Tag Des Gedenkens an Die Opfer Des Nationalsozialismus Gedenkstunde Des Deutschen Bundestages Berlin, 27
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Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus Gedenkstunde des Deutschen Bundestages Berlin, 27. Januar 2017 Day of Remembrance for the Victims of National Socialism Ceremony of Remembrance at the German Bundestag Berlin, 27 January 2017 Inhalt Contents Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – Gedenkstunde des Deutschen Bundestages 61 Day of Remembrance for the Victims 6 Programm der Gedenkstunde of National Socialism – Ceremony of 8 Begrüßung durch den Präsidenten Remembrance at the German Bundestag des Deutschen Bundestages, 62 Programme Prof. Dr. Norbert Lammert, mit Lesung 64 Welcome statement by the President eines Briefes von Ernst Putzki durch of the German Bundestag, Sebastian Urbanski Professor Norbert Lammert, with a 22 Gedenkrede von Dr. Hartmut Traub reading by Sebastian Urbanski of 28 Gedenkrede von Sigrid Falkenstein a letter by Ernst Putzki 76 Speech by Dr Hartmut Traub 82 Speech by Sigrid Falkenstein 40 Epilog 40 Sebastian Urbanski 92 Profiles 40 Sigrid Falkenstein 92 Sebastian Urbanski 41 Dr. Hartmut Traub 93 Sigrid Falkenstein 41 Norbert von Hannenheim 93 Dr Hartmut Traub 41 Felix Klieser 93 Norbert von Hannenheim 41 Moritz Ernst 93 Felix Klieser 93 Moritz Ernst 43 Jugendbegegnung des Deutschen Bundes- tages anlässlich des Gedenktages 95 The German Bundestag’s Youth Encounter 44 Jugendbegegnung 2017 marking the Ceremony of Remembrance 46 Gedanken zur Jugendbegegnung des 96 Youth Encounter 2017 Deutschen Bundestages 2017 von 98 Reflections on the German Bundestag’s Leonie Schulte Youth Encounter 2017, by Leonie Schulte 55 Ausstellung 105 Exhibition „Wir sind viele“ We are many In der Mediathek des Deutschen Bundestages The German Bundestag’s Media Library (www.bundestag.de/mediathek) finden sich ein (www.bundestag.de/mediathek) contains a full vollständiger Mitschnitt der Gedenkstunde, ein recording of the Ceremony of Remembrance, kurzer Filmbeitrag über die Jugendbegegnung, a short film on the Youth Encounter, a ein Mitschnitt des Podiumsgesprächs zwischen recording of the panel discussion between Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt, Ulla Schmidt, Vice-President of the Bundestag, Dr. Hartmut Traub, Sigrid Falkenstein und Dr Hartmut Traub, Sigrid Falkenstein and Sebastian Urbanski sowie eine kurze Reportage Sebastian Urbanski, along with a short report über die Ausstellung. on the exhibition. 4 Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus Gedenkstunde des Deutschen Bundestages Berlin, 27. Januar 2017 Begrüßungsansprache des Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert Brief von Ernst Putzki, gelesen von Sebastian Urbanski Klaviersonate Nr. 3, 2. Satz Adagio von Norbert von Hannenheim, gespielt von Moritz Ernst Gedenkrede Dr. Hartmut Traub Gedenkrede Sigrid Falkenstein „Todeserfahrung“ von Rainer Maria Rilke, mit Musik von Norbert von Hannenheim, interpretiert von Felix Klieser (Horn), begleitet am Klavier von Moritz Ernst Programm der Gedenkstunde 6 Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert (v. l.), gefolgt von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsidentin Malu Dreyer und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle Walking to their seats, from left to right: Federal President Joachim Gauck and Norbert Lammert, Presi- dent of the Bundestag, followed by Federal Chancellor Angela Merkel, Malu Dreyer, President of the Bundesrat, and Andreas Voßkuhle, President of the Federal Constitu- tional Court 7 Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Frau Bundeskanzlerin! Frau Bundesratspräsidentin! Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts! Exzellenzen! Verehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute fast auf den Tag genau 75 Jahre her, dass 15 hochrangige Vertreter des Nazi- regimes in einer Berliner Villa im Westen der Hauptstadt zusammenkamen, um mit unfassbarer Menschenverachtung den millionenfachen Mord an den europäischen Juden möglichst effizient zu organisieren, der damals längst beschlossen war und auch seit Langem begonnen hatte. Hermann Göring hatte Reinhard Heydrich beauftragt, „in Ergän- zung der Ihnen bereits mit Erlaß vom 24.1.39 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung zuzuführen“ und „alle erfor- derlichen Vorbereitungen in organisatorischer, Begrüßung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert, mit Lesung eines Briefes von Ernst Putzki durch Sebastian Urbanski 8 sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa“. Die Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 spiegelt jene zynisch technokratische zuvor zwangssterilisiert und auf andere Weise Unmenschlichkeit und ideologisch verbrämte gequält. „Die Barbarei der Sprache ist die Barbarei wider, die neben Juden auch andere Barbarei des Geistes“, hat Dolf Sternberger Gruppen unschuldiger Menschen traf. Ihrer, einmal geschrieben, der bereits 1945 ein der Millionen Entrechteter, Gequälter und „Wörterbuch des Unmenschen“ zusammen- Ermordeter, gedenken wir heute: der Sinti und getragen hat. Und tatsächlich: Die „Eutha- Roma, der Millionen versklavter Slawen, der nasie“ begann mit der denunziatorischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, der Entmenschlichung ihrer Opfer, die als „nutz- Homosexuellen, der politischen Gefangenen, lose Esser“, „seelenlose menschliche Hüllen“ der Christen, der Zeugen Jehovas, all derer, verunglimpft wurden und – in den Worten die wegen ihrer religiösen und politischen der Täter – der „Ausmerzung“ bedurften. Überzeugungen von der nationalsozialisti- „Die Barbarei der Sprache ist die Barbarei schen Ideologie zu Feinden erklärt, verfolgt des Geistes“ – aus Worten wurden Taten. und vernichtet wurden. Wir erinnern auch an Zwischen „Euthanasie“ und dem Völkermord diejenigen, die mutig Widerstand leisteten. an den europäischen Juden bestand ein enger Wir gedenken in diesem Jahr besonders Zusammenhang. Als „Probelauf zum Holo- der Kranken, Hilflosen und aus Sicht der caust“ gilt das Töten durch Gas, das zuerst NS-Machthaber „Lebensunwerten“, die im bei den „Euthanasie“-Opfern praktiziert und sogenannten „Euthanasie“-Programm ermor- damit zum Muster für den späteren Massen- det wurden: 300 000 Menschen, die meisten mord in den NS-Vernichtungslagern wurde. „‚Die Barbarei der Sprache ist die Barbarei des Geistes‘ – aus Worten wurden Taten“ – Bundes- tagspräsident Norbert Lammert bei seiner Begrüßungsrede “‘Barbarity of language is barbarity of spirit’ – and words became deeds” – Norbert Lammert, President of the Bundestag, delivering his welcome statement 9 Und auch personell gab es bedrückende Kontinuitäten: Über 100 Ärzte, Pfleger und sonstige Beteiligte an den Krankenmorden, deren erste Phase 1941 geendet hatte, setzten Stimmen laut, die Kranken und Schwachen ihr Tun bruchlos in den Vernichtungslagern das Lebensrecht absprachen. Die Zahl der für KZ-Häftlinge fort. Euthanasiebefürworter nahm nach dem Ersten Der Begriff „Euthanasie“ – „schöner Tod“ – Weltkrieg drastisch zu, selbst in den liberalen ist keine Erfindung der Neuzeit. Er findet sich USA. Dass auch hier Ärzte, Richter und bereits in der Antike und beschreibt verharm- Politiker Überlegungen zur Eugenik anstellten, losend die Tötung von als nicht lebenswert diente noch bei den Nürnberger Prozessen eingestuften Menschen. Über evolutionsbio- deutschen Verteidigern als Argument zur logische Betrachtungen des 19. Jahrhunderts Entlastung ihrer Mandanten. entwickelte sich der Begriff in der sogenannten Aber es gibt natürlich einen wesentlichen Rassenhygiene bzw. Eugenik weiter, und zwar Unterschied zwischen dieser Debatte und in vielen Ländern. Demnach waren es sich dieser Vorstellung in Deutschland und vermeintlich „fortgeschrittene“ Völker angeb- anderswo. Während es zwar auch in anderen lich schuldig, ihre sogenannte erbbiologische Ländern zu entwürdigenden Eingriffen kam, Substanz zu bewahren, um im behaupteten aber eben nicht zu vorsätzlichen, schon gar „Kampf ums Dasein“ zu bestehen. Sollten systematischen Tötungen, fielen in Deutsch- am Anfang nur die Gesunden und Starken land die letzten Hemmungen, folgte hier gefördert werden, wurden zunehmend hunderttausendfacher Mord. 10 Blick auf die Ehrentribüne Guests of honour in the visitors’ gallery 11 zogen die Täter während des Krieges immer weiter. Zuletzt brachten sie alle Menschen um, denen Hitler und seine Mittäter sogenanntes abweichendes Verhalten attestierten, darunter Nichtsesshafte, Unangepasste, Querulanten, Regimegegner, Kriegsgefangene. Meine Damen und Herren, das Morden ging nach Kriegsende weiter. Ärztliche Überzeu- Die Vorbereitungen begannen schon gungstäter in Anstalten wie Kaufbeuren oder 1933. Bereits das in diesem ersten Jahr Irsee konnten ihr zynisches Treiben bis Juli der NS-Diktatur erlassene „Gesetz zur 1945 fortsetzen, indem sie die Besatzungs- Verhinderung erbkranken Nachwuchses“ mächte mit der am Eingang plakatierten gestattete brutale Eingriffe in die Würde Falschmeldung „Typhus“ davon abhielten, von behinderten Menschen. Dazu zählten die Anstalten zu betreten. Dies gehört zu Zwangssterilisierungen, die in nicht wenigen den vielen empörenden Aspekten der „Eutha- Fällen zum Tod des Patienten führten und die nasie“, die kaum ins kollektive Gedächtnis späteren systematischen Mordaktionen bereits gelangt sind, ebenso die Tatsache, dass diese ahnen ließen. Diese setzten mit Ausbruch des Verbrechen mitten in Deutschland verübt Zweiten Weltkrieges ein, als Ärzte und Pfle- wurden: In Dutzenden