Originalveröffentlichung in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 32 (2005), S. 7-15

Die Bezüglichkeit der K unst zum Leben

Franz Kugler und das erste akademische Lehrprogramm der Kunstgeschichte

Kilian Heck

Den Beginn der akademischen Kunstgeschichte zu lassen.3 Denn auch Gustav Friedrich Waagens zu bestimmen, hat mehrfach breite Diskussionen außerordentlicher Professur für das „Fach der hervorgerufen. Eine zentrale Frage war die Bewer­ modernen Kunstgeschichte “, auf die er im April tung des Umstandes, daß wenigstens bis zum Ende 1844 an der Berliner Universität berufen wurde des 19. Jahrhunderts der Anteil an der Forschung, und die im allgemeinen mit dem Beginn der akade­ den die nicht akademisch etablierten Kunsthi ­ mischen Kunstgeschichte gleichgesetzt wird, war storiker leisteten, den der universitären Kunstge ­ keine Dauerhaftigkeit beschieden.4 Auch wenn schichte bei weitem überwog. Die Forschungen das Datum der Entstehung der Kunstgeschichte zur Geschichte der Kunstgeschichte von Heinrich als akademischer Disziplin nicht zweifelsfrei ge­ Dilly, Horst Bredekamp, Wolfgang Beyrodt, Hu ­ klärt werden kann, besteht Einvernehmen darin, bert Locher und neuerdings Regine Prange haben daß sich zwischen den Eckdaten 1781, 1844 und ihren Teil dazu beigetragen, Struktur und Abfol­ 1860 die wesentlichen Entwicklungen ankündig­ ge der akademischen Anfänge des Faches neu zu ten, die zur festen und dauerhaften Verankerung beleuchten. 1 Weitgehend unerforscht ist hingegen, der Kunstgeschichte als akademischem Fach ge­ wie sich in der deutschen Wissenschaftsgeschich­ führt haben. Vor allem in fand eine Reihe te gleichzeitig ein kunstgeschichtliches Curricu ­ entscheidender Schritte statt, die zur Herausbil ­ lum im Sinne des Humboldtschen Bildungsideals dung des Faches als universitärer Lehrdisziplin entwickeln konnte, das neben der akademischen beitrugen und die in diesem Beitrag am Beispiel Forschung auch eine Lehre ausbildete und erst da­ eines ihrer Protagonisten, Franz Theodor Kugler durch entscheidend dazu beitrug, das Fach Kunst ­ (1808-1858), nachgezeichnet werden sollen. geschichte in einer bis heute weltweit einmaligen Leonore Koschnick hat in ihrer Monographie Vielfalt universitärer Institute und akademischer von 1985 Kuglers Tätigkeit als Kulturpolitiker Forschungseinrichtungen zu verbreiten. und Kunstkritiker ausführlich untersucht und Die Anfänge akademischer kunstwissenschaft­ dabei zahlreiche neue Dokumente vorgelegt, wel­ licher Lehre lassen sich bis ins 18. Jahrhundert zu ­ che die ausgesprochen breitgefächerten Aktivitä­ rückverfolgen. Johann Domenico Fiorillo begann ten Kuglers anschaulich werden lassen.5 Zu den 1781 als erster, einen kunstwissenschaftlichen Un­ von Koschnick dargestelltcn Bereichen gehört zu ­ terricht an der Universität Göttingen einzurich ­ nächst Kuglers Tätigkeit als Redakteur der Zeit­ ten, der jedoch noch eine deutliche Trennung von schrift ,Museum. Blätter für bildende Kunst “ zwi­ Forschung und Lehre vorsah. 2 Nur letztere war schen 1833 und 1837, die wie das .Kunstblatt “, an für eine breite, allerdings nichtakademische Öf­ dessen redaktioneller Leitung er von 1842 bis 1849 fentlichkeit zugänglich. Den Beginn der Kunst ­ beteiligt war, das wichtigste Organ für zeitgenös ­ geschichte mit ihrer Etablierung als universitärer sische Kunst und Kunstwissenschaften in Berlin Disziplin, als akademisches Lehrfach mit eigenem darstellte. Breit verhandelt wird bei Koschnick Lehrstuhl gleichzusetzen, würde jedoch bedeuten, auch Kuglers Tätigkeit als Beamter: Seit 1843 ar­ sie erst mit der Einrichtung der dauerhaften Or­ beitete Kugler als Dezernent im Kunstressort des dinarien in Bonn (1860), Wien (1863), Straßburg preußischen Ministeriums der geistlichen, Un­ (1871), Leipzig (1872) und Berlin (1873) beginnen terrichts- und Medizinalangelegenheiten. Hier

7 wurde er 1848 zum Geheimen Regierungs- und gen gelten „als markante Etappen auf dem Wege Vortragenden Rat, 1856 zum Geheimen Ober- des Fachs zu allgemeiner universitärer Anerken­ Regierungsrat ernannt.6 Zu den in Koschnicks nung “, so Heinrich Dilly. 12 Die kunstgeschicht ­ Untersuchung nur am Rande behandelten Ar­ liche Lehrtätigkeit Kuglers ist bislang kaum un ­ beitsbereichen Kuglers gehören dessen kunstwis­ tersucht. Im Archiv der Akademie der Künste in senschaftliche Monographien sowie seine akade­ Berlin sowie im Geheimen Staatsarchiv in Berlin- mische Lehrtätigkeit.7 Einen zentralen Beitrag Dahlem haben sich aber gerade zu diesem Bereich zur theoretischen Begründung des Fachs Kunst ­ zahlreiche Dokumente erhalten, die einen diffe­ geschichte lieferte Kugler aber vor allem mit der renzierten Blick auf die Lehrtätigkeit Kuglers an Herausgabe mehrerer Handbücher, die zu vielbe ­ der Akademie der Künste erlauben und damit nutzten Nachschlagewerken wurden. Dazu zäh ­ einen genaueren Einblick in die Entwicklung der len sein zweibändiges .Handbuch der Geschichte Kunstgeschichte in ihrer frühen Phase als akade­ der Malerei von Constantin dem Grossen bis auf misches Lehrfach gewähren. die neuere Zeit' (1837), das .Handbuch der Kunst ­ Kuglers erste Berührung mit der Akademie geschichte' (1842) und die .Geschichte der Bau­ fällt in die Zeit seines Studiums der Philologie in kunst' (1856).8 Im Zusammenhang mit der Lehr ­ Berlin (ab 1826), wo er zugleich auch Eleve der tätigkeit Kuglers wird auf die Systematik dieser Bauakademie war und hier 1829 das Feldmes­ Werke näher einzugehen sein. serexamen ablegte.13 Der bei Kugler immer wieder erkennbare unmittelbare Zugang auf das Werk, sein empirischer Forschungsansatz, dürfte in die­ Die Berufung Kuglers an die Akademie der Kün ­ sem Umgang mit den Realien der Kunst seinen ste und sein Lehrprogramm Ursprung haben. In einem Brief vom 27. Oktober 1831 an Johann Gottfried Schadow, den Direktor In Berlin wurde eine erste kunstgeschichtliche der Akademie der Künste, spricht Kugler von der Lehre mit der Gründung der Friedrich-Wilhelm- Absicht, sich für das „Fach der Kunstgeschichte “ Universität 1810 durch das Fach „Theorie der Ge­ zu entscheiden. Wie sehr er bereits hier die prak­ schichte der bildenden Kunst “ etabliert. Dieser tische Seite des Faches hervorkehrt, wird an dem Lehrstuhl war bis 1837 mit Alois Hirt besetzt. Nachsatz erkennbar: „[...] und hier kommt mir Ein zusätzlicher Lehrstuhl für Kunstgeschichte mein früheres, verschiedenartig künstlerisches und Mythologie wurde 1823 für Ernst Heinrich Treiben gewiß zu statten. Es versteht sich hiermit Toelken eingerichtet, der aber wie Hirt von Haus schon von selbst, daß ich das Zeichnen (welches aus Archäologe war.9 Auch Heinrich Gustav Ho- ich übrigens [...] für das beste Bildungsmittel hal ­ tho hielt als außerordentlicher Professor seit 1829 te) möglichst fleißig übe “.14 Anlaß des Briefes war Vorlesungen über „Gegenstände der Ästhetik, offenbar eine kritische Stellungnahme von Scha­ Kunst- und Litteraturgeschichte “.10 Ein entschei ­ dow gegenüber Kugler, daß dieser sich bei seinen dender Schritt für die Entwicklung der akademi­ vielfältigen Tätigkeiten nicht zu entscheiden wis­ schen Kunstgeschichte in Berlin war jedoch erst se und sich daher verzettele. Nach dem Studium mit der Lehr- und Forschungstätigkeit von Franz an der Berliner Universität, unter anderem als Kugler getan. Im Jahre 1833 hatte sich Kugler an Schüler Georg Wilhelm Hegels, war Kugler 1831 der Berliner Universität habilitiert." Obwohl die­ bei Ernst Heinrich Toelken über eine mittelalter­ se Habilitation weder an einem kunsthistorischen liche Bildhandschrift promoviert worden, was Lehrstuhl noch an einem kunsthistorischen Semi­ gleichfalls für eine Annäherung an die Akademie nar stattfand - da beides noch nicht existierte -, spricht, denn Toelken war dort als Akademiese­ kann sie durch ihr Thema („Geschichte der Bau­ kretär die nach Schadow wichtigste Person.15 kunst“) als die erste kunstgeschichtliche Habili­ Nach seiner Habilitation wendet sich Kugler tation angesehen werden. Die im Anschluß an die an den Minister Freiherr von Altenstein und bit­ Habilitation zwischen 1834 und 1843 an Universi­ tet formell um die Erlaubnis, auch an der Aka­ tät und Akademie in Berlin gehaltenen Vorlesun ­ demie der Künste die Vorlesung zur „Geschichte

8 der Baukunst“ zu halten, die er als Privat-Vor- bemerkenswerth, er zeichnet nicht übel das Por­ lesung bereits an der Universität anbiete. Er be­ trait, radirt ganz artig, seine Gedichte sind nicht gründet diese Doppelung mit der Tatsache, „daß ohne Verdienst, diese setzt er in Musik und singt meine Vorlesung [an der Universität] wesentlich sie auch. “18 von Künstlern besucht worden“ sei und beruft Schadow verbindet mit einer möglichen Anbin­ sich zugleich auf das Einverständnis des Aka­ dung Kuglers an die Akademie zugleich die Hoff­ demiedirektors Schadow gegenüber dieser zu ­ nung, daß dieser als Herausgeber der Zeitschrift sätzlichen Lehrtätigkeit an der Akademie.16 Zur ,Museum' auch eine editorische Änderung voll ­ Bekräftigung seiner Bewerbung fügt Kugler ein ziehen möge, und zwar eine verstärkte Illustra ­ Empfehlungsschreiben von Karl Friedrich Schin ­ tion der Texte durch „Umrisse“ der dort behan ­ kel bei, das dieser wohl mit Bezug auf die Kug- delten „Hauptgegenstände“.19 Es zeigt sich, daß lersche Habilitationsschrift verfaßt hatte. Diese insbesondere Schadow der theoretischen Lehre Referenz sei hier in voller Länge zitiert, weil sie der Kunstgeschichte einen unmittelbaren Praxis­ für die Etablierung eines kunstwissenschaftlichen bezug als notwendige Vorbedingung eines solchen Unterrichts wesentlich erscheint: Curriculums an die Seite stellt. Der später Kug ­ „Der Herr Doctor Kugler hat mir eröffnet, daß ler so oft attestierte unmittelbare Bezug zum Ge­ es seine Absicht sey, bei der hiesigen Universi ­ genstand, seine an schriftlichen Quellen, an Rea­ tät ein Collegium über die Baukunst des Mittel­ lien und Denkmälern orientierte Kunstgeschichte, alters zu lesen. Meines Wissens ist dieser Theil mag nicht zuletzt hierin einen Ursprung haben. der Kunstgeschichte bei uns noch niemals voll­ In seinem Antwortschreiben vom 26. Juni 1833 ständig in einer Vorlesung behandelt worden. Bei an Altenstein weicht Kugler dem Wunsch nach den Kenntnissen und der mir bekannt geworde­ verstärkter Einbringung von „Umrissen“ nach nen Studien, welche Herr Dr. Kugler diesem Fa­ Kunstwerken aus, indem er auf George Gropi- che mit besonderem Interesse gewidmet hat, ist us als Eigentümer des ,Museums “ hinweist, ohne von einer solchen Vorlesung uns Ersprießliches den keine diesbezügliche Änderung möglich sei. zu erwarten und ich bekenne, daß es mir eine be­ Nach nochmaliger Bekräftigung seines Wunsches, sondere Freude machen würde, wenn Herr Dr. nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mit­ Kugler bei diesem Unternehmen von allen Seiten tel eine dauerhafte Lehrtätigkeit an der Akademie recht viel Unterstützung finden würde. Schinkel, zu erhalten, legt er dem Schreiben an Altenstein Oberbaudirector.“17 den Entwurf eines Lehrplans bei. In einer Vorbe­ Auch Akademiedirektor Schadow nahm gegen­ merkung zu diesem Plan äußert Kugler die Bereit­ über dem Minister zu dem Gesuch Kuglers Stel­ schaft, „daß, wenngleich für den Augenblick die lung, an der Akademie die Vorlesung „Geschichte Vorlesungen über aesthetische Baukunde durch der Baukunst“ zu halten: die neueröffnete Bauschule einige Störung erlei­ „Der Kugler, welcher in der Universität vorträgt den dürften, ich gern zu jeder anderen aestheti- hat sechs Zuhörer, diese sind Bau Eleven, welche schen Vorlesung an der Kunst-Akademie bereit schon die grosse Aufgabe zum Examen von der h. bin, wie Ew. Excellenz das aus einem Plan über Ob. Baudeputation haben. Als ich bei ihm hospi­ Vorlesungen solcher Gattung zu entnehmen geru ­ tiert trug er vor, den Bau der ältesten Arten von hen wollen.“20 Kugler nimmt damit offenbar Be­ Stadtmauern und Thore, hatte dabei: Hirts Bau­ zug auf die parallele Vorlesungstätigkeit von Mar­ kunst der Alten zum Vorzeigen an der Schwar­ tin Friedrich Rabe und Ernst Heinrich Toelken, zen Tafel zeichnete er, mit Leichtigkeit, die ver ­ die an der Bauschule Vorträge über „practische schiedenen Fugen Arten, Aufrichtung der Steine, Uebungen im Baufache “ hielten. Auch Schadow und Thoreinfassungen. Hier kommt ihm etwas hatte in diesen zu Kugler parallel stattfindenden zu statten, was ehemals den erudierten Lehren Vorlesungen ein Konkurrenzunternehmen gese­ ermangelt und was bei den Zeichnenden Künsten hen. Der dem Brief an Altenstein beigelegte Ent­ mir nothwendig scheint. Die Mannigfaltigkeit wurf für ein Lehrprogramm läßt erkennen, daß seiner Anlagen und angeborenen Fähigkeiten ist es sich um eine Art Bewerbungsschreiben Kuglers

9 für die Akademie handelt. Das Lehrprogramm sei fentliches- und Privat-Leben, Sitte und Gebräuche, hier vollständig zitiert: Kostüm usw. 4. Eine Darstellung des intellektuellen und aesthe- Plan über wissenschaftliche Vorlesungen tischen Bildungszustandes: Geschichte der Kunst und für Künstler Literatur; dies der bedeutendste Abschnitt. Hier wür ­ Der Künstler muß dem Erlernen des Technischen in de eines Theils besonders nachzuweisen sein, wie die seiner Kunst einen so großen Theil seiner Zeit wid­ Kunstwerke einer gewissen Periode ganz aus dem Gei­ men, daß ihm zu seiner wissenschaftlichen Ausbil­ ste ihrer Zeit, aus bestimmten Bedürfnissen und Be­ dung nur wenig Stunden übrig bleiben können. Es ist dingnissen hervorgegangen sind, um ebenso auf die daher nothwendig, daß er seine Ausbildung auf mög ­ Erkenntniß des Wesens und Charaktere unserer Zeit lichst leichtem Wege erhalte. hinzuleiten. Anderen Theils würde hier mehr auf die Eigene Studien führen ihn zu häufig von dem jedes mal einzelnen Denkmäler der Poesie einzugehen sein, wel­ Nothwendigen oder Zweckmäßigen ab und verwickeln che eigentliche dem Künstler seine Stoffe an die Hand ihn in eine Menge überflüssige Details. Derselbe Fall geben.- tritt bei dem Besuch der Vorlesungen auf der Universi ­ tät ein, welchen in der Regel anderen Rücksichten als auf B. Es ist überall mit Absicht das Wort Darstellung ge­ die Bedürfnisse des Künstlers zu Grunde liegen. Dazu setzt worden, da ein philosophisches Raisonnement über kömmt, daß es zu Beidem ihm in den meisten Fällen an diese Gegenstände hier nicht an seinem Orte scheint. der nothwendigen wissenschaftlichen Vorbildung fehlt. Diese Vorlesungen würden sich von selbst in eine Ar­ Wissenschaftliche Vorlesungen auf der Kunst-Akade­ chäologie der alten Welt und in eine Archäologie des mie (als hohen Schule des Künstlers) welche die Stellung Mittelalters (mit Einschluß des Anfanges der neuen und die Interessen des Künstlers berücksichtigen, wür ­ Zeit) sondern. den daher dieser Forderung am besten Genüge leisten. Im Allgemeinen zu den vier oben angeführten Abschnit ­ Diese Vorlesungen würden insbesondere den Zweck ha ­ ten gehörig, dürfte gleichwohl für eine Kunstakade­ ben, den Künstler eines Theils in der Wahl seiner Stoffe mie noch eine gesonderte Vorlesung über die Bibel, als zu leiten und ihn anderen Theils den gewünschten Stoff Hauptquelle unserer Kunst, einzurichten sein (da ein ei­ in allen seinen Theilen kennend zu lehren, zugleich aber gentlich so zu nennendes Studium derselben den Künst­ auch, in Bezug auf seine Vorbilder (Kunstwerke frühe ­ ler wiederum zu weit abführen dürfte) und hier nicht nur rer Zeiten), die Motive aufzudecken, welche diesen zu von dem archäologischen, sondern noch mehr von dem Grunde liegen. Sie würden, mit einem Wort, in einer aesthetischen Standpunkte aus: Eine Darstellung des „Archäologie der verschiedenen Zeiten“ bestehen. inneren organischen Zusammenhanges und Fortgan­ ges, ein näheres Eingehen auf die eigentlich plastischen Eine solche Archäologie würde, bei größeren oder klei­ Punkte, eine Vergleichung verschiedener Auffassungen neren Zeitabschnitten, etwa in folgende Hauptteile zer­ ein und desselben Gegenstandes, eine Bestimmung des fallen: Darstellbaren in der Bibel überhaupt, des Verhältnisses 1. Eine Übersicht der politischen Geschi chte , d. h. mit des Christentums zur Kunst, und endlich, hierzu sich Uebergehung der meisten in der Regel für den Laien anschließend, eine Darstellung der älteren christlichen verwirrenden Details, eine Entwicklung der Haupt­ Kunstbestrebungen. interessen einer Zeit, die Darstellung ihres Kampfes, Franz Kugler, ph. Dr. Sieges und Unterganges, das Hervorheben poetischer und plastischer Monumente und Gestalten - welche die Zunächst fällt auf, daß Kugler sich bei der Ent­ Epochen bilden -, mit einer näheren Angabe der Quel ­ wicklung des Lehrprogramms stark an den Not­ len für das Einzelne. wendigkeiten der akademischen Lehre im eigent­ 2. Eine Darstellung des religiösen Zustandes einzelner lichen Sinne orientiert, also die theoretische Zeiten und Völker (Geschichte der Mythen - Geoffen- Ausbildung von Künstlern verfolgt. Dennoch barte Religion - Legende) kann davon ausgegangen werden, daß die hier 3. Eine Darstellung des geselligen Zust andes: Die Ver­ angestrebte Didaktik auch für die spätere, rein fassung des Staates, des Kultus, des Kriegswesens, Öf­ theoretisch argumentierende Kunstgeschichte

10 der universitären Institute von Einfluß gewesen In einem kleinen Absatz wird aber bereits in ist, zumal Kuglers wie Schnaases Handbücher, diesem frühen Lehrprogramm von 1833 deutlich, die dieses Lehrprogramm widerspiegeln, als was später in Kuglers ,Handbuch der Geschichte die ersten Lehrbücher der Kunstgeschichte des der Malerei“ (1837) und im .Handbuch der Kunst ­ 19. Jahrhunderts zu verstehen sind und auch eine geschichte “ (1842) zum tragenden Konzept wird, breite universitäre Rezeption erfuhren. nämlich eine „Archäologie der verschiedenen In bezug auf die Zeiteinteilung hält sich Kugler Zeiten” zu entwickeln, die sehr funktionalistisch in diesem Lehrplan noch stark an die Epochenein­ nach den gesellschaftlichen Umständen, den „Mo­ teilung Hegels und läßt der „Archäologie der alten tiven “ fahndet, die einer jeden Kunstproduktion Welt“ eine „Archäologie des Mittelalters (mit Ein­ zugrunde liegen. Hier besteht zweifellos eine be­ schluß des Anfanges der neuen Zeit)“ folgen.21 Er wußte und stringent verfolgte Abkoppelung von teilt also noch nicht wie im ,Handbuch der Kunst ­ Hegel, da die (streng hegelianisch orientierte) Hi- geschichte' von 1842 den Verlauf der Weltkunstge­ storisierung der Kunstwerke nicht mehr funda- schichte in vier Hauptperioden ein, eine Vorstufe, mentiert ist als eine „Entäußerung des Geistes“, welche die gesamte außereuropäische und die so­ sondern das Kunstwerk bereits selbst als „Über­ genannte vorgriechische Kunst umfaßt, eine klas­ setzung, Sprache oder Ausdruck einer schon vor ­ sische (griechische und römische Antike), eine ro­ handenen, also im Grunde göttlichen Wesenheit “ mantische (Mittelalter einschließlich des Islam) gesehen wird, so Prange.24 Entsprechend ist der und eine moderne (von der Renaissance bis zum von Kugler in seinem Lehrprogramm mehrfach 19. Jahrhundert). 22 verwendete Begriff der „Darstellung “ eben auch Schon zu Beginn seines Lehrplans weist Kugler ein Hinweis auf die Anwendungsbezogenheit sei­ auf die Besonderheiten eines kunstwissenschaft­ ner Kunstbetrachtung, die in der hermeneutischen lichen Unterrichts an einer Akademie hin, wo im Ermittlung der Funktion innerhalb einer spezifi­ Gegensatz zur Universität die Praxis im „Erler­ schen historischen Gesellschaft oder Gruppe den nen des Technischen “ im Vordergrund steht und Sinn ihrer Analyse sucht. Als logische Folge die­ die Theoriebildung dementsprechend an zweiter ser Auffassung sieht Kugler ein „philosophisches Stelle positioniert ist. Gleichwohl scheint diese Raisonnement“ für den Unterricht als ungeeignet aus den Gegebenheiten des akademischen Unter­ an. Dennoch zeigen sich in dem hinzugefügten richts resultierende Notwendigkeit generell Kug­ Abschnitt zur Bibel Spuren hegelianischen Den­ lers Bevorzugung phänomenologisch-hermeneu- kens: Wenn Kugler eher einen ästhetischen als ei­ tischer Sachforschung zu entsprechen. Umgekehrt nen archäologischen Standpunkt einfordert, dann besteht aber auch die Möglichkeit, daß überhaupt geben sich hier Reste hegelianischen Denkens zu erst der akademische kunstwissenschaftliche erkennen, die allerdings ebenfalls von anthropo­ Unterricht die wesentliche, möglicherweise ent­ logischen Prämissen ausgehen und damit Hegels scheidende Voraussetzung dafür lieferte, die hi ­ Entäußerung des Geistes letztlich ebenso nicht storisch-philosophisch argumentierende Wissen­ entsprechen.25 Kugler erschließt, so Regine Pran­ schaftsauffassung Hegels auch im Hinblick auf ge, „die Gesetze der Kunstgeschichte nicht aus die spätere, an den Universitäten unterrichtete den Phänomenen selbst, sondern er konstruiert Kunstgeschichte in den Hintergrund treten zu sie auf der Basis einer angenommenen höheren lassen. Diese Feststellung würde sich decken mit Natur, die Entwicklung und Ordnung auch des dem jüngst von Regine Prange konstatierten Pri­ innerweltlichen Lebens bestimme“.26 mat der bei Winckelmann entwickelten und von Schelling romantisch fortgeführten archäologi ­ schen Schönheitslehre für den weiteren Verlauf Kuglers Lehrtätigkeit der Fachgeschichte, wenn hierfür auch eher or­ ganisatorische Gründe geltend gemacht werden Nachdem Kugler am 10. Juli 1833 zum Lehrer an müßten als philosophisch-wissenschaftstheoreti­ der Akademie ernannt worden war, nahm er im sche. 23 Wintersemester 1833/34 seine Vorlesungstätigkeit

11 auf. 27 Mit königlicher Order vom 24. März 1835 13. )Sommersemester 1843: „Geschichte des Ko­ wurde er zum Professor ernannt. Mit dem 1. Fe­ stüms“.43 bruar 1836 erfolgte erstmals eine Besoldung.28 14. ) Wintersemester 1843/44: „Geschichte der Kunst Nach dem Weggang von Dr. Adolf Schoell 1842 seit dem 15. Jahrhundert “.44 übernahm Kugler auch die Vorträge über My­ 15. ) Wintersemester 1843/44: „Mythologie der Grie­ thologie, bis er 1849 in das Ministerium berufen chen und Römer“.45 wurde. Die Vorlesung in Kunstgeschichte wird in 16. ) Sommersemester 1844: „Über Raphael“.46 der nachfolgenden Aufzählung bei jedem Semester 17. ) Sommersemester 1844: „Geschichte der Kunst ab 1842 jeweils zuerst genannt. In den Sommerse­ bei den Alten“.47 mestern fanden offenbar nur unregelmäßig Lehr ­ 18. ) Wintersemester 1844/45: „Geschichte der Kunst veranstaltungen statt. In einigen Semestern las des Mittelalters“.48 Kugler überhaupt nicht. 29 Soweit es zu ermitteln 19. )Wintersemester 1844/45: „Mythologie “.49 war, wurden die Zeiten sowie die Anzahl der Hö ­ 20. ) Wintersemester 1845/46: „Geschichte der mo­ rer mitvermerkt. Es liegen zum Teil umfangreiche dernen Kunst “ (Montag und Donnerstag, 4 bis Hörerlisten mit Namen und Berufen vor, die hier 5 Uhr). 50 jedoch nicht erscheinen. Nachfolgend die Über­ 21. ) Wintersemester 1845/46: „Mythologie “ (Diens­ sicht zu seinen Vorlesungen an der Akademie:30 tag und Freitag, 4 bis 5 Uhr). 51 1. ) Wintersemester 1833/34: „Archäologie des Mit­ 22. )Wintersemester 1846/47: „Geschichte der telalters“ (Montag, 12 bis 1 Uhr). 31 Kunst bei den Griechen, Etruskern und Römern “ 2. ) Wintersemester 1835/36: „Geschichte der neue ­ (Montag und Donnerstag, 4 bis 5 Uhr). 52 ren Malerei“ (Montag, Mittwoch, Donnerstag und 23. )Sommersemester 1848: „Neuere Kunstge ­ Sonnabend, 12 bis 1 Uhr). 32 schichte “ .53 3. )Sommersemester 1836: „Vorträge über die Ge­ Es bleibt abschließend zu fragen, welche Didaktik mälde im Königlichen Museum “ (Dienstag, 9 bis sowohl das Lehrprogramm Kuglers wie auch seine lOUhr). 33 Vorlesungen verfolgten. Insgesamt erscheinen die 4. )Sommersemester 1836: „Geschichte der Kunst Titel der Vorlesungen wenig konkret. Raffael und bei den Alten“ (Mittwoch, 4 bis 6 Uhr). 34 Dürer sind neben der „Geschichte des Kostüms “ 5. )Wintersemester 1836/37: „Vorträge über Raf­ die einzigen Themen, die sich, über einen zeitli­ faels und Dürers Leben und Werke“ (Montag, chen oder soziologischen Rahmen hinausgehend, Dienstag, Donnerstag und Freitag, 12 bis 1 Uhr). 35 an einem konkreten Gegenstand orientierten. Die 6. ) Sommersemester 1839: „Erklärung der Gemäl­ Dürer- und Raffael-Thematik ist zeittypisch und de des Königlichen Museums in kunstgeschicht ­ dürfte dem besonderen Interesse gerade an diesen lichem Bezüge “.36 beiden Künstlern im Rahmen der akademischen 7. ) Wintersemester 1840/41: „Geschichte der neueren Ausbildung geschuldet sein. Die Geschichte des Malerei“ (Montag und Donnerstag, 12 bis 2 Uhr). 37 Kostüms könnte mit der großen Popularität der 8. ) Sommersemester 1841: „Erklärung der Gemälde Kostümkunde Zusammenhängen, die sich in Ber­ im Königlichen Museum in kunstgeschichtlichem lin später unter anderem am Beispiel der Lipper- Bezüge “ (Dienstag und Freitag, 9 bis lOUhr). 38 heideschen Kostümbibliothek manifestierte. Auch 9. ) Wintersemester 1841/42: „Geschichte der Bau­ wenn die bloßen Vorlesungstitel verhältnismäßig kunst“.39 wenig über den jeweiligen Inhalt der Vorlesungen 10. ) Wintersemester 1841/42: „Geschichte der Ma- aussagen, läßt sich hier doch ein Fingerzeig auf die lerey “ (Montag und Donnerstag, 1 bis 2 Uhr). 40 soziologische Ausrichtung von Kuglers kunst­ 11. ) Sommersemester 1842: „Erklärung der Ge­ wissenschaftlichem Programm erkennen, wie sie mälde des königlichen Museums in ihrem Bezüge ja bereits in der Betonung der „Sitten“, der „Ge­ zur Geschichte der Kunst “ (Dienstag und Freitag, bräuche “ und allgemein der „Darstellungen “ von 9 bis lOUhr). 41 Gesellschaften im Lehrprogramm durchscheint. 12. )Sommersemester 1843: „Kunstgeschichte des Es ist diese kulturgeschichtliche Fundierung Mittelalters“.42 des Kuglerschen Lehrprogramms, die bei der Su ­

12 che nach dessen Genese auf eine andere, deutlich Staatsidee dar, das unmittelbar auf Karl Fried­ von der philosophisch-hermeneutischen Mani­ rich Schinkel zurückzuführen ist, dessen erster festation unterschiedene Spur führt. Es handelt Biograph Kugler im übrigen war. Die Bindekraft sich um die im Berlin der 1830er Jahre breit ver ­ dieses Modells war in Berlin um 1830 so stark handelte Idee der Kulturlandschaft, wie sie insbe­ spürbar, daß es den wohl stärksten und unmittel ­ sondere bei angelegt ist. barsten Einfluß auf das Lehrprogramm Kuglers Schinkel verfolgt diese Idee der Kulturlandschaft, ausübte. So sah die Schinkelsche Stadtplanung am die seiner Staatsidee zugrunde liegt, beispielswei­ Lustgarten ab 1823 eine gedankliche Verbindung se in seinem 1825 fertiggestellten Gemälde ,Die zwischen der Friedrich-Wilhelm-Universität, dem Blüte Griechenlands'.54 Schinkels Selbstaussa­ Museum und der Bauakademie vor. Damit sollte gen zu diesem Bild lesen sich wie Antizipationen laut Tilmann Buddensieg eine Art magisches Drei­ des Kuglerschen Lehrprogramms: „Das sittliche eck verwirklicht werden, das die Straße Unter den Princip in der Natur, die Bezüglichkeit derselben Linden mit versetzten Achsen einfangen und de­ auf den Menschen und seine sittlichen Verhältnis ­ ren Ost-West-Ausrichtung überkreuzen sollte.57 se, oder der Mensch in seinen sittlichen Verhält ­ Kugler sah in dieser Stadtplanung, vor allem aber nissen zur Natur, oder die Beziehung des sittli­ in der Säulenreihe des 1830 von Schinkel fertig­ chen Menschen zum sittlichen Menschen - dies gestellten Museums am Lustgarten, ein „Zeugnis werden immer die schönsten Aufgaben der Kunst der freieren Cultur unserer Zeit“, ein „demokrati­ sein [...]“; und weiter heißt es bei Schinkel: „Der sches Element“ verwirklicht, was darauf hindeu­ Reiz der Landschaft wird erhöht, indem man die tet, wie sehr er in dieser Bildungslandschaft ein Spuren des Menschlichen recht entschieden her ­ vorbildliches Staatsmodell sah. 58 vortreten läßt, entweder so, daß man ein Volk in Im Hinblick auf Schinkels Landschaftsgemälde seinem frühesten goldenen Zeitalter ganz naiv, äußert Kugler in seiner Biographie des Künstlers, ursprünglich und im schönsten Frieden die Herr­ daß dieser stets die Architektur in einen Zusam ­ lichkeit der Natur genießen sieht [...], oder die menhang mit produktiver menschlicher Aktivität Landschaft läßt die ganze Fülle der Cultur eines setze und die wechselseitige Bedingtheit bei ihm höchst ausgebildeten Volkes sehen [...]. Hier kann somit immer gegeben sei - ein Resultat im übri ­ man im Bilde mit diesem Volke leben und dasselbe gen, mit dem auch die neuere Schinkelforschung in allen seinen rein menschlichen und politischen übereinstimmt: 59 „Er liebt es, großartige Baulich ­ Verhältnissen verfolgen. “55 keiten zum Hauptgegenstand seiner landschaftli­ Nun wird offenbar, daß sich Kuglers empiri­ chen Darstellungen zu machen und die Scenen der sche Werkbetrachtung notwendigerweise immer offenen Natur und die des menschlichen Verkehrs im Kontext der kulturgeschichtlichen Entste­ in Uebereinstimmung mit ihnen zu gestalten; er hungsbedingungen bewegt. Damit wird an das giebt in diesen Bildern gewissermassen die Archi ­ Einzelwerk der Funktionsbegriff herangetragen. tektur in ihrem Verhältnisse zum Leben.“60 Das Kunstwerk kann ohne den Rahmen seiner Letztlich wird aus dieser Schinkel-Rezeption sozialen Entstehungsbedingungen, seiner „Be­ erklärbar, warum Kugler immer wieder gegen züglichkeit [...] auf den Menschen“ nicht gedeutet eine rein philosophische Auffassung der Kunst werden. In Teilen seines Unterrichtsplans rezipiert argumentiert und etwa den Hegel-Schüler Hein­ Kugler damit die ältere antiquarische Tradition rich Gustav Hotho in dieser Beziehung kritisiert.61 der Zivilisationsgeschichte; möglicherweise stand Die Position der Wissenschaft in der Kunst be­ er hierbei unter dem Einfluß von Alois Hirt. Ins­ ginnt nach Hegel erst jenseits der sinnlichen An­ besondere bei Themen wie den einzelnen Zivilisa ­ schauung und der subjektiven Vorstellung. Das tionsklassen - der „Geschichte des Kostüms “ so­ religiöse Bild ist nicht mehr selbst Anlaß zur reli­ wie den „Sitten“ und „Gebräuchen “ - wird dies giösen Andacht, sondern die von dessen Vorstel­ spürbar.56 lung getragenen und innig empfundenen Inhalte, Eine weitere, sogar eine zentrale Quelle für so Prange.62 Diese grundsätzliche Trennung von Kugler stellt das Modell der Kulturlandschaft als autonomem Kunstwerk und seiner Idee - und da­

13 mit die Überholung des ersteren - wird bei Kugler Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert von ihrem mit der Betonung der „Darstellung “ jedoch be­ Ursprung als empirischer Wissenschaft und dem reits angedacht, wenn auch nicht in letzter Kon­ sozialen Funktionsbegriff her bestimmt, der sich sequenz vollzogen. Gemeinsam mit Hegel scheint sehr konkret aus der akademischen Lehre entwik- jedoch die Vorstellung gegeben, daß Kunst immer kelt hat. Diese wiederum beruht wenigstens zum eine Rolle übernimmt, bei der sie eine staatstra­ Teil auf dem um 1830 gerade in Berlin breit disku­ gende und gesellschaftsbestimmende Funkti­ tierten Modell der Kulturlandschaft als Staatsidee, on verkörpert, also Ausdruck des „vollkomme­ wie es vor allem von Karl Friedrich Schinkel ver ­ nen Kollektivs“ zu sein hat. 63 Kugler ist damit treten wurde. Der Fortgang des Faches ist vor al­ ebenso weit von Winckelmanns archäologischer lem von diesen beiden bildungspolitischen Fakto­ Schönheitslehre - und Schellings romantischer ren bestimmt worden - und weniger als vielleicht Aneignung derselben - entfernt wie Hegel. Die­ vermutet von der Rezeption der philosophischen se gesellschaftliche Verbundenheit der Kunst, das Ästhetik. Die theoretische Differenz zu Hegel er­ „Bedürfnis nach einer dem öffentlichen Leben ge­ klärt sich mithin aus der auf die Kunstgeschichte widmeten Kunst “ findet sich bereits im .Hand­ nur teilweise übertragenen philosophischen Dis­ buch der Geschichte der Malerei' von 1837.64 kussion. Zumindest für das Beispiel Franz Kug ­ Wenn man das Beispiel Franz Kuglers und lers und seines Schülers läßt sein Konzept der akademischen Lehre betrach ­ sich das belegen. tet, dann ist der weitere Verlauf der deutschen

Anmerkungen

1 Zur Entstehungsgeschichte des Faches im 5 Vgl. Leonore Koschnick, Franz Kugler (1808 — 19. Jahrhundert vgl. unter anderem: Kunsttheo ­ 1858) als Kunstkritiker und Kulturpolitiker, Ber­ rie und Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts in lin 1985. Deutschland, Bd. 1: Kunsttheorie und Malerei, 6 Vgl. Eberhard Fromm, Sein Deckname war Les­ Kunstwissenschaft, hg. von Wolfgang Beyrodt sing. Franz Kugler, in: Berlinische Monatsschrift, und Werner Busch, 1982; Horst Brede- 1998, Heftl, S. 69-73, hierS. 70. kamp, Monumentale Theologie. Kunstgeschich ­ 7 Die wichtigsten, mehrfach aufgelegten kunst­ te als Geistesgeschichte, in: Ferdinand Piper, wissenschaftlichen Monographien Kuglers sind: Einleitung in die Monumentale Theologie. Eine Handbuch der Geschichte der Malerei von Con- Geschichte der christlichen Kunstarchäologie stantin dem Grossen bis auf die neuere Zeit, Ber­ und Epigraphik (Nachdruck der Ausgabe Gotha lin 1837; Handbuch der Kunstgeschichte, Stutt ­ 1867), Mittenwald 1978, S. 1-47; Heinrich Dilly, gart 1841. Die bisher ausführlichste Analyse dieser Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Ge­ Handbücher findet sich bei Locher (wie Anm. 1), schichte einer Disziplin, Frankfurt 1979; Hubert S. 244-255, 277. Locher, Kunstgeschichte als historische Theo ­ 8 Vgl. dazu Prange (wie Anm. 1), S. 144-147. rie der Kunst 1750-1950, München 2001; Regine 9 Angaben bei Dilly (wie Anm. 1), S. 195. Prange, Die Geburt der Kunstgeschichte. Philo ­ 10 Vgl. Dilly (wie Anm. 1), S. 195. sophische Ästhetik und empirische Wissenschaft, 11 Franz Kugler am 28. April 1833 an den Minister Köln 2004. von Altenstein: „[...] beehre ich mich, ganz gehor- 2 Vgl. Beyrodt (wie Anm. 1), S. 285. Ferner: Kunst­ samst anzuzeigen, daß ich, nachdem ich mich bei geschichte und die romantische Bewegung um der Philosophischen Fakultät der hiesigen Univer ­ 1800, hg. von Antje Middeldorf Kosegarten, Göt ­ sität, den gesetzlichen Formen gemäß, habilitiert tingen 1997; Claudia Schrapel, Johann Dominicus und am 17. April a. c. eine öffentliche Vorlesung Fiorillo. Grundlagen zur wissenschaftsgeschichtli ­ pro facultate docendi halten, Privat-Vorlesungen chen Beurteilung der .Geschichte der zeichnenden ,über allgemeine Geschichte der Baukunst' ange­ Künste in Deutschland und den vereinigten Nie­ kündigt habe, welche ich in dem nächsten Som­ derlanden',Hildesheim/Zürich/ New York 2004. mersemester an der hiesigen Universität zu halten 3 Angaben nach Dilly (wie Anm. 1), S. 237-258. gedenke [...]“; GeStaA (Geheimes Staatsarchiv), 76 4 Zu Waagens Lehrtätigkeit ausführlich Dilly (wie V e, Sekt. 17, Abt. IV., 1, Bd. V (1830-34), S. 123. Anm. 1),S. 191-195. Aus einem Brief Kuglers an Altenstein vom 2. Mai

14 1833 geht eindeutig hervor, daß die Habilitation 32 AdKNr. 8, Unterrichts Lehrpläne, Bl. 113f. im Fach Kunstgeschichte erfolgte: GeStaA, 76 V e, 33 AdK Nr. 8, Unterrichts Lehrpläne, Bl. 115f. Sekt. 17, Abt. IV., 1, Bd. V (1830-34), S. 124. 34 AdK Nr. 8, Unterrichts Lehrpläne, Bl. 115f. 12 Dilly (wie Anm. 1), S. 174. 35 AdK Nr. 8, Unterrichts Lehrpläne, Bl. 117f. 13 1826 kam Kugler nach Berlin, um an der Univer ­ 36 AdK Nr. 8, Unterrichts Lehrpläne, Bl. 119f. sität Philologie zu studieren. Er hörte unter ande­ 37 AdK Nr. 8, Unterrichts Lehrpläne, Bl. 12lf. rem bei Hegel. 1827 studierte er für kurze Zeit in 38 AdK Nr. 8, Unterrichts Lehrpläne, Bl. 123f. Heidelberg, wo er unter anderem die Sammlung 39 AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 28. Boisseree kennenlernte. Vgl. Peter Betthausen, 40 AdK Nr. 8, Unterrichts Lehrpläne, Bl. 125f. Franz Theodor Kugler, in: Peter Betthausen, Peter 41 AdK Nr. 8, Unterrichts Lehrpläne, Bl. 127f. H. Feist und Christiane Fork, Metzler-Kunsthi- 42 48 Hörer; AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 29. storiker-Lexikon. Zweihundert Porträts deutsch­ 43 43 Hörer; AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 29. sprachiger Autoren aus vier Jahrhunderten, Stutt ­ 44 88 Hörer, davon werden gesondert zwei Studie­ gart/Weimar 1999, S. 228-230, hier S. 228. rende und ein Leutnant verzeichnet. Vermutlich 14 Brief vom 27. Oktober 1831, AdK (Archiv der waren alle anderen Hörer Eleven der Akademie; Akademie der Künste) Nr. 2, Lehrer der Akade­ AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 31. mie und ihrer Institute, Bl. 105. Kugler spricht 45 79 Hörer; AdK Nr. 8, Unterrichts Lehrpläne, in diesem Brief außerdem von seinem Publikati­ Bl. 129f. onsprojekt zu den vaterländischen Denkmälern 46 12 Hörer; AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 33. und weiterhin von der Absicht, nunmehr „eine 47 15 Hörer; AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 33. geschichtliche Entwicklung und eine Darstellung 48 24 Hörer, darunter Adolf Hildebrand; AdK des Systems der arabischen Baukunst“ zu erarbei­ Nr. 665, Mythologie, Bl. 34. ten und zu publizieren. 49 19 Namen; AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 54. 15 Vgl. Betthausen (wie Anm. 13), S. 228. 50 54 Namen; AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 35. 16 GeStaA, 76 V e, Sekt. 17, Abt. IV., 1, Bd. V (1830- 51 45 Hörer; AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 36. 34), S. 124, 2. Mai 1833. 52 47 Hörer; AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 37. 17 GeStaA, 76 V e, Sekt. 17, Abt. IV., 1, Bd. V (1830— 53 Nur 13 Hörer; die Vorlesung über Mythologie 34), S. 125, 14. Februar 1833. kam wegen der geringen Teilnehmerzahl nicht 18 GeStaA, 76 V e, Sekt. 17, Abt. IV., 1, Bd. V (1830- zustande; AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 38. 34), S. 143, Schadow an Altenstein über Kugler, 54 Zu dieser Interpretation des Gemäldes vgl. An­ 13. Mai 1833. dreas Haus, Karl Friedrich Schinkel als Künstler, 19 Ebenda. Zu dieser Thematik vgl.: Bilderlust und München/Berlin 2001, S. 243ff. Lesefrüchte. Das illustrierte Kunstbuch von 1750 55 Aus Schinkels Nachlaß. Reisetagebücher, Briefe bis 1920, hg. von Katharina Krause, Klaus Niehr und Aphorismen, Bd. III, hg. von Alfred Freiherr und Eva-Maria Hanebutt-Benz, Leipzig 2005. von Wolzogen, Berlin 1863 (Reprint 1981), S. 367. 20 Kugler an den Minister von Altenstein: GeStaA, 76 56 Zum Fortleben der antiquarisch orientierten Zi­ V e, Sekt. 17, Abt. IV., 1, Bd. V (1830-34), S. 139, vilisationsgeschichte des 17. Jahrhunderts in der 26. Juni 1833. Kunstgeschichte ab Winckelmann siehe Ingo Her­ 21 Vgl. Betthausen (wie Anm. 13), S. 229. klotz, Cassiano Dal Pozzo und die Archäologie 22 Betthausen (wie Anm. 13), S. 229. Zu der Kug- des 17. Jahrhunderts, München 1999, S. 298-306. lerschen Epocheneinteilung vgl. Locher (wie 57 Vgl. Tilmann Buddensieg, Berliner Labyrinth, Anm. 1), S. 248. Berlin 1993, S. 32, 37. 23 Vgl. Prange (wie Anm. 1), S. 10, 94. 58 Franz Kugler, Geschichte der Baukunst, Bd. I, 24 Prange (wie Anm. 1), S. 147. Stuttgart 1859, S. 205f.; zit. nach Tilmann Bud­ 25 Prange (wie Anm. 1), S. 147. densieg, Berliner Labyrinth, neu besichtigt, Ber­ 26 Prange (wie Anm. 1), S. 147. lin 1999, S. 178. 27 AdKNr. 81, Senatssitzungsprotokolle, 1833,S. 115, 59 Vgl. Haus (wie Anm. 54), S. 243. Bl. 65. 60 Franz Kugler, Karl Friedrich Schinkel. Eine Cha ­ 28 AdK Nr. 665, Mythologie, Bl. 24 (Lebensbe­ rakteristik seiner künstlerischen Wirksamkeit, richt). Berlin 1842; zit. nach Haus (wie Anm. 54), S. 91. 29 So muß Kugler 1845/46 wegen einer Kurreise seine 61 Vgl. Elisabeth Ziemer, Heinrich Gustav Hotho Vorlesungstätigkeit aussetzen. Vgl. AdK Nr. 665, 1802-1873. Ein Berliner Kunsthistoriker, Kunst ­ Mythologie, Bl. 36. kritiker und Philosoph, Berlin 1994, S. 179. 30 Die Aufzählung ist für einige Semester vermut ­ 62 Vgl. Prange (wie Anm. 1), S. 83. lich unvollständig. 63 Zit. nach Prange (wie Anm. 1), S. 86. 31 Angaben zum WS 1834/35 fehlen; AdK Nr. 8, 64 Handbuch der Geschichte der Malerei (wie Anm. 7), Unterrichts Lehrpläne, Bl. 109f. S. VI; dazu auch Locher (wie Anm. 1), S. 247.

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