ALSOS in Deutschland
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Franz Kurowski Unternehmen Paperclip BASTEI LÜBBE BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH Band 65059 © 1982 by Kristall bei Langen-Müller Albert Langen • Georg Müller Verlag GmbH, München Lizenzausgabe: Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach Printed in Western Germany 1984 Einbandgestaltung: Roland Winkler Titelbild: Süddeutscher Verlag Gesamtherstellung: Ebner Ulm ISBN 3-404-65059-5 Eingescannt mit OCR-Software ABBYY Fine Reader Der Preis dieses Bandes versteht sich einschliesslich der gesetzlichen Mehrwertsteuer Inhalt Vorwort 9 Deutschlands Atomforschung 16 Die Vorgeschichte 16 Die ALSOS-Mission in Europa 24 Vorstoss nach Strassburg 44 Deutsche Wissenschaftler auf der Flucht 50 Eine denkwürdige Besprechung – Der Weg nach Bleicherode 50 In US-Gewahrsam – Eine entscheidende Frage 57 Die Peenemünder Dokumente 64 Die Gruppe Dr. Debus in der Lüneburger Heide 67 Der Konstrukteur des «Feuerpfeiles» 71 Die Tommies kommen 74 ALSOS in Deutschland 89 Der Uran-Verein 89 Die ALSOS-Mission bemächtigt sich der Wissenschaftler in Deutschland 97 Handstreich auf Haigerloch 107 Die Odyssee der zehn Atomwissenschaftler 114 Atombombenabwürfe auf Japan 117 Das Ende von ALSOS 121 Die Festung Harz 124 Die Amerikaner kommen 124 Colonel Toftoys Stunde 130 Die Operationen «Overcast» und «Lusty» 132 Frankreichs besondere Masche 138 Major Robert Staver schlägt zu 142 Das britische Suchteam 163 150 Die Schlussbetrachtung des Teams 163 172 Die Beute der Sowjetunion 178 Sowjetische Vorbereitungen 178 Kriegsbeute Kinder 180 Suchkommandos unterwegs 183 Das Mittelwerk wird entdeckt – die Raketen- produktion aufgenommen 186 Nacht- und Nebelaktion in der Sowjetzone 204 Zehn Jahre im goldenen Käfig 209 Deutsche bauen das Institut in Suchumi auf 233 Aus dem Straflager ins Konstruktionsbüro 239 Fahrt in eine ungewisse Zukunft – Erstes Ziel Monino 259 Das Wunder in der Steppe von Kapustin Jar 263 Auf dem Weg zur R14 266 Deutsche Flugzeugbauer in der UdSSR 274 Die Zurückbleiben mussten 277 Peenemünder in den Vereinigten Staaten von Amerika 282 Der deutsche Vortrupp in den USA 282 Ein gewisser Doktor Fuchs 288 Von der V 2 zur Redstone 292 Der Schuss ins Weltall 293 Die Rache des Siegers 301 Bestialische Absichten 301 Sowjetische Demontage- und Reparationsleistungen 309 Auswirkungen der Drosselung der deutschen Industrie 316 Die Deutschlandfrage – eine Frage Europas 319 Das Ende des Deutschen Patentamtes 327 Danksagung 333 Zeittafel 334 Verzeichnis der Abkürzungen 339 Quellen- und Literaturhinweise 341 Personenregister 344 Vorwort Dies ist der Report der totalen Ausplünderung eines besiegten Gegners. Zum erstenmal in der Geschichte der Menschheit gab es nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Seite der Sieger Organisationen, Missionen und Sonder- verbände, deren Aufgabe ausschliesslich darin bestand, nicht nur das deutsche Rüstungspotential, die deutsche Handelsflotte, die Grossindustrie und weite Landesteile des Deutschen Reiches, sondern auch die gesamte geistige Substanz des Besiegten sicherzustellen und nach Bedarf zu verwenden. Die Siegermächte spannten schon während des Krieges ein unübersehbares Informationsnetz über Deutschland. Daran beteiligt waren der US-Intelligence Service, der Bri- tische Intelligence Service, der Sowjetische Informations- dienst und die Agence Française, unterstützt von zahlrei- chen Agententeams. Bis ins letzte Detail wurden Forschungsberichte, Patente, Konstruktionsunterlagen auf allen Gebieten der Wirtschaft, Technik und Wissenschaft aufgespürt und in Besitz genom- men. Die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschungsarbeit und Laboratoriumstätigkeit, hochwertige Verfahretechniken in der Industrie, Forschung und Lehre waren Gegenstände die- ser Beutejagd. Dass auch die modernsten Maschinen und Ge- räte und alles Übrige wertvolle Material, das nicht das ge- ringste mit der Kriegsproduktion zu tun hatte, beschlagnahmt und fortgeschafft wurde, sei am Rande erwähnt. Technisch-wissenschaftliche Kommissionen der verschie- densten Geheimdienste und der Feindnachrichtendienste 9 von Heer, Luftwaffe und Marine überschwemmten Deutsch- land, um neben den genannten Werten auch jene Köpfe und Gehirne aufzuspüren, die die Voraussetzung für die materi- ellen und ideellen Werte geschaffen hatten. Auch dieser Substanz wollten dich die Sieger vergewis- sern. Zum Schluss kamen sogar die Facharbeiter hinzu, die die Maschinen, die demontiert und ins Ausland geschafft worden waren, bedienen konnten. Selbst der künftige Le- bensstandard wurde den Deutschen auf der Berliner Konfe- renz im Juli/August 1945 vorgeschrieben. Wie dieses gigantische Unternehmen ablief, welche Ränke geschmiedet wurden und welche Betrugsmanöver sich abspielten, um einander die wichtigsten Beutestücke abzujagen, wird – oftmals durch Schilderungen beteiligter Augenzeugen – in diesem Werk dargestellt. «Dem Sieger gehört die Beute!» Nach diesem Motto handelten nicht nur Steinzeitmen- schen, sondern auch die Sieger im Zweiten Weltkrieg, die Deutschland von seinen Tyrannen befreien wollten. Unter der Bezeichnung «Paperclip» versuchten England und die USA mit der eigens zu diesem Zweck zusammengestellten ALSOS-Mission, sich ihren Anteil an der Beute zu sichern. Der Auftrag an den Britischen Geheimdienst und an die ALSOS-Mission lautete: «Sammeln von Informationen, Unterlagen, Patenten usw. über Atomforschung, bakteriologische Waffen, Luftfahrt- forschung, Forschungsinstitute für ferngelenkte Waffen und alle deutschen Organisationen wissenschaftlicher For- schung. Sicherstellen von Unterlagen der chemischen Forschung, vor allem über Kohlebenzin und Buna und der Forschung auf dem Gebiet der Annäherungszünder und der Uranver- suche.» (Siehe Groves, Leslie R.: Jetzt darf ich sprechen) Sowjetmarschall Stalin wiederum liess ebenfalls lange Zeit vor Kriegsschluss Sonderkommissionen aufstellen, die der Roten Armee unmittelbar folgen und ihre Arbeit in 10 Deutschland aufnehmen sollten. Die Führung dieser Sonder- kommission übernahm Georgij Malenkow. Stalins Direktive an den Vorsitzenden des Komitees für den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Gebiete lautete: «Schlagartige Inbesitznahme aller deutschen Rüstungs- werke vor ihrer Zerstörung. Aushebung aller wissenschaftli- chen Forschungsinstitute, Festnahme aller Wissenschaftler, Abbau aller Fabriken, Forschungsstätten und Institute und ihre Verbringung in die UdSSR. Sicherstellung von Maschi- nen und Instrumenten, Geräten, Dokumentensammlungen und Patenten. Alle Menschen, die fähig sind, diese wichtigen Maschinen und Geräte zu bedienen, oder in den Forschungsstätten und Instituten zu arbeiten, sind zu sammeln und zu gegebener Zeit in die UdSSR zu bringen.» (Siehe Klimow, Gregory: Berliner Kreml) 70’000 sowjetische Agenten und Offiziere, grösstenteils Wissenschaftler und Ingenieure, die man in Offiziersunifor- men der Roten Armee gesteckt hatte, überschwemmten nach den Sowjettruppen die okkupierten Gebiete. Allerdings waren ihnen in den meisten Zentren der deutschen Rüstungsindustrie, vor allem im Mittelraum mit seiner ge- waltigen Raketenindustrie, sowohl US-Teams als auch briti- sche Suchtrupps zuvorgekommen. Dennoch blieb viel, sehr viel für sie übrig. Alle in Besitz genommenen Industrieanlagen sollten unver- sehrt bleiben. Sämtliche Vorgefundene Dokumente, Verfah- rensunterlagen, Patente und wissenschaftliche Berichte soll- ten vor der Vernichtung bewahrt und so lange sichergestellt werden, bis man gemeinsam über deren Verwendung ent- schieden hatte. Diese fromme Vereinbarung war jedoch vergessen, sobald die einzelnen Gruppen an die genannten Schätze heranka- men. Die Absprachen der eigens zu diesem Zweck zusam- mengestellten European Advisory Commission der drei Alliierten vom November 1944 erwies sich als Farce, als die 11 Beute offen vor den Siegern lag. Jeder versuchte nun, sich das grösste Stück zu schnappen und den Bundesgenossen und Kampfgefährten zu betrügen. Das Hauptquartier des MWD-Generals Swerow in Pots- dam, Zeppelinstrasse 80-82, erliess alle Befehle an die sowje- tischen Sonderkommandos. Sowjetische Spezialeinheiten räumten das Kaiser-Wilhelm-Institut aus, durchkämmten das Grosslaboratorium der Reichspost und nahmen die Forscher, die dort arbeiteten, gleich mit. Sie brachten sich in den Besitz aller wichtigen Unterlagen und Geräte der Laboratorien der Auer-Werke und verfrachteten sie in die UdSSR, die dazuge- hörenden Wissenschaftler ebenfalls. Dreiviertel der deutschen Flugzeugproduktion lag in der sow- jetischen Besatzungszone. Fangkommandos der Sonder- Kommissionen versicherten sich der Konstrukteure, Ingeni- eure und Techniker und verlegten ganze Flugzeugfabriken in die Sowjetunion, ohne auch nur eine Sekunde an Aufteilung unter die Sieger zu denken. Auf der anderen Seite war es der Exodus der «Peenemün- der», die als Fremdenlegionäre des Geistes in die USA gingen und nach langem Gezänk zwischen Heer, Luft- waffe und Marine die Redstone aus der alten V 2 entwik- kelten und aus der Redstone jene Trägerrakete schufen, die den ersten US-Satelliten «Explorer I» nach dem «Sputnik» der Sowjets ins All schossen. Der grandiose Fischzug der ALSOS-Mission aber war un- zweifelhaft der Höhepunkt dieser Unternehmungen. In Paris, Antwerpen und Strassburg, in Heidelberg, Haigerloch und Hechingen gingen sie auf die Jagd nach Uranerzen, Atom- meilern und deutschen Atomwissenschaftlern. Sie suchten die Dokumente des «Uranvereins» ebenso wie jene Raketenpapiere aus Peenemünde. So wurde diese ALSOS-Mission zum Auslöser der über ein Jahr dauernden Odyssee von zehn der bedeutendsten Atomwissenschaftler durch Europa. Neben dieser geistigen Ausplünderung wurden