Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus Gedenkstunde des Deutschen Bundestages , 27. Januar 2017

Day of Remembrance for the Victims of National Socialism Ceremony of Remembrance at the German Bundestag Berlin, 27 January 2017

Inhalt Contents Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – Gedenkstunde des Deutschen Bundestages 61 Day of Remembrance for the Victims 6 Programm der Gedenkstunde of National Socialism – Ceremony of 8 Begrüßung durch den Präsidenten Remembrance at the German Bundestag des Deutschen Bundestages, 62 Programme Prof. Dr. Norbert Lammert, mit Lesung 64 Welcome statement by the President eines Briefes von Ernst Putzki durch of the German Bundestag, Sebastian Urbanski Professor Norbert Lammert, with a 22 Gedenkrede von Dr. Hartmut Traub reading by Sebastian Urbanski of 28 Gedenkrede von Sigrid Falkenstein a letter by Ernst Putzki 76 Speech by Dr Hartmut Traub 82 Speech by Sigrid Falkenstein 40 Epilog 40 Sebastian Urbanski 92 Profiles 40 Sigrid Falkenstein 92 Sebastian Urbanski 41 Dr. Hartmut Traub 93 Sigrid Falkenstein 41 Norbert von Hannenheim 93 Dr Hartmut Traub 41 Felix Klieser 93 Norbert von Hannenheim 41 Moritz Ernst 93 Felix Klieser 93 Moritz Ernst 43 Jugendbegegnung des Deutschen Bundes- tages anlässlich des Gedenktages 95 The German Bundestag’s Youth Encounter 44 Jugendbegegnung 2017 marking the Ceremony of Remembrance 46 Gedanken zur Jugendbegegnung des 96 Youth Encounter 2017 Deutschen Bundestages 2017 von 98 Reflections on the German Bundestag’s Leonie Schulte Youth Encounter 2017, by Leonie Schulte

55 Ausstellung 105 Exhibition „Wir sind viele“ We are many

In der Mediathek des Deutschen Bundestages The German Bundestag’s Media Library (www.bundestag.de/mediathek) finden sich ein (www.bundestag.de/mediathek) contains a full vollständiger Mitschnitt der Gedenkstunde, ein recording of the Ceremony of Remembrance, kurzer Filmbeitrag über die Jugendbegegnung, a short film on the Youth Encounter, a ein Mitschnitt des Podiumsgesprächs zwischen recording of the panel discussion between Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt, Ulla Schmidt, Vice-President of the Bundestag, Dr. Hartmut Traub, Sigrid Falkenstein und Dr Hartmut Traub, Sigrid Falkenstein and Sebastian Urbanski sowie eine kurze Reportage Sebastian Urbanski, along with a short report über die Ausstellung. on the exhibition. 4 Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus Gedenkstunde des Deutschen Bundestages Berlin, 27. Januar 2017 Begrüßungsansprache des Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert

Brief von Ernst Putzki, gelesen von Sebastian Urbanski

Klaviersonate Nr. 3, 2. Satz Adagio von Norbert von Hannenheim, gespielt von Moritz Ernst

Gedenkrede Dr. Hartmut Traub

Gedenkrede Sigrid Falkenstein

„Todeserfahrung“ von , mit Musik von Norbert von Hannenheim, interpretiert von Felix Klieser (Horn), begleitet am Klavier von Moritz Ernst

Programm der Gedenkstunde

6 Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert (v. l.), gefolgt von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsidentin Malu Dreyer und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle

Walking to their seats, from left to right: Federal President Joachim Gauck and Norbert Lammert, Presi- dent of the Bundestag, followed by Federal Chancellor Angela Merkel, Malu Dreyer, President of the Bundesrat, and Andreas Voßkuhle, President of the Federal Constitu- tional Court

7 Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Frau Bundeskanzlerin! Frau Bundesratspräsidentin! Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts! Exzellenzen! Verehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist heute fast auf den Tag genau 75 Jahre her, dass 15 hochrangige Vertreter des Nazi- regimes in einer Berliner Villa im Westen der Hauptstadt zusammenkamen, um mit unfassbarer Menschenverachtung den millionenfachen Mord an den europäischen Juden möglichst effizient zu organisieren, der damals längst beschlossen war und auch seit Langem begonnen hatte. Hermann Göring hatte Reinhard Heydrich beauftragt, „in Ergän- zung der Ihnen bereits mit Erlaß vom 24.1.39 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung zuzuführen“ und „alle erfor- derlichen Vorbereitungen in organisatorischer,

Begrüßung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert, mit Lesung eines Briefes von Ernst Putzki durch Sebastian Urbanski

8 sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa“. Die Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 spiegelt jene zynisch technokratische zuvor zwangssterilisiert und auf andere Weise Unmenschlichkeit und ideologisch verbrämte gequält. „Die Barbarei der Sprache ist die Barbarei wider, die neben Juden auch andere Barbarei des Geistes“, hat Dolf Sternberger Gruppen unschuldiger Menschen traf. Ihrer, einmal geschrieben, der bereits 1945 ein der Millionen Entrechteter, Gequälter und „Wörterbuch des Unmenschen“ zusammen­ Ermordeter, gedenken wir heute: der Sinti und getragen hat. Und tatsächlich: Die „Eutha- Roma, der Millionen versklavter Slawen, der nasie“ begann mit der denunziatorischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, der Entmenschlichung ihrer Opfer, die als „nutz- Homosexuellen, der politischen Gefangenen, lose Esser“, „seelenlose menschliche Hüllen“ der Christen, der Zeugen Jehovas, all derer, verunglimpft wurden und – in den Worten die wegen ihrer religiösen und politischen der Täter – der „Ausmerzung“ bedurften. Überzeugungen von der nationalsozialisti- „Die Barbarei der Sprache ist die Barbarei schen Ideologie zu Feinden erklärt, verfolgt des Geistes“ – aus Worten wurden Taten. und vernichtet wurden. Wir erinnern auch an Zwischen „Euthanasie“ und dem Völkermord diejenigen, die mutig Widerstand leisteten. an den europäischen Juden bestand ein enger Wir gedenken in diesem Jahr besonders Zusammenhang. Als „Probelauf zum Holo- der Kranken, Hilflosen und aus Sicht der caust“ gilt das Töten durch Gas, das zuerst NS-Machthaber „Lebensunwerten“, die im bei den „Euthanasie“-Opfern praktiziert und sogenannten „Euthanasie“-Programm ermor- damit zum Muster für den späteren Massen- det wurden: 300 000 Menschen, die meisten mord in den NS-Vernichtungslagern wurde.

„‚Die Barbarei der Sprache ist die Barbarei des Geistes‘ – aus Worten wurden Taten“ – Bundes- tagspräsident Norbert Lammert bei seiner Begrüßungsrede

“‘Barbarity of language is barbarity of spirit’ – and words became deeds” – Norbert Lammert, President of the Bundestag, delivering his welcome statement

9 Und auch personell gab es bedrückende Kontinuitäten: Über 100 Ärzte, Pfleger und sonstige Beteiligte an den Krankenmorden, deren erste Phase 1941 geendet hatte, setzten Stimmen laut, die Kranken und Schwachen ihr Tun bruchlos in den Vernichtungslagern das Lebensrecht absprachen. Die Zahl der für KZ-Häftlinge fort. Euthanasiebefürworter nahm nach dem Ersten Der Begriff „Euthanasie“ – „schöner Tod“ – Weltkrieg drastisch zu, selbst in den liberalen ist keine Erfindung der Neuzeit. Er findet sich USA. Dass auch hier Ärzte, Richter und bereits in der Antike und beschreibt verharm- Politiker Überlegungen zur Eugenik anstellten, losend die Tötung von als nicht lebenswert diente noch bei den Nürnberger Prozessen eingestuften Menschen. Über evolutionsbio- deutschen Verteidigern als Argument zur logische Betrachtungen des 19. Jahrhunderts Entlastung ihrer Mandanten. entwickelte sich der Begriff in der sogenannten Aber es gibt natürlich einen wesentlichen Rassenhygiene bzw. Eugenik weiter, und zwar Unterschied zwischen dieser Debatte und in vielen Ländern. Demnach waren es sich dieser Vorstellung in Deutschland und vermeintlich „fortgeschrittene“ Völker angeb- anderswo. Während es zwar auch in anderen lich schuldig, ihre sogenannte erbbiologische Ländern zu entwürdigenden Eingriffen kam, Substanz zu bewahren, um im behaupteten aber eben nicht zu vorsätzlichen, schon gar „Kampf ums Dasein“ zu bestehen. Sollten systematischen Tötungen, fielen in Deutsch- am Anfang nur die Gesunden und Starken land die letzten Hemmungen, folgte hier gefördert werden, wurden zunehmend hunderttausendfacher Mord.

10 Blick auf die Ehrentribüne

Guests of honour in the visitors’ gallery

11 zogen die Täter während des Krieges immer weiter. Zuletzt brachten sie alle Menschen um, denen Hitler und seine Mittäter sogenanntes abweichendes Verhalten attestierten, darunter Nichtsesshafte, Unangepasste, Querulanten, Regimegegner, Kriegsgefangene. Meine Damen und Herren, das Morden ging nach Kriegsende weiter. Ärztliche Überzeu- Die Vorbereitungen begannen schon gungstäter in Anstalten wie Kaufbeuren oder 1933. Bereits das in diesem ersten Jahr Irsee konnten ihr zynisches Treiben bis Juli der NS-Diktatur erlassene „Gesetz zur 1945 fortsetzen, indem sie die Besatzungs- Verhinderung erbkranken Nachwuchses“ mächte mit der am Eingang plakatierten gestattete brutale Eingriffe in die Würde Falschmeldung „Typhus“ davon abhielten, von behinderten Menschen. Dazu zählten die Anstalten zu betreten. Dies gehört zu Zwangssterilisierungen, die in nicht wenigen den vielen empörenden Aspekten der „Eutha- Fällen zum Tod des Patienten führten und die nasie“, die kaum ins kollektive Gedächtnis späteren systematischen Mordaktionen bereits gelangt sind, ebenso die Tatsache, dass diese ahnen ließen. Diese setzten mit Ausbruch des Verbrechen mitten in Deutschland verübt Zweiten Weltkrieges ein, als Ärzte und Pfle- wurden: In Dutzenden sogenannter Heil- und gepersonal begannen, geistig Behinderte und Pflegeanstalten mordete das medizinische pflegebedürftige Menschen, Kriegsinvalide Personal, am schlimmsten in den sechs Verga- und psychisch kranke Soldaten mit Gas zu sungseinrichtungen Hadamar in Nordhessen, ersticken. Den Kreis der Opfer dieser Eskala- Grafeneck bei Reutlingen, Brandenburg an der tion, in der der Tod auch durch Verhungern, Havel, Bernburg an der Saale, Sonnenstein bei falsche Medikamente und das Setzen von Pirna und Hartheim bei Linz in Österreich. Giftspritzen herbeigeführt wurde, Dorthin wurden die Patienten verbracht,

Übertragung der Gedenkstunde am Fernseher auf der Plenarsaalebene

Live broadcast of the Ceremony of Remembrance on-screen outside the plenary chamber

12 Kirchen. Die Namen des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen oder des evangelischen Landesbischofs von Württem- berg Theophil Wurm stehen für diejenigen, die aus Nächstenliebe handelten und den Mut hatten, sich dem inhumanen Zeitgeist zu widersetzen. Widerstand war gefährlich, aber er war möglich! Und er blieb auch nicht folgenlos. Direkt nach Galens Predigten wurde die „Aktion T4“ – die offizielle erste Phase der Tötungen – im August 1941 eingestellt. Dass die ärztliche Gutachter zur gezielten Tötung die Morde dezentral als sogenannte wilde selektiert hatten. Euthanasie weitergingen, schmälert den Rang Aufbegehren gegen die systematische Tötung des Widerstandes nicht. Aber es bleibt die vermeintlich „lebensunwerten“ Lebens gab es quälende Frage, was hätte verhindert werden wenig – wohl auch deshalb, weil Angst und können, wenn mehr Menschen aufbegehrt Scham gegenüber vermeintlicher „Abnormi- und zu ihren eigenen ethischen Prinzipien tät“ verbreitet waren und von der bequemen gestanden hätten. Schutzbehauptung unterstützt wurden, die Meine Damen und Herren, seit der Antike Betroffenen empfänden ihr Dasein selbst als verpflichtet der Eid des Hippokrates Ärzte auf Qual und man täte ihnen einen Gefallen, das Wohl ihrer Patienten. „Ich schwöre“, heißt behauptetes Leid zu beenden. Wer so dachte, es dort, „daß ich nach meinem Vermögen und brauchte kein Mitgefühl und machte sich Urteil […] Verordnungen […] treffen [werde] uneingestanden zum Komplizen der Täter. zum Nutzen der Kranken […], mich davon Nennenswerter Widerstand ging allein von fernhalten [werde], Verordnungen zu treffen Menschen aus, deren Mitgefühl stärker war zu verderblichem Schaden und Unrecht. […] als ihre Berührungsangst gegenüber Menschen In welches Haus immer ich eintrete, eintreten mit Behinderungen. Dies waren einzelne werde ich zum Nutzen des Kranken, frei Richter und Angehörige der Opfer, vor allem von jedem willkürlichen Unrecht und jeder aber einzelne Vertreter der christlichen Schädigung […].“

13 In grausamem Gegensatz dazu steht die Beteiligung deutscher Mediziner am Holocaust und an der Ermordung von kranken und behin- derten Menschen. Willkür, Unrecht und die willentliche Schädigung von Schutzbefohlenen bestimmten das ärztliche Handeln. Die natio- nalsozialistische „Euthanasie“ pervertierte den hippokratischen Eid, weil die Morde heuchle- risch damit begründet wurden, sie dienten dem Erschütternd ist auch die jahrelange allgemeinen Wohl, auch dem der Patienten. Gleichgültigkeit in Wissenschaft, Medien In Wahrheit wurden „Ärzte zu Henkern“, wie und Politik. Eine Aufarbeitung fand lange Thomas Mann es ausdrückte. Sie betrieben Zeit nicht statt. Im Gegenteil: Ehemalige medizinische Versuche an Kleinkindern und Täter wurden zu Ordinarien befördert, mit Erwachsenen und verübten Massenmord aus Verdienstkreuzen geehrt, ihre Taten verdrängt Überzeugung, ohne Achtung für die Opfer. und die Opfer vergessen. Auch hier gilt Scham Nach 1945 wurde nur ein kleiner Teil beteilig- wohl als wesentliches Motiv, Scham darüber, ter Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern vor Schreckliches getan, zugelassen oder gebilligt Gericht gestellt, nicht wenige erst Jahrzehnte zu haben. Wegen solcher Verdrängung und nach der Tat. Viele Verfahren endeten wegen Verleugnung dauerte es Jahrzehnte, bis ein Verjährung oder dauerhafter Verhandlungsun- Sinneswandel einsetzte. Erst 2007 ächtete der fähigkeit der Angeklagten mit Freisprüchen. Deutsche Bundestag das Zwangssterilisations- Bedenkt man, dass als Spätfolge der gesetz des NS-Regimes, und nicht vor 2011 NS-Todesmaschinerie in manchen Anstalten konnten wir uns dazu durchringen, dem bis noch 1948 die Sterberaten bei über 30 Prozent dahin nur auf private Initiative ermöglichten und damit weit über dem Normalwert lagen, Gedenken an die NS-Krankenmorde mithilfe wirkt die Milde der Justiz auch heute schlicht öffentlicher Fördermittel einen angemessenen und einfach empörend. Rahmen zu verleihen: mit dem erst 2014

Blick in den Plenarsaal während der Eröffnungsrede

View of the plenary chamber during the welcome statement

14 nachfolgenden Generationen weiterzutragen. Meine Damen und Herren, alle Fakten zur eröffneten „Gedenk- und Informationsort“ am „Euthanasie“ bleiben ohne die Vergegenwärti- Schauplatz der früheren Zentraldienststelle in gung der Opfer abstrakt. Erst die Einzelschick- der Tiergartenstraße 4 in Berlin. sale der Gequälten und Ermordeten lassen Dass Gedenken überhaupt möglich wurde, uns wirklich erkennen, was unschuldigen geht auf das unermüdliche Engagement Menschen angetan wurde. Indem wir ihre Einzelner zurück. Ihnen schulden wir umso Geschichten hören und lesen, an uns größeren Dank, als sie lange Zeit heftiger Kritik heranlassen, geben wir den Opfern posthum ausgesetzt waren und als Nestbeschmutzer wenigstens ihre Würde zurück. galten. Heute führen Forscher, Schriftsteller Einer von ihnen war Ernst Putzki. 1902 und Filmemacher diese Pionierarbeiten von geboren, stammte er aus Oberdüssel und war Alexander Mitscherlich, Ernst Klee, Götz Aly Hilfsarbeiter. Bereits 1933 wurde er – wegen und anderen fort und tragen dazu bei, die rheumatischer Beschwerden – für eineinhalb längst überfällige Erinnerung zu befördern. Jahre in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Dieser notwendigen und dauerhaften Erin- Wunstorf untergebracht. 1942 nahm ihn die nerung dient nicht zuletzt das Engagement Gestapo wegen Verfassens und Verteilens der 78 Jugendlichen aus 15 verschiedenen von Schreiben angeblich „staatsfeindlichen Ländern, die auch in diesem Jahr als Gäste des Inhalts“ fest und ließ ihn wegen vermeintli- Bundestages an der heutigen Gedenkveranstal- cher „Geisteskrankheit“ in die Provinzheil- tung teilnehmen. Wie in jedem Jahr haben sich anstalt Warstein einliefern. 1943 wurde Ernst die Jugendlichen intensiv auf das Thema vorbe- Putzki in die Landes-Heilanstalt Weilmünster reitet und mit Zeitzeugen darüber gesprochen. verlegt. Von dort schrieb er den folgenden Sie beteiligen sich an der Gedenkstättenarbeit Brief an seine Mutter, den Sebastian Urbanski, ihrer Heimatländer und zeigen, wie es gelingen Schauspieler am integrativen Theater kann, das Wissen über die Vergangenheit an die RambaZamba in Berlin, nun vorträgt.

15 Sebastian Urbanski trägt den Brief Ernst Putzkis an dessen Mutter vor

Sebastian Urbanski reads Ernst Putzki’s letter to his mother

Seite 17: Ernst Putzki

Page 17: Ernst Putzki

16 Sebastian Urbanski:

Liebe Mutter! Wir haben heute schon 4 Jahre Krieg und verhungerten Menschen, habe ich in Wirklich- den 3.9.1943. Wir geben Nachrichten! Euer keit um mich. Brief kam am Sonntag d. 22.8. hier an. Die Die Kost besteht aus täglich 2 Scheiben Brot Stachelbeeren bekam ich nicht. Das angekün- mit Marmelade, selten Margarine oder auch digte Paket erhielt ich erst gestern und wurde trocken. Mittags u. abends je ¾ Liter Wasser wahrscheinlich zu Fuß hierhin gebracht. Der mit Kartoffelschnitzel u. holzigen Kohlab- Inhalt, 2 Pfund Äpfel u. eine faule matschige fällen. Die Menschen werden zu Tieren und Masse von stinkenden Birnenmus wurde mit essen alles was man eben von anderen kriegen heißhunger überfallen. Um eine Hand voll zu kann so auch rohe Kartoffel und Runkel, ja wir faulem Zeug rissen sich andere Todeskandida- wären noch anderer Dinge fähig zu essen wie ten drum. Meine Schilderungen aus Wunstorf die Gefangenen aus Rusland Der Hungertot wurden nicht geglaubt aber diese hier muß sitzt uns allen im Nacken, keiner weiß wer man glauben weil sich jeder von der Wahrheit der Nächste ist. Früher ließ man in dieser überzeugen kann. Also: Nachdem ich an Paul Gegend die Leute schneller töten und in der 2, an Paula 1 Brief von Warstein schrieb, Morgendämmerung zur Verbrennung fahren. schickte ich Dir 6 Tage vor dem Transport die Als man bei der Bevölkerung auf Widerstand Nachricht von unserer Übersiedlung nach traf, da ließ man uns einfach verhungern. hier und bat noch um Deinen Besuch. Der Wir leben in verkommenen Räumen ohne Transport war am 26. Juli und ich bin Montag Radio, Zeitung und Bücher, ja, ohne irgend genau 6 Wochen hier. eine Beschäftigung. Wie sehne ich mich nach Wir wurden nicht wegen der Flieger verlegt meiner Bastelei. Wir essen aus kaputtem sondern damit man uns in dieser wenig Essgeschirr und sind in dünnen Lumpen bevölkerten Gegend unauffällig verhungern gekleidet in denen ich schon mehr gefrohren lassen kann. Von den Warsteinern, die mit habe wie einen ganzen Winter in Hagen. Vor mir auf diese Siechenstation kamen, leben 5 Wochen haben wir zuletzt gebadet und ob nur noch wenige. Die Menschen magern hier wir in diesem Jahre noch baden, wissen wir zum Skelett ab und sterben wie die Fliegen. nicht. Alle 14 Tage gibt es ein reines Hemd u. Wöchentlich sterben rund 30 Personen. Man Strümpfe. Das ist Sozialismus der Tat. beerdigt die hautüberzogenen Knochen ohne Sarg. Die Bilder aus Indien oder Rusland von Euer Ernst

Brief Ernst Putzkis an seine Mutter vom 3.9.1943. Patientenakte Ernst Putzki. Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (LWV-Archiv), Best. 12, K 2274. Schreibweise und Zeichensetzung sind vom Original übernommen.

17 Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert:

Im September 1944 verlegten NS-Mediziner Ernst Putzki nach Hadamar, wo seit 1942 Patienten durch überdosierte Medikamente, Nahrungsentzug oder generelle Unterversor- gung ermordet wurden. Ernst Putzki starb zunehmend. Im Juli 1944 wiesen ihn Ärzte am 9. Januar 1945, nur wenige Monate nach in die Heil- und Pflegeanstalt Obrawalde seiner Einlieferung – angeblich an einer ein und lieferten ihn so der Maschinerie des Lungenentzündung. In seiner Krankenakte nationalsozialistischen Krankenmords aus. fanden sich zahlreiche abgefangene Schreiben Norbert von Hannenheim starb im September an Freunde und Familie, in denen er die 1945 – vorgeblich an Herzversagen. Nur 45 unmenschlichen Zustände in den Anstalten seiner 230 Kompositionen überdauerten die beschrieb. Auch Ernst Putzkis Brief aus Weil- Wirren des Kriegsendes, darunter das Adagio münster hat seine Mutter nie erreicht. der Klaviersonate Nr. 3, das wir gleich hören Nicht minder beklemmend ist die Geschichte werden. Norbert von Hannenheims, Künstler, Kompo- Nicht nur musikalisch, sondern auch in der nist, Meisterschüler Arnold Schönbergs. Mit Rückbesinnung von Verwandten sollen heute dem Machtantritt der Nationalsozialisten „Euthanasie“-Opfer dem Vergessen entrissen endete Norbert von Hannenheims vielver- und ihnen Persönlichkeit und Gesicht zurück- sprechende Musikerkarriere abrupt. Seiner gegeben werden. Zuerst wird Dr. Hartmut kreativen Ausdrucksmöglichkeiten beraubt, Traub von seinem Onkel Benjamin, den die verschlechterte sich sein psychischer Zustand Nationalsozialisten 1941 in Hadamar

Auch Jugendliche hören im Plenum die Eröffnungsrede von Bundestags- präsident Norbert Lammert

Young people, seated in the plenary chamber, during the welcome state- ment by Norbert Lammert, Presi- dent of the German Bundestag

Seiten 20 und 21: Der Pianist Moritz Ernst spielt während der Gedenkstunde im Plenum

Pages 20 and 21: Pianist Moritz Ernst performs in the plenary chamber dur- ing the Ceremony of Remembrance

18 töteten, berichten. Anschließend wird Sigrid Falkenstein an ihre Tante Anna Lehnkering erinnern, die 1940 in der Anstalt Grafeneck ermordet wurde. Für die mutige Bereitschaft, Einblicke in das Leben ihrer geschundenen Verwandten zu geben, aber auch die Tabui- „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie sierung zu beschreiben, mit der Familien und zu achten und zu schützen ist Verpflichtung Öffentlichkeit allzu lange auf das Vorgefallene aller staatlichen Gewalt.“ So heißt es unmiss- reagierten, möchte ich Ihnen beiden herzlich verständlich in Artikel 1 des Grundgesetzes. danken. Doch die Geschichte zeigt: Die Würde des Meine Damen und Herren, in Rainer Maria Menschen ist antastbar. Nirgendwo wurde Rilkes Gedicht „Todes-Erfahrung“, dessen dieser Nachweis gründlicher geführt als in Vertonung durch Norbert von Hannenheim am Deutschland. Gerade deshalb muss Artikel 1 Ende dieser Gedenkstunde zu hören sein wird, unserer Verfassung kompromisslose Richt- ist das Leben als Bühnenstück dargestellt. schnur unseres Handelns sein und bleiben, Der Tod spielt die Rolle des Bösewichts. Die ein kategorischer Imperativ, um nie wieder Menschen sind seine Opfer. Wir wissen heute, zuzulassen, dass Menschen ausgegrenzt, dass die Wirklichkeit komplizierter ist. Nicht verfolgt und in ihrem Lebensrecht beschnitten der Tod ist „böse“, wohl aber jene Menschen, werden. Das schulden wir Ernst Putzki, die ihn unter Missachtung aller ethischen Norbert von Hannenheim, Anna Lehnkering, Prinzipien bewusst und willentlich und ohne Benjamin Traub, das schulden wir allen Not herbeiführen. Opfern, derer wir heute gedenken.

19

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Lebensläufe haben ein langes Gedächtnis – persönliche Biografien ebenso wie gemein- same Geschichte. Was sich an Erfahrungen in ihnen aufbewahrt, kann im Laufe der Zeit überlagert, vertuscht, verdrängt, verdreht oder gar totgeschwiegen, nicht aber ungeschehen gemacht werden. Erinnern ist mehr als bloßes Zur-Kenntnis- Nehmen. Wer sich erinnert oder erinnert wird, dem werden Ereignisse und Erfahrungen persönlicher und kollektiver Vergangenheit ins Gedächtnis gerufen, seien sie freudvoll oder schmerzlich. Erinnern, so sagt es das Wort, geht uns innerlich an, es betrifft uns. Manches Erinnern erfordert Mut und Beharrlichkeit. Manches Erinnern ist eine Pflicht, die uns der Wille zur Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit gegenüber Schuld und Versagen auferlegt.

Gedenkrede von Dr. Hartmut Traub

22 70 Jahre nach dem Tod von Benjamin Traub, meinem Onkel, wandelte sich mein abstraktes Wissen über dessen Schicksal, veranlasst Benjamin Traub wurde am 25. November durch einen äußeren Anstoß, zu einer konkre- 1914 als jüngster Bruder meines Vaters in ten Erinnerung, einer Erinnerung an dessen Mülheim an der Ruhr geboren. Er war ein Lebens- und Leidensgeschichte. Angeregt freundliches, intelligentes und musisch durch die Aktion „Stolpersteine“ ging ich talentiertes Kind. Beni, wie ihn die Familie zwei Jahre auf Spurensuche: in Fotoalben, in nannte, war ein guter Schüler, er engagierte Gesprächen, in Tagebüchern, in Archiven, in sich in der Gemeindearbeit, er war bei persönlichen und öffentlichen Dokumenten. Nachbarn, Freunden und Bekannten beliebt. Am Ende dieser Erinnerungsarbeit standen Musiker wollte Beni werden. Jedoch: Im Jahr Erfahrungen und Einsichten, aber auch Fragen 1931 verletzte er sich mit einem Beil an der über meine Familie und über unser Land, die Hand. Der Schlag, der ein Holzscheit treffen mein Leben verändert haben. sollte, trennte ein Glied seines Fingers ab – ein „Das Denken an vergangene Angelegenheiten“, traumatisches Erlebnis, das eine Krise bei dem schreibt Hannah Arendt, „bedeutet für Jungen auslöste. Seine Selbsttötungsversuche menschliche Wesen, sich in die Dimension und hysterischen Anfälle konnte die Familie der Tiefe zu begeben, Wurzeln zu schlagen schließlich nur noch mit psychiatrischer Hilfe und so sich selbst zu stabilisieren, so daß man bewältigen. Im August 1931 wies man ihn nicht bei allem Möglichen – dem Zeitgeist, mit der Diagnose „Jugendschizophrenie“ in der Geschichte oder einfach der Versuchung – die Heil- und Pflegeanstalt Bedburg-Hau am hinweggeschwemmt wird.“ Niederrhein ein.

Gedenkrede von Hartmut Traub, der an das Schicksal seines ermordeten Onkels Benjamin Traub erinnert

Speech by Dr Hartmut Traub in remembrance of his murdered uncle Benjamin Traub

23 Gäste, die die Gedenkstunde von der Tribüne aus verfolgen

Guests in the visitors’ gallery

24 Benjamins Erkrankung fiel historisch in eine politische Umbruchphase der deutschen Geschichte, an deren Ende die Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler und damit der Beginn der Herrschaft des Nationalsozialismus standen. Bereits am 1. Januar 1934 waren Hitlers rassistische Ideen zur „Erbgesundheit seelischen und geistigen Erkrankungen. im Dienst der Rassenhygiene“ Gesetz. Dies Durch massive Propaganda wurde eine zielte darauf ab, „mit modernsten ärztlichen öffentliche Meinung gebildet, der zufolge Mitteln [...], was irgendwie ersichtlich krank diese Kranken dem Staat und der Gesellschaft und erblich belastet und damit weiter belas- ökonomische Ressourcen entzögen, die an tend ist, zeugungsunfähig zu erklären und dies anderer Stelle dringend benötigt würden. praktisch durchzusetzen.“ Man nannte sie „Ballastexistenzen“ – Im Jahre 1939 teilte Hitler dem Reichskommis- „lebensunwertes Leben“. sar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, Nach den Kriterien von „T4“ gehörte mein Karl Brandt, mit, dass „er nun eine bestimmte Onkel zum Kreis der Patienten, die für Lösung der Frage Euthanasie“ durchführen die Selektion und den Abtransport in eine wolle. Diese sogenannte Lösung erweiterte Tötungsanstalt vorgesehen waren. In einem „die Befugnis namentlich zu bestimmender Sonderabteil der Reichsbahn brachte man Ärzte so […], daß nach menschlichem ihn am 13. März 1940, mit weiteren 60 männ- Ermessen unheilbar Kranken bei kritischer lichen Patienten, von Bedburg-Hau in die Beurteilung ihres Krankenzustandes der Landes-Heilanstalt Weilmünster in Hessen – Gnadentod gewährt werden“ konnte. eine Durchgangsstation, die der Tötungsanstalt Ab 1939 organisierte die „Aktion T4“ in sechs von Hadamar als Zwischenanstalt diente. über das Reichsgebiet verteilten Tötungs- Exakt ein Jahr lebte und arbeitete Benjamin in anstalten die massenhafte Ermordung von dieser Anstalt, die eher einer Vorhölle denn Menschen mit körperlichen Behinderungen, einer psychiatrischen Klinik glich.

25 13. März 1941: Für 64 Patienten der „Heil- anstalt“ Weilmünster ist das der letzte Tag ihres Lebens. Alle möglichen Gründe für eine Zurückstellung von der Todesliste zählen nicht mehr. Das System der Mordmaschinerie 30 Kilometer geht die Fahrt durch die Hügel- von „T4“ nähert sich bei ihnen seinem poli- landschaft des Taunus in Richtung Westen. tisch gesteckten Ziel: „Ausmerze“ im Dienst Nach etwa einer Stunde erreichen sie Hada- der „Rassenhygiene“. Auch diese letzte Stufe mar. Die Busse parken in der Garagenhalle der Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ ist der Anstalt ein. Die Tore werden geschlossen. von den Konstrukteuren der „T4-Aktion“ bis Jetzt erst dürfen die Insassen aussteigen. Ihre ins Detail durchorganisiert. „Der Tod ist ein Ankunft wird abgeschirmt. Eine Flucht ist Meister aus Deutschland“, schreibt Paul Celan unmöglich. Durch einen eigens zu diesem in seiner „Todesfuge“ von 1952. Und dieser Zweck gebauten Schleusengang gelangen sie Tod ist ein besonderer. aus der Garage direkt ins Hauptgebäude. Auf dem Hof von Weilmünster warten Aufnahmeuntersuchung: Entkleidung, die grauen Busse der „Gemeinnützigen Vorstellung beim Arzt, Verabreichung von Krankentransport GmbH“, einer Unterab- Beruhigungsmitteln, Einsichtnahme in die teilung von „T4“, um die Todeskandidaten Krankenakte, Fotos, Vermerke – Anstaltsalltag, aufzunehmen. Während sie sich, wie der wie es scheint. Nur das, was vermerkt Anstaltsleiter später zu Protokoll geben wird, wird, verrät, worum es hier wirklich geht, auf einen Ausflug freuen, ihn gar auffordern, nämlich um die Feststellung einer tödlichen einzusteigen und mitzufahren, ist in der Krankheit für den Totenschein, die sich aus Tötungsanstalt Hadamar alles auf die Ankunft der Krankenakte erklären lässt, des Weiteren der Neuen vorbereitet. Für das examinierte um die Registrierung von Goldzähnen und Pflegepersonal der „Gemeinnützigen Stiftung um Hinweise auf sogenannte wissenschaftlich für Anstaltspflege“ ist dieser Tag – für uns ist interessante Krankheitsfälle. das unvorstellbar – ein „normaler“ Arbeitstag: Die Untersuchung ist beendet. Aber: Vor dem Menschen-Vernichtungs-Routine, durchge- Ankleiden noch in die Dusche. „Pfleger“ führt an 60 Patienten täglich – und das bereits treiben die Gruppe über eine schmale, dunkle seit mehreren Monaten. Treppe hinab in die „Duschkabine“ im Keller – Arglos steigen Benjamin und seine Schicksals- eine etwa drei mal fünf Meter große, weiß genossen in Weilmünster in die Busse. Etwa geflieste Kammer.

Seitlicher Blick auf die Gästetribüne

View across the visitors’ gallery

26 Benjamin steht nun mit 63 nackten Männern auf engstem Raum. Die Türe wird geschlossen. Unterdessen haben die „Brenner“, die Männer Was mag in den eingepferchten Menschen an den beiden Krematoriumsöfen von Hada- vor sich gehen? Angst, Panik? Was hören sie? mar, mit ihrer Arbeit begonnen. Was riechen sie? Mit wem stehen sie dicht bei Hubert Gomerski, „Brenner“ in Hadamar und dicht? Viel Zeit, zu reagieren, haben sie nicht. später im Juden-Vernichtungslager Sobibor, Der diensthabende Arzt, Dr. Günther Hennecke, berichtet bei seiner Vernehmung im Februar öffnet das Ventil der außerhalb des Raums 1947: deponierten Gasflasche. Aus der zweckent- „Dann habe ich geholfen[,] Leichen zu verbren- fremdeten Wasserleitung der „Duschkabine“ nen. […] Es waren ungefähr 40 bis 60 Stück. strömt Kohlenmonoxid. Benjamin wird es Auf einer blechernen Tragbahre wurden sie übel. Er verliert das Bewusstsein. Nach weni- zum Ofen gebracht. Es dauerte ungefähr 30 gen Minuten sind er und seine 63 Leidensge- bis 40 Minuten, bis eine Leiche verbrannt war. nossen am Gas erstickt. Es wurde tags und nachts gearbeitet, bis die Durch ein Kontrollfenster bewacht das Personal Leichen weg waren.“ den Ablauf des Massenmords. Was sie sehen, Auch Benjamins lebloser Körper wird am geben sie später zu Protokoll: 13. März 1941 aus der Gaskammer in das „Durch ein Guckloch konnte ich beobachten, Krematorium geschleift und dort verbrannt. daß nach etwa einer Minute die Menschen Im Rahmen der zentralisierten Massenmord- umkippten oder auf Bänken lagen. Es haben aktion von „T4“ wurden im Vernichtungs- sich keinerlei Szenen oder Tumulte abgespielt. keller von Hadamar von Januar bis August Nach weiteren fünf Minuten wurde der Raum 1941 in Vernichtungskeller von Hadamar entlüftet.“ 10 113 Männer, Frauen und Kinder mit Gas Das „technische Personal“ schleift nun umgebracht und in den beiden Öfen des die toten Körper aus der Gaskammer. Im Krematoriums verbrannt. Sezierraum werden den vorher registrierten Über der Stadt Hadamar stand über sechs Goldzahnträgern die Goldzähne gezogen. Den Monate lang – gut sichtbar – die dunkle sogenannten wissenschaftlich interessanten Rauchsäule aus dem Krematorium der Fällen wird das Gehirn entnommen. Tötungsanstalt auf dem Mönchberg.

27 Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es fällt schwer, danach weiterzusprechen. „Was nicht erinnert wird, kann jederzeit wieder geschehen, wenn die äußeren Lebensum- stände sich entscheidend verschlechtern.“ Diese Botschaft hat mir die Autorin und Bildhauerin Dorothea Buck mit auf den Weg gegeben. Dorothea, die im April 100 Jahre alt wird, war 19, als man sie als angeblich „erbminderwertigen“ Menschen zwangssteri- lisierte. Sie ist bis heute eine unermüdliche Kämpferin für eine menschliche Psychiatrie. Meine Hochachtung! Es ist nun an uns Nachgeborenen, die Erinnerung wachzuhalten; denn es gibt kein Verständnis für Gegenwart und Zukunft ohne Erinnerung an die Vergangenheit.

Gedenkrede von Sigrid Falkenstein

28 Hunderttausendfacher Massenmord an wehr- losen kranken und behinderten Menschen, ausgeführt von denjenigen, die sie schützen, Ihre Spur verlor sich dann in Formulierun- heilen und pflegen sollten! Die Opfer waren gen wie: „Sie wurde irgendwann in den keine anonyme Masse. Es waren einzelne 30er-Jahren in irgendeine Anstalt gebracht und Menschen, die lachten oder weinten, fröhlich ist irgendwo während des Krieges gestorben.“ oder traurig waren und wie wir alle Hoffnun- Fassungslos über dieses scheinbare Vergessen gen und Träume hatten. Die Erinnerung an begab ich mich auf Spurensuche und sie war jahrzehntelang ausgelöscht, auch in rekonstruierte Annas Biografie aus dem sehr vielen Familien. Das war Spiegel – wir haben bruchstückhaften Familiengedächtnis und es gehört – eines gesamtgesellschaftlichen vor allem mithilfe von Patientenakten und Prozesses von Verdrängen, Vertuschen und amtlichen Dokumenten. Verleugnen der Verbrechen. Anna kam 1915 im Ruhrgebiet zur Welt. Laut Es war ein Schock für mich, als ich 2003 per Akte entwickelte sie sich bis zu ihrem vierten Zufall den Namen meiner Tante Anna Lehn- Lebensjahr normal. Dann bemerkten die kering auf einer Liste von Opfern der „Eutha- Eltern, dass sie sehr schreckhaft, ängstlich und nasie“ im Internet fand. Als ich meinen Vater, unruhig wurde. Ein Arzt stellte fest: „Das Kind Annas jüngeren Bruder, mit dieser Entdeckung ist sehr nervös und bedarf guter Ernährung konfrontierte, bemühte er sich um Antworten, und viel Ruhe.“ aber der Erinnerungsprozess schien schwierig Über Annas schulischen Werdegang heißt es: und schmerzhaft zu sein. Nun sprach er zum „Wurde von der Volksschule nach kurzer Zeit ersten Mal über seine Schwester: der Hilfsschule überwiesen. Versteht alles, „Aenne“, so nannte er sie, „war so ein liebes, was man ihr sagt. […] ist charakterlich gutmü- sanftmütiges Mädchen. Sie hat so gerne mit tig, willig, folgsam und verträglich. Kann uns Kindern gespielt. Ja, das Lernen ist ihr lesen, schreiben und rechnen, das letztere nur schwergefallen.“ sehr schlecht.“

Gedenkrede von Sigrid Falkenstein, die an das Schicksal ihrer ermordeten Tante Anna Lehnkering erinnert

Speech by Sigrid Falkenstein in remembrance of her murdered aunt Anna Lehnkering

29 Aufgrund ihrer Lernbehinderung kann Anna keine Berufsausbildung machen. Doch, so heißt es in der Akte: „Zu Hause kann sie ganz gut mithelfen. Kann auch Besorgungen Damit gilt sie nach der Erb- und Rassenideolo- und Einkäufe erledigen.“ Nach der Schulzeit gie als „Schädling im gesunden Volkskörper“. lebt sie also weiter zu Hause und hilft ihrer Anna ist eine von mehreren Hunderttausend Mutter im Haushalt. Meine Großeltern haben Menschen, die zwangssterilisiert werden, eine Gastwirtschaft betrieben. Da gab es eine weil sie einfach nicht der gewünschten Menge Arbeit zu tun. gesellschaftlichen Norm entsprechen, weil sie Ich fand nur wenige Fotos von Anna. Eins „anders“ sind. Viele von ihnen sind übrigens gefällt mir besonders gut, weil sie darauf so später in den „Euthanasie“-Aktionen ermordet unbeschwert in die Kamera lacht. Es fällt worden. sehr schwer, eine Verbindung zwischen 1936 erfolgt Annas Einweisung in die Heil- diesem jungen Mädchen und dem kurz darauf und Pflegeanstalt Bedburg-Hau. Die Einträge erlassenen „Gesetz zur Verhütung erbkranken in der Patientenakte sind in einer menschen- Nachwuchses“ herzustellen. verachtenden Sprache verfasst. Man kann Das hatte zur Folge, dass Anna sich 1934 einer eigentlich nur zwischen den Zeilen lesen, wie fragwürdigen Intelligenzprüfung unterziehen sehr und wie verzweifelt sie gekämpft und muss. Begriffe wie „Treue“, „Frömmigkeit“, gelitten hat. Am Ende erinnert nichts mehr „Ehrerbietung“ kann sie nicht erklären, an das junge Mädchen, das nur wenige Jahre aber sie kennt die Preise der gebräuchlichen zuvor so fröhlich und so lebensbejahend in Lebensmittel, sie kennt die verschiedenen die Kamera geschaut hatte. Geldsorten – was doch viel wichtiger ist. Und Ihr Todesurteil ist ein bürokratischer Akt. Sie als sie gefragt wird: „Was darf man mit gefun- erfüllt die Selektionskriterien ihrer Mörder denen 500 Mark machen?“, antwortet sie ganz sozusagen perfekt: gilt als unheilbar, ist lebenspraktisch: „Auf dem Amt abgeben.“ „lästig“ – so steht es wörtlich in ihrer Akte – Das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung und vor allem leistet sie keine produktive lautet, dass es sich in Annas Fall um „ange- Arbeit, ist also eine sogenannte nutzlose borenen Schwachsinn“ handele, eine damals Esserin, als „lebensunwert“ zur Vernichtung übliche Bezeichnung für geistige Behinderung. bestimmt.

Anna Lehnkering, 1935 vor dem Krankenhaus, in dem sie zwangs- sterilisiert wurde

Anna Lehnkering in 1935 in front of a hospital where she was sterilised without her consent

30 Blick in die Reihen der Bundestags- abgeordneten und der Jugendlichen, die an der Gedenkstunde teilnehmen

Members and young people during the Ceremony of Remembrance

31 der Charaktereigenschaften reicht von Im März 1940 wird Anna im Rahmen der „liederlich“, „leichtsinnig“, „eigenartig“ bis „Aktion T4“ nach Grafeneck deportiert. hin zu „gutmütig“ und „intelligent“. Außer Grafeneck – der Ort, an dem die systematisch- Anna werden noch andere Verwandte der industrielle Vernichtung von Menschen „erblichen Minderwertigkeit“ verdächtigt. Ein begann, die letztlich in den Holocaust Verwandter wird ebenfalls zwangssterilisiert. mündete. Anna ist 24 Jahre alt, als sie dort in Es ist offensichtlich, dass die Informationen einer als Duschraum getarnten Gaskammer zum Teil auf Denunziation und Hörensagen ermordet wird. beruhen. Wochen später erhält ihre Mutter einen soge- Egal, wie wahr oder unwahr diese Eintragun- nannten Trostbrief, in dem Todesursache und gen sein mögen, für mich zeigt die Sippentafel, Todeszeitpunkt gefälscht sind. Ob sie wirklich dass meine Familie eine bunte Mischung von geglaubt hat – vielleicht glauben wollte –, Individuen ist, mit verschiedenen Anlagen, dass der Tod, so wie im Brief vorgetäuscht, bei Fähigkeiten und Neigungen, natürlich geprägt der angeblich „schweren unheilbaren Erkran- von zahlreichen äußeren Einflüssen. Und kung“ ihrer Tochter eine „Erlösung“ bedeutet wie in jeder Familie gibt es Mitglieder, die hat? Ich weiß es nicht. gesundheitliche Schwächen haben. Das ist Bis 2003 sprach niemand in unserer kein Makel! Das ist weder ein Grund zur Familie über Anna. Die Sprachlosigkeit hatte Scham noch zum Verschweigen und schon gar vermutlich viel mit Scham zu tun. Abwertung keine Rechtfertigung für das unermessliche und Ausgrenzung psychisch kranker und Leid, das den Opfern zugefügt wurde. behinderter Menschen gehörten zu den Das sagt sich für mich heute so leicht. Für die Lebenserfahrungen meines Vaters, die ihn sehr Generation der unmittelbar Betroffenen sah geprägt haben. Seine gesamte Familie war in das anders aus. Die Opfer, die Überlebenden die Maschinerie der Erbgesundheitspolitik und ihre Familien wurden auch nach Kriegs- geraten. Das belegt zum Beispiel eine Sippen- ende in beiden deutschen Staaten weiterhin tafel, in der 24 Familienmitglieder erfasst diskriminiert und stigmatisiert. Im Gegensatz sind. Körperbautypen, körperliche und seeli- dazu konnten die Täter in den meisten Fällen sche Erkrankungen sowie soziales Verhalten ihre Karrieren unbehelligt fortsetzen. Die werden aufgelistet. Die absurde Aufzählung gesellschaftliche, juristische und politische

„Anna ist unvorstellbares Unrecht geschehen – das Totschweigen ihrer Vernichtung ist Teil dieses Unrechts“ – Sigrid Falkenstein bei ihrer Gedenkrede

“Anna suffered unimaginable injus- tice, and part of that injustice is the silence surrounding her murder” – Sigrid Falkenstein

32 Am Tag der Stolpersteinverlegung bekannte er Aufarbeitung geschah äußerst stockend und erstmals: „Ich hatte eine Schwester, die geistig völlig unzureichend. Die Opfer von „Euthana- behindert war.“ Er starb nur wenige Wochen sie“ und Zwangssterilisation waren nicht nur danach, und es ist ein tröstlicher Gedanke, jahrzehntelang vom öffentlichen Gedenken dass die Aufarbeitung der Vergangenheit für ausgeschlossen. Nein, eine Anerkennung als ihn nicht nur belastend, sondern ein Stück NS-Verfolgte und eine Gleichstellung mit weit befreiend war. Ich wünschte, er würde anderen Verfolgtengruppen werden ihnen bis noch leben und das hier erleben. Es hätte ihm heute versagt. so geholfen. Die Folge von all dem war und ist in vielen Anna ist unvorstellbares Unrecht geschehen Familien ein Teufelskreis aus Schweigen, – das Totschweigen ihrer Vernichtung ist Teil Verdrängen und Tabuisierung des Themas, dieses Unrechts. Sie hat heute einen festen verbunden mit Unsicherheit und Scham, Platz im Familiengedächtnis. Das war unter ja, manchmal vielleicht auch mit Schuldge- anderem möglich, weil ich ihren Namen auf fühlen. Hatte es an der Bereitschaft, am Mut einer nach deutschem Recht illegalen Liste oder an der Möglichkeit gefehlt, die Tochter, gefunden habe. Noch immer erschwert die den Sohn, die Schwester, den Bruder vor Gesetzeslage die öffentliche Nennung der der Mordbürokratie zu bewahren? Meine Namen von „Euthanasie“-Opfern. Eine der Großmutter litt später an schweren Alters- Begründungen lautet, Familienangehörige depressionen. Es ist zu vermuten, dass das könnten sich stigmatisiert fühlen. Ich bitte Verdrängen ihrer traumatischen familiären Sie! Das ist eine Argumentation, die an Erfahrungen eine große Rolle dabei spielte. rassenhygienische Denkmuster anknüpft! Es Schweigen macht krank. Es kann helfen, über ist an der Zeit, diese unheilvolle Kontinuität das Erlebte zu sprechen. zu durchbrechen und die Namen der Opfer zu 2009 wurde ein Stolperstein für Anna verlegt. nennen, um sie ins familiäre und kollektive Ich spürte damals die Aufregung meines fast Gedächtnis zu holen. Es wäre zugleich ein 90-jährigen Vaters, als er sich da der Öffent- Beitrag zur Entstigmatisierung von Menschen, lichkeit stellte, ganz blass vor Anspannung die heute von Behinderung oder psychischer und sehr um eine aufrechte Haltung bemüht. Erkrankung betroffen sind.

33 Es gibt inzwischen zahlreiche positive Was also bleibt außer Gedenken und Trauer? Anzeichen für eine Änderung der deutschen Es ist wichtig, viele Geschichten wie die Erinnerungskultur. Davon zeugen die Gedenk- von Anna, Benjamin und Ernst zu erzählen; stätten an den Orten der Tötungsanstalten, denn es sind Einzelschicksale, die abstraktes der Erinnerungsort an der Tiergartenstraße 4, historisches Geschehen begreifbar machen, das Bemühen um Aufarbeitung innerhalb im besten Fall die Herzen der Menschen der Ärzteschaft, zahlreiche bürgerschaft- berühren und etwas in den Köpfen bewegen. liche Initiativen und vieles mehr. All das Ich erzähle Annas Geschichte, damit wir ermutigt auch immer mehr Menschen, ihre genau hinsehen, hinhören und widersprechen, Familiengeschichte aufzuarbeiten und ihren wenn einzelne Menschen oder Gruppen nach ermordeten Verwandten Namen und Gesicht ihrer Nützlichkeit, nach ihrem vermeintlichen zurückzugeben. Wert oder Unwert bemessen werden. Und da Auch in der Politik findet die Forderung geht es nicht nur um behinderte Menschen nach Würdigung der „Euthanasie“-Opfer oder kranke Menschen. Ich erzähle Annas zunehmend Gehör. Das zeigt nicht zuletzt Geschichte, weil sie uns Orientierung geben die heutige Gedenkstunde im Deutschen kann bei der Gestaltung einer Gesellschaft, Bundestag. Es ist ein besonderes, ja vielleicht die Respekt hat vor dem Leben in all seiner historisches Ereignis, dass wir an diesem Verschiedenheit und Unvollkommenheit. für unsere Geschichte so bedeutsamen Ort In diesem Sinne möchte ich schließen mit an Ernst Putzki, Benjamin Traub und Anna den Worten von Max Mannheimer, einem Lehnkering erinnern. Wir nennen ihre Namen Überlebenden der Schoah, der im letzten Jahr stellvertretend für die vielen namenlosen verstorben ist: „Ihr seid nicht verantwortlich Opfer und geben ihnen damit etwas von ihrer für das, was geschah. Aber dass es nicht Identität und Würde zurück. Ein Akt später wieder geschieht, dafür schon.“ Gerechtigkeit – für die Opfer nur noch ein symbolischer Akt! Ich danke Ihnen.

34 Blick über das Plenum und die Gästetribünen des Deutschen Bundestages

The Bundestag plenary and visitors’ galleries

35 Der Pianist Moritz Ernst und der Hornist Felix Klieser spielen die „Todeserfahrung“ von Norbert von Hannenheim

Pianist Moritz Ernst and horn player Felix Klieser perform Norbert von Hannenheim’s Death Experienced

36 Nachdenklicher Applaus bei der Gedenkstunde aus den Reihen der Abgeordneten

Muted applause from Members dur- ing the Ceremony of Remembrance

37 Abschied von Bundespräsident Joachim Gauck und den Haupt- rednern der Gedenkstunde, bevor sie das Plenum verlassen

Federal President Joachim Gauck and guest speakers in conversation as they leave the plenary chamber

38 Der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, die ehemalige Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch, der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Maik Dainow, und der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (v. l.)

From left to right: Hans-Gert Pöttering, former Presi- dent of the European Parliament, Charlotte Knobloch, former Presi- dent of the Central Council of Jews in , Maik Dainow, Vice-President of the Central Council of Jews in Germany, and Ralf Wieland, President of the Berlin House of Representatives

39 Sebastian Urbanski, geboren 1978, ist Synchronsprecher (u. a. „Me too“) und seit 2001 Schauspieler am integrativen Theater RambaZamba in Berlin. Er spielte in TV- und Kinofilmen mit und hatte eine Hauptrolle in dem Film „So wie du bist“. Die TV-Produktion „Zeig mir deine Welt“ wurde mit dem „Bobby“ und dem „Blauen Panther“ ausgezeichnet. 2015 erschien sein Buch „Am liebsten bin ich Hamlet. Mit dem Downsyn- drom mitten im Leben“.

Sigrid Falkenstein, geboren 1946, arbeitete als Lehrerin in Berlin. Nachdem sie 2003 zufällig erfahren hatte, dass ihre Tante Anna Lehnkering im Rahmen des NS-„Euthanasie“- Programms ermordet worden war, begann sie mit Spurensuche und Erinnerungsarbeit. Die Mitbegründerin des Runden Tisches zur Umgestaltung des Erinnerungsortes Tiergartenstraße 4 veröffentlichte 2012 unter Mitarbeit von Prof. Dr. Dr. Frank Schneider das Buch „Annas Spuren“.

Epilog

40 Dr. phil. Hartmut Traub, geboren 1952, studierte und unterrichtete Sozialwissen- schaften, Evangelische Religionslehre und Philosophie. Dr. Hartmut Traub ist Autor Felix Klieser, geboren 1991, wurde mit philosophischer Fachbücher und Mitheraus- 17 Jahren Jungstudent an der Hochschule geber einer philosophischen Zeitschrift. Seit für Musik und Theater in Hannover. Für 2000 arbeitet er als Studiendirektor am Zent- sein Debütalbum „Reveries“ erhielt der rum für schulpraktische Lehrerausbildung in heute 26-jährige Hornist den ECHO Klassik. Essen. 2013 rekonstruierte er den Lebensweg Sein Buch „Fußnoten – Ein Hornist ohne seines Onkels Benjamin Traub in seinem Buch Arme erobert die Welt“ erschien 2014. Mit „Ein Stolperstein für Benjamin“. dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn unter Ruben Gazarian spielte er Norbert von Hannenheim, geboren 1898 2015 Hornkonzerte von Joseph und Michael in Hermannstadt (heute , Rumänien), Haydn sowie von Mozart ein. 2016 erhielt er studierte in , und ab 1929 den Leonard Bernstein Award des Schleswig- in Berlin bei Arnold Schönberg, der ihn als Holstein Musik Festivals. einen seiner besten Schüler bezeichnete. Nach großen Erfolgen wurde seine Musik ab 1933 Moritz Ernst, geboren 1986, studierte Klavier, als „entartet“ gebrandmarkt. Nach 1935 desta- Cembalo und Musikwissenschaft in Detmold, bilisierte sich seine psychische Gesundheit. London (bei Professor Peter Feuchtwanger) 1944 nach einem schizophrenen Anfall in und Basel. Er veröffentlichte viel beachtete eine Berliner Heilanstalt eingewiesen, starb er CD-Einspielungen, u. a. der Klavierwerke von im September 1945 in der Anstalt Meseritz- Norbert von Hannenheim, Viktor Ullmann Obrawalde (heute Międzyrzecz, Polen), wo oder Arthur Lourié. Moritz Ernst ist regel- bis Anfang 1945 Tausende psychisch Kranke mäßiger Gast bei führenden Radiostationen, systematisch ermordet wurden. Orchestern und Festivals.

41 42 Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages anlässlich des Gedenktages Die „Euthanasie“-Morde in der Zeit des Nationalsozialismus waren auch das Thema der diesjährigen Internationalen Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages vom 23. bis 27. Januar 2017, an der 78 Jugendliche aus 15 Ländern teilnah- men. Die eingeladenen Jugendlichen engagieren sich in der Erinnerungs- und Gedenkarbeit. Zunächst reisten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein. Diese erinnert an die über 13 000 vorwiegend psychisch kranken und geistig behinderten Menschen, die in den Jahren 1940/41 von den Nationalsozialis- ten in der damaligen Heilanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet wurden. Zurück in Berlin besuchten die Jugendlichen den Gedenk­ort „T4“ am Tiergarten. In der Charité, dem ältesten Krankenhaus von Berlin und einer der größten Universitäts­ kliniken Europas, wurde die Rolle der Charité im National­ sozialismus diskutiert. Abschluss und Höhepunkt der Jugend- begegnung war die Teilnahme an der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag am 27. Januar. Im Anschluss diskutierten die Jugendlichen ihre Erfahrungen mit den eingeladenen Hauptrednern der Gedenkstunde Sigrid Falkenstein und Dr. Hartmut Traub, dem Schauspieler Sebastian Urbanski, der in der Gedenkstunde den Brief eines „Euthanasie“-Opfers verlesen hatte, sowie Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt. Ziel der 21. Internationalen Jugendbegegnung war es, den Blick auch auf weniger bekannte Aspekte der NS-Verbrechen zu lenken und – wie in den Vorjahren – einen Austausch vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erfahrungen und Erinnerungskulturen sowohl in Deutschland als auch zwischen anderen Ländern zu fördern. Daher stellte, neben den Besuchen der Gedenkstätte und von Gedenkorten, der gemeinsame Gedankenaustausch in Arbeitsgruppen einen wesentlichen Bestandteil des Programms dar.

Jugendbegegnung 2017

44 Seite 42: In der Gedenkstätte Bilder und Biographien der für die „Euthanasie“-Opfer in „Euthanasie”-Opfer in der Pirna-Sonnenstein Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein

Page 42: Pirna-Sonnenstein Pirna Memorial: photographs Memorial for the victims of the and biographies of the victims euthanasia programme of euthanasia

45 Ich las den Einladungsbrief zur Jugendbe- gegnung des Deutschen Bundestages im November. Das Thema des Jahres 2017 war „Euthanasie“. Mir war bekannt, dass die Nazis tausendfach kranke und behinderte Menschen umgebracht hatten, aber viel weiter ging mein Wissen nicht. Momentan mache ich einen Freiwilligendienst in Frankreich mit der „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“. Bei meiner Arbeit im „Mémorial du Camp de Rivesaltes“ beschäftige ich mich mit dem Spanischen Bürgerkrieg, bin konfrontiert mit der Ermordung europäischer Juden und lerne viel über den französisch-algerischen Krieg. „Euthanasie“ war für mich ein neues Schreckenskapitel der NS-Zeit.

„Respekt vor dem Leben in seiner Unvollkommenheit“ – Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages 2017 zum Thema „Euthanasie“ Gedanken zur Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages 2017 von Leonie Schulte

46 Am 23. Januar begann die Jugendbegegnung. Im Paul-Löbe-Haus wurden wir, 78 Jugendli- che aus 15 verschiedenen Ländern, begrüßt. Ich freute mich auf den Austausch mit anderen Jugendlichen, die sich wie ich enga- Noch am Montag fuhren wir abends nach gieren und sich für Geschichte und Politik Pirna. Pirna-Sonnenstein ist eine von sechs interessieren. ehemaligen Heilanstalten, die in der NS-Zeit Gleich zu Beginn der Jugendbegegnung zu Mordanstalten wurden. Am Tag darauf wurden wir in Arbeitsgruppen aufgeteilt. Die besichtigten wir die Gedenkstätte, die erst ersten Fragen, die wir uns stellten, waren: Was 2000 eröffnet worden ist. Die Führung und der weiß ich über „Euthanasie“, was will ich noch Rundgang über das Gelände waren unglaub- wissen und warum ist es noch heute wichtig, lich interessant und bedrückend zugleich. In sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen? unseren Arbeitsgruppen arbeiteten wir mit Ich wusste wenig und wollte wissen, warum Quellen und tauschten uns in der Gesamt- das so ist. Die „Euthanasie“-Morde wurden gruppe anschließend über unsere Ergebnisse lange verdrängt und ihre Opfer waren in der aus. Während unserer eineinhalb Tage in Pirna Öffentlichkeit lange vergessen. Die Gedenkstät- diskutierten wir auch über aktuelle Themen ten sind noch sehr jung. Die Aufarbeitung ist wie Sterbehilfe, Umgang mit Menschen mit noch immer nicht abgeschlossen. Menschen Behinderung und Präimplantationsdiagnostik. mit Behinderung und psychischer Krankheit Mir wurde bewusst, dass die Einteilung in leiden heute noch unter Diskriminierung und „lebenswertes“ und „lebensunwertes“ Leben Ausgrenzung. Deshalb ist es wichtig, sich mit nicht erst mit der NS-Zeit begann und auch der Vergangenheit auseinanderzusetzen. nicht mit ihr aufhörte. Monatelang war in

47 Früh am Morgen begann der Donnerstag in der Tiergartenstraße 4, einer Gedenkstätte, die erst 2014 der Öffentlichkeit übergeben worden ist. An diesem Ort wurden die „Euthanasie“- Pirna eine schwarze Rauchwolke des Kremato- Morde geplant und vorbereitet. Hier wurde riums zu sehen. Die Anwohner wussten oder entschieden, wer lebenswert ist und wer vermuteten zumindest, was dort auf dem nicht. Wir konnten uns individuell mit der „Sonnenstein“ in ihrer Stadt passierte. Wider- Gedenkstätte befassen und, wenn wir wollten, stand aus Pirna gab es keinen. Mich erschreckt eine Blume niederlegen. Es blieb jedoch nicht die Vorstellung, dass die Täter – Ärzte, sehr viel Zeit, um sich emotional tiefgehend Krankenschwestern­ und Bürokraten – geglaubt mit dem Ort auseinanderzusetzen. haben, richtig gehandelt zu haben, die Opfer Anschließend fuhren wir zum Bundestag und nur „erlösen“ wollten. Doch noch mehr besuchten die Ausstellung „Wir sind viele“ schockieren mich die Gleichgültigkeit der des Fotografen Jim Rakete. Die Fotografien untätigen Mitwissenden und das Verdrängen zeigen Menschen voller Anmut und Würde, in der Nachkriegszeit. die zur Zeit des Nationalsozialismus ermordet Wieder zurück in Berlin reflektierten wir in worden wären. Dieser Kontrast hat mich kleinen Gruppen, was wir in Pirna erfahren, tief berührt und mich darüber nachdenken gelernt und erlebt hatten. Die Verständigung lassen, wie Menschen mit Behinderung oder auf Deutsch war manchmal eine Herausfor- Krankheiten heute in der Gesellschaft gesehen derung, aber die Kommunikation gelang uns werden. Noch immer werden Menschen trotzdem immer. Der internationale Charakter stigmatisiert und ausgegrenzt durch unsere der Begegnung macht gerade ihren Reiz aus. Gesellschaft. Partizipation aller ist noch längst Der Austausch mit Jugendlichen aus aller Welt nicht gewährleistet. und der daraus entstehende Einblick in die Am Nachmittag besuchten wir die Charité verschiedenen Länder haben mich persönlich und hörten zwei Vorträge: zur „Charité im sehr bereichert. Schade fand ich, dass kein Nationalsozialismus“ und zum Projekt junger Mensch mit Behinderung teilnahm. „GeDenkOrt.Charité“. Anhand einer Institution

Seite 47: Stilles Gedenken an die Berlin, Tiergartenstraße 4: Gedenk- Opfer der „Euthanasie“-Morde in platte an dem Ort, an dem die Pirna-Sonnenstein „Euthanasie“-Morde geplant wurden

Silent remembrance of the victims Berlin, Tiergartenstraße 4. of euthanasia at Pirna-Sonnenstein Commemorative plaque marking the place where the euthanasia programme was planned

48 wie der Charité konnte ich erkennen, wie weit verbreitet nationalsozialistisches Gedankengut war und wie stark die Ärzteschaft sich bereit- willig beteiligte. Der Tag endete am Erinnerungsort „Topografie des Terrors“. Dort schauten wir den Film Die Rednerin Sigrid Falkenstein schloss mit „Nebel im August“, einen Spielfilm über die den Worten Max Mannheimers, eines Über­ „Euthanasie“-Morde. Der Film eröffnete lebenden der Schoah: nochmals eine emotionale Ebene, die ich „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was für wichtig erachte, um das Thema in seiner geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, Ganzheit zu erfassen. dafür schon.“ Das nehme ich wohl vor allem Der letzte Tag der Jugendbegegnung kam viel mit aus dieser Jugendbegegnung. Es ist die schneller als erwartet. Ein volles Programm, Jugend, es sind wir, die die Zukunft gestalten lange Abende und wenig Schlaf ließen die können und müssen. Dafür müssen wir unsere Zeit wie im Flug vergehen. Wir Jugendlichen Geschichte kennen und verstehen. hatten am 27. Januar die besondere Ehre, In der Diskussion nach der Gedenkstunde, an bei der Gedenkstunde des Bundestages im der unter anderem die Vizepräsidentin des Plenarsaal teilnehmen zu dürfen. Ich empfand Bundestages teilnahm, sprachen wir auch die Gedenkstunde als zutiefst bewegend. über die Behindertenrechtskonvention und Ein beeindruckendes Zeichen war, dass deren Umsetzung in Deutschland. Viel muss Sebastian Urbanski einen Opferbrief während sich aus meiner Sicht noch bewegen, doch ich der Gedenkstunde vorlas. Es war das erste sehe optimistisch in eine Zukunft, in der nicht Mal, dass ein Mensch mit Trisomie 21 im mehr in „behindert“ und „nicht behindert“ Bundestag sprach. Dass er allerdings der erste eingeteilt wird, sondern ein uneingeschränkter war, zeigt auch, was für ein weiter Weg bis zur Respekt vor der Unvollkommenheit des tatsächlichen Inklusion noch vor uns liegt. Lebens und der Menschenwürde gelebt wird.

49 Ausstellung zur Geschichte der „Euthanasie“-Morde am Gedenkort T4 in Berlin

Exhibition about the history of the euthanasia programme at the T4 Memorial in Berlin

50 Am Gedenkort T4 in der Tiergartenstraße 4 in Berlin

Memorial at Tiergartenstraße 4, Berlin

51 Eine Teilnehmerin stellt eine Frage in der Podiumsdiskussion

A participant asks a question during the panel discussion

52 Podiumsdiskussion mit Bundestags- vizepräsidentin Ulla Schmidt und Dr. Hartmut Traub (li.), Neffe eines „Euthanasie“-Opfers und Redner bei der Gedenkstunde

Panel discussion with Ulla Schmidt, Vice-President of the German Bundestag, and Dr Hartmut Traub (left), nephew of a euthanasia victim and guest speaker at the Ceremony of Remembrance

53

Ausstellung Wir sind viele. Menschen mit Behinderungen, mit Epilepsie, mit psychischen Leiden, mit Gewalt- und Suchterfahrungen, mit unheilbaren Krankheiten, Menschen, die obdachlos und schutzbedürftig sind. Wir sind viele. Insgesamt 7,6 Millionen Menschen in Deutschland sind schwerbehin- dert, bei 84 Prozent wurde die Krankheit erst im Laufe ihres Lebens ausgelöst. Behinderung ist Teil der menschlichen Existenz. Wir sind viele. In diesem besonderen Foto­ projekt richtet Jim Rakete seinen Sucher nicht auf die prominentesten Vertreter unserer Gesellschaft, sondern auf diejenigen, die im öffentlichen Leben immer um Wahrnehmung kämpfen müssen. Den Menschen zu helfen, ihr Leben in Gemein­ schaft zu meistern, dafür setzen sich die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel seit nunmehr 150 Jahren ein. Ihr Motto heißt: „Für Menschen da sein“. Diese Idee hat die Welt- kriege, die Verbrechen des Nationalsozialismus,­ die deutsche Teilung, Wirtschafts- und Finanz- krisen überlebt. Sie ist und bleibt aktuell. „Wir sind viele“ besiegt in jedem einzelnen Bild die bestialische Ideologie der National­ sozialisten vom „unwerten“ Leben und zeigt die Wahrheit: Jedes Leben ist wertvoll. Die von Bethel angestoßene und vom Bundestag ermöglichte Ausstellung im Paul-Löbe-Haus zeigt 50 Porträts – 50 Menschen – 50 Leben. Und sie zeigt: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Wir sind viele

56 Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Ulla Schmidt, eröffnet die Ausstellung „Wir sind viele“ im Paul-Löbe-Haus am 17. Januar 2017

Ulla Schmidt, Vice-President of the German Bundestag, opens the We are many exhibition in the Paul Löbe Building on 17 January 2017

57 Friedhelm Fleischmann und Marie-Luise Brenne-Externbrink unterhalten sich mit Jim Rakete über ihre Porträts

Friedhelm Fleischmann and Marie-Luise Brenne-Externbrink talk about their portraits with Jim Rakete

58 Die Band „Oder so!“ aus Bethel spielt die Songs „Taschen voll Gold“ und „Nur in meinem Kopf“

The band “Oder so!” from Bethel plays “Pockets full of gold” and “All in my head”

59

Day of Remembrance for the Victims of National Socialism Ceremony of Remembrance at the German Bundestag Berlin, 27 January 2017 Welcome statement by the President of the German Bundestag, Professor Norbert Lammert

Letter by Ernst Putzki, read by Sebastian Urbanski

Piano Sonata No. 3, Second Movement: Adagio by Norbert von Hannenheim, played by Moritz Ernst

Speech Dr Hartmut Traub

Speech Sigrid Falkenstein

Death Experienced by Rainer Maria Rilke, with music from Norbert von Hannenheim, performed by Felix Klieser (French horn), accompanied on the piano by Moritz Ernst

Programme

62 Germany’s most high-ranking representatives take their seats

Die höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland auf dem Weg zu ihren Plätzen

63 Federal President, Madam Chancellor, Madam President of the Bundesrat, President of the Federal Constitutional Court, Excellencies, Honoured guests, Colleagues,

Today it is almost exactly 75 years to the day since 15 high-ranking representatives of the Nazi regime met in a Berlin villa in the west of the capital, in order to organise as efficiently as possible and with incredible contempt for humanity the murder of millions of European Jews, murder which at that point had been decided for some time and that was also long underway. Hermann Göring commissioned Reinhard Heydrich, “as supplement to the task which was entrusted to you in the decree dated 24 January 1939, namely to solve the

Welcome statement by the President of the German Bundestag, Professor Norbert Lammert, with a reading by Sebastian Urbanski of a letter by Ernst Putzki

64 Jewish question by emigration and evacuation in a way which is the most favourable in con- nection with the conditions prevailing at pres- This year, we remember in particular the sick, ent” to “carry out all preparations with regard the helpless, all those considered “unwor- to organisation, the material side and financial thy of life” by the Nazi regime, murdered as viewpoints for a final solution of the Jewish part of what was known as the “euthanasia” question in the territories in Europe which are programme: 300,000 people, most of whom under German influence.” had previously been forcibly sterilised and The Wannsee Conference of 20 January 1942 tortured in other ways. “Barbarity of language reflects the very cynically technocratic inhu- is barbarity of spirit”, Dolf Sternberger once manity and ideologically dressed-up barbarity wrote, having compiled a “Dictionary of a that struck Jews along with other groups of Monster” in 1945. And indeed, the “euthana- innocents. It is these people, the millions who sia” began with the denunciatory dehumanis- were deprived of their rights, who were tor- ing of its victims, who were reviled as “useless tured and murdered, that we remember today: eaters”, “soulless human shells” and who – in the Sinti and Roma, the millions of enslaved the words of the perpetrators – needed to be Slavs, the forced labourers, the homosexu- “eradicated”. “Barbarity of language is barbar- als, the political prisoners, the Christians, ity of spirit” – and words became deeds. Jehovah’s Witnesses and all those who were There was a close connection between “eutha- declared to be the enemy, persecuted and nasia” and the genocide of the European Jews. destroyed by the National Socialist ideology Viewed now as a “test run for the Holocaust” as a result of their religious or political con- the killing by gas first practiced on the “eutha- victions. We also remember those who coura- nasia” victims became a model for the mass geously resisted. murder in the Nazi extermination camps

“This year, we remember in particu- lar the sick, the helpless, all those considered ‘unworthy of life’ by the Nazi regime, murdered as part of what was known as the ‘euthanasia’ programme” – Norbert Lammert, President of the Bundestag, in his welcome statement

„Wir gedenken in diesem Jahr besonders der Kranken, Hilflosen und aus Sicht der NS-Machthaber ‚Lebensunwerten‘, die im sogenann- ten ‚Euthanasie‘-Programm ermordet wurden“ – Bundestagspräsident Norbert Lammert bei seiner Begrüßungsrede

65 later on. There was a remarkable overlap in the people involved, too: over 100 doctors, nurses and other personnel involved in these murders, the first phase of which ended in 1941, continued their work without pause on The fact that doctors, judges and politicians inmates in the extermination camps. there also became involved in discussions on The term “euthanasia” – “easy death” – is not eugenics was even used by German defence a modern concept. It has been used since An- lawyers during the Nuremberg Trials as an ar- tiquity and euphemistically describes the kill- gument to exonerate their clients. ing of those deemed unworthy of living. The Yet there is of course a significant difference term developed through evolutionary biologi- between the debate and thinking on this in cal perspectives in the 19th century into what Germany and elsewhere. While degrading pro- came to be known as racial hygiene or eugen- cedures did indeed take place in other coun- ics – in many different countries. Under this tries, there was no deliberate – and certainly theory, supposedly “advanced” peoples al- no systematic – killing, whilst in Germany all legedly owed it to themselves to uphold their scruples were abandoned, resulting in murder so-called “hereditary substance”, in order to on a scale of hundreds of thousands. prevail in the alleged “struggle for existence”. Preparations began as early as 1933. The “Law While initially the focus was only on promot- for the Prevention of Offspring with Heredi- ing the healthy and the strong, voices refuting tary Diseases”, passed in this first year of the the right of the ill and the weak to life grew Nazi dictatorship, allowed the dignity of dis- increasingly louder. The number of euthanasia abled individuals to be brutally violated. This supporters increased dramatically after the included forced sterilisations, which in no few First World War, even in the liberal USA. cases led to the death of the patient,

66 The plenary chamber and visitors’ galleries

Blick in das Plenum und auf die Besuchertribünen

67 and which were indicative of the systematic murder campaign to come. This started at the outbreak of the Second World War, when doc- tors and nurses began using gas to suffocate people with mental disabilities and those in need of care, war invalids and mentally ill soldiers. Throughout the war, the perpetra- barely made it into the collective memory, tors continued to widen the circle of victims along with the fact that these crimes were car- of the escalating programme, in which death ried out in the heart of Germany. In dozens of was also brought about by starvation, incorrect so-called mental asylums and nursing homes, medication or lethal injection. Finally, they the medical staff carried out murders, worst killed all those who Hitler and his accomplic- of all in the six institutions with gas chambers es considered guilty of what was referred to as in Hadamar in northern Hesse, Grafeneck near behaviour deviating from the norm, including Reutlingen, Brandenburg an der Havel, Ber- those of no fixed abode, non-conformists, trou- nburg on the River Saale, Pirna-Sonnenstein blemakers, regime critics and prisoners of war. and Hartheim near Linz in . Patients Ladies and gentlemen, the slaughter continued were brought here after being selected for tar- after the end of the war. Medical criminals of geted killing by medical assessors. conviction in institutions such as Kaufbeuren There was little in the way of protest against and Irsee were able to continue their cynical the systematic taking of supposedly “unwor- deeds until July 1945, by preventing the occu- thy” life – presumably because, among other pying powers from accessing the institutions, reasons, fear and shame of presumed “abnor- placing signs falsely claiming “Typhoid” at the mality” was widespread and supported by the entrance. This was just one of the many appall- convenient attempted justification that those ing elements of the “euthanasia” that have affected were themselves tortured by their own

Youth Encounter participants in the visitors’ gallery during the Ceremony of Remembrance

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jugendbegegnung auf der Besuchertribüne während der Gedenkstunde

68 existence, and that it could be considered do- ing them a favour by ending their alleged suf- fering. For those who deluded themselves in this way, no compassion was necessary – and Ladies and gentlemen, the Hippocratic Oath they became complicit with the perpetrators. has bound doctors to uphold the wellbeing Notable opposition came only from those of their patients since Antiquity. “I swear”, it people whose compassion was stronger than states, “that […] I will use treatment to help their fear of contact with people with disabili- the sick according to my ability and judgment, ties. They were individual judges and relatives but never with a view to injury or wrong-do- of the victims, but above all some individual ing. […] Into whatsoever houses I enter, I will representatives of the Christian churches. The enter to help the sick, and I will abstain from names of the Bishop of Münster, Clemens Au- all intentional wrong-doing and harm […]” gust Graf von Galen or the Lutheran Evangeli- The involvement of German doctors in the cal Bishop of Württemberg Theophil Wurm Holocaust and the murder of sick and disabled represent all those who acted out of charity people is in brutal contrast to this promise. and who had the courage to oppose the inhu- Their actions were determined by arbitrari- man zeitgeist. Resistance was dangerous – but ness, injustice and deliberate harm of those possible! And it did have some impact. The under their care. The National Socialist “eu- first official phase of killing, “Aktion T4”, was thanasia” perverted the Hippocratic Oath and stopped directly after Galen’s sermons, in Au- made it a hypocritical one, as murder was gust 1941. The fact that the murders continued artificially justified by the claim that it was on a decentralised basis known as “wild eu- for the good of all, including the patients. In thanasia” does not diminish the importance of truth, doctors became executioners, as Thomas this resistance. And yet the haunting question Mann put it. They carried out medical experi- remains: what could have been prevented if ments on small children and adults and com- more people had protested and stood by their mitted mass murder out of conviction, without own ethical principles? any respect for the victims.

69 After 1945, only a small number of the doc- tors, nurses and medical staff involved were brought to trial, many not until decades after their crimes. Proceedings frequently ended in acquittal due to the statute of limitations ex- piring or the accused being permanently unfit about a change in attitudes. It was 2007 before to face trial. If we take into account the fact the German Bundestag proscribed the Nazi that as a belated effect of the Nazi death ma- regime’s Forced Sterilisation Act, and it took chine, mortality rates in some institutions in until 2011 before we were able to bring our- 1948 were still over 30 per cent, far above nor- selves to provide an appropriate framework mal levels, the leniency of the courts remains with the help of public funds for a memorial to this day simply scandalous. to the Nazi’s medical murder victims, which Also shocking are the years of indifference in until then had only been made possible by the scientific community, the media and in private initiative. The resulting memorial and politics. Reappraisal did not take place for a information centre at the site of the former long time. Quite the opposite: former perpetra- program headquarters at Tiergartenstraße 4 in tors were promoted to university professors, Berlin was finally opened in 2014. awarded orders of merit, their deeds sup- The fact that remembrance became at all pos- pressed and the victims forgotten. Here, too, sible is thanks to the tireless commitment on shame would appear to be the principal moti- the part of various individuals. We owe them vation; shame for having done, allowed or ap- all the more thanks, as for a long time they proved terrible things. As a result of this sup- were considered “denigrators of their country” pression and denial, it took decades to bring and subjected to intense criticism. Today,

“The National Socialist ‘euthanasia’ perverted the Hippocratic Oath” – Norbert Lammert, President of the Bundestag, delivering his welcome statement, seen here on a screen outside the plenary chamber

„Die nationalsozialistische ‚Euthanasie‘ pervertierte den hippokratischen Eid“ – Bundestags- präsident Norbert Lammert bei seiner Eröffnungsansprache auf ei- nem Monitor hinter dem Plenarsaal

70 researchers, writers and film makers are con- tinuing the pioneering work of Alexander Mitscherlich, Ernst Klee, Götz Aly and others and contribute to promoting remembrance that is long overdue. The commitment of the 78 young people from 15 different countries participating again this year in the ceremony as guests of the Bund- estag also makes a major contribution to this enduring remembrance, which is so necessary. As always, the young people have prepared for One of them was Ernst Putzki. Born in 1902, this topic intensively and discussed it with con- he came from Oberdüssel and was a labourer. temporary witnesses. They are involved in me- In 1933, as a result of rheumatic complaints, morial work in their home countries and show he was sent to a mental asylum and nursing how knowledge about the past can successfully home in Wunstorf for a year and a half. In be passed on to the generations that follow. 1942, he was arrested by the Gestapo for Ladies and gentlemen, all these facts about writing and distributing letters with alleged “euthanasia” remain abstract unless we focus “content hostile to the state” and committed to on the victims. It is only when we look at the Warstein mental hospital for supposed “insan- individual fates of those tortured and mur- ity”. In 1943 Ernst Putzki was transferred to a dered that we truly realise what was done to mental hospital in Weilmünster. From there, innocent people. By listening to and reading he wrote the following letter to his mother, their stories, and allowing ourselves to be which Sebastian Urbanski, an actor at the in- affected by them, we can at least give the vic- clusive RambaZamba theatre in Berlin, will tims back their dignity posthumously. now read.

71 Actor Sebastian Urbanski reads Ernst Putzki’s letter to his mother

Der Schauspieler Sebastian Urbanski rezitiert den Brief Ernst Putzkis an dessen Mutter

72 Sebastian Urbanski:

“Dear Mother, It is 3 September 1943, and we have now been through four years of war. We have news! Your letter came on Sunday, 22 August. I didn’t get the gooseberries. The parcel which you told The food consists of two slices of bread a day me you had sent finally arrived yesterday. It – with jam, sometimes with margarine, some- was probably brought on foot. Its contents – times with nothing. At midday and in the two pounds of apples and a mushy stinking evening, we each get three-quarters of a litre of mess of pureed pear – was consumed with water with sliced potato and woody cabbage ravenous hunger. My fellow candidates for stems. The people become like animals; they death were fighting over the leftovers, too rot- eat anything they can snatch from others, even ten to eat. No one believed my descriptions raw potato and fodderbeet. And yes, we would of Wunstorf, but what I am about to describe be capable of eating other things as well, like now must be believed, because anyone can see the prisoners from Russia. Death from starva- the truth for themselves: after I sent two letters tion is hard on our heels and no one knows to Paul and one to Paula from Warstein, I sent who will be next. Previously, the people here you news – six days before the transport – of were killed more quickly and their bodies tak- our transfer here and asked you to visit. The en for burning at dawn. But this met with re- transport came on 26 July and I have been sistance from the locals so now we are simply here for exactly six weeks as of Monday. left to starve. We live in squalid rooms with We were not transferred because of the aero- no radio, newspaper or books. There’s nothing planes but because in this sparsely populated to occupy us. How I miss my handicrafts! We area, we can simply be left to starve to death eat off broken crockery and have nothing but out of sight. Of the Warsteiners who came threadbare rags to wear. They don’t keep the with me to this dying room, few are still alive. cold out – it’s worse than in an entire winter in The people here are starving, just skin and Hagen. We last had a bath five weeks ago and bone, and dying like flies. There are around don’t know if we will be given a bath again 30 deaths a week. Their skeletal bodies are this year. Every 14 days, we are given a clean taken away to be buried. There are no coffins. shirt and socks. That is socialism in action. The images of starving people from India or Russia are my reality. Yours, Ernst”

Letter written by Ernst Putzki to his mother on 3 September 1943. Taken from the patient records of Ernst Putzki, Archive of the Land Welfare Association of Hesse (Landeswohlfahrtsverband Hessen), Best. 12, K 2274.

73 Professor Norbert Lammert, President of the Bundestag:

In September 1944, Nazi doctors transferred Ernst Putzki to Hadamar, where patients had been killed since 1942 using overdoses, depri- vation of food, and general neglect. Ernst Putz- ki died on 9 January 1945, just a few months after he arrived – allegedly of pneumonia. His medical records contained numerous inter- leaving him at the mercy of the National So- cepted letters to friends and family, in which cialist medical murder machine. Norbert von he described the inhuman conditions in the Hannenheim died in September 1945, ostensi- hospitals. Ernst Putzki’s letter from Weilmün- bly of heart failure. Only 45 of his 230 compo- ster also never reached his mother. sitions survived the turmoil of the end of the The story of Norbert von Hannenheim, an art- war, one being the adagio from piano sonata ist, composer and star pupil of Arnold Schön- no. 3, which we will hear in a moment. berg, is no less nightmarish. His promising Not only musically, but also in the reflections music career came to an abrupt end when the of their relatives will we endeavour today to Nationals Socialists came to power. Robbed spare the “euthanasia” victims from being for- of his options for creative expression, his psy- gotten and give them back their personalities chological state increasingly deteriorated. In and their faces. First, Dr Hartmut Traub will July 1944, doctors committed him to the asy- speak about his uncle Benjamin, killed by the lum and nursing home in Obrawalde, National Socialists in Hadamar in 1941.

Pianist Moritz Ernst performs during the ceremony

Der Pianist Moritz Ernst begleitet die Zeremonie am Flügel

74 Sigrid Falkenstein will then remember her aunt Anna Lehnkering, who was murdered in 1940 in the asylum in Grafeneck. I would like to thank both of them sincerely not only for their willingness to provide an insight into “Human dignity shall be inviolable. To respect the lives of their mistreated relatives, but also and protect it shall be the duty of all state au- for describing the taboo applied in reaction to thority.” So it is stated unequivocally in Arti- these events by the families and the public for cle 1 of the Basic Law. Yet history has shown: far too long. human dignity is violable. Nowhere has this Ladies and gentlemen, in Rainer Maria Rilke’s been made more apparent than in Germany. poem Death Experienced, Norbert von It is for this particular reason that Article 1 of Hannenheim’s musical setting of which will our constitution must be and remain, without be heard at the end of this ceremony, life is compromise, the guiding principle behind our represented as a piece of theatre. Death plays actions, a categorical imperative, in order to the role of the villain. People are his victims. never again allow people to be marginalised, We know today that the reality is more com- persecuted and deprived of their right to life. plicated. It is not death itself that is “evil”, We owe that to Ernst Putzki, Norbert von but rather those people who, disregarding all Hannenheim, Anna Lehnkering and Benjamin ethical principles, bring it about deliberately, Traub, we owe it to all the victims that we re- intentionally and needlessly. member here today.

75 Mr President, Ladies and gentleman,

Lives have long memories. That holds true for individual life stories and for shared history. The experiences captured within them may gradually be overlaid, or suppressed, put out of our minds, distorted or even shrouded in silence, but they cannot be undone. Remembering is more than simply taking note. Anyone who remembers or is remembered brings to mind events and experiences from a personal and collective past, whether joy- ful or painful. In German, we say Er-innern; it conveys a sense of internalising, and that’s very apt, for remembering touches something within us; it affects us because it is about us. Sometimes, remembering takes courage and perseverance. Sometimes, remembering is an obligation – one which is imposed upon us by the desire for justice and truth in place of guilt and failure.

Speech by Dr Hartmut Traub

76 Seventy years after the death of my uncle Benjamin Traub, my abstract awareness of his fate was transformed – by an external influ- ence – into tangible recollection: recollection of his life and his suffering. Inspired by the “Stolpersteine” project, I spent two years called him, was a good student, involved in the searching for traces of Benjamin: in photo al- parish and popular with neighbours, friends bums, in diaries, in archives, in personal and and acquaintances. To become a musician – public documents, and in conversations. At that was Beni’s ambition. But in 1931, while the end of this memory work, I had gathered chopping logs, he injured his hand with an experiences and insights, but also questions, axe: instead of splitting the wood, the blade about my family and about our country. It severed part of his finger. As a result of this changed my life. deeply traumatising experience, Beni suffered “For human beings,” Hannah Arendt wrote, a breakdown. Soon, his family was only able “thinking of past matters means moving in the to cope with his attempted suicides and emo- dimension of depth, striking roots and thus tional outbursts with the help of psychiatrists. stabilizing themselves, so as not to be swept In August 1931, Beni was diagnosed with away by whatever may occur – the Zeitgeist “juvenile schizophrenia” and was sent to the or History or simple temptation.” asylum in Bedburg-Hau on the Lower Rhine. Benjamin Traub, my father’s youngest brother, Benjamin’s illness occurred at a turbulent time was born on 25 November 1914 in Mülheim in German political history, which culminated an der Ruhr. He was a friendly, intelligent in the election of Adolf Hitler as Reichskanzler, and musically gifted child. Beni, as the family marking the start of National Socialist rule.

“In line with the T4 criteria, my un- cle was one of the patients destined for selection and deportation to a killing centre” – Hartmut Traub

„Nach den Kriterien von ‚T4‘ gehörte mein Onkel zum Kreis der Patienten, die für die Selektion und den Abtransport in eine Tötungsanstalt vorgesehen waren“ – Hartmut Traub bei seiner Gedenkrede

77 By 1 January 1934, Hitler’s racist ideology of “hereditary health in the service of racial purity” had become law. Its purpose was to utilise “modern medicine [...] as a means of ensuring that anything that was apparently sick and genetically impaired, and therefore a continued burden, was declared unfit to In line with the T4 criteria, my uncle was one reproduce, enabling appropriate practical of the patients destined for selection and de- action to be taken.” portation to a killing centre. On 13 March 1940, In 1939, Hitler informed Karl Brandt, the along with 60 other male patients, he was Reich Commissioner for Health and Sanita- taken in a special compartment of the German tion, that he now wished “to implement a Reichsbahn from Bedburg-Hau to the mental specific solution in the matter of euthanasia”. hospital at Weilmünster in Hesse. Weilmünster This so-called solution extended “the powers was a transit institution for Hadamar Euthana- of designated medical practitioners […] so sia Centre. For one year to the day, Benjamin that persons who, as far as one can judge, are lived and worked at this institution, which incurably sick [could], following a critical was more like a foretaste of hell than a psychi- assessment of their condition, be granted a atric hospital. merciful death.” 13 March 1941: For 64 patients at Weilmünster From 1939, “Aktion T4” organised the mass “hospital”, this is the last day of their lives. All murder of people with physical or mental the possible reasons for excluding them from disabilities or mental illness. The murders the death list now count for nothing. T4’s ma- were carried out at six killing centres across chinery of murder is nearing its political goal: the Reich. A mass propaganda campaign was “Elimination for the sake of racial hygiene.” launched to persuade public opinion that Even this final stage in the destruction of “life these sick people were depriving the state unworthy of life” is organised down to the and society of economic resources that were very last detail by T4’s masterminds. “Death urgently required for other purposes. They comes as a master from Germany,” Paul Celan were termed “dead weight existences” – writes in his Fugue of Death in 1952. And this “life unworthy of life”. death comes in a very particular form.

78 Benjamin Traub (second from right) with his brothers, Daniel, Walter, Werner at home in the garden, around 1930

Benjamin Traub (2. v. r.) mit seinen Brüdern, Daniel, Walter und Werner im elterlichen Garten. Etwa 1930.

79 In the yard at Weilmünster, grey buses are lined up waiting. They come from “Gemein- nütziger Krankentransport GmbH”. This sup- posed “charitable ambulance service” is in fact a sub-division of T4, sent to collect the candidates for death. And as the institution’s alight. The entrance is guarded: there is no es- director later admits in his statement, these cape. From the garage, they are taken along a same people are happy at the thought of an passageway, built specifically for this purpose, outing. In fact, they even invite him to board which leads directly into the main building. the bus and join them for the day. Meanwhile, There, they undergo an initial examination. at Hadamar, everything has been prepared for They are told to undress. A doctor arrives the new arrivals. Unimaginable to us, and yet and gives them tranquillisers. Their patient for the trained staff at the so-called “Charitable records are checked, photos and notes are Foundation for Institutional Care”, this is just taken – the usual institutional procedure, or a “normal” working day: a mass destruction so it seems. Only the notes reveal what is re- routine – 60 patients every day. And it has ally going on here: a fabricated diagnosis of a been going on for months. fatal illness for the death certificate that can be Benjamin and his fellow patients board the explained by the patient’s records; and notes buses at Weilmünster, unaware of the fate drawing attention to gold teeth and diseases of that awaits them. They travel westwards for so-called “scientific” interest. around 30 kilometres through the rolling land- The physical examination is over. All they scape of the Taunus. After an hour or so, they need to do now, before they get dressed, is to reach Hadamar. The buses drive into the Cen- take a shower. “Nurses and carers” usher the tre’s cavernous garage and come to a standstill. group down a dark, narrow staircase into the The gates are shut behind them. And now at cellar, to a shower room, a white-tiled cham- last, out of sight, the passengers are allowed to ber around three by five metres in size.

Youth Encounter participants in the plenary chamber during the Ceremony of Remembrance

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jugendbegegnung während der Gedenkstunde im Plenum

80 Benjamin finds himself crushed into a tiny space alongside 63 other naked men. The doors are locked behind them. What thoughts will have crossed their minds as they stood from their owners and the brain is removed there, captive? Do they feel fear, or panic? from so-called “cases of scientific interest”. What can they hear? What can they smell? Meanwhile, the “stokers” – the men who oper- Who are the people pressed in beside them? ate the two incinerators at the Hadamar cre- They have very little time to react. matorium – have started work. The duty doctor, Günther Hennecke, opens the Hubert Gomerski, a “stoker”, first at Hadamar valve on the gas cylinder that has been placed and then at Sobibor death camp for Jews, ready just outside the room. Carbon monoxide recalled during his interrogation in Febru- is pumped into the “shower room” through a ary 1947: water pipe that has been modified specifically “Then I helped to burn the corpses. [...] There for this purpose. were around 40 to 60. They were loaded on a Benjamin is overcome with nausea. He loses metal stretcher and taken to the incinerators. consciousness. A few minutes later, he and his It took around 30 to 40 minutes to burn 63 companions in suffering are dead – killed a body. People worked day and night until by the poisonous gas. The staff watch the pro- the corpses were gone.” cess of mass murder through a spy hole. They Benjamin’s lifeless body is among those later record what they see: dragged out of the gas chamber and into the “I watched through the spyhole. After a minute crematorium and burnt on 13 March 1941. or so, people collapsed or lay down on the Between January and August 1941, the T4 benches. No one made a scene or caused any programme of organised mass murder gassed trouble. We left it another five minutes and 10,113 men, women and children in the cellar then we ventilated the room.” of death at Hadamar and burned their bodies The “technical staff” now set about dragging in the crematorium’s two incinerators. the bodies out of the gas chamber. They are For a full six months, a pall of black smoke taken to a dissection room, where, after refer- rose from the crematorium at the killing centre ence to the notes, the gold teeth are extracted on Mönchberg – clearly visible from the town.

81 Mr President, Ladies and gentlemen,

It is hard to speak after hearing such testimony. “Without remembrance, the same thing can happen again at any time if circumstances worsen significantly.” This is the message given to me by the author and sculptor Dorothea Buck. Dorothea, who will be 100 years old in April, was 19 when she underwent forced sterilisation because of her supposed “genetic inferiority”. She is still a tireless campaigner for humane psychiatry. She has my profound respect and admiration. It now falls to those of us who were born after- wards to keep remembrance alive – for there can be no understanding of the present and future unless we remember the past.

Speech by Sigrid Falkenstein

82 This mass murder of hundreds of thousands of people – the vulnerable, the sick and the Then all trace of her vanished in phrases like disabled – was committed by those who this: were supposed to protect, heal and care for “Some time in the 30s, she was sent to an insti- them. The victims were not faceless enti- tution and she died somewhere along the way, ties. They were people, unique individuals during the war.” who laughed and cried, felt joy and sadness, Bewildered by this apparent amnesia, I set out and who, like all of us, cherished hopes and to find traces of Anna and managed to piece dreams. Their memory was suppressed for together her life from the tiny fragments of decades, even in many of the families – a memory within our family but mainly with the mirror image, as we have heard, of what was aid of patient records and official documents. happening across the whole of society as it Anna was born in the Ruhr region in 1915. sought to suppress, hush up and deny these According to the records, she developed nor- crimes. mally until she was around four years old. It was a shock for me to come across the name Then her parents noticed that she was becom- of my aunt Anna Lehnkering on an Internet ing very anxious, timid and unsettled. A doc- list of victims of “euthanasia” back in 2003. tor noted: “The child is extremely nervous and When I confronted my father, Anna’s younger needs good nutrition and plenty of rest.” brother, with this discovery, he struggled to There are notes about her school career as well: find answers. Clearly, remembering his sister “Was soon transferred from junior school to was difficult and painful. And then he spoke special school. Understands everything that about her for the first time: is said to her. As for her character, […] is ami- “Aenne,” as he called her, “was such a kind able, willing, obedient and agreeable. Can and gentle girl. She loved playing with us read, write and add up, but performance in children. Yes, she found learning difficult.” the latter is poor.”

“Anna is one of several hundred thousand people who are sterilised without their consent simply because they fall short of the standard desired by society” – Sigrid Falkenstein

„Anna ist eine von mehreren Hunderttausend Menschen, die zwangssterilisiert werden, weil sie einfach nicht der gewünschten gesellschaftlichen Norm entspre- chen“ – Sigrid Falkenstein bei ihrer Gedenkrede

83 Due to her learning disability, Anna is unable to take any vocational training. But according to the file: “She is quite proficient at helping around the house. She can also fetch groceries The official medical report states that Anna’s and run errands.” So after leaving school, she is a case of “congenital imbecility”, a common continues to live at home and helps her moth- term, at that time, for mental disability. Ac- er with the housework. My grandparents ran cording to the National Socialists’ genetic and a public house and there was always plenty racial ideology, this makes her a “parasite on of work to be done. the healthy body of the nation”. I found very few photos of Anna, but one is a Anna is one of several hundred thousand peo- particular favourite of mine: it shows her smil- ple who are sterilised without their consent ing into the camera. She looks so carefree. It is simply because they fall short of the standard very hard to make a connection between this desired by society, because they are “differ- young girl and the “Law for the Prevention of ent”. Many of them are later murdered in the Offspring with Hereditary Diseases”, which “euthanasia” programmes. was enacted soon afterwards. In 1936, Anna is sent to the asylum at As a result, in 1934, Anna is forced to undergo Bedburg-Hau. Looking at the entries in her a highly dubious intelligence test. She cannot patient records, it is obvious that the patient explain the meaning of words such as “loyal- was viewed with contempt. It is only by ty”, “piety” or “deference” but she knows the reading between the lines that it becomes prices of common foods and is familiar with clear how much, and how desperately, Anna money – which is surely far more important. struggled and suffered. At the end, there is And when she is asked: “What should you nothing left of the young girl who, only a few do if you find 500 marks?”, she answers quite years earlier, had smiled at the camera with pragmatically: “Hand it in at the office.” such joy and such zest for life.

84 Two plenar attendants gaze into the plenary chamber during the Ceremony of Remembrance

Zwei Saaldiener blicken während der Gedenkstunde in den Plenarsaal

85 Her death sentence is a bureaucratic act. She is a perfect match, so to speak, for her mur- derers’ selection criteria: she is considered to be incurable, she’s a “burden” – I’m quoting directly from her file – and, above all, she doesn’t perform any productive work, and that experience. His entire family was caught up in makes her a so-called useless eater, “unworthy the machinery of genetic health policy. This is of life”. So she is condemned to die. evident, for example, from a genealogical chart In March 1940, Anna is deported to Grafeneck which covers 24 members of the family. Body as part of the “Aktion T4” programme. Grafe- type, physical and mental illness and social neck – the place where the systematic and behaviour are all listed. The catalogue of char- industrial mass murder began, ultimately cul- acteristics is absurd, ranging from “slovenly”, minating in the Holocaust. Anna is murdered “thoughtless” and “idiosyncratic” to “genial” there, in a gas chamber fitted out like a shower and “intelligent”. As well as Anna, other fam- room, when she is just 24 years old. ily members are suspected of “genetic inferior- Weeks later, her mother receives a so-called ity”. Another relative is also sterilised without “letter of condolence” with a fabricated cause his consent. It is quite obvious that some of and time of death. Did she really believe – did the information is based on denunciations and she perhaps want to believe – that her daugh- hearsay. ter’s death was indeed a “release”, in view of Regardless of how true or untrue these entries her supposed “severe and incurable disease”, may be, to me, this genealogical chart shows as the letter claimed? I have no answers. that my family is a colourful mix of individu- Until 2003, no one in our family ever talked als with their own diverse traits, talents and about Anna. This silence, I think, had a lot to inclinations, all shaped, of course, by count- do with shame. The degradation and exclu- less external influences. And like every fam- sion of people with mental illness and disabil- ily, mine has members who have health weak- ity were part of my father’s formative life nesses. That’s not a flaw in our make-up!

On screen: the plenary chamber and rostrum during the Ceremony of Remembrance

Im Fokus: der Plenarsaal und das Rednerpult während der Gedenk- stunde im Deutschen Bundestag

86 Nor is it a reason for shame or concealment, and it certainly cannot justify the immeasur- able suffering inflicted on the victims. That’s easy for me to say today. For the gen- the suppression of her traumatic experiences eration directly affected, however, things were within the family played a major role. Silence very different. The victims, the survivors and makes you sick. Talking about one’s experi- their families continued to suffer discrimina- ences can help. tion and stigma in both German states even af- In 2009, a stumbling stone – a “Stolperstein” ter the war ended, whereas the perpetrators, in – was laid for Anna. I could feel the tension in most cases, were able to continue their careers my father, by then almost 90 years old, as he with impunity. The social, legal and political faced the public; the colour drained from his reckoning with the past was extremely slow face as he struggled to maintain his compo- to start and totally inadequate. The victims sure. On the day the stumbling stone was laid, of “euthanasia” and forced sterilisation were he finally admitted for the first time: “I had not only excluded from public remembrance a sister who was mentally handicapped.” He for decades. No, they continue to be denied died only a few weeks later, and it is comfort- recognition as victims of National Socialist ing to think that for him, the reckoning with persecution and lack equal status with other the past was not only a burden but also, in persecuted groups to this day. some ways, a kind of liberation. I wish he were In many families, the consequence of all this alive today to experience this day of remem- was, and still is, a vicious cycle of silence and brance. It would have helped him so much. denial. This is a taboo subject – one which Anna suffered unimaginable injustice, and part evokes feelings of anxiety, shame and, yes, of that injustice is the silence surrounding her sometimes, perhaps, even guilt. Was there a murder. Today, she has a firm place in our fam- lack of willingness, courage or opportunity to ily memory. That is partly because I happened protect the daughter, the son, the sister, the to come across her name on a list which, ac- brother from this bureaucratic machinery of cording to German law, was compiled illegally. murder? My grandmother suffered severe de- Even today, the law still makes it difficult to pression in later life. It is very likely that publicly name the “euthanasia” victims.

87 One of the reasons is that relatives might feel stigmatised. I ask you! That argument is remi- niscent of the ideology of racial purity! It is time to break this dreadful continuity and to name the victims so that they can be included in family and collective remembrance. It would also go a long way towards removing the stigma suffered by people living with dis- ability or mental illness today. What remains, then, apart from mourning and There are now many positive signs of a shift in remembrance? Germany’s culture of remembrance. The me- It is important to tell stories like Anna’s, Ben- morials at the sites of the killing centres and jamin’s and Ernst’s, and to tell as many as at Tiergartenstraße 4, the efforts being made by we can, for it is these individual life stories the medical profession to deal with the past, which illuminate abstract historical events. the countless citizens’ initiatives and much In the best case, they touch hearts and help more all bear witness to that. This is also en- to change minds. I tell Anna’s story because couraging more and more people to research I want us to look, listen and speak out when- their family history and to give their murdered ever individuals or groups are judged by their relatives a name and face again. usefulness, by their supposed value or their In the political arena, too, calls for the vic- lack of worth. And it is not just about people tims of “euthanasia” to be commemorated with a disability or illness. I tell Anna’s story are increasingly finding a hearing, as today’s because it can guide us as we give shape to a ceremony of remembrance here in the Ger- society that is rooted in respect for life in all man Bundestag shows. Remembering Ernst its diversity and with all its imperfections. Putzki, Benjamin Traub and Anna Lehnkering So I would like to finish by quoting the words in a setting which is so significant in our his- of Max Mannheimer, a survivor of the Shoah, tory is a very special, perhaps even a historic who died last year: occasion. We say their names aloud for the “You are not responsible for what happened. many nameless victims and give back a piece But you certainly are responsible for prevent- of their identity and dignity in an act of justice ing it from happening again.” that is long overdue, albeit one which, for the victims, can only ever be symbolic. Thank you.

88 Pianist Moritz Ernst and horn player Felix Klieser perform Norbert von Hannenheim’s Death Experienced

Der Pianist Moritz Ernst und der Hornist Felix Klieser spielen die „Todeserfahrung“ von Norbert von Hannenheim

89 Federal Chancellor Angela Merkel in conversation with Sigrid Falkenstein and Hartmut Traub, with Sebastian Urbanski in the foreground

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht mit Sigrid Falkenstein und Hartmut Traub, im Vordergrund Sebastian Urbanski

90 Guests in the visitors’ gallery

Gäste auf der Tribüne

91 Sebastian Urbanski, born in 1978, is a voice artist in the filmMe Too and actor at RambaZamba, the inclusive theatre in Berlin, which he joined in 2001. His on-screen appearances include one of the main roles in the filmSo wie du bist [The way you are]. The TV production Zeig mir deine Welt [Show me your world] won Bobby and Blue Panther Awards. His book Am liebsten bin ich Hamlet. Mit dem Downsyndrom mitten im Leben (“I like being Hamlet best. My life with Down Syndrome”) was published in 2015.

Sigrid Falkenstein, born in 1946, worked as a teacher in Berlin. In 2003, after discovering that her aunt Anna Lehnkering had been murdered in the National Socialists’ “eutha- nasia” programme, she began her search for traces and memories of Anna. A co-founder of the Round Table on the redesign of the T4 Memorial, she published her book Annas Spuren – in collaboration with Professor Frank Schneider – in 2012.

Profiles

92 Felix Klieser began his studies at Hanover Dr Hartmut Traub, born in 1952, studied and University of Music, Drama and Media at taught social sciences, Protestant religious just 17 years of age. Now 26, the French horn education and philosophy. He is the author player won the ECHO Klassik Award for his of philosophical works and co-editor of a debut album Reveries. His book Fußnoten journal of philosophy. He took up his present – Ein Hornist ohne Arme erobert die Welt position as Director of Studies at a teacher (“Footnotes. A French Horn Player Without training centre in Essen in 2000. His book Arms Conquers the World“) was published Ein Stolperstein für Benjamin traces the life in 2014. In 2015, he appeared with the of his uncle Benjamin Traub and was Württemberg Chamber Orchestra Heilbronn, published in 2013. conducted by Ruben Gazarian, performing concertos for French horn by Joseph and Norbert von Hannenheim, born in 1898 in Michael Haydn and works by Mozart. He Hermannstadt (now Sibiu, Romania), studied won the Schleswig-Holstein Music Festival’s in Leipzig, Budapest and, from 1929, in Berlin Leonard Bernstein Award in 2016. with Arnold Schönberg, who described him as one of his best students. After major successes, Moritz Ernst, born in 1986, studied piano, his work was branded as “degenerate” after harpsichord and musicology in Detmold, 1933. In 1935, his mental health began to London (with Professor Peter Feuchtwanger) deteriorate and in 1944, after suffering an and Basel. He has released numerous CDs, episode of schizophrenia, he was admitted including recordings of piano works by to a psychiatric hospital in Berlin. He died Norbert von Hannenheim, Viktor Ullmann and in the hospital in Meseritz-Obrawalde (now Arthur Lourié, to great acclaim. Moritz Ernst Międzyrzecz in Poland), where the systematic is a regular guest on prominent radio shows, murder of thousands of mentally ill patients performs with leading orchestras and makes continued until early 1945. frequent festival appearances.

93 94 The German Bundestag’s Youth Encounter marking the Day of Remembrance The National Socialists’ “euthanasia” programme was also the theme of this year’s German Bundestag Youth Encounter, which took place from 23 to 27 January 2017. In all, 78 young people from 15 countries who are involved in memorial work at home took part in the event. The programme began with a visit to Pirna-Sonnenstein Memorial, which commemorates the more than 13,000 people, most of whom were suffering from mental illness or learning disabilities, murdered by the National Socialists at Pirna-Sonnenstein hospital in 1940 and 1941. Back in Berlin, the young people visited the T4 Memorial in Tiergarten. At Charité, Berlin’s oldest hospital and one of Europe’s largest university clinics, the young people discussed Charité’s role in National Socialism. As the high- light and conclusion of the Youth Encounter programme, the young people attended the Ceremony of Remembrance for the Victims of National Socialism in the German Bundestag on 27 February. They then discussed their experiences with the guest speakers, Sigrid Falkenstein and Dr Hartmut Traub, with actor Sebastian Urbanski, who read out a letter from one of the victims of the “euthanasia” programme during the Ceremony, and with Bundestag Vice-President Ulla Schmidt. The aim of the 21st International Youth Encounter was to turn the spotlight on lesser-known aspects of the National Socialist crimes and, as in previous years, to foster debate in light of the differing experiences and cultures of remembrance in Germany and other countries. In addition to visits to memorial sites and places of remembrance, the sharing of ideas in work- ing groups was a key element of the programme.

Youth Encounter 2017

96 Page 94: Youth Encounter A guide provides information participants at the T4 Memorial about the “euthanasia” programme in Tiergartenstraße. The National in Pirna-Sonnenstein Socialists’ “euthanasia” programme was planned here Erläuterungen zu den „Euthanasie“-Morden in Seite 94: Teilnehmerinnen der Pirna-Sonnenstein Jugendbegegnung an der Ausstel- lung des Gedenkortes in der Tier- gartenstraße 4, Berlin. Dort wurden in der Zeit des Nationalsozialismus die „Euthanasie“-Morde geplant.

97 I read the letter of invitation to the German Bundestag’s Youth Encounter back in Novem- ber. The theme for 2017 was “euthanasia”. I was aware that the Nazis had killed thousands of sick and disabled people, but that was re- ally the extent of my knowledge. At present, I am doing voluntary service at the Mémorial du Camp de Rivesaltes in France, organised by Action Reconciliation Service for Peace (ARSP). I am working on the Spanish Civil War. Spending time at the memorial has also confronted me with the murder of European Jews and has taught me a great deal about the Algerian War. For me, “euthanasia” was a new and horrific chapter in the history of National Socialism.

“Respect for life in all its imperfection” – The German Bundestag’s Youth Encounter 2017 on the theme of “euthanasia” Reflections on the German Bundestag’s Youth Encounter 2017, by Leonie Schulte

98 The Youth Encounter began on 23 January with a welcome session at the Paul Löbe Building for the whole group – 78 young peo- That same Monday, in the evening, we drove ple from 15 countries. I was looking forward to Pirna. Pirna-Sonnenstein is one of six to the discussions with other young people former hospitals which were used as killing who are interested in history and politics and centres during the National Socialist period. are actively involved, as I am. Right from the The next day, we visited the memorial, which start, we were divided into working groups. has only been open since 2000. The guided We began by asking ourselves some questions: tour and the walk around the grounds were What do we know about “euthanasia”? What extremely interesting but also very upsetting. do we want to know, and why is it still so im- After that, we broke into our working groups portant to explore this topic today? I myself and looked at sources, before rejoining the knew very little about it, and I began to won- rest of the group to share our findings. During der why. The “euthanasia” murders were sup- our one and a half days in Pirna, we also dis- pressed for a very long time, and the victims cussed current issues such as assisted dying, had long faded from the public’s memory. The the way in which we deal with people with memorials are still very new, and the process disabilities, and pre-implantation diagnosis. of dealing with the past is still not complete. I realised that the categorisation of people as Even today, people with disabilities and “worthy” or “unworthy” of life did not start mental illness still suffer discrimination and – or end – with the National Socialists. For exclusion. That is why it is so important to months, a black cloud of smoke from the cre- address what happened in the past. matorium hung over Pirna. Local people must

99 Early on Thursday morning, we started the day with a visit to the memorial at Tiergartens- traße 4, which only opened to the public in have known, or at least guessed, what was go- 2014. This was where the “euthanasia” pro- ing on at Sonnenstein, right here in their home gramme was planned and organised, where it town, but there was no resistance. I was horri- was decided who was worthy of life and who fied by the thought that the people responsible was not. We were able to look around on our for these crimes – doctors, nurses and officials own and, if we wished, to lay a flower at the – thought they were doing the right thing and memorial. However, there was not that much simply wanted to “release” the victims from time for reflection on a deeper and more emo- suffering. But what I found even more shock- tional level. ing was the indifference of the people who After that, we drove to the Bundestag and knew what was happening but did nothing to visited the We are many exhibition by pho- stop it, and the suppression of these crimes tographer Jim Rakete. The exhibition consists after the war. of photographs of people who would have Back in Berlin, we reconvened in our small been murdered during the National Socialist groups and reflected on what we had seen, period. Their great charm and dignity shine experienced and learned in Pirna. Making through. I found this contrast extremely mov- ourselves understood in German was some- ing. It made me think about how we view peo- times a challenge, but we always managed to ple with disabilities or illnesses today. People communicate somehow. It is the international are still stigmatised and excluded. Even now, character of the Youth Encounter that makes it not everyone has the opportunity to partici- so appealing. On a personal level, I found talk- pate in society. ing to young people from all over the world In the afternoon, we visited the Charité Hospi- and gaining insights into life in the different tal and listened to two lectures, one on Chari- countries very enriching. But I was sad to see té’s role in National Socialism and the other that there was not one young person with a on the GeDenkOrt.Charité project. Hearing disability among the participants. about an institution like Charité made me

Page 99: Participants share their Discussion in the auditorium at experiences the Department of Psychiatry and Psychotherapy, Charité Campus Seite 99: Erfahrungsaustausch zwischen Teilnehmerinnen Diskussion im alten Hörsaal der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie auf dem Campus der Charité

100 realise to what extent National Socialist ideol- ogy pervaded all aspects of life and how the medical profession became complicit in these crimes. er, Sigrid Falkenstein, concluded her speech The day ended at the Topography of Terror with the words of Max Mannheimer, a survi- memorial centre. We watched Fog in August, vor of the Shoah: “You are not responsible for a film about the euthanasia programme. Once what happened. But you certainly are respon- again, I was profoundly affected on an emo- sible for preventing it from happening again.” tional level, and I think that is very important That’s the main message that I shall take away in gaining an understanding of this topic in all from this Youth Encounter. It is the young – its dimensions. and that means us – who can and must shape The last day of the Youth Encounter came the future. And to do so, we need an aware- around much more quickly than I had ex- ness and understanding of our history. pected. With a packed programme, late nights In the discussion after the Ceremony of Re- and lack of sleep, the week flew by. On 27 membrance, in which the Vice-President of January, our group had the honour of attend- the German Bundestag was one of the panel- ing the Ceremony of Remembrance in the lists, we also talked about the Convention on plenary chamber of the German Bundestag. I the Rights of Persons with Disabilities and its was deeply moved by the Ceremony. For me, a implementation in Germany. In my view, this very powerful message was sent when Sebas- is still very much a work in progress, but I am tian Urbanski read out a letter from one of the looking forward with optimism to a future victims – the first time a person with Down in which people are no longer classed as Syndrome had ever addressed the Bundestag. “disabled” and “able-bodied”, but in which To me, the very fact that he was the first shows unconditional respect for life in all its imper- that we still have a very long way to go before fection and for human dignity is lived and we achieve genuine inclusion. The next speak- experienced.

101 A participant contributes to the panel discussion

Beitrag einer Teilnehmerin in der Podiumsdiskussion

102 Ulla Schmidt, Vice-President of the German Bundestag, with Sigrid Falkenstein, niece of a eutha- nasia victim and guest speaker at the Ceremony of Remembrance, and actor Sebastian Urbanski, who read out a letter from one of the victims during the Ceremony

Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt mit Sigrid Falkenstein, Nichte eines „Euthanasie“-Opfers und Rednerin bei der Gedenkstunde, und Sebastian Urbanski, Schauspieler, der einen Brief eines Opfers der „Euthanasie“-Verbrechen in der Gedenkstunde verlas

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Exhibition We are many. We are people with disabilities, with epilepsy, with mental illness, with experi- ence of violence or addiction, with incurable diseases. We are the homeless and vulnerable. We are many. Around 7.6 million people in Germany have severe disabilities, 84 percent of whom were not born with their conditions. Disability is part of human existence. We are many. In this very special project, photographer Jim Rakete turns the viewfinder not on the most visible representatives of our society but on those who still have to struggle to get noticed. The exhibition celebrates the Bethel Institution, which has been caring for people and giving them the opportunity to live and work in communities for 150 years. Its ethos – “being there for people” – has withstood two world wars, the crimes of National Socialism, the division of Germany, and the economic and financial crises. It is as relevant today as it always was. With each and every one of these photographs, “We are many” vanquishes the National Social- ists’ malign ideology of “life that is unworthy of life” and depicts the truth: every life is precious. The exhibition in the Paul Löbe Building was created at the initiative of the Bethel Institution with support from the German Bundestag. It consists of 50 portraits – 50 people – 50 lives. Its message? Human dignity is inviolable.

We are many

106 In the spotlight: Angelika Schneider is interviewed about her portrait

Im Rampenlicht: Die porträtierte Angelika Schneider wird zu den Fotoaufnahmen interviewt

107 An enthusiastic audience at the exhibition opening

Begeisterte Besucherinnen und Besu- cher bei der Ausstellungseröffnung

108 Words of welcome: Pastor Ulrich Pohl, Chair of the Bethel Institution, and a sign language interpreter

Pastor Ulrich Pohl, Vorstandsvorsit- zender der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, wird bei seinem Grußwort gebärdengedolmetscht

109 The band “Oder so!” from Bethel – group photo

Gruppenbild der Band „Oder so!“ aus Bethel

110 Despite her sickle cell anaemia, Sandra Frempomaa never fails to show other residents and staff of Patmos House in Bethel that life is beautiful and a gift to be enjoyed.

Trotz ihrer Sichelzellanämie zeigt Sandra Frempomaa anderen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses Patmos in Bethel immer wieder, dass das Leben schön ist und dass man es genießen sollte

111 Impressum Published by: Herausgeber: German Bundestag Deutscher Bundestag Public Relations Division (IO 2) Referat IO 2 Platz der Republik 1 Öffentlichkeitsarbeit 11011 Berlin Platz der Republik 1 www.bundestag.de 11011 Berlin Coordinated by: Tibor Pirschel, www.bundestag.de Thomas Karisch Koordination: Tibor Pirschel, Thomas Karisch Record of proceedings: German Bundestag, Shorthand Writers’ Service Protokollierung: Deutscher Bundestag, Stenografischer Dienst Edited by: Society for the German Language (GfdS) Lektorat: Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) Translated by: Language Service of the German Bundestag, in Übersetzung: Sprachendienst des Deutschen Bundestages in cooperation with Hillary Crowe Zusammenarbeit mit Hillary Crowe Design: German Bundestag, Division ZT 5 Gestaltung: Deutscher Bundestag, Referat ZT 5 Bundestag eagle: Created by Professor Ludwig Gies, revised in Bundestagsadler: Urheber Prof. Ludwig Gies, Bearbeitung 2008 2008 by büro uebele büro uebele Photos: inside front cover and pp. 1, 9, 11, 16, 27, 31, 36, 37, Fotos: 2. Umschlagseite u. S. 1, 9, 11, 16, 27, 31, 36, 37, 39, 65, 39, 65, 69, 72, 77, 81, 90, 91 Deutscher Bundestag (DBT) / Simo- 69, 72, 77, 81, 90, 91 Deutscher Bundestag (DBT) / Simone M. ne M. Neumann; pp. 4, 7, 20/21, 23, 24, 29, 33, 35, 38, 60, 63, Neumann; S. 4, 7, 20/21, 23, 24, 29, 33, 35, 38, 60, 63, 75, 83, 75, 83, 87 DBT / Thomas Trutschel / photothek.net; pp. 42, 45, 87 DBT / Thomas Trutschel / photothek.net; S. 42, 45, 47, 47, 49, 50, 51, 52, 53, 94, 97, 99, 101, 102, 103 DBT / Stella von S. 49-53, 94, 97, 99 sowie S. 101-103 DBT / Stella von Saldern; Saldern; pp. 13, 15, 19, 54, 57, 58, 59, 67, 71, 85, 89, 104, 107, S. 13, 15, 19, 54, 57-59, 67, 71, 85, 89, 104 sowie S. 107-111 108, 109, 110, 111 DBT / Jörg F. Müller; p. 17 Archiv des Lan- DBT / Jörg F. Müller; S. 17 Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes deswohlfahrtsverbandes Hessen, Bestand 12 K 2274; p. 79 Hessen, Bestand 12 K 2274; S. 79 Dr. Hartmut Traub; Dr Hartmut Traub; p. 30 Sigrid Falkenstein S. 30 Sigrid Falkenstein Printed by: Druckhaus Waiblingen, Remstal-Bote GmbH, Druck: Druckhaus Waiblingen, Remstal-Bote GmbH, Waiblingen Waiblingen

Stand: März 2017 As at: March 2017; © Deutscher Bundestag, Berlin © Deutscher Bundestag, Berlin Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.

In der Mediathek des Deutschen Bundestages The German Bundestag’s Media Library (www.bundestag.de/ (www.bundestag.de/mediathek) finden sich ein vollständiger mediathek) contains a full recording of the Ceremony of Re- Mitschnitt der Gedenkstunde, ein kurzer Filmbeitrag über die membrance, a short film on the Youth Encounter, a recording Jugendbegegnung, ein Mitschnitt des Podiumsgesprächs of the panel discussion between Ulla Schmidt, Vice-President zwischen Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt, of the Bundestag, Dr Hartmut Traub, Sigrid Falkenstein and Dr. Hartmut Traub, Sigrid Falkenstein und Sebastian Urbanski Sebastian Urbanski, along with a short report on the exhibition. sowie eine kurze Reportage über die Ausstellung. This publication is produced by the German Bundestag as part Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Deut- of its public relations work. schen Bundestages. Sie wird kostenlos abgegeben, ist nicht It is provided free of charge, is not intended for resale and zum Verkauf bestimmt und darf nicht zur Wahlwerbung einge- must not be used for election campaign purposes. setzt werden.

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