichen Werke Überblick über die kurze Schaffenszeit und bis 1907 erlauben es, die Entwicklungspro- frühe Meisterschaft und zeigt minutiös den zesse der Frühzeit nachzuvollziehen. Seine erstaunlich raschen Werdeprozeß. Arbeiten zeigen dabei verschiedenste Vor- Bis 1906 entstanden zahlreiche Eisen- bilder und Einflüsse. Die Auseinanderset- bahnskizzen und -zeichnungen, wobei das zung mit Jugendstil und Secessionismus füh- Blatt „Durch Europa bei Nacht“ bereits se- ren zu scherenschnittartigen Stadtsilhouetten cessionistisch beinflußt ist. Wesentlicher und meist antikisierenden Porträtstudien. Förderer war neben dem Klosterneuburger Das für Schiele äußerst ereignisreiche Maler Max Kahrer und dem Augustiner- Jahr 1907 bringt für ihn nicht nur die Be- Chorherrn Wolfgang Pauker vor allem sein kanntschaft mit Werken französischer Im- Zeichenlehrer Ludwig Karl Strauch während Porträt von Egon Schiele pressionisten, er fährt erstmals nach Triest,

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 71 Kultur wo die beindruckenden Hafen- und Boot- bilder entstehen und er ist erstmals in einer Ausstellung vertreten. Neben einer zunehmenden Distanzierung vom akademischen Lehrbetrieb wird 1908 Gustav Klimt ein wichtiger Brennpunkt in seiner künstlerischen Entwicklung. Das Schlüsselwerk „Mutter mit Kind“, aber auch „Boote im Hafen von Triest“ und „Sonnen- blumen“ entstehen unter dem Einfluß von Secessionismus und expressionistischen An- sätzen, die Themen sind Verfall und Ver- gänglichkeit. Als sich 1909 die Situation an der Akademie immer mehr zuspitzt, gründet Schiele gemeinsam mit Anton Peschka, Albert Paris Gütersloh, Anton Faistauer und anderen die „Neukunstgruppe“, widmet sich intensiven Aktstudien und Selbstporträts

Boote im Hafen von Triest, 1908, Öl, Bleistift / Karton, 29 x 21 cm

(„Selbstporträt im Gilet“, eines der frühen allem Zeichnungen und Aquarelle) sowie Meisterwerke), mit denen er endgültig die rund 300 Ölgemälde. Schiele ist der „bedeu- Formalismen des Jugendstils hinter sich läßt. tendste österreichische Zeichner des 20. Jahr- Aus der Schaffenszeit von 1914/15 befin- hunderts“ (Rudolf Leopold; siehe auch den den sich in der Sammlung sehr unterschied- Bericht über die Schiele-Sonderschau im liche Sujets: „Alte Häuser in Krumau“, ein Leopold Museum in der „Österreich Jour- Frauenakt, ein Porträt des Gastwirts und nal“-Ausgabe 65). „Kein Künstler hat in so Sammlers Franz Hauer und die Skizze eines kurzer Zeit ein Werk von Weltgeltung ge- Hundekopfs. Ein bedeutendes Werk der spä- schaffen wie Egon Schiele. Zurecht kann er ten Jahre stellt die „Zerfallende Mühle“ von als der van Gogh von Niederösterreich und 1916 dar, das im Gesamtwerk einen hervor- Österreich bezeichnet werden. Die Schiele- ragenden Platz einnimmt. Als eines der Sammlung des Niederösterreichischen Lan- wenigen grafischen Werke befindet sich in desmuseums wirkt wie ein Brennglas dieser der Sammlung das Secessions-Plakat zur 49. so rasanten und singulären künstlerischen Jahresausstellung (1918). Entwicklung“, so Direktor und Kurator Carl Baum am Bachufer, um 1906 Trotz seines kurzen Lebens hinterläßt Aigner. „ Tinte / Papier, 20,8 x 6,2 cm Schiele mehr als 2000 Werke auf Papier (vor http://www.landesmuseum.net

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 72 Kultur Markus Schinwald 14. Februar bis 13. April 2009 im Kunsthaus Bregenz

Markus Schinwald; Ausstellungsansicht Ausstellungshalle zeitgenössischer Kunst Münster, 2005 Foto: Thomas Wrede

anzende Objekte, objekthafte Tänzer, weils eine Studiosituation wie für die Fern- tribüne mit übereinander angeordneten TPuppen, Verkleidungen, Fetische, ver- sehproduktion einer Sitcom einrichten. Stufenpodesten und Sitzen für ca. 80 Perso- schlüsselte Handlungen, angesiedelt im Nie- Diese werden jeweils aus einer Publikums- nen bestehen; drei abgehängte Flatscreens, mandsland von Tanz, Theater, Film, Objekt und Bild – der junge österreichische Künst- ler Markus Schinwald (*1973 in Salzburg) gibt den Dingen eine Persönlichkeit und ver- wandelt menschliche Körper in puppenhafte Figuren. Die psychologische Auseinandersetzung mit Raum und Körper, das Unbehagen und die irrationalen Tiefen des individuellen und kollektiven Seins sind Themen seiner Ar- beiten. Spielerisch verschmelzen in seinem Werk die verschiedensten Medien – von be- klemmenden Filmen zu marionettenhaften Skulpturen, von überarbeiteten historischen Gemälden zu prothetischen Design- und Kleiderentwürfen –, die subtil miteinander choreographiert werden. Mit seinen Filmen und gebauten Räumen erzeugt Markus Schinwald durch Fragmentierung und traum- artige Brüche überraschende Lücken im nar- rativen Grundgerüst seiner Werke, die zu stark ästhetisierten Bildern und verrückten Ver- schiebungen der Realitätsebenen führen. Mit seiner größten Einzelausstellung in Öster- reich wird Markus Schinwald mit einer neuen Werkfolge ein surreales Panoptikum uner- füllbarer Wünsche aus Körpern, Objekten, Filmen und gebauten Räumen inszenieren.

Markus Schinwald wird in den oberen Courtesy Yvon Lambert, Paris drei Stockwerken des Kunsthaus Bregenz je- Markus Schinwald, Semah; 2008; Öl auf Leinwand, 56 x 76 cm (Ausschnitt)

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 73 Kultur drei Studio- Fernsehkameras und ein Büh- nenhintergrund vervollständigen die Szene. In den Tagen vor der Ausstellungseröffnung und innerhalb der ersten Wochen werden nach Schinwalds Regieanweisungen und sei- nem Drehbuch ca. 20 Minuten lange sitcom- artige Szenen mittels dreier Kameras aufge- zeichnet, die dann während der Ausstellung über die Flatscreen-Monitore für die Aus- stellungsbesucher abgespielt werden. Jedes Stockwerk wird unterschiedlich ausgestattet und von einer anderen ca. fünfköpfigen Pro- tagonistengruppe bespielt. Die Bühnenaus- stattung, Möblierung, Objekte und Kostüme werden vom Künstler gestaltet. Im ersten Stock kommen auf der guckkastenartigen Bühne, welche großflächig verspiegelt, mit einer begehbaren Trennwand und mit einem doppelten Schrank für Überraschungsauftrit- te versehen ist, fünf Schauspieler mittels Sprache und Gesten zum Einsatz. Im zweiten Stock wird die Bühnenarchi- tektur durchlässiger. Begeh- und benutzbare Courtesy Gallery Gió Marconi, Mailand niedere Raumtrennwände sowie eine in zwei Markus Schinwald, Boykott, 2008, Öl auf Leinwand, 94,5 x 79 cm Privatsammlung Teile zerschnittene Begräbniskutsche aus dem 19. Jahrhundert und fünf Tänzer spielen Drei-Kamera-Sitcom-Produktionen bis Mitte/ Auch diese Technik ist bis heute Standard mittels ihrer Körpersprache die Hauptrolle. Ende der 1990er Jahre bei. geblieben. Hier wird nicht mehr gesprochen, sondern Aufgrund ihrer Ausrichtung auf triviale Musik bildet den Soundtrack. Das Drei-Kameras-Setup Situationen des Alltags wurde die Sitcom oft Im dritten Stock verschwindet die Büh- Drei Kameras befinden sich dabei gleich- auch „the show about nothing“ genannt. nenhintergrundarchitektur fast vollständig zeitig in einem Graben zwischen Publikum Wegen der häufigen Thematisierung gesell- und wird durch drehbare Raumelemente er- und Bühne. Eine Kamera nimmt das Ge- schaftlicher Konventionen und Sitten, neu- setzt. Von Markus Schinwald umgebaute schehen in einer Totalen auf, die anderen rotischen und obsessiven Verhaltens und der Turngeräte – Stufenbarren, Reck, Pferd, beiden konzentrieren sich auf die agierenden rätselhaften Mechanismen menschlicher Be- Ringe etc. – dienen fünf Turner als Objekte Figuren. Aus den drei Filmstreifen, die das- ziehungen könnte die Sitcom als ein Ge- für Spiel- und Bewegung. Sprache und selbe Geschehen aus drei unterschiedlichen sellschaftsstück in Serienform kategorisiert Musik werden nun durch die bei den Ak- Perspektiven aufgenommen haben, wird werden. „ tionen entstehenden Geräusche ersetzt. später die Show zusammengeschnitten. http://www.kunsthaus-bregenz.at Die Sitcom (kurz für situational comedy = Situationscomedy, siehe auch: Comedy) ist ein ursprünglich US-amerikanisches Gen- re im Bereich der Fernsehsendungen und wird meist als Fernsehserie ausgestrahlt. Typisches äußeres Kennzeichen der klassi- schen Sitcom ist die Aufzeichnung im Stu- dio: Die Darsteller agieren auf einer Guck- kasten- Bühne; bei Innenräumen werden die vierte Wand und die Zimmerdecke nie im Bild sichtbar. Für die Handlung folgt daraus eine Beschränkung der Schauplätze auf wenige, stets wiederkehrende Orte. Die Bühnenwirkung wird verstärkt durch das Spiel der Darsteller zur Bühnenrampe und das für das Fernsehpublikum hörbare Ge- lächter des Studiopublikums, der so genann- te „laugh track“, der die Wirkung, einem Live-Ereignis beizuwohnen, verstärkt. Die- ses Setting – die Aufzeichnung auf Film vor Markus Schinwald, Exceptions prove the rule, Sitcom, 2007 Performance im Tanz- einem Studiopublikum – behielten vor allem quartier Wien Foto: Stefan Oláh

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 74 Kultur Zauber der Ferne Imaginäre Reisen im 19. Jahrhundert von 4. Dezember 2008 bis 29. März 2009 im Wien Museum am Karlsplatz

Gesamtdarstellung der »Österreichischen Adria-Ausstellung« – Urlaubsflair in der Leopoldstadt, 1913 Foto: Wien Museum

ie Ferne rückt in greifbare Nähe Die »Kupfer-Indianer« und Dioramen und der Nachbau eines Kaiser- Dgroße, weite Welt hat die Menschen seit »Japaneser Preiskämpfer« panoramas mit 25 Stereoskopen. Dazu kom- jeher fasziniert. Doch erst mit dem Kolo- Wichtigstes „Reisebüro“ war der Prater: men Plakate, Bühnenbildmodelle und Aus- nialismus, den Expeditionen, dem beginnen- In Präuschers Panopticum – einem Wachs- schnitte aus frühen Reisefilmen: Eine bunte den Tourismus und der neuen Reiseliteratur figurenkabinett – begegnete man einem Revue der Schaulust, die Welt aus der Per- rückte die Ferne plötzlich in greifbare Nähe. „Kupfer-Indianer aus den Rocki-Bergen“ spektive des 19. Jahrhunderts. Reisen blieb allerdings noch lange Zeit eine und einem „Japaneser Preiskämpfer“. Neben elitäre Angelegenheit. Wer sich keine „ech- dem Riesenrad stand eine gigantische „Ame- Entdeckungsreisen und Tourismus ten“ Reisen leisten konnte, für den gab es im rican Scenic Railway“, ja selbst den Mond Zwischen 1776 und 1913 unternahmen 19. Jahrhundert als Alternative eine Vielzahl und den Meeresgrund konnte man bereisen. österreichische Kriegsschiffe mehr als hun- an Reiseillusionen – kostengünstig, ungefähr- Ersatzwelten wie „Venedig in Wien“ dert Missions- und Forschungsreisen nach lich und ohne großen Zeitaufwand. lockten Menschenmassen an, ebenso wie Übersee. Die daraus gewonnenen Kennt- Wie in London und Paris kam es in Wien exotische Tierschauen, „Buffalo Bills Wild nisse brachten einer breiteren Öffentlichkeit zu einem Boom von Panoramen, Guck- West“-Show oder afrikanische Stammes- erstmals ferne Kontinente näher. Laufend kästen, „optischen Zimmerreisen“ und Büh- gruppen, die vom Publikum begafft und zum wurden Funde nach Wien geschickt, im nentricks. Im Dunklen einer Laterna Ma- Stadtgespräch wurden. Vieles ähnelte heuti- „Brasilianum“ in der Johannesgasse stellte gica-Vorstellung vergaß man die Außenwelt gen Themenparks und virtuellen Freizeitwel- man 150.000 Objekte von der österreichi- und erlebte umso intensiver „Die Nord- ten. Erstmals steht das Thema „Imaginäre schen Brasilien-Expedition aus. Die spekta- polfahrt Franklin‘s“ und das „Innere Afri- Reisen“ im Zentrum einer Ausstellung. Zu kuläre Nordpol-Expedition von Julius Payer kas“, das Kaiserpanorama bot bei wöchent- sehen sind Guckkästen mit den dazu gehö- und Karl Weyprecht (1872-1874) sorgte da- lich wechselndem Programm erstmals drei- renden Stadtansichten, eine Laterna Magica für, daß die Faszination für das „ewige Eis“ dimensionales Schauvergnügen. für Nebelbildprojektionen, Kosmoramen, über Jahrzehnte präsent blieb. Eine berühm-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 75 Kultur

Zuschauer so das Gefühl hatten, eine Land- schaft ziehe vorüber. Der optische Trick wur- de zum Beispiel im Theater in der Josefstadt äußerst erfolgreich eingesetzt. Eine Weiter- entwicklung war auch das Diorama, das Ta- ges- und Nachtzeiten mit Lichteffekten imi- tierte, besonders beliebt waren dabei roman- tische und melancholische Stimmungsland- schaften bei Sonnenauf- bzw. Untergang.

Nebelbilder und Kaiserpanorama Zum Publikumsrenner entwickelten sich die populärwissenschaftlichen Laterna Ma- gica-Vorträge, die der Deutsche Paul Hoff- mann zu Themen wie „Die Nordpolexpedi- tionen von 1845 bis 1855“ oder „das Nilthal vor 4000 Jahren und Jetzt“ hielt. Als Beson- derheit galten „Nebelbilder“, bei denen zu- sammengehörige Sujets übereinander geblen- det werden, um eine Geschichte zu erzählen (z.B. „Ein Schiff bei gutem Wetter, das Besuch im Kaiserpanorama, 1913 Copyright: SLUB / Deutsche Fotothek / O. Meister Wetter wird stürmisch und das Schiff schei- te Praterunternehmung nannte sich „Expedi- tion zum Nordpol“, die Urania lud zu einem wissenschaftlichen Vortrag mit dem Titel „Der Kampf um den Nordpol“. Verkehrstech- nische Innovationen (Eisenbahn, Dampf- schiff etc.) ermöglichten auch Privatper- sonen, Fernreisen zu unternehmen. Mit dem zaghaften Beginn des Tourismus kam es zu einer Flut an Reiseliteratur – Tagebücher, Reiseberichte, aber auch Abenteuerromane. 1835 veröffentlichte Karl Baedeker den er- sten deutschsprachigen Reiseführer, in den Köpfen der Menschen entstanden neuartige „mental maps“.

Europa in einem Kasten Bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts rei- sten Schausteller mit Guckkästen von Stadt zu Stadt und zeigten kolorierte Ansichten fremder Länder und Städte. Als „Optische Zimmerreise“, „Zimmer-Panorama“, „Male- rische Reise“ oder „Europorama“ wurden in Mitteleuropa ab 1820 Schaustellungen be- zeichnet, die aus mehreren, nebeneinander aufgestellten Guckkästen bestanden 1801 sorgte der Ire Robert Barker mit sei- nem Panorama von London erstmals in Wien für Furore. Das 360°-Rundum-Erlebnis bewarb er folgender Maßen: „Der unbefan- gene Zuschauer wird nicht allein bey seinem Eintritte durch die Reinheit und Eleganz angenehm überrascht, sondern kommt sogar nach einigen Minuten in Versuchung, zu glauben, daß es nicht Gemählde, sondern Wirklichkeit sey.“ Noch spektakulärer war das „Moving Panorama“, bei dem ein langer Leinwandstreifen abgerollt wurde, und die Guckkastentisch mit Intarsien, um 1800 Copyright: Wien Museum

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 76 Kultur tert an einer Klippe, nachdem es wiederholt geblitzt hat, der Himmel klärt sich auf, die Mannschaft wird gerettet, im Hintergrunde erblickt man das Wrack, und ein Regen- bogen wird am Horizonte sichtbar“). Mit der Fotografie entstanden unzählige Reisebil- derserien, die man bevorzugt mit dem Stereoskop genoß: Zwei knapp nebeneinan- der aufgenommene Bilder werden dabei durch zwei Linsen betrachtet, wodurch ein dreidimensionales Bild entsteht. Das Stereo- skop gehörte bald in jeden gutbürgerlichen Haushalt, als Großvariante präsentierte sich das Kaiserpanorama (ab 1885 in Wien), bei dem mehrere Besucher gleichzeitig Bilder anschauen konnten. Der Durchlauf einer Se- Copyright: Wien Museum Postkarte »Gruß vom Meeresgrund« im Prater, 1899 rie von 50 Bildern dauerte zwischen 20 und 30 Minuten, mit jeder neuen Serie (exotische Die Ausstellung erinnert weiters an die mittel wählen, wieder heimkommen etc. Für Landschaften, Burgen und Schlösser, Kunst opulenten Gschnas-Feste im Künstlerhaus, Kinder von 2 bis 6 Jahren, bei freiem Eintritt! aus berühmten Museen etc.) wurde ein Pro- die pädagogisch motivierten Lichtbildvor- grammzettel aufgelegt. träge in der Urania („Tropenzauber“) sowie »Schmankerln beim Rahmenprogramm die frühen Reisefilme, die ein neues Zeitalter Beim Rahmenprogramm sei auf zwei Urlaubsflair in der Leopoldstadt einläuteten. Zur Ausstellung, die von Ursula „Schmankerln“ besonders hingewiesen: Das Eine neue Dimension von imaginären Rei- Storch kuratiert wurde, erscheint ein reich Österreichische Filmmuseum zeigt in Ko- sen eröffneten die Vorläufer heutiger Themen- bebilderter Katalog im Verlag Bibliothek der operation mit dem Wien Museum am 9. und parks, die im Prater die Publikumsmassen Provinz, mit Beiträgen von Marion Kram- 10. Jänner 2009 eine spektakuläre Laterna anlockten. Die Weltausstellung von 1873 war mer, Siegfried Mattl, Jochen Kornelius Magica-Performance: David Francis und als Weltreise konzipiert, rund um den Indu- Schütze, Werner Michael Schwarz und Joss Marsh präsentieren fantastische Geo- striepalast standen Gebäude aus den verschie- Ursula Storch. graphien, koloniale Reisen und metaphysi- densten Weltgegenden, darunter ein japani- sche Ausfahrten – unter Verwendung einer scher Tempel, ein türkisches Badehaus und Spielstation für Kinder im Atrium Original-Laterne und seltener Glasbilder aus ein Wigwam, in dem Cocktails serviert wur- Auch in der heurigen Herbst/Winter-Sai- der Zeit. In Kooperation mit dem Filmarchiv den. Knapp zwei Jahrzehnte später schrieb son bietet das Wien Museum im Atrium Austria wechselt das Programm des in der der Theaterdirektor Gabor Steiner mit sei- Kindern ein passendes Programm. Bei der Ausstellung nachgebauten Kaiserpanoramas nem riesigen Vergnügungspark „Venedig in Spielstation „KinderZimmerReise“ dreht in regelmäßigen Abständen: Die Reise geht Wien“ Kulturgeschichte: Auf 50.000 Quad- sich alles ums Thema Reisen: Urlaub planen, von Japan über den Orient und Südafrika bis ratmetern konnte man venezianische Palaz- Urlaubsgarderobe zusammensuchen (oder nach New York. „ zi-Nachbauten begehen oder sich in Gondeln anprobieren) und Koffer packen, Verkehrs- http://www.wienmuseum.at durch die Kanäle schaukeln lassen. 1913 sorgte dann die „Österreichische Adria-Aus- stellung“ für Urlaubsflair in der Leopold- stadt. Ein venezianischer Prätorenpalast, ein vierzig Meter hoher Campanile, die engen Gassen von Alt-Abbazia und der als Restau- rant genutzte Lloyddampfer „Wien“ ließen den Alltag vergessen und sollten zugleich die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Adria-Küste fördern. Weitere Prater- attraktionen: „Buffalo Bill‘s Wild West“- Show, bei der 20.000 Zuschauer Büffeljag- den, Überfälle auf Postkutschen und Lasso- werfen miterleben durften, exotische Tier- und Menschenschauen (etwa das „Aschanti- Dorf“ von 1896/97) und die zahlreichen Grottenbahnen und Wasserkarussells. Um die Illusion einer Reise noch zu verstärken, konnte man gleich im Prater Postkarten „an die Daheimgebliebenen“ verschicken, zum Copyright: Wien Museum Beispiel mit „Grüßen vom Meeresgrund“. Laterna magica-Bild: Leuchtturm und Schiffe in der Nacht, um 1875

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 77 Kultur »Wien und der Tod« Das spannende Verhältnis des Wieners zum Tod hat Tradition, in kaum einer anderen Stadt kommt dies so deutlich zutage. Das war Grund genug für die Bestattung Wien, diesem umfassenden Thema ein eigenes Museum zu widmen. Foto: Österreich Journal Bestattung im Wandel der Zeit, auch verdeutlicht durch die Ausstellung unterschiedlichster Särge: vom Prunksarkophag über den Sarg als Wohnmöbel bis zum Prototyp eines seinerzeit unbegrenzt einsetzbaren Josephinischen Gemeindesarges.

an sagt dem Wiener ein ganz besonde- geführten „Bestattungsmuseums“, Wittigo tabuisiertes Thema näherbringt. Dabei Mres Verhältnis zum Tod nach. Das fin- Keller, kann diese Entwicklung an seiner bewegt sich die Bandbreite zwischen ent- det eine Begründung darin, daß sich in der eigenen künstlerischen Entwicklung nach- wicklungsgeschichtlichen Highligts, imperi- k.&k.-Zeit durch die große Ausbreitung des vollziehen: „Ich bin selbst davon betroffen. alen Kostbarkeiten und kuriosen Raritäten, Reiches auch ein Zusammenspiel vieler un- An der Grenze zur Schweiz aufgewachsen, die hauptsächlich über die Vorgängerunter- terschiedlicher Mentalitäten entwickelt hat, habe ich später maturiert und bin dann nach nehmen der Bestattung Wien, der „Entreprise die teilweise sehr melancholisch orientiert Wien, um dort zu studieren. Schon nach ein de pompes funèbres“ und der „Concordia“ waren und auch höchst unterschiedlich mit paar Monaten hatte ich bereits sämtliche stammen. Ergänzt wurde der Bestand durch dem Thema Tod umgingen. Das kulminierte Friedhöfe besucht und fotografiert“, so Stücke kleiner Bestatter, die bis nach dem und konzentrierte sich in der Reichshaupt- Keller, der auch einen zweiten Zugang des Zweiten Weltkrieg tätig waren. Wittigo Kel- stadt Wien, wobei die Frage durchaus be- Wieners zum Tod festmacht, an der so- ler hat dann 1982 die Gelegenheit erhalten, rechtigt ist, ob die Stadt selbst nicht diesen genannten „schönen Leich“. Sie bewegt sich das Museum neu zu konzipieren und zu speziellen Todesbezug aufweist. Denn wenn längst zwischen Mythos, Klischee und Rea- gestalten. wir etwa alle „nicht Wiener“- Künstler durch lität. Wie könnte es da anders sein, daß eben Die Neugestaltung folgte einem eigenen die Epochen hindurch betrachten, bemerken in dieser Stadt – in der Zentrale der „Bestat- Weg, nämlich die Sammlung nicht kultur- wir, daß nach einigen Monaten deren Auf- tung Wien“ – 1967 das erste Museum über chronologisch, sondern komprimiert in Über- enthaltes in Wien das Thema Tod sehr domi- Totenkult und Bestattungswesen installiert blicksthemen geordnet aufzubauen. Diesem nant in ihren Arbeiten in Erscheinung tritt. wurde und eine Zeitreise zur Ästhetik der Konzept folgend gibt es natürlich auch spe- Der Kurator des von der „Bestattung Wien“ letzten Dinge offeriert, die dem Besucher ein zielle Führungen, die Keller als „Edu-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 78 Kultur Fotos: Österreich Journal Der ehemalige Toraufsatz des Matzleinsdorfer Friedhofes zeigt den Tod, wie ihn der Wiener sieht: als Kumpel tainment“ bezeichnet. Das unterrichtende Der erste Ausstellungsraum vermittelt – die dritte Möglichkeit, man schloß sich einer einerseits und das nahezu spielerische, un- im Kontext – die Entwicklung einer kom- sogenannten „Sterbekasse“ an, einer Vorsor- terhaltende Aneignen andererseits machen plett neuen Bürgerschicht Wiens in der Mitte geinstitution, etwa vergleichbar mit den heu- die Ausstellungsinhalte für jung und alt of- des 19. Jahrhunderts. Heute würde man sie tigen Versicherungsangeboten nach dem fen und wesentlich leichter zugänglich. wohl als „Neureiche“ bezeichnen. Die haben Konzept eines Bausparvertrages (Sie können Im Entré des Museums findet sich eine sich, nach Vorbild der gigantischen Begräb- aber auch direkt bei der Bestattung Wien wunderschöne Schmiedeeisenarbeit, der ehe- nisse von Kaiserhaus und Adel als letztmög- Vorkehrungen für Ihr Begräbnis treffen). Je malige Toraufsatz des Matzleinsdorfer liche Darstellung der eigenen Person im nach Höhe der Auszahlungssumme konnte Friedhofes. Er zeigt nicht den Tod, der, wie Sinne des Wortes „inszenieren“ lassen. Wer dann auch schon einmal der Staatsopernchor in mittelalterlichen Tänzen, mit dem erhobe- also damals eine gesellschaftliche Position für den letzten Gang engagiert werden. Das nem Zeigefinger mahnt: „Ich hole euch alle innehatte, dem blieb nahezu nichts anderes rief damals viele private Bestatter auf den ab!“ Der „Wiener Tod“ ist, metaphorisch ge- übrig, als sich die sprichwörtliche „schene Markt, die sich in der Umsetzung von pom- sehen, der Sensenmann, der den Zeitpunkt Leich“ ausrichten zu lassen. Und das war pösen Trauerfeiern übertrafen – aber auch in erkannt hat, wann das Leben reif geworden damals nicht gerade billig: Würde man dies großer Vielfalt den Bedürfnissen und ist, um es ernten zu können. Zu Füßen des auf heutige Kaufkraft umrechnen, gingen die Wünschen der Verstorbenen oder der Erben Todes sieht man eine kleine Sanduhr und Kosten für so ein Begräbnis bei rund 10.000 nachkamen. Die erste dieser Unternehmun- eine scharf nach oben sprießende Blume, die bis 12.000 Euro los. Entweder man hatte es, gen trug den schon tragend-seriös klingen- vermittelt, daß der Tod zwar das körperliche man sparte sein Lebtag darauf oder, das war den Namen „Entreprise des pompes funè- Ende bedeutet, aber es viele Möglichkeiten eines weiteren Lebens geben kann. Bemer- kenswert ist das nach oben gedrehte Herz, mit dem die Nase des Todes dargestellt ist. Er wird als eine Art Kumpel angesehen, ein Schatten von sich selbst. Man kann sich unter ihm einhaken und mit ihm zum Heu- rigen gehen. Das findet sich auch im Wiener- lied mit „den Maderln“, dem guten Wein und der „schenen Leich“ wieder und steht melo- dramatisch auf einer Ebene. Liedtexte wie „Wann i amal stirb, stirb, stirb, müßn mi d‘Fiaker tragn und dabei Zithern schlagn, weil i des liab, liab, liab, spielts an Tanz laut und hell allweil fidel“ oder eine Zeile aus dem bekannten Volkslied „O du lieber Augustin“: „Jetzt aber haben mir d‘Pest. Nur a groß Leichennest, das ist der Rest. O du lieber Augustin, leg nur ins Grab dich hin. O Der erste Ausstellungsraum vermittelt – im Kontext – die Entwicklung einer kom- du mein herzliebes Wien, alles ist hin…“ plett neuen Bürgerschicht Wiens in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 79 Kultur

Museums, die zum Bedecken der Särge dienten. Sie hatten unterschiedliche Wertig- keiten und Bedeutung, wurden etwa von In- nungen in Auftrag gegeben, um den letzten Weg eines Mitgliedes zu begleiten. Sie füh- ren aber auf eine Zeit zurück, als es noch keine Bestattungen im heutigen Sinne gab, als noch die Kirche auch den letzten irdi- schen Dienst am Gläubigen vornahm. Ganz im Sinne dessen dominieren das Kreuz und der Hintergrund in Schwarz als Trauerfarbe der christlichen Religion. „Wien war aber auch schon damals anders, denn es wurde auch Farbe in die ,schene Leich‘ gebracht: Rot herausblitzende Bahrtücher für Militär- angehörige, und die ganz ungewöhnliche Farbe Blitzblau, die für Menschen verwen- det wurde, die nicht in Konventionen paßten, Fotos: Österreich Journal wie Kleinkinder, nicht volljährige Jugend- Bahrtuch mit Strahlenmuster von Erich Boltenstern aus dem Jahr 1973 liche und die Unverheirateten als die absolu- bres“, von der sich übrigens auch die Wiener Bezeichnung „Pomfineberer“ für den Lei- chenbestatter ableitet, die auch heute noch sprachgebräuchlich ist. 1907 entschloß sich die Stadt Wien zur einer „Verstadtlichung“ der Branche und nahm unter dem Namen „Gemeinde Wien – Städtische Leichenbe- stattung“ ihre Tätigkeit auf. Nicht zuletzt schon deshalb, weil unter den Bestattern so harte Konkurrenz geherrscht hatte, daß Hausmeister dafür entlohnt wurden, wenn sie verrieten, wo jemand gerade im Sterben lag. Mit einem zehn Zentimeter breiten und 14 Zentimeter kleinen Hausanschlagzettel wandte sich die „Wiener Leichenbestat- tungs-Unternehmung Concordia“ um 1900 „an die Herren Hausbesorger und Portiers des III. Bezirkes“. Sie wurden ersucht, ein- tretende Todesfälle sofort in der „Filial- Leichenaufnahms- und Anmeldungskanzlei Ein Original-Wagen der »Entreprise des pompes funèbres« III. Bez, Hauptstrasse 60, Ecke der Haupt- strasse und Rochusgasse anzuzeigen“. Dafür Wien – Städtische Leichenbestattung“ zum ten Verlierer damaliger Zeiten. Das von versprach das Unternehmen bare Münze: vierten Teilunternehmen der Wiener Stadt- Erich Boltenstern aus dem Jahr 1973 stam- „Sobald die Unternehmung über eine solche werke. Und knapp ein halbes Jahrhundert mende Bahrtuch aus Perlon-Velour sticht mit Anzeige die Bestellung auf das Leichen- später, im Jahr 2000, wurde aus dem Un- seinem psychedelischen Strahlenmuster be- begängnis erhält, so zahlt dieselbe durch den ternehmen die Bestattung Wien GmbH, eine sonders hervor. Unterfertigten falls das Leichenbegängnis Tochter der Wiener Stadtwerke Holding. Mit Das Museum zeigt auch zahlreiche Fotos nach der I Classe fl. 25,- baar aus“. Für ein der Gewerberechtsnovelle 2002 fiel die aus der Zeit um 1900, wie etwa das eines Begräbnis der II. Classe sank die Provision „Bedarfsprüfung“, seither gibt es wieder pri- Trauerportiers „in spanischer Gala“ (damit auf 13 Gulden. Aber selbst bei Vermittlung vate Bestatter. Die „Bestattung Wien“ in war ein pelzbesetzter Mantel gemeint) mit einer Trauerfeier der VI. Classe durfte ein ihrer heutigen Form ist nicht nur das größte Portiersstab. Bei großen Aufbahrungen in Hausbesorger noch 1,25 Gulden in die Bestattungsunternehmen Österreichs, son- Wohnhäusern stand er vor dem Haustor, um Hosentasche stecken. Immerhin konnte man dern eines der größten Europas. Trauergäste einzulassen. Wer hingegen nicht damals, also bis Ende 1899, für einen Gul- Doch kehren wir wieder zurück zu unse- das nötige Kleingeld für ein pompöses Be- den 10 kg Brot, 2 kg Rindfleisch oder 1 ½ kg rer Führung durch das Bestattungsmuseum: gräbnis hatte, sondern sich mit Mühe eines Schinken kaufen. Neben prächtigen Galauniformen von Toten- der „Klasse 6“ leisten konnte, mußte „unter Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte die trägern verschiedener Epochen zählen auf- dem Haustor“ aufbahren lassen. gänzliche Kommunalisierung des Bestat- wendig hergestellte, mehrere Quadratmeter Auch ein Foto der „Leichentram“ ist zu tungswesens. 1952 wurde die „Gemeinde große „Bahrtücher“ zu den Blickfängen des sehen, die im Ersten Weltkrieg zwischen

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 80 Kultur Foto: Bestattung Wien Leichenzug beim Begräbnis von Kaiser Franz Joseph I. auf dem Wiener Heldenplatz im November 1916 Stadtzentrum und Zentralfriedhof verkehrte, letzte Reise an. Die Uniform des Kutschers und im Kreis der engsten Familienangehö- weil der Städtischen Bestattung nicht genü- stammte selbstverständlich aus dem Mu- rigen in der Kaisergruft (die traditionelle gend Pferde zur Verfügung standen. Im seumsdepot. Tiroler Schützen mit Feder- „Dreiteilung“ der Habsburger wurde etwas Zweiten Weltkrieg mußte dieser umgebaute hüten und grellroter Tracht begleiteten den reduziert. Das Herz Ihrer Majestät liegt in Straßenbahnwagen erneut eingesetzt werden. Sarg im Wagen, der sich langsam Richtung der neuen Gruft im Kloster Muri in der Kapuzinergruft in Bewegung setzte. Schweiz, ihr Körper in Wien). Toten-Schau Davor die Truppen von fast 1000 Schüt- Trauerfeiern gekrönter Häupter waren in Wie sich bei Trauerfeiern verdienen ließ, zen und Bürgerkorps mit „monarchischen“ Wien bis in die jüngste Vergangenheit spek- zeigt ein Zeitungsinserat aus dem Wien um Fahnen und Insignien, die dem Trauerzug takuläre Events. Einen wichtigen Part nahm 1900. „Große Fensteröffnungen“ eines Wohn- ein auffallend buntes Gepräge gaben. Am die Aufbahrung, minutiös nach Protokoll, hauses am Neuen Markt im Zentrum Wiens, Ende stand die Beisetzung gemäß traditio- ein. Immerhin war sie ein Mittel dynasti- und zwar „5 bis 7 Logenplätze“, wurden für nellem Einlaß-Ritual im Beisein von Klerus scher Repräsentation. Vor der Erfindung der Trauerfeierlichkeiten vermietet. „Reflektan- ten“ wurden gebeten, an die „Annoncen-Ex- pedition“ zu schreiben, um sich einen Lo- genplatz zum Preis von 500 bis 1000 Kronen zu sichern. Diese Wucherpreise – sie ent- sprechen einem heutigen Wert von 1500 bis 3000 Euro – wurden bezahlt: Denn am Neuen Markt befindet sich mit der Kapu- zinergruft die letzte Ruhestätte der Habs- burger und manch Neugieriger wollte einen letzten Blick auf Blaublütige wie die ermor- dete Kaiserin Elisabeth tun. Das – bisher – letzte Mal, als solche Logenplätze vergeben wurden, war, als am am 1. April 1989 das Begräbnis von Kaiserin Zita stattfand. Nach feierlichem Requiem im Dom wurde ein „kaiserlich-königlicher“ Pracht- kondukt quer durch die Stadt geführt; die Freud am Leid als „pompe funèbre“ für das „Volk als Ehrengast“ – wie es sich Zita wünschte. Kein Kaiserwetter, stattdessen Platzregen und Wolken, schwarz, wie die Leichenkutsche selbst. Im historischen Prunkgefährt des Hofes, das seinerzeit schon Kaiser Joseph I. diente, trat auch Zita ihre Ausschnitt aus der Ankündigung zur Trauerfeier für Kaiserin Elisabeth

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 81 Kultur

Achtspänniger Leichenwagen im Innenhof der Bestattung Wien um das Jahr 1910 Fotografie hielten unter anderem kolorierte haus-Verwalter“ gestiftet und mit einer aus- Prinzip erfolgen sollte. Man konnte sich Kupferstiche diese Ereignisse fest. Eines der führlichen Gebrauchsanweisung versehen. bereits zu Lebzeiten den sogenannten im Bestattungsmuseum ausgestellten Blätter Den Verstorbenen, die zweimal 24 Stunden „Herzstich“ testamentarisch verfügen lassen, zeigt die Aufbahrung des 1835 verstorbenen lang zur Kontrolle offen in der Leichenkam- durchgeführt von Medizinern nach Ausstel- Kaisers Franz II./I. Der Bildtext erläutert: mer liegen mußten, wurde eine Schnur am lung der Totenbescheinigung. Einer jener, „Ausstellung des Leichnams Sr. Höchst- Handgelenk befestigt, die über Seilzug mit die sich den „Stich“ durchführen ließen, war seligen Majestät des Kaysers und Königs dem Rettungswecker in der Wohnung des der Schriftsteller Arthur Schnitzler, der auch Franz des I auf dem Schaubette, in der Hof- Totengräbers verbunden war und bei leise- Mediziner war. Nachdem in Österreich das Burg-Capelle. Dem 4t., 5t. u: 6t. März“. Drei ster Bewegung Alarm auslöste. 1874, nach Leichengesetz als Landesgesetz gehandhabt Tage lang war er den Augen der Öffentlich- Eröffnung des Wiener Zentralfriedhofes, wird, ist es in Wien auch heute noch immer keit ausgesetzt. Das „Schaubette“, eine Art wurde dieses Konzept als elektro-magneti- möglich, den Herzstich durchführen zu las- Plateau, war von vier Seiten über Stufen sche Lösung erweitert und für mehrere Ver- sen. Selten, aber doch: Der letzte wurde vor erreichbar. Auf diesen standen mannshohe storbenene gleichzeitig anwendbar gemacht. rund neun Jahren durchgeführt. Leuchter: Der Tote ruhte im strahlenden Im Gegensatz zu solch kostspieligen als Ein „Zuckerl“ stellt ein beweglicher Mi- Lichterkranz. auch komplizierten Konstruktionen war litär-Trauerzug dar, der aus den ehemals so Bedarf nach einer simplen Möglichkeit beliebten Ausschneidebögen für Papierthea- 200 Jahre Scheintod-Hysterie gefragt, die nach einem etwas anderen ter stammt (hier: Trentsensky, Wien). In Die Horrorvision, lebend begraben zu sein, gehört wohl zu den Urängsten mensch- lichen Bewußtseins, wird seit dem Mittel- alter beschrieben und entwickelte sich in Eu- ropa im 19. Jh. zu einer wahren Massen- hysterie eines kollektiven Traumas (Taphe- phobie), das quer durch die Gesellschafts- schichten anzutreffen war. Gleichzeitig wur- de das Thema Scheintod als publizistische Sensation regelrecht hochstilisiert. Eine Schar von Erfindern trat auf, um Apparaturen zu kreieren, die sich im Spek- trum zwischen realer Brauchbarkeit, bemer- kenswerter Skurrilität und schmunzelnder Utopie bewegten. Eines der herausragendsten Geräte ist im berühmt gewordenen Wiener Rettungs- wecker des Währinger Ortsfriedhofes zu fin- den. 1828 hatte ihn Johan Nepomuk Peter, Foto: Bestattung Wien ein „kaiserlich-königlicher Provinzial Straf- Der Innenhof der Bestattung Wien mit dem »Fuhrpark« um das Jahr 1930

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 82 Kultur einem beleuchteten Guckkasten ziehen die Figuren in historisch belegter Reihenfolge am Betrachter vorbei, untermalt von einem klassischen Trauermarsch. Ein weiterer Ausstellungsraum zeigt die Bestattung im Wandel der Zeit, verdeutlicht durch unterschiedlichste Särge verschiede- ner Epochen: vom Prunksarkophag über den Sarg als Wohnmöbel bis zum Prototyp eines seinerzeit unbegrenzt einsetzbaren Josephi- nischen Gemeindesarges. Der Sarg als Wohnmöbel war in früheren Zeiten entstan- den, als die Sargproduktion noch nicht von Sarg-, sondern von „normalen“ Tischlereien hergestellt wurden. Da kam es schon einmal vor, daß der gute Handwerker auf Wochen hinaus ausgebucht war und keine Zeit für das wichtige Bestattungsutensil aufbringen konnte. So entstand in findigen Köpfen die Anläßlich der EURO 2008 in Wien: Urne in Form eines Fußballs Idee, den Sarg weit vor dessen Bedarf zu kaufen und ihn, etwa als Bücher- oder mals … Nein, gefehlt: In den Niederlanden Joseph II. Der ersann die „Todtentruhe“, die Wäschkasten, zeitlebens im Alltag zu nut- gibt es heute Möbelbauer, die Särge in einen Verstorbene nur während der Begräbnisfeier zen. Das erklärt auch die wunderschönen Wandverbau fürs Wohnzimmer integrieren. umhüllten – die aufklappbare Bodenplatte bäuerlichen Ornamente, die das Exemplar Es gab aber auch ganz andere Zeiten, ließ den in einen Sack eingenähten Toten in im Bestattungsmuseum aufweist. Ja, da- nämlich unter der Regentschaft von Kaiser die Tiefe fallen. Danach konnte der Sarg wiederverwendet werden. „Da aber Seine Majestät einerseits aus der täglichen Erfah- rung wahrnehmen mußten, daß von dieser ihrer heilsamen Absicht sich ganz irrige Be- griffe gemacht, die Eingrabung der Körper samt den Truhen, unerachtet der sich da- durch erlängerenden Fäulung und anderen Ungemächlichkeiten der oberwähnten weit nützlicheren Beerdigungsart aus verschiede- nen Vorurtheilen vorgezogen werde …“ kam Joseph II. in seinem „Circulare“ schließlich auf den Punkt und stellte jedem frei, das zu tun, „was er für seinen Körper im voraus für das Angenehmste hält“. Skurril wirken Fotos aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, denen ein eigener Bereich gewidmet wurde: Der in Wien tätige Fotograf Albin Mutterer hatte die Idee, Tote in seinem Atelier zu fotografieren. Die Fotos wurden retuschiert: unter anderem wurden Augen hinzugefügt. Oft brachten Angehörige selbst die Verstorbenen mit dem Fiaker zum Fotografen. Dort wurden die teuren Verblichenen dann an einem Lehnstuhl fest- gebunden und boten so Motiv für eine lebensnahe Erinnerung. Ein Unikat, allerdings jüngsten Datums, ist ein Sitzsarg, wie er auf einem der surrea- listischen Gemälde des belgischen Malers René Magritte (1898 - 1967) zu bewundern ist. Wittigo Keller hat diesen Holzsarg zum

Fotos: Österreich Journal Mittelpunkt einer künstlerischen Installation Sitzsarg, wie er auf einem der surrealistischen Gemälde des belgischen Malers gemacht, die Sargfabrik der Bestattung Wien René Magritte (1898 - 1967) zu bewundern ist hat ihn produziert.

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Todesfall im Ausland Beim Ableben eines österreichischen Staatsbürgers im Ausland erfolgt die Verständigung der Angehörigen in der Regel durch die dort ansässige österrei- chische Vertretungsbehörde (Botschaft). Nach Erhalt der Todesnachricht müs- sen die Angehörigen über das Bun- desministerium für europaische und internationale Angelegenheiten (Ballhaus- platz 2, A-1010 Wien, Tel.: ++43 / (0)50 11 50-0) die Versargung und die Über-

Foto: Österreich Journal führung des Verstorbenen nach Öster- Aus der Asche Verstorbener können Erinnerungsdiamanten hergestellt werden reich in Auftrag geben Und die Mode – im weitesten Sinne des wandelt wird. Dessen Farbe ist weiß bis Auf Wunsch übernimmt die „Be- Wortes – macht auch vor dem Thema bläulich. Die blaue Färbung kommt vom stattung Wien“ alle notwendigen Amts- Bestattung nicht halt: Auch wenn die Urnen- chemischen Element Bor. Die Rohdiaman- wege, die für die Überführung nach Wien bestattung heute keine Besonderheit mehr ten werden in Handarbeit geschliffen und notwendig sind. Dazu zählen die Kon- darstellt, so sind es zumindest die Urnen poliert. Verschiedene Schliffe und unter- taktaufnahme mit den zuständigen Stel- selbst, die Aufsehen erregen. So wurde, zum schiedliche Formen sind möglich. Die Steine len am Sterbeort als auch die Organisa- Beispiel, anläßlich der Fußball-Europamei- können auch mit einer Gravur versehen wer- tion und die Durchführung der Trauer- sterschaft 2008 in Wien, eine Urne in Form den. Erinnerungsdiamanten werden als feier in Wien. http://www.bestattungwien.at eines Fußballs angeboten. Schmuckstück, etwa als Ring, getragen, oder Nicht mit Mode, sondern mit tiefer an einem dafür bestimmten Ort platziert. Spiritualität hat die hi-tec-Möglichkeit zu Überreicht werden sie in einer Holzscha- einfach einmal die Zeit nehmen, dieses tun, aus der Asche Verstorbener Erinne- tulle. Ein Zertifikat garantiert die Echtheit außergewöhnliche Museum zu besuchen. rungsdiamanten herstellen zu lassen – wobei des Diamanten. Alle notwendigen Informationen finden Sie hier der Begriff „herstellen“ nur bedingt Vieles gäbe es hier noch über das Be- auf den Seiten der „Bestattung Wien“. „ zutrifft. Die Diamanten entsprechen in der stattungsmuseum und dessen Exponate zu Natur vorkommenden Edelsteinen und ent- berichten, wie etwa die Totenmasken (die Bestattungsmuseum der Bestattung Wien stehen in einem mehrmonatigen Prozeß, bei aktuellste stammt vom Jazzmusiker Joe Za- 1040 Wien, Goldeggasse 19 dem die Asche unter hohem Druck und bei winul, der am 11. 9. 2007 verstarb). Sie, sehr Bitte beachten Sie die Öffnungszeiten! hoher Temperatur in einen Diamanten umge- geehrte Leserinnen und Leser, sollten sich http://www.bestattungwien.at

»Es ist fast ein Vergnügen zu sterben!« rof. Julius Müller, „Bestatter mit Leib und Seele“, präsentierte Hollywoodstars bis zum Übungsfried- Pseine neue köstliche Sammlung von Geschichten mit Besinn- hof für Bestatter. lichem und Heiterem über das Ende alles Irdischen in der „Bestattung Wien“. Charme und Galgenhumor Prof. Müllers mit Charme und Gal- Eheringbestattung genhumor vorgetragene Anekdoten Es war auch ein Vergnügen, Müller lesen zu hören. Hunderte wechselten ab mit der Musik dreier Besucher applaudierten dem ehemaligen Schulungsleiter der Herren der Vereinigung der Friedhofsän- Bestattung Wien, der im Vorjahr zum Professor ernannt wurde, ger aus der Wiener Staatsoper und begeistert. Für die Präsentation hatte er unter anderem den Abschnitt Volksoper. Sie brachten Stücke, die oft „Eheringbestattung“ ausgewählt: Ehepaare, Verlobte oder Paare für Trauerfeiern bestellt werden. Und gehen auseinander und man fragt sich was mit den Ringen passiert. Neues wie die „Uraufführung“ von „Der Jetzt kann man einen schönen kleinen Sarg kaufen, ihn schwarz Rüsselkäfer“ nach der Melodie des ausstatten lassen, und vielleicht noch einen Spruch hineinlegen wie Heurigen-Klassikers „Die Reblaus“. Wie die aus den USA einge- zum Beispiel: „Leb wohl“, „Es war nicht so schlecht“ oder „Bin schleppte Reblaus europäische Weinbaugebiete zu Grunde richtete, froh, daß ich dich los bin“. zerstörte der Rüsselkäfer die Särge der Wiener Michaelergruft. Blättert man in Prof. Müllers Buch, findet man Heiteres wie Deutschlands fröhlichste Bestattungsanzeige und schwer Verdau- Prof. Julius Müllers „Es ist fast ein Vergnügen zu sterben“ ist im liches wie die Geschichte über Verwandte, die versehentlich die Seifert Verlag erschienen und unter anderem im Bestattungs- Asche ihres Angehörigen verspeisten. Für Lacher oder ungläubiges museum der Bestattung Wien in Wien 4, Goldeggasse 19, zum Preis Kopfschütteln sorgen „delikate Enthüllungen“ vom Friedhof für von 19,90 Euro erhältlich. http://www.seifert-verlag.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 84 Musik Grenzenloses Programmpaket »Haydn-Jahr 2009« von Burgenland und Ungarn kooperativ gestaltet – »Phänomen Haydn" erleben und entdecken – Eisenstadt als Schauplatz musikalischer Weltliteratur

ie seit 20 Jahren durch die Österrei- Dchisch-Ungarische Haydn Philharmo- nie unter Adam Fischer bestehenden An- knüpfungspunkte werden im ‚Haydn-Jahr 2009‘ ausgebaut und intensiviert. Wir wol- len damit nicht nur dem wohl berühmtesten Komponisten unseres Landes Tribut zollen und sein Werk umfassend darstellen, son- dern auf der Basis dieses gemeinsamen kul- turellen Erbes auch eine entsprechende Nachhaltigkeit für die Kultur und den Tourismus unserer Region erreichen“, er- klärte Burgenlands Kulturlandesrat Helmut Bieler in einer gemeinsamen Pressekonfe- renz mit dem ungarischen Staatssekretär des Ministeriums für Bildung und Kultur, Ferenc Csák, anläßlich der Präsentation der zahlrei- chen gemeinsamen Aktivitäten und Koope-

rationen im „Haydn-Jahr 2009“ in Budapest. Foto: Joseph Haydn Burgenland GmbH Joseph Haydns Lebensradius umfaßte – Das Genie Joseph Haydn und die besondere Aura seiner Wirkungsstätten sichtbar, abgesehen von den Reisen nach London und hörbar und erlebbar zu machen steht im Mittelpunkt der Hauptausstellung Paris – ein Gebiet, das sich zwischen Eisen- versteht man durch die ganze Welt!“ – wurde der weltweiten Aufführung eines Schlüssel- stadt und Wien, dem niederösterreichischen das vielschichtige Programm zum 200. werks der musikalischen Weltliteratur aus Rohrau und dem ungarischen Sopron er- Todestag des großen Komponisten und Haydns Feder, der „Schöpfung“. Durch die streckt. Das „Haydn-Jahr 2009“ bietet für musikalischen Universalgenies entwickelt. Zeitzonenversetzung eignet sich diese Ungarn, wie auch für Österreich, die einma- Die Leitlinien des „Haydn-Jahrs 2009“ ver- „World Creation“ als Medienereignis ersten lige Gelegenheit, auf die Besonderheiten binden den internationalen Geist Joseph Ranges. Neben der Konzertübertragung im dieser multikulturellen Region hinzuweisen Haydns mit seinem Leben und Wirken. ungarischen MTV findet am 31. Mai aber und gemeinsam den Kosmopoliten Haydn zu Der Programmauftakt erfolgt am 31. Mai auch der EBU Radiotag unter dem Titel entdecken. Ausgehend vom wohl berühmte- 2009, an dem sich der Todestag des bedeu- „EBU-Haydn day 2009“ statt, bei dem die sten Zitat Joseph Haydns – „Meine Sprache tenden Komponisten zum 200. Mal jährt, mit Schöpfungsmesse aus der Bergkirche, die Aufführung von Haydns „Schöpfung“ im Haydnsaal sowie das am 30. Mai stattfinden- de Konzert der Academy of Ancient Music unter Paul Goodwin übertragen werden. Weiters kommt es im Rahmen von „Phä- nomen Haydn (1732-1809)“, der Hauptaus- stellung im Burgenland, und im Konzertpro- gramm zu mehreren grenzüberschreitenden Kooperationen zwischen Ungarn und Öster- reich. Insbesondere im Bereich der Leihga- ben, die auf ungarischer Seite von sechs ver- schiedenen Museen stammen, wird Haydns Präsenz auf Schloß Eszterháza bei Fertöd bzw. auf Schloß Esterházy in Eisenstadt sichtbar gemacht.

»Phänomen Haydn« – erleben und entdecken

Foto: Joseph Haydn Burgenland GmbH / Lunardi Das Genie Joseph Haydn und die beson- Das Schloß Esterházy in Eisenstadt als einer der Haydn-Aufführungsstätten dere Aura seiner Wirkungsstätten sichtbar,

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 85 Musik hörbar und erlebbar zu machen steht im Mittelpunkt der Hauptausstellung „Phäno- men Haydn“, die den 200. Todestag des Komponisten zum Anlaß einer einzigartigen Würdigung nimmt. An vier eng miteinander verbundenen Originalschauplätzen vereint diese Ausstellung erstmals authentische Lebenswelten und barocke Lebenslust, hochkarätige Sakralmusik und ursprüngliche Volkskultur. Gezeigt werden insgesamt rund 550 wertvollste Kunstwerke, kostbare Auto- graphe und originale Musikinstrumente von 65 namhaften Leihgebern aus ganz Europa. „Zeugnisse des Lebens und Wirkens von Joseph Haydn sehen 2009 im Mittelpunkt dieser Hauptausstellung. Damit soll eine neue, außergewöhnliche Form des Musiker- portraits geboten und eine umfassende Dar- stellung bzw. Wahrnehmung des ‚Phäno- mens Haydn‘ ermöglicht werden“, betonte Kulturlandesrat Helmut Bieler mit dem ungarischen Staatssekretär des Ministeriums für Bildung und Kultur, Ferenc Csák Foto: Bgld. Landesmedienservice Kulturlandesrat Helmut Bieler, der die De- tails und Highlights dieser Schau gemeinsam dem Haydnhaus des Wien Museums aber eine Kombikarte wird es möglich sein, preis- mit S.E. Bischof Paul Iby, Geschäftsführer auch weitere Orte zum Inhalt hat, an denen günstig alle Teile zu besichtigen. und Managing Director Wolfgang Kuzmits, Musikgeschichte geschrieben wurde. Durch Landesrat Bieler: „Das Land Burgenland erwartet sich durch das Haydn-Jahr auf der einen Seite eine – sowohl in der Innen- als auch in der Außenwirkung – verstärkte Länder und Regionen übergreifende Iden- tifikation mit der Person und dem Werk von Haydn. Auf der anderen Seite wollen wir das Burgenland national, aber auch international als qualitativ hoch stehende Kultur- und Tourismusdestination vorstellen, neue Gäste- schichten ansprechen und so das Burgenland in einem breiten Rahmen präsentieren.“ Nähere Informationen dazu und zum Haydn- Jahr insgesamt sind auch via Internet abruf- bar. „ http://www.haydn2009.net dem Geschäftsführer der Joseph Haydn Burgenland GmbH, Franz Patay, dem wis- senschaftlichen Leiter Gerhard Winkler und Michael Weese, der für die Ausstellungs- dramaturgie verantwortlich zeichnet, der Öffentlichkeit präsentierte. Die Hauptausstellung umfaßt dabei Haydns Arbeiten zur fürstlichen Repräsen- tation im Schloß Esterházy, sein privates Leben und Komponieren im Haydn-Haus, die Frömmigkeit jener Zeit sowie das geist- liche Werk Haydns im Diözesanmuseum Eisenstadt und die ihn umgebende, dörfliche Lebenswelt im Landesmuseum Burgenland. Unter dem Titel „Echt Haydn – die Ori- ginalschauplätze“ wird es begleitend zur Ausstellung einen entsprechenden Folder geben, der mit dem Geburtshaus von Haydn Fotos: Joseph Haydn Burgenland GmbH in Rohrau, der Kulturfabrik Hainburg und Haydn-Veranstaltungen werden auch auf Schloß Eszterháza geboten (Bild li. oben)

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 86 Musik »Rigoletto« in St. Margarethen Intendant Wolfgang Werner kündigte für die Festspielsaison 2009 eine der beliebtesten und bekanntesten Opern Giuseppe Verdis an. Foto: Manfred Waba, Artwork: Bernhard H. Kratzig Manfred Waba baut Mantua als Schauplatz der Oper Rigoletto in den Römersteinbruch St. Margarethen im Burgenland

b 8. Juli 2009 steht im Römersteinbruch derschöne Oper „Rigoletto“ an 29 Abenden folge. Mit Verdis „Rigoletto“ setzen die ASt. Margarethen eine erstklassige In- im Römersteinbruch St. Margarethen. Im Festspiele ihre Geschichte fort und präsen- szenierung von „Rigoletto“ auf dem Spiel- Mittelpunkt der Geschichte steht das Schick- tieren im kommenden Sommer ein einzigar- plan. Regie führt der Italiener Renzo sal des buckligen Hofnarren Rigoletto, des- tiges „Opernereignis für Jedermann“. „Wir Giaccheri. „Mit Giacchieri haben wir für die sen böse List auf tragische Weise den Tod haben für ‚Rigoletto’ 140.000 Tickets aufge- Saison 2009 einen großartigen Regisseur seiner Tochter Gilda herbeiführt. Ort des legt, über die Hälfte konnten wir bereits nach St. Margarethen geholt, der auf zahlrei- Geschehens ist der Hof des Herzogs von absetzen. Für alle Opernfans heißt es jetzt: chen Open-Air-Bühnen der Welt, unter an- Mantua. Ein Schauplatz, den Manfred Waba Tickets sichern!“, so Produzent Wolfgang derem in der Arena di Verona, mit seinen mit prächtigen Bühnenbauten nachempfin- Werner. Inszenierungen große Erfolge feierte! Unser det. Als musikalischer Leiter steht in der Die Festspiele haben sich in den letzten Publikum darf sich auf unvergessliche kommenden Saison der Niederländer Koen Jahren unter den weltweit größten Open-Air- Stunden und ein grandioses Opernerlebnis Schoots in St. Margarethen am Pult. So wird Festivals etabliert und sind aus dem wirt- freuen“, so Intendant Werner. Europas größte Naturbühne auch 2009 durch schaftlichen und kulturellen Leben des Bur- Nach der Uraufführung 1851 am Teatro meisterliche Musik, hochkarätige Künstler, genlandes nicht mehr weg zu denken. Mit La Fenice in Venedig eroberte die Oper prunkvolle Kulisse und phantastische Effek- dem Ausbau des Festspielgeländes durch die „Rigoletto“ die Bühnen dieser Welt im te zum Leben erweckt. Privatstiftung Esterházy zählt der Römer- Sturm. Verdi selbst zählte sie zu seinen Im bizarren Römersteinbruch werden seit steinbruch heute unumstritten zu den Top- besten Arbeiten. Es steht außer Zweifel, daß einem Jahrzehnt großartige Inszenierungen Locations in Europa. Besucher aus der gan- er damit seinen Weltruhm begründete, und bekannter Opernwerke gezeigt. Zuletzt zen Welt kommen alljährlich nach St. Mar- mit dieser Oper wurde auch die bekannte feierten die Opernfestspiele St. Margarethen garethen, um hier unverwechselbare Opern- Canzona „La donna è mobile“ zum Hit. Vom mit einer viel gepriesenen Inszenierung von events unter freiem Himmel zu genießen. „ 8. Juli bis 23. August 2009 erklingt die wun- „la Traviata“ in St. Margarethen große Er- http://www.ofs.at/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 87 Musik Auch stille Nächte klingen Sound of Music, Mozart und die Festspiele – bei diesen Begriffen erklingt ganz Salzburg: Kulturell, touristisch, für jedermann hörbar. Wie bescheiden, andächtig, ja im wahrsten Sinne des Wortes still, spielt vergleichsweise dazu eine weitere Salzburger Attraktion im Orchester der Großveranstaltungen: Das Stille-Nacht-Lied.

Von Gerhard Scheidler*)

abei wäre es alles andere als vermessen, diesem Jubiläum, dazu gibt es TV-Sendun- kirche Wagrain unter dem Motto „Mitten im Dfür das weltweit meistgesungene Weih- gen auf ORF 2 (8.12.), 3SAT (20.12.) und Winter is a Rosen aufbliad“. nachtslied und seine Entstehungsgeschichte TW1 (24.12.). Im Kunstraum Pro Arte in die Rolle als erste Geige zu beanspruchen: In Hallein präsentieren Künstler bis 20. De- Rosen im Winter rund 300 Sprachen und Dialekte wurde zember Kunst-Positionen zum Thema „Stille Mariapfarr beherbergt unter anderem das „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ bereits über- Nacht in Hallein“. Am 13. Dezember gibt es 11. Joseph-Mohr-Singen am 6. Dezember setzt – von Awie Afrikaans („Stille Nag“) bis das Stille-Nacht-Adventsingen in der Pfarr- und die Dorfweihnacht im Arkadenhof am Z wie Zulu („Busuku obuhle“). In fast allen Ländern der Erde ist das Lied – getextet von Joseph Mohr und komponiert von Franz Xaver Gruber – bekannt, jährlich wird die Melodie von zwei Milliarden Menschen am Heiligen Abend gesungen, etwa 50.000 Men- schen pilgern jedes Jahr zur Stille-Nacht- Kapelle in Oberndorf, davon zwei Drittel zu Weihnachten; Tendenz steigend. Beschaulichkeit, vor allem in der geruh- samen Zeit des Advents, scheint der wahre Schlager zu sein. Besonders heuer – zum 190-Jahr-Jubiläum – bieten sich zahlreiche Gelegenheiten, in die Historie des Liedes einzutauchen: Das Salzburg Museum zeigt die Ausstellung „190 Jahre Stille Nacht“, wobei erstmals die originale Niederschrift des Weihnachtsliedes in einer öffentlichen Ausstellung zu sehen ist. Das Buch „Stille Nacht. Die Autographen von Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber“ mit Dokumenten zur Geschichte des Liedes ist seit kurzem im Buchhandel sowie in den Museen und Ge- meinden der Stille-Nacht-Gesellschaft er- hältlich. In Oberndorf wird am 8. Dezember das Weihnachts-Sonderpostamt in Anwesen- heit von Bundespräsident Heinz Fischer ein- geweiht und dazu das Buch „Wege, Sta- tionen, Erinnerungen“ über 190 Jahre Stille Nacht präsentiert. Dazu gibt es ebenfalls in Oberndorf eine Sonderausstellung weih- nachtlicher Holzschnitte im Heimatmuseum unter dem Motto „Die Engel bauen den Himmel mit goldenen Ziegeln“. ORF Radio Salzburg widmet seinen Ra- diofrühschoppen am 25. Dezember, 11 Uhr,

*) Dieser Beitrag ist am 24. November 2008 in der Informations- und Veranstaltungsplattform für Land und Stadt Salzburg http://www.salzburgermonat.at/ erschienen. Wir danken für die Genehmigung, ihn Foto: Stille Nacht Gesellschaft / Tourismusverband Oberndorf hier präsentieren zu können. Beliebtes Ausflugsziel: Die Stille-Nacht-Kapelle in Oberndorf.

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20. und 21. Dezember aufgeführt. Das Hi- storienspiel zeigt den Kontext, in dem das Lied entstand, auf und gewährt einen Ein- blick in die Adventbräuche der Schifferge- meinde. Beim Schiffertheater war es Jahr- hunderte lang Tradition, daß einzelne Fami- lien spielten. Die älteste der Theatergesell- schaften war die der Familie Standl, sie exi- stierte noch bis 1907. Mit der Wiedergrün- dung wird nach mehr als hundert Jahren eine alte Tradition wiederbelebt. Auch das Salzburger Adventsingen wird 190 Jahren Stille Nacht Reverenz erweisen. Bis bis 14. Dezember wird an den Wochen- enden im Großen Festspielhaus der sozio- kulturelle Hintergrund des Liedes in den Wirren seiner Zeit um 1818 in einem neuen szenisch-musikalischen Werk dargestellt.

Siegeszug um die ganze Welt Daß „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ mitt- lerweile einen Siegeszug um die ganze Welt angetreten hat, ist bekannt. Zahlreiche CDs, Bücher, Filme und vieles mehr dokumentie- ren die weltweite Bekanntheit des Liedes. Symposien wurden abgehalten, Museen er- richtet und Gesellschaften gegründet. Sogar ein fast fünf Millionen Kilometer von der Sonne entfernter Asteroid wurde nach den Schöpfern des Stille-Nacht-Liedes benannt. Webseiten-Betreiber rund um den Globus Fotos: ARGE Stille Nacht Land Salzburg beschäftigen sich mit dem Salzburger Weih- Joseph Mohr schrieb den Text zum berühmtesten Weihnachtslied. nachtslied. Unter http://www.stille-nacht.nl 14. Dezember. Traditionelle Höhepunkte Theater um die »Stille Nacht« sind nicht weniger als 3700 Ausführungen sind dann am 24. Dezember das Gedächtnis- Das Stille-Nacht-Lied fasziniert Men- des Liedes gesammelt. In Salzburg bietet die Singen am Grubergrab in Hallein und die schen nah und fern, und Stille Nacht dient „Stille Nacht Gesellschaft“ umfassende In- Stille-Nacht-Gedenkfeier vor der Gedächt- als Inspiration für die Künste. Nach mehr als formationen und sammelt ausgewähltes Ma- niskapelle auf dem Stille-Nacht-Platz in hundert Jahren hat sich das „Schiffertheater terial aus verschiedensten Ländern. Neben Oberndorf (beides ab 17 Uhr), zu der wieder Laufen – Theatergruppe Standl“ von Josef http://www.stillenacht.at gibt es noch einige Tausende Menschen erwartet werden und A. Standl wieder gegründet und widmet ihre weitere informative Webseiten, darunter die per Web-Kamera als Live-Stream im erste Produktion dem Stille-Nacht-Jubiläum. http://www.stillenacht.info (mit Live- Internet in die ganze Welt übertragen wird. Unter der Regie von Kurt Hinterhofer wird Stream), http://www.stillenachtland.at oder Die Touristiker haben sich zum 190- das Stück „Hirten erst kund gemacht!“ am http://www.stillenacht-oberndorf.at „ Jahre-Jubiläum für die Gäste noch einiges mehr einfallen lassen: So gibt es beispiels- weise die „Stille Nacht Card“. Mit der Karte können die sechs Stille-Nacht-Orte im Land Salzburg – Oberndorf, Arnsdorf (Gemeinde Lamprechtshausen), Salzburg, Hallein, Wagrain und Mariapfarr – auf einer indivi- duellen Erkundungstour durch Ausstellun- gen, Museen und Kirchen entdeckt werden. Die „Stille Nacht Card“ ermöglicht den kostengünstigen Eintritt in die Museen, ist vier Wochen ab Ausstellungsdatum gültig und in den sechs Orten erhältlich. Die Karte kostet für Kinder 2,50 Euro und für Er- wachsene fünf Euro. Dazu gibt es mit Über- nachtungen kombinierte Angebote. Stille Nacht – gesungen von Groß und Klein, aus Nah und Fern.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 89 Österreichischer Film Beste Nachwuchsfilme Das Filmfestival film:riss zeigte von 10. bis 15. November in Salzburg die Vielfalt der studentischen Filmkultur Österreichs. Die besten Studentenfilme kommen 2008 aus Innsbruck, Wien, Hagenberg und Linz.

ls prominente Gäste konnten beim AThemenschwerpunkt „Humor im Film“ der Kabarettist und der Regis- seur Harald Sicheritz gewonnen werden. film:riss, das Festival der studentischen Filmkultur in Salzburg, wurde Mitte No- vember bereits zum achten Mal Treffpunkt für alle Interessierten am jungen österreichi- schen Film – zum vierten Mal österreich- weit. Das Festival bot an sechs Tagen neben abendlichen Filmpräsentationen mit 60 Fil- men an der Universität Salzburg ein breites Rahmenprogramm mit einer Ausstellung, Lectures und Workshops zum Themen- schwerpunkt Humor im Film.

Die film:riss Awards 08 Die Veranstalter haben aus über 140 Ein- reichungen ein Filmprogramm zusammenge- stellt, das mit 60 Arbeiten die beeindrucken- de Vielfalt des studentischen Filmschaffens in Österreich zeigt. „Erfreulich war, wie gut Josef Hader mit Festivalleiter Dominik Tschütscher Foto: film:riss die Filmprogramme beim Publikum und auch den Jurymitgliedern angekommen sind. (Publikumspreis): ONDE SONORE ten die Veranstalter in diesem Jahr mit meh- Zudem freut es mich, daß praktisch alle (Martina Stiftinger, FH Hagenberg). reren Lectures einen Schwerpunkt zum The- FilmemacherInnen beim Festival anwesend ma Komödie / Humor im Film. Der Kaba- waren und sich sehr sympathisch präsentier- Fiktion Wettbewerb (Jurypreis): rettist Josef Hader und Regisseur Harald ten“, so Festivalleiter Dominik Tschütscher. ATA MORGANA Sicheritz diskutierten mit dem anwesenden Prominente Juroren wie Harald Sicheritz (Sinisa Vidovic, Kunstuniversität Linz). Publikum über die Kunst der Komödie und (Regisseur von u.a. Hinterholz 8, Poppitz, Fiktion Panorama (Publikumspreis): ihre persönlichen Sichtweisen zum Genre. MA 2412) und Barbara Pichler (Diagonale) McFINNEN & WALLACE Eine Ausstellung in der Galerie 5020 wurde sowie das anwesende Publikum prämierten (Robert Spindler, Universität Innsbruck). von der Vorjahressiegerin der Kategorie an sechs Abenden die besten Studentenfilme Kunstfilm, Iris Blauensteiner, gestaltet. "Wir Österreichs. Erstmals wurden auch Sieges- Doku Wettbewerb (Jurypreis): freuen uns über den großen Publikumszu- prämien im Gesamtwert von 4000 Euro ver- 2008 nicht vergeben spruch bei den unterschiedlichen Filmpro- geben. Diese wurden von den Kulturabtei- grammen und insgesamt über wachsende lungen von acht Bundesländern gestiftet. Doku Panorama (Publikumspreis): Besucherzahlen“, so zieht Festivalleiter Darüber hinaus vergaben die Drehbuchwerk- PICK WIEN AN Tschütscher Bilanz. Die Qualität des Festi- statt Salzburg einen Drehbuchpreis (spec_ (von David Paede und Barbara Sas, SAE vals stimmte: „Was wir erhofft hatten, mit script Award, 1000 Euro) und die Arbeiter- Institute Wien). dem Festival zu erreichen, wurde übertrof- kammer Salzburg einen Förderpreis (Thema spec_script Award (Bestes unverfilmtes fen. Wir hatten das Beste, was der Nach- „Arbeitswelten“, 600 Euro). Drehbuch): ABGESTEMPELT wuchsfilm derzeit zu bieten hat, beim Fe- (Michael Rittmannsberger, FH Salzburg). stival und wir werden weiterhin versuchen, film:riss Preisträger 2008 hochkarätige Filmprogramme und Gäste wie Kunstfilm Wettbewerb (Jurypreis): Förderpreis AK Salzburg („Arbeitswelten“): Josef Hader oder Harald Sicheritz nach Salz- VERTIGO RUSH (Johann Lurf, Akademie TATA MORGANA (Sinisa Vidovic, burg zu bringen“, so der Festivalleiter ab- der bildenden Künste Wien). Lobende Kunstuniversität Linz). Josef Hader und schließend. Harald Sicheritz erklären „Humor“ Die nächste Ausgabe von film:riss wird Erwähnung: HEIM voraussichtlich im November 2009 in Salz- (Claudia Larcher, Universität für ange- Neben einem Drehbuchworkshop, bei burg stattfinden. „ wandte Kunst Wien), Kunstfilm Panorama dem 132 Arbeiten eingereicht wurden, setz- http://www.filmriss.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 90 Film in Österreich II. Mittelamerikanisches Filmfestival in Wien Das Mittelamerikanische Filmfestival, das im November 2008 zum zweiten Mal stattfand, erfreut sich einer bemerkenswerten Entwicklung.

Von Malgorzata Glac.

ezeigt wurden 33 der aus rund 70 aus- Ggewählten Filme, die teilweise von Ver- tretern der jeweiligen Botschaften vorge- stellt wurden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Programm um das Doppelte gewachsen, was sich nicht nur in der Zahl der Vorfüh- rungen, sondern auch in den Besucherzahlen positiv widerspiegelte – über 1200 Zuschau- er an 6 Spieltagen – das bewegte die Organi- satoren dazu, Zusatztermine anzubieten und größere Räume zu mieten. Nichtsdestotrotz behielt das Filmfest den, vom Vorjahr be- kannten, gemütlichen und persönlichen Rah- men bei – Live Musik, landesübliche Aperi- tifs und nettes Ambiente sorgten für das Wohlbefinden des Anwesenden. Das Festival gibt dem Wiener Publikum die, oft einmalige, Möglichkeit, sich der zen- tralamerikanischen Filmproduktion zu nä- Fotos: Mittelamerikanisches Filmfestival hern und die Tendenzen und Fragestellungen Zum besten Dokumentarfilm gewählt Publikum »Querido Camilo«, Costa Rica 2007 der dortigen FilmemacherInnen zu erkun- Kriegsverweigerers aus Gewissensgründen den. im Irakkrieg, des Soldaten der US-Armee, Die verliehenen Filmpreise orientierten Camilo Mejía. sich vollkommen am Geschmack des Pu- In der Kategorie Animationsfilm gewann blikums, das während des ganzen Festivals „Virus“ (Omar E. Carías, Honduras 2007), mittels Votingkarten seine Meinung zu den eine 4-minütige Präsentation von drei lusti- einzelnen Filmen mitteilen konnte. Hier das gen Protagonisten in einem Ausnahme- Ergebnis der Abstimmung: zustand. In der Kategorie Spielfilm gewann Den Sonderpreis des Publikums erhielt „V.I.P. La otra casa“ (Elías Jiménez, Gua- der Dokumentarfilm „3 Kings of Belize“ temala 2007). Es ist die Fortsetzung von „La (Katia Paradís, Belize 2007). Die Titelhelden casa de enfrente“ (2003), einer Auseinander- sind jedoch keine animierten Figuren, son- setzung mit dem Problem der Korruption. dern drei bejahrte Musiker, die versuchen, Die Hauptfigur, ein opportunistischer Auf- die Einsamkeit zu verbannen. steiger, kommt wegen der Rachsucht eines Es darf nicht vergessen werden, daß ein verhafteten Ministers ebenfalls ins Gefäng- so junges Festival hauptsächlich dank der nis und muß sich dort gegen alle und alles Zusammenarbeit und dem außergewöhnli- bewähren. chen Engagement der Veranstalter bestehen Als bester Kurzfilm erwies sich „Tempo- kann. ral“ (Paz Fábrega, Costa Rica 2006), die In diesem Fall handelt es sich um eine Darstellung einer Rebellion gegen die umge- sehr kleine, jedoch besonders aktive Gruppe bende Welt und die unaufhaltsamen Ver- von Mitarbeitern, die hoffentlich bis zum änderungen. kommenden Jahr reiche Unterstützung sei- Zum besten Dokumentarfilm wählte das tens netter Leute erhalten werden, die bereit Publikum „Querido Camilo“ (Julio Molina sind, ihre Zeit und ihre Ideen einem sehr in- Montenegro und Daniel Ross Mix, Costa teressanten Projekt zu widmen. „ Rica 2007). Es ist die Geschichte des ersten http://www.centroamerica.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 91 Serie »Österreicher in Hollywood«

Der Wiener Autor Rudolf Ulrich dokumentiert in seinem Buch »Österreicher in Hollywood« 400 Einzel- biografien mit beigeschlossenen Filmografien und über 12.000 Film- und Fernsehproduktionen aus Hollywood mit österreichischer Beteiligung. In dieser Folge portraitiert er Erich von Stroheim Regisseur / Schauspieler / Autor

eter Noble, englischer Kritiker und der Poffizielle Biograf Erich von Stroheims, identifizierte den Künstler in seiner Doku- mentation „Hollywood Scapegoat“ (London 1950) noch immer als „Erich Oswald Hans Carl Maria Stroheim von Nordenwall“, Sohn eines Dragoner-Obersten und einer Kam- merfrau der Kaiserin Elisabeth, geboren am 22. September 1885 in Wien. Ebenso verfuhr der französische Filmhistoriker und langjäh- rige Leiter der Filmfestspiele von Cannes, Alle Foto: Archiv Ulrich Erich von Stroheim um 1919 Maurice Bessy, in seiner umfassenden Bild- monographie zum 100. Geburtstag des „en- fant terrible“ unter den Hollywood-Re- gisseuren der 20er Jahre. Das biografische Jahrbuch „Who‘s Who in France“ enthielt in der Ausgabe 1955/56 in ähnlicher Weise den Eintrag: „E.v.St., Pseudonym von Erich Stroheim von Norden Wall“. Der vermeintliche Aristokrat war indes nach authentischen Unterlagen der Sohn des »Blind Husbands« markierte den Beginn der markanten und kontroversen Regis- nach Wien zugezogenen Kaufmanns Benno seur-Karriere von Erich von Stroheim. Für das »Universal Jewel« zeichnete er als Hauptdarsteller, für die Regie und Story, das Drehbuch, Set Design und in eige- Stroheim aus dem schlesischen Gleiwitz nen Cutting Rooms für den Schnitt verantwortlich. (Preußen) und seiner aus Prag stammenden Ehefrau Johanna, geborene Bondy, Die im struierte Mythos vereitelten lange Zeit die 1914 in das Filmdorado am Pazifik. Er lieb- Umfeld der aufstrebenden Traumfabrik voll- tatsächliche Bestimmung seiner Herkunft. te es, die vielen untergeordneten Gelegen- zogene Selbstadelung des Parade-Österrei- Erich Oswald Stroheim kam Ende 1908 heitsarbeiten zu erwähnen, die ihm in den chers, Legenden und der von ihm selbst kon- (oder 1909) in die Vereinigten Staaten und ersten Jahren des Aufenthaltes im Land der

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 92 Serie »Österreicher in Hollywood«

Karriere, der Wiener avancierte danach für ein knappes Jahrzehnt zum König der Re- gisseure. Besessen von künstlerischen und perfektionistischen Ambitionen, führte er in einem wilden Umsturz Hollywood vom Bil- deralbum, lächerlichen Happy End-Film- chen und Komödien niedrigster Sorte weg zum Erzählkino und erschloß damit dem Medium eine neue Dimension und Richtung. Von seinen neun Stummfilmen sind „Blind Husbands“ (1919), „The Devil‘s Passkey“ (1920), „Foolish Wives“ (1922), „Greed“ „Gier“, 1924), und „The Merry Widow“ („Die lustige Witwe“, 1925) unbestreitbare, mit Avantgardismen durchsetzte, stilprägen- de Meisterwerke. Eine umfassende Beob- achtungsgabe ließ ihn das Spiel der gesell- schaftlichen Kräfte erkennen, als Antithese zur „art“ seines großen Lehrers stellte der autoritäre Gestalter in oft krasser Skizzie- rung von Dekadenz, obsessiver Atmosphäre und rauschhafter Sucht nach Lust und Erotik Der Wiener bei Arbeiten an »Greed«, einem Meilenstein der frühen Filmgeschichte, die puritanische Moral der Herrschenden der zu den verstümmelten Meisterwerken Stroheims zählt. Von dessen ursprüng- bloß. Seine sozialkritischen Aussagen, in lichen neun Stunden umfassender Version kam letztlich nur eine von MGM veran- epischer Handlungsbreite und steter Verbin- laßte zweistündige Fassung in die Kinos. dung mit perfekter Selbstinszenierung, ziel- unbeschränkten Möglichkeiten das Überle- blendungen und Großaufnahmen im Stil der ten verstärkt auf das alte, brüchige, österrei- ben sicherten. Seine Laufbahn begann in der Technik Griffiths. Das bemerkenswerte De- chische Empire. Stroheim verschmolz die unwiederholbaren Goldgräberzeit Holly- büt markiert den Beginn seiner legendären von ihm gewählten Stoffe in einer unnach- woods, als Komparse und Kleindarsteller bei der Griffith Company, später in Universal City, der Studiostadt des Württembergers Carl Laemmle. Während der 20monatigen Dreharbeiten an „Intolerance“ (1916), dem ersten Monumentalwerk der Filmgeschichte, wurde ihm in Assistenz des Altmeisters David W. Griffith dessen Arbeit zum Vorbild. Man beschäftigte ihn als Ausstatter, Cutter, Technical Advisor und Militärberater, Wesley Ruggles bot dem ehrgeizigen Auf- steiger im Vitagraph-Streifen „For France“ (1917) erstmals einen größeren darstelleri- schen Part. Stroheim schlüpfte in die Rollen arroganter preußischer Offiziere, porträtierte Spione, Schurken oder Herrenmenschen, sein Aussehen wirkte oft provokant, aber er zeigte in seinem Spiel auf der Leinwand, wie die äußere Pose die innere Haltung bestimmt und kunstvolle Artistik, bewußt gesetzte Gesten sowie besondere Details filmische Effekte bewirken. Laemmle erteilte ihm 1919 den ersten Regieauftrag. Mit dem Drama „Blind Hus- bands“, nach der eigenen Story „The Pin- nacle“, in der Mehrfachfunktion Produzent, Drehbuchautor, Regisseur und Star, verblüff- te Stroheim im Rahmen der Inszenierung durch sparsame Erzählung, geschickte Mon- Erich von Stroheim als Feldmarschall Rommel, neben Peter van Eyck und Franchot tagen sowie wirkungsvoll eingesetzte Über- Tone, in Billy Wilders »Five Graves to Cairo«

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 93 Serie »Österreicher in Hollywood«

de Zwänge den Kunstanspruch des Films manifestierten. Vom genialen Triumvirat der Gründerfiguren des amerikanischen Kinos war der Österreicher wohl die legendärste. Sein Werk, das ihm die Aufnahme in das ewige Pantheon der Filmkunst sicherte, hat nur in Fragmenten, in deformierten und zum Teil grotesk verstümmelten Fassungen über- lebt. Erst nach seinem Ableben wurde Stroh- eims Bedeutung gebührend gewürdigt, setz- te die Wiederentdeckung und Bewunderung ein. Sein Name, der auch am Walk of Fame (6822 Hollywood Boulevard, nahe dem El Capitan Theatre) an ihn erinnert, bleibt für immer ein Symbol für den unbeirrbaren, kompromisslosen Glauben an den Film und seine Möglichkeiten. Erich von Stroheim, seit 1926 amerikani- scher Bürger, zuletzt verheiratet mit der Schauspielerin Denise Vernac und kurz vor Stroheim als Regisseur an »The Wedding March« (1928), in dem er auch die Haupt- dem Tod noch mit dem Kreuz der Ehren- rolle übernahm. legion ausgezeichnet, starb am 12. Mai 1957 ahmlichen Mischung aus fast naiv anmuten- Titanen der visuellen Kunst und ein Erneu- in seinem französischen Domizil Maurepas der Romantik und unerhörter Realistik in die erer, arbeitete nur mehr vor der Kamera, ab im Department Seine-et-Oise, jetzt Yvelines, Perspektive seines Lebensverständnisses. Er November 1936 in Frankreich, 1939 bis westlich von Paris. „ gehörte zu den größten Regietalenten und Kriegsende aufgrund der Ereignisse in Eu- den erstaunlichsten Erscheinungen der ropa im „undankbaren“ Hollywood, danach it dem Buch „Österreicher in Holly- damaligen Epoche. Universal Pictures stieg erneut in französischen Produktionen. 1941 Mwood“ legte der Zeithistoriker Rudolf mit seinen Filmen in den Kreis der herausra- bis 1943 trat er auf einer Theatertournee Ulrich die lang erwartete Neufassung seines genden Produktionsgesellschaften auf. durch die Vereinigten Staaten in Joseph Kes- 1993 erstmals veröffentlichten Standardwer- Im Gegensatz zu all seiner Brillanz in der selrings Komödie „Arsenic and Old Lace“ kes vor. Nach über 12jährigen Recherchen Gestaltung von Charakteren, sozialen Ge- auf. Die Schauspieler-Karriere erreichte konnten 2004 die Ergebnisse in Form einer fügen und stimmigen Schauplätzen und jedoch trotz exemplarischer Rollengestal- revidierten, wesentlich erweiterten Buchaus- Dekors ignorierte der extravagante Genius tungen und großartiger Auftritte in Filmen gabe vorgelegt werden. „Diese Hommage ist jedoch hartnäckig kommerzielle Sachzwän- wie Jean Renoirs populärstem Werk „La nicht nur ein Tribut an die Stars, sondern ge und Beschränkungen. Ihm haftete bald grande Illusion“ („Die große Illusion“, 1937) auch an die in der Heimat vielfach Unbe- der nicht unbegründete Ruf an, der teuerste als aristokratischer preußischer Offizier oder kannten oder Vergessenen und den darüber- Regisseur und ein Verschwender zu sein. 1943 in Billy Wilders zweiter Hollywood- hinaus immensen Kulturleistungen österrei- Hollywood vergab jedoch keinen Freibrief Arbeit „Five Graves to Cairo“ („Fünf Gräber chischer Filmkünstler im Zentrum der Welt- für unnötige Extravaganzen. Obwohl ihm bis Kairo“) als Feldmarschall Rommel und kinematographie gewidmet: „Alles, was an die damals noch junge Filmkritik ein horren- in Lewis Milestones Tribut an die sowjeti- etwas erinnert, ist Denkmal“, schließt der des künstlerisches Potential attestierte, wur- schen Alliierten, „The North Star“, niemals Autor. de er mitten im Welterfolg von den Produ- die Relevanz seines direktoralen Wirkens. Rudolf Ulrich und der Verlag Filmarchiv zenten zusehends gemieden. Filme mit un- Zu einer der memorabelsten Leistungen Austria bieten Ihnen, sehr geehrte Leserinnen spielbarer Länge mußten unter seinem Pro- zählt, nach einem letzten Ruf der Film- und Leser, die Mög- test um die Hälfte oder bis zu zwei Drittel metropole 1950, die ihm selbst vom Leben lichkeit, in den kom- gekürzt werden bevor sie in die Kinos ka- aufgezwungene Rolle eines entthronten Re- menden Monaten im men, in denen sogar die Torsi noch Sensatio- gisseurs, an der Seite Gloria Swansons in „Österreich Journal“ nen waren. Als der „Teutone“ 1928 „Queen Billy Wilders Klassiker und ironischen einige Persönlichkei- Kelly“, einen Film für und mit Gloria Swan- Attacke auf die Filmindustrie, „Sunset ten aus dem Buch son, nicht mehr nach eigenem Konzept Boulevard“ („Boulevard der Dämmerung“). „Österreicher in Hol- beenden durfte, zumal auch der aufkom- Hollywoods Foreign Press Association ehrte lywood“ kennenzuler- mende Ton dem Werk jede Chance nahm, ihn dafür mit dem Golden Globe, die Aca- nen. mußte er sich nach jahrelangem Kampf ge- demy mit einer Oscar-Nominierung, wonach gen Studiobosse, Geldgeber und budgetäre sich Billy Wilder vergeblich um die Oscar- Rudolf Ulrich Restriktionen verbittert von der Filmregie Vergabe an Stroheim bemühte. „Österreicher in Hollywood“; 622 Seiten, zurückziehen. Alle Studios hatten sich in Der große Individualist steht gemeinsam zahlreiche Abb., 2. überarbeitete und erwei- einem unglaublichen Urteil verpflichtet, ihn mit Griffith und Charles Chaplin an vorder- terte Auflage, 2004; ISBN 3-901932-29-1; nie mehr zu beschäftigen. „Stro“, einer der ster Stelle der Gestalter, die gegen bestehen- http://www.filmarchiv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 66 / 28. 11. 2008 94 ÖJ-Reisetip Glöckler vertreiben Rauhnacht-Geister Lebendiges Winterbrauchtum am Traunsee im Salzkammergut

Von Alfred Komarek.

Vorbei am Seeschloss Orth kommen die Sternsinger über den See nach Gmunden. Foto: Oberösterreich Tourismus

ie Szene wirkt gespenstisch: Unter den Die Natur im Wechsel der Jahreszeiten lerlaufen in Ebensee, Traunkirchen, Altmün- Dhunderten Menschen im tiefen Dunkel und das Leben der Menschen gehören in die- ster und Gmunden holt mit einem magischen des Platzes ist es andächtig still geworden. ser Uferlandschaft ganz selbstverständlich Lichtertanz kleine Sonnen in die Dunkelheit. Nur ganz leise ist von weit entfernt Kuh- zusammen. Wenn der Winter ins Land zieht, Die weißgekleideten Gestalten laufen Krei- glocken-Geläut zu hören. Plötzlich tauchen der hartgefrorene Schnee unter den Schuhen se, Achter und Spiralen und sie tragen leuch- seltsame Gestalten mit großen, leuchtenden kracht und die klare Kälte den See dampfen tende „Glöcklerkappen“ auf den Köpfen: Kappen und lautem Getöse, Figuren sprin- läßt, ist hier so sehr Advent, wie kaum an- Große, kunstvoll geschmückte Gebilde aus gend und Weihnachtslieder singend im Men- derswo: Jetzt werden die schönen, oft viele Holz und Papier. Die an den Gürteln getra- schenrund auf. Sie sollen, so will es der hundert Jahre alten Krippen von den Dach- genen Glocken läuten dazu und wecken das Volksbrauch am oberösterreichischen Traun- böden geholt und mit liebevoller Sorgfalt in keimende Leben auf. In Neukirchen bei Alt- see, mit ihren „Glöcklerkappen“ und mit dem der Stube aufgestellt. Vom Christtag bis An- münster gibt es sogar einen ganzen Glöck- Lärm der zumeist riesigen Kuhglocken die fang Februar ist man in vielen Privathäusern lertag, der in den Glöcklerball im Gasthof bösen Mächte der Nacht und die Dunkelheit herzlich zum „Kripperlschauen“ eingeladen; Sägemühle mündet, und in Gmunden hat der des Winters vertreiben. Brauchtumsliebe auch eine „Kripperlroas“ unter kundiger Füh- vorchristliche Glöcklerlauf eine ebenso und -verbundenheit ist etwas, was man den rung ist möglich. christliche wie vielstimmige Ouvertüre. Eine Leuten in diesem Teil des Salzkammergutes Ist dann der winterliche Spuk der Rauh- uralte Legende erzählt, daß die Heiligen Drei im Advent und während der sogenannten nächte im Weihrauchduft verflogen, werden Könige dereinst auch durch das Salzkam- „Rauhnächte“ auch heute noch getrost nach- am Vorabend zum Dreikönigstag die dunk- mergut gezogen seien und nach einer Fahrt sagen kann. len Dämonen endgültig verjagt: Das Glöck- über den See in Gmunden Rast machten.

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Ihrem Beispiel folgen die Gmundner Stern- singer: Am Abend des 5. Jänner legt ihr Boot am Hauptplatz an. Der Gottessohn ist zur Welt gekommen, die alten Mächte der Finsternis hat man vor- sichtshalber verjagt: jetzt sollte es eigentlich doch einmal erlaubt sein, so zwischendurch lustvoller Narretei zu huldigen. Dafür sind in erster Linie die Ebenseer zuständig, welche im 17. Jahrhundert, als die Saline gebaut wur- de, gewitzt genug waren, Ausseer Faschings- bräuche zu übernehmen und die seitdem querköpfig und ideenreich genug sind, um daraus etwas sehr Eigenständiges zu ma- chen. Am Faschingssamstag hüpfen erst ein- mal die närrischen Kinder den Erwachsenen vor, wie‘s geht, am Sonntag vergnügen sich die ausgewachsenen Narren beim großen Fa- schingsumzug, der aber doch nur ein Vorspiel Glöckler am Traunsee, im Hintergrund der Traunstein für den furiosen Fetzenzug am Faschings- das Volk „Liebstatt“ als Aufforderung, ein- ander Liebe abzustatten. Das geschieht noch heute mit einem feierlichen Kirchgang in schöner Gmundner Tracht und Verschenken von verzierten Lebzelten. Bleibt noch ein tiefes, ernsthaftes Inne- halten, vor dem sonnenhellen Ostefest: Das Antlaßsingen in Traunkirchen. Seit 300 Jah- ren versammeln sich Frauen und Männer am Abend des Gründonnerstages, um an zwölf Stellen im Ortsgebiet Stunde für Stunde sin- gend die Passionsgeschichte nachzuvollzie- hen und auf dem Kalvarienberg im Morgen- grauen die Litanei vom bitteren Leiden zu beten. „ Ferienregion Traunsee A- 4810 Gmunden, Toscanapark 1 http://www.traunsee.at Närrisches Treiben beim Ebenseer Fet- zenzug Foto: Fotoclub Ebensee montag ist, ein Tag, der erst am Dienstag- morgen endet: zerlumpt, mit kunstvoll ge- schnitzten Holzmasken vor dem Gesicht, nehmen die „Fetzen“ Ebensee in Besitz. Dienstag haben dann wieder die Kinder Vortritt, weil die großen Narren Kraft für den Aschermittwoch sammeln müssen: für das Faschingssuchen, das Faschingsverbrennen und den Heringsschmaus. Dem folgt die Fastenzeit, wie sich das so gehört, doch schon am 4. Fastensonntag gibt es ein süßes Intermezzo: den Liebstatt- sonntag im Gmunden. In seinen Anfängen im 17. Jahrhundert bestätigen Bürger, die der Corpus Christi Gesellschaft angehörten, ein- ander an diesem Tag ihre brüderliche Liebe, gaben ein Festmahl und ließen auch die Armen daran teilhaben. Bald aber verstand Gmunden: Weihnachtliche Stimmung am Rathausplatz Fotos: Oberösterreich Tourismus

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