HISTORISCHER ATLAS 4, 17

VON BADEN-WÜRTTEMBERG Erläuterungen

Beiwort zu der Karte 4,17 Veränderungen der Kulturlandschaft im Schönbuch seit dem 17. Jahrhundert von ALFONS UHRLE

Als Schönbuch wird heute das etwa 120 km2 große Die höchsten Erhebungen im Nordwesten sind der geschlossene Waldgebiet angesprochen, das sich zwi- Alte Rain über Herrenberg (553 m), der Rötelberg schen dem Ammertal mit Tübingen im Süden und dem (556 m) und der Kapf (567 m). Diese Berge der nach mit im Norden, zwischen dem Osten einfallenden Stubensandsteinplatte werden öst- Herrenberger Gäu im Westen und den Fildern im lich des Hildrizhauser Grabens von den Deckschichten Osten ausbreitet. War der Schönbuch viele Jahrhun- des Rätsandsteins überragt, der im Bromberg (581 m) derte ein wichtiger wirtschaftlicher Ergänzungsraum den höchsten Punkt des Schönbuchs bildet und auch für Städte und Dörfer in diesem Forst und in dessen im Tafelberg des Steingart noch 566 m erreicht. Umgebung, ist er heute mit seinen gepflegten Wäldern Den Gegensatz bildet der Nördliche Schönbuch, in und großen Rotwildbeständen das Reich des Forst- dessen Westteil die Liasplatte der Holzgerlinger Hoch- manns sowie wichtiger Erholungsraum für das hoch- fläche offene Ackerflächen und große Dörfer trägt. Im industrialisierte und dichtbesiedelte Gebiet des mitt- Ostteil fließen Aich und in breiten und besie- leren Neckars. delten Tälern, zwischen denen von der Liasplatte nur schmale bewaldete Rücken übrigblieben. Die Platten von Pfrondorf und Walddorf im Osten 1. Naturräumliche Gegebenheiten des Goldersbachtals sind hoch über dem Neckartal lie- gende Liasflächen, die durch tiefe -Seiten- Die Schönbuchlandschaft umfaßt mehrere natürliche tälchen in einzelne Basteien, nämlich die Platten von Raumeinheiten; den Hauptteil bilden die vom Golders- Pfrondorf, Einsiedel und Walddorf, zerlegt sind. Deren bach entwässerten Keuperberge des Südlichen Schön- nördliche Teile überragen im Eckberg (509 m) und buchs, an den sich im Norden die von Aich- und Schaichberg (485 m) beträchtlich das Vorland Schaichtal zerschnittenen Liasplatten des Nördlichen (Einsiedel 431 m, Walddorf 414 m), das trotz güns- Schönbuchs und am Ostrand die Liasplatten von tiger Lößlehmböden wegen früherer Zugehörigkeit Pfrondorf und Walddorf über dem Neckartal an- zum landesherrlichen Forst auch heute weithin be- waldet ist. schließen. Als »natürlicher Wald« des Schönbuchs wäre bei Die Höhen des Südlichen Schönbuchs werden im heutigen Klima- und Bodenverhältnissen ein Misch- Westen vom Stubensandstein, im Osten vom Rätsand- wald aus den Laubhölzern Eiche, Buche und Hain- stein gebildet, deren karger Boden der Hauptgrund für buche in wechselnden Mischungsverhältnissen je nach die Geschlossenheit des Walds ist. Die tiefe Zertalung Lagegunst zu erwarten. Nicht auf die Natur, sondern durch das dichte Talnetz des Goldersbachs und seiner auf den Forstmann gehen die Laubholz-Nadelholz- Nebenbäche im Innern des Waldlandes und der ge- Mischwälder und die reinen Nadelholzbestände schlossene Stufenrand nach außen machen diesen zurück, die im 19. Jh. zur schnellen Aufforstung der in Schönbuchteil zu einem schwer zugänglichen Berg- jahrhundertelanger intensivster Waldnutzung entstan- land mit Höhenunterschieden bis zu 150 m. Die ein- denen großen Kahl- und Schütterzonen des Schön- zige Pforte im Stufenrand bildet der geräumige buchs angelegt wurden. Unterlauf des Goldersbachs zwischen Bebenhausen und Lustnau.

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4,17 ALFONS UHRLE / VERÄNDERUNGEN DER KULTURLANDSCHAFT IM SCHÖNBUCH

2. Besiedlung des Schönbuchs sation führte nur noch zu randlicher Siedlungsauswei- tung auf kleinen und bergigen Gemarkungen mit Der Schönbuch ist in der Jungsteinzeit im Gegensatz schlechten Entwicklungsmöglichkeiten, so daß die mei- zu den benachbarten Gäuplatten noch weitgehend un- sten dieser Orte bis heute kleine Weiler blieben. Als besiedelt (vgl. Atlasblatt 3,1). Auffallend sind dagegen Ausbauten älterer Dörfer gehen ihre Namen vielfach über 300 Grabhügel aus der Hallstattzeit (800 bis 400 v. auf Flurnamen zurück. Von den noch bestehenden Or- Chr.; vgl. Atlasblatt 3,2), aus denen sich eine relativ ten am südlichen Schönbuchrand mit seiner bis um dichte Besiedlung in dieser Zeit ergibt. Drei keltische 1900 stark genützten Weinbaugunst gehören hierher Viereckschanzen sind bei Einsiedel, am Betzenberg Hagelloch, Schwärzloch, Breitenholz, Kayh (noch 1291 nordöstlich von Dettenhausen und westlich von Echter- »als Holz, das haizet Gehai«) und das aus drei Orts- dingen nachgewiesen. kernen erwachsene Mönchberg. Auf der Walddorfer Auch in der Römerzeit (90-260 n. Chr.) war der Platte entstanden damals Häslach, Gniebel, Dörnach, Schönbuch, allerdings geringer als in der keltischen Rübgarten und einige abgegangene Weiler, darunter der Epoche, besiedelt. Er wurde durch Viehhaltung, Töp- abg. Burgweiler Wildenau, dessen Herren, die fereien, Steinbruchbetriebe und Holzgewinnung ge- »Fohlen«, sich dann in dem nahen Weiler »in den werblich genutzt. Wichtig für den Schönbuch war seine Rübengärten« ein Herrenhaus erbauten. Im Norden, im Lage inmitten des Kastelldreiecks Cannstatt-Köngen- Aichtal, gehören Neuweiler, der benachbarte Burg- Rottenburg mit seinen ausgebauten Straßenverbin- weiler Breitenstein sowie Neuenhaus zu dieser Schicht. dungen. Neuenhaus, nach dem Neuen Haus, einer pfalzgräf- Die seit der Mitte des 3.Jh. einsetzende alemannische lichen Wasserburg an der Grenze des Schönbuchs be- Landnahme scheint die Keuperhöhen des Schönbuchs nannt, hieß früher auch Häfner-Neuhausen. In dem Ort und Glemswaldes weitgehend umgangen zu haben, mit kleiner und ungünstiger Feldflur arbeiteten vor 100 während das römische Kulturland der umgebenden Jahren noch 78 Hafnermeister. Das eng mit dem Holz Landschaften allseitig besetzt wurde. Wohl erst lange und Ton liefernden Schönbuch verbundene Hafnerge- Zeit später, kaum vor dem frühen 6. Jh., begann eine werbe war auch in Hildrizhausen und Ausweitung des Siedlungsraums auf die randlichen beheimatet, erlosch aber in jüngster Zeit völlig, weil es Liasplatten des Schönbuchs im Norden und Osten. Die- keinen Übergang zur industriellen Fertigung fand. Der ses schrittweise Vordringen der Rodungssiedlung gegen Weiler Glashütte, von einer im 15. Jh. erwähnten das ausgedehnte Waldland läßt sich nur mit Hilfe der Glashütte herrührend, ging wegen der kärglichen Siedlungsnamen (vgl. Atlasblätter 4,1 und 2) sowie von Ausstattung der Siedlung zeitweilig ab und ist heute Patrozinien, urkundlichen Hinweisen und Struktur der Waldarbeiter- und Pendlersiedlung. Etwa 50 Kleinsied- Feldfluren in groben Zügen rekonstruieren. lungen dieser Periode gingen wieder ab, ein Zeichen Eine älteste Gruppe besetzte die ackergünstige Lias- dafür, daß die für Agrarsiedlungen enggesteckten platte des nördlichen Schönbuchs, so Holzgerlingen mit Grenzen überschritten worden waren. Dagegen sind einem Reihengräberfriedhof des 6. Jh., das von einer von den Siedlungen der älteren nur Weildorf und römischen villa hergeleitete Weil im Schönbuch mit partiell Waldhausen abgegangen. Wohl im frühen einer Martinskirche und das nach römischen Mauer- 14. Jh. entstand das Städtlein Waldenbuch, das auf eine resten benannte Mauren mit Pelagiuskirche. Diese erstmals 1296 erwähnte hohenbergische Burg zu- frühesten Siedlungen werden durch Orte mit dem rückgeht und 1363 an die neuen Herren des Schön- Grundwort -dorf ergänzt; JÄNICHEN deutete sie als buchs, die Grafen v. Württemberg, verkauft wurde. fränkische Sicherungskolonien an den damaligen Fern- Einen besonderen Zug in die Kulturlandschaft des straßen durch das unruhige Alemannien. Hierher ge- Nördlichen Schönbuchs bringen die vielen Mühlen. hören auf der Holzgerlinger Platte Altdorf und das abg. Richtige Mühlentäler sind das Aichtal zwischen Holz- Weildorf, am Ostrand des Schönbuchs Pfrondorf, gerlingen und Waldenbuch mit acht Mühlen und das Walddorf und Schlaitdorf. Reichenbachtal (Siebenmühlental) mit fast einem Dut- Wohl jünger ist die Gruppe der -hausen-Orte, die zend Mühlen am Rand der Filder. Die meisten sind tiefer in das Waldland vordringen und sich teilweise mit heute stillgelegt; ein Teil dient als beliebte Ausflug- der Lage in Waldtälern begnügen. Hildrizhausen und lokale. Dettenhausen im Norden, Bebenhausen, Pliezhausen Eine Sonderstellung nehmen auch die beiden und Waldhausen im Süden gehören hierher. Damit ist großen Einzelhöfe, der Schaichhof und der Hasenhof, der frühe Siedlungsausbau beendet und im wesentlichen ein. Der Hasenhof war einst Lieblingsaufenthalt und die Verteilung zwischen landwirtschaftlicher Nutzfläche Mustergut von Herzogin Barbara, der Gemahlin und Wald festgelegt. Alle diese älteren Schönbuchorte Herzog Eberhards im Bart. Der Schaichhof diente als konnten sich dank der Gemarkungsgröße und -gunst Hundelege für die vielen herrschaftlichen Schönbuch- schon früh zu größeren Dörfern entwickeln. jagden und ist jetzt Domäne. Auf einem Teil ihres Die folgende Zeit der hochmittelalterlichen Koloni- Bodens entstand die Schaichhofsiedlung für Heimat- vertriebene, heute ein richtiges Dorf.

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ALFONS UHRLE / VERÄNDERUNGEN DER KULTURLANDSCHAFT IM SCHÖNBUCH 4,17

In der Neuzeit entwickelten sich die gut ausgestatte- war kümmerlich; ein von einzelnen älteren Eichen und ten Orte der älteren Siedlungsschicht infolge der herr- Hainbuchen überragter Niederwald überwog und nur schenden Realteilung zu volkreichen Kleinbauerndör- die umhegten, wildreichen herrschaftlichen Bannwäl- fern mit starkem handwerklichen Einschlag. Neben der der waren reicher an Altholz. Die Änderung dieser Weberei waren es besonders mit den Schönbuchge- schlechten Verhältnisse setzte den Abbau der Rechte rechtigkeiten zusammenhängende Gewerbe wie Holz- der Schönbuchgenossen voraus. Dies erfolgte, teil- handel, Töpferei, Korbflechterei und Steinbruchge- weise nach langen Prozessen, bis um 1850, wobei das werbe. Durch die Nähe großer Industriestädte sind Land die betroffenen Gemeinden meist durch Zu- diese Orte heute fast reine Arbeitergemeinden mit nur teilung von Wald, in Einzelfällen durch Holzliefe- noch wenigen bäuerlichen Betrieben. rungen und Geldgaben entschädigte. Das Aufkommen Im Gegensatz dazu haben die abgelegenen Weiler der Stallfütterung beseitigte den Weidgang und die der jüngeren Siedlungsgarnitur ihren bäuerlichen Cha- beginnende Industrialisierung bot der zwergbäuer- rakter besser bewahrt, besonders die zu nur noch halb lichen Bevölkerung neue Verdienstquellen, so daß die bäuerlichen Arbeitergemeinden angewachsenen Orte Forstnebennutzung von selbst zurückging. Länger als der Walddorfer Platte. die Ablösung der Nutzungen zogen sich die Auffors- tungen der Weideplatten und die Überführung des Buschwaldes in den heutigen geschlossenen Hochwald 3. Der landesherrliche Forst Schönbuch hin. Die anfänglichen Fichten- und Kiefernmonokul- Schon aus der ersten Erwähnung des Schönbuchs turen erwiesen sich bald als Irrweg, während heute ein 1187 (nemus cui nomen est Schaienbuch) geht nach H. Mischwald aus Buchen, Kiefern und Fichten, die sogenannte Schönbuchmischung, von den Forstleuten JÄNICHEN deutlich hervor, daß er im Gegensatz zur lange herrschenden Meinung nie ein Reichsforst war. begünstigt wird. Schon früh läßt sich eine starke Differenzierung der Glanz- und Mittelpunkt des geschlossenen Wald- Herrschaftsrechte im Schönbuch nachweisen und erst bezirks ist Bebenhausen. Als Praemonstratenserkloster 1187 von den Pfalzgrafen v. Tübingen gestiftet und den Grafen v. Württemberg gelang es nach dem Er- 1190 in eine Zisterzienserabtei umgewandelt, war werb verschiedenster Rechte, den Schönbuch zum Bebenhausen eines der bedeutendsten und reichsten Kerngebiet eines geschlossenen landesherrlichen Mannsklöster in Württemberg. Seine gute bauliche Forstes zu machen. Zu ihm zählten der Großteil des Erhaltung verdankt es der Tatsache, daß es von der geschlossenen Waldes im Süden ohne den Herren- Reformation bis 1807 Klosterschule, dann königliches berger Stadtwald und den Bebenhauser Klosterwald Jagdschloß und Alterssitz des letzten Königs von sowie das offene Land um Waldenbuch, Steinenbronn Württemberg war und 1946-1952 als Parlaments- und Dettenhausen. gebäude des Landes Württemberg-Hohenzollern dien- Bis ins 19. Jh. war dieser Forst unentbehrlicher te. Heute ist es Zentrale der Forstverwaltung und we- Wirtschaftsraum für die Nachbarorte. Zu den Nut- gen seiner Kunstschätze vielbesuchter Ausflugsort. zungsberechtigten, den »Schönbuchgenossen«, zählten Einsiedel, die zweite Siedlung innerhalb des eigent- die Haushalte von 54 Dörfern und Kleinsiedlungen lichen Forstes, wurde 1482 von Graf Eberhard im Bart (Weiler, Burgen, Mühlen) sowie von den Städten Tü- als Jagdschloß erbaut. Während aus der angeschlosse- bingen, Reutlingen, Waldenbuch und Grötzingen. Ge- nen Meierei der moderne Großbetrieb der heutigen gen eine jährliche Miete stand den Genossen das Domäne hervorging, erinnert an das ebenfalls von Weidrecht für Großvieh, das Äckerich für Schweine- Eberhard im Bart gestiftete kurzlebige Klösterlein St. herden und der Brennholzbezug im rechten Hau zu. Peter zum Einsiedel nur noch die Flurbezeichnung Für Bau- und Werkholz waren Sonderabgaben zu Klostergarten. leisten. Da Übertretungen nur mit Geldbußen geahndet wurden, die bei steigenden Holzpreisen nicht mehr ins Gewicht fielen, entwickelte sich ein schwunghafter Holzhandel bis nach Stuttgart. Literatur: Diese überstarken genossenschaftlichen Nutzungen des Schönbuchs verhinderten einerseits die Entstehung HUTTENLOCHER, F.: Geographischer Führer für Tübingen und weiterer Rodesiedlungen und führten andererseits zu Umgebung, 1966. Darin: Der Schönbuch, S. 138-160. einer Verwüstung der Holzbestände. Die Forstkarten GREES, H. (Hg.): Der Schönhuch, 1969. Darin: HUTTENLOCHER Andreas KIESERS im ausgehenden 17. Jh. zeigen, daß F.: Geographischer Überblick, S. 12-30. – JÄNICHEN, H.: Zur der Forst damals an den Rändern wie im Innern durch Geschichte des Schönbuchs, S. 49-64. – GREES, H.: Zum kilometerbreite Weidedriften zurückgedrängt und Gang der landeskundlichen Erforschung des Schönbuchs, durch breite Streifen von Mähwiesen in den Talgrün- S. 151-172. Bibliographie: S. 174-198. den durchgängig gemacht war. Der Zustand des Wal- des

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Der Wald der Östlichen Schwäbisch-Fränkischen Waldberge im 17. Jahrhundert von ALFONS UHRLE

Unter den Schwäbisch-Fränkischen Waldbergen Wie schon erwähnt, setzte seit 900 im gesamten versteht man den östlich des Neckars und nördlich Waldgebiet eine intensive Rodetätigkeit ein, so daß bis bzw. nordöstlich der Rems liegenden Teil des Schwä- gegen 1200 die Siedlung bis in die entlegensten Win- bisch-Fränkischen Berglandes, also die Löwensteiner kel vorgedrungen war. Die Walddecke war viel stärker und Waldenburger Berge, die Berglen, den als heute aufgerissen, die Waldfläche betrug kaum Murrhardter, Mainhardter und Welzheimer Wald, die mehr als 50% des heutigen Bestandes. Von 1300 an, Limpurger und Ellwanger Berge sowie den Virngrund besonders aber zwischen 1400 und 1450 fand ein bis zur Grenze gegen Bayern, doch wird auf der vor- Wüstungsprozeß statt, dem in unserem Raum an die liegenden Karte auch noch der zwischen Neckar, Fils 300 Weiler und Kleinsiedlungen zum Opfer fielen; und Rems gelegene Schurwald dargestellt. allein im Burgamt Ellwangen gingen von 61 be- kannten Orten 33 ab. Die exzessive Rodung und die mit der Wüstung verbundene Wiederbewaldung hat 1. Der Wald vor 1650 das Waldbild stark verändert und ohne Zweifel Nach jüngeren Pollenanalysen war im Inneren Fichtenvorstöße ausgelöst. Schwäbisch-Fränkischen Wald und im westlichen Einziges untrügliches Kennzeichen für größere spät- Virngrund der natürliche Wald vor Einflußnahme des mittelalterliche Nadelholzbestände sind die auf gewis- Menschen ein montaner Buchen-Tannenwald, dem sen Wäldern ruhenden Harzrechte. Für das Gebiet der gelegentlich Eichen und Forchen (auch Kiefer oder Abtei Ellwangen an der Jagst und im östlichen Virn- Föhre genannt) beigemengt waren; auf Moorböden des grund lassen sich für 1335 schon 32 Harzhölzer nach- Virngrundes stockte vermutlich schon die Fichte (auch weisen – ihre Zahl nimmt in der Folge noch zu. Da nur Rottanne genannt). die Fichte geharzt wurde, müssen die betreffenden Bis um 900 n. Chr. war der Innere Schwäbisch- Wälder stark mit Fichten durchsetzt gewesen sein, Fränkische Wald fast unbesiedelt, bis dann in der wäre doch sonst die Verleihung von Harzrechten sinn- hochmittelalterlichen Siedlungsperiode eine starke los gewesen. Im späten 15. und im 16. Jh. finden sich Rodetätigkeit einsetzte. Die rund 25 Laubholz- und 10 weitere Harzhölzer auch im Ellwanger Gebiet westlich Nadelholz-Ortsnamen dieser Zeit sind für die relative der Jagst sowie im Limpurgischen. Da die meisten Verteilung der Holzarten kaum verwertbar, da sich Harzhölzer in nächster Nähe abgegangener Orte lagen, Namen doch eher an das Seltene und Auffällige als an ist ein Zusammenhang zwischen Wiederbewaldung das Übliche heften. Namen auf -buch oder -tann sagen und Fichtenvorkommen naheliegend. Auffällig ist fer- nur aus, daß Buchen oder Tannen in der Nähe ner, daß die frühest erwähnten Sägmühlen des Raums stockten; über deren Anzahl ist dem Namen nichts zu im Kernraum der alten Harzerei, also im Gebiet der entnehmen. So ist Hochtann Gde Rosenberg, 1403 zuo ältesten Fichtenvorkommen liegen. Ist vor 1337 erst hohen Tenn nach einer oder mehreren auffälligen die Sägmühle von Keuerstadt (Gde Jagstzell) bekannt, Tannen benannt. so lassen sich 1430 schon 5 Sägmühlen im Ellwang- Nicht auf Auffälliges und Einmaliges, vielmehr auf ischen feststellen. Von 1450 an wurden dann Sägen in größere Waldbezirke beziehen sich die zahlrei- allen Nadelwaldgebieten des Ellwanger und Lim- chen -hardt-Namen. Die -hardt-Orte gehören in der purger Territoriums errichtet, während solche in den Regel zu den ältesten Siedlungen der betreffenden Laubwaldgebieten des Westens und Nordwestens erst Ausbauräume; ihre Namen besagen, daß die ersten nach 1600 erwähnt werden. Siedler einen Hardt, d.h. einen mehr oder minder lichten Wald mit Eichen vorgefunden haben. Namen 2. Bestockungsverhältnisse um 1650 dieses Typs (Murr-, Main-, Gründel-, Hon-, Geißel-, Schön-, Sitten-, Tommel-, Gais-, Gax-, Thomas-, Um 1650 trugen die westlichen und nordwestlichen Krumm- und das abg. Tiechenhardt) sind im gesamten Randlandschaften (Vorderer Schurwald, Berglen, Lö- Gebiet zu finden und zeigen die Verbreitung dieser wensteiner und Waldenburger Berge sowie die Nord- lichten Eichenweidewälder. spitze der Limpurger Berge) noch reine Laubwälder;

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4,17 ALFONS UHRLE / DER WALD DER ÖSTLICHEN SCHWÄBISCH-FRÄNKISCHEN WALDBERGE

den äußersten Rand gegen das Weinbaugebiet bildete Fichte) zu regeln, andererseits aber verkauften gerade weithin ein buchenarmer Laubholzstreifen, an den sich sie im 17., etwas mäßiger im 18. Jh., ganze Wälder als nach innen Laubwälder mit vorherrschender Buche an- Floßholz. Auch die Harzrechte führten zu schweren schlossen. Waldschäden. In den Harzhölzern wurden als Nutz- Im Hinteren Schurwald und im Inneren Schwäbisch- und Bauholz zuerst Buchen, dann auch Tannen ge- Fränkischen Wald (Welzheimer, Murrhardter und hauen, während die Fichten durch das Anharzen ge- Mainhardter Wald, Frickenhofer Höhe, Limpurger und schwächt und damit für Wetter- und Käferschäden Ellwanger Berge sowie Virngrund) sind um 1650 anfällig wurden. Diesen offensichtlichen Schäden ver- großflächig Tannen-Buchen-Fichtenbestände verbreitet; suchte besonders die Ellwanger Regierung seit Anfang vor allem im Inneren großer Wälder ist auch noch der des 18. Jh. durch Aufkaufen der Harzrechte entgegen- natürliche Buchen-Tannenwald erhalten. Die Fichte, zuwirken, aber erst 1859 konnte das letzte Recht ab- ursprünglich nur im Ostteil dieses Raums vorhanden, ist gelöst werden. Weide- und Streugerechtigkeiten 1650 bis Adelberg (Hinterer Schurwald), Rudersberg trugen ebenfalls stark zur Waldzerstörung bei. Speziell (Welzheimer Wald) und Mönchsberg (bei Mainhardt) die Ziegenweide verhinderte das Hochkommen der vorgedrungen. Nachwuchstriebe, die auch beim Gewinnen des Im östlichen Virngrund und in den Wäldern östlich Fallaubes zerstört wurden. Erst mit der Einführung der von Crailsheim haben um 1650 Fichten-Forchenbe- Stallfütterung, die, von Westen kommend, den Ell- stände und Fichtenbestände eine beträchtliche Ausdeh- wanger Raum um 1800 erreichte, konnte der nung. Forche ist außerdem im gesamten Nordteil unse- Waldweide ein Ende bereitet werden, während das res Raumes an den Rändern der größeren Wälder vor- Streurechen schon seit 1750 von den Forstbehörden handen, vor allem zwischen Bühler und Jagst. Am west- eingeschränkt wurde. lichen Riesrand, im niederschlagsarmen Braun- juragebiet am Jagst-Oberlauf, fehlen die Nadelhölzer. 4. Entwicklung der Bestockungsverhältnisse im 17. und 18. Jh. 3. Waldnutzung und Waldschäden Bei der Betrachtung hat man davon auszugehen, Bis ins Spätmittelalter konnten Eigentümer großer daß der heutige Zustand des Schwäbisch-Fränkischen Wälder aus ihnen wenig und vor allem keinen regel- Waldes, nämlich geschlossene Waldungen mit dich- mäßigen Nutzen ziehen. Vorteilhafter war daher die tem Baumbestand, ein Ergebnis der Bemühungen im Überlassung zur Rodung an Bauern, die jährliche Ab- 19. Jh. sind. Die heutige Dichte wurde in der Zeit seit gaben zu leisten hatten. Die um 1450 erreichte Ver- Beginn der hochmittelalterlichen Rodungen vorher teilung von Wald- und Landwirtschaftsfläche blieb bis wohl nie erreicht. War während des 12. und 13. Jh. der um 1800 weitgehend konstant. Wie im Folgenden zu Wald auf ein Minimum an Fläche geschrumpft, hatte zeigen ist, führte die Waldnutzung sowohl zu bedeu- der Wüstungsprozeß des 14. und 15. Jh. die Wiederbe- tenden Waldänderungen wie zu schweren Waldschäden. waldung großer Flächen gebracht. Aber die starke Be- Der landwirtschaftliche Betrieb erforderte zu allen völkerungsvermehrung hatte in der Neuzeit eine stän- Zeiten große Holzmengen, sei es Bauholz, Zaunholz, dige Verlichtung des Waldes zur Folge. Raubbau jeder Stangen, Weinbergpfähle, Brennholz oder Befesti- Art verminderte den Waldbestand so stark, daß viele gungsmaterial für Wege. Bis um 1500 konnte jeder- Wälder Viehweiden glichen und seit dem 16. Jh. der mann beliebig viel Holz am beliebigen Ort hauen. Seit Holzmangel gravierend wurde. 1540 suchte man diesen Raubbau zu steuern, insbeson- Dieser trostlose Zustand der Wälder rief die Terri- dere seit 1750, als der Holzmangel fühlbar wurde. Man torialherrschaften auf den Plan, die die Entwicklung führte Scheidungen von Nutz- und Brennholz ein und zu steuern versuchten; z. B. erließen Württemberg suchte Buchen und Eichen vom Hausbrand auszuneh- 1540 und die Propstei Ellwangen 1557 Forstordnun- men. gen, die erste Ansätze zur geregelten Waldnutzung Eine große Rolle spielte der gewerbliche Raubbau. und zur Waldpflege darstellten. Man machte sich Als holzfressendes Großgewerbe wirkte sich vor allem Gedanken über Vorkehrungen zur Wiederverjüngung die Glasmacherei aus, die im Welzheimer Raum seit des Waldes und führte deswegen im Ellwangischen 1278 nachweisbar ist und um 1565 mindestens 20 1607 die Technik des schlagweisen (flächenweisen) Hütten mit dem Schwergewicht um Welzheim und Hauens und 1796 den Wechselsaumschlag1 ein, Gschwend umfaßte. Starke Holzfresser waren auch die während im Limpurgischen und im Gmünder Raum Eisenwerke am Südrand des Gebiets (Wasseralfingen, weiterhin der Femelbetrieb2 üblich blieb. Die im Königsbronn, Abtsgmünd), die Saline in Schwäbisch Westen gelegenen württembergischen Laubhölzer Hall und mehrere auf Holzkohle angewiesene Ham- standen vorwiegend im Mittelwaldbetrieb3 mit merwerke. Die Herrschaften suchten diesen enormen Eichen- und Buchenoberholz. Die Umtriebszeit des Holzverbrauch einerseits durch Verordnungen zum Unterstandes lag zwischen 35 und 50 Jahren, in Schutz der edleren Holzarten (Eiche, Buche, Tanne, Gemeindewäldern öfters nur zwischen 15 und 25 Jahren. Buchenhochwald war sehr selten, 6

ALFONS UHRLE / DER WALD DER ÖSTLICHEN SCHWÄBISCH-FRÄNKISCHEN WALDBERGE 4,17

Der zweite Weg zur Wiederverjüngung der Wälder Hauverbote in starkem Rückgang. Im Mittelalter war der der Saat und Pflanzung. Bis ins 18. Jh. glaubte dürfte ihr Anteil an den Laub- bzw. Tannen-Buchen- man vielfach, daß bei Nadelhölzern der natürliche Wäldern 15% ausgemacht haben, ging aber im 16. und Samenflug genüge. Über Saaten ist bis jetzt verhältnis- 17. Jh. stark zurück, wie auch aus den rückläufigen mäßig wenig bekannt, doch sind die großen Bestok- Zahlen der ins Äckerich getriebenen Schweine im kungsveränderungen nach 1750 im Murrhardter Forst Limpurg-Gaildorfer Gebiet hervorgeht (1580 ca. 350, und im Welzheimer Raum ohne Fichten- und Forchen- 1687 nur noch 123 Schweine). Die von den Herr- saaten kaum denkbar. Vor allem Ödplätze in den schaften ergriffenen Maßnahmen wie Pflanzen und Laubwäldern, besonders nördlich und westlich der Säen brachten nur geringe Erfolge. Murr bis zum Keuperrand hin, wurden um 1770 mit Bei der Forche sind althergebrachte Standorte von Birken -und Forchensamen angesät. den Saatflächen des 18. Jh. zu unterscheiden. Von El- Noch deutlicher als aus den Waldbeschreibungen lenberg bis zur heutigen östlichen Landesgrenze waren ergibt sich der geringe Fichtenbestand aus den Lauch- schon um 1580 viele Forchen den dortigen Nadelwäl- baumverzeichnissen. Danach sind die im Zentrum und dern beigemischt und um 1600 sind die nördlichen und im Osten der Keuperberge verbreiteteten Tannen-Bu- westlichen Vorhöhen der Keuperberge weithin mit chen-Wälder noch im 17. Jh. nur wenig mit Fichten Forchen durchsetzt, vor allem die Bucht des Bühler- durchsetzt, machten sie doch nur 3% der Lauchbäume4 und Fischachtales bis Bühlerzell hinauf. Neben dieser (Tanne 57%, Buche 22%, Eiche 10% Hagbuche 5%) älteren randlichen Verbreitung der Forche erscheinen aus. Im Ellwangischen sah es schon um 1600 anders seit 1700 zunehmend Forchenbestände und -bei- aus: nur noch die großen Waldkomplexe waren echte mischungen im Innern des Keuperberglandes, die auf Tannen-Buchen-Wälder, während die kleineren Wäl- Saaten zurückgehen, so im Murrhardter Forst um 1750 der schon eine starke Fichtenbeimischung hatten oder und im Schorndorfer Forst von 1770 an. Nichteinhei- schon reine Tannen-Fichten-Wälder waren. Einen mische Baumarten wie Lärche, Akazien und Pappeln relativ hohen Fichtenanteil hatten auch schon früh die kamen erst gegen Ende des 18. Jh. zum Zuge und ritterschaftlichen Wälder im Rems-Lein-Kochergebiet. spielten mehr die Rolle von Kuriositäten. Der allgemeine Rückgang der Buche und der im Ell- wangischen um 1700 einsetzende Tannenschwund sind als direkte Folgen des langwährenden Raubbaus Literatur: anzusehen. Im ganzen gesehen entwickelte sich der JÄNICHEN, H.: Die Holzarten des Schwäbisch-Fränkischen Wal- Tannen-Buchen-Wald zwischen 1650 und 1800 auch des zwischen 1650 und 1800, in: Mitteilungen des Vereins im Zentrum des Gebiets zu dem Zustand hin, der im für Forstliche Standortskartierung Nr. 5, August 1956 (mit Ellwangischen schon um 1650 erreicht war: es umfangreichen Verzeichnissen archivalischer Quellen). entstand ein Tannen-Fichten-Buchen-Wald, mancher- orts auch ein Tannen-Fichten-Wald, in dem auch die Eiche viel schwächer als früher vertreten war. Anmerkungen: Die Laubwälder unseres Gebiets grenzen im Westen 1 Abholzung und Verjüngung in schmalen geradlinigen Strei- und Nordwesten an das dichter bevölkerte Altsiedel- fen. land hin. In den Randwäldern war um 1600 die Buche und die von manchen Handwerkern benötigte Esche 2 Gemischter Baumbestand mit allen Altersklassen, in älterer schon weitgehend herausgehauen, an deren Stelle Zeit mit beinahe ausschließlicher Naturverjüngung. Schritt- Weichhölzer wie Aspen (Espen), Salen (Salweiden) weise Lichtung und Räumung des Altholzes. Bei ungeregel- und mancherorts auch Birken nachgewachsen waren. tem Betrieb wird das jeweils beste Holz entnommen. Weiter im Innern bestanden die Laubwälder von 1650 3 Auf derselben Fläche ein Unterholz aus ausschlagfähigen bis gegen 1800 hauptsächlich aus Buchen, Eichen, Holzarten, meist zu Brennholz im kurzjährigen Umtrieb ver- Aspen und Birken sowie auch Eschen, Erlen, Ahorn, arbeitet, und ein Oberholz (hochstämmiges Nutzholz). Bei Salen und Hasel. Mit der Zeit machte sich das der Räumung des Unterholzes bleibt ein Teil des besten Weichholz immer breiter. Die Eiche, wegen des Wuchses stehen und geht in die Oberholzklasse über. Äckerichs sehr geschätzt, befand sich trotz 4 Mit Grenzzeichen versehene Bäume. herrschaftlicher Schutzversuche und

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Historischer Atlas von Baden-Württemberg: Erläuterungen Herausgegeben von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg 2. Lieferung 1973 Druck der Erläuterungen: Offizin Chr. Scheufele, Stuttgart