(1871–1925) – Der erste deutsche Reichspräsident

Begleitheft zur Wanderausstellung der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg

Herausgegeben von Bernd Braun und Walter Mühlhausen

Friedrich Ebert (1871–1925) – Der erste deutsche Reichspräsident

Begleitheft zur Wanderausstellung der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg

Herausgegeben von Bernd Braun und Walter Mühlhausen Mit einer Einführung von Walter Mühlhausen

Im Selbstverlag der Stiftung, Heidelberg 2020 6 Impressum

Begleitheft zur Wanderausstellung „Friedrich Ebert (1871–1925) – Der erste deutsche Reichspräsident“ der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg Herausgegeben von Bernd Braun und Walter Mühlhausen Mit einer Einführung von Walter Mühlhausen

Ausstellung Konzeption: Bernd Braun/Walter Mühlhausen Grafik: Ingo Preuß, Ladenburg

Begleitheft Konzeption/Redaktion: Walter Mühlhausen Grafik: Ingo Preuß, Ladenburg

Die Wanderausstellung entstand 2019 dank der von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) zur Verfügung gestellten Sondermittel für das Jubiläum anlässlich des 100. Jahrestages der Wahl Friedrich Eberts zum Reichspräsidenten. Die Ausstellung umfasst 13 Roll-Ups und eignet sich so vor allem auch für die Präsenta- tion in kleineren Räumlichkeiten. Sie wird von der Stiftung kostenfrei angeboten.

Im Selbstverlag der Stiftung, Heidelberg 2020 Schutzgebühr 3 Euro

Die Stiftung wird gefördert aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM).

Anschrift Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte Untere Straße 27 • 69117 Heidelberg Tel. 06221-91070 [email protected] www.ebert-gedenkstaette.de

ISBN 978-3-928880-60-2 Inhalt 7

Friedrich Ebert – Stationen ...... 4

Friedrich Ebert (1871–1925) – Vom Sattler zum ersten Reichspräsidenten ...... 5

Rede nach der Wahl zum Reichspräsidenten am 11. Februar 1919 ...... 10

Rede nach der Vereidigung auf die Verfassung am 21. August 1919 ...... 13

Die Ausstellung „Friedrich Ebert (1871–1925) – Der erste deutsche Reichspräsident“ . . . 18

Die Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte ...... 46

Weiterführende Literatur und Bildnachweis ...... 48 8 Friedrich Ebert – Stationen

1871 4. Februar: geboren in Heidelberg

1877 – 1885 Volksschule

1885 – 1888 Sattlerlehre

1889 – 1891 Wanderschaft

1889 Eintritt in die sozialdemokratische Partei

1891 Ankunft in Bremen

1893/94 Redakteur

1894 9. Mai: Heirat mit Louise Rump

1894 – 1900 Pächter einer Gastwirtschaft

1900 – 1905 Arbeitersekretär der Gewerkschaften

1900 – 1905 Mitglied des Bremer Landtages („Bürgerschaft“)

1905 Wahl in den zentralen Vorstand der SPD; Umzug nach Berlin

1912 – 1918 Mitglied des Reichstages

1913 20. September: Wahl zu einem der beiden Vorsitzenden der SPD

1918 9. November: Reichskanzler

1918/19 führendes Mitglied der Revolutionsregierung

1919 11. Februar: Wahl zum Reichspräsidenten

1925 28. Februar: Tod in Berlin; 5. März: Beerdigung in Heidelberg 9

Friedrich Ebert (1871–1925) ‒ Vom Sattler zum ersten Reichspräsidenten von Walter Mühlhausen

Auftakt in ein neues Zeitalter: Revolutionsregierung am 6. Februar 1919 die National- ein Sozialdemokrat wird Staatsoberhaupt versammlung eröffnet. Fünf Tage später steht nun die Ein historischer Moment der deutschen Demokratiege- Wahl des Reichspräsidenten an. Die Personalfrage ist schichte vollzieht sich am 11. Februar 1919 im National- eigentlich schon in Berlin entschieden worden. Es gilt als theater von Weimar, als die Nationalversammlung auf sicher, dass der ambitionierte Ebert mit großer Mehrheit ihrer fünften Sitzung den ersten Reichspräsidenten der gewählt werden wird. So sorgt es für Heiterkeit im Saal, Weimarer Republik wählt: den Sozialdemokraten Fried- als bei der kurz vor 16 Uhr beginnenden Wahl turnusge- rich Ebert. Der thüringische Ort wird der ersten deutschen mäß – weil es die fünfte Abstimmung mit Stimmzetteln Demokratie ihren Namen verleihen: Weimarer Republik. der Nationalversammlung ist – diejenigen Abgeordneten Die Stadt an der Ilm ist von der im November 1918 ein- als erste zur Abgabe ihres Votums aufgerufen werden, gesetzten Revolutionsregierung, dem „Rat der Volksbe- deren Nachnamen mit dem fünften Buchstaben des Al- auftragten“, als Tagungsort für das erste demokratische phabets, also mit dem „E“, beginnen. Der erste, der zur Reichsparlament in der deutschen Geschichte bestimmt Urne gerufen wird, ist Friedrich Ebert. Dass ausgerechnet worden. Auch der Vorsitzende der SPD, Friedrich Ebert, er als unangefochtener erster Anwärter auf das höchste der führende Mann in der revolutionären Übergangs- Staatsamt als erstes aufgerufen wird, entlockt auch ihm regierung, hat sich für die mitteldeutsche Residenzstadt einiges Schmunzeln. mit ihren 37.000 Einwohnern stark gemacht, weil sie im Auf Friedrich Ebert entfallen schließlich 277 der 379 ab- Gegensatz zum weiterhin unruhigen Berlin als sicher gilt. gegebenen Stimmen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte Zugleich kommt man mit der Entscheidung den Ländern besitzen die Deutschen damit ein demokratisch gewähl- im Süden entgegen, die Bedenken gegen die Reichs- tes Staatsoberhaupt, zum ersten Mal steht ein Zivilist an hauptstadt gehegt haben. Jener Geist von Goethe und der Spitze der deutschen Nation. Dass mit ihm einer aus Schiller, der die Stadt der deutschen Klassik durchweht, den Reihen der im Kaiserreich ausgegrenzten und diffa- soll auf die neue Republik strahlen und insbesondere die mierten SPD zum neuen Staatsoberhaupt Deutschlands republikanische Verfassungsschöpfung durch die Natio- gekürt wird, symbolisiert noch einmal den mit der Re- nalversammlung durchdringen. volution im November 1918 eingeleiteten fundamentalen Hier im Nationaltheater hat Friedrich Ebert als Führer der Wandel, der unter maßgeblicher Beteiligung des SPD- 10 Friedrich Ebert (1871–1925)

Arbeitern die Monarchie zertrümmert und der Weg in die Republik gebahnt worden. Auf den ins holländische Exil geflohenen Kaiser Wilhelm II. folgt ein Mann aus dem gemeinen Volk an der Spitze Deutschlands. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch den Präsidenten der Nationalversammlung, Edu- ard David (SPD), ergreift der 48-jährige Friedrich Ebert das Wort. In seinem Dank versichert er, sein Amt unpar- teiisch zu versehen: „Ich will und werde als der Beauf- tragte des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Partei.“ Das wird der Wertmaß- stab des Handelns als Reichspräsident. Ebert will nicht wie sein Vorgänger, der Hohenzollernkaiser, ausgrenzen, sondern sucht die Gesellschaft zu einen und zu vereinen. Diese Verpflichtung zur überparteilichen Integration, ein Novum in der Geschichte und stilbildend auch für die Bundespräsidenten der zweiten deutschen Republik ab 1949, stellt den einen Teil seines Amtsverständnisses dar. Gleichzeitig verweist er darauf, dass er als Sozialdemo- krat auch immer die Interessen der Arbeiterbewegung im Blick haben werde: „Ich bekenne aber auch, dass ich ein Sohn des Arbeiterstandes bin, aufgewachsen in der Ge- dankenwelt des Sozialismus, und dass ich weder meinen Ursprung noch meine Überzeugung jemals zu verleug- nen gesonnen bin.“ Mit diesen Leitsätzen als Orientie- rungsmarken steht Friedrich Ebert bis zu seinem frühen Porträtkarte vom April 1919 an den Jugendfreund Tod am 28. Februar 1925 an der Spitze der ungefestigten Karl Seppich in Heidelberg. und von starken Gegenkräften bekämpften Republik.

Der Weg des Arbeiterführers Vorsitzenden vollzogen worden ist. Am 9. November ist unter der Wucht der Revolution, getragen von den sich Friedrich Eberts Ursprung war das Kleine-Leute Vier- nach Frieden, Freiheit und Brot sehnenden Soldaten und tel der nordbadischen Universitätsstadt Heidelberg. Er Vom Sattler zum ersten Reichspräsidenten 11

wuchs auf im Milieu der Tagelöhner, Arbeiter und Klein- handwerker der Altstadt, wo er am 4. Februar 1871 – mittags um 12 Uhr – als siebtes von neun Kindern eines Schneiders das Licht der Welt erblickt hatte. Nach der Volksschule erlernte er das Sattlerhandwerk und schloss sich während der anschließenden Wanderschaft, zu der er wohl Anfang 1889 aufbrach, der sozialdemokratischen Partei und der Sattlergewerkschaft an. Die Wanderschaft endete 1891 in Bremen, das zu seiner zweiten Heimat wurde. Hier blieb er bis 1905. In der Hansestadt stieg er von einem unentwegten Parteiarbeiter zu einem weithin bekannten Parteiführer auf. Auch privat wurden die Wei- chen gestellt: 1894 heiratete er die aus ärmlichen Ver- hältnissen stammende Hilfsarbeiterin Louise Rump, die bis zur Eheschließung selbst gewerkschaftlich aktiv war. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Ebert arbeitete zeitweise als Redakteur bei der örtlichen Parteizeitung, danach sechs Jahre lang als Gastwirt, wo er den um Rat suchenden Arbeitern unentgeltlich half, bevor er 1900 als erster besoldeter Arbeitersekretär in der Hansestadt hauptberuflich in sozialen und rechtlichen Dingen Auskunft gab. Der Anwalt des kleinen Mannes entwickelte sich zum versierten Sozialpolitiker. Als Funk- tionär, der tagein, tagaus mit den Sorgen und Nöten des Arbeiters konfrontiert wurde, wusste er, wo dem Prole- Friedrich und Louise Ebert im Palais des Reichspräsidenten 1919. tariat der Schuh drückte. Das Los des Proletariats im Hier und Heute wollte er über Reformen verbessern; er hielt nichts davon, die eigene Gefolgschaft auf eine utopische Lage der Arbeiterschaft. Er war Reformist, kein Revolu- Heilsgesellschaft in ferner Zukunft, nach einer Revolution, tionär. zu vertrösten. So setzte er auch als Mitglied des Landes- Als engagierter Vorkämpfer der Arbeiterrechte und Mul- parlaments, der Bremer Bürgerschaft, zwischen 1900 und tifunktionär der Partei machte er sich über die Grenzen 1905 auf schrittweise Reformen zur Hebung der sozialen Bremens hinaus einen Namen, so dass er auf dem SPD- 12 Friedrich Ebert (1871–1925)

Parteitag 1905 in Jena in den zentralen Parteivorstand dem Ende 1918 die KPD hervorgehen sollte. gewählt wurde. Hier war er für das Funktionieren der Zu den politischen Anspannungen kamen noch private mitgliederstärksten und am besten organisierten Partei Sorgen und Belastungen. Drei seiner vier Söhne standen des Kaiserreiches zuständig, die stetig wuchs: Von 1906 an der Front; im ersten Halbjahr 1917 fielen die Söh- bis 1914 verdreifachte sich die Mitgliederzahl der SPD auf ne Heinrich und Georg innerhalb weniger Monate. Die rund 1,1 Millionen. Seit 1890 eilten die Sozialdemokra- Eberts teilten das Leid vieler anderer. ten bei den Reichstagswahlen von Erfolg zu Erfolg; ihre Weichensteller in die Demokratie Stimmenzahl stieg stetig: von 1,4 Mio. (1890) auf 4,25 Mio. (1912). Nach den Reichstagswahlen von 1912, bei Im Krieg stieg Ebert zum beachteten Politiker von na- denen auch Ebert erstmals ein Mandat – für den Wahl- tionaler Bedeutung auf und wurde im Herbst 1918 zur kreis Elberfeld-Barmen (heute Wuppertal) – errang, stell- Schlüsselfigur, als im Angesicht der lange Zeit kaum für te die SPD, die 34,8 Prozent der Stimmen erhalten hatte, möglich gehaltenen Niederlage Militär und Reichsfüh- mit 110 von 397 Abgeordneten die stärkste Fraktion im rung die von der SPD immer eindringlicher geforderten Reichsparlament. Reformen zugestehen mussten. Gegen Widerstände in Ein Jahr später, im September 1913, wählte der SPD-Par- den eigenen Reihen führte Ebert seine Partei in die ers- teitag, der sich wieder in Jena versammelte, Friedrich te parlamentarische Regierung unter dem am 3. Okto- Ebert als Nachfolger des verstorbenen August Bebel zum ber berufenen Reichskanzler, dem badischen Thronfolger Co-Vorsitzenden neben dem seit 1911 amtierenden Hugo Prinz Max von Baden. Er erkannte die Notwendigkeit, Haase. Aber ihre Zeit auf der Zinne der Partei sollte durch nun in die Bresche zu springen, um das unsägliche Ka- den vor allem von Deutschland vom Zaun gebrochenen pitel Krieg zu einem einigermaßen erträglichen Ende zu Ersten Weltkrieg überschattet werden. Weil auch die SPD bringen und die Chance zur Teilhabe an der Regierung an das von der Reichsführung vermittelte Bild vom Ver- zu nutzen, auch wenn er sich bewusst war, dass es „ein teidigungskrieg glaubte, reihte sie sich in die nationale großes Opfer“ für die Partei sein werde, letztlich auch ein Abwehrfront ein. So beschloss sie bei Kriegsausbruch im „gewagtes Spiel“. So feierte Ebert in seiner letzten Rede August 1914 den Burgfrieden, mit dem sie auf Opposition vor dem kaiserlichen Reichstag am 22. Oktober 1918 die gegen den Staat für die Dauer des Krieges verzichtete. Bildung der ersten parlamentarisch gebundenen Regie- Über diese Stillhaltepolitik spaltete sich die SPD. Im April rung, der mit und 1917 bildete die Opposition, die diesen Kurs der von Ebert auch zwei Vertreter der SPD angehörten, als „Geburtstag angeführten Parteimehrheit nicht mehr mitzutragen ge- der deutschen Demokratie“. Die dann Ende Oktober 1918 willt war, eine neue Partei: die Unabhängige Sozialdemo- verabschiedeten Verfassungsreformen, die das Gewicht kratische Partei Deutschland (USPD), der zunächst auch des Reichstages gegenüber der Regierung stärkten und der radikal-revolutionäre Spartakusbund angehörte, aus die konstitutionelle Monarchie in eine parlamentarische Vom Sattler zum ersten Reichspräsidenten 13

überleiteten, waren zwar ein entscheidender Schritt in möglich eine Nationalversammlung zu berufen. Richtung Demokratie. Doch die Neuerungen kamen viel In einer der komplexesten Problemlagen der jüngeren zu spät, um noch eine mäßigende Wirkung auf die über- deutschen Geschichte, am Ende eines verlorenen Welt- hitzte Stimmung draußen im Lande zu erzielen. Denn krieges mit seinen ungeheuren Belastungen und im An- nun handelte das Volk, kriegsmüde und ausgelaugt, und gesicht unnachgiebiger Sieger, galt es die Republik zu machte Schluss mit Kaisertum und Krieg. etablieren. Keine andere Regierung in der deutschen Am 9. November 1918, im Zeichen einer sich rasch aus- Geschichte der neueren Zeit stand vor einer dermaßen breitenden Revolution, übernahm Friedrich Ebert aus schwierigen Lage. Der mehr als vierjährige Krieg hatte den Händen des letzten kaiserlichen Regierungschefs das Land ausgezehrt. Prinz Max von Baden die Reichskanzlerschaft. Reichs- Die noch weit in Feindesland stehenden Millionen deut- kanzler war Ebert jedoch nur für einen Tag, denn tags scher Soldaten waren binnen kürzester Frist ins Reich darauf bildete sich mit dem „Rat der Volksbeauftragten“ zurückzuholen, sonst drohte Kriegsgefangenschaft. Zu- die zentrale Revolutionsregierung, die zunächst aus je dem musste nach zwei Hungerwintern die Versorgung drei Vertretern der SPD und USPD, dann ab Ende Dezem- der Bevölkerung gesichert werden. Die Kriegswirtschaft ber 1918 allein aus Vertretern der SPD bestand. In dieser war schlagartig auf Friedensproduktion umzustellen, die Übergangsregierung dominierte unangefochten Fried- mehr als acht Millionen Soldaten mussten ins Zivilleben rich Ebert, der die Weichen in Richtung parlamentarische zurückgeführt und mit Arbeit versorgt werden. Demokratie stellte. Angesichts der kritischen Ausgangslage glaubte Ebert, Bei der Machtübernahme hatten Ebert und die Sozialde- auf die alten und noch intakten zivilen und militärischen mokraten keinen Masterplan zur Umgestaltung des Kai- Verwaltungsstrukturen zurückgreifen zu müssen. Der serreiches in eine demokratische Staatsform in der Tasche. von ihm immer wieder ins Feld geführte Problemstau So begriff man die Revolutionsregierung als Konkursver- nach dem Ende des Krieges ließ aus seiner Sicht keinen walter des alten Regimes und als Treuhänder der Macht Spielraum für umfassende personelle Neubesetzungen – mit einem befristeten Mandat. Der Rat der Volksbeauf- im Gegenteil: Es schien dringend geboten, sich auf das tragten hatte den reibungslosen Übergang in den demo- Expertenwissen zu stützen, denn sonst drohte das Chaos. kratischen Verfassungsstaat zu garantieren, dabei Chaos Die Lage verschärfte sich, als die USPD Ende Dezember und Bürgerkrieg zu vermeiden. Ebert, beseelt von dem 1918 aus dem Rat der Volksbeauftragten austrat. Der tie- Glauben an die Reform und geprägt von demokratischer fere Grund lag in den wachsenden Differenzen zwischen Grundüberzeugung, lehnte ein längerfristiges diktatori- der SPD und der immer stärker unter Druck der Links- sches Revolutionsregime ab. Er setzte stattdessen voll auf radikalen geratenen USPD vor allem in der Militärpolitik. die parlamentarische Karte. Er hielt in den krisenhaften Das führte zu den Januar-Unruhen, dem so genannten Revolutionsmonaten unbeirrt daran fest, so schnell wie „Spartakus-Aufstand“. Dabei versuchte die radikale Linke 14 Friedrich Ebert (1871–1925)

mit der neugegründeten KPD unter Karl Liebknecht an fest. Seine Politik fand die überwältigende Unterstützung der Spitze, die „Regierung Ebert-Scheidemann“ zu stür- des ersten Reichsrätekongresses der Arbeiter- und Sol- zen und den Weg zu freien Wahlen und letztlich in die datenräte Mitte Dezember 1918, der den 19. Januar 1919 parlamentarische Demokratie zu verhindern. In diesem als Wahltermin festlegte und der Idee eines Rätesystems Moment griff die nur noch aus Männern der SPD beste- als Grundlage einer sozialistischen Republik eine deutli- hende sozialdemokratische Revolutionsregierung auf das che Absage erteilte. alte Militär und die neu gebildeten Freikorps zurück. So Grundsteinlegung der Republik in Weimar festigte sich die unangetastet gebliebene Oberste Heeres- leitung als Ordnungsfaktor. Am 19. Januar 1919 fanden die ersten wirklich demokra- Trotz des die politische Kraft absorbierenden Krisen- tischen Wahlen in der deutschen Geschichte statt. Zum managements stellte die Revolutionsregierung konse- ersten Mal durften Frauen reichsweit wählen – und sie quent die Weichen in Richtung Demokratie. Bereits am durften auch gewählt werden. Diese Wahlen sahen die 12. November verkündete sie grundlegende Rechte wie SPD mit 37,9 Prozent weit vorn. Die USPD kam auf 7,6 Vereins- und Versammlungsrecht, Meinungs- und Re- Prozent; die eine Räteherrschaft anstrebende revolutio- ligionsfreiheit. Zugleich verfügte man sozialpolitische näre KPD, zu diesem Zeitpunkt noch ohne große Strahl- Maßnahmen. Mit der Einführung des Achtstundentages kraft und Gefolgschaft, war aus Protest gegen die mit 344 wurde die zentrale sozialpolitische Forderung der Arbei- gegen 98 Stimmen gefällte Entscheidung des Reichsräte- terbewegung Wirklichkeit. Die Verkündung des Frauen- kongresses für eine parlamentarische Demokratie (und wahlrechts war nichts weniger als ein Meilenstein. Vielen damit gegen das politische Rätesystem) gar nicht erst an- aber war dies zu wenig und sie forderten Reformen auch getreten. Auf Platz zwei lag die katholische Zentrumspar- in Militär, Verwaltung und in der Wirtschaft. Doch dazu tei mit 19,7 Prozent, gefolgt von der linksliberalen Deut- sah sich die Revolutionsregierung angesichts der drama- schen Demokratischen Partei (DDP) mit 18,5 Prozent. Die tischen Situation nicht in der Lage. rechtsliberale Deutsche Volkspartei (DVP) brachte es auf In dem Streben nach parlamentarischer Demokratie lehn- magere 4,4 Prozent, während die dem alten Kaiserreich te Ebert eine Räteherrschaft, die von einer Minderheit nachtrauernde Deutschnationale Volkspartei (DNVP) als radikal-revolutionärer Kräfte gefordert wurde, strikt ab. Sammelbecken der Konservativen und Republikgegner Anders als in dem durch die Revolution hinweggefegten immerhin 10,3 Prozent auf sich vereinigen konnte. Kaiserreich, das die sozialistische Arbeiterbewegung als Es erfüllte Ebert mit tiefer Zufriedenheit, als am 6. Febru- Systemfeind ausgegrenzt hatte, sollte die neue Republik ar 1919, keine drei Monate nach dem 9. November 1918, allen Bevölkerungsteilen die Möglichkeit zur Mitgestal- das erste demokratische Reichsparlament der deutschen tung geben. An der möglichst schnellen Konstituierung Geschichte zusammentreten konnte. Die Nationalver- der Nationalversammlung hielt Ebert unerschütterlich sammlung hatte den Grundstein für die Republik zu le- Vom Sattler zum ersten Reichspräsidenten 15

gen. Nach ihrer Eröffnung widmete sich das neue Reichs- Fünf Wochen später fand die Verfassungsarbeit ihren parlament seinen zentralen Aufgaben: der Besetzung der Abschluss: Am 31. Juli 1919 verabschiedete die National- obersten Regierungsorgane, also von Reichspräsident versammlung mit 262 Stimmen von SPD, Zentrum und und Regierung, der Ausarbeitung einer Verfassung und DDP gegen 75 Stimmen von DVP, DNVP und USPD die dem Abschluss eines Friedensvertrages. Die Versamm- neue Verfassung, die Friedrich Ebert als Staatsoberhaupt lung wählte am 11. Februar Ebert zum Reichspräsidenten, am 11. August in seinem Urlaubsort Schwarzburg unter- sein Co-Vorsitzender Philipp Scheidemann übernahm das zeichnete. Er wurde dann am 21. August in der 86. Sit- Amt des Regierungschefs (offizieller Titel: „Reichsminis- zung der Nationalversammlung, der letzten in Weimar, terpräsident“). Seine „Weimarer Koalition“ aus SPD, Zen- feierlich auf die Verfassung vereidigt. Seine im Anschluss trum und DDP konnte sich auf eine komfortable Dreivier- gehaltene kurze Ansprache endete mit dem Leitspruch, telmehrheit stützen, zerplatzte aber bereits im Juni 1919 den er als „neuen Lebensgrundsatz des deutschen Vol- an der Entscheidung über den Friedensvertrag. kes“ verstanden wissen wollte: „Für Freiheit, Recht und Die Frage der künftigen Friedensordnung bestimmte soziale Wohlfahrt!“ Dabei hatte Ebert „soziale Wohlfahrt“ neben der Verfassungsschöpfung die Arbeit der Natio- noch eigenhändig in das ihm vorgelegte Manuskript ein- nalversammlung. Als die Siegermächte am 7. Mai 1919 gefügt. Als Sozialdemokrat fühlte er sich nicht nur Recht den ohne vorherige Verhandlungen mit den Deutschen und Freiheit, sondern auch der sozialen Demokratie ver- zustande gekommenen Entwurf präsentierten, ging ein pflichtet. Aufschrei durch das Reich. Denn mit Gebietsabtretungen, Der Verteidiger der Republik Reparationen und Einschränkungen der Souveränität so- wie der Zuweisung der Alleinschuld am Weltkrieg wurde Die in der Verfassung festgeschriebene Volkswahl des er als Demütigung empfunden. Das Kabinett Scheide- Reichspräsidenten für die Dauer von beachtlichen sie- mann trat zurück. Auch Ebert reihte sich in den Chor de- ben Jahren wertete das Amt beträchtlich auf. Doch Ebert rer ein, die den Vertrag ablehnen wollten, erkannte aber erhielt nie die plebiszitären Weihen, obwohl er konti- letztlich doch, dass es keine Alternative zur Unterschrift nuierlich auf Durchführung einer Wahl durch das Volk gab. Der Nationalversammlung blieb schließlich keine drängte. Der Reichstag jedoch entschied sich anders und andere Wahl, als endgültig am 23. Juni 1919, im aller- verlängerte am 24. Oktober 1922 über eine Verfassungs- letzten Moment vor Ablauf des alliierten Ultimatums, die änderung die Amtszeit Eberts bis zum 30. Juni 1925. neue Reichsregierung unter dem Sozialdemokraten Gus- Die im August 1919 in Kraft tretende Verfassung schuf tav Bauer zur Zustimmung zum Vertrag zu ermächtigen. einen außerordentlich starken Reichspräsidenten, der Am 28. Juni unterzeichneten Außenminister Hermann nicht nur repräsentative Aufgaben hatte. Er verfügte im Müller und Kolonialminister Johannes Bell im Spiegelsaal Verhältnis zu Regierung und Reichstag über eine äußerst des Schlosses von Versailles den Friedensvertrag. starke Position. So besaß er das Recht, den Reichskanzler 16 Friedrich Ebert (1871–1925)

Rede nach der Wahl zum Reichspräsidenten am 11. Februar 1919 Weimar, Nationaltheater1

Meine Damen und Herren! dass ich weder meinen Ursprung noch meine Überzeu- Gestatten Sie mir, dass ich zunächst für die freundlichen gung jemals zu verleugnen gesonnen bin. Worte Ihres Herrn Präsidenten danke. Ihr Vertrauen ist (Beifall bei den Sozialdemokraten) meine größte Ehre. Der Ruf, den Sie soeben an mich rich- Indem Sie das höchste Amt des deutschen Freistaates mir teten, ist ein Ruf zur Pflicht. Ich folge ihm in dem Be- anvertrauen, haben Sie - ich weiß es – keine einseitige wusstsein, dass heute mehr denn jemals jeder Deutsche Parteiherrschaft aufrichten wollen. Sie haben aber damit auf dem Platz, auf den er gestellt wird, seine Schuldigkeit den ungeheueren Wandel anerkannt, der sich in unserem zu tun hat. Staatswesen vollzogen hat, und zugleich auch die gewal- (Bravo!) tige Bedeutung der Arbeiterklasse für die Aufgaben der Mit allen meinen Kräften und mit voller Hingabe werde Zukunft. ich mich bemühen, mein Amt gerecht und unparteilich (Bravo!) zu führen, niemand zuliebe und niemand zuleide. Die ganze wirtschaftliche Entwicklung lässt sich darstel- (Bravo!) len als eine fortwährende Verringerung und Abtragung Ich gelobe, dass ich die Verfassung der Deutschen Repu- der Vorrechte der Geburt. blik2 getreulich beachten und schützen werde. (Sehr richtig! links.) (Bravo!) Jetzt hat das Deutsche Volk dieses Vorrecht auf dem Ge- Ich will und werde als der Beauftragte des ganzen deut- biet der Politik restlos beseitigt. Und auch auf sozialem schen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Gebiet vollzieht sich diese Wandlung. Auch hier werden Partei. wir bestrebt sein müssen, allen, im Rahmen des mensch- (Bravo!) lich Möglichen, den gleichen Ausgangspunkt zu geben Ich bekenne aber auch, dass ich ein Sohn des Arbeiter- und das gleiche Gepäck aufzuladen. standes bin, Mögen wir um die Formen ringen, in denen sich dieses (Bravo! bei den Sozialdemokraten) Recht durchführen lässt: das Streben nach dieser höchs- aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus und ten menschlichen Gerechtigkeit wird uns allen inne woh-

1 Original: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung. Band 326: Stenographische Berichte, Berlin 1920, S. 40–41, wieder abgedruckt bei: Walter Mühlhausen (Hrsg.): Friedrich Ebert – Reden als Reichspräsident (1919–1925). Reihe: Friedrich Ebert Reden, Band 1, Bonn 2017, S. 70–73. 2 Bis zum Inkrafttreten der zu diesem Zeitpunkt noch zu erarbeitenden Verfassung am 14. August 1919 galt das am 10. Februar von der Nationalversammlung verabschiedete „Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt“. Vom Sattler zum ersten Reichspräsidenten 17

nen. Freiheit und Recht sind Zwillingsschwestern. Die bauen und zu behüten, die allen deutschen Männern Freiheit kann sich nur in fester staatlicher Ordnung ge- und Frauen die politische Gleichberechtigung unbedingt stalten. verbürgt, dem deutschen Volke Arbeit und Brot zu schaf- (Lebhafte Zustimmung.) fen, sein ganzes Wirtschaftsleben, so zu gestalten, daß Sie zu schützen und wiederherzustellen, wo Sie angetas- die Freiheit nicht Bettlerfreiheit, sondern Kulturfreiheit tet wird, das ist das erste Gebot derer, die die Freiheit werde, lieben. (Bravo!) (Zustimmung und Beifall.) das sei unseres Strebens Ziel. Jede Gewaltherrschaft, von wem sie auch komme, wer- (Erneutes Bravo!) den wir bekämpfen bis zum Äußersten. Ich weiß, dass die Kraft eines einzelnen, wo immer er (Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei der auch stehe, gering ist, wenn Sie sich nicht mit allen le- Mehrheit. – Unruhe bei den Unabhängigen Sozial- bendigen Kräften des Volkes vereinigt. Ein so hartes Ge- demokraten.) schick unser Volk auch getroffen hat: an seinen lebendi- Dem Gewaltprinzip zwischen den Völkern haben wir fei- gen Kräften verzweifeln wir nicht. Unser Volk hat sich in erlich abgesagt; auch dort wollen wir, daß das Recht und großer Bewegung Licht und Luft geschaffen, es wird sich die Freiheit zur Geltung komme. Niemand soll in den Ver- auch durchsetzen draußen in der Welt und zu Hause. band der deutschen Republik gezwungen werden, aber (Lebhafter Beifall.) es soll auch niemand mit Gewalt von ihr getrennt wer- Die Tüchtigkeit der Männer der Volkswahl, die Ehrlichkeit den, den es zu ihr zieht und drängt. ihres Strebens und die Reinheit ihres Wollens müssen den (Lebhafter Beifall.) Beweis für die Richtigkeit des großen Prinzips der Selbst- Nur auf das freie Selbstbestimmungsrecht wollen wir regierung erbringen. unseren Staat gründen, nach innen und außen. Wir kön- Alle diese Forderungen stellen an mich schwerste Auf- nen aber um des Rechtes willen nicht dulden, dass man gaben und Pflichten. Mein Bestes will ich dafür einset- unseren Brüdern die Freiheit der Wahl raubt. zen, ihnen zu genügen. Gemeinsam aber wollen wir un- (Bravo!) ermüdlich arbeiten für das Glück und Wohlergehen des Die Freiheit aller Deutschen zu schützen mit dem äußers- freien deutschen Volkes. Und so, meine Damen und Her- ten Aufgebot von Kraft und Hingabe, dessen ich fähig ren, rufe ich: Unser deutsches Vaterland, unser deutsches bin, das ist der Schwur, den ich in dieser Stunde in die Volk, sie leben hoch! – hoch! – hoch! Hände der Nationalversammlung lege. (Die Nationalversammlung, die sich erhoben hat, (Lebhafter Beifall.) stimmt begeistert in das dreimalige Hoch ein.) Den Frieden zu erringen, der der deutschen Nation das Selbstbestimmungsrecht sichert, die Verfassung auszu- 18 Friedrich Ebert (1871–1925)

zu ernennen, konnte den Reichstag auflösen und über derlage, damit aller sich daraus ergebenden Konsequen- Artikel 48 Notverordnungen erlassen. Er vertrat das Reich zen besaß, instrumentalisierte die antidemokratische völkerrechtlich und war militärischer Oberbefehlshaber. Rechte den Friedensvertrag gegen die junge Demokratie Doch anders als von den Verfassungsschöpfern intendiert, und machte die Republik und ihre Träger für Versailles die aus Furcht vor einer einseitigen Parteiherrschaft über und die Folgen verantwortlich. Für Friedrich Ebert stand den Reichstag in einem einflussreichen Reichspräsidenten fest, dass die Friedensbedingungen nur in beharrlichen ein Gegengewicht zu Parlament und Kabinett hatten in- Verhandlungen mit den Westmächten gemildert werden stallieren wollen, verstand sich das erste republikanische konnten. So stützte er die „Erfüllungspolitik“, die darauf Staatsoberhaupt immer als Teil und nicht als Gegenpol abzielte, die Unerfüllbarkeit der Forderungen nachzuwei- der Reichsregierung. Für Ebert war dabei die Einigkeit der sen, um die Sieger zum Nachgeben zu bewegen. Doch Staatsführung grundlegendes Prinzip. Strittige Fragen erst 1924 stellten sich Erleichterungen ein. waren hinter verschlossenen Türen zu diskutieren; nach Innenpolitisch befand sich die Republik dauerhaft im Kri- der Kompromissfindung am Verhandlungstisch hatten senmodus: Revolten wie der im März 1920 von rechts- alle Beteiligten nach außen hinter dem Konsens zu ste- gerichteten Kreisen initiierte Kapp-Lüttwitz-Putsch, hen. So bewies sich Ebert auf der Regierungsebene als Separatisten mit ihren Loslösungsbestrebungen, der Hit- ein Teamspieler, der zwar seine eigene Meinung enga- ler-Putsch vom November 1923 oder kommunistische giert vertreten konnte, der sich aber auch von Gegen- Aufstandsversuche erschütterten das Reich. Die Beset- argumenten überzeugen ließ und sich der Mehrheitsmei- zung des Ruhrgebietes durch französische Truppen 1923 nung unterordnete. Den intern gefundenen Kompromiss und eine sich ins unermesslich steigende Geldentwertung verteidigte er dann auch in der Öffentlichkeit, ungeachtet verschärften die ohnehin angespannte Lage. 1923 stand seiner ursprünglichen persönlichen Einschätzung. die Republik am Abgrund. Seine sechs Jahre an der Spitze der jungen Republik wa- In diesen existentiellen Krisenmomenten schöpfte Ebert ren geprägt von innen- und außenpolitischen Zwangsla- die präsidialen Möglichkeiten der Verfassung voll aus, um gen: von den Folgelasten des verlorenen Krieges und von das parlamentarische System, um die Republik, zu retten. dem weithin als Schmachfrieden empfundenen Versailler Dabei vertrat er immer die Meinung, dass in den Krisen Vertrag. Die nationalistische Agitation gegen den Vertrag der Staat eine konsequente Führung benötigte. Er war und gegen die, die ihn letztlich angenommen hatten, ent- bereit, seinen Teil dazu beizutragen. Doch stellte sich kei- wickelten sich zu einer schweren Hypothek für die Repu- ne Kontinuität in der Regierung ein. So erlebte Ebert in blik. Wer für die Annahme des „Diktats“ gestimmt hatte, den sechs Jahren an der Spitze der Republik insgesamt galt in den Augen der Republikgegner als Verräter an der zwölf Regierungen unter neun Kanzlern. Die durch- deutschen Sache. Obwohl das kaiserliche Deutschland schnittliche Haltbarkeitsdauer einer Regierung betrug le- die Hauptschuld am Ausbruch des Krieges und der Nie- diglich ein halbes Jahr. Die meisten Kabinette verfügten Vom Sattler zum ersten Reichspräsidenten 19

Rede nach der Vereidigung auf die Verfassung

Weimar, 21 August 19191

Herr Präsident!2 Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für die freundlichen (Bravo!) Worte, die Sie an mich gerichtet haben. Ich danke Ihnen Das Wesen unserer Verfassung soll vor allem Freiheit sein, ganz besonders dafür, dass Sie in Ihren Worten Erinne- Freiheit für alle Volksgenossen. Aber jede Freiheit, an der rungen an unsere gemeinsame, engere liebe Heimat mit- mehrere teilnehmen, muss ihre Satzung haben. Diese ha- klingen ließen.3 ben Sie geschaffen; gemeinsam wollen wir sie festhalten. Meine Damen und Herren! Sie vertreten alle Gaue Aus Ihrem Vertrauen bin ich an die erste Stelle im Deut- Deutschlands. Das aber müssen wir uns erhalten, wenn schen Reich gestellt worden, in Ihre Hand habe ich das wir unser Vaterland auf Grundlagen aufbauen wollen, Gelöbnis abgelegt, die von Ihnen für das deutsche Volk die unvergänglich und unzerstörbar sein sollen: die inni- geschaffene Verfassung treu zu wahren. Ihr Vertrauen ge Liebe zur Heimat, zum Volksstamm, dem der einzelne wird mir die Kraft geben, immer der Erste zu sein, wenn entsprossen ist. Und dazu soll kommen die heilige Arbeit es gilt, Bekenntnis und Zeugnis abzulegen für den neu- am Ganzen, das Sichindienststellen in die Interessen des en Lebensgrundsatz des deutschen Volkes: für Freiheit, Reichs. Da löst sich der Widerspruch zwischen Gesamt- Recht und soziale Wohlfahrt4! staat und Einzelstaat. Da, in der engeren Heimat, liegt (Lebhafter allseitiger Beifall) die Quelle unserer Kraft, in der weiteren, in der großen Heimat, das Ziel und der Kern unserer Arbeit. In diesem Geiste lassen Sie mich zu meinem Teil die Verfassung hal- ten, vertiefen und schützen.

1 Original: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung. Band 326: Stenographische Berichte, Berlin 1920, S. 2751; wieder abgedruckt bei: Walter Mühlhausen (Hrsg.): Friedrich Ebert – Reden als Reichspräsident (1919–1925). Reihe: Friedrich Ebert Reden, Band 1, Bonn 2017, S. 88–89. Die Rede hat Friedrich Ebert am 12. Mai 1920 in einem Tonstudio nachgespro- chen, den Text vom Blatt ablesend; Informationen unter: https://www.sammlungen.hu-berlin.de/objekte/lautarchiv/225/. Es ist das einzige Tondokument des ersten Reichspräsidenten; zu hören unter: https://weimar.bundesarchiv.de/WEIMAR/DE/Content/Audios/ ton-1290-ebert.html. 2 Präsident der Nationalversammlung war nach nunmehr von der katholischen Zentrumspartei. 3 Der aus dem Schwarzwald stammende Fehrenbach hatte in seiner Rede zuvor auf die gemeinsame badische Herkunft hingewiesen. 4 In den Presseberichten und im Manuskript nach dem Doppelpunkt nur: „Freiheit und Recht“. Friedrich Ebert hat demnach noch „so- ziale Wohlfahrt“ hinzugefügt. 20 Friedrich Ebert (1871–1925)

Schwarzburg 1919: Friedrich und Louise Ebert mit Otto Meissner, später Leiter des Präsidialbüros (Mitte), dessen Ehefrau Hildegard (oben l.) und Sohn sowie dessen Kinderfrau.

nicht einmal über eine Mehrheit im Reichstag. tionierenden Parlamentarismus gehört. Doch die Parteien Daher drängte Ebert auf eine Große Koalition der vier waren nur zögernd bereit, diesem im modernen demo- zentralen Parteien SPD, Zentrum und den beiden libe- kratischen Spiel unerlässlichen Prinzip zu folgen. ralen DDP und DVP, um eine Regierung mit einer par- In instabilen Situationen konnte der Reichspräsident als lamentarischen Mehrheit im Rücken zu schaffen. Dabei „Ersatz-Monarch“ bestimmend in die Politik eingreifen, wurde er nicht müde für die Einsicht zu werben, dass der als Wächter und Stütze der Demokratie fungieren und die Kompromiss zwischen den Parteien zum Kern eines funk- Rolle des Krisenmanagers über Artikel 48 übernehmen, Vom Sattler zum ersten Reichspräsidenten 21

mit dem er gegen die Republikfeinde vorgehen, aber auch Fallersleben zur Nationalhymne. In seiner Proklamation im Zusammenwirken mit der Regierung Maßnahmen am stellte er besonders den Dreiklang „Einigkeit und Recht Parlament vorbei ergreifen konnte. Die präsidiale „Reser- und Freiheit“ in der dritten Strophe heraus, die heute veverfassung“ versetzte ihn in die Lage, das Parlament noch als Nationalhymne gesungen wird. auszuhebeln und als Ersatzgesetzgeber zu agieren. Fühl- Als oberster Repräsentant der „zivilen“ Republik grenzte te sich der Präsident der Demokratie verpflichtet, konnte er sich bei seinen öffentlichen Auftritten von den pompö- er eine Bastion gegen die Republikfeinde sein. Lag ihm sen waffenklirrenden Inszenierungen seines Vorgängers die Demokratie aber nicht am Herzen, konnte er das Amt Kaiser Wilhelm II. ab. Der ehrliche Makler der Republik auch gegen die Republik instrumentalisieren. Für Ebert pflegte einen zurückhaltenden Stil und verzichtete auf stellte die parlamentarische Demokratie mit dem Reichs- Glanz und Gloria vergangener Zeiten. tag als höchstem Organ eine unangreifbare Norm dar. Doch suchte Ebert über die Symbolik Traditionswerte zu Er handelte stets unter Wahrung und Respektierung der schaffen und für die neue Staatsordnung zu werben. Wie Rechte des Reichstages, während sein im April 1925 in ei- es scheint, gelang es ihm wohl, den politischen Treibsand, ner Volkswahl gekürter Nachfolger Paul von Hindenburg, die Unentschlossenen, für die Demokratie zu erwärmen. der militärische Verantwortliche für die Kriegsniederlage, Immun zeigten sich freilich die von der Weltrevolution die Möglichkeiten von Artikel 48 in geschickter Kombi- träumenden und auf eine Diktatur des Proletariats hin- nation mit den weiteren präsidialen Instrumentarien wie arbeitenden Kommunisten und auch die gegenüber der der Reichstagsauflösung gegen das Parlament – und da- Republik fest zementierte Vorbehalte hegenden Monar- mit gegen die Demokratie – missbrauchte. chisten, die in der neuen Staatsordnung nichts weiter als In der Erkenntnis, dass viele dem Vergangenem nach- das verachtete System der von Ebert angeführten „No- trauerten und der neuen Republik reserviert gegenüber- vemberverbrecher“ erblickten. Für die Unverbesserlichen standen, war Friedrich Ebert während seiner Amtszeit be- war und blieb die SPD eine Ansammlung von Hochver- sonders bemüht, das Ansehen der Verfassung zu mehren rätern. Viele sehnten sich nach imperialer Herrlichkeit zu- und ein republikanisches Bewusstsein bei den Deutschen rück und bekämpften die Republik und ihre Träger – bis zu verankern und zu stärken. Dabei wies er den ab 1921 hin zum Mord. Prominenteste Opfer waren der ehemali- jährlich begangenen Feiern anlässlich des Verfassungs- ge Reichsfinanzminister Matthias Erzberger 1921 und der tages am 11. August, dem Tag seiner Verfassungsunter- amtierende Außenminister Walther Rathenau 1922. zeichnung in Schwarzburg, eine wichtige Rolle zu. Wenn Mit Worten gemartert wurde Ebert, der als Staatsober- der Tag auch kein offizieller Nationalfeiertag wurde, so haupt wie kein anderer Politiker mit der Republik identi- sah Ebert in ihm ein wichtiges Element republikanischer fiziert wurde und so in das Fadenkreuz der Demokratie- Traditionsbildung. Am dritten Verfassungstag 1922 er- gegner geriet. Die antidemokratische Rechte überzog in klärte er das Deutschlandlied von August Hoffmann von ihrem blindwütigen Hass auf die Republik den Reichsprä- 22 Friedrich Ebert (1871–1925)

sidenten mit einer unglaublichen Verleumdungskampag- die Hetzkampagne zu seinem frühen Tod am 28. Februar ne, in deren Zentrum, im Rückgriff auf die Diffamierung 1925 im Alter von 54 Jahren bei. der Sozialdemokraten während des Kaiserreiches, der Sein Tod markierte einen Einschnitt in der Geschichte Vorwurf des Landesverrats stand. Dagegen stempelten der ersten Republik, denn auf ihn folgte der kaiserliche Radikalsozialisten und Kommunisten ihn wegen seines Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, der die Ver- Kampfes gegen eine Räterepublik – und weil er aus ihrer fassungsrechte des Präsidenten anders als sein sozialde- Sicht in der Revolution im Zusammenspiel mit den alten mokratischer Vorgänger gegen ihren Sinn einsetzte. Hin- Mächten die Arbeiterbewegung unterdrückt habe – zum denburg wurde zum Totengräber der Republik. verbonzten Arbeiterverräter. Gegen das planmäßige Kes- Unter extremen Belastungen und in Krisen, von vielen seltreiben setzte sich Friedrich Ebert mit juristischen Mit- der nationalen Rechten, aber auch aus der bürgerlichen teln zur Wehr. Doch der Gang vor das Gericht in rund Mitte als ein auf den republikanischen Thron verirrter 200 Fällen – nur die Spitze des Eisberges an Verleumdun- Sattlergeselle verhöhnt, tat Ebert im Wesentlichen das, gen – erwies sich als eine stumpfe Waffe. was ein Staatsoberhaupt, das sich dem demokratischen Denn die Gegner verfügten über populäre Losungen. Zur Ideal verpflichtet fühlte, in einer innerlich wenig befrie- wirkungsvollsten Waffe der antirepublikanischen Propa- deten, äußerlich bedrängten Republik hatte tun können. ganda entwickelte sich die Dolchstoßlegende, die den Mit seinem unausgesetzten Bemühen um Konsens und Nährboden für den Vorwurf des Landesverrats gegen seinem Appell an den Kompromisswillen war er der Zeit Ebert bildete. Ein von ihm angestrengtes Verfahren en- voraus. Machtwillen, Beharrungsvermögen und Verant- dete am 23. Dezember 1924 mit einem Skandal. Das Ge- wortungsethos machten ihn zum Prototyp des modernen richt bestrafte zwar den Redakteur wegen Beleidigung, Politikers, dem im Gegensatz zu den meisten Entschei- stellte aber zugleich fest, dass Eberts Beteiligung an den dungsträgern seiner Zeit der Wandel vom Milieupolitiker großen Streiks der Munitionsarbeiter im Januar 1918 den zum Staatsmann gelang. Dabei stand er immer in dem Tatbestand des Landesverrats erfülle. Das Urteil traf den Dilemma zwischen den Erfordernissen des Staatsamtes Patrioten tief; es war politischer Rufmord: Jeder Stamm- und der Bindung an die eigene Partei, zu der sich zwangs- tischbruder oder Gossenjournalist konnte fortan das läufig Dissonanzen ergaben, die ihn selbst bedrückten. Staatsoberhaupt ungestraft „Landesverräter“ schimpfen. Bei Eberts Tod befand sich das zeitweilig vom Untergang Über die von ihm angestrengte Neuaufnahme des Ver- bedrohte Staatsschiff Weimar in ruhigem Fahrwasser, fahrens verschleppte Ebert eine Blinddarmentzündung, auch dank seiner Politik, die gewiss nicht frei von Fehlern die zu spät operiert wurde. Die durch den Prozess ver- und Fehleinschätzungen war. Mit dem ersten Reichsprä- ursachten Aufregungen hatten seine Widerstandskraft sidenten verlor die erste Republik einen ihren Vorkämp- so gravierend geschwächt, dass er die lebensbedroh- fer und Eckpfeiler. Obwohl seine Leistungen mitunter kri- liche Operation nicht überstand. Ohne Zweifel trug so tisch beurteilt wurden und noch immer werden, nimmt Vom Sattler zum ersten Reichspräsidenten 23

Immer im Visier der Fotografen: Neun umringen den Reichspräsidenten bei der Verfassungsfeier 1922, der zehnte hält aus der Entfernung die Szene fest.

Friedrich Ebert als Gründer und Garant der ersten De- publik Deutschland ein – und als erster Staatsmann der mokratie auf deutschem Boden einen vorderen Platz im Arbeiterbewegung auch in der Ahnengalerie der deut- historisch-politischen Traditionshaushalt der Bundesre- schen Sozialdemokratie. 24 Die Ausstellung Friedrich Ebert (1871–1925) – Der erste deutsche Reichspräsident Friedrich Ebert (1871–1925) – Der erste deutsche Reichspräsident 25

Am 11. Februar 1919 wählt die in Weimar tagende Nationalversammlung Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten. Der SPD- Vorsitzende ist damit das erste demo- kratisch gewählte Staatsoberhaupt in der deutschen Geschichte und der einzige De- mokrat, der von der Gründung des Deut- schen Reichs 1871 bis zu dessen Untergang 1945 an der Spitze des Staates steht.

Die von der Stiftung Reichspräsident- Friedrich-Ebert-Gedenkstätte erarbeite- te Ausstellung zeichnet den Lebensweg Friedrich Eberts von seiner Geburt in Hei- delberg 1871 bis zu seinem Tod 1925 nach und gibt dabei Einblicke in die wechsel- volle Geschichte vom Kaiserreich zur Wei- marer Republik.

Friedrich und Louise Ebert im Juni 1920 in den Straßen von Berlin. 26 Der Aufstieg des Arbeiterführers Ebert bis 1918

Friedrich Ebert wird 1871 in Heidelberg In der Parteiführung in Berlin bewährt als Sohn eines Schneidermeisters in eine sich Ebert als Organisator und wird 1913 kinderreiche Familie hineingeboren. Nach zu einem der beiden Parteivorsitzen- Volksschule und Sattlerlehre geht er auf den der SPD neben Hugo Haase gewählt. Wanderschaft, während der er sich 1889 Während des Ersten Weltkrieges tritt er der Sozialdemokratie anschließt. Von 1891 für die Bewilligung der Kriegskredite ein. bis 1905 lebt Ebert in Bremen, wo er eine Die Parteispaltung in SPD und USPD 1917, Familie gründet, in verschiedenen Berufen die sich an der Haltung zu den Kriegskre- (unter anderem als Gastwirt und Leiter eines diten entzündet, kann Ebert nicht verhin- Auskunftsbüros für Arbeiter) tätig ist und dern. Durch den Wechsel von Haase zur sich sowohl in der SPD als auch in der Ge- USPD führen Ebert und Philipp Scheide- werkschaft engagiert. 1905 wird der wich- mann die SPD in die Phase der Revolution tigste Politiker der Bremer SPD in den zen- ab Herbst 1918. tralen Parteivorstand gewählt.

1 Das Geburtshaus Friedrich Eberts in der Heidelberger Altstadt, heute Sitz der Stiftung Reichspräsident- Friedrich-Ebert-Gedenkstätte. 2 Porträt von Friedrich Ebert zu Beginn seiner Wanderschaft ca. 1888. 3 Friedrich Ebert mit seiner Frau Louise und den drei ältesten Söhnen um 1898. 4 1909 ist er noch ein Mann der zweiten Reihe: Friedrich Ebert im SPD-Parteivorstand neben Luise Zietz, Hermann Müller und Robert Wengels; in der ersten Reihe sitzen: Alwin Gerisch, Paul Singer, August Bebel, Wilhelm Pfannkuch und Hermann Molkenbuhr (v. l. n. r.). Tafel 2 27

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4 28 Ausbruch der Revolution

Angesichts der Kriegsmüdigkeit und der Am 9. November erreicht die Revolution erst Anfang Oktober 1918 zu spät ein- Berlin. Reichskanzler Prinz Max von Baden geleiteten Reformen des politischen Sys- übergibt sein Amt an Friedrich Ebert, der tems kommt es zur Novemberrevolution, einen Tag später die revolutionäre Über- die durch die Meuterei der Matrosen der gangsregierung, den Rat der Volksbeauf- Kriegsflotte in Wilhelmshaven und Kiel tragten, ins Leben ruft. Am 12. Novem- am 4. November ausgelöst wird. In allen ber erlassen die sechs Volksbeauftragten größeren deutschen Städten bilden sich grundlegende Reformen wie die Einfüh- daraufhin Arbeiter- und Soldatenräte. rung eines demokratischen Wahlrechts, erstmals auch für Frauen, des maximal acht Stunden dauernden Arbeitstages und die Abschaffung der Zensur.

1 Drei der sechs Volksbeauftragen auf der Beisetzungsfeier für Revolutionsopfer am 20. November 1918 in Berlin: Philipp Scheidemann, Friedrich Ebert und Hugo Haase (v. l. n. r.). 2 Revolutionäre marschieren im Zentrum von Berlin. 3 Der Rat der Volksbeauftragten im November 1918 mit v. l. n. r.: Emil Barth (USPD), Otto Landsberg (SPD), Friedrich Ebert (SPD), Hugo Haase (USPD), Wilhelm Dittmann (USPD) und Philipp Scheidemann (SPD). 4 Am 10. Dezember 1918 begrüßt Friedrich Ebert nach Berlin zurückkehrende Soldaten vor dem Brandenburger Tor. Tafel 3 29

2 1 3 4 30 Ausrufung der Republik

Bereits am 9. November hat Philipp Schei- Den von der SPD angestrebten und vom demann vom Reichstag aus die Deutsche Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Republik ausgerufen, was den Sturz der mit überwältigender Mehrheit bestätig- Monarchie als Staatsform im Reich und ten Weg in die parlamentarische Demo- in 22 deutschen Staaten einläutet. Am kratie versucht die neu gegründete Kom- 11. November unterzeichnet Deutschland munistische Partei Deutschlands (KPD) mit den Waffenstillstand, wodurch der Erste dem sogenannten Spartakusaufstand zu Weltkrieg mit über 11 Millionen Toten of- verhindern. Der linksradikale Aufstand fiziell beendet wird. wird niedergeschlagen; die beiden Anfüh- rer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht werden von rechtsradikalen Soldaten er- mordet. Aufstand und Mord überschatten die bis dahin weitgehend friedlich verlau- fene Revolution.

1 Philipp Scheidemann ruft am Reichstag die Republik aus. (Dieses Foto stammt nicht vom 9. November 1918; es entsteht im Mai 1919, als Scheidemann aus einem Fenster der Reichskanzlei zu Demonstranten spricht.) 2 Die Karikatur des „Simplicissimus“ vom 9. November 1918 weist auf das Ende der Monarchien in Deutschland hin: Die revolutionäre Welle spült die Kronen hinweg. 3 Eine französische Karikatur zeigt den zerfledderten Kaiser Wilhelm II. Im November 1918 werden das Reich und 22 deutsche Länder zu Republiken. Tafel 4 31

1 3 2 32 Nationalversammlung und Verfassung

Am 19. Januar 1919 finden die Wahlen zur gierung unter Philipp Scheidemann ein, Nationalversammlung statt, aus denen nimmt nach schwieriger Debatte den Ver- die drei Parteien der sogenannten Weima- sailler Friedensvertrag an und verabschie- rer Koalition (SPD, katholische Zentrums- det am 11. August die Weimarer Reichs- partei und linksliberale Deutsche Demo- verfassung. Die Reichsverfassung ist die kratische Partei) mit einer Mehrheit von bis dahin freiheitlichste Verfassung in der 75 Prozent der Stimmen hervorgehen. Das deutschen Geschichte. Sie enthält aber Verfassungsparlament tritt in Weimar zu- Bestimmungen, welche – in den falschen sammen, das in der Mitte Deutschlands Händen – der Demokratie schaden kön- liegt. Es gibt hier keine revolutionären nen. Das Grundgesetz der Bundesrepub- Unruhen und man kann an die Tradition lik Deutschland knüpft an die Weimarer von Goethe und Schiller anknüpfen. Die Verfassung an – unter Vermeidung ihrer Nationalversammlung erledigt innerhalb Schwachstellen. von sechs Monaten ihre vier wichtigsten Aufgaben: Sie wählt Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten, setzt eine Reichsre-

1 Das Nationaltheater im thüringischen Weimar, Tagungsort der Nationalversammlung, mit dem Goethe- und-Schiller-Denkmal. 2 Vor dem Nationaltheater: ein „Hoch“ auf den am 11. Februar 1919 frisch gewählten Reichspräsidenten Friedrich Ebert. 3 Die weiblichen Abgeordneten der SPD, darunter Marie Juchacz (erste Reihe, 3. von r.), die am 19. Februar 1919 als erste Frau das Wort zu einer Rede in der Nationalversammlung ergreift. 4 Das Reichspräsidentenpaar zur Erholung in Schwarzburg (Thüringen), wo Friedrich Ebert am 11. August 1919 die Verfassung unterzeichnet. 5 Die erste Kabinettssitzung der Regierung von Philipp Scheidemann (4. v. l.) im Schloss von Weimar. Tafel 5 33

2 1 3 4 5 34 Das mächtigste Amt der Republik

Die Weimarer Verfassung stattet den Seine Rolle sieht er als Hüter der Verfas- Reichspräsidenten mit weitreichenden sung und Bewahrer der demokratischen Befugnissen aus: Er hat das Recht, den Ordnung. Während er die umfassenden Reichskanzler zu ernennen und den Rechte des Reichspräsidenten konsequent Reichstag aufzulösen. Er besitzt den Ober- zur Stabilisierung der Republik anwendet, befehl über die Reichswehr und vertritt hebelt sein Nachfolger Paul von Hinden- das Reich außenpolitisch. Zudem kann er burg mit ihnen die Demokratie aus. gemeinsam mit der Regierung Gesetze am Reichstag vorbei erlassen.

Die Verfassungsschöpfer wollen mit ei- nem starken Staatsoberhaupt ein Gegen- gewicht zu Parlament und Regierung in- stallieren. Ebert versteht sich immer als Teil und nicht als Gegenpol des Kabinetts.

1 Friedrich Ebert und Reichskanzler (r.) empfangen im August 1922 den österreichischen Bundeskanzler Ignaz Seipel (l.) und seinen Finanzminister August Ségur (2. v. r.). Es ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen der Reichspräsident als außenpolitischer Vertreter des Reiches auftritt. Eine Auslandsreise unternimmt er nicht. 2 Friedrich und Louise Ebert mit Gustav Bauer, Reichskanzler von Juni 1919 bis März 1920 (SPD), und dessen Frau Hedwig im thüringischen Schwarzburg. 3 Da das Reich außenpolitisch isoliert ist, wird der Besuch des gewählten, aber noch nicht vereidigten mexikanischen Präsidenten Plutarco Elías Calles aufgewertet. Friedrich Ebert empfängt ihn im August 1924 wie ein Staatsoberhaupt. Tafel 6 35

1 2 3 36 Der Versailler Vertrag

Deutschland bleibt keine andere Wahl, Nach Unterzeichnung des Friedensvertra- als den von den Siegermächten diktierten ges setzt die Regierung, unterstützt von Friedensvertrag von Versailles anzuneh- Ebert, auf die „Erfüllungspolitik“: Es ist men. Mit seinen drastischen Auflagen – der Versuch, den Zahlungsverpflichtun- Gebietsabtretungen, Verlust der Kolonien, gen nachzukommen, um damit zu zeigen, hohen Reparationen und der Zuweisung dass sie unerfüllbar sind. Auf diese Weise der Kriegsschuld an Deutschland – gilt er sollen die Alliierten zur Herabsetzung der weithin als Schmach und Erniedrigung. Lasten gezwungen werden. Diese Politik Der Vertrag und die nationalistische Pro- zeitigt jedoch kaum Erfolge. paganda gegen den „Schandfrieden“ ent- wickeln sich zu einer schweren Belastung für die Republik.

1 Friedrich Ebert bei der Eröffnung der „Ersten Deutschen Ostmesse“ im ostpreußischen Königsberg im September 1920. Die Planung der Reise erweist sich als schwierig, denn durch den Versailler Vertrag trennt der polnische Korridor Ostpreußen vom deutschen Mutterland ab. 2 Friedrich Ebert spricht am 18. Mai 1919 auf einer Massenkundgebung gegen die alliierten Friedensbedingungen. 3 Die Satire-Zeitschrift „Simplicissimus“ setzt das Gefühl der Ohnmacht bildlich um: „Der Friedenskuss“. Zur Annahme des Vertrages und zur Politik, den Auflagen nachzukommen, gibt es keine Alternative. Tafel 7 37

1 3 2 38 Der Krisenmanager

Die junge Weimarer Demokratie wird von steuernden Rechtsregierung. Beide Län- tiefen Krisen erschüttert. Im März 1920 der widersetzen sich Anordnungen der putschen rechtsgerichtete Militärs und Reichsregierung. Politiker. Doch der Kapp-Lüttwitz-Putsch Die Existenzkrise wird von Reichsregie- scheitert nach wenigen Tagen am Gene- rung und Reichstag gemeinschaftlich mit ralstreik der Arbeiterschaft. dem Reichspräsidenten bewältigt, der sei- 1923 steht die Republik am Abgrund: Die ne ganze Macht in die Waagschale wirft. Besetzung des Ruhrgebiets durch fran- In der nun folgenden Phase der Stabilisie- zösische und belgische Truppen und der rung besitzt die Republik die Chance, sich als Gegenmaßnahme verhängte passive zu einer gefestigten Demokratie fortzu- Widerstand treiben die ohnehin schon entwickeln. Sie nimmt sie aber nicht dau- hohe Inflation in astronomische Höhen. erhaft wahr. Separatistische Abenteurer und extremis- tische Parteien gefährden die Reichsein- heit. Konfliktherde sind Sachsen mit einer Regierung aus SPD und KPD und Bayern mit einer auf eine nationale Diktatur zu-

1 Kapp-Lüttwitz-Putsch am 13. März 1920: Putschtruppen besetzen das Regierungsviertel in Berlin. 2 Die Folgelasten des Krieges und die Finanzpolitik der Regierung bewirken eine horrende Geldentwertung der Mark („Hyperinflation“). Nach der Sanierung der Währung durch die Einführung der „Rentenmark“ im November 1923 dienen die wertlosen Scheine Kindern zum Spielen. 3 Feier zum Verfassungstag am 11. August 1923, obwohl nicht zum Feiern zumute ist: Reichskanzler (l.), der tags darauf zurücktreten wird, und Reichspräsident Ebert. 4 Krisenjahr 1923: In Hamm, an der Grenze zu dem seit Januar 1923 besetzten Teil des Ruhrgebiets, versichert Ebert im März 1923 Bergarbeitern die Solidarität des Reiches und mahnt zur Einigkeit mit dem Leitspruch der frühen Arbeiterbewegung: „Einer für alle, alle für einen“. Tafel 8 39

1 2 3 4 40 Politische Instabilität

Eine chronische Instabilität kennzeichnet zwölf Regierungen – zumeist Minderheits- die Weimarer Republik. Zwischen 1919 regierungen – unter neun Reichskanzlern. und 1924 finden vier Reichstagswahlen Die durchschnittliche Haltbarkeitsdauer statt. Die Möglichkeit des Parlaments, einer Regierung beträgt lediglich ein hal- den Reichskanzler über ein Misstrauens- bes Jahr. votum zu stürzen, ohne gleichzeitig eine Der Republik fehlt ein demokratischer neue Regierung zu wählen, erschwert es Grundkonsens. So sitzen in den Parlamen- dem Reichspräsidenten, Kandidaten für ten starke links- und rechtsradikale Kräf- den Reichskanzlerposten zu finden. In te, die die Demokratie ablehnen und ihre der Reichskanzlei geben sich die Kanzler Vertreter mit Hohn und Spott überziehen. in rascher Folge die Klinke in die Hand. So erlebt Friedrich Ebert in den sechs Jah- ren an der Spitze der Republik insgesamt

1 Das Satire-Blatt „Simplicissimus“ bringt 1923 eine Karikatur mit einem schlaflosen Ebert, der nunmehr den achten Kanzler berufen hat, unter der Überschrift „Die ewige Kanzler-Krise“, untertitelt mit dem Zitat des Dichters Heinrich Heine (1844): „Denk’ ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht...“. 2 Friedrich Ebert und Reichskanzler Nr. 5, der Zentrumspolitiker Joseph Wirth, beim Verfassungstag im August 1922. 3 Gedenkfeier zum zehnten Jahrestag des Kriegsausbruchs vor dem Reichstag am 3. August 1924; Friedrich Ebert (3.v.r.) mit drei Reichskanzlern: der amtierenden (2. v. r.), dessen Vorgänger, Außenminister (6. v. r.), und dessen Nachfolger, Reichsfinanzminister (5. v. r.). Tafel 9 41

1 2 3 42 Republik ohne Republikaner

Die Republik ist belastet von militanten, setzt er sich mit juristischen Mitteln zur antidemokratischen Kräften, die gegen Wehr. Doch der Gang vor Gericht in mehr die Demokraten ein regelrechtes Kessel- als 200 Fällen erweist sich als eine stumpfe treiben inszenieren. Waffe.

Der Hass der Republikgegner richtet sich Rechte Terroristen schrecken vor Mord gegen die „Novemberverbrecher“, de- nicht zurück. Zu den prominentesten Op- nen mithilfe der „Dolchstoßlegende“ die fern zählen die beiden KPD-Führer Rosa Schuld an der Kriegsniederlage zugescho- Luxemburg und Karl Liebknecht, der bay- ben wird, und die „Erfüllungspolitiker“, die erische Ministerpräsident Kurt Eisner so- angeblich die deutschen Interessen ver- wie der Zentrumspolitiker Matthias Erz- raten haben. Als Symbolfigur der neuen berger und Reichsaußenminister Walther Demokratie steht der Reichspräsident im Rathenau. Visier der Republikgegner, die eine Hetz- kampagne gegen ihn entfachen. Dagegen

1 Der „Simplicissimus“ sieht 1927 den republikanischen Gedanken noch nicht verankert: „R E P U B L I K – Sie tragen die Buchstaben der Firma – aber wer trägt den Geist?!“. 2 Philipp Scheidemann überlebt einen am 4. Juni 1922 verübten Anschlag. Die Attentäter spritzen ihm Blausäure ins Gesicht. Denn eine Kugel ist nach ihren „Ehrbegriffen“ für den „Novemberverbrecher“ zu schade. 3 Mit diesem Stockdegen hätte sich Ebert bei einem Angriff verteidigen können. Obwohl die Gefahr für Leib und Leben der Politiker groß ist, werden nur begrenzt Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. 4 Die Aufnahme der in der Ostsee badenden Friedrich Ebert (r.) und Reichswehrminister Gustav Noske („Berliner Illustrirte Zeitung“, 24. August 1919) erregt reichsweit Aufsehen, weil sich die führenden Repräsentanten der Republik in den damals noch nicht allgemein akzeptierten Badehosen öffentlich zeigten. Das Foto wird dazu missbraucht, den Reichspräsidenten (und mit ihm die Republik) lächerlich zu machen. 5 Die Mordanschläge wühlen die Republik auf: Massenproteste in Berlin nach dem Attentat auf Matthias Erzberger. Der ehemalige Reichsfinanzminister wird zum Hassobjekt, weil er im November 1918 den Waffenstillstand unterzeichnet und 1919 die Annahme des Versailler Vertrages befürwortet hat. Tafel 10 43

1 2 3 4 5 44 Die Republik und ihre Symbole

Der Reichspräsident ist der wichtigs- Begehung des Verfassungstages jeweils te Repräsentant der Republik. Von den am 11. August und die Proklamation des pompösen waffenklirrenden Inszenie- „Deutschlandliedes“ zur Nationalhymne rungen seines Vorgängers an der Staats- im Jahr 1922. spitze, Kaiser Wilhelm II., grenzt sich Zu den Reichsfarben bestimmt die Verfas- Ebert bei seinen öffentlichen Auftrit- sung Schwarz-Rot-Gold, verordnet aber ten durch einen zurückhaltenden Stil zugleich eine Handelsflagge in schwarz- ab, der auf Glanz und Gloria verzichtet. weiß-rot, den Farben des Kaiserreiches, Als „Werber“ für die Republik fördert er dem viele nachtrauern. Der Flaggenkom- Initiativen und symbolische Akte, um die promiss dokumentiert die innere Zerris- Identifikation mit der neuen Demokra- senheit der Republik. tie zu stärken. Dazu zählt die Erinnerung an die Revolution von 1848, die feierliche

1 Die jährliche Verfassungsfeier am 11. August (Tag der Unterzeichnung der Verfassung 1919) soll die Identifikation mit der neuen Republik fördern; hier Friedrich Ebert 1922 beim Abschreiten der militärischen Ehrenformation. Doch entwickelt sich die Verfassungsfeier nicht zum allgemein anerkannten Festtag. 2 75-Jahr-Feier der Nationalversammlung von 1848 in Frankfurt am Main am 18. Mai 1923: Beim Auszug der Festgemeinde aus der Paulskirche folgt Friedrich Ebert einem schwarz-rot-goldenen Banner aus dem Revolutionsjahr 1848. 3 Zwei Politiker einer Generation: Reichspräsident Friedrich Ebert in Köln 1924 mit dem knapp fünf Jahre jüngeren Oberbürgermeister , der 1949 zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt werden wird. 4 Automobilausstellung im September 1921: Friedrich Ebert mit Fritz von Opel (l.), dem Sieger des ersten Autorennens auf der neuen Berliner Rennstrecke, der Avus. Tafel 11 45

1 2 3 4 46 Aufbruch in die Moderne

Während die Weimarer Republik in wirt- Die größte Anerkennung wird dem Kriegs- schaftlicher und politischer Hinsicht durch verlierer Deutschland bei den Nobelprei- zahlreiche Krisen erschüttert wird, gilt sie sen gezollt. Insgesamt 18 Deutsche erhal- als die kulturell und wissenschaftlich he- ten die renommierte Auszeichnung. Mehr rausragendste Epoche des 20. Jahrhun- als jemals davor und danach; kein ande- derts („Goldene Zwanziger Jahre“). Auf res Land stellt in diesem Zeitraum so vie- den Gebieten Literatur, Film, Theater, Bil- le Nobelpreisträger. Die Hitler-Diktatur ab dende Künste, Architektur und Design ent- 1933 beendet diese kulturelle und wissen- stehen bis heute prägende Stilrichtungen schaftliche Blüte, an die Deutschland nach und einzigartige Werke, von der „Dreigro- 1945 nur noch zum Teil anknüpfen kann. schenoper“ von Bertolt Brecht, über den Film „Metropolis“ von Fritz Lang bis zum Antikriegsroman „Im Westen nichts Neu- es“ von Erich Maria Remarque.

1 Der deutsche Film besitzt in den Weimarer Jahren Weltgeltung: Friedrich Ebert bei den Dreharbeiten zum Stummfilm „Anna Boleyn“ (1920). 2 Das Flugzeug steckt als Transportmittel noch in den Kinderschuhen: Friedrich Ebert landet im März 1923 zu dessen Einweihung auf dem „Weltflughafen“ Leipzig-Mockau. 3 Friedrich Ebert mit dem Dramatiker und Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann („Die Weber“). 4 Szene aus dem berühmten Film „Die Nibelungen“ von Fritz Lang (1924). 5 Tingeltangel und Revuen gehören zur leichten Unterhaltung der „Goldenen Zwanziger Jahre“. Tafel 12 47

1 2 3 4 5 48 Der Tod Eberts und die Wahl Hindenburgs

Im Mai 1925 steht die erste Volkswahl des Er ist ein Adliger, ein Preuße, ein Berufs- Reichspräsidenten an. Da erkrankt Ebert soldat, ein Anhänger der Monarchie, ein im Februar an einer Blinddarmentzün- Gegner der parlamentarischen Demokra- dung, die nicht rechtzeitig erkannt und tie und der Erfinder der Dolchstoßlüge. daher zu spät operiert wird. Am 28. Fe- 1933 ernennt Hindenburg den Führer der bruar stirbt das Staatsoberhaupt im Alter NSDAP, , zum Reichskanzler von nur 54 Jahren und wird nach großen und ebnet damit Deutschlands Weg in die Trauerzügen in Berlin und Heidelberg in Diktatur. seiner Vaterstadt beigesetzt.

Zum neuen Reichspräsidenten wählen die Deutschen am 26. April 1925 einen „Anti- Ebert“: den bereits 77-jährigen General- feldmarschall Paul von Hindenburg.

1 Sonderblätter melden den Tod des Reichspräsidenten. 2 Die Beisetzung Friedrich Eberts am 5. März 1925 auf dem Bergfriedhof seiner Heimatstadt Heidelberg. 3 Der Grabstein Eberts mit der Inschrift „Des Volkes Wohl ist meiner Arbeit Ziel“. 4 Die Trauerfeier in Berlin verfolgen Hunderttausende. Tafel 13 49

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2 1 3 4 5 Die Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte 51

Die Stiftung zu Ehren des ersten Reichspräsidenten Fried- sen gekennzeichneten Periode deutscher Geschichte, der rich Ebert wurde am 19. Dezember 1986 durch den Deut- Zeit vom Kaiserreich über den Ersten Weltkrieg bis in die schen Bundestag errichtet. Das Gründungsgesetz macht Anfangsjahre der von Ebert mitbegründeten Weimarer es der bundesunmittelbaren Stiftung öffentlichen Rechts Republik. mit Sitz in Heidelberg zur Aufgabe, „das Andenken an Das Friedrich-Ebert-Haus verzeichnet als lebendiger Lern- den ersten deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert ort der deutschen Demokratiegeschichte jährlich rund zu wahren und einen Beitrag zum Verständnis der deut- 70.000 Besucher und Besucherinnen. Die Stiftung unter- schen Geschichte seiner Zeit zu leisten“. hält neben der hier dokumentierten kleinen Wanderaus- Die von der Stiftung unterhaltene Gedenkstätte, das Fried- stellung aus dem Jahr 2019 drei weitere, die durch die rich-Ebert-Haus in der Heidelberger Pfaffengasse, wurde Republik reisen: Eine widmet sich Friedrich Ebert und sei- am 11. Februar 1989, dem 70. Jahrestag der Wahl Fried- ner Zeit, eine andere den zwölf Reichskanzlern der Wei- rich Eberts zum Reichspräsidenten, eröffnet. Herzstück ist marer Republik und eine dritte präsentiert den Reichs- als authentischer Ort der Geschichte die kleine Wohnung, präsidenten in der Karikatur. Sie sind Teil einer breiten in der Ebert am 4. Februar 1871 als siebtes von neun Kin- Palette von Bildungsangeboten der Stiftung, die damit dern eines Schneidermeisters geboren wurde und in der und mit ihrer Forschungs- und Publikationstätigkeit auf er Kindheit und Jugend verbrachte. Die 2007 eröffnete vielfältige Weise dazu beiträgt, die Erinnerung an den neue Dauerausstellung „Vom Arbeiterführer zum Reichs- großen Sozialdemokraten und Staatsmann wachzuhal- präsidenten – Friedrich Ebert (1871–1925)“ zeichnet den ten, der als Gründer und Garant der Weimarer Republik ungewöhnlichen Lebensweg vom Sattler an die Spitze zu den Wegbereitern der modernen deutschen Demokra- der ersten deutschen Demokratie nach. Sie zeigt die Bio- tie zu zählen ist. grafie vor dem Hintergrund der von Umbrüchen und Kri-

1 Eingang in die Gedenkstätte in der Heidelberger Pfaffengasse, über dem Tor die Geburtswohnung Friedrich Eberts. 2 Das Wohnzimmer in der Geburtswohnung. 3 - 5 Einblicke in die Dauerausstellung

Öffnungszeiten Friedrich-Ebert-Haus, Pfaffengasse 18, Heidelberg: April bis Oktober: Dienstag bis Freitag 9 –18 Uhr, Samstag und Sonntag 10 –18 Uhr November bis März: Dienstag bis Freitag 9 –17 Uhr, Samstag und Sonntag 10 –17 Uhr Der Eintritt ist frei. Kostenlose Führungen für Gruppen durch die ständige Ausstellung und Sonderausstel- lungen nach Vereinbarung. Das Haus ist barrierefrei. 52

Weiterführende Literatur Bildnachweis Kurt Beck: Friedrich Ebert. Staatsmann – Sozialdemokrat – Mensch (jeweils Seite oder Seite/Nummer) (Friedrich-Ebert-Gedächtnis-Vortrag 2018), Heidelberg 2018. akg images, Berlin: 35/2 Peter Beule (Hrsg.): Friedrich Eberts Wahl zum Reichspräsidenten – Archiv der sozialen Demokratie, Bonn: 19, 21, 23/4, 25/2-4, 27/1, Mut zur Demokratie! (Friedrich-Ebert-Stiftung, Gesprächskreis 29/1+3+5, 31/1 33/1, 35/2, 37/2, 41/1, 43/2 Geschichte Heft 108), Bonn 2019. Bildarchiv preußischer Kulturbesitz, Berlin (bpk): 39/5, 41/4 Bernd Braun/Walter Mühlhausen: Vom Arbeiterführer zum Reichs- Bundesarchiv Berlin: 29/2 (SAPMO Y-1-26970) präsidenten. Friedrich Ebert (1871–1925). Katalog zur ständigen Ausstellung in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Bundesarchiv Koblenz: 25/1 (Bild 146-1970-096-07), 31/3 (Bild 102- 00633; Georg Pahl), 35/1 (Bild 146-1971-091-209); Umschlag Heidelberg 2012. hinten innen (Bild 102-00757; Georg Pahl) Friedrich Ebert 1871–1925. Mit einem einführenden Aufsatz von Peter Historisches Museum Frankfurt a. M.: 41/2 Christian Witt, Bonn 21980. Library of Congress, Washington: 7 Eberhard Kolb (Hrsg.): Friedrich Ebert als Reichspräsident. Amtsfüh- National Archives and Records Administration, College Park (USA): rung und Amtsverständnis, München 1997. 29/3 Ronald A. Münch: Von Heidelberg nach Berlin: Friedrich Ebert Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin: Titelbild/Umschlag vorn 1871–1905, München 1991. Rheinisches Bildarchiv, Köln: 41/3 (rba_102651) Walter Mühlhausen: Friedrich Ebert 1871–1925. Reichspräsident der Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz: 43/3 Weimarer Republik, Bonn 22007. Stadtarchiv Kassel: 39/2 (Fotoarchiv Carl Eberth) Walter Mühlhausen: Friedrich Ebert, Bonn 2018. Süddeutsche Zeitung Photo, München: 35/4 Walter Mühlhausen: Friedrich Ebert. Sein Leben in Bildern, Ostfildern 2019. ullstein bild, Berlin: 43/1+4 Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg: alle Walter Mühlhausen (Hrsg.): Friedrich Ebert – Reden als Reichspräsi- anderen dent (1919–1925). Reihe: Friedrich Ebert Reden, Band 1, Bonn 2017.

Walter Mühlhausen: Friedrich Ebert in Weimar und Schwarzburg 1919. Hrsg. vom Landesbüro Thüringen der Friedrich-Ebert-Stif- tung, Erfurt 2019.

Peter Christian Witt: Friedrich Ebert. Parteiführer – Reichskanzler – Volksbeauftragter – Reichspräsident, Bonn 42008.

100. Jahrestag der Wahl Friedrich Eberts zum Reichspräsidenten. Ma- tinee des Bundespräsidenten am 11. Februar 2019. Dokumentation der Reden (Kleine Schriften der Stiftung Reichspräsident-Fried- rich-Ebert-Gedenkstätte 26), Heidelberg 2019. Empfang für amerikanische Gäste mit Berliner Kindern im Garten des Reichspräsidentenpalais 1924. Friedrich Ebert (1871–1925) – Der erste deutsche Reichspräsident

Am 11. Februar 1919 wählt die in Weimar tagende Nationalversammlung den aus Heidelberg stammenden Sattlergesellen Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten. Der SPD-Vorsitzende, der das höchste Staatsamt in einer krisenhaften Zeit bis zu seinem Tod sechs Jahre später ausübt, ist damit das erste demokratisch gewählte Staatsoberhaupt in der deutschen Geschichte und der einzige Demokrat, der von der Gründung des Deutschen Reichs 1871 bis zu dessen Untergang 1945 an der Spitze des Staates steht. Die vorliegende Broschüre dokumentiert die von der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Ge- denkstätte (Heidelberg) erarbeitete, 13 Elemente umfassende Ausstellung zum Lebensweg Fried- rich Eberts von seiner Geburt in Heidelberg 1871 bis zu seinem frühen Tod 1925. Die zum 100. Jahrestag der Wahl Friedrich Eberts zum Reichspräsidenten entwickelte Ausstellung gibt dabei auch Einblicke in die problembeladene Geschichte vom Kaiserreich zur Weimarer Republik. Ein vorangestelltes biografisches Essay über den Sozialdemokraten und Staatsmann Friedrich Ebert bietet einen Einstieg in Leben und Werk des Republikgründers.

© 2020 Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg

ISBN 978-3-928880-60-2 Schutzgebühr 3 Euro