Henning W. Battermann und Ludwig Theuvsen Georg-August-Universität Göttingen Feldberegnung in Nordost-Niedersachsen: Regionale Bedeutung und Aus- wirkungen differenzierter Wasserentnahmeerlaubnisse - Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse - Studie im Auftrag des Fachverbandes Feldberegnung (2007-2009)

An der Förderung der Studie waren weiterhin folgende Projektpartner beteiligt: EU Interreg-Projekt „No Regret“ Albrecht-Thaer-Gesellschaft

Genossenschaftsverband Norddeutschland Landwirtschaftliche Rentenbank

Die Volksbanken (e.G.): - die Vereinigte - RWG Osthanno- - Lüneburger Heide, Saatzuchten Ebs- ver, - Nordheide, torf-Rosche, - Landwirtschaftli- - Südheide, - Saatzucht Flett- che Bezugs- und - Hankensbüttel- mar-, Absatzgenossen- , - Stader Saatzucht, schaft Lüchow. - -Salzwedel, - Saatbau Stoetze,

Nordost-Niedersachsen: Deutschlands tätig. Schwerpunkte der landwirtschaftli- Beregnungsgebiet Nr. 1 chen Produktion bilden besonders bereg- nungsbedürftige Kulturen wie Kartoffel, Rund 300.000 ha Beregnungsfläche Zuckerrübe, Feldgemüse und Braugerste. (11,5 % der landwirtschaftlichen Nutzflä- che) liegen in Niedersachsen; dies sind mehr als 50 % der bundesweit insgesamt beregneten 560.000 ha LF. Die meisten der in Niedersachsen beregneten Flächen befinden sich im Nordosten des Landes. Dort herrscht ein vergleichsweise trocke- nes subkontinentales Klima; gleichzeitig dominieren leichtere Böden. In Nordost- Niedersachsen, speziell in den Landkrei- sen , , Lüchow-Dannenberg, Lüneburg, Soltau-Fallingbostel und Uel- Quelle: Friedrich Dräger zen sowie den nördlichen Teilen des Die Betroffenheit von möglichen Ein- Landkreises und der Region Han- schränkungen der Wasserentnahmeer- nover, liegt daher das bundesweit größte laubnisse ist innerhalb des Untersu- zusammenhängende Beregnungsgebiet. chungsgebietes unterschiedlich ausge- In den Landkreisen Gifhorn und Uelzen prägt. Die stärksten Auswirkungen wären sind über 90 % der Ackerflächen unter in denjenigen Gemeinden zu erwarten, in Beregnung. Die Bewirtschaftung vieler denen hohe Anteile besonders bereg- landwirtschaftlich genutzter Flächen in nungswürdiger Kulturen sowie gleichzei- der Region ist erst durch Feldberegnung tig Standorte mit hoher Beregnungsbe- und Mineraldüngung möglich geworden. dürftigkeit anzutreffen sind. Dies gilt vor Dementsprechend wäre die Region von allem für Gemeinden im östlichen Teil einer möglichen Reduzierung der Was- des Kreises Uelzen, im Nordkreis Peine, serentnahmeerlaubnisse, wie sie z.B. Fol- im Landkreis Gifhorn sowie für Gebiete ge einer Umsetzung der EU-Wasserrah- um Burgdorf, und . Hier menrichtlinie sein könnte, in erheblichem wären im Falle einer Reduzierung der Maße betroffen. Feldberegnung besonders ausgeprägte Rückgänge des Anbaus beregnungsinten- Regionale Bedeutung der Feldbereg- siver Kulturen sowie der Deckungsbei- nung träge und Einkommen landwirtschaftli- cher Betriebe zu erwarten. Um die Bedeutung der Feldberegnung für die oben beschriebene Region aufzuzei- Die Untersuchungen zeigen, dass bei ei- gen, wurden Untersuchungen auf Ge- ner Halbierung der Wasserentnahmeer- meindeebene durchgeführt. Diese Analy- laubnisse die Deckungsbeiträge im Pflan- sen zeigen: Die Landwirtschaft ist in der zenbau um bis zu 20 % sinken würden. Untersuchungsregion von besonderer Im Falle eines völligen Verzichts auf die wirtschaftlicher Bedeutung. Nach Anga- Feldberegnung wären Rückgänge der ben des Statistischen Bundesamtes sind Deckungsbeiträge um bis zu 62 % zu dort 4,2 % Beschäftigten in der erwarten. Vor allem auf den schwächeren Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft Standorten würde der Zuckerrübenanbau

stark eingeschränkt. Der Anbau von selbst in diesem optimistischen Preis- Sommergerste würde fast völlig, der Szenario um rund ein Drittel sinken. Stärkekartoffelanbau zumindest in Teilen • Die Produkt- und Faktorpreise haben des Untersuchungsgebietes eingestellt. einen erheblichen Einfluss auf die Be- regnungswürdigkeiten der einzelnen Einzelbetriebliche Konsequenzen einer Kulturen. Bei mittelfristig steigenden verminderten Feldberegnung Produktpreisen, wie sie vielfach er- In Zusammenarbeit mit Landwirten und wartet werden, ist ein ansteigender Beratern aus der Region wurde in einer Zusatzwasserbedarf zu prognostizie- Arbeitsgruppe ein für den Ostkreis Uel- ren. In diesem Fall würden bereits zen u.a. hinsichtlich Größe, Eigenlandan- moderate Kürzungen der Wasserent- teil und Produktionsverfahren typischer nahmeerlaubnisse zu erheblichen landwirtschaftlicher Betrieb beschrieben. Einkommensverlusten führen. Sodann wurden mittels Simulationsrech- Abb: 1: Gewinnbeitrag je ha in Ab- nungen dessen Reaktionen auf eine Ein- hängigkeit von den Wasserentnahme- schränkung der Wasserentnahmeerlaub- erlaubnissen nisse untersucht. Geht man von den bis- herigen Betriebsstrukturen und Anbau- 600 verhältnissen aus und blendet mögliche 500 strategische Anpassungsmaßnahmen der 400 Betriebe zunächst aus der Betrachtung 300 aus, so machen die Analysen deutlich: 200

• Bei niedrigen Preisniveaus für Ge- 100 treide und Ölsaaten, wie sie in der 0

€/ha Gewinnbeitrag Vergangenheit überwiegend zu beo- -100 0 mm 40 60 80 no bachten waren, sind die landwirt- -200 mm mm mm limit

schaftlichen Betriebe in Nordost-Nie- dersachsen ohne strategische Anpas- Quelle: eigene Berechnungen (fette Linie: hohe Agrar- preise; gestrichelte Linie: niedrige Agrarpreise) sungen und ohne den Anbau der be-

regnungsintensiven Hackfrüchte nicht Die durchgeführten Simulationsrechnun- in der Lage, nachhaltig Gewinne und gen wie auch die Diskussionen mit der Eigenkapital zu generieren (vgl. Abb. Expertengruppe vor Ort lassen erwarten, 1). Bereits eine Absenkung der Be- dass die Betriebe in der Region auf Ein- regnungsmenge von 80 auf 60 mm schränkungen der Wasserentnahmemen- pro Jahr würde dazu führen, dass die gen mit Umstellungen der Anbauverhält- Betriebe Eigenkapital verlieren wür- nisse reagieren würden. Unabhängig vom den. Preisniveau für Getreide und Ölsaaten • Etwas günstiger sähe die Lage bei wären im Wesentlichen die folgenden hohen Getreide- und Rapspreisen aus, strategischen Anpassungsreaktionen zu wie sie in den Jahren 2007/08 erzielt erwarten: werden konnten. Unter diesen opti- • Umstellung der Fruchtfolge: Das mistischeren Preisannahmen könnten neue Anbauprogramm setzt sich aus die Betriebe auch bei einer Halbie- ca. 50 % Winterroggen, 25 % Win- rung der Beregnungsmengen noch tergerste und 25 % Winterraps zu- Eigenkapital bilden. Allerdings wür- sammen. den die Einkommen der Betriebe

• Rückgabe der Zuckerrübenquote: (Landhandel, Stärkeindustrie, Ernäh- Durch das Absinken der Erträge ohne rungswirtschaft usw.) deutlich spürbar Feldberegnung auf 400 dt/ha ist die werden. Die Wirtschaft in der Untersu- Entlohnung der Zuckerrübenquote chungsregion wäre entsprechend stark nicht mehr gewährleistet. von Arbeitsplatz- und Einkommensver- lusten betroffen. • Aufgabe des arbeits- und kapitalin- tensiven Kartoffelanbaus. Nochmals sehr viel schwieriger würde sich die Situation der landwirtschaftli- • Veräußerung der zur Zuckerrüben- und Kartoffelproduktion nicht mehr chen Betriebe in Nordost-Niedersachsen benötigten Maschinen und Vermie- im Falle einer Einschränkung der Was- tung überflüssig gewordener Lager- serentnahmeerlaubnisse darstellen, falls hallen. sich kein hohes Getreide- und Rapspreis- niveau einstellt. In diesem Fall würde • Freisetzung bislang beschäftigter fa- selbst die Realisierung der beschriebenen milienfremder Arbeitskräfte. Anpassungsstrategie nicht ausreichen, um Eine Einschränkung der Wasserentnah- für das Überleben der Betriebe ausrei- meerlaubnisse würde somit mittelfristig chende Gewinne zu erwirtschaften (vgl. in weiten Teilen der Untersuchungsregion die gestrichelte Linie in Abb. 2). In die- einen starken Anpassungsdruck auf die sem Fall wäre langfristig von einer Ein- Betriebe ausüben und zu einer deutlichen stellung der landwirtschaftlichen Produk- Extensivierung der landwirtschaftlichen tion auszugehen. Produktion führen. Der Arbeitskräftebe- Abb.: 2: Kapitalisierter Gewinn des satz z.B. würde von 1,2 auf 0,7 AK/100 analysierten Beispielbetriebs 2008 bis ha zurückgehen. Betroffen wären vor 2013 allem Betriebe, die in der Vergangenheit

erheblich in die Produktion beregnungs- € 500 und arbeitsintensiver Kulturen wie der 400 300 Kartoffel investiert haben. 200 100 Die beschriebenen strategischen Anpas- italw ert in T sd. 0 p sungsmaßnahmen würden den Betrieben -100 0 mm 40 mm 60 mm 80 mm no limit Ka (nur) unter der Annahme hoher Getreide- -200 -300 und Rapspreise eine Stabilisierung ihrer -400 Einkommen erlauben und zugleich den Status Quo Anpassung 1 Wasserbedarf auf etwa 60 mm pro Jahr senken. Allerdings würde bei einer Redu- Quelle: eigene Berechnungen (fette Linie: Ist-Situation; gestrichelte Linie: Gewinne bei Umsetzung der zierung der Wassermenge auf 60 mm pro Anpassungsstrategie im Falle niedriger Getreide- und Jahr selbst unter diesen optimistischen Rapspreise) Preisannahmen die Nettowertschöpfung von 707 €/ha auf 456 €/ha zurückgehen. Insgesamt hinge im Falle reduzierter Bei einer Einstellung der Feldberegnung Wasserentnahmeerlaubnisse die Zu- würden sogar nur noch 265 €/ha erzielt. kunftsfähigkeit der Betriebe sehr viel Die Auswirkungen der Umsetzung der stärker als bisher von der Höhe der Ge- Anpassungsmaßnahmen würden somit treide- und Rapspreise ab. Je niedriger nicht nur in der Landwirtschaft, sondern diese sind, desto ungünstiger sind die auch auf den der Landwirtschaft vor- und Aussichten für die langfristige Betriebs- nachgelagerten Wertschöpfungsstufen entwicklung.

In den bisherigen Betrachtungen wurde zur Stärkung der regionalen Wirt- der sich abzeichnende Klimawandel noch schaft bei. Ca. 6,2 % aller Beschäftig- nicht berücksichtigt. Eine Zunahme ex- ten in der Region sind direkt oder in- tremer Witterungsverläufe würde den direkt von der Landwirtschaft abhän- Zusatzwasserbedarf weiter ansteigen las- gig. Jeder Arbeitsplatz in der Land- sen. Dies ist auch deshalb der Fall, weil wirtschaft garantiert weitere 0,36 Ar- im Falle eines Klimawandels die Feldbe- regnung ein zunehmend wichtigeres In- strument des Risikomanagements für die Betriebe in der Untersuchungsregion dar- stellen würde. Bereits jetzt ist die Feldbe- regnung für die Landwirte in der Region nach eigenen Aussagen das mit Abstand wichtigste Risikomanagementinstrument, das Totalverluste etwa in Jahren mit „Jahrhundertsommer“ verhindert. beitsplätze in anderen Wirtschaftssek- toren der Region. Bedeutung der Landwirtschaft für die regionale Entwicklung Quelle: Dieter Heitefuß

• Die Landwirtschaft ist ein bedeutsa- • In der Region profitieren vor allem mer Wirtschaftsfaktor in der Untersu- der Handel sowie das Ernährungs- chungsregion. Sie sichert in Nordost- und Futtermittelgewerbe von der Niedersachsen direkt 12.900 Arbeits- Landwirtschaft. Allein in diesen bei- plätze, einen Bruttoproduktionswert den Bereichen sind mehr als 1.100 von knapp 1,1 Mrd. € sowie ein Ein- Erwerbstätige von der landwirtschaft- kommen in Höhe von rund 292 Mio. lichen Produktion abhängig. Positive € pro Jahr. Effekte sind darüber hinaus auch im • Ergänzend berücksichtigt werden Dienstleistungs- und im Bankensektor müssen auch die der Landwirtschaft festzustellen. Die Konsumausgaben vor- und nachgelagerten Wirtschafts- der in der Agrar- und Ernährungs- bereiche sowie die Wirkungen, die wirtschaft tätigen Menschen schaffen von den Konsumausgaben der in der gegenwärtig knapp 2.700 Arbeitsplät- Agrar- und Ernährungswirtschaft be- ze in der betrachteten Region. schäftigten Menschen in der Region • Ohne das Produktionsmittel Feldbe- ausgehen. So fragen landwirtschaftli- regnung würde die Zahl der in der che Betriebe Vorleistungen im Um- Landwirtschaft sozialversicherungs- fang von mehr als 3265 Mio. € pro pflichtig Beschäftigten in der Unter- Jahr in der Region nach. Rechnet man suchungsregion innerhalb von 8 Jah- diese Effekte hinzu, so trägt die ren um ca. 30 % zurückgehen. Ferner Landwirtschaft mit 16.794 Erwerbstä- würden rund 800 landwirtschaftliche tigen und ca. 421 Mio. € Einkommen Betriebe zusätzlich aus der Produkti- pro Jahr in beträchtlichem Umfang on ausscheiden (vgl. Abb. 3 und 4).

Abb. 3: Entwicklung der Zahl der kreise Uelzen, Lüchow-Dannenberg und landwirtschaftlichen Betriebe bis 2014 Soltau-Fallingbostel. Etwas weniger aus- geprägt wären die Effekte in Teilen der 100% Landkreise Lüneburg, Celle und Gifhorn, die zum Umland von Verdichtungsräu- 90% men zu zählen sind und von deren Wirt- 80% schaftskraft profitieren.

70% Abb. 4: Entwicklung der Beschäftigten in der Landwirtschaft bis 2014 60% 100% 50% 2007 2010 2014 90%

Baseline 50% 0% 80% Quelle: eigene Berechnungen (2007 = 100 %) 70%

60% • Berücksichtigt man auch die indirek- ten Effekte in den der Landwirtschaft 50% vor- und nachgelagerten Wirtschafts- 2007 2010 2014 bereichen, so wäre mittelfristig im Baseline 50% 0% Falle der vollständigen Einstellung der Feldberegnung ein Wegfall von Quelle: eigene Berechnungen (2007 = 100 %) rund 3.000 Arbeitsplätzen in der Re- gion zu erwarten. Der regionale Pro- duktionswert der Wirtschaft würde Einfluss der Feldberegnung auf den um 1,16 % sinken. Aufgrund der Pachtmarkt Strukturschwäche Nordost-Nieder- Die Feldberegnung hat einen erheblichen sachsens würde dies die negativen Einfluss auf das Pachtpreisniveau. Ohne Entwicklungen im demographischen Berücksichtigung von Sonderkulturbe- Bereich, die bereits jetzt in der Unter- trieben geben Landwirte in der Region suchungsregion erkennbar werden, eine Mehrzahlungsbereitschaft von rund nochmals verstärken. 100 €/ha für beregnete gegenüber unbe- Die negativen Wirkungen reduzierter regneten Flächen an. Dieser Wert wird Wasserentnahmeerlaubnisse kämen im durch kalkulatorische Pachtpreisbestim- Untersuchungsgebiet unterschiedlich mungen bestätigt. Für die meisten der stark zum Tragen. Besonders deutlich untersuchten Szenarien ist von einem betroffen wären die ballungsraumfernen Rückgang der Pachtpreise auf nur noch ländlichen Gebiete, namentlich die Land- etwa 200 €/ha auszugehen.